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I
•i >
ZEITSCHRIFT
_7
AACHENER GESCHICHTSVEREINS.
IM AUFTRAG DER WISSENSCHAFTLICHEN KOMMISSION
HEBAVSOEGEBES
UICHARD PICK,
ItCHlVAR DER yTAT>T AACHEN'.
ZEHNTER BANP.
AACHEN.
KOMWSSIOXS-VERLAG DEB CltEMKR'SCHEN BrCIIHAXDLUNG [C. (
1888.
ÜNIVERSITY OF.'^'^'r- fTlARIES
Die verehrlichen Herren Mitarbeiter werden hüflichst ersucht,
in ihren für den Druck bestimmten Manuskripten nur eine Seite
der Blätter nicht zu eng zu beschreiben und davon die Hälfte
noch völlig frei zu lassen. Der Redaktion wie dem Setzer und
Korrektor wird dadurch viel Zeit und Miihe erspart.
Die Manuskripte sind zu senden an Professor Loebsch in
Bonn oder an Stadtarchivar Pick in Aachen.
Die verehrlichen Vereine, Gesellschaften, Anstalten und
Redaktionen, mit welchen der Aachener Geschichtsverein in
Scliriftenaustäusch steht, bitten wir, uns ihre Veröffentlichungen,
sofern deren Zusendung nicht direkt durch die Post erfolgt,
durch die Oreuer'sche Büchhandluno in Aachen gefalligst
zugeben zu lassen.
Der bereits in den Druck gegebene Band XI der Zeitschrift,
dessen Erscheinen für den Monat August 1889 in Aussicht steht,
wird u. A. enthalten :
H. BüCKBLER, Die Melodie des Aachener Weihnachtslieds.
H. LoERscH, Ein Sühnegescheuk für das Aachener Münster.
K. NöRRENBERG, Aachener Gedichte des 14. Jahrhunderts.
E. VON OiDTMAN, Dic Herren von Mileudonk aus dem
Geschlecht der von Mirlaer.
R. Pick, Aachens Befestigung im Mittelalter.
S. Planker, Aus- dem Pfairarchiv von St. Peter in Aachen.
M. Schollen, Die St. Sebastianus-Schützen-Briiderscliaft
in Geilenkirchen.
DER VORSTAND.
ZEITSCHRIFT
AACHENER GESCHICHTSVEREINS.
IM AUFTRAG DER WISSEXSC HAFTLICHES KOMMISSION
RERAV^MKEaEBEX
RICHARD PICK,
ARCHIVAR DER STADT AACHEN.
ZEHNTER BAND.
AACHEN.
KOMMISSION S- VERLA n DER CEEMER'SCHEN BVCHHANDLUNO IC. CAZIN>.
I8H8.
A54
Inhalt
Zur Erinnening an Alfred von Reumont. Von H. Loersch . . 1
Aachener Prozesse am ReichskammergfericLt. Von R. Qoeoke. . S2
Ueber ein Verzeichniss der Einkünfte der KatharineukapoIIe beim
Aachener Münster aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Von
H. Loersch 96
|4. Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. Von
M, Schollen. (Schluss.) IBH
5. Aus der Zeit der Fremdherrschaft, in. Der 2. März 1793 und seine
Folgen für Aachen. Von E. Pauls 198
6. Kleinere Mittheilungen:
1. Handschriften und Handschriftliches aus und über Aachen in
der Amploniana zu Erfurt. Von H. Loersch 220
2. Die Aachener Rathswahlen in den Jahren 15H1 und 1582.
Von J. Hansen 222
3. Ein böhmisches Adelsgeschlecht, das aus Aachen 8tamm(*n soll.
Von W. Hieke 237
4. Der Eid des Vicedominus beim Aachener Marienstift. Von
St Beissel S. J 244
5. Zur Geschichte der Familie Wildt. Von A. Hcusch . . . 245
7. Literatur:
1. K. SchellhasB, Das Könignlager vor Aachen und vor Frankfurt
in seiner rechtsgeschichtlichen Bedeutung. Angezeigt ytm
H. Loersch 248
2. H. F. Macco, Beiträge zur Genealogie rheinischer Adel»' and
Patrizierfamilien. Bd. IL Angezeigt von E. von Oidtroan 252
3. F. J. Kelleter, Die Landfriedensbünde zwischen Maas und
Rhein im 14. Jahrhundert Angezeigt von H. Loers^'h . . 256
4. K. HöhlbanuL. Mittheilungen auh dem Htadtarchiv von KiCAu.
Bd. I--V- Angezeigt von H. Loersch 2^7
5. fi. Schwenger, Jahresbericht über das Kai«^;r'iCarl»^)ymnai'Jum
zu Aachen für das .Schuljahr 16%7;&8. Hierbei: Urkaii'iJi/;h'rt«
zur GfT^:hithi»i d*fr Anstalt Angezeigt von H. Loersch . 2*J1
6. K. Lampr*:;<bt Skizzen zur Rheixiivrb'-D Gevrhi' bl*:. Angez^^igt
vo« J. Hangen 2*i2
7. De :M44 Aken« Aa<:bf:n vor 250 J-^hrtfU. Pb'y*'>»litb//«Ta|#bi*
von H. lii^Ardt An^-iz^igt r*m R.Pi'k 2*/i
9. An* Zrrit-^,L.nft*rn- \*m H Loersch uiA K, Pi k. , - - 2^
i Fnz-M J'%
$. Ckr^.cJk 4-* \^ Lf:Zi^r G»r-^L: Ll^v-rr*;-!.« I^-T »ij 27^
10- V«^zr#.i;.-^ 'i'T M^v-r^'rr ^".1
QUAUTT CONTROL MARK
Zur Erinnerung an Alfred von Renmont.
Vortrag grehalten in der Generalversammlung
des Aachener Gescliichtsvereins am 10. November 1887.
Von H. Loersch.
Am 3. Mai 1883 vereinigten sich die Vertreter unserer
Stadt und der Regierungsbehörden mit den Abgesandten zahl-
reicher wissenschaftlicher Korporationen und Gesellschaften, um
dem damaligen Präsidenten unseres Vereins ihre Huldigungen
darzubringen. Es galt der Feier seines fünfzigjährigen Doktor-
jubiläums. Mehr noch als die Vaterstadt, welche ihn zum
Ehrenbürger ernannte, nahmen durch zahllöse Zeichen der
Anerkennung, durch glückwünschende Zuschriften und Depeschen
die Fürstenhäuser Deutschlands und der Nachbarländer, an ihrer
Spitze der Kaiser und die Kaiserin des deutschen Reiches, die
Universitäten und Akademien, die Vertreter von Kunst und
Wissenschaft des In- und Auslandes Theil an diesem Feste. Mit
vollster Ueberzeugung konnte unser Vorstand dem Manne, dem
dies alles entgegengebracht wurde, warmen Dank dafür aus-
sprechen, dass er dem jungen Verein den Glanz seines Namens
geliehen, und mit Stolz darauf hinweisen, dass seinem Präsidenten
für alle Zeiten ein hei^vorragender Ehrenplatz gesichert sei in
der Literatur zweier grossen Nationen.
Vier Jahre später erneuten sich in gleichem Masse die
Kundgebungen der Theilnahnie, aber sie waren jetzt anderer
Art; sie galten nunmehr dem Todten, der am Schlüsse eines
langen Lebens voll Arbeit und Erfolgen in die heimathliche
Erde gebettet wurde.
Unser Verein erfüllt nur eine Pflicht der Pietät, wenn er
bei dem ersten Anlass, der ihn seit jener Begräbnissfeier vereinigt,
dieses Leben, in seiner Arbeit wie in seinen Erfolgen, sich zu
1
2 H. Luersch
vergegenwärtigen sucht. Ich rechne es mir zur Ehre an, Ihnen
in kurzen Zügen die Laufbahn Ilires ersten Präsidenten schiliiem
zu dürfen, wnd bitte nur um Ihre Naclisiclit dafür, dass diese
Schilderung, wenn auch mit warmem Herzen entworfen, so weit
davon entfernt ist, den liohen Vorzügen Alfreds von Renniont
gerecht zu werden.
Ich lege meinem Vortrag vor Allem zu Grunde eine von
dem Verstorbenen hinterlassene Schilderung seiner Jugendjahre,
welche voraussichtlich bald gedruckt werden wird, sowie die
Nachrichten, die er über sein eigenes Leben in dem Buche
mitgetheilt hat, das er König Friedrich Wilhelm IV, widmete.
Ich benutze dann an vielen Stellen das ganz vorzüglicli gelungene
Lebensbild, das mein Freund, Herr Gelieimrath Hermann Hüffer,
in der Münchener .allgemeinen Zeitung veröffentliclit hat, und
darf mich endlich für manche Einzelheit auf die zahlreichen
Briefe und alle die Erinnerungen stützen, welche aus mehr als
zwanzigjährigem Verkehr mit meinem väterlichen Freunde mir
als tlieure Andenken geblieben sind.
Alfred Reumout wurde am 15. August 1808 geboren. Das
Elternhaus, die Art, wie er die frühesten Jugendjahre verlebte,
haben von vorn herein fördernd und die zukünftfge Entwicklung
glücklich bestimmend auf ihn eingewirkt. Der erste Unter-
richt, den er genoss, war Privatunterricht, welclier auch fort-
gesetzt wurde, naclidem er in die von Vikar Scheen geleitete
S(!hule eingetreten war, und sich allmählich auch auf Griechiscli,
Engliscli, Naturgescliiclite und Geograpiiie erstreckte. Gut vor-
bereitet, trat der zw^Ölfeinhalbjährige Knabe zu Ostern 1821
in die Quarta des Aacliener Gymnasiums ein. Diese Anstalt,
aus einer 1805 im Augustinerkloster eiTicIiteten französischen
Sekundärschule hervorgegangen, war in jener Zeit noch in einem
wenig erfreulichen Zustand, der sich jedocii bereits durch die
Heranziehung jüngerer Kräfte allmählich zum Bessern wandte.
Bis zum Herbste 1824 hatte Reumont, der stets mit Dankbarkeit
entlich des um die Aachener Geschichte ver-
Quix gedachte, säinmtliche Klassen durch-
iber den ci-st Secliszehnjährigeu nicht wohl
ulcn konnte, wurde er einstweilen im elter-
ckbchalten. Der Vater, Gcrlianl Reumont,
1 vorigen Jahrhunderts als praktischer Arzt
mit grossem Erfolg thätig, hatte während
Zur Erinuerung an Alfred von Reumont. 8
der schlimmsten Jahre der französischen Revohition zuerst in
Paris, dann in Edinburg studirt, zahlreiche Verbindungen in
Frankreich und England angeknüpft, die er auch in spätem
Jahren aufrecht erhielt. So wurde sein Haus stets von Fremden
aufgesucht, für die Aachen als Badeort nach den unruhigen
Zeiten der politischen Umwälzungen wieder die alte Anzieliungs-
kraft ausüben konnte. Angesehene, hocligebildete, zum Theil
hervorragende Personen aus aller Herren Ländern hat Alfred
hier schon als Knabe in grosser Zahl kennen gelernt. Einer
dieser Freunde, Frederick North, später Graf von Giulford,
wollte den jungen Abiturienten schon im Herbst 1824 mit sich
nach Korfu nehmen, wo er eine griechische Universität gegründet
hatte. Die Unmöglichkeit, den nöthigen Pass rechtzeitig von
Berlin za erhalten, vereitelte diesen Plan. So blieb Reumont
denn zunächst in Aachen, ohne eigentliche Leitung, da der
Vater zu sehr durch seineu Beruf in Anspruch genommen war,
den verschiedenartigsten Studien, vor Allem einer sehr viel-
seitigen Lektüi'e aufs Eifrigste sich hingebend. In jener Zeit
hat er zu der ganz ausserordentlichen Kenntniss deutscher und
ausländischer Literatur, welche ihn stets auszeichnete, den ersten
Grund gelegt.* In dieser Richtung wirkte aber auch noch
Anderes auf ihn ein. Aachen war allmälilicli in bis daliin fast
völlig unbekannte Beziehungen zur deutschen Literatur und
Kunst getreten. Hier vermittelten das am 15. Mai 1825 eröffnete
Theater, das im selben Jalire zum ersten Mal gefeierte Musik-
fest die Beziehungen zur Aussenwelt, wählend einige einlieimische
Arbeiter wie Nolteu, Ritz und Quix auf kunsthistorischem und
liistorischem Gebiet ihre Thätigkeit entfalteten. Für die schöne
Literatur wurde Reumont gewonnen durch den in ihr wohl-
bewanderten Arzt Karl Günther und den jiuigen Literaten
Johann Baptist Rousseau, unter dessen Leitung seit dem
I.Januar 1825 die Rheinische Flora in Aachen erschien. Den
Schicksalen dieser nur etwa zwei Jahre blühenden Zeitsclirift,
den Verhältnissen, unter welchen sie erschien, wie den Persön-
Uehkeiten, die in nähere oder fernere Berührung zu ihr und
üirem Leiter traten, hat Reumont in unserer Zeitschrift eine
liebenswürdige Schilderung gewidmet, der er freilich seinen
Namen nicht beigesetzt hat, die aber in unsern Tagen er allein
noch liefern komite. Rousseau hat in gutem wie im schlimmen
Sinne auf ihn eingewirkt. Ihm vorzugsweise dankte er zwar die
1*
4 H. Loersch
Bekanntschaft mit der vaterländischen altern und neuem Literatur
und nützliche Anregung zu schriftlichen Arbeiten; — schon damals
hat er zahlreiche kleine historische und kritische Versuche,
poetische Uebersetzungen aus dem Englischen und Französischen,
Theaterkritiken und Aehnliches verfasst — aber er gerieth auch
viel zu tief, wie er selbst sagt, in die dramatische Literatur
jener Tage hinein, verlor viele Zeit für Journalistik und Theater-
wesen. Er bezeichnet jene Periode geradezu als die bedenk-
lichste seines Lebens, und es ist ein Glück gewesen, dass er
bald in neue Verhältnisse eintrat.
Achtzehnjährig bezog er im Herbst 1826 die Universität Bonn,
wo er die nächsten drei Semester immatrikulirt blieb. Er selbst
hatte den Wunsch gehegt, Geschichte und Philologie zu studiren,
der Vater aber wünschte, in ihm sich einen Nachfolger zu
erziehen. So hörte er denn vor Allem Vorlesungen aus dem
Gebiete der Naturwissenschaften, unterliess es aber nicht, der
innersten Neigung folgend, sich mit Geschichte und Literatur
zu beschäftigen. Dabei wurden mit Genossen und Freunden
zahlreiche Ausflüge in die Thäler des Rheins und seiner Neben-
flüsse gemacht. Die Ferien verbrachte R^umont in Aachen ; im
Herbst 1827 wurde ihm hier Gelegenheit geboten, mit einem
ebenso tüchtigen wie liebenswürdigen Schotten, William Craufurd,
die schon vor mehrern Jaliren begründete Freundschaft zu er-
neuern. Reumont sagt von ihm, dass es einen Mann von gütigerm
Herzen und reinerm Wohlwollen nie gegeben habe. Bald sollte
dieser Mann, mehr als irgend Jemand, bestimmend in seine
Geschicke eingreifen.
Während der Osterferien 1828 trat der jimge Student in
freundschaftliche Beziehungen zu dem vorübergehend in Aachen
anwesenden Wilhelm Bernhardi und zu dem bis an sein Lebens-
ende hier verbliebenen spätem Redakteur der Aachener Zeitung,
Louis Lax, während er in einer Schrift des Vaters über die
Aachener Quellen den topographischen Theil bearbeitete.
Das Sommersemester des Jalires 1828 wurde in Heidelberg
verbracht, zugleich mit dem Aachener Albert von Thinius und
dem Koblenzer August Reichensperger, welche durch innige
Freundschaft verbimden waren. Empfehlungen an hervor-
ragende Mediziner öfi'neten Reumont weite Kreise, eine solche
an Friedrich Christoph Schlosser brachte ihn zu diesem hervor-
ragenden Historiker in nahe Beziehungen, aus welchen die alte
Zur Erinnerung an Alfred von Reumont 5
Vorliebe für gescliichtliehe Studien neue Nahrung zog. Auch
nianclie andere geistig fordernde Verbindung wurde hier geknüpft.
Im August 1828 kehrte der Student wohlgemuth heim; auf der
Durchreise in Bonn besuchte er ahnungslos eine ihm bekannte
Bucldiandlung und erfuhr hier den Tod seines Vaters — der
Brief, der ihm Nachricht von dessen Erki-ankung bringen sollte,
liatte ihn nicht erreicht.
Die Verhältnisse der Mutter, welche mit sechs Kindern
zurückblieb, gestatteten eine Fortsetzung der Studien nicht.
Notligedrungen blieb Alfred in Aachen ; Ertheilen von Unterricht
und literarische Thätigkeit sollten ihm einigen Erwerb bringen.
So entstand sein erstes Buch, das der Vaterstadt und ihren
Erinnenuigen gewidmet wurde : Aachens Liederkranz und Sagen-
welt. Den schwunghaften Prolog dichtete J. B. Eousseau, mancher
Freund hatte dem Verfasser treue Hülfe und einen literarischen
Beitrag geleistet — von ihnen allen lebt unter uns nur noch
Wilhelm Weitz, den die Vorrede anerkennend nennt. Als Ein-
leitung ist vorausgeschickt: Karls des Grossen Leben und
Thaten — die erste geschichtliche Arbeit Reumonts, welche
ziun Theil sich bereits auf den ersten Band der Monumenta
Germaniae stützen konnte, die neueste Literatur gewissenhaft
benutzt, schon vielfach Zeugniss ablegt für gute Methode und
gesunde Kritik. Es folgt eine chronologische Uebersicht der
(lescliichte Aachens, dann unter der Bezeichnung „Liederkranz"
eine Zusammenstellung von auf Aachen bezüglichen Gedichten,
schliesslich eine Reihe von Gescliichten, Sagen und Legenden.
Der Anhang bringt ein auf Aachen bezügliches Stück aus einem
Briefe Friedrichs von Schlegel, Bemerkungen über die Aachener
Mundart von WiUielm Weitz und eine kleine Sammlung Aachener
Sprichwörter. So ist das unscheinbare Buch beschaffen, welchem
so bedeutende Leistungen folgen sollten. Auch an der in den
drei Sommermonaten des Jahres 1829 erscheinenden, grössten-
theils von seinen Freunden dem Engländer White und dem
Referendar von Normann geschriebenen Lorgnette, deren Kritiken
und Nachrichten vielfach Aufsehen, bisweilen sogar Anstoss und
Aergerniss erregten, hat Reumont sich betheiligt. Ln Herbst
dieses Jahres machte er einen kurzen Ausflug, der ihn bis
Frankfurt führte. Bei der Heimkehr fand er einen Brief vor,
der über seine ganze Zukunft entschieden hat : die Aufforderung,
nach Italien zu kommen. John Craufurd, Schatzmeister der
6 H. Loersch
Jonisclien Inseln, der einen Theil des Jahres in Florenz lebte,
war durch seinen bereits genannten jungern Bruder William auf
Reumonts Lage aufmerksam gemacht worden. Er lud ihn ein, in
sein Haus zu kommen, um seinen beiden altern Söhnen Unterriclit
zu ertheilen, bis sich irgend eine mehr zusagende und fördernde
Stellung für ihn finden würde. William Craufurd unterstützte
den Vorschlag durch ein von London abgesandtes Schreiben-,
dem gleich das Reisegeld beigefügt war.
„Mein Entschluss" — so schreibt Reumont in der erwäluiten
Aufzeichnung — „war bald gefasst. Es schien, als sei ich
bestimmt, nach dem Süden zu ziehen. Mein Universitätsleben
war seit einem Jahre unterbrochen luid mir fehlten die Mittel
es wiederzubeginnen ; zum Eintritt in die ärztlich militärische
Oarriere, die mir in Aussicht gestellt ward, fehlte es mir an
Gesundheit.**
„Wenn ich damals im Vaterland blieb, wäre ich entweder
in einen Stand getreten, zu welchem keine Neigimg mich zog
und wofür meine körperlichen Kräfte nicht ausgereicht haben
würden, oder ich wäre in das Literaturwesen liineingezogen
worden, welches noch weniger Heil versprechen konnte."
„Mein Abschied von der Heimath im einundzwanzigsten
Jalire und zunächst fünfjährige Abwesenheit unter Umständen,
die meine Beziehungen zu derselben nicht nur nicht unterbrachen,
sondern neue, unendlich wichtigere und fruchtreichere anknüpfen
Hessen, hat meinem Leben die bestimmende Richtung gegeben,
mir zum Heil, Anlass zu innigem Dank gegen die Vorsehung.
Ich hatte Vieles gelernt; in das Leben in weiterem und rechtem
Sinn war ich aber noch nicht eingetreten. Es sollte unter
Verhältnissen geschehen, wie sie nicht allzu Vielen geboten sind,
auf einem Boden, wie er nicht günstiger sein konnte.**
Reumont hatte am 17. November Aachen verlassen; in den
ersten Tagen des Dezember traf er in Florenz ein. Nicht
lange dauerte sein Aufenthalt im Hause des gütigen Mannes,
der ihm Gastfreundschaft geboten hatte. Schon nach wenigen
Wochen trat er als Privatsekretär in den Dienst des preussischen
Gesandten Friedrich von Martens, dem ein ständiger Legations-
sekretär nicht beigegeben war imd der ihn statt eines solchen
verwandte. Mit überraschender Leichtigkeit fand er sich in \
dieser Stellung unter einem in den Formen äusserst sichern und
gewandten Vorgesetzten zurecht. Bis zum Frühjahr 1885 ist
I
Zur EriiiS*rTLiLj ia Alfr^-i v- a K* rii^ su T
Reumont dann im Süden :reMiel>en. im Herh>t 1S;»2 boirloitoto
er Herrn von ilartens, der zum Ge>;indteu l*ei der hohen Pforte
ernannt war, nach Ki»nstantinoi«el, verliess ihn alK*r im Souuuer
1833, um bei dem neuen prenssixhen Ge:^*haftstrairer in Florenz,
dem Legationsrat h Graf Karl Schaffg»itsch, wiederum ilie Sekretär-
stelle einzunehmen.
In diesen ersten fünf Jahren ist der Gnmd srelegt worden
zii den Studien, denen der be<leutendste Theil des Lehens unseivs
Landsmannes in Zukunft gewidmet sein sollte, zu der Stellung,
welche er in der Wissenschaft wie in der Gesellschaft einzu-
nehmen bestimmt war. Eine grosse Zahl der hervorragendsten
deutschen Männer, damals in frischer Jugendknift, aufl)lUhenden
Studien imd mächtig sich entwickelnden Bestrebungen hingegeben,
Historiker, Philologen, Archäologen, Künstler besuchten in jener
Zeit Italien und berührten Florenz, zum Theil in längerm Auf-
enthalt. Mit ihnen allen knüpfte Reumont, der in seiner Stelhmg
nmnchen Dienst leisten konnte, enge Beziehungen an, die bei
Manchen sich das ganze Leben hindurch fortsetzen sollten
ich nenne nur zwei Namen: Leopold von Ranke, der im Jahre
1830 mehrere Monate in Florenz war, Karl Witte, <len bedeutenden
Dante forscher. Aber auch zu den Italienern, vor Allem zu (lino
Capponi, der als die in jeder Richtung hervorragendste Persön-
licldceit seiner Vaterstadt den Mittelpunkt eines weiten Kreises
von Gelehrten imd Politikern bildete, zu den Mitarbeitern der
von Vieusseux begründeten Antologia, trat er in enge Beziehungen,
die ihn in die italienische Literatur und Kunst einführten. Unaus-
gesetzt hat er neben seinen Berufsgeschäften wissenKchaftüch
gearbeitet; schon 1880 übergab er der Antologia die BeH[>rechung
eines Buches — das P>ste, was von ihm in italienischer S|)racli(;
gedruckt worden ist. Am 3. Mai 1H33 wurde er in Kriangen
zum Doktor der Philosophie promovirt, im Auffing diesfH .lalin-n
hatte bereits die ehrwürdige historiwhe GeM'llscIiaft (!olurnburia
zu Florenz ihn zum Mitglied erwühlt.
Im Frühjahr 1835 kehrte lU'umnut für ein Jahr narli
Deutschland zurück, um in das Ministerium de« Au-warti^/^n
einzutreten. Der Aufenthalt in Berlin i.'<"talt<'te hir-h ihm durrh
das grosse Wohlwollen des Mini^ter- Kri'-drirh \ut\\l,ti x-i
einem ausserordentlich nützlichen und fru'h'ban'u. M-'-'li'-
Italien angeknüpfte Bezieliiing'-n wurd^-n hi'r Uf*-*,;.'*. ■ -
neuen mehrten sich in raschert^T K'-;"-* ^'n 10, J. ; . ' > "
8 H. Loersch
wurde er von dem damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm
in Audienz empfangen; er überreichte zwei nicht lange vorher
von ihm herausgegebene Schriften: Andrea del Sarto und die
Reisesohilderungen mid Umrisse aus südlichen Gegenden; sie
boten den Stoff der Unterhaltung, welche, wie Hüffer treffend
bemerkt, somit schon Dinge berührte, die in spätem Zeiten
den Lieblingsgegenstand derselben wesentlich gebildet haben.
Zunächst freilich blieb diese erste Begegnung für lange Zeit
auch die letzte.
Schon im Sommer 1836 sandte nämlich der Minister des
Auswärtigen ßeumont als Geheimen expedircnden Sekretär nach
Italien zurück. Die Eeise führte über Aachen, Brüssel imd
Paris; hier schloss sich ein anderer Aachener, der x\rzt Klemens
August Alertz, an, der nach Rom ging, um Papst Gregor XVI.
zu behandeln. Auch Reumont begab sich, da Graf Schaffgotsch,
der Gesandte in Florenz, beurlaubt war, nach Rom. Hier wurde
er von Josias Bunsen zu den Geschäften herangezogen, bis dieser
Ende April 1837, in Folge der Wendung, welche die Kölner
Frage herbeigeführt hatte, Rom verliess. Ueber ein Jahr war
Reumont dann in Florenz thätig; im Herbst 1839 wurde er
nochmals der römischen Gesandtschaft zugetheilt, an deren
Spitze nunmehr der Geschäftsträger Herr von Buch stand, der
in den zwanziger Jahren Regierungs- Referendar in Aachen
gewesen und also ein alter Bekannter war. Bis 1843 ist
Reumont in der Stellung als Legationssekretär verblieben.
In diese Zeit fällt bereits eine bedeutende literarische
Thätigkeit und der Beginn der vermittelnden Stellung, welche
er zwischen der Wissenschaft Deutschlands imd Italiens einzu-
nehmen bestimmt war. Zu den in Florenz und Berlin erworbenen
Erfabrimgen traten in Rom neue Anregungen, neue Beziehungen.
Hier, wo ihm die beste Gesellschaft, die vornehmsten Kreise
geöffnet waren, trat er mit unzähligen Gelehrten und Künstlern,
Fürsten und Diplomaten aus allen Ländern in Verkehr. Noch
im Jahre 1836 hatte der Kronprinz ilim eine Medaille gesandt
und auf Friedrich Wilhelms Anregung begann nun seinerseits
eine Berichterstattung über literarische und künstlerische Gegen-
stände, die sich Jahre lang bis zu den schweren letzten Zeiten
des Königs fortgesponnen hat. Auf Reumonts Anregung erschienen
1838 und 1840 zwei Bände einer Zeitschrift „Italia", zu der
eine Anzahl deutscher Gelehrten und Dichter, die sich in der
Zur Erinnerung an Alfred von Reumont. 9
Liebe zu Italien, wie es in der Vorrede heisst, vereinigten,
Beiträge lieferte. Eeumont schrieb seinerseits zahlreiche Auf-
sätze in italienischen Blättern, und zu der glänzenden Florentiner
Gelehrtenversainmlung des Jahres 1841 veröffentlichte er in
italienischer Sprache einen grossen Quartband von chronologischen
Tabellen zur Geschichte von Florenz, welche auch Literatur
und Kunst eingehend berücksichtigen. Schon im vorliergehenden
Jahre hatte er anonym zwei Bände ^Römische Briefe von einem
Florentiner" erscheinen lassen, denen 1844 zwei weitere folgten.
Alle diese Arbeiten legten Zeugniss ab von reichem Wissen,
namentlich auch auf dem Gebiete der Kunst. So ist es nicht
zu verwundern, dass Reumont die Stelle eines Direktors der
Kunstsammhmgen in Weimar angetragen wurde. Die Neigung
für den preussischen Dienst Hess ihn jedoch schwankcui und
eine Anfrage nach Berlin richten. Der Minister des AeusHcrn,
Freiherr von Werther, beantwortete dieselbe durch definitivem
Anstellung in der politischen Abtheilung des MinistcTiums;
gleichzeitig aber sollte Reumont im Kabinet de« Königs Ver-
wendung finden, der den Wunsch, ihn in Keinem Dienst zu
behalten, in der huldvollsten Weise ausdrückte.
So ging denn Reumont nach Deutschland zurück. Anfan^^'K
September 1843 war er in Berlin und verblieb dort bis IH47;
öfter wurde freilich der Aufenthalt durch Iteiwn, einmal im
Sommer 1846 durch die Vertretung eines Legationsratlis Ix'i
der Gesandtschaft in London unterbrochen. Durcli wfine ami-
liehe Stellung trat er in enge Beziehungen zum Könige; er
hatte über literarische Angelegenheiten und eingcfMandt>e Sc)irift<'M
zu berichten, was meist Abends geschah, im kleinht>*n Kn'i-<'
der königlichen Familie, zu deren regelmässigen (iüMou <'r
gehörte. In den gebildeten Kreisen der Hauptsta^It wurd** *'r
namentlich bekannt durch seine Theilnahme an i\(*u Vorlr;i;r<'n
in der Singakademie; für die Feste des Hof*'H wurde M'in
dichterisches Talent vielfach verwerthet — am 24. Vchrunr 1810
trug er die von ihm selbst verfasste poetivthe KrkUniw/ '/m
den glänzenden lebenden Bildern vor, welrhe im W<'i*-<'n '*a;i!e
aufgeführt wurden. Es ist das erste Hoffest m'^t-^tu. d*'."i,
damals sechszehn Jahre alt, der heutige Kronprinz d** D"Mt-
sehen Reiches beigewohnt hat.
Im Jahre 1845 war Reumont im (befolge d«-«* Ko;,;/-. "- *
dieser am 11. August hier in Aachen die K*fu\7M Vik^'-ri» '' *
10 H. Loersch
England empfing; im Herbst 1847 begleitete er, unterdessen in
den Adelstand erhoben, den König und die Königin auf einer
kurzen Reise durch Norditalien. Beurlaubt, brachte er den
folgenden, so unruhigen Winter theils in Florenz theils in Rom
zu, auch in nicht amtlicher Eigenschaft Berichte nach Berlin
sendend, wo er erst im Juli 1848 wieder eintraf, nachdem hier,
wie im übrigen Deutschland, wie auf dem ganzen Kontinent,
die wichtigsten Veränderungen stattgefunden hatten. Schon
im folgenden Oktober kehrte er, als Legationsrath zur Gesandt-
schaft in Rom versetzt, nach Italien zurück. In dieser Stellung
erlebte er die bedeutsamen Umwälzungen jener Tage. Den
grössten Theil des Jahres 1849 und die ersten Monate des
Jahres 1850 verbrachte er auf ausdrücklichen Befehl des Königs
theils in Gaeta, wohin Pius IX. sich bekanntlich geflüchtet
hatte, in dessen Umgebung, theils, um in der Nähe des Papstes zu
sein, in Neapel. Der lange Aufenthalt bot reiche Gelegenheit,
den Süden Italiens genau kennen zu lernen, imd eine Frucht
desselben ist das 1851 erschienene Werk: Die Carafa von
Maddaloni, Neapel unter spanischer Herrschaft.
Einen Tag vor dem Papste in Rom eingetroffen, wohnte
er am 12. April 1850 dessen Einzug bei und führte dann die
Geschäfte der Gesandtschaft statt des seit Mitte des Jahres
beurlaubten Grafen Usedom bis zum Juli 1851. Als er dann
selbst um Urlaub bat, schrieb ihm der König: „Ihre Geschäfts-
führung, theuerster Reumont, war meisterhaft. Ich habe dieselbe
mit sehr grosser Befriedigung beobachtet."
Die nächsten Monate verbrachte Reumont am Hofe. Im
November 1851 erfolgte seine Ernennung zum Geschäftsträger
für Toskana, Modena und Parma; diese Stellung hat er, bald
zum Ministerresidenten und Geheimen Legationsrath befördert,
inne gehabt bis zum April 1860, In Florenz nahmen ihn der
Grossherzog, die politischen und gelehrten Kreise als einen alten
vertrauten Bekannten mit Herzlichkeit auf. Als im Dezember
1854 der Tag zum fünfundzwanzigsten Mal wiederkehrte, an
dem er einst unbekannt, ohne jede Aussicht, den Weg ins Leben
suchend, die Blumenstadt am Arno betreten hatte, da feierten
nicht nur die altern Freunde dieses Jubiläum durch ein von
Gino Capponi veranstaltetes Festmahl, der Grossherzog sandte
das Komthurkreuz seines Ordens, König Friedrich Wilhelm IV.
die grossen Medaillen für Wissenschaft und für Kunst.
Ziir Eruinerung an Alfred von Reumont. 11
Mehr als einmal ist aber die Amtsthätigkeit in Florenz
unterbrochen worden. Im Jahre 1855 war Reumont wieder in
der Nähe des Königs, der, wie seine Gemahlin, den kenntniss-
reichen, stets Neues und Interessantes bietenden Begleiter immer
mehr schätzen lernte. In Köln fand die Grundsteinlegung für
Brücke und Museum statt, die hauptsächlichste Veranlassung
zu einer Rheinreise des Herrscherpaars, welches damals zuletzt
Aachen besucht hat. Am 1. Oktober war ein glänzender Empfang
im Präsidialgebäude. Beim Eintritt in den Saal überreichte
der König dem Solme unserer Stadt den Kammerherrnschlüssel,
den Werth der Anerkennung durch die Wahl des Ortes sinnig
steigernd. In den Jahren 1856 und 1857 begleitete Reumont
den mehr und mehr leidenden König nach Marienbad und nach
der ersten schweren Erkrankung, die im Juli 1857 auf der
Rückreise von Wien eingetreten war, nach Sanssouci. Er
reiste dann nach Italien, diesmal um auf längere Zeit in Rom
den beurlaubten Gesandten zu vertreten. Unterdessen setzte am
6. Oktober 1857 ein Schlaganfall der Regierung des Königs ein
Ziel; es folgte ein langes Kranksein, so schwer, dass der vom
Prinz-Regenten sofort ausgesprochene Gedanke, Reumont in die
Gesellschaft des Monarchen zu berufen, erst im Sommer 1858
zur Ausführung kimuncn konnte. Am 20. Juli traf er beim
Hoflager in Tegemsee ein, um fast em Jahr lang sich nicht
mehr von seinem königlichen Gönner zu trennen. Mit unendlicher
Hingabe erfüllte Reumont seine Pflichten. Die zunehmende Ver-
düsterung des Gemüths, die ihm selbst deutlich fühlbare Abnahme
von Verständniss und Gedächtniss hatte für den König qualvolle
Zustände zur Folge, in welchen der einst so lebhafte und geist-
volle Herrscher die Worte verwechselte, Orts- und Personen-
namen nicht zu finden vermochte. Hier war Reumont der stets
bereite Helfer, dessen staunenswerthes Gedächtniss, dessen aus-
gebreitete Kenntnisse Kombinationen möglich machten, auf die
sonst Niemand verfollen wäre. Er allein, ausser der Königin
Elisabeth, konnte die Gedanken des Kranken errathen, sich ihm
verständlich machen. Ein Besuch von Meran, mehr noch ein
längeres Verweilen in Rom und Neapel brachten einzelne bessere
Tage, keine dauernd günstige Wendung und die politisch(Mi
Ereignisse beendigten den Aufenthalt des Königs in Italien.
Am 23. April 1850 erklärte Oesterreich Sardinien den Krieg,
wenige Tage später war die grossherzogliche Regierung in
12 H. Loersch
Toskana gestürzt ; während ein russisches Kriegsschiff den König
nach Triest führte, blieb Reumont in seiner amtlichen Eigenschaft
in Florenz, wo er noch ein Jahr lang „Revolutionsstudien** zu
machen Gelegenheit liatte. Nach dem Einzüge Viktor Emanuels
im April 1860 kehrte er nach Deutschland zurück. In Sanssouci
sah er wiederholt und mit tiefer Betrübniss den kranken
Fürsten, dessen körperliche und geistige Kräfte rasch dahin-
schwanden; als er sich am 14. Juni von ihm verabschiedete,
musste er daran zweifeln, ob der König ihn noch verstanden
habe. Er sollte ihn nicht mehr wiedersehen.
Reumont begab sich im Herbst nach Rom, wo Herr von
Canitz unterdessen die Gesandtschaft übernommen hatte. Mit
dem 1. Januar 1861 wurde er zur Disposition gestellt. Als er
den König nach Italien begleitet hatte, war die Verabredung
getroffen worden, er solle nach dessen Heimkehr den Gesandt-
schaftsposten in Rom einnehmen. Aber unendlich viel hatte
sich unterdessen verändert in Italien wie in Deutschland.
Dem Ministerium Manteuffel war das Ministerium Hohenzollern
gefolgt — Reumonts politische Ansichten erschienen zu sehr
Italiens neuen Verhältnissen entgegengesetzt, und man scheint
auch in Berlin Bedenken getragen zu haben, einem Katholiken
die Vertretung Preussens beim Papste zu übertragen. So
ist es unserm Landsmanne nicht beschieden gewesen, die
höchste Stufe der praktischen diplomatischen Laufbahn zu
erreichen, diese hat früher, als er selbst wohl erwartet, ein
Ende gefunden.
Mit Recht hat Hüffer aber hervorgehoben, wie diese Wen-
dung, wenn man seinen Lebensweg im Ganzen betrachtet, nur
als ein Vortheil erseheinen kann — jetzt durfte der Diplomat
dem Gelehrten den Platz einräumen.
Auch in seiner amtlichen Stellung ist Reumont, durch viele
günstige Umstände gefördert, unausgesetzt schriftstellerisch thätig
gewesen. Einzelne Werke nannte ich bereits. Von 1853—57
erschienen in sechs Bänden die Beiträge zur Italienischen
Gescliichte — eine Sammlung von Einzelarbeiten; 1854 die
Jugend Caterina's de' Medici, 1860 die Gräfin von Albany.
Bald nach dem Eintritt der unfreiwilligen Müsse sanunelte er
noch einmal zerstreute Arbeiten und schon 1862 erschienen
die Zeitgenossen, eine Reihe von biogi'aphischen Bildern, in
zwei Bänden.
Zui" Erinnerung an Alfred von Reumont. 13
Da wurde ihm im Frühjahr 1863 durch König Maximilian
von Bayern eine geradezu ungeheure Aufgabe gestellt. Er sollte
eine Geschichte der Stadt Eom für einen grossem Leserkreis
in übersichtlicher Darstellung bearbeiten. Den durch Fülle und
Grossartigkeit geradezu erdrückenden Stoff hat Reumont in dem
kurzen Zeitraum von acht Jahren bewältigt: von 1866 — 1870
erschienen die vier kolossalen Bände mit mehr als 3500 Seiten,
in welche er ihn bannte. Eine staunenswerthe Leistung, zu
der kaum ein anderer Bearbeiter, der so gleichmässig die alte,
die mittlere und die neuere Zeit beherrschte, unter den Mit-
lebenden hätte gefunden werden können. Während der Abfassung
dieser Arbeit hat Reumont semen Wohnsitz mehrfach gewechselt.
Die ersten Jahre nach 1861 hat er, vielfach leidend, theils in
Rom, theils in Florenz, theils auf Reisen verbracht, im Früh-
jahr 1865 sich in Aachen häuslich eingerichtet; den ereigniss-
vollen Sommer des Jahres 1866 verlebte er bei der Königin
Elisabeth in Sanssouci. Im folgenden Jahre reifte allmählich
der Entschluss der Uebersiedlung nach Bonn und im Oktober
1868 zog er ein in sein schönes am Hofgarten gelegenes Haus.
Kurz vorher hatte die Bonner philosophische Fakultät ihn bei
Gelegenheit des Universitätsjubiläums zum Doktor promovirt,
schon 1862 war ihm gleiche Elu-e von Seiten der juristischen
Fakultät zu Halle widerfahren. Zehn Jahre ungefähr hat Reu-
mont in Bonn gewohnt und in diese Zeit fällt der Höhepunkt
seiner wissenschaftlichen Thätigkeit. Kaum war 1870 der letzte
Band der Geschichte Roms erschienen, da wandte er sich mit
fast jugendlicher Kraft in voller Begeisterung der Stadt am
Arno zu, an der er mit berechtigter Liebe hing. Es entstand
das Buch über Lorenzo de' Medici, das nicht bloss die einzelne
PersönUchkeit, sondern das Aufkommen ihres Geschlechts und
somit die Entwicklung von Verfassung, Kunst und Wissenschaft
in Florenz für mehrere Jahrhunderte zeichnet. Die beiden star-
ken Bände erschienen 1874; kaum hatten sie die Presse ver-
lassen, so begann der unermüdUche Gelehrte ein neues Werk.
Für die grosse, früher von Heeren und Ukert, jetzt von Giese-
brecht geleitete Sammlung übernahm er die Geschichte Toskanas
seit dem sechszehnten Jahrhundert. Am Schlüsse des Jahres
1875 war der erste, genau ein Jahr später der zweite Band
fertig gednickt. Die Vorarbeiten eines ganzen Lebens gelangten
hier zu abschliessender Verwerthung.
14 H. Loersch
Neben diesen Leistungen eines staunenswerthen Fleisses
und wunderbarer Arbeitskraft sind nicht nur zahlreiche kleinere
Aufsätze, Anzeigen und Kritiken in verschiedenen Zeitschriften,
sondern auch noch einzelne Bücher erschienen, wie 1872 die
metrische Uebersetzung einer Dichtung des fünften Jahrhunderts,
1877 die Briefe heiliger und gottesfürchtiger Italiener.
Im April 1878 hat Reumont das uns allen wohlbekannte
Haus bezogen, das er sich in der Vaterstadt hatte errichten
lassen. Er folgte dabei den Bitten seiner Verwandten, nicht
weniger aber auch einer innern Neigung. Ein schöner Zug
seines Charakters ist stets die ausgesprochene Liebe zur
engem Heimath gewesen. Zeugniss legen dafür die grossartigen
Schenkungen ab, die er ihi* in seinen letztwilligen Verfügungen
gewidmet hat. Er hat immer und überall freudigen Antheil
genommen an Allem, was Aachen betraf; die Stadt wie seine
Aachener Landsleute — ich habe das mehr als einmal dankbar
empfunden — hat er gefordert, wo er nur konnte. Dem so
lange im Auslande lebenden Manne war unser Aachener Deutsch
stets völlig geläufig geblieben; in heitern Augenblicken habe
ich klassische Wendungen von ihm gehört, und vom Wesen
unserer Mundart hat er eine unübertreffliche Schilderung gegeben.
Im Jahre 1873 hatte er sein kleines Erstlingswerk umge-
arbeitet zu einer Aachener Liederchronik, die manche neue
Gedichte, nicht wenige von ihm selbst verfasst, enthält und der
nun als einziger Anhang nur eine ausfülirlichere Chronologie
der Geschichte Aachens beigegeben wurde — eine liebens-
würdige Gabe des damals mit so grossen Vorwürfen beschäf-
tigten Gelehrten, der bald nach der Rückkehi* in die Heimath
nun auch für die Förderung der lokalgeschichtlichen Studien
einzutreten Gelegenheit nahm. Seine Wünsche begegneten sich
mit denen vieler Aachener, welche es schmerzlich empfanden,
dass unsere Stadt im Vergleich zu andern weit zurückgeblieben
sei in der Kenntniss ihrer grossen Vergangenheit und der Schick-
sale ilirer nächsten Umgebung. Als den Ausdruck dieser Gefühle
und der Einsicht, dass hier eine Aenderung zum Bessern statt-
finden müsse, ist die Gründung unseres Vereins anzusehen.
Dass Reumont an dessen Spitze gestellt wurde, erschien allen
bei der Gründung Betheiligten nicht nur als eine selbstverständ-
liche Huldigiuig, sondern auch als das beste Mittel, die
junge Schöpfung von vorn herein auf eine höhere Stufe des
Zur Erinnening an Alfretl von Reunumt, 15
Strebens und der Wirksamkeit zu heben. Was Renmout dorn
Terein gewesen, ist noch zu frisch in unserer Erinnerung, als
dass ich darauf einzugehen hätte; er hat Alles gethan, was in
seinen Kräften stand. Dass seine Arbeit vor Allem der Zeit-
schrift zugewandt war, liegt in der Natur der Sache, und or
hat sie mit einer langen Reihe von grössern und kleinern
Abhandlungen geschmückt, welche sich theils auf pei^iin liehen
Erinnerungen aufbauen, theils die Beziehungen hervorragender
ausländischer, namentlich italienischer Persönlichkeiten zu nnsoivr
Stadt betreffen, theils dem Andenken tüchtiger Aachener (Jelolir-
ten und um die Stadt verdienter Personen gewidnu>t sin<l So
lange es ihm seine Gesundheit erlaubte, hat Reunionl unsere
Versammlungen geleitet, mehr als einmal auch Vortrage in
denselben gehalten. Mehr nach dieser Seite hin zu leisten,
hinderte ihn zunehmende Kränklichkeit und die NothwtMMJig-
keit, seine seit längerer Zeit schwächer gewordene SehkraH
zu schonen. In Bonn schon und mehr noch in AacIhMi hat
die Rücksicht auf seine Gesundheit ihm reg(»rn gt^mdllKen
Verkehr untersagt. Die alten in- und ausländischiMi lli'/ii^liinigen
hat er aber aufrecht erhalten durcli einen überann uinraiiKreicheii
und mit grosser Gewissenhaftigkeit von mMner Seite gopllopripn
Briefwechsel, nicht am wenigsten aber dundi dit» {{(•Ikimi, dU» »«r
regelmässig unternahm. Bis zum Jahre 1H7IJ ist er Ii/HjHk «ler
Gast der verwittweten Königin Elisabeth gewem^n, die ihm dank
bare Anhänglichkeit ebenso bewahrt hat, wi(j dan Kan/<« kOhl«
liehe Haus. Von 1866 — 1875 hat er jälirlicli nadinTo MonaM*
in Italien verbracht, meist als Gant d<»H Man'la'K«' i'n\i\Hm\ In
Florenz; dieser treue Freund starb 1870, Mifd<Mu wolinh« Ken
mont auf einem Landsitz der Fainilie Ki*Hpii/lio^i Im'I d<M' Mhidl,
Ein paar Mal suchte er auch Fri'tw*Ut in Biarritz tiuf. haMJinI
er auch 1883 nach seinem Jubililum ^Mbari, Auf tWr l/i^khiH'
von dort traf ihn in Paris ein groHnen lUr/Uak. Am 2U. Jmm),
zu derselben Stunde, in der Aachen dan h\u* WitUr/^ uUi-n tU i
Stadt, die Thürme des Rathhauses, in Stau»/ ntal A.*'Im' ^imPm»
sah, raubte ein plötzlicher Bluterg-UBH ihm, i^'^ *f < */m* mnmh
befreundeten Gelehrten einen Besuch ab^t;»M/i>. /jm- -i|,h„fi
des rechten Auges. Unter qualvollen -or"//>o l'*\nU *'
hierher zurück und, nachdem alle Lind' r . / ^ , . ,. ,,. ,
fruchtlos ei-wiesen, musste im Frühjahr \^^i '-^ > ,/' * '-
fernt werden.
16 H. Loersch
Eeumont war in den Jahren des Aachener Aufentlialts nicht
weniger tliätig gewesen als in Bonn, auch liier war fast Jahr
für Jahr ein Buch erschienen: 1878 die Biographischen Denk-
mäler, 1880 die Biographie seines edlen Freundes Gino Capponi,
1881 das Leben der Vittoria Colonna, 1883 die zweite Auflage
des Lorenzo — aber eine Aufgabe, die ihm schon lange am
Herzen lag, hatte er noch nicht erfüllt — die, dem Könige,
dem er so nahe verbunden und für so Vieles verpflichtet war,
ein Denkmal zu setzen. Er hat nicht eine Biographie schreiben,
nicht die politischen Ereignisse darstellen wollen, denen er, wie
wir gesehen haben, fern geblieben war. „Seine Absicht war,"
sagt Hüfi'er, „den Fürsten zu schildern, der ihm sein Vertrauen
schenkte, *acn Beschützer und Pfleger der Wissenschaften mid
Künste, inmitten seiner Familie, seines Hofes und der ausge-
zeichneten Männer, die sich um ilm versammelt hatten. Er wollte
den Menschen schildern in den Jahren der Hofl'nung imd des
steigenden Glanzes, während der Prüfungen einer schweren Zeit
und endlich unter dem Druck eines Leidens, für dessen Linderung
der, welcher es beschreiben musste, seine besten Kräfte einge-
setzt hatte." Schon 1881 hat er mit den Vorarbeiten zu diesem
Buche begonnen, der Unglücksfall des Sommers von 1888 hat
die Vollendung verzögert, aber nicht gehindert ; trotz der körper-
lichen Leiden, die auf ihn einstürmten, konnte er es Ende 1884
der Oeffentlichkeit übergeben.
Am 28. Juni 1885 waren dann flinfzig Jahre verstrichen
seit Eeumonts Eintritt in den preussischen Staatsdienst. Er bat
nun um seine formliche Entlassung. Der Kaiser benutzte diese
Gelegenheit, seine vielfachen Verdienste durch die Ernennung
zum Wirklichen Geheimrath zu ehren. Es ist mit Recht hervor-
gehoben worden, dass dieser Titel für einen so bedeutenden
Schriftsteller leicht als überflüssig erscheinen konnte, dass er
aber für den Staatsdiener den Abschluss einer ehrenvollen Lauf-
bahn und eine Art Entschädigung für das war, was ihm vor
fünfundzwanzig Jahren versagt blieb.
Selbst in dieser letzten Zeit ist Reumont noch wissenschaft-
lich produktiv geblieben. Eine Sammlung von Charakterbildern
aus der neuern Gescliichte Italiens erschien 1886 — sie enthält
eine Todtenschau, und zu einer solchen fand der Greis nun mehr
und mehr Anlass, denn die Freunde der Jugendzeit und des
Mannesalters sanken einer nach dem andern ins Grab: auf
Zur Erinnerung an Alfred von Reumont. 17
Capponi folgten Witte, Gachard, endlich Ranke, der älteste von
Allen. Jedem von ihnen hat er noch in biogfraphischen Aufsätzen
ein Denkmal pietätvoller Erinnerung gewidmet.
Auch für ihn nahte das Ende. Der plötzliche Tod der
ältesten Schwester im März 1885 hatte ihn tief gebeugt, die
Kraft der Stimme versagte, die Gebrechen des Alters machten
sich mehr und mehr geltend. Im vorigen Jahre, um die Mitte
des November, erfolgte ein Schlaganfall, der die rechte Seite
fast völlig lähmte. Monate hindurch hat der gebrechliche Kör-
per noch der Auflösung widerstanden, Monate, die eine Besserung
nicht mehr bringen konnten und dem unverändert klaren und
regen Geiste viele Qual bereitet haben. Mit be^vundernswerthcr
Energie hat auch in dieser traurigen Zeit Eeumont noch kleine
Abhandlungen fertig gestellt, die zum Theil erst nach seinem
Tode erschienen sind, Briefe diktirt, den Arbeiten Anderer die
liebevollste Theilnahme gewidmet. Zwei Tage vor seinem Tode
richteten seine kaum verständlichen Fragen sich nodi auf solche
Dinge. Erst Ende April ist er von seinen Leiden erlöst worden.
Seit langen Monaten auf den Tod gefasst, durch Haltung und
Geberde dem bei ihm betenden Priester volles Verständniss und
Zustimmung bekimdend, ist er in den frühen Morgenstunden
des 27. April entschlafen.
Ich habe nicht viel mehr thun können, als Ihnen den äuHsern
Lebensgang Reumonts und die Fülle seiner wisw^nschaftliclMui
Arbeiten schildern. Eine eingehende Würdigung des Manri(*H und
seiner Werke dürfen Sie in dieser kurzen Stunde nicht erwarten.
Seine Persönlichkeit verdient unsere höchste Anerkennuni/. Ein
unvergleichliches Gedächtniss, unermüdlicher Kleien, eine auH^*<*r-
ordentliche Willensstärke haben ihn befalii^'l, n^'ine grot»H<fri
Anlagen in hervorragender Weise zu verwerth'-fL Die K/irgf'flltijr
abgemessenen Formen, an die ihn Beruf und SUtWnuir frewöluil.
hatten, verdeckten wohlthuende Wärme des Herzi-n«, aufriebt i^'c
Theilnahme. Er ist stets bereit gewesen zu helfen und zu
fördern, im Leben wie in der Wissenschaft. In d^r Form win^r
Darstellungen zeigt sich immer wohlthuendeMässiirur,^' und Mild/-
— aber was ihm recht und richtig erschien, hat <r nie u/,d
nirgends auszusprechen und zu vertreten sich tr"-'!/'it, M^
Offenheit und der Freimuth seines Urtlieils ^ind )/•* //i w i-,^ -
Tode an höchster Stelle freundlich aufgenomn:^n u:A *U\/ >'-'
empfunden worden.
18 H. Loersch
Wenn ich schliesslich ein Wort suclie, das Ihnen ganz und
voll das Wesen dieses seltenen Mannes schildern soll, so weiss
ich kein zutreffenderes zu finden als dasjenige, was ihm sein
Jugendfreimd Andreas Fey, der fromme und erleuchtete Priester,
der nun auch heimgegangen ist, gewidmet hat: „Kein Ehren-
titel, womit die Fürsten ihre treuen Diener bezeichnen, fehlte
ihm, die Sterne aller hervorragenden Orden schmückten seine
Brust, fast alle gelelirten Gesellschaften imd Akademien rühm-
ten sich, ihn zu ihrem Mitgliede und Elirenmitgliede zu zählen
— die aber das Glück hatten, ihm näher zu treten und tiefer in
sein edles Herz zu schauen, die sahen ihn mit tiefer Wehmuth
scheiden, denn wahrer Seelenadel schmückte ihn, ein Wissen von
seltenem Umfang imd vor Allem bei unerschütterlicher Charakter-
stärke, ein reines, stilles, sinnig gläubiges Wesen."
Anmerkungen.
Zn S. 2. Hermann Hü ff er, Alfred von Reumont, Allgemeine Zeitung,
Jahrgang 1887, Beilagen zu Nr. 235 ff. (auch als Sc parat- Abdruck, 39 S. 8^
umfassend).
Konstantin von Höfler, Ein Gedenkblatt auf das Grab Alfreds
von Rcumont in Grauert, Historisches Jahrbuch der Görresgcsellschaft,
Bd. IX, S. 49 ff.
* Kurze Nekrologe von C. Paoli im Archivio storicö Italiano, Quarta serie,
Bd. XIX (1887), S. 461 und Agenorc Gelli im Archivio della real societii
Romana di storia patria, Bd. X, S. 331.
Vgl. auch H. Freimuth, Aachens Dichter und Prosaisten, Bd. III,
S. 195 ff. und Marco Tabarrini, Alfredo di Reumont, discorso letto alla
societÄ Colombaria il 18. Fcbbraio 1883 nel cinquantesimo anno dalla elezione
di lui a socio. Firenze 1883, 20 S. 8^.
Zu S. 3. Auf Jugenderinnerungen Reumonts beruht die biographische
Skizze: Frederick North Graf von Guilford in seinen Zeitgenossen, Bd. I,
S. 175 ff.
Ueber Nolten vgl. neuerdings J. Becker in der Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins, Bd. VIII, S. 256 ff.
Die Rheinische Flora. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte. Zeitschrift,
Bd. III, S. 177, vgl. auch Bd. V, S. 321.
Zu S. 6. Aachens Liederkranz und Sagenwelt. Aachen und Leipzig,
J. A. Mayer, 1829, X und 372 S. kl. 8^
' Zur Erinnening an Alfred von Reumont. 19
Eine kurze Bio^aphic Wilhelms von Normann findet sich in den
Bio^aphischen Denkblättem nach persönlichen Erinnerungen, S. 127 ff.; hier
S. 13ß auch Einiges über White.
Zu S. 7. Seinen persönlichen Beziehungen zu Leopold von Ranke
widmete Reumont eine ansprechende Schilderung im Historischen Jahrbuch
der Görresgesellschaft, Bd. VII, S. 608 ff. Einen kurzen Nekrolog Rankes ver-
öffentlichte er im Archivio storico Italiano, Quarta serie, Bd. XIX (1887), S. 125 ff.
Pem Andenken Wittes ist der liebenswürdige Aufsatz: (.'arlo Witte,
ricordi di Alfredo Reumont,* im Archivio storico Italiano, Quarta serie,
Bd. XVI, S, 47 ff. gewidmet.
Zu S. 8. Andrea del Sarto. Mit einem Grundriss des Vorhofs der
Servitenkirche in Florenz. Leipzig, Brockhaus, 1835, XXVIII und 231 S. 8*^
nebst zwei Tabellen.
Reiseschilderungcn und Umrisse aus südlichen Gegenden. Stuttgart,
Cotta, 1835, VI und 195 S. 8^
Italia. Berlin, A. Duncker, I. Band, 1838, 298 S. 8°, IL Band, 1840,
327 S. 8°. Mit Beiträgen von Barthold, Gaudy, Gaye, E. Geibel, A. Hagen,
Gräfin Hahn-Hahn, A. Kopisch, Leo, Rumohr, Witte.
Zn S. 9. Tavole cronologiche e sincrone dclla storia Fiorentina. Firenze,
Vieusseux, 1841, gr. 4^ Ein Supplementheft über die Geschichte der letzten
Jahre des G rossherzogt hums, 1841 — 1860, erschien 1875 auf 16 S. 4^
Römische Briefe von einem Florentiner. Leipzig, Brockhaus, 1840 — 1844,
IV Bände, XXII und 451, 481, XXIX und 504, 547 S. 8^.
Zu S. 10. Die Carafa von Maddaloni. Neapel unter spanischer Herr-
schaft. Berlin, R. v. Decker, 1851, II Bände, XV und 420, 375 S. 8^ Eine
englische Uebersetzung erschien 1854 in London bei H. G. Bohn.
Zu S. 12. Beiträge zur Italienischen Geschichte. Berlin, R. v. Decker.
Band I und II, 1853, IX und 518, 450 S. Band III und IV, 1855, 495,
497 S. Band V und VI, 1857, 477, 544 S.
Die Jugend Caterina's de' Medici. Berlin, R. v. Decker, 1854, XVI
und 221 S. 8*^. Eine zweite umgearbeitete Auflage erschien im selben Ver-
lag 1856, XVI und 360 S. 12^ Italienische Uebersetzung von St. Bianciardi,
Florenz, Lemonnier, 1858; eine französische mit zahlreichen Zusätzen von
Armand Baschet, Paris, Plön, 1864.
Die Gräfin von Albany. Berlin, R. v. Decker, 1860, II Bände, 445,
422 S. 8°. Ein Auszug von Saint-Ren6 Taillandier erschien zuerst in
der Revue des deux mondes, dann im Sonderabdruck, Paris 1862, eine ita-
lienische Uebersetzung von A. di Cossilla, Genua 1868.
Zeitgenossen. Biographien und Charakteristiken. Berlin, R. v. Decker,
1862, II Bände, 394, 356 S. 8«.
Zu S. 13. Geschichte der Stadt Rom. Berlin, R. v. Decker, 1867 -1870.
Band I. Von der Gründung der Stadt bis zum Ende des Westreichs. Mit
zwei Plänen. XVII und 968 S. Baud II. Von der Herrschaft germanischer
2*
20 H. Loersch
Völker bis zum Ende des grossen Schisma. XIII und 1254 S. Band III.
Von der Rückverlegung des heiligen Stuhls bis zur Gegenwart. Abtheilung 1 .
Die Restauration. Mit zwei Plänen. IX und 574 S. Abtheilung 2. Das
moderne Rom. Mit zwei Plänen. X und 950 S. 8°.
Lorenzo de' Medici il Magnifico. Leipzig, Duncker und Humblot, 1874,
II Bände, XXIII und 606, XVIII und 604 S. 8^. Zweite, vielfach veränderte
Auflage, das. 1883, II Bände, VIII und 437, VI und 499 S. 8<>.
Geschichte Toscana's seit dem Ende des florentinischen Freistaats. Gotha,
F. A. Perthes, 1876—1877. Band I. Die Medici 1530—1737, XVIH und
654 S. Band IL Haus Lothringen-Habsburg 1737—1859, XX, 681 und
74 S. 8^ Bildet einen Theil der von Heeren, Ukert und Gicscbrecht heraus-
gegebenen Geschichte der europäischen Staaten.
Zu S. 14. Des Claudius Rutilius Namatianus Heimkehr tibersetzt und
erläutert von Itasius Lemniacus. Mit zwei Plänen und fünf in den Text
gedruckten Abbildungen. Berlin 1872, R. v. Decker, 207 S. 8<*. Den Namen
Itasius Lemniacus hat die römische Akademie der Arcadia Alfred Reumont
bei seiner Wahl im Jahre 1843 beigelegt.
Briefe heiliger und gottesfürchtiger Italiener gesammelt und erläutert.
Freiburg, Herder, 1877, XXXIII und 303 S. 8°.
Aachener Liederchronik. Mit einer Chronologie der Geschichte Aachens.
Aachen, J. A. Mayer, 1873, 235 S. 8^
Zu S. 16. Biographische Denkblätter nach persönlichen Erinnerungen.
Leipzig, Duncker und Humblot, 1878, 450 S. 8<>.
Gino Capponi. Ein Zeit- und Lebensbild 1792—1876. Gotha, F. A. Perthes,
1880, XVI und 458 Ö. 8«.
Vittoria Colonna. Leben, Dichten, Glauben im XVI. Jahrhundert. Frei-
burg, Herder, 1881, XVI und 288 S. S^, Eine italienische üebersetzung von
Müller und Ferrero erschien 1883 in Turin.
Aus König Friedrich Wilhelms IV. gesunden und kranken Tagen. Leip-
zig, Duncker und Humblot, 1885, XII und 579 S. 8^ Eine zweite unver-
änderte Auflage erschien noch im selben Jahre.
Zu S. 17. Charakterbilder aus der neueren Geschichte Italiens. Leipzig,
Duncker und Humblot, 1886, VIII und 295 S. 12^.
L. P. Gachard im Historischen Jahrbuch der Görrcsgesellschaft, Bd. VII,
S. 238 ff.
Die Nekrologe von Ranke und Witte sind oben zu S. 7 erwähnt.
Ich will nicht unterlassen, hier die Arbeiten zusammenzustellen, welche
A. von Reumont in der Zeitschrift des Aachener Geschichts Vereins veröffent-
licht hat.
Zur Erinnerung an Alfred von Reuraont. 21
Band I. Analekten zur Geschichte Aachens, a. Cardinal Pietro Capocci.
b. Francesco Petrarca in Aachen, c. Kaiser Karl V. in Aachen und Umgebung.
d. Mathias Joseph Wildt.
Zur Erinnerung an Professor Dr. Savelsberg.
Band IL König Gustav III. von Schweden in Aachen in den Jahren
1780 und 1791. (AViederholt in Kleine historische Schriften S. 283 ff.)
Friedrich Haagen. (Nekrolog.)
Band III. Chronik des Aachener Geschichtsvereins für die Jahre 1879—80.
Die ungarischen Metallwerke im Aachener Münsterschatz.
Die Rheinische Flora. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte.
Band IV. P. P. A. Pocholle. Eine Erinnerung an die Napoleonische Aera.
Aus der Geschichte Aachens im XV. Jahrhundert.
Chronik des Aachener Geschichtsvereins für die Jahre 1881 und 1882.
Band V. Monsignor Agostino Franciotti und der Aachener Friede von 1668.
Cornel Peter Bock. (Dem Andenken dieses bedeutenden Aachener
Gelehrten hatte Reumont schon die „Notice sur Corneille-Pierre Bock** im
Annnaire de TAcadi^mie royale de Belgique von 1872 gewidmet.)
Die Denkmünze auf den Aachener Friedcnsschluss von 1668.
G. A. Königsfeld. (Nekrolog.)
Besprechung von Aachens Dichter und Prosaisten.
Band VI. Friedrich von der Trenck in Aachen 1765—1780.
Kaiser Karls V. Krönung in Aachen.
Zu dem Aufsatz: Friedrich von der Trenck in Aachen.
Lied auf Karl den Grossen.
Chronik des Aachener Geschichtsvereins 1883/84.
Band Vü . Fabio Chigi —Papst AlexandcrVII. — in Deutschland 1639—1651.
Die Krönung Karls V. in Aachen.
Band VIII. Die Grafen von Harscamp.
Die Porphyrsäuleu am Hochaltar des Aachener Münsters.
Aachener Prozesse am Reichskammergericht.
Von R. Goecke.
Vorbemerkung.
Im März 1886, nur wenige Monate vor seinem Tode, hat
Staatsarcliivar Dr. Eiulolf Goecke mir für die Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins diese Regesten nebst der kurzen
vorausgeschickten Einleitung übergeben, nachdem über deren
Herstellung und Veröffentlichung seit Oktober 1885 mehrfach
zwischen uns verhandelt worden war. Im achten und neunten
Bande haben sie nicht ersclieinen können : der Inhalt des erstem
stand beim Eintreffen des Manuskiipts schon fest, der letztere
musste in seinem Umfange aufs Aeusserste beschränkt werden.
Der unerwünscht verzögerte Abdruck erfolgt nunmelir in dank-
barer Erinnerung an den fleissigen und gewissenhaften Verfasser,
der leider seiner erfolgreichen und vielversprechenden Berufs-
thätigkeit wie den rheinischen Geschichtsstudien, welche er durch
so manche gediegene Arbeit forderte, am 23. Juni 1886 nur zu
früh entrissen w^orden ist.
Bei Durchsicht der Regesten sind an mehrern Stellen Zweifel
aufgetaucht über gewisse Namensformen, in einer grössern Zahl
von Nummern war es für die lokalgeschichtliche Forschung
von nicht geringem Werth, die Namen und die Lage der im
Regest erwähnten Häuser und Grundstücke angeben zu können,
hier und da erscliien auch noch die Auf klärimg anderer kleiner
Einzelheiten nötliig. Der Nachfolger Goeckes in der Leitung
des Staatsarcliivs zu Wetzlar, Herr Archivrath Dr. Veltman,
hat die Freundlichkeit gehabt, die zur Verbesserung und Ver-
vollständigung von mehr als vierzig Nummern an ilin gerichteten
Fragen zu beantworten und dadurch die Brauchbarkeit der
Regesteu wesentlich zu erhöhen. Es sei ihm auch an dieser
Stelle dafür der Dank (Icn Vereins ausgesprochen.
Aachener ProzegHC am Reichskaiiimcrgericlit. 23
Die einzelnen Regesten beigefügten Anmerkungen rühren
sämnitlich von der Kedaktion dieser Zeitschrift her.
Bezüglich des am Schluss der P]inleitung erwähnten, im
Jahre 1822 gedruckten Verzeichnisses hatte Herr Oberstaats-
anwalt Hamm zu Köln die grosse Güte, auf meine Anfrage
mitzutheilen, dass dieses Verzeichniss seiner Zeit auf Veranlassung
des Königlichen Generalprokurators durch Vermittlung der König-
lichen Regierung zu Köln hergestellt worden sei. Von zwei
noch unter der zum Verkauf bestimmten Makulatur aufgefun-
denen Exemplaren, welche Herr Hamm dem Aachener Geschichts-
verein freundlichst zur Verfügung stellte, hat dieser das eine
der Handbibliothek des Aachener Stadtarchivs, das andere der
Königlichen Universitätsbibliothek in Bonn überwiesen.
H, Loersch,
Einleitung.
Den nachfolgend mitgetheilten Regesten liegen Auszüge aus
dem General -Repertorium des Königlichen Staatsarchivs zu
Wetzlar zu Grunde. Dieses Repertorium ist während der Jalire
1846 — 52 in der Hauptsache vom Landgerichtsrath Joseph Larenz
angefertigt, welcher dem Justizsenat zu Ehrenbreitstein ange-
hörte und kommissarisch während dieses Zeitraums mit der
Ordnung des ehemaligen Reichskammergerichts- Archivs zu Wetz-
lar beauftragt war. Das Repertorium umfasst 38 Grossfolio-
Bände, welche 34634 in Wetzlar verbliebene Spezialprozesse,
nach den Namen der Kläger alphabetisch geordnet, verzeichnen,
eine Arbeit, welche eine Summe wissenschaftlichen Fleisses dar-
stellt, wie sie wohl selten irgendwo in dieser Stille und Anspruchs-
losigkeit verrichtet worden ist. Es gereicht mir darum zu
besonderer Freude, das Verdienst dieses Mannes, welcher in
seiner richterlichen Laufbahn 1852 zum Appellationsgerichtsrath
in Greifswald befördert wurde, inzwischen aber verstorben ist,
in das ihm gebührende Licht heben zu diüfen K Wäre (Ue von
ihm geleistete Arbeit nicht geschehen, so würde es schwer
gewesen sein, die einzelnen Prozesse, welche für die vorliegenden
») Gustav Joseph Larenz war, nach einer getaUigen MittheUung aus
dem Justiz-Ministerium, geboren am 1. Februar 1807, und ist gestorben 1859
in Ehrenbreitstein, wohin er seit 180(J zurückversetzt war.
24 R. Goecke
Regesten in Betracht kamen, herauszufinden; sie sind freilich,
der Anlage des General-Repertoriums entsprechend, durch dessen
sämmtliche Bände zerstreut. Aber auch die Fassung der von
Larenz gefertigten Regesten selbst, die sich offenbar dem Sprach-
gebrauch der Akten aufs Engste anschliesst, ist für unsere Arbeit
vielfach nicht geändert worden; sie ist nur revidirt und liier
und da, besonders bei denjenigen Sachen, welche im Archiv
mit dem Buchstaben B bezeichnet sind, mit Zusätzen bezw.
Berichtigungen versehen worden.
Für die Reihenfolge ist das Jalir der Einführung des Pro-
zesses beim Reichskammergericht als massgebend angenommen.
Dieses Jahr ist denn auch dem einzelnen Regest vorangestellt.
Innerhalb eines bestimmten Jalires bin ich der ursprünglichen
alphabetischen Ordnung der Prozesse gefolgt, deren Archiv-
Nummern in Klammern am Schlüsse des Regests mitgetheilt
sind. Jedem Regest ist eine fortlaufende Nummer in fetter
Schrift beigefügt.
Die gesammelten Regesten sind als ein Spezial-Repertorium
zur Geschichte der Stadt Aachen zu betrachten, welches zunächst
für dienstliche Zwecke im Königlichen Staatsarchiv zu Wetzlar
aufgestellt worden ist; die Königliche Archiwerwaltung hat
sodann dem Aachener Geschichtsverein auf dessen Ansuchen
den Abdruck in seiner Zeitschrift gestattet.
Zu der Anlage der Regesten ist noch Folgendes zu
bemerken:
Unter der als Kläger bezeichneten Partei sind die Appellan-
ten mit einbegriffen, unter der Partei der Verklagten ebenso
die Appellaten. Formell betrachtet handelt es sich bei manchen
Prozessen nur um eine Citation, ein Mandat an die Verklagten
oder Appellaten. Urtheile sind in vielen Fällen nicht ergangen,
in andern Fällen nicht mehr erhalten. Das Reichskammer-
gericht war im Allgemeinen nur in Civilsachen Appellinstanz, in
Strafsachen konnte aber eine Wiederaufnahme der Verhandlungen
durch dasselbe angeordnet werden. Ueber das Prozessverfahren
beim Reichskammergericht hat Häberlin, Deutsches Staats-
recht II, S. 304 — 377 meines Erachtens am Besten gehandelt.
Unsere Regesten sollen nicht der Geschichte dieses Verfahrens
dienen, sondern zur politischen, kirchlichen, Rechts- und Wirth-
schaftsgeschichte der Stadt Aachen und ihres Reichs Beiträge
liefern. Darum ist auch im einzelnen Falle angemerkt, und
Aachener Prozesse am Reichskammergericht 25
ZWQ.Y am Schlüsse des Regests und von diesem durch einen
Gedankenstrich getrennt, wenn schon in erster bezw. zweiter
Instanz in einer Sache vor einer Aachener oder hier und da
auch vor einer andern Behörde verhandelt worden ist. Wo die
bezüglichen Akten im Staatsarcliiv zu Wetzlar heute fehlen,
ist ein f. hinzugesetzt. Auf die Bezeiclmung der Parteiver-
Mltnisse in erster Instanz ist absichtlich nicht eingegangen,
um nicht mit juristischen Begriffen zu verwirren. Eine kleine
Zahl von Prozessen ist ausnahmsweise beim Reichskammerge-
richt in lateinischer Sprache verhandelt worden, für diese ist
das Regest im Larenzschen Repertorium jedesmal auch lateinisch
abgefasst. Um der vorliegenden Arbeit einen einheitlichen
Charakter zu wahren, sind diese Regesten hier übersetzt, aber
am Schlüsse mit L. bezeichnet worden. Ueber die äussere
Beschaffenheit und den Umfang der Akten und Urkunden eines
einzelnen Prozesses ist nur ganz ausnahmsweise etwas ange-
merkt worden, weil nach meinem Ermessen solche Angaben
keinen Rückschluss auf deren inhaltlichen Werth und historische
Bedeutung gestatten, der Charakter der Originalität und Authen-
tizität den amtlichen Schriftstücken aber von selbst anhaftet.
Nur soviel sei im Allgemeinen erwähnt, dass der Umfang der
einzelnen Prozesse zwischen Konvoluten von einem Centimeter
bis zu drei Meter Höhe schwankt. Die äussere Beschaffenheit
ist, Dank der sorgfältigen Aufbewahrung, welche die Archivalien
des Reichskammergerichts in preussischer Zeit erfahren haben,
im Ganzen und Grossen eine vorzügliche ; leider fehlen hingegen
hier und da wohl einzelne Stücke aus den Prozessakten. Letztere
sind, noch während des Laufes des Rechtsstreits, jeder Prozess
füi- sich, in sorgsamer Weise in der Kanzlei des Reichskammer-
gerichts zu Aktenbündeln zusammengelegt, die einzelnen Schrift-
stücke mit Nummern auf der Rückseite versehen, und es ist
stets dazu ein Rotulus angefertigt worden, welcher noch heute
den Akten beiliegt. Die Akten der ersten Instanz sind viel-
fach nur in Abschrift vorhanden, welche in geheftete Papier-
bände im Zusammenhang eingetragen und beglaubigt sind. Als
ein Uebelstand der ehemaligen Aufbewahrung muss es bezeich-
net werden, dass mitten zwischen die Prozessakten auch ältere
Pergamenturkunden mit anhängenden Siegeln als Beweisstücke
eingelegt worden sind. Solche sind auch von Aachen vorhanden,
hier aber nicht berücksiclitigt worden, da sie einen besondern
26 R. Goecke
Bestand für sich im Staatsarchiv zu Wetzlar auszumaclien
bestimmt sind.
In unsern Ref^esten sind nur Spezialprozesse zwischen zwei
Parteien, welche den „rechtlichen Krieg" vor dem Eeichskammer-
gericht begannen, und wovon die eine Partei immer der Stadt
Aachen angehört, berücksichtigt worden. Nicht berücksichtigt
ist daher ein „Antrag der Stadt Aachen auf Transsumtion und
Vidimation eines von Kaiser Karl V. der Stadt im Jahre 1521
ertheilten Sicherheits- und Geleitsbriefs durch das ganze Reich,
und deshalb erfolgte ediktmässige Ladung durch das Reichs-
kammergericht" vom Jahre 1538, well hier eine zweite Partei
fehlt. Es ist dieses übrigens der einzigste Fall dieser Art im
Archiv zu Wetzlar; bei dem Landgericht zu Aachen sind hin-
gegen, nach Ausweis der amtliehen Korrespondenz, welche mir
hierüber vorliegt, zwei am 21. Oktober 1821 nach dorthin
ausgeliehene Aktenfaszikel des Reichskammergerichts-Archivs,
kaiserliche und Aachensche Privilegien betreffend aus den Jahren
1557 und 1G62, auf eine am 25. Mai 1856 von der Archivver-
waltung zu Wetzlar dorthin gerichtete Anfrage „bisher nicht
wieder aufzufinden gewesen", also vermuthlich verloren gegangen.
Es erübrigt noch zu bemerken, dass ein im Jahre 1822
bei Th. F. Thiriart in Köln im Druck erschienenes „Verzeich-
niss der Aktiv- und Passiv-Prozesse, welche bei dem ehemaligen
Reichskammergerichte zu Wetzlar geschwebt haben, und zum
Bereich des Königlichen Appellations-Gerichtshofes zu Köln
gehören" (100 SS. 4^), die Rubra eines Theils der Aachener
Prozesse an verschiedenen Stellen mittheilt. Dieses Verzeichniss
ist ein Auszug aus dem in 21 Bänden bestehenden, auf Veran-
lassung des Fürsten Primas während der Jahre 1806 — 10 ange-
fertigten und noch beim Staatsarchiv zu Wetzlar aufl)ewahrten
altern Repertorium der Reichskanmiergerichts-Akten und -Ur-
kunden, welches vielfach ungenau ist.
In allen Fällen, in welchen bei Personen, Beamten, Kirchen,
Klöstern, Gerichten, Behörden und Korporationen ein Ort der
Zugehörigkeit nicht genannt ist, ist Aachen als solcher gemeint.
Für eine kleine Anzahl stets wiederkehrender Worte sind fol-
gende Abkürzungen angewandt: A. = Aachen; f. = fehlt (in
Bezug auf die Vorakten); g. = gegen; G. = Gulden; Goldg. =
Goldgulden; K. = Kläger, Klägerin; K.-G. = Kammergericht;
V. = Verklagter, Verklagte.
Aachener Prozesse am Reichskanimergericht. 27
1509. Peter von der Heiden, Bürger, g. Bürgermeister
iiiul Kath. CTeleitsbruch und Anlegung von AiTesten auf das
Vermögen des K., weil er während eines beim Sendgeridit
anliängigen Pi-ozesses g. Hermann Pastor das ihm ertlieilte
^Glaid^^ zur Errichtung eines Weinschanks missbraucht und
die Btii-ger, seine Gäste, gegen den Rath aufgehetzt habe.
(H 2469.) 1
1511. Hennann Rink, Bürger, zu Köln g. Meier und
Schöffen. Inkompetenz der V. in der Iteclitssache von Eberliard
und Dietrich von Haren g. den K. wegen 6000 ü. (K 2ni}d.) 2
1513. Vicedechant und Kapitel von St. Adalbert g. Behi,
Wittwe von Mathäus Hertzgen, und dessen Erben. Streit über
den Besitz eines von dem Propst Mathias Hertzgen dem A eitern
hinterlassenen Kapitals von 450 G. und mehrerer zu Lenders-
dorf* belegener Güter, welche die Wittwe und Erl)en seines
Sohnes in Anspruch nehmen; Einrede, dass dieser bloss «mu
natürlicher Sohn gewesen und als solcher den Propst nicht
beerbe. — Schultheiss un<l Geschworene des (Tcrichts von
Lendersdorf. (A 111.) *J
1513. Dieselben. Streit über de» Nachlas« und die zu
Lendei-sdorf belegenen Güter desselben.- I>i<'rtellM;n, f. (\ \\2,) 4
1518. Quirin von Aldenhoven, Diener Pcter> von der
Heiden, g. Bürgenneister und Rath. Injurien dnnli X'erhaCtnnjr
des K. auf offener Strasse und AussteUung an den Pmufrer,
(A 689.) 5
1514. Egidius in dem Bischofsstab» (r, Mei«'r und S* hojb n,
t:ntsetzung vom Scliöffenamt wegen Amtsvei;re|j«'n, (H MIO,) 0
') Glaid ist die Erlaubuiss, sich irgendwo aijf/'j>...ltMi ^Xu* 'U^- \, -r
mit jrewisse Reclitsfolgen, welche an sich eiutn-uu u..^'Uu, ^wVi,'/;'* r i<\.
*) Lendersdorf, Dorf, B},^str. Birgel, Kr im^u. r- -.i r 'Jm );*/. /m
des Adalbertsstifts zu diesem Dorfe vgl. Bonn, iluu-r) .j, .J f,, .i-.
Sammlung von MateriaHen zur Geschichte, imr^-n^ ^ v*zn
«) Gillis zu dem Buschoffstave, Schöffe, er^l^ <.t ; / i ..,, ';...,.. -
Vollstrecker seiner Schwiigerin Jcune von Avi-ui.** ^"*'t, .,.-" ♦- • '
Aachener Schöffen Johann Beyssel von Kui>*?« «J*^ /^* •>* r >,- ■ -. / •""
Roland ßuck zu Aachen; vtrl. Pick« Ji^n*'^** -v/ ' • \*.y. - ■ -
Archivs der Stadt Aachen im Jahre 188')f *- *^'
28 R. Goecke
1515. Die 24 Priester und Mitglieder der St. Johannes -
bruderscliaft beim Marienstift g. Servaz Leyendecker, Lamprecht
Constaff und die Laienbrüder der Bruderschaft. Streit über
Renten aus gewissen Häusern ^ — Schöffenstuhl, f. (A 115.) 7
1515. Peter Kirser, Reichskammergericlits-Prokurator, zu
Worms g. Bürgermeister und Rath. Zahlung des versprochenen
Salärs. (K 1599.) 8
1517. Bürgermeister und Rath g. Peter von der Heyden
und Paul Garzweiler, heimlich ausgetretene Bürger. Arrestation
eines Bürgers auf der Frankfurter Messe imter dem Vorwand,
dass K. den V. rechtliche Hülfe gegen Hermann Pastor^ ver-
weigerten und ihr Vermögen vorenthielten. — Erzbischof von
Köln und dessen Subdelegirte als Kommissarien des K.-G., f.
(A 61.) 9
1517. Prioren und Konvente der Prediger und der Regulir-
herren g. Apollonia von der Marck zu Witliem im Grossherzog-
thum Luxemburg. Forderung des Niessbrauchs von allen von
Dietrich Freiherm von Palant ^, erstem Ehemann der V., hinter -
lassenen, in der Herrschaft Withem belegenen Gütern. — Schöffen-
stuhl, f. (A 128.) 10
1520. Prior imd Konvent der Augustiner g. Johann von
Drimborn. Forderung einer jährlichen Rente von 8 Müdden
Roggen aus dem vom V. besessenen, neben der St. Alde-
gimdenkirclie und dem V. belegenen Hause ^. — Schöffenstuhl.
(A 116.) 11
1523. Bürgermeister und Rath g. Schultheissen, Ricliter,
Schöffen und Gerichte zu Teveren, St. Trond, Befort und Haren ^
0 Die Lage und die Namen der Häuser sind aus den Akten (nur ein
paar Blätter) nicht ersichtlich.
«) Vgl. Nr. 1.
') Er starb 1481. Seine Wittwe war in zweiter Ehe mit Eckenger von
Scliwarzenberg vermählt (vgl. Geschichte der Herren, Freiherren und Grafen
von Pallant S. 76 ; Strange, Beiträge zur Genealogie der adligen Geschlechter
VIII, S. 13).
*) Vgl. Qu ix, Beiträge zur Geschichte der Stadt Aachen und ihrer
Umgebungen II, S. 108 ff.
. ^) Vgl. tlber diese vier Orte Loersch in Haagens Geschichte Achens I,
S. 351, Nr. 10 (Befort = Beywort), 354, Nr. 42 und 359 f., Nr. 04 und 90.
Aachener Prozesse am Reiobskamraerfifericht. 29
im Imr^rundischen Kreis, weil V. statt an den Schöffenstuhl als
ihren rechtmässigen Oberhof an die Höfe ihrer Herrschaften
appelliren. (A 45.) 12
1523. Mauritius von der Over^ und seine Ehefrau g.
Schöffenstuhl wegen Vervveigenuig der Vollstreckung eines g.
Peter Becking erlassenen Urtheils auf Restitution eines in der
Krämerstrasse (imder die Kreeme) gelegenen Hauses und Erbes
oder Schadensersatz. (0 15S5.) 13
1525. Bürgermeister imd Kath g. Schult heiss imd Schöffen
zu Befort, weil V. von einem diurh den Schöffenstuhl in der
Appellinstanz erlassenen Urtheil weitere Berufung an das Gericht
zu Namur zugelassen und somit g. das den K. verliehene Privileg
Kaiser Karls TV, Verstössen habend (A 46.) 14
1527. Bürgermeister und Eath g. die Reichsleute von
Würselen und Haaren wegen Störung des Rechts, von den V.
Accise zu erheben, durch Aufruhr und Widersetzlichkeit, wobei
ein Rathsdiener zu Dobach^ erschlagen worden. (A 43.) 15
1527. Gemeine Xachbaren im Reich zu Haaren, Würselen
u. 8. w. g. Bürgermeister und Rath. K. behaupten, dass sie
nach freiwilliger Erlegung von 2400 G. accis- und schatzungs-
frei und bei der Kaiserkrönung auch hierfür erklärt seien, dass
V. dennoch jährlich 400 G. von ihnen fordern und deshalb einige
ihrer Genossen im Grass* eingesperrt halten. — Schöffenstuhl, f.
(A 44.) 16
1527. Bürgermeister und Rath g. Peter von der Heyden,
Paul Garzweiler, Hermann Johann, Augustin Pastor und Genossen.
Deposition von 1757 rhein. G., womit die Stadt eine Rente
ablösen will, welche zwischen Pastor imd von der Heyden sowie
ihren Genossen streitig ist\ (A 62.) 17
>) Vgl. Nr. 27.
') Gemeint ist das Privileg über die Berufungen an den Aachener
Schöffenstuhl vom 27. November 1356, Noppius, Aacher Chronick (1632)
Th. III, S. 61; vgl. Böhmer-Huber, Regesten Karls IV. Nr. 2528.
*) Dobach, Dorf, theils Bgstr. Weiden, theils Bgstr. Würselen, Ldkr.
Aachen.
*) Vormaliges städtisches Gefängniss, jetzt zum Stadtarchiv umgebaut.
^) Auf welchen Gnindstüeken die Rente ruhte, ist in den Akten nicht
angegeben. Vgl. Nr. 1 ur
. 3 rk
30 R. Goecke
1528. Nikolaus Clermont g, Bürgermeister und Rath.
Justizadministration in Sachen des K. g, Haus Fuchs von
Ebersberg ^ wegen Erfüllung eines Kaufvertrags über einige
Tonnen Hopfen. (C 842.) 18
1528. Peter Supp g. Bürgermeister, Schöffen und ßath
und Hans Fuchs zu Ebersberg. Zustellung eines Fehdebriefs
an den K. und Vorenthaltiuig desselben durch Bürgermeister
und Rath«. (S 9543.) 19
1529. Prior und Konvent der Karmeliter oder Frauen-
brüder^ g. Lampert Kip, Peter Wyrich und Martin Scliorn.
Vindikation von sechs Häusern in der Burtscheider Strasse* (deren
zwen stain ind gelegen syn an sent Mathys^ neest neven deme
huyse ind erve, dae Niueler innewont, ind die ander vier huyser mit
iren hoeven stain . . recht dar tgegenover neest Goirt Pannen-
siegers huys ind erve) aus dem Nachlass des Karmeliters
Johann Kip. V. behaupten, dass dieselben Stockgut aus seines
Vaters Nachlass seien, auf welches dem Mönch ein Erbrecht
nicht zustehe. — Schöflfenstuhl. (A 123.) 20
1529. Johann Beulait g. das Predigerkloster. Erbzins vom
Gut Beulartstein ^ von 10 oberländischen Goldg. jährlich, den V.
beansprucht. — Magistrat. (B 3399.) 21
1529. Johann Beulart g. Stadt. Ersatz der Kosten einer
Untersuchung, die der Magistrat g. K. angestrengt, weil er
etliche gemeine Wege und Strassen bei seinen Gütern im Aachener
Reich eingezogen haben sollte, in welcher er aber unschuldig
befunden worden. — Magistrat, f. (B 3400.) 22
') Ebersberg, Flecken im Bezirksamt gleichen Namens, R^bz. Ober-
bayern, mit bedeutendem Hopfenhandel.
^) Vgl. Nr. 18.
^) Vgl. über diese Bezeichnung Haagen, Geschichte Achens I, S. 287.
*) Jetzt Franzstrasse.
*) Mathiashof, ehemaliger Beguinenkonvent, nach dem Apostel Mathias,
dem er nebst der Kirche geweiht war, so benannt.
^ Das Gut Beulartstein lag in der Bürgermeisterei Laurensberg, Ldkr.
Aachen. Ueber den Erbzins vgl. Qu ix, Das ehemalige Dominikaner-Kloster
S. 19. Am 31. Mai 1534 belasteten Johann Beulart und seine Gattin Irm-
gard zu Gunsten des Predigerklosters in Aachen ihr genanntes Gut mit einem
Jahrzins von 6 Goldgulden, der später mit 120 Goldgulden abgelöst wurde
(ebendas. S. 27).
Aachener Prozesse am Reiob^ikamnlerti:ericht. Hl
1529. Severin Hellink g. Biirgerraeister und Rath. Per-
sonalarrest des K. wegen einer Forderung des Handlungsgesell-
schafters Siegfried von Louvenich. (H 2917.) 23
1530. Die Greven des Kräinerambachts g. Katharina Styngen
genannt Sylverbemer und Eheleute Marks. Vindikation nielirerer
von den Eheleuten Wilhelm Kunschtaff herrührender, angeblich
auf V. vererbter (Tnindstücke (zwein morgen . . gelegen in die
Wirdelbach, noch sieven gelegen up die Heide), Einrede der
Verjährung. — Schöffenstuhl. (A 141.) 24
1530. Thomas Bogenmacher g. Schöffenstuhl. Grundlose
Entsetzung des K. aus dem ^Rhatses*^ (Sitz im Ratli) und dem
Kohlmeisteramt, die er 17 Jahre lang innegehabt. Weitläufige
Verhandlungen vor einer bestellten Reichskamniergerichts-Kom-
mission zu Aachen. (B 4981.) 25
1530. Johann Greven l)erg g. Werkmeister des Wollen-
ambachts. Beschwerde ül)er Beschlagnahme mehrerer Stücke
Tuch, welche sich V. während der Frankfurter Messe gegen
den K. erlaubt hal>en, weil er nicht in (Temeinschaft mit ihnen
verkaufen wolltet — Magistrat. (G 1624.) 26
1530. Mauritius von der Over* und seine Hausfrau Airatlie
g. Magistrat und Schöffen. Aufliebung eines g. die K. erkannten
Personalarrestes, welcher angeblich nur aus dem Grunde ver-
hängt war, um sie zur Rücknahme einer Apiiellation an das
K.-G. g. ein von den V. erlassenes Erkenntniss zu zwingen.
(0 1586.) 27
1531. Prior und Konvent der Refrulirherren g. Johann von
Elft*. Vindikation mehn^rer von Tilmann ThilH.-.s hinterlassener,
bei A. belegener I^lmgüter* Namens des Regulirhemi Martin
Thibes unter der Behauptimtr, dass Geistlidie einf-n «wehrent-
lichen Mann* (I^hnträger) iK-^tellen können. — Statthalter und
Leimmänner des Lelins Vi*n th^r Schieiden im R<Mrjje von A. auf
Unterweisung des Schöffen>tuhls. (A 121.) 2X
») \^\, St. 51.
*) \>l. Nr. 13.
«) Vgl. Nr. 87.
*) Di^*^*» r><'hnirüi«*r -lud i*i A» u Akt' n n'uht inlj^r l>*'Z*-i' )jih t.
32 R. Goecke
1531. Simon von Weiler g. das Regulirlierrenkloster ^ Erb-
pacht von 5 Müdden Roggen, ruhend auf der vor dem äussern
Köbthor belegenen Mühle des K. — Schöffenstuhl. (W 1389.) 29
1532. Hans Supp g. Prior und Konvent der Frauenbrüder.
Jährlicher Zins von 2 6. aus einem Hause und Erbe auf der
Sandkaul. — Schöffenstuhl, f. (S 9545.) 30
1533. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. gemeine Nach-
baren von Würselen, Haaren u. s. w. im Aachener Reich. Recht
der K., von ihren im Reich, d. h. innerhalb einer Meile von
der Stadt angesessenen Einwohnern Beiträge zur Türkensteuer
zu erheben. (A 41.) ^ 31
1533. Dechant und Kapitel des St. Adalbertsstifts g.
Lambrecht Giesse zu Baesweiler*. Streit über liegende Güter
zu Boisseler', welche K. als verfallene Emphyteusis in Besitz
genommen, V. aber als Erbgüter beansprucht. — Schöffen zu
Baesweiler auf Unterweisung des Oberhofs zu Jülich. (A 113.) 32
1533. Dechant und Kapitel des St. Adalbertsstifts g. Johann
Reysen zu Schleyden*. Vindikation von Grundstücken im Bezirk
von Baesweiler*, welche die K. als kaduzirt wegen unterbliebener
Zahlung des Kanons in Besitz genommen haben. — Schöffen zu
Baesweiler auf Unterweisung des Oberhofs zu Jülich. (A 114.) 33
1533. Johann von Linzenich zu Burtscheid g. Stadt A.
und Schöffengericht zu Burtscheid. Gefangenhaltung des K.
wegen beharrlicher Verfolgung seiner Rechtsansprüche beim
K.-G.« (L 2122t>.) 34
*) Nach einem Aktenstück vom 4. September 1531 war damals Johann
von Goch Prior, Wichbold von Deventer Subprior und Jaspar Taxis Pro-
knrator des Klosters.
*) BaesweUer, Dorf, Kr. GeUenklrcben.
«) Boslar, Dorf, Bgstr. Hottorf, Kr. Jülich.
*) Schieiden, Dorf, Bgstr. Siersdorf, Kr. Jülich, oder Bgstr. Aphoveu,
Kr. Hemsberg.
*) Vgl. Nr. 32.
^) lieber Vorgänge, welche wahrscheinlich Veranlassung zu diesem
Rechtsstreit gegeben haben, vgl. das Urtheil vom 9. Dezember 1521, Zeit-
schrift des Aachener Geschichtsvereins II, S. 85 f.
Aachener Prozesse am Reicbskamraergericht. 33
1534. Greven und Ambacht der Schuster g. das Lederer-
ambacht. Kauf und Einbringung ausserhalb der Stadt geloheten
und bereiteten Leders durch den Scluister Friedrich von Jülich;
Intervention der Schusterzunft, welche das Recht dazu behauptet.
— Bürgermeister und Rath. (A 149.) 35
1534. Servatius von Colin imd sein Sohn Georg g. Bürger-
meister und Rath. Entschädigung der K. dafür, dass sie auf
Antrag des Peter von der Heiden in Folge der ihnen gegen die
Stadt A. erlaubten kaiserlichen Repressalien in Mainz verhaftet
wurden. (C 1152.) 36
1534. Johann GreflFenberg g. Marktmeister und Genossen.
Injurienklage wegen Verleumdung. — Magistrat, f. (G 1410.) 37
1535. Der Pater in dem Mergenthai zu A.^ Namens der
Konventschwester Ottilie und der Prior zu Paradies^ Namens
des Konventbruders Hermann und Genossen g. Johann Kraux
oder Krotsch zu Theuren ^. Anspruch auf die von Rüdger Moep-
ges nachgelassenen Renten und Güter* für dessen Seitenver-
wandte g. die Erben seines Successors in thoro. — Schöffen zu
Theuren auf Unterweisung ihres Oberhofs zu A. (A 106.) 38
1535. Mutter und Konvent im Marienthal ^ g. Johann Buyter
und seine Hausfrau Lucie und deren Verwandte. Herausgabe
mehrerer in und bei A. belegener Grundstücke (eyn stuck lantz . .
gelegen an Roistportze, eyn [desgl.] an den Kalkaevent, eyn
[desgl.] genant der Schoppele, noch umbtreut eynen halven
morgen beyntz gelegen an den Wyngartzberch ^, noch eyn [desgl.]
*) Kloster Marienthal in der Franzstrasse.
*) Wo dieses Kloster lag, ist in den Akten nicht angegeben. Ein Kloster
zum Paradies gab es nicht in Aachen, dagegen bestand ein Wilhelmiter-
kloster dieses Namens in Mren (vgl. Bonn, Rnmpel und Fischbach
a. a. 0. S. 293).
•) Düren.
*) Eine nähere Bezeichnung derselben fehlt in den Akten.
») Vgl. Nr. 38.
^ Weingartsberg, an der Ostseite der Stadt zwischen Sandkaul- und
Kölnthor. Vgl. Ouix, Die Königliche Kapelle auf dem Salvators-Berge S. 64.
3
34 R. Goecke
gegen sent Joeris thorn ^ over gelegen), Zinsen und Pachte, so-
wie von Mobilien, welche die Klosterfrau Adelheid von Schinne
besessen, an die V. als deren Erben. — Schöffenstuhl, f. (A 107.) 39
1536. Paul Gartzweiler g. Frambach von Hochkirchen,
den Schöffenstuhl und Peter von der Heyden. Geldstrafe wegen
Schmähreden. (G 242.) 40
153G. Gemeinde Würselen und Haaren g. Schöffenstuhl. Be-
holzungsrecht im Gemeindewald. — Schöffenstuhl. (W 5814.) 41
1537. Bürgermeister und Rath g. Johann Herzog von
Jülich, Kleve und Berg zu Düsseldorf. Streitigkeiten über die
Grenzen der Gerichtsbarkeit des Jülichschen Vogts und Meiers
in A. (A 92.) 42
1537. St. Johannesbruderschaft beim Marienstift g. Wittwe
Martin Sturz. Forderung eines jährlichen Zinses von 4 G. aus
einem auf der Ecke der Hartmannstrasse gelegenen Hause
(an ind op eyn oirthuiss ind erf bynnen Aiche mit eyner cameren
gelegen upHairtmanstraissoirt genant). — Schöffenstuhl. (AI 19.) 43
1537. Matlüas Duppengiesser g. Bürgermeister, Schöffen
und Rath. Befehl an den K., seine auf der Weissgerberstrasse ^
(in der statt Aiche vorstatt uf der Weyssgerber gassen) errichtete
Mühle abzureissen und Einsperrung desselben wegen Unge-
horsams. — Bürgermeister und Rath, f. (D 1995.) 44
1537. Peter Zink und Genossen g. Dechant und Kapitel
des Marienstifts. Erbauung einer Schleifmühle in der Jakob-
strasse. — Bürgermeister und Rath. (Z 400.) 45
1538. Augustinerkloster g. Gerhard von der Heggen
genannt Krüppel. Forderung einer jährlichen Rente von 7
Goldg. und 3^2 Mark aus dem vom V. besessenen Haus und Erbe,
genannt das Ross, am Parvisch belegen (dat huyss und erf
genant dat Ross gelegen upt Parvisch up dat ort van Scharp-
strate neest deme huyss zum Spiegel). — Schöffenstuhl. (A 117.) 46
') Dieser Mauerthurm, 1639 St. Joerißtliourn, 1696 Jurrestorn genannt,
lag zwischen Pont- und Königsthor. Qu ix (Hist.-topogr. Beschreibung der
Stadt Aachen S. 178) nennt ihn Gregorius-Thunn; vgl. auch Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins I, S. 36.
2) Wo lag diese? Sollte der Löhergraben gemeint sein?
Aachener Prozesse am Reicbskammersrericht. 35
o'
1538. Johann und Karl Bürgerhaus g. das Kloster der
Weissen Frauen. Zinspflichtigkeit einer Oelniühle und von vier
Morgen Ackerlands^, welche K. bestreiten. — Schöffenstuhl, f.
(B 6479.) 47
1539. Johann Steffiirts g. Prior* und Konvent des Kreiiz-
brüderklosters. Forderung von 200 Joachinisthaler für zwei
dem K. verkaufte gestickte Tapeten. — Schöffenstuhl. (1 4844.) 48
1539. Gemeinden Würselen und Haaren g. Stadt A.
Beholzungsrecht im Walde „Vogelsang**. (W 5815.) 49
1541. Dechant und Kapitel des Marienstifts g. Johann
Grevenberg, Weinwirtli. Forderung von 98 G. an den ver-
storbenen Kantor des Stifts Sudermann und Arrestirung des
den Kapitularen gehörenden Weins. — Schöffenstuhl. (A 97.) 50
1541. Johann Grevenberg g. Werkmeister des Wollen-
ambachts. Wie Nr. 26. (G 1625.) 51
1542. Herzog Wilhelm von Jülich zu Düsseldorf g. Stadt A.
Streitige Jurisdiktion im Amt Wilhelmstein, bezw. landfriedens-
brüchige Handlungen der Aachener daselbst. — Umfangreiche
Verhandlung vor einer K.-G.-Kommission zu A. (G 2823.) 52
1542. Johann Steffarts g. Vogt, Meier und Schöffen. Unreell t-
mässige Verhängung des Arrestes über seine in der Stadt A.
belegenen Güter als Exekutionsmittel in Sachen Buschmann g.
Steffarts und dadurch bewirkte Kränkung des K. in seiner
Kaufmannsehre. (S 4843.) 53
•
1543. Dechant und Kapitel des Marienstifts g. Nachbaren
und Gemeinden der Vogtei Fleron zu Fleron, Ayneux, Maretz
im Fürstbisthum Lüttich. Beholzungsrecht im Walde von
Moseur in der Vogtei Fleron. — Meier und Schöffen der Herr-
schaft Fleron ^ auf Unterweisung ihres Oberliofs, des Schöffen-
stuhls. (A 172.) L. 54
0 Die Lage und die Namen der Grundstücke sind in den Akten nicht
angegeben.
') Wahrscheinlich Franz von Sittard; vgl. Qu ix, Die Pfarre zum
h. Kreuz und die ehemalige Kanonie der Kreuzpfarre in Aachen S. 68.
') Vgl. darüber Loersch in Haagens Geschichte Achens I, S. 353, Nr.
32. Fleron, Ayeneux und Magn^e (V), Kanton Fleron, Provinz LÜttich.
3*
36 R. Goecke
1543. Wittwe des Johannes von Dinslacken für sich und
ihre Kinder zu Köln g. Bürgermeister und Rath. Rückzahlung
eines Darlehns von 400 Goldg. (D 1033.) 55
1544. Bernhard Engels und Johann von der Linden g.
Meister und Konvent der Webbegarden Franziskaner Ordens \
Verabfolgung verschiedener jährlicher Zinse aus zwei Häusern in
der Burtscheider Strasse und Kräraerstrasse zu A., weldie
Arnold Wünnenberg dem Kloster unter der Verpflichtung ver-
macht hat, vierteljährlich unter die Annen 100 vierpfündige
Brode und in den Fasten bei jedem Brode einen Häring und
einen Schilling zu vertheilen. — SchöflFenstuhl. (E 1419.) 56
1546. Wilhelm Steffart g. Schöfl^enmeister und SchöflFen.
Verweigerte Aufnahme des K. in den Schöflfenstuhl. (S 4842.) 57
1548. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Vogt und
Schöffen des Dingstuhls zu Körrenzig und zu der Linden *, beide
im Herzogthum Jülich. Bestrafung der V. wegen Privilegien-
bruchs, dadurch begangen, dass V. Bürger und Einwohner von
A. mit Arrest belegt und die Prozesssachen nicht an die K.
auf deren Avokation zur Entscheidung zurückgesandt haben.
(A 32.) 58
1548. Bürgermeister und Rath pro interesse ihres Bürgers
Leonhard Elleband (oder Elleborn) g. Leonhard Schmidts zu
Koffern^. Pfändung einiger Fuhrleute aus A. auf Antrag des
V., weil er an den K. Ellcband (oder Elleborn) wegen Mästung
in dem Busche bei A. hatte indebite 5 Rthlr. zahlen müssen. —
Schöffen zu Körrenzig auf Rath des Oberhofs zu Jülich. (A 33.) 59
1548. Bürgermeister und Rath g. Georg von Oesterreich,
Bischof zu Lüttich, residirend zu Franchimont. Störung im
Besitz der Appellationsinstanz über alle um A. liegende Gerichte
durch ein Verbot des V. an die Schöffen zu St. Trond (Truiden),
*) Vgl. Nr. 74 und 81. Ausführliche Nachrichten über diesen Konvent
bei Quix, Beiträge zur Geschichte der Stadt Aachen und ihrer Umgebungen
II, S. 65 ff.
•) Körrenzig, Dorf, Kr. Erkelenz; Linden, Dorf, Bgstr. Broich, Ldkr.
Aachen.
') Kofferen, Dorf, Bgstr. Körrenzig, Kr. Erkelenz.
L
Aachener Prozesse am Reiehskammersrericht. 37
O'
nicht mehr nach A., sondeni an des V. Ruth zu appelliren K —
Kaiserliche Kommission des K.-G. zu A. (A 47.) 60
1548. Johann von Alesheim genannt Mulstroe g. Konvent
der Weissen Frauen. Zahlung eines jährlichen Zinses von 6
schweren G. von 5 Morgen Land auf dem Perzbend. — SchöflFen-
stuhl. (A 525.) 61
1549. Bürgermeister und Rath pro Interesse des Nikolaus
Claremont g. Reinhard Pöttgen und Vogt und Schöffen zu
Linden*. V. Pöttgen hatte wegen Forderung an Claremont
diesen durch das Jülichsche Schöffengericht zu der Linden
pfänden und citiren lassen, worüber die Stadt A. sich beschwert,
weil es den Reichsgesetzen, ihren Privilegien und einem Ver-
trag mit dem Herzog von Jülich zuwider sei, durch solche
Pßindungen den gewöhnlichen Gerichtsstand der V. in erster
Instanz zu umgehen. — Schöffen zu Linden, f. (A 35.) 62
1549. Bürgermeister und Rath g. Christian Höhnstein,
Vogt, und die Schöffen zu Bergheim im Lande Jülich. Unbe-
fugt« An*estanlage auf Vermögeusstücke Aachener Bürger in
Folge eines von den V. erlittenen, aber durch die K. gehörig
bestraften Raubanfalls ^ (A 56.) 63
1549.» Herzog Wilhelm von Jülich zu Düsseldorf g. Stadt A.
Vogteiliche Gerichtsbarkeit des Herzogs in A., das merum et
mixtum Imperium desselben im Reich von A., insbesondere das
Judengeleit. (G 2825.) 64
1550. Simon Engelhardt, K.-G.-Prokurator, zu Speier g.
die gemeinen Bauern im Reich von A. zu Würselen und Haaren.
Zahlung von jährlich 20 G. versprochener Prokuraturgebühren.
(E 1382.) 65
1551. Bürgermeister und Rath g. Herzog Wilhelm von
Jülich, Kleve und Berg zu Kleve und dessen Amtmann zu
Wilhelmstein. Streit über Eigenthum und Hoheit am Walde
„die Fisch** genannt und über das Recht, dort auf Erz, Galmei,
0 Vgl. Loerseh in Haageus Geschichte Achens I, S. 360, Nr. 96.
2) Vgl. Nr. 58.
») Vgl. Nr. 78.
38 R. Goecke
Blei und Kohlen Muthungen zu ertheilen; in Folge dessen
Verhaftung und Untersuchung wider den von K. daselbst er-
nannten Zelmterheber Hans Meyer und Verurtheilung desselben
zur Uebergabe auf Gnade und Ungnade an den Herzog. (A 80.) 66
1551. Michael Düsterwald Namens seiner Ehefrau geb.
Blaffarts zu Dremmen g. Mutter und Konvent des Klosters
Marien thal. Herausgabe der Hälfte des von dem im Kloster
verstorbenen Heinrich Blaffarts hinterlassenen Vermögens. —
Schöffenstuhl. (D 2091.) 67
1551. Anna von Ellenband \ Wittwe des Adam von Merode,
Frau zu Frankenberg und Burtscheid, g. Bürgermeister und
Kath. Störung der K. im Besitz der Erbvogtei zu Burtscheid
durch Vertreibung der von ihr daselbst aufgenommenen Schutz-
juden. (E 1030.) 68
1552. Dechant und Kapitel des Domstifts zu Köln g.
Äbtissin und Konvent des Gotteshauses St. Joris oder Jürgen^
bei A. Forderung der Kurmuth von den V. und deshalb
Arrestation ihrer im Gericht Lohn bei Aldenhoven liegenden
Hobsgütcr. Einrede der Freiheit geistlicher Personen von
dieser Abgabe. — Schöffen zu Lohn und Oberhof zu Jülich.
(C 1456.) 69
1553. Bürgermeister und Rath g. Bischof Georg und
Bürgermeister und Rath von Lüttich. Störung der K. im
Besitz des Rechts, ihre Habe und Güter zollfrei zu Wasser
oder Land durch das Stift Lüttich transportiren zu lassen,
dadmxh, dass die V. das persönliche Erscheinen der Kaufleute
und die Ableistung eines Kids über ihr Eigenthum an den
Waaren neuerdings verlangen. (A 48.) 70
1553. Dietrich von Wilre g. Bürgermeister und Rath.
Rückstande einer für 580 G. erkauften ablöslichen Rente von
29 Goldg. jährlich. — Schöffenstuhl. (W 3683.) 71
») Vgl. Quix, Die Frankenburg S. 66; Richardson, (leschichte der
Familie Merode I, S. 220, II, S. 265. Anna von Ellenband heiratbete 1551
in zweiter Ehe Richard von Merode-Houflfalize zu Kalkofen, Wittwer von
Anna von Hochkirchen.
2) Kloster 8t. Joris (St. Georgsbusch), Gem. Kinzweiler, Bgstr. Esch-
weiler, Ldkr. Aachen. Vgl. darüber Boiträgc zur Geschichte von Eschweilcr
und Umgeg«Mid II, 8. 71 f.
Aachener Prozesse am Reichskainmergericht. 39
1555. Bürgermeister und Rath g. Wilhelm Herzog zu
Jülich, Kleve und Berg. Berechtigung im städtischen Walde,
die Eyga, auch Etzcha und p]tgenbusch * genannt, gegen Abgabe
des zehnten Pfennigs Erz, Galmei, Blei und Kohlen zu graben;
Störung durch Werner von Palant, Jülichschen Amtmann zu
Wilhelmstein. (A 80^) 72
1556. Priorin und Konvent des Klosters der Weissen
Frauen g. Johann, Anna und Ijucie Dandel genannt von der
Kannen und deren Schwager Leonhard von Enden. Forderung
des väterlichen imd mütterlichen Erbtheils der Mitschwester
und Professin Maria Dandel, welche nicht auf die Erbschaft
verzichtet hatte. — Schöffenstuhl, f. (A 118.) " 73
1556. Theis Bleienhaupts Erben g. Minister und Konvent
<ler Webbegarden *. Eigenthum an S'/a Morgen Land und
Acker, in der Aachener Mark am Elssenbusch gelegen, und
an zwei „die Int** und „das Harheitgen** genannten Wiesen. —
Schöffenstuhl. (B 3511.) 74
1556. Äbtissin und Konvent von Burtscheid g. Bürger-
meister und Rath. Freiheit der klägerischen Güter in der
Aachener Gemarkung von allen Abgaben. (B 5684''.) 75
1557. Abtei Burtscheid und die sechs gevollmächtigten
Männer des Dorfes und der Herrlichkeit Burtscheid g. Bürger-
inefster und Rath. Jurisdictio meri et raixti imperii zu Burtscheid.
(B 5682.) 76
1557. Arnold von Savelsberg g. Prior und Konvent des
Predigerklosters. Sechs Morgen Land, welche K. von seinem
Oheim Paulus geerbt, worauf Arnold von Wymar und Eberhard
von Harve Ansprüche erhoben und solche vor einem angeblichen
Scliiedsgericht des Predigerkonvents durchgesetzt und nach
Weigerung der V., die Grundstücke herauszugeben, dieselben
vor <lem Schöffenstuhl belangt haben. — Schöffenstuhl. (S 878.) 77
1558. Bürgermeister und Rath g. Christian Höhnstein,
Vogt zu Bergheim. Injurien durch die vom V. beim K.-G.
') Vgl. über den Wahl „die Etsch" Noppius, Aacher Chroniek (IB.'Vi)
Th. II, S. 164; Quix, Cod. dipl. Aquensis uo. 207.
0 Vgl. Nr. 56 und HI.
40 R. Goecke
eingereichte Exceptionsschrift, in der behauptet wird, K. hätten
diejenigen ihrer Unterthanen, welche zur Zeit des Krieges
zwischen dem Kaiser^ und dem Herzog von Jülich den V.
beraubt, nicht gehörig bestraft und deshalb selbst die Strafe
des Raubes verwirkte (A 57.) 78
1558. Äbtissin und Konvent zu Burtscheid und die sechs
gevoUmächtigten Männer von Dorf und Herrlichkeit Burtscheid
g. Bürgermeister und Rath und deren Meier und Vogt zu
Burtscheid. Freier Weinschank zu Burtscheid, bezw. die da-
gegen behauptete Einsprache der V., dass sie „alle hohe Ober-
und Herrlichkeit, Gebot und Verbot, auch alle Jurisdiktion
sowohl in criminalibus als in civilibus in der Herrlichkeit zu
Burtscheid kraft der von den Vorfaliren der K. besiegelten
Transportation und Uebergabe vor 200 Jahren gehabt und von
solcher Zeit also bis daher daran in Possession und Gewer vel
quasi gewesen". (B 5683.) 79
1558. Johann Butter und Peter Koch g. Simon Kern als
Anwalt Dietrichs von der Recke und Genossen als Kirchmeister
der St. Foilanskirche. Schuldforderung von 400 oberländischen
rheinischen G., welche die genannte Pfarrkirche zur Abhaltung
einer Erbmesse aus einem Testament an K. zu haben behauptet. —
Schöffenstuld. (B 6736.) 80
1558. Wittwe Agnes von der Schmitten g. Minister und
Konvent der Webbegarden^ Forderung von 200 Goldg. o*der
11 Goldg. jährlicher Rente. — Schöflfenstuhl, f. (S 6386.) 81
1560. Franz von Inden g. Bürgermeister und Rath. Besitz-
entsetzimg des K. aus einem Hause, einer Mühle und andern
dazu gehörigen Gütern'*. (I 1095.) 82
1560. Franz von Inden g. Bürgermeister und Rath. Genug-
thuung wegen Entsetzung des K. von Aemtern und Würden und
Ausweisung aus der Stadt A.^ — Magistrat, f. (I 1096.) 83
») Karl V.
«) Vgl. Nr. 63.
') Vgl. Nr. 56 und 74.
*) Die nähere Bezeichnung der Lage dieser Grundstücke fehlt in den
Akten. Vgl. Nr. 83.
^) Vgl. Meyer, Aachensclio Geschichten I, S. 455.
Aachener Prozesse am Reichskammergericlit. 41
1560. Adam von Zevel g. Bürgermeister und Ratli. Ent-
setzung des K. aus seinem Bürgermeisteramt wegen angeblich
begangener Injurien ^ (Z 241.) 84
1561. Äbtissin und Konvent zu Burtscheid g. Bürgermeister
und Rath. Unterhaltung der Wege und Stege, bezw. die Be-
hauptung der V., dass die Äbtissin als eine kaiserliche Äbtissin und
Grundfrau der Herrlichkeit Burtscheid „Weg und Steg und
Wasserlauf, kalt und warm, zu halten" schuldig sei. (B 5684»».) 85
1561. Adam von Zevel g. Bürgermeister und Rath. Injurien-
klage wegen Eingriffe in das Bürgermeisteramt des K. in Folge
falscher Anschuldigung eines Juden*. (Z 242.) 86
1562. Johami von Elfft^ g. Prior und Konvent der Regulir-
herren. Zahlung eines jährlichen Zinses von 2V2 Goldg. aus
einem Bungart vor dem Königsthor. — Schöffenstuhl. (E 1015.) 87
1563. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. den Vogt und
dessen Statthalter zu Boslar* imd Schöffen imd Gerichtsboten
zu Körrenzig. Bestrafung der V. wegen Privilegienbruchs durch
Arrestirung von 20 einem Aachener Bürger gehörigen Malter
Roggen bei deren Durchfuhr durch Körrenzig, obgleich die K.
den Einwolmern des Amts Körrenzig nie Rechtshülfe geweigert
haben. (A 34.) 88
1563. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Vogt, Schöffen
und Gerichtsboten zu Eschweiler ^ im Herzogthum Jülich. Be-
strafung der V. wegen Pföndung von Aachener Bürgern und
dadurch begangenen Privilegienbruchs. (A 63.) 89
1564. Äbtissin und Konvent zu Burtscheid g. Bürgcnneister
und Rath. Regalien, Jurisdiktion und feindliche Störung der-
0 V^l. Nr. 86, das Citat zu Nr. 83 und von Fürth, Beitrage und
Material zur Geschichte der Aachener Patrizier-Familien II, 2, S. 123 ff.
«) Vgl. Nr. 84.
3) Vgl. Nr. 28.
*) Vogt zu Boslar war damals Konrad Beeren, sein Statthalt-er Johann
Kannegieser. Wegen der Lage der Orte vgl. Nr. 32, Anm. 3 und Nr. 58,
Anm. 2.
^) Damals war Hugo von Heinsherg Vogt za Eschweiler; vgl. Koch,
Geschichte der Stadt E.srliweiler IV und V, Ö. 145 f.
42 R. Goecke
selben, bezw. Landfriedensbruch, welchen Soldaten der Stadt A.
auf Befehl der V. durch gewaltsame Wegnahme einer eisernen
Spill oder Tuchschererpresse aus einem geschlossenen Hause zu
Burtscheid g. einen status imperii begangen haben. (B 5686".) 90
1565. Bürgermeister, Schöifen und Rath g. Hermann von
Hirtz genannt Landscron zu Köln. Zahlung rückständiger
Pensionen und dieserhalb Arrestanlage. Appellation, weil in
zweiter Instanz bei Reformation des ersten Erkenntnisses auf
Kompensation der Kosten erkannt und V. nicht in alle Kosten
verurtheilt ist K — Greve und Schöffen des kurfürstlichen hohen
Gerichts zu Köln, f. (A 64.) 91
1566. Bürgermeister und Rath g. Herzog Wilhelm von
Jülich, Kleve und Berg. Mast und Jagd in „gemeiner Stadt
und Reichs A. Wald", der Reichswald oder Reichsbusch genannt,
dessen einzelne Theile aufgezählt werden wie folgt: 1. der
Aldenradt, 2. der Haw, 3. der Buechenbusch, 4. die Scmderey,
5. der Startz, 6. der Hovenborn, 7. der Dieffenbroch, 8. die
Fleeg, 9. der Eutgensraidt, 10. die Etsch, 11. der Rippert, 12.
Under-MüUenborn, 13. Haenbuchenbroch, 14. der Haeg, 15. der
Matteisberg, 16. der Weitersborn, 17. die Wasserkaulen, 18. der
Oolensbroch, 19. der Ginsberg, 20. der Verkensweg, 21. die
Heistern, 22. Müllenpleg, 23. das Kriebsloch, 24. der Bilstein,
25. der Kibusch, 26. die Buschheid, 27. die Kaigracht. (A 80^) 92
1566. Äbtissin und Konvent von Burtscheid g. Bürger-
meister und Rath. - Jurisdiktion in Burtscheid, insbesondere
betreffend das Recht, die Grindelen, Schläge, WegspeiTen und
Wehren zwischen St. Michael und dem Kloster auf dem Berg,
bezw. um das Dorf und die Herrlichkeit Burtscheid herum zu
setzen und einzugraben. (B 5685.) 93
1566. Wilhelm Steffarts g. Graf Palant zu Culenburg,
(Tuardian des Minoritenkloster^s ^. Forderung von 9 G. jähr-
') Vgl. Picks Bericht über die Vorwaltung dos Archivs der Stadt
Aachen im Jahre 1887, S. 6, Nr. 19.
*) Vgl. über dieses Kloster Neu, Zur (leschiehtc des Franziakaner-
klüsters, der Kirche uud Pfarre zum hl. Nikolaus in Aachen. Der oben
genannte (Juardian wird in dem hier (S. 7:^) mitgetheilten Verzeichniss nicht
envähnt. •
Aachener Prozesse am Reichskaminergericht. 43
liclier Zinsen, wofür des K. Haus, genannt zum Ebersheuf\
verpfändet ist. — Schöffenstuhl, f. (S 4845.) 94
1567. Prior und Konvent des Predigerklosters g. Franz
Block. Retrakt von 5 Iforgen Land, in der Heide im Reich
von A. bei St. Thonis^ gelegen, g. Ablösung des jährlichen
Erbpachtzinses von 6 G. — Schöffenstuhl. (A 129.) 95
1567. Paul Loersch, Greve des Bierbraueramts, g. Simon
Kern, Anwalt der Regulirherren. Erhöhung eines Erbzinses
von jälu-lich 5^2 Aachener G. auf 5^2 Goldg. — Schöffenstuhl.
(L 2574.) 96
1569. Prior und Konvent der Regulirherren g. Katharina
von St. Truden (Truwen, Treven) zu A. Forderung von 132 G.
für ins Kloster geholten Wein. — Schöffenstuhl. (A 122.) 97
1570. Bürgermeister und Rath g. Schöffen und gemeine
Nachbarschaft zu Burtscheid. Mandat an die V., ihren Beitrag
zur Türkensteuer sub poena dupli an K. zu zahlen ^ (A 42.) 98
1570. Gillis Stickelmann g. Johann von Wallum, Meier
und Vogt. Verbalinjurien zwischen K. und einem andern Bürger
und deren Aburtheilung durch das Kurgericht, „welches Gericht
durch einen ehrbaren Rath mit 13 aus demselben verordneten
Personen als Urtlieilsprechern besetzt wird". Ueberschreitung
der Befugnisse des Meiers bei dieser Gelegenheit. — Schöffen-
stuhl. (S 7118.) 99
1571. Elias Auslasser zu Schwaz* g. Bürgermeister und
Rath. Entschädigimg mit 2000 Rthlr. für unrechtmässige Ver-
haftung und Verwundung des K., sowie Tödtung seines Dieners
durch Polizeidiener und Bürger von A. (A 1674.) 100
1571. Gertrud von Birkden g. Äbtissin und Konvent der
Weissen Frauen. Entrichtung eines jährlichen Zinses von
*) Ein Haus „zu den Evershoide** auf dem Fischraarkt (ante Parvisium)
wird schon 1337 erwähnt; vgl. Loersch, Acheuer llechtsdenkinäler
S. 17'), Nr. 3.
*) Unbekannter Ort. Vielleicht ist nur ein Grenznachhar geraeint.
3) Vf?l. Quix, Hist.-topoj^r. Beschreibung der Stadt Burtscheid S. 151.
S. auch Nr. 221.
*; iSchwaz, Bezirkshauptort des Knter-Innthals, Tirol.
44 R. Goecke
einigen streitigen Benden und Gütern, „baiisson St. Albreclitz-
und Roistportzen gelegen". — SchöflFenstuhl. (B 4323.) 101
1572. Bürgermeister und Rath zu Köln g. Schöffenmeister
und Schöffen, auch g. Wilhelm Schleusen. Privileg der Stadt
Köln, dass keiner ihrer Bürger oder dessen Güter anderswo
mit Arrest angehalten und dadurch der Gerichtszwang begründet
werden kann, Kontravention dadurch, dass auf Antrag des V.
Schleusen Karl Trevenberg aus Köhi durch die Schöffen zu A.
daselbst arrestirt und also per indirectum evocirt wurde.
(C 1414.) 102
1574. Schöffenmeister und Schöffen g. Meier, Schöffen imd
Gericht zu Herstal ^ an der Maas. Behauptimg, dass von dem
Gericht zu Herstal an den Schöffenstuhl zu A. als nächstes
Obergericht appellirt werden müsse, und Verletzung dadurch,
dass die V. in einer bestimmten Sache die Kompulsorialien nicht
respektiren und die Akten nicht verabfolgen. (A 54.) 103
1574. Schöffenmeister und Schöffen g. Agnes von dem
Bongart, Wittwe des Franz von Hanxler, Pfandherrn der
freien Herrliclikeit zu Herstal ^. Verletzung des ius de non
evocando dadurch, dass die V. g. K. ein Mandat nebst (Mtation
bei dem Hof von Brabant darüber ausgebracht hat, dass K.
die Appellationsinstanz über das Gericht zu Herstal zu sein
behaupten. (A 58.) 104
1576. Bürgermeister, Schöffen und Rath und Gillis von
Thenen, Färber, g. Franz Merzenich zu Düren. Forderung
des V. von 18^2 Rthlr. für Weizen und deshalb Arrestanlage
auf etliche dem Gillis von Thenen zuständige, im Bezirk des
Gerichts zu Siersdorf^ liegende Weiden. Einrede der Unzu-
ständigkeit des Gerichts. — Untergericht zu Siersdorf. Zweite
Instanz: Hauptgericht zu Jülich. (A 65.) 105
*) Hcrstal, Kanton und Provinz Lüttich. Vgl. Loersch in Haagens
Geschichte Achens I, S. 354, Nr. 45.
*) Vgl. Strange, Genealogie der Herren und Freiherren von Bongart
S. 42 und die Anm. zu Nr. 103.
^) Siersdorf, Dorf, Kr. Jülich.
Aa<*hener Pn^ze--^ am ReicLskAmmerir^? rieht. 45
1578. Doktor Hans Betz s, Sohöffenraeister und Schöffen
und deren Genossen. Behauptete Inkompetenz in Bezu<r auf
eine angesetzte Strafe. — Sehöffenstuhl. (B 3370.) UMi
1578. Heinrich Rademacher und Genossen ^. Bttrjrermeister,
Schöffen und Rath. Nächtliche Verwundun«: des K. durch
Simon Kücken am Büchel innerhalb des Markto^rindels \ obwohl
zwischen beiden „Schlag^ens halber im Beisein von beiderseits
Freunden und Verwandten ein Fried getroffen imd gemacht
ist worden**. — Kurgericht. (R 63.) 107
1581. Katharina, Wittwe des Johannes von Hohenkirchen,
und Genossen g. Magistrat. Beschwerde über unbegründete
Einleitung eines Konkursverfahrens und Beschlagnalmie liegender
Güter«. (H 4877.) 108
1582. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Herzog Wilhelm
von Jülich zu Düsseldorf, Nikolaus, Abt von St. Komelimünster \
Wilhelm von dem Bongard '^ als Herrn zur Heiden zu Berger-
hausen und den Jülichschen Vogt zu Ä. Störung des Religions-
friedens, indem den Bürgern der Augsburgischen Konfession zu
A. die Administration der Justiz wegen Beleidigungen von dem
Jülichschen Vogt daselbst verweigert, der Handel mit seinen
Unterthanen vom Herzog verboten und die Zufuhr aus dem
Bezirk des Abts und der Herrlichkeit Heiden abgeschnitten
wurde. (A 83.) 109
1584. Schöffenmeister und Schöffen g. Hermann von Hanxler
als Pfandherrn und Schultheiss und Gericht zu Herstal. Verweige-
rmig der Aktenherausgabe auf die von den K. als Appellations-
gericht erlassenen Kompulsorialien, indem die V. nicht mehr
die K., sondern den Kanzler und Rath von Brabant zu Maastricht
als ihren Oberhof anerkennen wollen*. (A 55.) 110
0 Vgl. Nopplus, Aacher Chrowick (im2) Th. 111, H. 83.
*) Eine nähere Bezeichnung der'^i'lhon fehlt in d^n AkUtn.
') Nikolaus von Vorstheim oder Vonnh^-iin, ir>7a 1582; vj^l, Hchorn,
Eiflia Sacra S. 407.
*) Vgl. über ihn Strange, Geneah>gie *hr llt-rrnn und h'rtiht^rrftu von
Bongart S. 46.
*) Vgl. Nr. 104.
46 R. Goecke
1584. Wilhelm von dem Bongart, Herr zur Heiden und
Blitt, g. das Marienstift. Appellation in Sachen erzwungener
Frohndienste des Zehntpächters des Stifts g. den K. — Haupt-
gericht zu Jülich, bezw. Jülich- imd Bergisches Hofgericht zu
Düsseldorf. (B ,5151.) 111
1585. Bürgermeister und Rath g. Herzog Wilhelm von
Jülich, Kleve und Berg zu Düsseldorf und einen Theil der
Schöffen zu A. Widerspruch g. die vom Herzog vorgenommene
Präsentation des Johann von Thenen zu seinem Vogt oder
Meier in der Stadt A., indem derselbe eine persona infamis sei
und als Sekretär des Magistrats dessen Heimlichkeiten an den
Herzog verrathen und die Dokumente bei seiner Flucht mit-
genommen habe^ (A 84.) 112
1585. Joseph Lonz und Genossen g. I^eonhard von der
Hoye und Genossen als Schöffen zu A. Unregelniässigkeit<>n
bei der Schöffenwahl. (L 2572.) 113
1586. Schöffenmeister und Schöffen g. die gräflich Mander-
scheidschen Räthe und Amtleute zu Schieiden. Vollstreckung
eines von den K. in der Appellationsinstanz erlassenen Urtheils
und Einziehung der g. das Untergericht zu Wildenburg* und
das Hauptgericht zu Sistig^ festgesetzten Ungehorsamsstrafe
von 6000 G.^ (A 67.) 114
1586. Bürgermeister und Rath g. Herzog Wilhelm von
Jülich zu Kleve. Verfolgung und Drohungen von Seiten des
V. g. die K. angeblich deshalb, weil sie den V. im Interesse
der Augsburgischen Konfessionsverwandten verklagt hatten,
durch Absperrung des Gebiets, Gefangennahme eines Bürger-
meisters u. s. w. (A 85.) 115
1586. Bürgermeister und Rath g. Herzog Wilhelm von
Jülich zu Düsseldorf. Vei-weigerung der Durchfuhr von nach
») Vgl. Meyer a. a. 0. I, S. 491, § 29 a. E.; Haagen, Geschichte
Achens n, S. 178 f.; von Fürth a. a. 0. 11, 2, S. 7 f., 51 flf.
*) Wihlenhurg, Dorf, Bgstr. Wahlen, Kr. Sehleiden.
«) Sistig, Dorf, Bgstr. Call, Kr. Schieiden.
'*) Vgl. Loersch in Haagens Geschichte Achens I, S. 359, Nr. 87,
S. 361, Nr. 106.
Aachener Prozesse am Reichskanimergericht. 47
A. bestimmten Früchten durch die Länder des V. und Gefangen-
nahme Aachener Bürger. (A 86.) 116
1587. Bürgermeister und Rath pro interesse des Peter
Starz und seiner Frau g. Tilmann von Vellrode, modo dessen
Wittwe zu Heinsberg. Bezahlung einer zur Rentei der Herr-
lichkeit zur Heiden gehörigen Schuld ; Einrede der Inkompetenz,
weil K. zu A. verklagt werden müsse. — Hauptgericht zu
Jühch. (A 69.) 117
1588. Bürgermeister und Rath und Joliann Lonze, gewesener
Bürgermeister, g. den fürstlich Jülichschen Generalanwalt zu
Jülich. Anklage beim Gericht erster Instanz, dass Johann
lionze* bei den Wirren in A. in den Jahren 1580 und 1581
die Aufrührer angereizt und die kaiserlichen Kommissarien, den
Bischof von Lüttich und den Herzog von Jülich, in einer Schmäh-
scluift beleidigt habe. P^inrede der Inkompetenz. — Haupt-
gericht zu Jülich. (A 94.) 118
1589. Schöffenmeister und Schöffen g. Kuno von BinsfehP
zu Schönforst, Amtmann zu Nideggen, Paulus Stallenburg,
Statthalter, sodann Schöffen und Gerichtsschreiber zu Weiler ^
Weigerung der V., die Kläger als Appellationsgericht über
Dorf und Herrlichkeit Weiler, wo der von Binsfeld Gerichtsherr
ist, ferner anzuerkennen. (A 70.) 119
1590. Bürgermeister und Rath g. Heinrich Yörrn, bischöf-
lichen Offizial, zu Lüttich und Genossen (vermuthlich das Send-
^ericht zu A.). Wahrscheinlich Kassation eines vom Offizial
zu Lüttich in Betreff des Sendgerichts zu A. erlassenen Erkennt-
nisses; Einrede mangelnder Legitimation, da der Offizial sich
in die zu A. entstandenen Religionswirren ordnungswidrig ein-
fi:edrängt habe. [Unvollständige Akten.] (A 49.) 120
») Vgl. Meyer a. a. 0. I, S. 474 ff., § 13 ff.; Haagen a. a. 0. II,
S. 170 ff.; von Fürth a. a. 0. II, 2, S. 51 ff.
■) Vgl. Müller, Beiträge zur (leschichte des Herzogthams Jülich II,
S. 172.
') Nach Lo er seh (vgl. Haagen, Geschichte Acheus I, S. 360, Nr. 101)
<lie freie Reichsherrschaft Wylre hei Glllpen, im jet/Aixeu niederländischen
Limburg. Der Vater Kanos, Werner von Binsfeld, hatte diese Herrschaft durch
Heirath der Anna (nach Strange Agnes) von Nessel rode erworben (Fahne,
<ip!»chichte der Kölnischen, Jülichschen und Bergischen (iesohlechter I, S. 31).
48 , R. Goecke
1590. Bürgermeister iind Eath g. das Kapitel des Marien-
stifts. Unbefugte Besitzergreifung und Profanation des Kircli-
hofs des Kapitels zum Aergemiss und zur Verachtung der
katholischen Religion. Einrede des unzuständigen Gerichts. —
Urtheil des Fürstbischofs von Lüttich. (A 171.) L. 121
1592. Kupferschlägerzxmft g. Herzog Johann Wilhelm von
Jülich zu Düsseldorf und dessen Kriegsobristen Nesselrode
in Marschallsrade \ dessen Marschall von Veitenberg genannt
Schenkern zu Jülich und Gerhard von Eilerborn daselbst.
Unerlaubter Handel der V. mit Kupfer und Störung der K.
dadurch, dass die V. die Fuhrleute zwingen, das von der K.
zu Frankfurt gekaufte und nach A. bestimmte Kupfer an die
V. abzugeben. (A 150.) 122
1592. Adam Pastor und Genossen g. Bonifacius Colin und
Magistrat. Freilassung des wegen der in Sachen der K. g. V.
anhängig gemachten Appellation von Bonifacius Colin*, Bürger-
meister zu A., verhafteten Adam Pastor ^ (P 538.) 123
1593. Bürgermeister und Rath g. Bischof Ernst von Lüttich,
dessen Stände und geheimen Rath daselbst. Vertragswidrige
Heranziehung der Aachener Bürger zu der in Lüttich neu
eingeführten Ausfuhrsteuer und zu der neuen Steuer auf Kupfer
und Messing, welches zur Verarbeitung mit Lütticher Galmei
eingeführt wird. (A 50.) 124
1600. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Bischof Ernst
von Lüttich, Zöllner und Einnehmer im Stift Lüttich. Störung
der K. im Besitz der Zollfreiheit im Stift Lüttich durch Heran-
ziehung zu dem neu eingeführten Ausfuhrzoll, genannt der
sechszigste Pfennig. (A 51.) 125
1601. Bürgermeister und Rath g. Ludwig Mallepart, früher
zu A., jetzt zu Köln. Verletzimg des ins de non evocando
durch Belangung der Wittwe Ellerbom, geb. von Dickholt, aus
*) Marschalls-Rode, jetzt Eath, Landgut, Gem. Roggendorf, Bgstr.
Vussem, Kr. Schieiden.
«) Vgl. Haagen a. a. 0. H, S. 173, 181, 184 ff., 190 ff., 202 f., wo
überall auf Meyer verwiesen ist.
») Vgl. von Fürth a. a. 0. II, 2, S. 134.
Aachener Proze^s-ie am Reichskammenrericht. 4i»
A. erst beim bur^indisrlien Hofe zii Brüssel unter Arrestation
ihres im Fürsten thum Limburg befindlichen Vermö^rens, «b\nn
bei einem Gerieht zu Utrecht. (A 71.) VH\
1601. Bürgermeister und Rath g, Herzog Johann Wilhebn
von Jülich und Genossen. Jurisdiktion bei Weiden \ Haaren und
Würselen. (A 86^) 127
1601. Die Kupferschmiede und sämmtliche Kupferhändler
g. Bürgermeister, Schöffen und Rath. ITnbefngte Steigerung des
Zolls auf das in die Stadt A. eingehende Kupfer. (A 151.) 128
1602. Schöffenmeister und Schöffen g. den Abt zu Korneli-
münst^r^ Beleidigung der K. in einem Appellationsinstrument
durch den Vorwurf der Parteilichkeit. (A 72.) 12!)
1602. Bürgermeister und Rath der Stadt Köln g. Bürger-
meister und Rath. Verpflichtung der Bürger zu A., in (Wr
Stadt Köln Accise- und Wagegelder zu zahlen, Störung durch
ein Edikt der V., das den Aachenern diese Zahlung bei Strafe
verbietet. (C 1415\) 130
1602. Heinrich Radermacher g. die Greven des Pclzer-
amts. Baustreitigkeiten in Betreff einer in dc^r Piuitstrasse
zwischen dem Zunfthaus des Pelzeramts und einem zum Hanse
des K., der schwarze Ahr genannt, gehörigen Ausgang b(*fin(l-
lichen Mauer. — SchöffenstuhL (R prior 4480.) UM
1603. Bürgermeister und Rath g. Abt Martin von St. Jakob
zu Lüttich. Anmassung der (Tericlit-^lmrkcit diinh Mandate
und Citationen an den Schöffenstiilil zu A., in welchen verhingt
wird, den zu A. verhafteten und wr-Mn Todschhig^ elnew Ver-
wandten in Untersuchung befindlichen Kdmnnd von Bliitei .^^ yek
genannt Passart, Drossart zu BiKcn, frelznhi-^en. weil er an/eb)ieh
zu den geistlichen Personen gehöret (\ WI.) \M
0 Weiden, Dorf, Ldkr. Aachr-n.
») Jobann Heinrich von (iertz^'". » >^'7 P.'O '. /!. M,m ,L., - l,oni.
Eiflia Sacra S. 408.
') Vgl. Nr. 133, 137, 138, 1351, H'i- 14;, V. -m. T- ^ n Vt - K:-
bnr^, Belgien; Blitterswjck, Dorf, Prov. Ln/,.,u./ r , " - • * ■ • -
50 R. Goeoke
1603. Wilhelm von Cortenbach, Jülichscher Stallmeister^
zu Kurtenbach bei Lindlar und Heinrich Hoen von Carthyls
g. Bürgermeister, Schöifen und Rath. Auswirkung eines kammer-
gerichtlichen Mandats an die V., dass sie den auf Antrag der
K. in A. verhafteten und wegen Ermordung des Floris
Hoen von Carthyls aus Rummen zur Untersuchung gezogenen
Edmund von Blitterswyck genannt Passart, Lüttichschen Edel-
mann aus Bilsen, auf keinerlei Verwendung und unter keiner
Bedingung in Freiheit setzen, sondern die Untersuchung wider
ihn fortsetzen sollend (C 1976.) 133
1603. Herzog Johann Wilhelm von Jülich zu Düsseldorf
g. Stadt A. Jurisdiktionsstreitigkeiten, insbesondere betreffend
die Stellung des herzoglichen Meiers oder Schultheissen in A.
als „Gerichtspräsident und der Justiz Oberherr'', welche ihm,
sowie das Recht, Pfändungen und Verhaftungen in der Stadt
vorzunehmen, von Bürgermeister und Rath bestritten wird.
(G 2826.) 134
1604. Bürgermeister und Rath g. Johann von Thenen,
Jülichschen Meier der Vogtei. Denunziation wider Heinrich
von St. Jakob genannt (Kapellen zu A. wegen Ehebruchs und
wider Feuerfeil daselbst wegen Widersetzlichkeit bei dem Schöffen-
gericht; Inkcmipetenz des letztern. — Schöffenstuhl. (A 73.) 135
1604. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Johann Wilhelm
Herzog vcm Jülich zu Kleve und dessen Beamten zu Jülich,
Eschweiler und Brücken-. Eingriffe in die Strafgerichtsbarkeit,
das Bergwerksrecht und das ins collectandi der K. durch Ver-
haftung mehrerer Bürger aus A. zu Jülich und Eschweiler.
(A 87.) 136
1604. Wilhelm vcm Cortenbach und Genossen zu Kurten-
bach g. Bürgermeister, Schöffen und Rath. Mandat an die V.,
den in A. wegen Ermordung des Floris Hoen von Carthyls
verhafteten Edmund von Blitterswyck vor vollständiger Beendi-
gung der Untersuchung nicht zu entlassen ^ (C 1979.) 137
') Vgl. Nr. 132, 137, 138, 139, 142, 143. Kurtenbach, Dorf, Bgstr.
Lindlar, Kr. Wipperfürth; Rummen, Dorf, Arroudissement Löwen, Prov.
Brabant, Belgien.
') Brtiggen, Flecken, Kr. Kempen.
«) Vgl. Nr. 132, 133, 13S, 139, 142, 143.
Aachener Prozesse am Reichskaminer^ericht öl
1604. Kaiserlicher Fiskal zu Speior g. Erzlierzo«? Alhrerlit
von Oesterreich als Herzog von Burgnnd und Hnibant zu
BrüSvsel, . Bürgermeister und Rath der Stadt A., Knunul von
Blittei-swyck genannt Passart zu A., dessen Schwester Margaretha
zu Bilsen und dessen sonstige Freunde. Abstellung der vom
Herzog und dem Rath von Brabant ausgegangenen Interventi(m
und Repressalien gegen die Gefangennahme und Anklage des
Kmcmd von Blitterswyck ^ (F 2724.) V\H
1604. Heinrich Hoen von Carthyls und (ienossen zu Köln
g. Richter und Schöffen. Rechtshülfe wegen der Krmoidung
des Floris Hoen von Carthyls durch Kmcmd von Blitterswyck *.
(H 4472.) 1:M)
1605. Bürgermeister und Kath g. Schöffenmeister und
Schöffen. Mandat an die V., ihr Amt gebührlich zu verwalt4'n,
den Parteien wiederum Justiz zu administriren, die <;rledigt^n
Stellen mit qualifizirten Personen zu besctz^iu und die K. nicht
l)eim kaiserlichen Hofgericht, sondern beim K.-G. zu belangen,
Einrede der gewaltsamen Behinderung in Wtrom l>i<*nst(; dunli
die K., der unumschränkten (7ericlit^barkeit selbst g, tiUt K.
und der Litispendenz beim Hofgericht zu Prag. (A IH,; 110
1605. Bürgermeister und Kath g. Johann Wilhelm Herzog
von JüUch, Kleve und Berg zn Kleve, |^'h;tliptlln/. da-'^ der
V. sein Vogteirecht zu A. von der ^tadt A, zu Lehn fniK«',
dass er dies aber nicht anerkennen wolle, die -tailt bebij/irt,
Mühlen und Häuser vor dem 'i'bor gepl.;ndMi und iiHliieM*
Bürger gefangen gemmimen habe', ^\ »--j Hl
1605. Heinrich Hoen von ranJ.;.- u^ P.m-- t ü.n.t.r und
Rath. Verweisung aus A. und anden- ( i ' -i' »i '-' '/* ''-' b v^iyiu
Betreibung der Untersuchungssaeb<? g- f'- "* ''''' 1'*'**- '-* ^ '»' ^
wegen Ermordung des Floris Ho^ri v *, ^ '''''■ '- ^' ^''*^f Hi
') Vgl. Nr. 132, 133, 137, 130, 142, M'^
*) Vgl Nr. 132, 133, 137, 138, \4'£, I ♦-
') Vgl. Nr. 144 und 3Ieyer a. a^ '^ ' " ' '' ^ ^ '*' i'-«:-
(teschichte Achens 11, S. 204.
*) Vgl. Nr. 132, 133, 137, 138, I'^'^^ '*'
52 R. Goecke
1605. Heinrich Hoen von Oarthyls g. Bürgermeister und
Rath. Entschädigung von 12000 G. für die durch Verbannung
aus A. erlittene Injurie ^ (C 295.) 143
1606. Bürgermeister und Rath g. Johann Wilhelm Herzog
von Jülich und dessen Kanzler und Räthe zu Düsseldorf. Antrag
auf Achtserklärung, weil der Herzog, früherer Mandate ungeachtet,
im Jahre 1603 mit 900 Mann die Stadt A. belagert, die Mühlen
und Häuser vor derselben geplündert, das im Gebiet der Stadt
liegende Dorf Vetschau zerstört, mehrere Einwolmer gefangen
genommen und dieses auch seinen Beamten befohlen habe^.
(A 89*.) 144
1607. SchöflFenmeister und Schöffen g. Maria, AVittwe von
der Linden, und Schultheiss und Schöffen der Herrschaft Reckum ^
an der Maas bei Maastricht. Behauptung, dass der Schöffen-
stuhl zu A. die Appellationsinstanz über den Schöffenstuhl
Reckum sei und Weigerung der V., ein Erkenntniss der K. zu
vollstrecken. (A 74.) 145
1607. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. die Kanzlei
des Herzogs von Jülich zu Düsseldorf, dessen Marschälle und
Beamten zu Jülich, Montjoie, Effern, Mettmann u. s. w. Verur-
theilung in die Strafen des Landfriedensbruchs, weil die V.,
als sie auf einem Landtag zu Bergheim versammelt gewesen,
verschuldet haben, dass ein Zug von der Frankfurter Messe
zurückkehrender Kaufleute, des von dem Herzog für 85 Rthlr.
erkauften freien Geleits ungeachtet, von einem Jülichschen
Kompagnieführer von Kirschroth überfallen, geplündert und theil-
weise getödtet worden^. (A 89^.) 146
1607. Dechant und Kapitel des Marienstifts g. Ernst
Biscliof von Lüttich, dessen geheimen Rath und fiskalischen
Prokurator zu Lüttich imd Gerhard von Horion zu Veltimur.
Störung der K. im Besitz der Herrlichkeit Fleron sammt der
») Vgl. Nr. 132, 133, 137, 188, 139, 142.
2) Vgl. Nr. 141.
') Reckheim, ehemalige Reichsgrafschaft, zum westfälischen Kreis gehörig;
vgl. Loersch in Haagens Geschichte Achens I, S. 358, Nr. 79.
*) Vgl. Meyer a. a. 0. T, S. 540, § 104; Haagen a. a. 0. IT, S. 205.
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Th.r,S. 13ä. AWiun-;
*u..h Uivr oicht -idac
54 R. Goecke
1615. Maria Bossart, Johannes' Hausfrau, g, Bürgermeister
und Rath und das Gericht zu Niederwerth. Personalarrest des
Ehemanns der K. auf dem Schlosse zu Werth, willkürlidie
Gefangennahme desselben, als er sich auf einer Geschäftsreise
befand, und ihm dadurch in seinem kaufmännischen Geschäft,
dem Handel mit Schafen, zugefügter Schaden. Es wird dem
Bossart bestritten, dass er „seiner geringen Gelegenlieit nach"
als Kaufmann zu betrachten sei. (B 5570.) 152
1620. Matliias von Althabig g. Winner Klockhelniers Wittwe
und Kichter und Scliöffen. Vollstreckimg eines rechtskräftigen
Erkenntnisses g. die V. wegen einer Forderung von 600 Thlr.
(A 714.) 153
1620. Wilhehn von dem Bongart ^ zu Heiden g. das Marien-
stift. Unterhaltung des Geistlichen bei der Kirche zu Rich-
terich ^ — Regierung zu Düsseldorf. (B 5156.) 154
1621. Bürgermeister, Schöifen und Rath g. Peter Darmont,
Vicepropst des Marienstifts. Besteuerungsrecht der Aachener
Dörfer, sowie das von den K. behauptete Recht, „in Ansehen
der Polizei, CoUektation und iuris magistratus" über Lehngüter
des Stifts in ihrer Bannmeile ebenso verfahren zu dürfen wie
mit den AUodialgütern ihrer Unterthanen. (A 74**.) 155
1621. Nikolaus Amel, Johann Beel, Wilhelm Pin und der
Procurator generalis fisci g. Bürgermeister luid R^ith. Störung des
Notars Pin in Ausübung seiner Notariatsgeschäfte bei Insinuation
von reichskammergericlitlichen Prozessakten. (A 777.) 156
1623. Goddert Mohr und Genossen g. Richter und Schöffen.
Manutenenz der K. im Besitz eines bei öffentlicher Subhastation
dem Mohr von den V. adjudizirten Hauses. (M 3207.) 157
1625. Nikolaus, Peter und Johann Ruland g. Bürgermeister,
Sch()ff'en, Rath und Meier. Kassatiim einer von den V. auf Instanz
des Juden Alexander verfügten Immission in die Erbgüter der
K. in Folge eines K.-G.-Urtheils, das jenen in einem Prozess
*) Vgl. Strange, (ionealogie der Herren und Freiherren von Bongart S. 49
und Zeitj^chrilt des Aachener (Jesehichtsvereius V, S. 252 f.
*) Ilichterich, Dorf, Ldkr. Aaehcn.
Aachener Prozesse am Reichskammerj^ericht. 55
^. die K. weg-en einer Forderung von 1000 Rthlr. mit seinem
Exekutionsgesuch an bestimmte Vermögensstücke der K. gewiesen
hatte. (R 4330.) 158
1626. Johann vcm Merode genannt Hoffalis g. Richter und
Schöffen. Reclitsbeförderung in der Testaments- und Nachlass-
sache des Solmes des K., Franz von Merode, g. dessen Wittwe
Elisabeth, geb. Bertolf von Belven K (M 2298.) 159
1626. Marienstift g. Pfalzgraf Georg Wilhelm bei Rhein,
Graf von Veldenz, und Genossen zu Sponheim und Birkenfeld.
Der Xoval- Weinzehnte zu Winningen^ an der Mosel und der
Antheil der „Herren zu A/ an der Unterhaltung des Pfarrhofs,
des Pfan-ers und des Kaplaus daselbst. — K.-G.-Kommissarien
zu Koblenz. K.-G.- Akten, f. (A 1700 rot.) 160
1629. Nikedaus Amel, Johann Beel und Christian Mees g.
Bürgermeister Speckhöfer und Rath. Ungesetzliche In([uisition
g. die K. wegen Verspottung einer Prozession auf Denunziation
des Speckhöfer. Entsetzung der K. aus ihren Rathsämtern und
sonstige Unbilden, sowie Verhinderung ihrer Vertheidigung ^
(A 778.) . 161
1629. Johann Beel zu Speier, ehemaliger Stadtfourier zu A.,
g. Bürgermeister und Rath. Kautionsleistung von 16 000 Thlr.,
welche die Stadt vom K. wegen seiner „übler Verhaltung und
begangener Pekulat" fordert*. — Schöffenstuhl. (B 2191.) 162
') Elisabeth Bertolf von Belven, Wittwe des Freiherrn Franz von
3Ierode-Houffalize, heirathete 1630 in zweiter Ehe Theodor von Fourneau
genannt von Cruykenborg, Mitglied des grossen Raths und Vicekauzler von
Brabant (f 14. Februar 1634), in dritter Ehe Werner Freiherrn von Palant
(vgl. Richardson, Geschichte der Familie Merode II, S. 321, 327 und 422).
''^) Winningen, Dorf, Kr. Koblenz. Von wem das Stift sein Gut daselbst
erhielt, ist ungewiss. Der Besitz wird wahrscheinlich zuerst erwähnt in der
Bestiitigungsurkunde K. Friedrichs II. vom Juli 1226 (Lacomblet, Urkunden-
buch II, 8. 72, Nr. 13.5), aber schon 1204 schwebte ein Streit über den
Zehnten in Winningen zwischen der Abtei St. Martin in Kr)ln und dem Marien-
stift einerseits und dem Pfarrer von Winningen andererseits (vgl. Zeitschrift
des Aachener Geschichtsvercins VI, 8. 347, Nr. 1).
^) Vgl. Nr. 162 und 165.
*) Vgl. Nr. 161 und 165.
56 K. Cioecke
1()81. Die P](lelleute des Aachener Reichs und Kirclispiels
des St. Laurenz-Bergs^: de Merode, Graf von Goldstein, von
Eynatten und Genossen g. die Haus- und Bauersleute des
«:enannten Kirchspiels. Heranziehung der K. zu den Geuieinde-
lasten und insbesondere zur Einquartierung. — Bürgermeister
und Kath, f. (A 132.) \m
1631. St. Johanniter-Ordens-Konimende g. Stadt A. Ver-
letzung der Ordensprivilegien durch Annmssung von Diensten
und Frohnen an dem dem Orden zuständigen Hof „zur Kaulen*" ^
(I 028.) 164
1633. Nikolaus von Amel, Johann Beele und Christian
Mees, Weinmeister und Baumeister, g. Bürgermeister, Scluiflen
und Kath. Verhinderung des beim K.-G. anhängigen Rechts-
verfahrens durch Erschleichung einer Ktnnmission beim kaiser-
lichen Hofe auf den Erzbischof von Köln und Kassation des
Hofreskripts 3. (A 779.) 105
1633. St. Johauniter-Ordens-Kommende für den Hofmann
Leonhard Wernher zu P^lchenrath* g. Stadt A. Anforderung
von Steuern und dagegen behauptete Exemtion. — Magistrat.
(1 629.) 166
1635. Herzoglich Jülichscher Anwalt zu Düsseldorf g.
Joiumn von Tiienen. Herausgabe der seitens des A^aters des
V., des Vogts Joliann von Thenen % vom Jülichschen Hofe vor
und nach empfangenen und gesammelten Urkuuden betreftend
die A^)gtei und Meierei des Herzogs von Jülich in A. — Schöifen-
stulil. (I prior 2190.) 167
1()37. Bürgermeister, Sciiöifen und Rath g. Guardian und
Konventualen des Minoritenklosters zu Köln. Arrestanlage auf
das der Stadt A. gtdiörige, bei dem Hallmeister und der Bank
zu Köln befindliche Geld wegen rückständiger Zinsen von
*) Laurens})erj^, Dorf, Ldkr. Aacbeii.
*) Kulleii, Hof, 15<;str. Laureiiriljerg, Ldkr. Aachen. Vgl. Qu ix, Geschichte
der St. IVter-lMarrkirche S. 75.
3) V^^l. Xr. H)l und 1(>2.
^) Elchemath, Dorf, Djjfstr. Würseleii, Ldkr. Aachen.
•'") V^^l. Xr. 112.
Aachener Prozesse am Reicbskam merger icht. 57
melirern Kapitalien, welche K. den V. schulden. — Eaths-
gericht der Stadt Köln, f. (A 75.) 168
1638. Werkmeister, Geschworene und gemeine Meister des
Gewandmacher-Handwerks g. Krämer, Kaufleute und Tuch-
scherer. Accise auf ausländische, besonders Limburgische Tücher
und Kouleuren, sowie das Wirken, die Krimpung und das Netzen
dieser Tücher, prinzipielle Erörtemngen über die Bedeutung des
Aachener Tuchhandels bezw. der Tuchfabrikation. — Bürger-
meister und Rath. K.-G.- Akten, f. (A 1701 prior.) 1()9
1639. Prior und Konventualen canonicorum regularium
conventus s. Johannis Evangelistae g. Bürgeimeister und Rath.
St^imng im Besitze der Freiheit der geistlichen Güter von Lasten
und Abgaben und Verurtheilung zur Strafe des Privilegienbruchs.
(A 120.) 170
1641. Wilhelm von und zu Binsfeld in Köln g. Marien-
stift und Stadt A. Das ins coUectandi in der Herrschaft Weiler,
bezw. die behauptete Reichsimuuttelbarkeit dieser den Herren
zu Binsfeld gehörigen Herrschaft ^ (B 4307.) 171
1641. Christian Mers als Provisor des Beguinenhofs zu
St. Mathias g. Mutter und Konventualinnen des Gotteshauses
Marien thaF. Besitz von drei Morgen Wiesengrund bei A. —
Schötfenstuhl, f. (M 2341.) 172
1642. Bürgermeister uud Rath g. Äbtissin und Konven-
tualinnen des St. Klaraklosters zu Köln. Zahlung rückständiger
Pensionen und dieserhalb Arrestanlage auf Forderungen der K.
an Johann Punnis und A))raham und Nikolaus Meyer zu Köln.
— Rathsgericht der Stadt Köln, f. (A 76.) 173
1646. Johann Pelzer g. Richter und Schöffen des Schöffen-
stuhls zu A. und des Untergerichts zu Weiler ^ Exequirung
eines in Sachen des K. wider Christine am Zaun, Wittwe des
Peter Starz, ergangenen, angeblich rechtskräftig gewordenen
Erkenntnisses betreffend die Distraktiim der Zaunschen Erb-
sclmft zu Weiler. (P 1130.) 174
») Vgl. Nr. 177 und Anm. 3 zu Nr. 119.
2) Vgl. Nr. 20 und 38.
3) Vgl. Nr. 110, Anra. 3.
58 R. Goecke
1648. Werner Nutt, Goddert Fibus und Paul von Tlienen
g. Bürgermeister und ßath. Heimliclie Gesellschaft bei Pach-
tung der städtischen Malzaccise. — Bürgermeister und Kath.
(N 2302.) 175
1652. Dionysius von Mensen zu Tignee ^ g. die Äbtissin
des Klosters Ueberwasser zu Münster. Das Lehn Tignee bei
Lüttich durch den Lehnhof zu Münster wegen Weigenmg der
Investitur des Vasallen und jetzigen K. der V. und frühem K.
zugesprochen. (M 3502.) L. 176
1655. Wilhelm von und zu Binsfeld in Köln g. Bürger-
meister, Richter, Schöffen und Rath und Genossen. Reichs-
unmittelbarkeit der Heirschaft Weiler, von dem Schöffenstuhl
zu A. unbefugt vorgenommene Citation und Inhibition der
vom K. zu Weiler eingesetzten Schultheissen und Schöffen^.
(B 4308.) 177
1655. Schöffen und Gemeinde zu Schlenacken in der Graf-
schaft GronsfehH g. Richter und Schöffen des Schöffenstuhls zu
A. und Dietrich von der Couven zu Hees. Beschwerde über
gewaltsames Verfahren g. die Gemeinde Schlenacken, welche
eine Unterherrlichkeit des Grafen und General-Feldmarschalls
Jobst Maximilian^ zu Gronsfeld sei, worüber die V. sich die
Jurisdiktion anmassen. (S 3266.) 178
1656. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Pliilipi) Wilhelm
Pfalzgraf bei Rhein, Herzog zu Jülich, und Genossen. Anlegung
eines Weihers und Wasserstaues in dem Reichswald zur Etsch •'
und Aufführung von Dämmen um den erstem seitens der V. zum
^ohnwiederbringlichen Schaden und Nachtheil" der K. (A 89^) 179
1656. Wittwe Paul Lersch, geb. Meubach, g. Ruth zu A.
und Mathias Wilhelm Lersch zu Köln. Zurückgabe weg-
') Tip^üoe, Dorf, Kanton Fleron, Arrond. und Prov. Lüttich. Vj^l.
Loorsch in Hiia<?ens GoHchichtc Achens I, 8. 359, Nr. 93.
^) Vgl. Nr. 17 J.
^) Vgl. Loersch in Haagcns OeHchiehto Achens I, S. 359, Nr. 89,
S. 353, Nr. 40. Slcnaken, T>orf bei Maastricht, Trov, Limburg, Königreich der
Niederlande; llees, Porf, Arrond. Tongern, Prov. Limburg, Belgien.
*) Vgl. Qu ix, Schloss uud ehemalige Herrschaft Rimburg S. 34 f.
'') Vgl. Nr. 72 uud 92.
Aaeheuer Prozesse am Reicbskammergericbt. öl)
?:euommener Handelsbüclier, Rechnung'sablage weofcu gepflogener
Handelsgesellschaft, Abrechnung und Waarentheilung, Alimen-
tation >. (L 1376.) 180
1()57. Bürgermeister, Schötfen und Rath g. Philipp Wilhelm
Pfalzgraf bei Rhein, Herzog zu Jülich. Das von der Stadt
A. l)ehaui)tete Eigenthum an dem Reichswald, welcher nach
Behauptung des V. ausser der Laiulwehr des Reichs von A.
t^elcgen und „von undenklichen .Fahren hero** den Reichsleuten
und andern Schirmverwandten des Herzogs eigenthümlich zu-
irehörig sei. (A 8i)^) 181
1(557. Wittwe Paul Lerscli, geb. Meubach, g. Rath zu A.
und Franz Gillis zu Burtscheid. Kassation eines unstatthaften
Kxekuti(msverfahrens in einer in der Appellationsinstanz beim
K.-(i. anhcängig gewordenen Sache, Schuldforderung von 073
Thlr. betreffend^. (L 1377.) 182
IGoS. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Philipp Wilhelm
Pfalzgraf bei Rhein zu Düsseldorf. Anmassung der Jurisdiktion
?. den Stellvertreter des Jülichschen Meiers zu A. wegen ausser
seinem Amte begangener Frevel von Seiten des V. unter dem
Vorwand seiner Schirmherrschaft. (A 90.) 183
Hiol). Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Philipp Wilhelm
Pfalzgraf bei Rhein, Herzog zu Jülich. (4ericlitsbarkeit am
Kayhusch betreffeml und Landfriedensl)ruch durch die Fort-
fiihnmg einiger in der .,Kelmiskaul'' daselbst arbeitender Werk-
leute durch 150 Pfalz-Xeuburgische Soldaten nach Eschweiler.
(A Ui)\) 184
1651). J(diann Bock g. Bürgermeister, Schöffen und Rath,
^^'ie auch Kurgerichts-Assessoren. Ueber den K. verhängte hohe
Kautimi und schimpfliche (iefängnissstrafe wegen blosser Verbal-
injurien und verweigerte Zulassung von Zeugen. (B 4()1)5.) 185
IGGO. Bailei Altenbiesen des Deutschordens zu Altenbiesen
ir. Stadt A. Freiheit der Ordensangehörigen und Hofleute von
') \\-l. Nr. J82.
-) Virl. Nr. 180.
60 R. Goecke
Zahlung der Accise, Zurückgabe des den Hofleuten zu Verlauten-
heide und I)omnlers^\^nkel bei A. Abgepressten und Abgepfän-
deten. (T 979.) 186
1661. Abtei Korneliinünster g. ScliöfFennieister und Schöffen.
Unbefugte Anmassung der Gerichtsbarkeit g. K. und deren
Ihitertlianen zu Eilendorf. (C 1770.) 187
1661. Gottfried von Freisslieini, Obrist, g. Bürgermeister,
Schöffen und Rath. Verabsendung der Akten in Sachen des
(Terhard von Ottegraven g. den K. wegen Zahlung von 164
Thlr. aus dem Depositum des Franz Hamm an eine unparteiische
Juristenfakultät. (F 1094.) 188
1662. Bürgermeister, Scliöffen und Rath g. Bürgermeister
und Rath und sämmtliche Bediente und Faktoren des Komptoirs
Gürzenicli auf dem Kaufhaus zu Köln. Behauptung, dass die
den Aachener Bürgern gehörigen „Tücher, Stamete und Bayen**,
welche zu A. oder im Lande Limburg und Falkenburg gemacht
werden, auf der Kaufhalle in der Stadt Köln von der gewöhn-
lichen Abgabe, dem himdertsten Pfennig, vertragsmässig frei
seien, und Verletzung dadurch, dass der Magistrat zu Köln
die dort ausstehenden Aachener Kaufleute durch die Komptoir-
diener des Gürzenicli mit Pfändungen zur Entrichtung dieser
Abgabe gezwungen. (A 36.) 189
1662. Prior* und Konvent des Klosters Schwarzenbroich*
g. Bürgermeister, Schöffen und Rath. Zaiilung von 300 Tlilr.
aus Darlehn. (S 1763.) 190
1663. Franz Theodor von Hoen und zu Cartiiyls in Carthyls
bei A. g. Bürgermeister, Schöffen und Rath. Justizverweigerung
in Sachen g. von Weyler wegen Immunität des adeligen Hauses
und (Tutes zu Carthyls von Einquartierung und sonstigen Lasten.
{C 296.) 191
1663. Priorin ^ und Konventualinnen des Klosters Wenau
r. Bürgermeister, Schöffen und Rath. Zahlung mehrerer jähr-
<
') Nikolaus Jamin, v^l. Zeitschrift <los Aachener (Jcschichtsvereins IV, S. 9.
-) Schwarzeiibroich, Dorf, Bj^str. Echtz, Kr. Diiren.
3) Maria Richniunda von Streithagen (1«(;2 - I(J(>5); vgl. Bonn, Die
(Jeschichte des (ieiht- und Freiadlichen Klosters Wenau S. 120 und Zeitschrift
des Aachener Geschieht svereins IV, S. 2(>7, Z. 221.
Aachener Prozesse am Reichskaramergericht. (>1
lieber Renten, im Ganzen im Betrage von 140 Goldg. in der
vereinbarten Münzsorte. (W 1889.) 192
1664. Mathias Leyendecker g. Stadt A. Revision eines
Prozesses mit den AccisepäcUtern zu A. wegen eines angeblich
geschmuggelten Fässchens Indigo. (L 1589.) 193
1665. Henricus Campo g. Schöffenstuhl und den Kanonikus
Steinonius. Anmassung kaiserlicher Geri(^htsbarkeit durch den
Schöffenstuhl in Sachen Steinonius g. ( -ampo wegen 300 G. —
Schöffenstuhl. (0 145.) 194
1665. Lambeitus Lambert g. Schöffen und Ratli. Ein-
setzung in die dem K. durch Wahl zugefallene Rathsherrnwürde.
(L 106.) 195
1665. Karl von Münster g. Bürgermeister und ilath.
t>' ^'"'f^'
Promotorialien in Denunziationssaclien des K. wegen Verbreitung
eines g. ihn gerichteten Pas(iuills. (M 4635.) 196
1665. Albert Probst zu Burtscheid g. Ri(*hter und Schöffen.
Beschwerde über verzfigerte Rechtspflege in Saclien des K. wider
seinen Bruder Hans Willielm Probst und Peter Matheis betreffend
*lie Verlassenschaft des Johann Probst, bezw. eine dem K. auf
(irund eines Vergleichs cedirte Kaufgelder-Forderung von 300
Thir. (P 2269.) 197
1665. Die Gemeinden Würselen, Weiden und Haaren g.
Ant4in Stücker und Genossen. Protestation g. unbillige Steuer-
umlage und Rückgabe zu viel bezahlter Steuern. — Schöffenstuhl.
(W 5816.) 198
1666. Schöffenmeister und Schöffen g. Jülich-Bergische
Regieining zu Düsseldorf. Behauptung, dass K. das Appellations-
j^ericht über die Hen*schaft Dyck' seien, die V. aber dieses nicht
anerkennen wolle, indem sie der Requisiticm um Exekution • g.
den Grafen von Salm nicht Folge leiste. (A 95.) 199
1666. Henrica Raitz von Frenz, Äbtissin zu Burtscheid, g.
Bürgenneister und Rath. Verletzung des Vertrags von 1510 wegen
der Jurisdiktion, wonach bei Streitigkeiten zwischen Aachenern
*) Vgl. Loersch in Ilaagoiiß (Joschicbte Acbens l, S. 852, Nr. 24.
r,2 R. Goecke
und Burtsclieiderii der Gerichtsstand des ^Bekümmerten** mass-
gebend sein solP. (B 5686^) 200
1666. Dionysius von Mensen zu Tignee bei Lütticli g.
Scliöffenstuhl. Unzulässige Berufung in Kriminalsachen vom
Gericlit zu Tignee an den V. (M 3503.) L. 201
1667. Die Gemeinden Traben und Trarbach g. das Marien-
stift. Unrichtige Lieferung des jährlichen 2/3 Weinzehntens zu
Traben und Trarbach ^ — Gräflich Sponheimische Regierung zu
Birkenfeld. (T 215.) 202
1667. Peter von Thoir zu Köln g. Schöffenstuhl zu A.
und Gericlit zu Burtschcid. Exekution eines Urtheils g. Arnold
Polssen, Forderung von 900 Tlilr. betreffend. (T 1624.) 203
1670. Ludwig Mantz zu Haaren^ g. Schöffenstuhl. Ver-
stattung des Rechtsmittels der Revision in Sachen des K. g.
Wilhelm Schmidt wegen angeblicher Zerstörung einer dem Marien-
stift zu A. gehörigen Hecke. (M 909.) 204
«
1671. Schultheiss und Schöffen zuOphoven* und Genossen
g. Schöffenmeister und Schöffen und Genossen. Appellation g.
ein vom Schöffenstuhl erlassenes Erkenntniss, nach welchem die
Gemeinde Ophoven eine Strafe von 300 Goldg. zahlen soll.
[Näheres wegen Unvollständigkeit der Akten nicht zu ersehen.] —
Schöffenstuhl. (O 966.) 205
1672. Schöffenmeister und Schöffen von Burtscheid g.
Schöffenmeister und Schöffen. Störung der K. in Ausübung der
Kriminalgerichtsbarkeit durch die V., die sich als „Oberhaupt"
der erstem bezeichnen, anlässlich der öffentlichen Ausstellung
von Manns- und Weibspersonen am Pranger und des Auspeitschens
derselben in Burtscheid ^ (B 5695.) 206
*) Vgl. Qu ix, Hist.-topogr. Beschreibunpj der Stadt Burtscheid S. 148.
-) Beide Orte im Kr. Zell. Der Besitz des Stifts zu Traben wurde auf
eine Schenkunjj^ Ludwi<?s d. Fr. zurückgeführt; vgl. die zu Nr. 160 genannte
Urkunde Friedrichs II. Vgl. auch Nr. 296 und 334.
^) Haaren, Dorf, Ldkr. Aachen.
'*) Ophoven, Dorf, Bgstr. Merkstein, Ldkr. Aachen, zum Aachener Reich
gehörig.
^) Vgl. Scheins in der Zeitschrift des Aachener (lesehichtsvereins II,
S. 87 ff.
Aachener Prozesse am ReicUskammerjrericht. (V,\
r>'
1672. Gertrud, Wittwe des Balthasar Richter, g, Bürger-
meister, Schöifen und Rath. Erstattung des Kaufpreises dreier
zu A. belegener, der K. gehöriger Häuser (haus, lioflF und erf . .
gelegen in (.'ohier auserster Strassen . . , stalil hinter seinem
(des Balthasar Richter] luius die Wagh gnant in Colnerstrassen
beneben der Hurengasen und dem güldenen Kh)tz zur einer und
anderer seilen gelegen . . , haus, hoff und erf in ('olnerstrass
bey nalie st* Peters kircidu)ff negst Wernern Hall und Leonarden
(jerahrdt zu einer und anderer seilen), welche V. auf Anhalten
der Gläubiger der K. hatten öffentlich verkaufen lassen, sowie
des Kaufpreises der in derselben Art verkauften Jlobilieu der K.
(R 2037.) 207
1073. Richter und Urtheiler des Kurgerichts g. Schöffen-
stuhl. Behauptung der Jurisdiktion der K. in allen grössern
Kriminal- und Injuriensachen g. die Einwohner von A. und
Verletzung dadurch, dass der herzoglich Jülichsche Anwalt
mehrere Einwohner von A. wegen Verwundung bei dem Schöffen-
stuhl angeklagt und dieser sich für kompetent erachtet habe.
(A 19.) 208
1673. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Kurfürst
Maximilian Heinrich zu Köln und Propst, Dechant und Kapitel
des Marienstifts. Recht der K., zur Deckung des durch den
westfälischen Frieden festgesetzten Kontingents auch die im
Bann der Stadt A. belegenen, dem Stift gehörigen (iüter Paffen-
broich > und Hausen « zu besteuern. Verletzung durch ein auf
Antrag des Stifts vom Kui-fürsten hiergegen erlassenes Verbot.
(A 37.) 20»
1674. Balthasar Fibus g. Syndikus der Stadt. K. als
Pfandinhaber des kleinen Bades^ zu A. soll dessen abgebranntes
Dachwerk auf eigene Kosten wiederherstellen und einen dabei
befindlich gewesenen Stall nicht wiederaufl)auen. — Schöffenstuhl.
(F 1260.) 210
») Paffenbroich, Ilof, Bgstr. Laurensberg, r^<lk»*. Aachen.
0 Hausen, Landgut, Bi^str. Laurensberj?, Ldkr. Aachen.
') Vgl. Noppius, Aacher Chroniek (H5'^t2) Th. I, S. 106 a. E. und 107;
Blond el, Thermao Aquistrranonst >s p. 89 (diuitsche Ausi?. lOHS, S. 71).
G4 R. Goeoke
1674. fFakob Wiuand ff. Bürgermeister und Rath. Aus-
weisung des K. aus der Stadt A. und demselben angekündigter
lOOjähriger Bann. (W 3760.) 211
1676. Die Meister der Fleisclilmuerzunft g. den Schöff'en-
stuhl. K. hatten den Fleischhauer Starz wegen Verdachts des
Verkaufs verdorbenen Fleisches aus der Zunft ausgeschlossen,
dieser dagegen an den verklagten Schöifenstuhl appellirt; K.
behaupten aber, dass nicht dieser, sondern der Ilath kompetent
sei und verlangen Zulassung der Revision. (A 153.) 212
1676. Gottfried und Katharina von Wachtendonk g. Richter
und Schöffen. Justizverweigerung durch NichtVollstreckung eines
g. die Erben des Arnold von Wachtendonk auf Zahlung von
475 Thlr. lautenden und rechtskräftig gewordenen Erkenntnisses.
(W 31.) 213
1676. Isabella Margaretha Franziska von Westerloe und
(Tenossen zu Stein^ g. Simon v(m Kampen und den Schöffenstuhl.
Eingriffe in die Jurisdiktion über die Herrlichkeit Stein durch
einen beim Schöffenstuhl über den Nachlass eines von Kamp
anhängig gemachten Prozesses. — Schöffenstuhl. (W 2397.) 214
1677. Johann Hunold g. die Predigerherren. Anfechtung
der letztwilligen Vei-ordnungen der Sibille und Marie Hunohl
und Herausgabe deren Verlassenschaft. — Schöffenstuhl, f.
(H 6307.) 215
1679. Die Velpeelerzunft g. Bürgermeister, Schöffen und
Rath. Vollstreckung der polizeilichen Verordnung, wonach den
Velpeelern allein das Recht zusteht, das vcm ihnen bereitete
ziemische (oder semische) Leder im offenen Laden zu verkaufen,
die Krämer aber hierzu nicht berechtigt sind. (A 154.) 216
1679/1 680 2. Gebrüder Abraham und Isaak Roemer g. Schöffen
zu A. und Eberhard Dütgens Erben zu Frankfurt und Nürn-
berg als Kreditcu'en der Erben. Vollziehung eines von dem
Schöffenstuhl zu A. mit den mitverklagten Erben Dütgen
*) V^l. Loersch in Ilaa^rons Geschichte Achcns I, S. H^O, Nr. 92.
^) Es hainlelt sieh hier um zwei Prozesse mit den nämlichen Kh'ii^ern
und gleicliem (legenstand; nur die J5eklag:ten erscheinen in dem einen in
anderer Eitrenschaft, als Kreditoren der Khii^er.
Aacbener Prozesse am Reichskammergericht. 65
abgeschlossenen Vergleichs über Nachlass der Forderung der
letztern an K., welche in der Lage sind, mit allen ihren
Kreditoren zu liquidiren. (R 2983, 2984.) 217
1680. Marie, Wilhelm und Otto von dem Bongard für Lam-
bert (Lomm) Olyschlager zu Bergerhausen g. Wittwe des Arnold
Waldbott von Bassenheim und Schöflfenstulü. Aufhebung der Ge-
fangenhaltung des Bongardschen Unterthanen Lomm Olyschlager,
welche über denselben verhängt wurde zur Erzwingung einer
Geldstrafe von 300 Goldg. wegen Ungehorsams g. den Spruch
des Schöffenstuhls in Sachen der K. g. Johann Knibb, Erbpachts-
forderung betreffend. (B 5169.) 218
1680. Schöffenmeister und Schöffen zu Burtscheid g. Schöffen-
meister und Schöffen. Verfügungen wegen Gewicht, Elle und
Mass. — Schöffenstulil, f. (B 5696.) 219
1680. Die Gemeinden Würselen, Weiden und Haaren g.
Pfalzgraf bei Rhein und Stadt A. Waldeigenthum, Holzhieb
und Holz verkauf. — Pfalzgraf bei Rhein und Schöffenstuhl.
(W 5817.) 220
1681 und 1776. Äbtissin zu Burtscheid als Erbvogtin,
Schöffen und Gemeinde von Burtscheid g. Bürgermeister und
Rath. Kontributionsbeiträge zur Türkensteuer, von der Stadt
A. angemasste Eintreibung in Burtscheid und gewaltthätigcr
Ueberfall des Dorfes K (B 5687.) 221
1682. Peter Carlier g. Bürgermeister, Schöffen und Rath.
Justizverweigerung in der Lijuriensache des Bürgermeisters
Schorr (wohl Schörer) g. K. (C 263.) 222
1683. Bürgermeister, Schöffen und Rath g. Johann Wilhelm
Pfalzgraf bei Rhein, Herzog zu Jülich. Jurisdiktionsstreitig-
keiten über die im Bezirk und der Botmässigkeit der Stadt A.
gelegenen sog. Hof- und Forstgüter, sowie den K. eigenthümlich
gehörige Galmei- und Erzgruben, von dem V. dieserhalb vor-
genommene Sequestrationen, speziell zu Düsseldorf beschlag-
nahmte Tücher, Wollengewand und Bombasinen von Aachener
Handelsleuten, welches Vorgehen als „Totaldestridction der
Reichsharmonie " seitens des K.-G. bezeichnet wird. (A 90*.) 223
») Vgl. Nr. 98.
GÖ R. Goecke
1686. Bürgermeister und Rath und Kornelius Weissenburg
g. Johann Hütten und Genossen zu Burtsclieid. Anrufung der
Jurisdiktion des herzoglich Jülichschen Vogts und Majorie-
Statthalters seitens des Hütten wegen eines Arrestes. — Her-
zoglich Jüliclisclier Rath und Major, bezw. Schöffen stuhl, f.
(A 91.) 224
1688. Bürgermeister und Rath g. Karl Lothar von Bongard \
Herr des Ländleins zur Heiden, in Haus zur Heide und Schöffen in
Forsterheide. Diffamationsklage, weil V. von Bongard sich berühmt,
die im Reich von A. belegene gemeine Heide, das Lauterbüschchen,
welclie des Raths Bauerschaft zu Laurensberg und Vetscliau^
mit einigen Unterthanen des Ländleins zur Heiden gemeinschaft-
lich beweiden, als sein Eigenthum verkaufen zu dürfen. (A 59.) 225
1693. Bürgermeister und Rath g. Schöffenstuhl und die
übrigen Gläubiger des Nellis Thönis in St. Jobs^ Präferenz
der Stadt A. wegen ilirer Forderung für Dienste und Abgaben
vor den übrigen Gläubigem des Thönis aus dessen subhastirtcm
Haus, Hof und Erbe zu St. Jobs im städtischen Territorium,
das dem Servaz de Rossay adjudizirt worden, und unbefugte
Anmassung der Jurisdiktion seitens des Schöffenstuhls. —
Schöffenstuhl, f. (A 20.) ^ 226
1693. Bürgermeister und Ratli, sowie Bürgermeister und
Assessoren des Kurgerichts g. Schöffenmeister und Schöffen, wie
auch Vögte und Major. Störung des Kurgerichts in Ausübung
der Kriminaljurisdiktion durch Anbringung der Anklage vor
dem Schöffenstuhl. Behauptung der K., dass „von den prozessen
und urtheilen, so alm den gedachten churgericht in sachen todt-
schläg, frevel, Scheltwort und andere dergleichen malefizhändel
berührend ergehen", an kein anderes Gericht appellirt werden
könne. (A 21.) 227
1693. Bürgermeister und Rath und Bürgermeister Wilhelm
Adolf von Eyss genannt Beussdall g. Dionys König. Ungültig-
*) Vgl. Michel in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins V, S. 255.
*) Die Vorlage hat Untschen und an anderer Stelle Vntschaw. Aehnlicher
Les- oder Schreibfehler finden sich in den Akten des Reichskammergerichts
gar manche.
^) St. Jobs, Dorf, Bgstr. Weiden, Ldkr. Aachen.
keit einer SubluistatiiHK weil eine utnie (»evsoluihoil aii^eiu»miuon
und cv«r^n kiinir*Mnb's trold verkamt uiul dem V. udiudi/irt
wonleo- — .-N'IiöttVusruIiL f. lA Ts.) •>->K
1^>1*8. iHM'hant und Kapitel lies Murieustirts i;^. kurptal/iNche
Hofkammer zu l>n>:><4<l)rt'. Weiireruuii: der Hv>lkauuuer, IViuei*
dem Kapitel jälirlieh 20 Malter Hafer aw liefern, uud \ erlahjjeu,
dennoch von dessen Zehutliof iu l>urei» jahrlieh UKH> UaiiM'lieii
Stroh zu beziehen'. — Reskript der Hi»t*kauuuer zu Uü^Mddi»rt.
(A 101.) iiV^
1693. Korn- und I^rodiuarktuu'ister .lohanu Kreim^' und
Genossen g. SchötttMimeister und SchidliMi uiul hi^r/u^^lieh .liilirh-
schen Anwalt Bernhard Hausmann. rnheruK''te jieMrhhiKii'tljnH^
von durch die K. ein^''el)rachtem Korn, HehauptunK (h*i's»'lhen.
dass sie selbst in erster Instanz in suhdien KaUen die Ko^muiImu
hätten und die zweite Instanz nicht vor den <lt*rirhlen, NHuhiu
vor dem Rath sei. — SchöHcnstuhl, (A 10.1.) tMt
1693. Greve und Meister d<'S j'o^ann'nl wiiker-Handwork;^
und deren Zunftdiener od<*r L<'ufkn<'<lit * |/, lar/of/ljrlj Jn)i<Ji-
schen Anwalt. Vu^H^fiiirUt Ji^xhla^nülim«' von /wtj Siii(k«'Ji
Posament auf der Sandkaul, die Mu<ke ^^liifit-n dun Gjojmi.-
schild und Müller, wehia- si<'h tl'^li in di«- /unft *ih^^< i*j i tt
haben; Einrede, dass ni«ljt das G«*ii<Jjt. i^nAi-ni uay <l< r J^iii
k(>rai>etent sei. -- Scli<;li'(Mi>iiilj!. i\ l,ij.) ZU
1693. Bürirt^nneislJ'j- ^ tiiid Kh'^h tU-f -^^.''t lnn*u */. I;* <'La,it
und Kajatel d^-N MaritMi.-^Titi.-. J-n^i^tn dt.* /n.i.'i.Mt, de i \.
iu Düren v«m Jjill<*ttinii.;r njidjM.ÜMi. Pi». ii,. ':...-'iij, J.ii.ci.
Be^iri^<'lle K<*;ri<Tun;: zu \ni -^»-Ki ,!■♦. ([j 2*f't,j yy/
Ki^H. IÜU';_'<M-nit'i--ti'r nur J;,tM «i« » >^'..jo >A\/.,y '/ >!-.iiMi
Stift. Ersatz d«'f von dcit /n >,!•/.;' » ii,'|...,i m -• i- . '.«J-im,i ni
S V*:!. Nr. 'Z'i^'l.
dipionuita I |. ]'l^. ij 41^. '> f '.jj • . I ' w* .. . ' y * '.» .
still KiHM'f LoUju' (lut- 1 I !i \>.. j' .'..1...' . > i' ii I < ,■ «j j(l
66 U. Goecke
Beschlag genommenen Zelmtfrüchte des Marienstifts. — Eegiening
zu Düsseldorf, f. (S 6810.) 233
1693. Johann Rottkranz und Bürgermeister und Eatli g.
SehöflFenmeister und Schöffen und Genossen. Betreifend die
Frage, ob Injurien vor dem Kur- oder dem Schöffengericlit
auszutragen sind. — Schöffenstuhl. (R 3980.) 234
1694. Rector collegii societatis Jesu g. Wittwe und Kinder
des Jakob de Witte. Herausgabe des mütterliclien Erbtlieils des
Paters Petnis de Witte ex cessione des letztern. (A 130.) 2^i5
1696. Rektor der Jesuiten g. kurfürstlicli pfalzische
Regierung zu Düsseldorf. Justizverweigerung in Saclien des
Jesuitenklosters als Inliabers der Kapelle s. Servatii g. von
Mulstrohe zu Neuhoff wegen Entrichtung der von den Gebrüdern
von Kinzweiler gestifteten jährlichen Rente von 22 Müdden
Roggen und ebensoviel Hafer ^ (A 131.) 236
1697. Dechant und Kapitel des Marienstifts g. Johann
Wilhelm Pfalzgraf bei Rhein als Herzog zu Jülich in Düssel-
dorf. Befehl des V. d. d. Düsseldorf, den 27. September 1696
an den Schultheiss zu Montjoie, die Güter des Stifts im Amt
Montjoie zu den Steuern heranzuziehen. (A 104.) 237
1697. Greve und Zunftmeister der Krämerzunft im Interesse
ihres Zunftgenossen Jakob Gyott g. Buchhändler Arnold Metter-
nich. V. hatte die erste Buchhandlung und Druckerei von Köbi
nach A. 1691 unter der Bedingung verlegt, dass kein anderer
Buchhändler sich dort etabliren dürfe und nur der Krämerzunft
freistehe. Gebet- und andere kleine Bücher zu verkaufen. Dem
Jakob Gyott aus Souchier ^ war aber bei seinem Rücktritt zum
Katholizismus 1694 das Bürgerrecht und der Handel mit fran-
zösischen Büchern verliehen, wogegen V. sich beschwerte. K.
halten ihren Anspruch aufrecht. — Schöffenstuhl. (A 142.) 238
1697. Werkmeister und Geschworene des Wöllnerambachts
g. Bürgermeister, Schöffen und Rath. Störung der K. im Besitz
des Rechts, in erster Instanz selbst über Handwerkssacheu und
0 ^gl' Quix, Hist.-topog^r. Beschreibung der Stadt Aachen S. 93.
') Etwa Souchez, Arrondissement Arras, Dept. Pas de Calais.
Aachener Prozesse am Reichskammergericht. 69
besonders über Konfiskation der eingelienden fi^emden Hüte zu
erkennen. (A 157.) 239
1698. Bürgermeister und ßath g. Dechant und Kapitel
des Marienstifts. Diflfamationsklage, weil V. bei dem päpstlichen
Nuntius in Köln sich darüber beschwert hatten, dass K. ohne
ihre Mitwirkung ein Dank- und Freudenfest wegen des Friedens-
schlusses von Ryswick (1697), namentlich einen Gottesdienst in
der 1413 zu Ehren der Apostel Philipp und Jakob consekrirten
Kapelle des königlichen Saals des Rathhauses hatten anordnen
und in dem vorherigen Kriege die Häuser der Kapitulare mit
Einquartienmg belegen lassen*. (A 39.) 240
1698. Nikolaus Michels g. Schöflfenstuhl. Verweigerung
der Aufnahme eines Inventars und Theilung des Nachlasses des
ohne Testament verstorbenen Jakob Freund. (M 2721.) 241
1698. Gemeinden bezw. Quartiere Würselen, Weiden und
Haaren g. Rath. Freie Verfügung über den Reichswald auf
dem Echer und Schweinetrift daselbst. (W 5818.) 242
1699. Gerhard Henrich g. Leonhard Hees und den fiskali-
schen Anwalt. Konfiskation von ZAvei unter fremden Namen
und Umgehung der Accise eingeführten Fässern Oel. — Bürger-
meister und Rath. (H 3200.) 243
1700. Bürgermeister und Rath g. Karl Lothar von Bongart,
modo dessen Wittwe und P>ben in Heiden. Mandat zur Reassum-
tion des Prozesses wegen des Lauterbuschs und zur Redinte-
gration der Akten. (A 60.) 244
1 700. Wittwe Tilmann vcm Nickel ^ g. Bürgermeister und
Bath. Exekution eines vom Offizial zu Köln in Sachen der K.
^. Johann Wilhelm von Fürth ^ erlassenen Pirkenntnisses betreff*end
Zahlung von 3309 Rthh-. (N 1185.) 245
1702. Der Fiskal des Sendgerichts g. Laml)ert von der
Horcht, Gertrud von Weyhe und Maria Biülenmeyer. Anklage
•) Vgl. ifeyer a. a. 0. I, S. 679 if.; Haagcn, Geschichte Achena
II, 8. 303 f.; Laurent, Aachener Stadtrechnungen S. 44.
») Vgl. von Fürth a. a. 0. 11, 2, S. 168.
3) Vgl. von Fürth a. a. 0. II, 2, S. 171 ff. und 199 U
70 R. Goecke
auf Ehebruch und öffentliclien Skandal bei dem Sendg-ericht,
Verurtheihing der V. in contumaciam und unbefugte Appellation
derselben an den päpstlichen Nuntius, während Appellation gar
nicht zulässig ist. (A 79.) 240
1702. Greve und Meister der Krämerzunft g. Greve und
Meister der Pelzerzunft. Eigenmacht der V., welche das
Haus des Krämers Trens gestürmt und demselben für 30 bis
40 Thlr. ausländisch gemachte Muffen abgenommen haben; K.
behaupten, dass der Verkauf dieser, sowie alles Handbindwerks
ihnen gebühre. — Schöffenstuhl. (A 143.) 247
1702. Maximilian Ernst Blondel g. Kurgericht. Misshand-
lungen und Injurien, Avelche dem K. in einem Prozess mit dem
Kanonikus Boramerschem zur Last gelegt Avorden Avaren. Das
Kurgericht bestreitet die Zulässigkeit der Appellation an das
K.-G. (B 5796.) 248
1703. Hans Wilhelm Breuer (wahrscheinlich zu A.) g.
Bürgermeister und Eath und von Witschel, Herrn zur Seurs und
StraysH. Ersatz einiger Ruthen Lands,^ welche . angeblich von
der „uralten Familie deren von Schwartzenberg^ herstammend dem
K. vom Herrn von Witschel entzogen sein sollen \ (B 3960.) 249
1703. Lambert von der Borcht g. Bürgermeister und Kath
und (lienossen. Schuldforderimg von bezw. 1000 und 400 Thlr.
an die Stadt A. und darüber vor dem Sendgericht und der päpst-
lichen Nuntiatur zu Köln entstandene „schwere Streithändel".
(B 5342.) 250
1703. Jakob Moos, Forstmeister, g. die Baumeister der
Stadt A. und Balthasar Kraft und Genossen. Verpflichtung des
K., die Forststrafgelder der benachbarten Limburgischen l^nter-
tlianen an den regierenden Bürgermeister abzuliefern. — Kleiner
Eath, f. (M 3581.) 251
1712. Dechant imd Kapitel des Marienstifts g. Kanzler
und Räthe des geheimen Raths zu Lüttich. Ausführung des
Urtheils des Lütticher Offizials, welches den Einwohnern der
^) Vgl. .Toll. Ulrich Frhr. von Gramer, Wctzlarischc Nohonstunden
LXXX, S. 8'J rt*. über diesen Rechtsstreit; die hier mitj^etheilte Sentenz erging
am 17. Juli 1741)1
Aachener Prozesse ain Reichskammerirericht. 71
Gemeinde Fleron ewiges Stillschweigen auferlegt bezüglich
aller Einreden gegon die Erhebung der Zehnten durch die K.
iii dieser Gemeindet (A 173.) L. 252
1712. Johann Heinrich von Märken zu Gierath* g. Priorin
und Konventualinnen des Klosters Marienthal. Annahme eines
Darlehns von 1500 Thlr. in den vertragsmässigen Münzsorten. —
Schöffenstuhl. (M 2230.) 253
1712. Frau Juliane von Reckheim, Gräfin zur Linden und
Reckheim, zu Reckheim g. Schöffenmeister und Schöffen. Land-
friedensbruch verübt durch Einfall mit bewaffneter Macht in
das Städtchen Reckheim, Gefangennehmung Reckheimischer
Ilnterthanen und eines Reckheimischen Rentmeisters ^ (R962.) 254
1713. Reinhard von Imber g. Stadt. Aufhebung einer
Geldstrafe von 200 G. wegen Anschuldigung einer Malzdefrau-
dation. (I 313.) 255
1713. Mathias Plum g. Schöffenmeister und Schöffen.
Aufhebung eines auf das Vermögen des K. zu Gimsten des
Kaufmanns Nikolaus Mohr und dessen spätem Successors in thoro,
Advokat Firnschatz, Avegen einer Schuldforderung von 3000 Rthlr.
angelegten Arrestes. (P 2373.) 256
1715. Greve und Meister des Pelzerambachls g. Bürger-
meister und Rath. Mandat auf Vollstreckung des von den V.
g. die Krämerzunft erlassenen Dekrets über Verkauf von Pelz-,
Bunt- und Futterwerk. (A 158.) 257
1716. Frau Albertine Elisabeth, geb. Fürstin zu Waldeck,
vermählte Gräfin zu Erbach, g. Bürgermeister, Schöffen und
Rath. Schutz g. Eingi^iffe in die Jurisdiktion über die Herr-
schaft Eyss^ (W 326.) 258
') Vgl. Nr. 147.
*) Gierath, Bgstr. Bcdburdyk, Kr. Grevenbroich, lieber die Familie
von Märken vgl. Giersberg, Geschichte der Pfarreien des Dekanates (ireven-
broich S. 127.
3) Vgl. Nr. 145.
*) Eyss, Weiler, Gemeinde Wittern, Arrond. Maastricht, Prov. Limburg,
Königreich der Niederlande. Vgl. Loerseh in Haagens Geschichte Achcns I,
S. 333, Nr. 31 ; Qu ix, Die Königliche Kapelle auf dem Salvators-Berge 8. 35.
72 R. Goecke
1717. Christian Eademacher g. Bürgermeister und Buth.
K. hatte im Mai 1716 eine Geschäftsreise nach Lüttich gemacht
und auf der Rückfahrt nach A. einen Landsmann Adolph Kolil
mit in seinen Wagen genommen, ihn entführt und gefangen
setzen lassen. K. wurde deshalb ohne Untersuchung auf 5 — 6
Wochen in Haft gehalten, wodurch er an 3000 Thlr. Schaden
erlitten haben will; er behauptet ausserdem, Bürgermeister und
Rath hätten dies nur gethan, „damit dieselben üir vorgehabtes
Dessein bei der obhandenen Rathswahl desto besser fortsetzen
möchten ^ (R 64.) 259
1718. Priorin und Konvent des Klosters Marienthal g.
Bürgermeister und Rath. Das Kloster liess einen neuen Orgel-
kasten von einem auswärtigen Meister verfertigen; auf Antrag
der Schreinerzunft bestrafte der Magistrat den Meister mit Geld
und Arrest. Aufhebung des letztern wird beantragt ^ (A 108.) 260
1719. Priorin und Konvent des Klosters Marienthal und
Johann Jakob Brammertz, Orgelbauer, g. Schreinerzunft, Bürger-
meister und Rath. Bestrafung des auswärtigen Orgelbauers
(Wohnort nicht angegeben) mit 3 G. und Personalarrest auf
Antrag der Schreinerzunft, weil er im Kloster Marienthal ohne
deren Erlaubniss eine Orgel verfertigtet — Schöffenstuhl.
(A 109.) 261
1719. Bernhard Hausmann, vereidigter Prokurator des
Schöffenstuhls, g. die Alexianer oder Zelleiibrüder. Wasserlauf
in zwei Lohehäusern, welche neben dem Kloster der Zellenbrüder
liegen. Das Wasser rührt von dem Bache „vulgo die Paw
genannt" her, das in Röhren gefasst von der Rospforte auf
die Kapitels-Immunität des Marienstifts geführt wird. (H 2179^,
bezw. 176.) 262
1719. Jakob Nacke und Michael de Broe g. Schöffenstuhl
und Tilmann Collen. Vollstreckung eines Erkenntnisses g. den
Mitverklagten durch Verkauf seiner Häuser (Tilmans Colen
') Vgl. Nr. 2(51.
'"') Vgl. Xr. 260.
Aachener Prozesse am Reichskammenrerieht. 7H
r»'
häusere, zum newen Keller* sowohl als auch das neben tleu
Steni ligendes haus wie dan die Spill und das haus (hibeneluMi
in Cöllnerstrass ligend). (X 18.) 2(W
1720. Low Isaak Auerbach, Jude, zu Mainz g. Stadt A.
Verweigerung der Rechtsliülfe in Saclien des K. g. Wilhehu
Feubus zu A. wegen einer Wechselschuld von IWM Thlr.
(I 1676.) 2M
1721. Greve und Baumeister der Krämerzunft g. das llut-
macherambacht. Verbot an die Krämer, keine Hüte, w(*Iche
unter 24 G. werth sind, bei Strafe der Konfiskation in die Stadt
zu bringen. — Bürgermeister imd Ratli, f. (A 144.) 205
1721. Leonhard Frosch und Scliöffenstuhl g. BürgenneistiM'
und Rath. Unbefugter Eingriff des Mühleuambachts in die
Jurisdiktion des Schöffenstuhls durch Nicht^iditung eines von
letzterra in Sachen des Frosch g. Offermann, modo Duniont wegen
Zahlung des Kaufpreises für Wolle erlassenen KrkenntnisseH.
(F 1964.) 2(MJ
1721. Leonhard Wachten g. Accisbeamte der Stndt iiihI
Genossen. Streitigkeiten über Verpflichtung des K. zur Znhluiig
von Steuern für verzapftes Bier. — Scliöffenstuhl, f. (W 2'».) 2(17
1721. Generalmajor von Welser zu Minden g. ScIiöffi'iiHluhl.
Durch das K.-G. angeordnete Sequestration von vi(*rzehn Tniu
Chaisen des Portechaisen-Besitzers I)rie>icn wegen ^HrhiiiMlIi« In^r**
Uebertretung des ihm vorgeschriebenen li^'gleirMMitH. Der Srhödrii
stuhl hatte zu-Gunsten des Driesen erkannte (VV IHIHJ H\H
1721. Generalmajor von Wels^T zu Minden jr, S( lio(i'<*iirl(ihl,
Aufhebung eines auf die zu A. zurü<kir<'la>«'ii«'n Klb'ki^n d« -*
K. gelegten Arrestes und Zahlung d<^ VV^Tth«» iUr \^'^\iii^i'\^'u
Sachen». (W 1819.) 2(M)
*) Die.-^cs Haus, am Markt i£*-h"^* a, mit * ,'.ut /,¥>* Unt Kik/jhv j>» <)< r
Kölnstrassc, ist zeitweilig das lU-xitjau- *i* r \>';,*:r, ' t.' ti h* nr ttt'U /- v/' •- 1.
vgl. Hansen, Beiträge zur OeschiWit*' \'fU S^rwu i ** 'M.
*) Vgl. Schollen in der Zeit»*/:brift 'J*-» Aa',v .','f '/* ^ hj' f.'^N'rf ;.' * />-
S. 20(i, Aura. 1. S. auch Nr. 2Gy.
3) Vgl. Nr. 20H.
74 R. Goecke
1722. Äbtissin und Konvent des Klosters Marienthal pr.
Simon Maguin. Störung im Besitz des Bächleins im Vorhof
des Klosters, Mathis-Hof genannt \ durch Errichtung einer Mauer
von Seiten des benachbarten V., deshalb noyi operis nuntiatio. —
Schöffenstuhl. (A 110.) 270
1722. Greve und Baumeister der Krämerzunft g. Zunft-
meister und Vorsteher des Schneiderambachts. Verlangen, dass
die Taschen ohne Schlösser von den Schneidern, die nut Schlössern
von den Krämern privative verkauft werden müssen. — Kleiner
Rath, f. (A 145.) 271
1724. Die Nachbaren auf dem Komphausbad g. Jakob von
der Gracht und Winand Koch, l'nbefugte Aidage eines neuen
Kupferofens in der Nähe der warmen Fontäne, wodurch für
die Nachbaren Feuersgefahr und Unbequemlichkeit ensteht. —
Bürgermeister und ßath, f. (A 159.) 272
1726. Graf d'Alpozzo und dessen Gemahlin, geb. Gräfin
von Khevenhiller, zu Florenz g. Klaudius Parisan und Gebrüder
Peter und Joseph Meuffardt in Frankreich, auch den Schölfen-
stulil. Aufhebung eines auf Antrag der mitverklagten Dienst-
boten vom Schötfenstuhl wegen rückständigen Lohns auf die
Personen und die Mobilien der in A. das Bad brauchenden K.
angelegten AiTestes und Satisfaktion dieserhalb. (A 658.) 273
1727. (xreve und Vorsteher der Chirurgenkunst und
Chimrgenzunft g. die Mitmeister der Chirurgie Andreas Malherbe,
J. P. Klunken und Genossen. Bestätigung der V. als neu
gewählte Greven und Baumeister der Chirurgenzunft. Ueber-
gabe des Handwerksschranks u. s. w. — Bürgermeister und
Rath, f. (A 160.) 274
1727. Graf Friedrich von Eynatten zu Harzee g. das
Karmelitessenkloster. Befreiung des klägerischen Guts ^zum
grossen Stück*** von der Hypothek für die dem Kloster durch
Fräulein Barbara Josephine von Eynatten zu Obsinnich legirte
jährliche Rente von 50 Thlr. durch Zahlung eines Kapitals von
1000 Tlür. — Schöflfenstuhl, f. (E 878.) 273
*) Vfrl Anm. 5 zu Nr. 20.
'') Vgl. Haagen in der Zeitschrift des Aachener Uescbichtsvereiius I, 8. 43.
Aachener Prozesse am ReicliHkaramertrericht. 75
o
1729. Wittwe von Bounam zu Eyckholt g. Schöffeiistulil
und Wittwe von Oostenryck. Kriminalgerichtsbarkeit in der
Herrschaft Ryckholt K — Schöfi'enstuhl. (B 5667.) L. 276
1720. Johann Pütz und Genossen g. Bäckerzunft. Recht,
S(*liwarz- und Weissbrod zum feilen Verkauf zu backen, —
Bürgermeister und Rath, f. (P 2532.) 277
1730. Laurentius Trichard, Dr. med., zu Erlangen g.
ilagistrat. Grenugthuung und Schadensersatz von 20000 G. für
eine über den K. frivoler Weise verhängte Untersuchung wegen
Falschmünzerei. (T 1325.) 278
1731. Konvent der Franziskaner der strengern Observanz
pr. Andreas Ludwig, modo dessen Wittwe und Erben. Vindi-
kation der zu den Häusern, Schloss und Waag genannt, gehörigen
(härten V(m Seiten des V. als Besitzers dieser Häuser g. die
K., welche die Gärten ihrem Orden und dem Aachenschen Edikt
zuwider an sich gebracht. Appellation der K. ^ — ' Schöffen-
stuhl. (A 126.) 279
1731. Die Bierbrauer im Reich von A. g. die Bierbrauer
der Stadt und Bürgermeister und Rath. Schutz der K. im
Besitze der Lieferung des sog. Reichsbiers, d. h. Lieferung von
sechs Bauschen-Bier zum Verzapfen im ganzen Reich von
A. bis an die Stadtpforte, und Rückgabe des gewaltsam abge-
nommenen Biers nebst Fässern. (A 146.) 280
1732. Bürgermeister und Rath g. Johann Krahne imd
Bartholomäus Hassen zu A. und Johann Hansen zu Jülich.
Zahlung eines von Leonhard Krahne, dem Erblasser der V.,
tlen K. gegebenen Darlehns von 498 Thlr. Einrede der Tilgung
durch Abrechnung. — Schöffenstuhl. (A 30.) 281
1732. Freiherr von Lamberts zu C'ortenbach als syndicus
aiM)stolicus der Franziskaner Minderbrüder strengerer Observanz
g. Wittwe und Erben des Andreas Ludwigs. Novi operis
*) Ryckh(»lt, Dorf, Prov. Liniburf^, Königreich der Niederlande. Vgl.
Luersch in Haagens (Jesclnohte Achens I, Ö. 858, Nr. 81; de Corswarem,
Memoire historique sur les auciennes limites et circouscriptions de la province
de Limbourg p. 102.
') Vgl. Nr. 282. Ein Haus zur Wage wird schon 1296 genannt; vgl.
Z*'ili<chritt des Aach. Ge.>?chichtsvcreins 1, 8. 15:{, Nr. 11.
76 R. Goecke
nuntiatiü von Seiten der K. g-. die V. bei Anlage eines Kellers
nnter der Einfahrt ihres Hauses, „zum Schloss** genannt, weil
diese Einfahrt den K. gehöret — Schöffenstuhl. (A 127.) 282
1732. Johann Gottfried von Blanche, Herr zu Schönau,
g. Schöffenstuhl. Gefangennahme des K. in A. auf einer Eeise
nach Lüttich auf Anstehen des Bürgers Aegidius Mostard daselbst
wegen angeblicher Forderung. (B 1167.) 283
1733. Johann Coelinen, geschworene arme Partei, g.
Schneiderzunft, in specie Peter Hungers und Genossen. Mandat
an Bürgermeister und Schöffen behufs Administration prompter
Justiz und Vollstreckung des Erkenntnisses in einer Forderungs-
sache des K. g. V. — Schöffenstuhl. (C 1061.) 284
1733. J. Heinrich Hupgen, Kaufmann, g. Christian Gast
und Genossen, Scherermeister. Einsprache g. die Aufnahme des
K. in die Schererzunft. — Schöffenstuhl, f. (H 6370.) 285
1734. Theodor von Bodden zu A., Besitzer der immittel-
baren Reichsherrschaft Weiler, g. Schöffenstuhl. Jurisdiktion
in der Herrschaft Weiler (Wylre), bezw. Mandat des Kaisers,
K. in dem ihm kompetirenden iuris ressortus nicht zu stören^.
(B 4772.) 286
1734. Christian Heiendal und Christian Pleuniss g. Bürger-
meister und Eath. Ungerechte Anschuldigung und Untersuchung
g. den Kreis-Kompagnie-Hauptmann Heiendal und den Soldaten
Pleuniss wegen Tödtung des Lieutenants Taw, und Wiederein-
setzung der K. in Stand und Würden. (H 2568.) 287
1734. Antoinette von Vöt und Genossen, Erben von Vöt,
g. Bürgermeister und Rath. Drei jährlich zu zahleiule Erb-
renten von 40, 25 und 50 Goldg. (V 901.) 288
1 735. Johann Kaspar Deltour, Kaufmann, g. Schöffenmeister
und Schöffen. Vollstreckung des Erkenntnisses in Sachen des
K. g. den Advokaten Plum wegen Erstattung von 2585 Thlr.
Vorschüsse. (D 566.) 289
») Vgl. Nr. 279.
^) Uebor Weiler vgl. Anm. 3 zu Nr. 119, über die Familie von Bodden s.
von Fürth a. a. 0. II, 2, S. 213 ff.
Aachener Prozej<se am Reichskammergericht. 77
1735. Schlebuscli, kurpfälzischer Hofrath, vormaliger Lom-
bards-Bedienter, g. Magistrats-Beamte. Verschleppung der Reces-
sining der vom K. aufgestellten Rechnungen. (S 8214.) 200
1736. WiDielm Florentin und Mathias Lognay^ Wein-
händler, g. Greven und Vorsteher des Fasshaueramts. Behauptung,
dass den K. nicht zustehe, durch ihre Knechte Fässer kleiner
oder aus alten neue nuichen oder den Wem von einem Fasse
auf das andere abstechen zu lassen. — Kleiner Rath. (F 1713.) 201
1737. Geistliche Ursulinerinnen g. von Broich*, Bürger-
meister, und Schöffenmeister. Fiinlösung des von den K. ft'üher
besessenen Colynshofs^ bei A. für 7000 Rthlr., da keine im Reiche
von A. belegenen Erbgüter in geistliche oder todte Hand gebracht
werden sollen. — Schöffenstuhl, f. (A 125.) 202
1737. Greve und Baumeister des Kesslerambachts g.
Gebrüder Finkenberg. Rückgabe von kupfernen Leuchtern,
welche die K. den V. deshalb abgenommen hatten, weil letztere
durch deren Verfertigiuig und Verkauf in das Handw^erk der
Kessler eingegriffen hatten. — Bürgermeister. (A 161.) 203
1740. Schöffenmeister und Schöffen zu Burtscheid g. Schöffen-
meister und Schöffen. Verletzung des Rechts der K. als erste
Instanz zu fungiren, durch die V. (B 5697.) 204
1741. Heinrich Reuben, Färber- oder Röderambachts-
Meister g. Greve und Meister des Färber- oder Röderambachts.
Störung des K. in seinem Gewerbe als Färber von Tuch. ~-
Bürgermeister und Rath. (R 1767.) 205
1742. Dechant und Kapitel des Marienstifts g. Gemeinde
Traben. Freiheit des Hofs und der Weingüter der K. zu Traben
von Steuern und Gemeindelasten*. — Fürstlich Spcmheimische
gemeinschaftliche Regierung zu Trarbach, f. (A 100.) 206
*) Ueber 3rathias Lognay, den spätem preussisclien ReHWlenten in Aachen,
vgl. Pick in den 3Iittlieilunficen des Vereins f. Kunde der Aachener Vor-
zeit I, S. 91; Macco, Beitriitce zur (Jenealogie rhein. Adels- und Patrizier-
Familien II, S. 45: Oppenhoff in der Zeitschrift des Aachener Oc^chichts-
vereins VI, S. 47 und das Vcrzcichniss daselbst VII, S. 238 zum Jahre 1720.
*) Johann Werner v. B-, vf<l. von Fürth a. a. 0. II, 2, S. 3.
') CoUinshof, Hof, Stadtkr. Aachen.
*) Vgl. Nr. 202 und 334.
78 R. Ooeckc
1742. Johann Franz Bettendorf g. Nikolaus Franz, auch
Scliöffenmeister und Schöffen. Der dritte Theil eines Kapitals
von 1200 Ethlr. aus der Erbschaft des verstorbenen Pastors
Bettendorf zu Würselen. — Schöffenstuhl. (B 3349.) 297
1743. Schreinerzunft g, Zimmererzunft. Streit darüber,
wem die Verfertigung der sog. Eoyaltreppen nebst Zierrath
zukomme, da vergleichsmässig die Zimmerleute Windel- und
Nachtreppen, die Schreiner Treppenleisten Averk und Zierrathen an
Roj^altreppen zu verfertigen haben. — Bürgermeister. (A 162.) 298
1745. N. von Bodden, Stadt Aachenscher Lieutenant, g.
Schöffenstuhl, Wittwe Leyendecker und Genossen. Forderung
von 500 Rthlr. von den fallirten Kaufleuten Gebrüdern Lambert
und Konrad Holz, womit Wittwe Leyendecker in Prozess gestanden,
und unstatthafte Einmengung des Scliöffenstuhls in diese Sache.
(B 4773.) 299
1747. Bürgermeister und Rath g. Schöffenstuhl. Mandat
an den V., sich aller Kognition in causis politicis zu entlialten
und die dem Magistrat allein kompctirende Territorial-Gerechtsame
nicht zu verletzen. (A 22.) 300
1747. Bürgermeister und Rath g. Klemens August, Kurfürst
von Köln, als Deutschordensmeister und die Ordenskomthurei zu
St. Gilles K Behauptung der K., dass die der Komthurei St. Gilles
gehörigen drei Höfe Metzgenshaag vulgo Weber, Flatt und
Vaelsburg zwar von den ordentlichen Abgaben, aber nicht von
den ausserordentlichen Lasten, namentlich|nicht von Einquartierung
frei seien; Verletzung durch ein Reskript des Kurfürsten als
Meisters des Ordens auf Antrag der Kommende zu A. erlassen,
worin die Befreiung dieser drei im Territorium der Stadt belegenen
Höfe auch von der Einciuartierung unter Androhung von Repressalien
verlangt wurde. (A 38.) 301
1749. Stadt g. Eingesessene der Quartiere Würselen, Weiden
und Haaren. Rekurs der V. an kurpfälzische Gerichte. (A 44^.) 302
1749. Erben des Xaver G. Heusch, Färbers, g. Schöffen-
stuhl und Kapitel des Marienstifts. Wasserleitung aus der
') Ucbcr diese Kommende vgl. Henncs, Commenden des deutsi^hen
Ordens S. 139ff. ; Quix, Hist-topogr. Beschreilmns: der Stadt Aaclien S. 94.
Aachener Prozesse am Reicbskammergerieht. 70
Pau nach dem Heuschsclien Farbhaus in der Bendelstrasse. —
Schöffenstuhl. (H 3978^ bezw. 277.) 303
1751. Maria Theresia von Märken, Professa des Klosters
Frauenlautern, g. Wittwe von Meuthen und Schöffenstuhl.
Verstattung des Rechtsmittels der Revision in Sachen der
Parteien betreffend eine vom Herrn von Dobbelstein besessene
Mühle zu Moresnet 1. (M 1098.) 304
1752. Bürgermeister und Rath g. Vogtmajor und Schöffen-
stuhl. Mandat an die V., die g. die Sophie Marie Muffan wegen
Vergiftung ihres Mannes vor dem Jülichschen Vogtmajor oder
Richter und dem Schöffenstuhl verhandelten Akten an K. heraus-
zugel>en, da die im Bereich der Stadt wohnenden Beschuldigten
als Unterthanen oder Hintersassen der Stadt anzusehen seien, g.
welche den V. die Kriminaljurisdiktion nicht zustehe ^ (A 23.) 305
1752. Chorus, Merken und Genossen, Kaufleute und Schön-
wirker der Nähnadelmacher-Zunft, g. Greven und Vorsteher
der Nähnadelmacher-Zunft. Verpflichtung der K., die in Stadt
und Reich A. wohnenden Rauchwirker allen auswärtigen zur
Xähnadelmacher-Zunft nicht qualifizirten Arbeitern bei Hergebung
des Drahts und Fertigung der Nadeln vorzuziehen. — Kleiner
Rath. (A 163.) 306
1752. Mathias Fischer g. Tuchschererzunft. Störung des
K. in dem Rechte, Gesellen in beliebiger Zahl zu halten. —
Bürgermeister und Rath. (F 1420.) 307
1753. Bürgermeister und Rath g. Jülichschen Vogtmajor
und Schöffenstuhl zu A. und Herzog von Jülich und dessen
Regierung zu Düsseldorf. Mandat an die V., die K. in ihrer
Inquisition g. ihren Hintersassen und Unterthanen Nikolaus
Muffan nicht zu behindern und von allen Repressalien und
Pfändungen abzustehen^. (A 24.) 308
1753. Bürgermeister und Rath g. Schöffenstuhl. Eingriffe
des V. in die Jurisdiktion des städtischen Kurgerichts in Kviminal-
*) Moresuet, Dorf, theils Kr. Eupon, theils Prov. Ltittich.
*) Vgl. Nr. 308 und Oppenhof f in dor Zeitschrift.de» AadieniT Ocschichts-
vereinH VI, S. 7.
^) Vj?l. Nr. 305.
SQ R. Goecke
*
Sachen durch Verhaftung des Fremden Grossjean aus Olerniont
und p]rzwingung einer Kaution von dem Aachener Bürger Hannot
bei einer Anklage wegen Verwundung ^ (A 25.) 309
1753. Greven und Vorsteher des Pelzer- und Fellbereiter-
Handwerks g. Paul Krämer. Beschlagnahme mehrerer vom V.
in die Stadt eingeführter Hirschfelle, welche er theil weise ver-
arbeitet, geßirbt und feilgeboten hat. — Kanzlei des Magistrats.
(A 164.) 310
1753. Johann Heinrich Heupken g. Magistrat und Tuch-
schererzunft. Aufrechthaltung eines gerichtlich bestätigten Ver-
gleichs über Aufnahme des K. in das Meisterrecht der Tucli-
schererzunft. (H 3966.) 311
1753. Die Vormünder der Kinder des Johannes Lognay^
g. die Stadtaccise-Pächter. Beschwerde über Konfiskation nach
Burtscheid bestimmter Waaren. — Schöffenstuhl. (L 2451.) 312
1754. Bürgermeister und Rath g. Propst, Dechant und
Kapitel des Marienstifts. Störung der K. im Besitz des Fisch-
markts durch Reparatur des Pflasters seitens der V., unerlaubter
Rekurs und angemasste Evokation der V. an die päpstliche
Nuntiatur zu Köln^ (A 40.) 313
1754. Kaufleute und Mitmeister der Nähnadlerzunft g.
Bürgermeister und Rath und Vorsteher der Nähnadlerzunft.
Aufrechthaltung der von den K. vorgenommenen Greven- und
Vorsteherwahl, sowie der Adjunktion von vier Handweirks-
deputirten und Vollstreckung der dieserhalb schon vom Magistrat
erlassenen Dekrete. (A 133.) 314
1754. Collenbach, Geheimer Rath und {Syndikus, g, Schöff*en-
stuhl und die Kinder erster Ehe des Kornelius Ciiorus. Voll-
streckung der Erkenntnisse wider die V. wegen Schutz im
Besitze des Naclilasses des ('horus *. — Schöffenstuhl. (C 1 132.) 315
') Vgl. Oppenhoff a. a. 0. VI, S. 7.
2) Vgl. Nr. 291.
«) Vgl. 3I(^yer, Aacheiischc Geschichteu I, 8. 719, § 26; Haagen,
Cieschicbte Acbens II, S. 332 f.
*) Vgl. Nr. 318 und 322.
Aachener Prozesse am Reichskammergericht. ?!
1754. Franz Riirens und Genossen g. Schöffenstuhl. Heraus-
gabe des Testaments, des Inventars und aller auf den Nachlass
des zu A. verstorbenen Leonhard Klemens Rurens bezüglichen
Dokumente. (R 4278.) 316
1754 und 1763. Hubert Johann Jehennee g. Bürgermeister
und Rath. Versagung der Aufnahme in die Schreinerzunft,
Beschlagnahme des Handwerkszeugs und des gefertigten Meister-
stücks. (I 207, 208.) 317
1756. Kornelius Chorus g. Schöffenstuhl. Exekution eines
Erkenntnisses in Sachen des K. wider den Geheimen Rath Collen-
hach in Betreff der Manutenenz im Besitze des von Kornelius
Cliorus dem Aeltern herrührenden Vermögens i. (C 2035.) 318
1756. Johann Heinrich Schorenstein g. Brauerzunft. Beein-
trächtigung des K. bei Ausübung seines auf Grund erworbenen
Meisterrechts in A. etablirten Brauereigeschäfts. — Schöffen-
stuhl. (S 7611.) 319
1757. Greven und Vorsteher des Nähnadleramts g. Nikolaus
Küppers. Unbefugte Ausübung des Nähnadlergewerbs durch
den V. als Meister, olme dass er vorher im Zunftbuch als Lehr-
junge eingetragen gewesen. — Bürgermeister. (A 135.) 320
1757. Kirsh, Jonas und Genossen, Greven und zum Rath
Präsentirte der Zünfte der Schmiede, Stricker und Schuster g.
Rath, Bürgermeister Strauch und die aus den Zünften unge-
setzlich erwählten Rathsverwandten, Beamten und Neumänner.
Kassation der vorgenommenen Raths-, Beamten- und Neumänner-
Wahl, weil die Zünfte in dem Recht ihrer Zusammenberufung
diu-ch die Greven, der Präsentation zur Rathswahl und der
Miterwählung der Stadtbeamten geschmälert worden. (A 165.) 321
1757. Franz Rudolf von Collenbach, Geheimer Rath, g.
Kornelius Chorus. Herausgabe des siebenten Theils aller von
Kornelius Chorus dem Aeltern hinterlassenen eingebrachten
Mobilien und der in zweiter Ehe gewonnenen Mobilien und
Immobilien ^ — Schöffenstuhl. (C 1133.) 322
') Vgl. Nr. 315 und 322.
*) Vgl Nr. 315 und 318.
82 R. Goecke
1757. Gottfried Mohr und Genossen g. Greve und Zwölfer
der Schneiderzunft. Beschränkung der Zahl der Gesellen auf
vier. — SchöffenstuJil. (M 3311.) 323
1758. Pater Johann Baur S. J. g. vSchöffenstuhl. Aus-
schliessung von der Erbschaft seiner Mütter durch Johann von
Maeren und dessen Schwester Wittwe Gillessen als anmassliche
Erben ab intestato. (B 961.) 324
1758. Franz Geilgen g. Bäckerzunft. Konventionalstrafe
wegen Verfehlung g. den Handelsgebrauch. — Magistrat.
(G 713.) 325
1758. Alexander Friedrich von Merode d'Hoifalize zu
Rittersitz Margaretha^ bei A. und zu Frenz g. Bürgermeister
und Rath. Freiheit des K. von Einquartierungs- und sonstigen
Lasten. (M 2332.) 326
4758. Peter Gerhard Reisgen, Kaufmann, g. Rath. Nicht-
zulassung des K., als Einwohner in A. zu wohnen und dort das
Materialistengeschäft zu treiben. (R 1537.) 327
1759. Greve und Vorsteher der Nähnadlerzunft g. Johann
Olberts und Johann Jacobs. Zahlung eines Guthabens von 3810
G. an die V. aus ihrem frühern Amt als Greven der Zunft. —
Bürgermeister. (A 136.) 328
1759. Steckenbiegler, Bungen, Frank und Görtz, vormalige
Mehl- und Branntweinaccise-Pächter, g. Bürgermeister und Rath.
Nachlass von dem jährlichen Pachtschilling für die Accisen ad
10 456 Rthlr., bezw. Entschädigung wegen des im Mai 1758 in
Folge der Theuerung erlassenen Ausfuhrverbots und wegen
Befreiung des den französischen Truppen gelieferten Brods von
der Accise«. (A 137.) 329
1759. Dionys Dreesen und Heinrich Krauthausen, Stadtwage-
accise-Pächter, g. Heinrich Rheindorf zu Köln. Unbefugte Beschlag-
nahme eines von Köln nach Burtscheid durch die Post verschickten
*) Der sog. Margratenknipp, Sandkaulsteinweg Nr. 56; vgl. Quix,
Hist.-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen S. 130; Quix, Die Frankeuburg
S. 78; Richardson, Geschichte der Familie Merode I, S. 220, II, S. 378.
*) Vgl. Meyer a. a. 0. I, S. 722, § 33 f.
Aachener Prozesse am Rcichskammergericht. 83
Pakets, angeblich weil es am Thor zu A. nicht angemeldet
worden. — Bürgermeister und Rath. (A 138.) 330
1759. Maria Franziska Boverie zu Houchenöe oder A. g.
Consilium privatum magistratus. Beschleunigung des Rechts-
gangs in ihrem Prozess ^vegen Verbalinjurien. (B 5740.) L. 331
1759. Johann Kaffaert g. die Gläubiger der Maria von
Maastricht, Nonne zu vSt. Ursula in A.^, namentlich die canonici
s. Crucis und Dionys Dresden zu A. Verpflichtung des K., die
Schulden seiner Schwägerin Maria von Maastricht als deren
Erbe zu bezahlen. — Schöffenstuhl. (K 21.) 332
1760. Bürgermeister und Rath g. Schöffenstuhl. Behauptung,
dass das Magistratsgericht und der Schöffenstuhl in Kriminal-
und in bestimmten (yivilprozesssachen jedes seine privative, in
blossen Personalsachen aber konkurrente Gerichtsbarkeit habe,
Verletzung des Magistratsgerichts dadurch, dass in Sachen des
M. Theze g. Kaffart wegen Ersatzes verloren gegangener
Kleidungsstücke, nachdem der Bürgermeister die Sache aus
dem Verbalprozess zum schriftlichen Verfahren verwiesen, der
Schöffenstuhl einen Rekurs des K. vom Magistratsgericht, dessen
Prävention ungeachtet, angenommen. (A 26.) 333
1760. Marienstift g. fürstlich Sponheimische gemeinschaft-
liche Rentkammer zu Trarbach. Streit über den Beitrag zu
den Kosten der Anlage und Unterhaltung einer neuen fliegenden
Brücke über die Mosel zwischen Trarbach und Traben*. —
Fürstlich Sponheimische gemeinschaftliche Regierung zu Trar-
bach. (A 102.) 334
1760. Johann Joseph Belir und Genossen zu Lütticli g.
Schöffenstuhl und Franz Karl von Loe. Einweisung in die Güter
und Einkünfte des V. von Loe wegen einer dem Ferdinand Goen
geschuldeten Geldsumme. (B 2301.) L. 335
1760. Verwittwete Gräfin von Goldstein zu Mögersheim
(Ansbach) g. die Regulirherren. Wasserleitung über die gemeine
') üeber das Ursullnerinnen-Kloster vgl. Quix, Beiträge zur Geschichte
der Stadt Aachen und ihrer Umgebungen II, S. 118 ff.
*) Vgl. Nr. 202 und 296.
6*
84 R. Goecke
Landstrasse auf das Gut Soerser Hoclikirchen bei A. — Schöffen-
stuhl. (G 2199»>.) 336
1760 ^ Nikolaus Wetten zu Eupen g. Schöffenstuhl. Justiz-
verweigerung in Sachen des K. g. Sacr6e betreffend Aufliebung
eines angelegten Arrestes durcli Weigerung, das Viccdomamt
in Bingen zur Vernehmung zweier dort wohnender Zeugen zu
requiriren. 0^ 2597.) 337
1761. Dionys Dreesen, Stadtwageaccise-Pächter, g. Sebastian
Scheen und Sohn. Konfiskation nach Burtscheid bestimmter
Waaren wegen Defraude der Accise. — Regierender Bürger-
meister. (A 139.) 338
1761. Johann Becker g. Bürgermeister und Rath und
Heinrich Peter Breda. Baustreitigkeiten wegen Anlegung einer
Mauer, bezw. Erhöhung des Hinterhauses des Breda unter
Benutzung der Stadtmauer an St. Jakobs-Mittelthor. — Schöffen-
stuhl. (B 2095.) 339
1761. Peter Schmidt und Genossen g. Schöffenstuhl.
Mandatum executorium in Sachen des K. g. Hulgebauer wegen
einer Forderung. (S 6282.) 340
1762. Die Brauerzunft g. Bürgermeister und Rath. Aus-
schliessung des Brauers Brammerts mit seinem Votum bei der
Brauerzunft wegen Anzüglichkeiten g. den Rath, welche der
Bürgermeister Strauch dem letztern berichtet hatte ^ — Bürger-
meister und Rath, f. (A 147.) 341
1762. Die Brauerzunft g. Graff und Schimiacher, Bier-
accise-Pächter. Verlangen, dass die V., welche die Bieraccise
für 31900 Rthlr. gepachtet haben, dieselbe von den Brauern
selbst einfordern sollen, diese sie nicht zu bringen haben. —
Rath, f. (A 148.) 342
*) Frhr. von Gramer bespricht a. a. 0. LXXVII, S. 102 eine Aachener
Prozesssache Tilmann gegen Fischer, in der es sich um die im Aachener
Arrcstprozcss übliche sog. Schreckung handelte und die durch UrtheU vom
30. Oktober 1760 entschieden wurde.
«) Vgl. Nr. 343.
Aachener Prozesse am Reichskammorgerieht 85
1762. Johann Lambert Brammcrtz g, Rath und Bürger-
meister Strauch. Dem K. entzoirenes Votum bei der Brauer-
zunft ^ — Schöffenstuhl. (B 1364.) 343
1762. Jakob Breuer und Genossen, Tuchscherermcister, g.
die Tuchschererzunft. Unbeschränkte Haltung von Knechten. —
Schöffenstuhl. (B 3973.) 344
1762. Gotthard Pastor und Wittwe Moll zu Burtscheid g.
Schöffenstuhl. Vollstreckung eines vom Schöffenstuhl g. Dr. Cramer
ausgesprochenen, die Kaufgelder für das in der Peter Schienschen
Subhastationssache erstandene, in der Jakobstrasse neben Dr.
Fellinger und Wittwe Franz Buchmann gelegene Haus betreffen-
den Erkenntnisses, welche der Schöffenstuhl wegen interponirter,
aber nicht weiter verfolgten Appellation w eigert. (P 539.) 345
1763. Bevollmächtigte sämmtlicher Kaufleute und übrige
Einwohner protestantischer Konfession g. Bürgermeister und
Rath. Schutz der K. g. die gewaltsamen Empörungen der
katholischen Unterthanen, Einleitung der Untersuchung g. die
Rädelsführer, Schutz der Landstrasse nach Vaels. (A 134.) 346
1763. Greve und Vorsteher der Löherzunft g. Theodor
Schallender. Verweigerung der Aufnahme <les V. als Geselle
in die Löherzunft, weil er bereits der Krämerzunft angehörte ^. —
Bürgermeister, f. (A 166.) 347
1763. Gottfried Görtz g. Magistrat. Herabsetzung des
Pachtgelds für die Bieraccise. — Schöffenstuhl. (G 2106.) 348
1763. Wilhelm Klinkenberg g. Prior und Konvent des
Dominikanerklosters. Forderung von 661 Thlr. für 6 Zuläste
Bleichert, Arrestanlage auf die Gefälle der V. in Stadt und
Reich von A. — Schöffenstuhl. (K 1832.) 349
') Vgl. Nr. 341.
*) Wahrscheinlich ist es dieser Rechtsstreit, über welchen Frhr. von
Cramer a. a. 0. LXXXV, S. 93 flf. unter der Rubrik: Greve und Vorsteher
der Lederzunft contra Theodor Schalbnberg berichtet. Es handelte sich nach
dem dort Gesagten um die Frag*.*, ob der Magistrat gesren den WiUen der
Zunft das Mei^terrecht verleihen körin»*. Das Urtheil erging am 21. April 1769,
86 R. (locyku
1763. Peter Strauch, kaiserlicher Rath «ml vormaliger
Bürgermeister, g. Bürgermeister iiiid Rath. Vollziehung der
eigenen Edikte g. die Schmähschriften und demgemäsa öffent-
liche Verbi'ennung durch Hcukersliand eines g. den K. gerichteten
libelli faiiiosi und strenge Erforschung des Schriftstellers,
(S 2578.) 350
1765. Kaspar Billi g, SchöfFenstuhl. Das Schiildenwesen
eines verstorbenen Handelsmanns Mathias Phigmacker zu A.
und Anspruch des K. als Gläubiger auf 30000 Thlr. auf Grund
des in A. geltenden Präfereuzrechts. (B 4251.) 351
1766. Dechant und Kapitel des Marienstifts g. Bürger-
meister und Rath. Freiheit der Koloncn der K. von der neuen
Accise. namentlich ihrer Pächter zu Hausen und Pfaffenbroich '
von der neuerdings eingefiUirten Mühlenaceise. (.A 103.) ;152
1766. Die sechs Quartiere des Aachener Reichs: Wttrselen,
Weiden, Haaren, Laurensberg, Orsbach und Daubach * g. Bürger-
meister und Rath. Freiheit des Reichs von A. von aller Accise
und Störung durch einen Beschluss des Magistrats, wonach K.
nunmehr zur Mehlkonsumtions-Steuer ebenfalls herangezogen
werden sollen. — Bürgermeister und Rath, f. {A 167.) 353
1766. Heinrich .\hlenlioven g. Xaver Blecs und Helene Stiefs,
Räumung eines am Markt belegenen Hauses wegen unterbliebener
Zahlung der Miethe. — Schöffenstuhl. (A 6!)2.) 354
1766. .Toscph Florentin g. Schöffenstuhl. Promotorialien
und Antrag auf Sequestration des Nachlasses des Vaters des
K., Wilhelm Florentin de f'ravatte, g. die Erben seiner Stief-
mutter, namentlich von Fürth und de Witte zu A. (F 1719.) :J55
1766. .Tohannit^r-Onienskommende^ g. Stadt. Verletzung
der Ordensprivilegieii durch Fonlerung der Mehl- und Brodaccise
' "■ hteiTi de.s Keuller und Eichenrather Hofs. (1630.) 350
n (liT Lagi- iifiilor Höfe y(;1- Arno. 1 und 2 zu Nr. 2i)!>.
, Hist.-Uipogr. ntsclireilinng dtr Stadt, Aa.'hcii S. 140 und I9H
Ji StPÜe von r>ul]ai;h unter den sppIis Qu«rtioren des Aardenpr
lUrliljiT tjuix a. a. 0. S. 04 f.
Aachener Prozesse am Reichskammergericht. 87
1766. Freiherr von Leerod zu Leerod g. Bürgermeister
und Rath. Störung des K. in seinem „uralten" Besitz der Frei-
heit von allen Accisen und sonstigen gemeinen Abgaben durch
gewaltsame Abnahme von Geldern, bezw. Pfändung von Sachen
auf dem freiadligen Rittersitz Schürtzell ^ bei A. (L 694.) 357
1767. Loersch und Groen, Stadtwageaccise-Pächter, g.
Rath. Schadensersatz von 3000 Rthlr., weil V. eine vakante
Thorschreiberstelle nicht zeitig wieder besetzt und dadurch die
Schmuggelei befördert habe, und von 1000 Rthlr., weil die K.
dennoch durch Exekution genöthigt wurden, die ganze Pacht-
surame mit 14 717 Rthlr. zu zahlen. (A 140.) 358
1768. Augustinerkloster 2 g. Peter Hüllenkrämer und Schöifen-
stuhl. Wasserleitung zu dem Brauhaus des K., welches letzterer
1710 dem V. Hüllenkrämer mit der Vergünstigxmg „des nöthigen
Zuganges zu der Wasserpfeife, so in des closters garten an
dem Schlachthaus herfliessef^, und unter der Bedingung, dass
dem Konvent der Zugang nach der Kockerellstrasse zu allen Zeiten
vorbehalten sei, verkauft hatte. — Schöflfenstuhl. (A 117^.) 359
1768. Kaufleute und übrige Einwohner protestantischer
Religion zu A. und Burtscheid g. die Wegegeldpächter. Störung
der K. im Besitze der Freiheit vom Weggeld für ihre Kutschen
und Fuhrwerke zum Kirchgang nach dem Dorfe Vaels. —
Bürgermeister und Rath, f. (A 168.) 360
1768. Kloster Wenau* g. Magistrat. Zahlung mehrerer
Renten im Betrage von 140 G. im Münzfuss des Kapitals.
(W 1840.) 361
1769. Franz Rudolf von Collenbach, Geheimer Rath, g.
Verwalter des kaiserlichen Hoflehns'*, modo Rath. Wiederher-
stellung der eigenmächtig destruirten „Arcken** bei der Mühle
^) Schurzelt, Landgut, Bgstr. Laurensberg, Ldkr. Aachen.
2) Vgl. darüber Quix, Hist.-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen
S. 58 f.
») Vgl. Nr. 192.
*) Gemeint ist das seit 1428 im Besitze der Stadt befindUche sog.
Schleidener Lehn; vgl. über dasselbe Loersch in Picks Monatsschrift I, S.
44 ff. und 216 ff.
88 R. Goecke
und dem Weiher an der Schaurmühle ^ der Nähnadelfabrik des
K. zu Haaren. — Schöffenstuhl. (C 1134.) 362
1769. Erben Peter Dondorf g. Schöffenstuhl zu A. und
Martin Bremen, modo dessen Erben zu Haaren. Vollstreckung
eines Erkenntnisses in Sachen der K. gegen Martin Bremen
wegen Reparatur eines Brauhauses in Haaren. (D 1456.) 36^i
1769. Gebrüder Peter und Johann Kaspar Strauch und
Genossen g. Bürgermeister und Rath. Zahlung föUiger Zinsen
von melirern Schuldverschreibungen, auch Zahlung zweier ver-
fallener Wechsel mit Zinsen ad 6453 Rthlr. (S 2580.) 364
1770. Gebrüder Peter und Kaspar Strauch, des neuen
Marianischen Hospitals ^ erbliche Patrone und Provisoren, g. die
anmasslichen Fremden-Provisoren des Marianischen Hospitals
und Bürgermeister imd Rath. Störung im Besitz des Patronats-
rechts der K. als Erben der Stifterin des Hospitals, der Wittwe
des Bürgermeisters Johann von Wispien, durch Anordnen zweier
Patrone aus der Mitte des Raths und Verhinderung der K. an
der Ausübung ilires Patronats durch Einlegung einer Wache.
(A 105.) 365
1770. Greve, Meister und Siegelmeister der Weisswirker-
zunft g. Peter Gräff. Uebergehung der von der Zunft zn
Sieglermeistern präsentirten Peters und Rosen und ungesetz-
liche Bestätigung des alten Siegelmeisters Graaff in seinem Amte
durch Bürgermeister und Rath. (A 169.) 366
1770. Jakob von der Gracht und Johann Lambert Marne ffe
g. Stadt. Streit darüber, ob die für Pachtung zweier städtischer
Bäder aufgenommenen Kautionen von 21 110 und 23000 Aachener
*) Scheuermühle zum Sclileifen oder Polireu der Nadeln.
*) Vgl. über dieses Spital Qu ix, Ilist.-topogr. Beschreibung der Stadt
Aachen S. 73. Unrichtig ist hier als Todestag der Stifterin der 19. Oktober
1769 angegeben; sie wird in einer ungedruckten Urkunde vom 25. August
1769 bereits als verstorben erwähnt. Ueber den vorliegenden Rechtsstreit vgl.
die Schrift: Gerettetes Patronat des . . Peter Balthasar und Johann Kaspar
von Kalkofen Gebrüder Strauch über das neue Marianische Spital. 0. 0. 1784,
XII und 80 S. Fol. Vgl. auch Nr. 369.
Aachener Prozesse am Reichskanmiergericht. 89
Tlilr. nach dem Münzwertli zur Zeit der Uebernalime der Pacht
oder nach dem zur Zeit der Heimzahlung zurückzuerstatten
seien. (G 418.) 367
1770. Peter Strauch, kaiserlicher Rath und vormaliger
Bürgermeister, g. Bürgenneister und Rath. Verletzimgen der
Stadt Aachenschen Verfassimg, bezA\\ Kassation eines g. den K.
erhobenen fiskalischen Pix)zesses. (S 2579.) 368
1771. Bürgenneister und Rath g. Karl Fürstbischof zu
Lüttich. Anmassung der Oberaufsidit über das von der Wittwe
Wispien zu A. gestiftete Männerhospital \ da doch durch die
Stiftung die geistliche Aufsicht ausgescldossen und Mitglieder des
Raths zu Provisoren und Kuratoren angeordnet sind. (A 53.) 369
1772. Georg Johann Gottfried Uth g. die Barbierer- oder
Chirurgenzunft. Aufnahme des aus Fulda gebürtigen K. in die
Zunft, nachdem er die Tochter des C'hirurgen Michael Dahm
geheirathet. — Schöflfenstiüil, f. (U 115.) 370
1776. Schöifenmeister und SchöflFen zu Burtscheid g. Schöffen-
meister und Schöffen. Observanzwidrige Eindringung eines Unter-
meiers (Majors). — Schöfienstuhl, f. (B 5608.) 371
1776. Kaspar Joseph von Fürth, Karl von Fürth- und
von Reibeid g. die Steuer- und Serviskammer der Stadt A.
Beschwerde über zu hohe Besteuerung der zu den Gütern
Beulartstein, Sieb, Kütgereich, Bergerheide, Reinartskehl ge-
hörigen Ländereien. — Büi-germeister, Schöffen und Rath, f.
(F 2531.) 372
1776. Ferdinand und Rudolf Konstanz von Geyr g.
Magistrat. Beschwerde über Erhöhung und unbillige Ansetzung '
der sog. Servisgelder. — Schöffenstuhl, f. (G 1338.) 373
1776. Gabriel und Marie Elisabeth Longr^e g. Jakob
Jamar und Schöffenstuhl. Stellung vor Gericht wegen Ver-
letzung des Arrestes. — Schöffenstuhl, f. (L 2562.) 374
») Vgl. Nr. .S65.
2} Vgl. von Fürth a. a. 0. II, 2, S. 108 ff.
90 R. Goeckc
1776. Ignaz Sarlandier g. Schöffenstuhl. Verschickung
der Akten an eine auswärtige unparteiische Fakultät in der
Prozesssache Geyr von Schweppenburg wegen 120 Rthlr. Haus-
zins. (S 387.) 375
1777. Äbtissin zu Burtscheid g. Bürgermeister, Schöffen
und Rath. Unterhaltung der Wege und Einnahme des Wege-
gelds, bezw. thätliche und spoliatorische Störung der K. in dem
unvordenklichen Besitz der Anlegung und Erbreiterung ihrer
Wege; Erpressung von Geld und andere friedbrüchige Hand-
lungen, welche von dem „unsäglich aufsätzigen Magistrat der
benachbarten Reichsstadt A. seither mehreren Jahrhunderten imd
annoch vor Kurzem" begangen worden. [Mit langem staats-
rechtlichen Auseinandersetzungen.] (R 5688.) 376
1777. Peter Gambart g. Schöffenstuhl und Johann Peter
und Jakob Schlögel. Forderung von 169 Rthlr. und Beschwerde
über aufgehobene Arrestation der Schlögelschen Färberei.
(G 151.) 377
1777. Heinrich Hauten, Tuchscherer, g. Bürgeimeister
und Rath, sowie Tuchschererzunft. Verurtheilung des K., sich
zunftmässig zu betragen und nicht zu viele Gesellen zu halten. —
Kleiner Rath. (H 2100.) 378
1777. Franz Anton Tewis\ Erzpriester und Hauptpfarrer,
g. Stadt. Verzr)gening der Rechtshülfe hinsichtlich Auszahlung
der Pastoralkompetenz-Quartalien vcm der Rentkammer zu A.
(T 1016.) 37»
1780. Äbtissin zu Burtscheid g. Bürgermeister, Schöffen
und Rath. Erlassung und Vollziehung polizeilicher Verord-
nungen, welche „zur Nothdurft, zur Wohlfahrt oder zum Ver-
gnügen des gemeinsamen Wesens, auch unzähliger Kurgäste
und Fremder" abzwecken, betreffend Glückshafen, Lottospiel,
„ehrbare und aufrichtige Hazardspiele in Karten und Würfeln**,
öffentliche Konzerte, Tänze und Komödien, aus landesobrigkeit-
licher Fürsorge und Gewalt der unmittelbaren Reichsherrlichkeit
*) Vf?l. über ihn Oppenhoff in der Zeitschrift des Aachener Geschichts-
vereins VI, S. r>2 ff. und A. von Reumont, das. VI, S. 218 ff.
Burtsiheid. [Mit vielen Beilasreiu darunter die Dnirk^obrift :
Nachrichten, wie das iNirf und die Herrlichkeit Burtscheid au
Bürgermeister, Selir.ffen und Rath des K. Stuhls und Kaiserlicht n
freien Beichs>tadt Aachen im J. l.'^^l übertn^^'^n worden ist,
Aachen, mit Müllerischen Lettern, 1775. M Bl.] (B 5i>89.} 380
1780. Johann Jo>e|)h Krauthausen g, Bünrermeister und
Rath. EntschadiiTuniT weiren nicht ?chr»riffer ErtuUunsr eines
Kimtrakts über die veri>achtete Mehlaccise. (K 57S.) CJSI
17S1. Lizentiat Wolf jr. Schoffenstuhl und Gerhard Kasjwr
von Olmissen zur Hallen K Unbefu^^tes Verfahren durch das
untergeonlnete Gericht in einer beim K.-(4. anhäniriiren Rechts-
sache betreffend ästiraatorische Klapre auf Erle^ung^ von 61KX) (t.
wegen Injurien. — Schöffenstuhl, f. (W 4549.) :i82
1781. Lizentiat Wolf und Genossen g. Schoffenstulil und
Genossen. Protestation g. Anmuthung der sog. Herrengelder
von den auf die K. übertragenen Gütern der Bischofschen
Eheleute. (W 4550.) SKJ
1783. Gebrüder Bettendorf, ex post The(Mlor Bettendorf
allein g. Canonici reguläres sanctae Crucis. Administration der
Gersthovenschen Erbschaftsmasse zu A., hauptsächlich aus einer
Apotheke bestehend. Ein Sohn * des verstorbenen Wilhelm
Gersthoven war Prior des Kreuzbruderklosters und darum zur
Erbfolge unfähig. Seine Schwester Maria Josepha hatte im
Jahre 1775 ihren Erbantheil ihren Vettern, den Gebrüdern
Bettendorf, g. eine jährliche Leibrente übertragen. — Schöffen-
stuhl. (A 336 L) :M
1783. Statthalter der Vogtei, audi Meier und Schöffen
des Gerichts zu Burt scheid g. Schöffenmeistcr und Schöffen.
Bestreitung des Rechts der K., die peinliche Gerichtsbarkeit
auszuüben, bei Gelegenheit der Störung des Burgfriedens in
Burtscheid durch drei abteiliche Knechte, wovon der eine „im
Angesicht des ganzen Volks nach verweigerter und sodann
') Vgl. von Fürth a. a. O. II, 2, S. 208.
») Wilhelm (iernhoveu, f 12. November 1774 (vgl. Quix, Die Pfarre
zum h. Kreuz S. ßs).
92 R. Goccke
durch den Büttel gesclieliener Ausscliwörung der Urfehde unter
aufgebotener bewaffneter Mannschaft aus dasigen Dorf luid
Herrlichkeit mit Gewalt ausgeführt und verbannt wurde**.
Mandatum attentatonim revocatorium, cassatorium et inhibitorium
der V. hiergegen. (B 5699.) Sai
1784. Johann Christoph Welter zu Köln g. des K. Ehefrau,
Bürgeraieister und Rath und Vogtmajor. Entlassung des K.
aus widerrechtlich g. ihn verhängter Gefangenschaft und Rück-
gabe der ihm abgenommenen Effekten. (W 1828.) 386
1785. Jakob Ignaz Beckers, arme Partei, g. Magistrat.
Sclmdloshaltung von 10 624 Rthlr. für zwei Häuser (die in der
Pundtstrasseu gelegene, zum kleinen Haus von Aachen genannte
behausung und ein in der Stadt Aachen auf der sogenannten
Augustinerbach gelegenes haus), welche auf Anordnung des
Magistrats zur Deckung von Schulden der Eltern des K. ver-
kauft sind, nach dem Aachener Devolutionsrecht. (B 2156.) 387
1785. Joseph Göbel, Wagnermeister, und die Wagnerzunft
g. die Schreinerzunft. Eingriffe in die Handwerksgerechtsame. —
Bürgermeisteramt. (G 2027.) 388
1786. Der grössere und ansehnlichere Theil des Stadt-
raths, wie auch die gesammte Bürgerschaft der Stadt A. g. die
ausgetretenen Magistratsmitglieder, als die beiden Bürgemieister
von Wylre und Brammerz, die Rathsbeamten Buchholz, Scliorn-
stein, Baldus, von Thenen und Genossen. Mandat an die V.,
welche sich in Folge einer Rebellion aus der Stadt entfernt
hatten, wieder nach A. zur schuldigen Verwaltung ihrer Aemter
^md VeiTichtungen zurückzukehren, sowie Mandat an den in A.
anwesenden Theil des Magistrats und an die dortige Bürger-
scliaft, den Zurückkehrenden die gehörige Achtung und den
schuldigen Gehorsam zu erweisen, kommissarische Untersuchung
der über erhöhte Auflagen, Verrechnung derselben. Gestattung
des Spiels an der Bank u. s. w. vorgebrachten Beschwerden ^ [14
Bände Kameral- und 5 Bände Extrajudicialakten.] (A 27*-^) 389
*) Es handelt sich in diesem Prozess um den unter dem Namen „Mäkelei"
bekannten langjährigen politischen Streit; vgl. über ihn Haagen, Geschichte
Achens II, S. 373 fif.
Aachener Prozesse am ReichskammenriTichu v .
17^- Schöffenstuhl g. Bürgermeister iind Rath oder das
soff. Rmmsrericht *. Stöningr des K. in dem prajrmatisch her-
«rebraehlen unvordenklichen Besitz und in der Ausübunir der ihm
bezüglich der Inventarisationen und Secjuestrationen allein zu-
stehenden Gerichtsbarkeit. (A 28.) 390
1Tn6. (Tebrüder Wilhelm, Franz und Peter Bettendorf or.
Schöffenstuhl. Theilmig des elterlichen Nachlasses und Protest
^^r. die vom V. hierbei ^sich erlaubten reichsgesetzwidrigen
XulUtäten-. (B 3302.) 391
ITni. Perret Gentil, französischer Kaufinann, zur Zeit in
A. g. Schöffenstulil. Beschwerde wegen der in Folge Requisition
der französischen Regierung erfolgten Verhaftung des K. als
eines angeblich aus Paris geflohenen betrügerischen Banquerut-
tiers, behufs seiner Ablieferung in das Hotel de la force zu
Paris. (Extr. G 5.) 392
1789. Freiherr von Merode zu Frenz g. Bürgermeister
und Rath. Forderung von 2100 Thlr. aus Schuldscheinen zu
Gunsten des Levi Isaac. — Hofgericht zu Münster. (M 2336.) 393
1789. Franz Heinrich Startz g. Bürgermeister und Rath.
Zurücknahme der Verfügung, durch welche K. von der Einnahme
der Accise entsetzt worden, und Schadensersatz -. (S 2175.) 394
1790. Philipp von der Brüggen, Handelsmann, zu Burt-
scheid g. Bürgermeister und Rath und Wage-Administration.
Wegnahme mehrerer Ballen Kafleebohneu, welche der K. bei
einem Aachener Kaufinann deponirt hatte, durch die verklagte
Wage-Administration wegen angeblicher Umgehung der Accise-
entrichtung. — Schöffenstuhl. (Extr. B 60.) 395
1790. Franz Heinrich Startz g. Magistrat und Neumanns-
kammer. Schadensersatz wegen der dem K. durch die in sein
Haus wegen angeblichen Rückstands an der Accisepacht gelegte
Exekution veranlassten Ehrenkränkung, auch Ersatz, salva
*) Vgl. Quix, Hist.-topogr. Bcschrcibunj? der Stadt Aachen S. 152.
^ Vgl. Nr. 390.
94 R. Goecke
liquidatione, dessen, was er bei Gelegenheit eines Aiifstands
in A. an der Accise verloren ^ (S 2176.) 396
1791. Kurfürst Karl Tlieodor, Pfalzgraf bei Rhein, als
Herzog von Jülich und Berg zu München g. Bürgermeister und
Rath. Eingriffe in die Justizverwaltung des K. durch einseitige
Versiegelung des Nachlasses eines zu A. verstorbenen Fremden,
Namens Peckse, bezw. in das Recht des K. auf erblose Verlassen-
schaften zu A., sowie die dem klägerischen Vogtmajor daselbst
durch das Verbot, mit dem Degen in öffentlichen Erlustigungs-
häusern zu erscheinen, zugefügte Beschimpfung. (P 905.) 397
1791. Joseph Schweling g. das Sendgericht- und den Welt-
priester Joseph Elverfeld. Nichtigkeit einer bei dem Send-
gericht erhobenen Klage auf Zahlung einer Rente von jährlicli
72 Rthlr., welche Schweling, obgleich er mit Elverfeld nur ein
Scheingeschäft behufs dessen Fortkommens abgeschlossen und
hierüber einen Revers besitze, sowohl für die bereits verflossenen
wie für die weitem Jahre zahlen sollte. — Sendgericht, f.
(S 3636.) 398
1791. Werkmeistergericht g. Tuchfabrikant Schlösser.
Appellation g. den Ansprucli des V. auf Entschädigung wegen
Verweigerung von Passirzetteln für angeblich nach auswärts
von ihm verkaufte Wolle, welche Verweigerung geschehen sei,
um zu verhindern, dass aus dieser Wolle gefertigtes schlechtes
„auswendiges** Tuch als Aachener Tuch in den Handel komme.
(Extr. A 3.) 399
1792. Werkmeistergericht g. Mathias Leonliard Schlösser.
Behauptung des Werkmeistergerichts, dass es über alle zu A.
befindliche Tuchfabriken und was damit verbunden, in erster
Instanz zu kognosziren, für den Flor derselben zu sorgen, die
Kontraventionen zu bestrafen habe; Konfiskation der vom V.
auswärts fabrizirten Tücher und Untersagung der Ausfuhr von
Wolle durch denselben. — Bürgermeistergericht. (A 170.) 400
^) Vgl. Nr. 394.
*) Vgl. Noppius, Aachcr Chronick (1632) Th. I, S. 122 flf. und Quix,
Hist.-topojrr. Boschreibuiij? der Stadt Aachen S. 158.
Aachener Prozesse am Reich skammergeri cht. 95
1792. von Fabricius, Hofrath, zu Köln g. Bürgermeister
und Rath. Rückzahlung mehrerer Darlelm im Gesammtbetrag
voD 6B00 Rthlr. an den K. als Erben seines Bruders, des Hof-
ratUs Fubricius zu Düsseldorf. (F 58.) 401
1792. Reichsunterthanen der Stadt A. g. Bürgermeister,
Schöffen und Rath. Beschwerde der K. oder Exhibenten über
das g. sie ausgesprochene Verbot der Jagd, welche sie gemein-
schaftlich mit der Stadt auszuüben verlangen. Dagegen behauptet
letztere, dass ihre Unterthanen „von dem Schwindelgeist einer
neumodischen Sekte völlig angesteckt seien und einen falschen
Irrbegriff von einer übertriebenen Menschen-Gleichheit gefasst
haben, die bei einem gesitteten Volke, wo offene Ruhe und all-
gemeiner Friede herrschen soll, unmöglich statthaben oder ein-
geführt werden kann**. (Extr. A 1.) 402
1793. Bürgermeister und Rath g. kurpfölzische herzoglich
Jftlichsche Landesregierung zu Düsseldorf und deren Vogtmajor
zu A. Angemasste Einlegung gewaffnetcr Mannschaft über-
haupt, und Besetzung der Hauptwache und Stadtthore zu A.
von Seiten des kurpfälzischen Vogtmajors. (A 96.) 403
1 794. Das geistliche Synodalgericht * g. Stadtmagistrat.
Jurisdiktionsstreit in der Matrimonialsache der protestantischen
Eheleute Kühne, bezw. Forderung freien Geleits für die Ehefrau
Kühne zur Stellung vor das Synodalgericht, das auch über Ehe-
sachen der Protestanten zu erkennen beansprucht. (Extr. A 2.) 404
') Vgl. die Airni. zu Nr. 398.
Ueber ein Verzeiclmiss der Einkünfte
der Katharinenkapelle beim Aachener Münster aus
dem Ende des 14. Jahrhunderts.
• Von H. Loersch.
I.
Von den zahlreichen, heute verschwundenen Kapellen, welche
einst das parvisium, den Vorhof, des Aachener Münsters um-
gaben, war die grösste der h. Katharina gewidmet. Sie lag an
der nördlichen Langseite des Platzes und etwa in deren Mitte,
in östlicher Richtung reihten sich ihr wahrscheinlich zwei Ka-
pellen an, während zwischen ihr und dem Fischmarkt nur noch
ein Oratorium, das vierte der ganzen Fluclit, errichtet war.
Auf der Südseite des Vorhofs lagen vom karolingischen Bau
bis zur Taufkapelle fünf kleine Kapellen in einer Reihe ^
Die Katharinenkapelle ist vielleicht das letzte Bauwerk
gewesen, welches in Aachen noch unter der vollen HeiTschaft
des romanischen Stils entstand, denn im Jahre 1235 wird sie
in der ihre Stiftung imd Dotation betreffenden, glücklich erhal-
tenen Urkunde als eben vollendet erwähnt^. Sibodo, der seit
dem Anfang der zwanziger Jahre des 13. Jalirhunderts die
Würde des Dekans beim Marienstift bekleidete ^, dessen
^) Vgl. die Ausfilhrungen von C. Rhoen in der Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins, VIII, S. 76 ff.
*) Vgl. für alles Folgende die Dotationsurkunde von 1235 hei La-
comhlet, Urkundenbuch II, S. 105, Nr. 201. — Haagen, Geschichte
Achens I, S. 161 bezieht die Urkunde ganz irriger Weise auf die heutige
Augustinerkirche.
^) Quix, Geschichte der Stadt Aachen II, S. 95. Hier wird zum Jahre
1226 fälschlich ein Dekan Gerard genannt; in der Urkunde von 1227,
Februar 14 (nicht 1226, wegen des Jahresanfangs) ist aber ego S. (nicht G.)
zu lesen, vgl. Lacomblet a. a. 0. II, S. 76, Nr. 142 mit Qu ix, Codex
dipl. Aquensis p. 104, no. 148. So ist denn auch kein Anlass gegeben,
zwei Dekane mit dem Namen Sibodo zu unterscheiden.
Die Katharinenkapelle beim Aachener Münster. 97
Abstammung aber leider nicht bekannt ist, hat sie ganz aus
eigenen Mitteln errichtet und in dem eben erwähnten Jahre
mit den für den Unterhalt eines Priesters nöthigen Einkünften
ausgestattet. Durch ihn wurde denn auch der erste Kapellan,
welcher Nikolaus hiess\ eingesetzt. Er legte ihm die Ver-
pflichtung auf, in frühester Morgenstmide Messe in der Katha-
rinenkapelle zu lesen und als ständiger Vikar der Stiftskirche
stets dem Chorgebet beizuwohnen *. Die p]mennung des Kapellans
behielt er für alle Zeiten dem Dekan vor. Nur noch drei der
Priester, welche diese Stelle inne hatten, sind in den bis jetzt
veröffentlichten Quellen erwähnt. Johann Pollek, dessen eine
jüngere Eintragung im Nekrologium des Marienstifts gedenkt,
gehört vermuthlich dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts an ^;
die Stadtrechnung von 1885/86 nennt Peter Hankart, die von
1394/95 Johann Barba (in deutscher Form also wohl: Bart)
als Inhaber des Beneficiums*.
') Die Dotationsurkunde nennt ihn ; seinen Tod und eine durch ihn dem
Stift hlnterlassene Rente von zwölf Denaren erwähnt der älteste Schreiber
des Xekrologiums des Marienstifts zum 15. Oktober, vgl. Quix, Necrologium
ecclesiae b. M. v. Aquensis p. 57, 1. 15.
») So sind wohl zu verstehen die Worte der Dotationsurkunde: Erit
etiam vicarius ecclesie perpetuus de primis et ultimis in choro existentibus.
*) Zum 25. November: Obiit Johannes Pollex, cappellanus s. Katerine,
pro quo fratres presentes habent 6 solidos, Quix, Necrologium p. 66, 1. 7.
Mit dieser Jahresrente war ein Haus belastet, das dem Heinrich Pollex
(Dume), dem Bruder des Kapellans, gehörte, an welchem dieser aber durch
Erbschaft vom Vater her betheiligt war. Von der Wittwe des Heinrich hat
die Stadt es eine Zeit lang gemiethet, vgl. Laurent, Stadtrechnungen, Aua-
gabe-R. 1344/45, S. 157, Z. 34, A.-B. 1346/47, S. 187, Z. 2; sie kaufte es
dann im Jahre 1349/50 fftr 310 Mark (Laurent S. 221, Z. 36) und zahlte
deshalb auch in diesem Jahre dem Marienstift, sowie andern Berechtigten
die darauf ruhenden Renten (Laurent S. 201, Z. 10, 24, 33). Wahrschein-
lich sind diese aber abgelöst worden, denn sie kommen in den spätem Rech-
nungen der Stadt nicht mehr vor. Das Marienstift bezog auch eine Jahres-
rente von 12 Denaren de domo Pollicis in foro (Quix, Necrologium p. 25,
L 7), dies ist die in Urkunde vom 25. April 1290 erwähnte ^domus Düme"
(Ritz, Urkunden und Abhandlungen zur (ieschichte des Niederrheins I, 1,
S. 105), welche mit dem vorerwähnten Hause wahrscheinlich nicht identisch
ist, da die Rente von 12 Denaren in der Stadtrechnung von 1349/50 nicht
erwähnt wird.
*) Laurent S. 346, Z. 32: Item heren Peter Hankart van sint £«l«riaeB
capelle 27 s. ; S. 398, Z. 39 : Item heren Johan Barba van sint K«
27 s. Die Bezeichnung der Emptänger als Herren bewei«>
98 H. Loersch
üeber die der neuen Kapelle zugewandten Güter und Ein-
künfte macht die Stiftungsurkunde genaue Angaben, auf welche
noch nälier eingegangen werden wird. Im Laufe des 13. imd des
14. Jahrhunderts wurde das Gebäude selbst wie der vor seinem
Eingang liegende Raum häufig als Begräbnissplatz in Anspruch
genommen^. Weitere Nachrichten finden sich nicht. Es steht
nur fest, dass die Katharinenkapelle länger als alle andern am
Parvisch gelegenen Kapellen bestanden hat. Im 16. und 17.
Jalirhundert sind die Umgebungen des Vorhofs mehr und melir
verfallen, die den einzelnen Oratorien zustehenden Einkünfte
gingen verloren, eins nach dem andern wurde zur Ruine, nament-
lich der Stadtbrand von 1656 scheint sie stark beschädigt zu
haben; die Stellen, auf welchen sie gestanden hatten, wurden
als Bauplätze für die kleinen Häuser benutzt, die heute noch
den Platz begrenzen^. Aber erst im Jahre 1730 war die
Katharinenkapelle so bauföllig geworden, dass sie geschlossen,
der in ihr zu haltende Gottesdienst an den Choraltar des Münsters
verlegt werden musste. Auf den mit Erde überschütteten Mauer-
resten wurde später ein Garten angelegt, der noch unverändert
erhalten ist^
Das ist alles, was bis jetzt über die Katharinenkapelle
ermittelt werden konnte. Weit dürftiger noch ist die Kunde
von der Mehrzahl der andern den Vorhof umgebenden Kapellen,
insbesondere ist für keine derselben die Dotationsurkunde erhalten.
Ueber ihre Gebäude wie über ihre Einkünfte könnte genauere
Belehrung erst erwartet werden, wenn endlich einmal aus dem
Stand. Der Posten selbst ist unten zn besprechen. Herr Peter Hankart
kommt auch vor m der Einnahme-R. von 1391/92, Laurent S. 387, Z. 3,
ein älterer Hankart (1346/47) S. 171, Z. 28.
*) Quix, Necrologium, zum 4. April, p. 20, not. 6; zum 12. April, p. 22,
1. 19; zum 13. April, p. 22, 1. 29; zum 10. Juni, p. 35, not. 2; zum 21. Juli,
p. 42, 1. 3; zum 1. September, p. 49, 1. 28; zum 12. oder 13. September, p. 51,
not. 7; zum 2. November, p. 61, 1. 3. Es sind unzweifelhaft Laien, die Eltern
des Johannes Lisentredere, welche vor der Kapelle ihre Ruhestätte gefunden
haben (21. Juli und 1. September); der Sohn hat dem Marienstift bedeutende
Schenkungen gewidmet. In allen übrigen Fällen dürfte es sich um Kleriker
handeln, die in der Kapelle bestattet wurden.
2) Rhoen a. a. 0.
^ Quix, Historische Beschreibung der Münsterkirche S. 50. Die drei
hier erwähnten aus der Kapelle stammenden Säulen scheinen spurlos ver-
schwunden zu sein.
Die Katharinenkapelle beim Aachener Münster. 99
immer noch reichhaltigen Archiv der Mtinsterkirche und aus
den im königlichen Staatsarchiv zu Düsseldorf aufbewahrten
Theilen des vormaligen Stiftsarchivs ^ wenigstens die altem
Zinsregister und sonstige Verzeichnisse in systematischer Weise
veröffentlicht würden. Müssen die aus der Erschliessung solcher
Quellen zu gewinnenden Aufschlüsse vielleicht noch lange ent-
behrt werden, so wird mit um so grösserer Freude der Nach-
weis von Nachrichten begrüsst, den wir der fortschreitenden
Durchforschung und Sichtung unserer grössern deutschen Hand-
scliriftensammlungen verdanken. Sie bringt Kunde über Zeug-
nisse, welche, an völlig entlegener Stelle niedergelegt, ohne
besondem Hinweis wohl kaum jemals hätten verwerthet werden
können. Ein neuer Fund kommt nun gerade wieder der Katha-
rinenkapelle zu Gute. Dem vorzüglichen Verzeichniss, welches
Wilhelm Schum über die Amplonianische Bibliothek zu Erfurt
verfasst hat*, ist es zu danken, wenn auf den hier folgenden
Seiten eine alte Aufzählung der Einkünfte dieser Kapelle besprochen
und veröffentlicht werden kann, welche die Kenntniss von den
Wandlungen und Schicksalen ihrer Dotation wesentlich bereichert.
Das kleine, 31 für den Druck nummerirte Absätze umfassende
Register ist nachträglich auf die ursprünglich leer gebliebene
Rückseite von Blatt 101 einer Handschrift der eben genannten
Sammlung gesetzt worden ^ Die Handschrift selbst (Quart,
Nr. 332), der Mitte des 14. Jahrhunderts angehörig und 106
Blätter umfassend, ist in England geschrieben und hat als
ursprünglichen Inhalt drei Stücke: Guilelmi Hentisberii sophis-
mata, Tractatus de obligationibus Cantabrigensium sequens
doctrinam und Fragmentum sophismatis: omne verum et deum
^) Vgl. II gen, Rheinisches Archiv, Theil I, Der Niederrhein (Ergän-
zungsheft II der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst),
S. 54 f. Nach gef&Uiger Mittheilung des Herrn Dr. Forst befinden sich in
Düsseldorf ausser der Dotationsurkunde keine die KatharinenkapeUe aus-
schliesslich betreffenden Archivalien. Auch in den Sammlungen von Quix
und Ritz (erstere in der königlichen liibliothek zu Berlin, letztere im Staats-
archiv zu Dttsseldorf) findet sich nichts Derartiges.
«) W. Schum, Beschreibendes Verzeichniss der Araplonianischen Hand-
schriften-Sammlung zu Erfurt, Berlin 1887.
») Für das freundliche Entgegenkommen des Herrn Bibliothekars
Dr. Auermannzu Erfurt, welches mir die Benutzung der Handschrift auf
der Bonner Universitätsbibliothek ermöglichte, spreche ich anell
Stelle meinen aufrichtigen Dank aus.
100 H. Loersch
esse difFerunt ^ Aus England ist sie nach Aachen gekommen und
hier hat dann ein und derselbe Schreiber gegen Ende des 14. Jahr-
hunderts mit hässlicher, oft undeutlicher Hand theils auf den
leeren Stellen, theils auf den Rändern der Blätter in sehr unregel-
mässiger Form, fast immer aber mit besonderer Ueberschrift, acht-
undzwanzig Eintragungen gemacht. Die meisten davon sind latei-
nische und deutsche Gedichte^; ausser diesen finden sich noch
verschiedene Eezepte, eine bei Disputationen zu verwendende
Formel, eine Notiz über Preise, auf die noch zurückzukommen
ist, und das hier vor Allem zu berücksichtigende Rentenver-
zeichniss. Erwägt man, dass letzteres zimächst für den zum
Genuss dieser Einkünfte Berufenen von Bedeutung war und
seine Vorlage auch wohl nur einem dem Marienstift angehörigen
Geistlichen zur Verfügung stand, so dürfte die Annahme gerecht-
fertigt erscheinen, dass es, wie alle übrigen, fast jeden freien
Raum der Handschrift bedeckenden Notizen, dem zeitigen
Kapellan der Katharinenkapelle seine Entstehung verdankt. Es
ist denn auch von einem unvollständig gebliebenen Hinweis auf
das OfiFertorium und die Chorpräsenz des Katharinentags begleitet^,
Blatt 101 und 105 der Handschrift bieten eine Kantilena latinalis
de sancta Katharina, und für die Beziehimgen des Schreibers
zum Aachener Münster spricht die Thatsache, dass auf Blatt 105
mit der dazu gehörigen Melodie die erste Strophe des Weih-
nachtslieds eingetragen ist, welches der älteste Schöffe, alter
Sitte gemäss, in der Mitternachtsmesse anzustimmen hatte ^.
Die Zeit, um welche dasRentenverzeichniss niedergeschrieben
wurde, lässt sich ziemlich genau bestimmen. Auf dem zweiten
Blatt der Handschrift stehen Angaben über den Preis, der
in Aachen für Pfeffer und andere Gewürze in der Fastenzeit
der Jahre 1391 und 1392 gezahlt wurdet Um dieselbe
*) Genaue Beschreibung der Handschrift bei Seh um a. a. 0. S. 566 flf.
*) Herr Dr. Nörrenberg in Marburg wird die sehr interessante Samm-
lung demnächst veröffentlichen.
») Vgl. S. 134, Anm. a.
*) Vgl. Hilgers und Pauls in der Zeitschrift des Aachener Geschichts-
vereins IV, S. 149 ff.
^) Die Notizen beginnen wie folgt: Anno domini mo ccc^ Ixxxx primo
et secundo in quadragesima dabatur Aquis in pagamento Aquensi loto piperis
pro solido. Schum a. a. 0. hat irrthümlich : A. D. M» CCC« LXXXJo primo
et secundo.
Die Katlmmeokapelli; beim Aiidn-utT Müll,^u•r. HU
Zeit etwa, einige Jahre früher oder s|>äter, ilürlU- autli das
Veraeichniss, das, wie ifesa^rt, imzwt'ifelhafl viui demsilln'ii
Schreiber herrührt, eintet rHjreii wurden sein. Dit-scs •ifl!.>i
bietet dann vielleicht einen Anhalt l'ili' die Hi-nliiuiiiinii; dis
Jahres, vor welchem es aufiiczeichnet sein uul^s, in AhsiUz Hl.
Hier wird nämlich „Orieiitzen hfly« vor dat l'arvisch* ^'t^inuuil.
Eine Urkunde vom \'2. Dezend>er litflH lierichtet, da»« dinBüis
unmittelbar an das nnter König Kichard erljaiite llürgerhaiis
anstossende Haus, oftenbar nur kurz viir ilereii Aanatidliin^'-,
von Grund aus neu errichtet worden int '. Als Krhiim-i'
werden der bischer Tills (irienze und w'lii Kidiiiti llt-nklii.
^nannt Fischerclien, liezoichnet *, ilier In einem di-r (illi-.-iin
Tbeile der Stadt kann es i^lidi niizwii fei halt iiirht um hihii S'-ulmn
auf bisher ^anz uulieDiitzteni Itoilcn li;iiid<-hi. In d'-r 'l'ii.ii v.iid
dieses Haus auch whon im Jahn- i:i>»r» i-rwiihnt. K? ii--ii',ii'-
damals dem Heinrich Hfu-uzf. df-r wgljl di-r Vitii-r d- n l-i*»-
^enannten Fi-^'-hers Tlii> tini-u/Ji sfewi-M-n M-in wi-'l . K> i.-'.
somit anzun^-liiiM-i]. drt>- liftxt'-n-r luit H'ilt«- 'i<-:r N ii\vi> ^' i -,v.;
nur sein IwufyiÜ^f l.'r-w^.rvii-rji-v Hau» dui' !i ri'j f. [■<■,■ ■ l:.
ireräaniiirejvh (.■^^etzt Ijwt. Wari^ 'ia? v.r d'-r Am:/,i !■ !■'.. '^ <',■ >
Rent^nrefi-lprf j.'f>i'ii''lj''!i. ^'J wü-'i*- ii> 'Jii-Miii !.'.-i,^'. w, i-
M^heiuliclL da der ^'"rl.•i,t!;' ^l•■h ;.'li.-;i-i'>i!ii] umn- di-ii A>.-.-i.
de^ Schrei Im ■!> vlh.n'ji-n hnt. fu-h iWr s<-\vi> <ifi.-ii,v < I.- /!ll^-
I<flicLlii.'er X'i','-ii;'-!i;liiuii'T r'-iJi '.fi:' v^i-iL'H .-. ii,. Im ii..> '^■■'-
zeiclmis> na'-L ü'-m uht-u (■<'^<-;''.*-ii w.lil ii^um v,,r d.ii- h.id.
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102 H. Loersch
der achtziger oder dem Anfange der neunziger Jahre des
14. Jahrhunderts entstanden, so wird seine Entstehung also
doch auch nicht nach dem Jahre 1398 "zu setzen sein. Es enthält
übrigens nichts, was mit den so gewonnenen Zeitgrenzen in
Widerspruch stünde. Der Erzpriester Johannes von Luchen,
den der Absatz 6 nennt, kommt in Urkunden zuletzt 1336, als
Leibrentenempfänger noch in der Stadtrechnung von 1338/39,
nicht mehr aber in der von 1344/45 vor*, und die Erinnerung
an eine grosse Seuche, welche sich in der Ueberschrift eines
Rezepts: widder dy suygde van den drusen, as dy lüde ze-
moil seir storven (Bl. 105 der Handschrift) ausprägt, dürfte sich
auf das Sterben des Jahres 1349 beziehend
Liegt somit in dem Verzeichniss eine Aufzeiclmung etwa
aus den letzten zehn bis fünfzehn Jahren des 14. Jahrhunderts
vor und darf ohne Bedenken vermuthet werden, dass diese
von dem Kapellan der Katharinenkapelle herrührt, so ist als
Sclireiber dieser wie der übrigen Eintragungen, und dann wohl
auch als Verfasser eines Theils der letztern, einer der oben
genannten Geistlichen, Peter Hankart oder Johann Barba (Bart),
wahrscheinlich aber der letztere, anzusehen*.
IL
Das Register gestattet nun zunächst einen in vielen Be-
ziehungen lehrreichen Vergleich zwischen den Vermögensstücken
*) Vgl. Qnix, Hi8t.-topogr. Beschreibung von Aachen S. 68; Geschichte
der Stadt Aachen II, S. 82; Laurent a. a. 0. S. 114, Z. 17 vgl. mit S. 139,
Z. 25—30. In der Ausg.-R. von 1346/47 wird noch ein ihm zustehender
Hauszins angeführt, Laurent S. 171, Z. 34, was aber nicht beweist, dass
er noch lebt. Zum 4. Januar erwähnt das Nekrologium mit jüngerer Hand
eine von ihm gethätigte Stiftung für den ersten Donnerstag jedes Monats;
vgl. Quix, Necrologium p. 1, 1. 22. Nach der beigefügten Anmerkung
kommt er schon im Jahre 1311 als Pleban vor. Eine von ihm persönlich
gemachte, auf die oben genannte Stiftung bezügliche Eintragung aus dem
Jahre 1316 steht im Nekrologium beim 31. Mai; vgl. Quix 1. c. p. 33, 1. 12.
Der Tod seiner Mutter wird zum 22. Januar, der seines Vaters zum 16. Februar
erwähnt; die Frau des Schöflfen Gerhard de Luchene zum 20. April, ein
Gottschalk de Luggene zum 6. August: Quix 1. c. p. 5, 1. 26, p. 11, 1. 13,
- 24, 1. 25, p. 35, 1. 3. Ueber Gerhard vgl. das Register zu Bd. I— VII
!eit«chrift des Aachener Gesch ich ts Vereins. Ein Johann de Lugen in
von 1344/45, Laurent S. 139, Z. 6, S. 146, Z. 2.
) Vgl. Loersch, Achener Rechtsdenkmäler S. 66 ff.
S. oben S. 97, Anm. 4.
Die Katharinenkapelle beim Aachener Münster. 103
und Einklinften, welche der Kapelle bei ihrer Gründun^^ gewid-
met wurden, und dem Bestand dessen, was ihr anderthalb .fahr-
hundert später gehörte. Dieser Vergleich zeigt ein starkes
Wachsen der Einkünfte, dafür aber auch eine bedeutende Ver-
minderung des Ginindbesitzes ^
Die erheblichste Gabe, welche der Dekan Sibodo seiner
neuen Stiftung zugewendet hatte, war die in seinem Eigenthum
stehende Wolfsmühle nebst ihren AV^iesen, allem Zubehör und
allen Gerechtigkeiten*. Unzweifelhaft ist hier die Mühle gemeint,
welche am Ende des schon im frühen Mittelalter mit dem Namen
Soers bezeichneten AVeges, in der heute die Wolfsfurth genannten
Thalenge an der Wurm liegt imd seit dem Anfang dieses Jahr-
hunderts zur Tuchfabrik umgewandelt ist ^. Von ihr weiss aber
das Register nichts mehr zu melden; Absatz 12 erwähnt nur
fünf Morgen sehr guter Wiesen, welche in der Soers und gegen
diese abfallend liegen*. Leider ist der Text dieses Al)satzes
durch ein undeutlich geschriebenes Wort sehr verdorben, so dass
sich die Meinung des Schreibers und der Zusammenhang, in
welchem er, offenbar mit Beziehung auf jeden der lünf Morgen,
die Summe von zwei Gulden nennt, nicht feststellen lässt. An-
scheinend will er über eine auf Grund sachverständigen IJrtheils
eingetretene oder mögliche Vermehnmg der Einkünfte aus dies^Mi
fünf Morgen oder des Werthes derselben berichten, denn bei
den zwei Gulden für jeden Morgen kann es sich nur um Ein-
künfte oder Wertherhöhung, nicht um eine Angabe über den
ganzen Werth der Grundstücke handeln. Weist er zum S^hlu-s*,'
auf das grosse Unrecht hin, welches dem Rektor der Kai*elle
dieser Wiesen wegen seit lan;/er Zeit zugeliifTt worden s^'i, wj
') Qu ix, Historische I^v^hrf-i^ui«^ (hr Mnn-t^rkir'h^ >. 50 a. K, t-r-
wähnt ein Haus „auf der (Tenß-»traC' aU <I*rr Kai»*-)!«- u:*\i6tii£. ,w. 1 h « aV-r
bauföllig für 400 Aachener Thlr. vt-rkauft wunl**, Ih*-**-', Htu- »'h^u.t am
Schlüsse Ton Abs. 25 schon (genannt zn -^in : lei'l'-r Ut 'l*rr T*ixt 4<-« K'-^i^tr^
an dieser Stelle unverständlich.
«) Vgl. S. 135, Anm. 6 zu Ah*, \t.
^) Vgl. Haagen, Geschieht'? A K*-»- ff. -i. ♦*;* T»id '»IK. An «l'-n N^r.'.' n
erinnern auch die in derselben GejrTid V'^'j^-iA^n H ♦'- i^'t^r^r \uA nt.^^'r- r
Wolf (Stadtkr. Aachen) und Wol f ( La jA r. r, A -i - h < n. Ji;." » r Ba r '1 «- j. V rj*. J •*
Urkunde von 1200 bei Ritz a. a. O. J. L ». S^Ji t, H;fd *j'-r M .;,, ;. *-' 1
Wiesen in loco, qui dicitur Wolv»'«»m';) n, v^-r" ;rt.
*) Vgl. S. 135, Abs. 12 und di^ da/'j ;" * r,;^- u ,'.;,' *f* • :"•.
104 H. Loerscli
stimmt dies auch zu dem, was der Vergleich mit der Stiftungs-
urkunde lehrt, dass nämlich die Wolfsmühle und wohl noch
andere zu ihr gehörige Grundstücke im Laufe des 13. und 14.
Jahrhunderts der Kapelle entfremdet worden sind. Die fünf
Morgen Wiesen verblieben ihr dann aber, wie eine von Quix
gegebene Nachricht zeigt ^, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Eine Aenderung und offenbar auch eine Verminderung er-
gibt sich bei den Einkünften, welche Sibodo seiner Stiftung in
Richterich zugewiesen hatte. Die Urkunde von 1235 überträgt
derselben in diesem Dorfe jährlich neun Denare und zehn Ka-
paune, ausserdem die Kurmeden und andere Hebungen aus zwei
Hofstätten^. Absatz 23 des Verzeichnisses lässt nun von dem
grossen, beim Kirchhof gelegenen Hofe zehn Kapaune, zwanzig
Denare und eine Kurmede entrichten. Dass hier nur ein Gut,
welches unzweifelhaft seinen Namen im Gegensatz zu einem
andern erhalten hat, und nur eine Kurmede genannt wird,
zeigt aufs Deutlichste, dass eine der beiden „aree" sich im
Laufe der Zeit ihren Verpflichtungen zu entziehen gewusst
hat; es dürfte dies wohl ein als „der kleine" bezeichneter Hof
gewesen sein, dessen Leistungen wahrscheinlich die geringern
waren. Die Zahl der aus Richterich einkommenden Kapaune
ist denn auch dieselbe geblieben, und wenn den neun Pfennigen
der Stiftungsurkunde nunmehr zwanzig gegenüber stehen, so
stecken in dieser letztern Summe die „aliae obventiones" und
„alia iura", welche vielleicht im Laufe der Zeit erst eine Fixirung
oder auch eine Umwandlung in Geld erfahren haben. Von beson-
derm Interesse ist der Schluss des Absatzes. Der Sclu'eiber
bemerkt hier, unzweifelhaft aus eigener Kenntniss, der augen-
blickliche Inhaber des Hofes würde gern statt der Kurmede
jährlich zwei alte Groschen entrichten. Dieser wünscht also, die
zuiallige, bekanntlich beim Wechsel des Besitzers oder beim
Wechsel des Verleihers des Gutes, vielfach auch in beiden Fällen,
eintretende, aus dem Besthaupt hervorgegangene Abgabe durch
eine bestimmte, feststehende jährliche Leistung zu ersetzen.
Die laufenden Abgaben vom Gute sollen massig erhöht werden,
um die zwar seltene, aber wirthschaftlich drückende, weil in
*) Quix, Historische Beschreibung der Mtinsterkirche S. 50 a. E.: ,,deren
Reuten bestanden in einer an der Worm gelegenen Wiese von fünf Morgen".
*) Vgl. S. 137, Absatz 23 und die dazu gehörigen Anmerkungen.
unbestimint^ii Zvi><-Lt*nr«iiTi}oii vioi^rrkc-LrvnrJo nr.ä hr\ i)om »ii;v,h
Todesfall hfii*eiirt*ftiLTi'rn Wf^lisfl <ii-^ UoN'iyns (i^piv-^'^t !;^\^-
queme PrastÄtir«! zu l»t'SriTiirrn, lX"^r Inlijs^K-v (^t-^s Hoios Ivkin-ii^oi
durch seinen V^'»r>i-Wa;r, der ihm p<TS'*r.]ioli k,*iuin iiüt7on, W1^^1
aber seinen Eriken zu Gute kmnuen kt>nnte, riebt iwi^s Notsu^n^r
niss der wirthschaftlichen VcrhÄltnisM\ um m> «u^ln\ tiK ^lov
Ersatz der Kumiede dnn-h eine jährliche (u^hJrt!^\0>e nur noKoi^
in den Abmachungen über jreliehene i^ütor voi>ivko^nnuM^ soin
wird^
Die Katharinenkapelle hatte bei <Ut itrrtndnn^i* iiIm «Irillou
Bestandtheil ihres Vermösrens gewisse KinkllnniMM^hulton, woloho
sie nur indirekt ihrem Stifter venhinkto. Diosor berirlMol in
der oft erwähnten Urkunde, dass (Um* Propst «Ion MurionwIinN
— gemeint ist Propst Otto, dessen Siegel jinrh «loni SlllhinüH
brief angehängt ist — ihr den UeberscIiUHH von OenilliMi /m^:p-
wiesen habe, welche in Meerssen zu entrichten Helen. Die K^poll«»
soll das erhalten, was von fllnf Mark, die fllr KngiMrMJninn ifo-
zahlt werden, und von drei Mark, die der l'ropHt i\r\u Knpllel
zum Fest des h. Leo und zu Anniversarien verinaclii ImiI, DlMit^
bleibte Mit diesen Einkünften hat es nun fol^^ende H<'WMndf-
niss. Seit den Tagen König J^otharn FF. benaHH da« Marl'MmflH
zu Meerssen die Xona der dortigen köni^rliclifn Villa ^ dieR*« ^^Ih«?*
war aber im Laufe der Zeit an die Abtei Ht, UctiUirUtn zn iU'\m<
gelangt ^ Langjahrifre Strejtitrkeiten lib^T d^'n }U'irfii/^ d'-^-^^n.
was der Verwalter <prej>/;.-iUi?»; der abf^ili'h^n ^/liter w^^/' rr
der Nona an das Ifarien-fifr zri fhtrifhU'u h^^r*\ wor^Wo im
Februar 1228 dur'^h ^;;.^n V^ri.'I^'irh i^'^'^^hürh^-f, fU-r f\>\^^\'>*-yi
vgl daj*. s. ii^-i ::-ri. :2:r,
Limburg d^ K.in.ii:**'<:ia (.•»• ' ,.rf*o''M'iif*v .ii* " n if «^.^- i-',r.
Unt€rtkih«»tL fj'P ' t'j*." .1».', ,,■ n ,<.'-<''i "» fj'- ^ '-•* .-' . *. n ' .-i ■*
dab^r harr«* .jfm ^v-:-. ; uj ,-/t».,-i >'- '*'' '''"'' -*-••»•"' t^'
-. -t - ••
106 H. Loersch
auf zehn Mark Lütticher Währung, die Mark zu zwanzig Lüt-
ticher Schillingen gerechnet, festsetzte ^ Von diesen zehn Mark
sind dann offenbar fünf, wahrscheinlich mit Rücksicht auf die
ursprüngliche Herkunft der Meerssener Einkünfte, einem Fonds
zugewiesen worden, in welchen die als Ablösung von Enger-
fahrten gezahlten Gelder * wohl überhaupt flössen, während der
Propst Otto, unter dem der Vergleich zu Stande gekommen war,
die Vertheilung von drei weitem Mark an die Mitglieder des
Stifts für drei bestimmte Tage letztwillig festsetzte ^. Es berech-
net sich somit der für die Katharinenkapelle frei bleibende Antlieil
auf zwei Mark. In der That wird denn auch in einem Zins-
rogister der Kellnerei des Marienstifts von 1320 der aus Meerssen
einkommende Betrag auf zehn Mark oder mehr, die Mark zu
vierzig alten Groschen von Tours gerechnet, angegeben und
ausdrücklich erklärt, dass davon zwei Mark an den Kapellan
der Katharinenkapelle abzuliefern seien ^. Damit stimmt dann
wiederum Absatz 21 des Registers, der die Gewährung des der
Kapelle zukommenden Antheils aus der Verwaltung der allge-
meinen Einkünfte des Stiftes ^ ausdrücklich betont, den Antheil
selbst aber selbständig und eigenthümlich berechnet. Er soll
nämlich bestehen aus dem fünften Theil von dreiunddreissig
Gulden und vier Groschen. Diese Art und Weise, die Einkünfte
') Die Urkunde bei Qu ix, Codex dipl. Aquensis p. 106, no. 150. Der
Verwalter zu Meerssen wird von Qu ix 1. c. p. 251, no. 165 und von
Lacomblet, Urkundenbuch I, S. 39, Anm. 3 fälschlich als Propst bezeichnet.
Das Jahr 1227 am Schluss der Urkunde ist mit Rücksicht auf den Jahres-
anfang in 1228 umzuwandeln.
*) Ueber die Entwickelung dieser Abgabe vgl. Lamprecht a. a. 0. I,
S. 816 f.
^) So dürfte das Wort „legatis" zu verstehen sein. An eine Zuwen-
dung aus dem persönlichen Vermögen des Propstes ist mit Rücksicht auf das
Ergebniss der Berechnung nicht zu denken. Eine Urkunde, welche diese
Bestimmungen enthielte, ist bis jetzt nicht bekannt geworden; auch das
Xekrologium bietet keine Nachricht
*) Vgl. S. 136 Anm. 6 zu Abs. 21.
^) Die Kellnerei ist die Centralverwaltung des dem gesammten 8tift
zustehenden Vermögens, von ihr geht die Vertheilung der hier zusammen-
fliessenden Einkünfte aus. Ihr Haupt war der celerarius dominorum. Auf
ihn war auch die Katharinenkapelle angewiesen vermöge einer Zuwendung
des Plebans von Luchen ; vgl. Abs. 6, unten S. 1 34. Akten der Kellnerei seit
1320, Rechnungen seit 1585 im kgl. Staatsarchiv zu Düsseldorf, vgl. Ilgen
a. a. 0. S. 55.
Jie v-i-ju'^»''i/>. *» ■. * -t • 1 . ■ .t .1 1 'i
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des l-L Tiiiiriiimiler^^ tiui:*-»v''mim'it ^tiu, ^.vini^vU .uu uiv
das dieseni -riiiire lüiT'iinnt:^ i:!i>j'^'v;'^'vi -iti \ .ii.o;v* ,, k; ■
zur Verrlekliniür Ii^^r:iii:r'i"ir»^(i Ht,»r«i.'u '<* n. '\i.^ -;^.» .,. .■,
dass der Golden im Reai^»-a'":r'.fii:')'i.'>w '.u ',\\^^U vi'o,a li. a ^v 'v i
net Lst mwi «iasü? «leoL'iiirii z>fcvi >lvt»'k. v»Uvr .t^'i- -j,; j''s' v^'v* '* 'i
von Tours hier sechs OaMeu u^ut vwhl viuKM'NoH vtu »'*» t- ^t* '^ \ ^'^
Umschreibunsr mit Grv>>chen AkhI uuvl luii VaiKlsu hiv^ \\u ^
deshalb vorgenommen, weil dio hüuuhov Muk^ ^m i.wiuu
Schillingen unzweifelhaft iHnleutoiul molu woOl^ w^u. -^l- \\\\
Aachener Mark; das A'eriulltniss K^MUMh^^ 6\\ \\s\\\A,\y\\ \\\\\\ yww
Werthbestimmung zu vcrsuchiMi, du/.ii n^i« Immi ilin VMtli>uuli mmi
Vorarbeiten nicht aus^
Das, was die Katliarinonkupolln \u^i \U\t'i 'ililjiitü^ iiM I In
künften empfangen hatte, int iiarli rh'm JhIim* I-'I'» \h h 1/ Iimh
Masse seitens der Aaf:h<»n<*r MnrK<''>^ Ij'»'^^ ^mmmIiH "'^pIu*
rmfang, We«en und Herkunft iUtj^Ji Kt-m,* itnnr,/ 1'J ' /| *
Verzeiclmi>'i dfr'i^ü' i, ^-rk^-of,"/*, htU/jt..'^ uh h* . i f,.--,* h'* i / ,/
zwölf Mark. T\ i ^ : /' 7""* >* A *l" i l'f* ' -- /* '- t. .- / '.
jährlirL vi At -^-r t\<.'^'\ /,'*/• ' ,'/•/
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108 H. Loersch
von Wiesen und einem Teich ^, endlich zwei Kapaune, die als
besondere im 14. Jahrhundert längst in Geld umgewandelte
Abgabe von einem Hause in der Bendelstrasse noch neben dem
Zins von drei Schilling entrichtet werden^. Die Termine der
Zahlung sind die im ganzen Mittelalter allgemein und auch in
Aachen üblichen, neben den beweglichen: Fastnacht, Laetare
und Ostern, die unbeweglicUen : Mariae Reinigung (Februar 2),
Geburt des h. Johann Baptist (Juni 24), Mariae Himmelfahrt
(August 15), Eemigius (Oktober 1), AVeihnachten (Dezember 25);
dazu kommt das besondere Aachener Fest der zweiten AVeihe
der Münsterkirche, die magna dedicatio Aquensis^ am 17. Juli,
sowie ein nicht näher bezeichnetes und auch aus andern Zeug-
nissen nicht naclizuweisendes Fest der domus spiritus^.
Zu beachten ist, dass in sehr vielen Fällen der Zahlungs-
tag verschoben worden ist, insbesondere sind sämmtliche unter
der Rubrik des Remigiustags verzeichnete Zinse jedesmal aus-
drücklich als zu Weihnachten fällig bezeichnet^, welches Fest
dadurch geradezu als der Haupttermin erscheint. Das Verzeich-
niss führt nur längst bekannte Strassennamen und zwar meist
aus den ältesten Theilen der Stadt an; sie mögen hier folgen,
unter Angabe der Absätze, in welchen sie vorkommen : Adalberts-
berg (29), Bendelstrasse (19), Gängstrasse (25), auf dem Hof
(9, 10, 11, 18), Jakobstrasse (? 15), Kockerellstrasse (14), Küh-
gasse (3), vor dem Parvisch (16, 24), Peterstrasse (17), Pont-
strasse (18), die Reihgasse, welche jedoch eigentlich nur als
Theil des Wirichsbongards genannt wird (1), Scherpstrasse (31)
und Trichtergasse (26). In fast allen diesen Strassen wird nur
ein Haus als zinspflichtig genannt, es finden sich deren aber
zwei am spätem Fischmarkt, sogar vier am Hof. Von den
0 Abs. 25.
*) Abs. 19. Ueber die Kapaune als Abgabe vgl. Loersch in Anualen
des historischen Vereins für den Niederrhein XXI, S. 255.
•'') Vgl. Laurent, Aachener Stadtrechnungen, Register S. 432.
*) Abs. 25, dessen Text unzweifelhaft fehlerhaft ist. Domus sancti
Spiritus ist die stehende Bezeichnung für das Spital zum heiligen Geist, das
aber in der Nähe des Chores der Münsterkirche lag. Wie hier die Gäng-
strasse in Verbindung mit demselben gebracht worden, ist völlig unklar.
Vgl. auch oben S. 103, Anm. 1. Ueber viele andere in Aachen übliche Ter-
mine vgl. Loersch in Annalen a. a. 0.
^) Vgl. Abs. 13-24.
Die Katharinenkapelle beim Aachener Münster. 109
Thoren wird das Burtscheider, anscheinend das äussere, in
Abs. 2, das innere Burtscheider ausdrücklich in Abs. 4, das
Xeuthor in Abs. 25 erwähnt. Das am Salvatorberg, also vor
der Stadt, gelegene Haus des Schafliirten nennt Abs. 22; im
14. Jalirhundert hat die Bürgerschaft sicherlich noch eine selir
stattliche Schafherde auf die Gemeindeweide geschickt.
m.
Bietet schon eine zusammenfassende Betrachtung des Renten-
verzeichnisses nicht nur einen wünschenswerthen Einblick in die
Vermögenslage der Katharinenkapelle, scmdern auch gewisse
allgemeinere Daten, welche füi* die Kenntniss namentlich der
wirthschaftlichen Verhältnisse Aachens im 14. Jalirhundert nicht
belanglos sind, so ist das Ergebniss ungleich bedeutender, wenn
die Angaben einzelner Absätze genauer geprüft werden. Die
Topographie der Stadt insbesondere, dann aber auch gewisse
kirchliche Verhältnisse, die Geschichte einzelner Familien erfahren
eine nicht zu unterschätzende Beleuchtung. Zunächst mögen
einige für die Kunde von gewissen Oertlichkeiten und Gebäuden
wichtige Stellen ins Auge gefasst werden.
1.
Absatz 25 des Verzeichnisses bestimmt die I.age mehrerer
AViesen und eines Teiches mit den Worten : ,,iuxta domicellorum
cimiterium*'. Es ist das erste Mal, dass diese Ortsbezeichnung
sich in lateinischer Sprache für Aachen urkundlich nachweisen
lässt; ihre im Munde des Volkes lebende deutsche Form ist
durch eine Urkunde vom 21. Januar 148G überliefert, welche
zugleich die Angabe enthält, dass der Junkerskirchhof vor dem
Juncheitsthor lag^, das bekanntlich auch Junkersthor genannt
wurde *. In der That liegt vor diesem Thore der AVeiher, den
>) Vgl Quix, Geschichte der St Petcr-Plarrkirche S. 137, Nr. 18:
erfftzens an 9 morgen ackerlaml'* buyjisen die Jondieitportze an den Joncheren
kircho£f gelegen.
») Das Thor wird in den Stadtrechnuntren d*^s 14. Jahrhundert.s zufUllijrer
Weise gar nicht genannt, aln Junkerr^thor erK-heiiit vs in dem durch Pick
veröffentlichten Bericht über die amtliche Besichtit^ung der Stadtmauer auK
der Mitte des 15. Jahrhunderts; vgl. Ztit^hrift d^-t* Atuhcmr (Jeschichts-
verein» VII, S. 288. Dem Thor, welches die AmuM incur, d«^H eaux d'Aix-
la-Chapelle als porte de la noble^M^ jx^rte des doM. ^ b» zeirhu*-«, int, wie so
110 H, Loersch
Absatz 25 erwähnt. Ergibt sich ohne Schwierigkeit die Gegend,
in welcher jene Oertlichkeit zu suchen ist, so bleibt doch immer
noch die Bedeutung des eigenthümlichen für sie gebrauchten
Namens festzustellen. Offenbar handelt es sich hier nicht um
eine Begräbnissstätte im gewöiinlichen Sinne des Wortes. Iin 14.
Jahrhundert fanden die besseni Stände in den zahlreichen Kirchen
und Kapellen, die geringern Leute auf den diese umgebenden
Plätzen ihre Gräber; keine Nachricht aus jener Zeit weist auf
einen wirklichen vor der Stadt liegenden Kirchhof hin. Zur Er-
mittelungder Bestimmung des Aachener „cimiteriumdomicelloi-um"
dient aber nun vor Allem der Hinweis auf die Thntsache, das»
der gleiche Name in deutscher wie in lateinischer Form um
dieselbe Zeit in Köln, in deutscher Form zu Anfang des Ki. Jahr-
hunderts in Dortmund vorkommt. An beiden Orten bezeichnet
er eine ausserhalb der Stadt, in Köln vor dem Weyerthor, in
der „die Kesselkaul" genannten Feldflur ', in Dortmund vor dem
We8t«rthor*, liegende Richtstfttte. Und zwar unzweifelhaft
weder dort noch hier auf Grund einer für diese Benennung
massgebenden sachlichen oder persönlichen Beziehung, welche
mit dem Worte „Junker" in seiner gewöhnlichen Bedeutung
etwas zu thun hätte, sondern weil Richtstätten überhaupt so
genannt wurden. Dies wiederum kann nur deshalb geschehen
sein, weil man den Uebeltliäter, den Verbrecher wohl mit bittemi
TT.i.^ ._;..,.;_!.. ..__, ^.pgß„ Jpg jm Verbrechen liegenden frevel-
Is „Junker" bezeichnetet
i.iseu, ganz überflüssiger Wei»e sein geflchichtliuh
übt worden, um <lie DicbtKsagende Bezeicboang
cn setzen.
Tischen Vereins für den Niederrhein XIX, S. a27,
:, Munätsscbrift IV, S. 11» ff.; Mäblbauni, Das
II, S. 111. In letztenn Werke verlegt das Hegistcr
:bbuf irrtbümliuh an die Severinsatrssau und wirft
m Elendigen Kiiehbüf zusammen, wovor subon bei
nsen zur Cbronik des Dietrich Westhoff mitge-
Berliner Handscbrift in Chroniken der deutlichen
I, S. 3S7, Anm. l.
len die Ton Enuen, Oesrhiubte der Stadt Küln IIl,
.^eiisscning eines Schöffen aus dem Jahre 14^7;
seine Junkersehaft also zum Hohne dea Rechtes
Niemand y.n seinem Rechte gelangen, und darum
Die Eatharinenkapelle beim Aachener Münster. 111
In der That ist nun auch in Aachen eine vor dem Junkersthor
liegende Heide als ßichtstätte und zugleich als Begräbnissort der
Gerichteten benutzt worden. Hier empfingen Auswärtige, die in
gewissen Fällen der Kriminalgerichtsbarkeit von Bürgermeister
und Rath unterworfen waren, ihre Strafe. Gehört das Zeugniss,
welches dies bekundet, der bekannte Vertrag zwischen Pfalz-
Neuburg und Aachen aus dem Jalire 1660, auch einer verhält-
nissmässig späten Zeit an^, so wird doch Hinrichtung und
Bestattung des Albert Münster, eines wegen zweier Mordthaten
verfolgten Prädikanten, an derselben Stelle zum Jahre 1524
berichtet^, und bei der Unwandelbarkeit solcher Dinge in
frühem Zeiten ist nicht daran zu zweifeln, dass dieser Platz
schon im Mittelalter zu Hinrichtungen und zum Begraben der
Hingerichteten benutzt worden ist. Es kann auch kein Bedenken
erregen, wenn der erwähnte Vertrag sowohl wie die Aachener
Schriftsteller des 17. Jahrhunderts die Heide, welche, was wir
durch Noppius erfahren, auch die Pferdsheide genannt wurde,
vor Jakobsthor verlegen. Letzteres liegt bekanntlich dicht
sei der Junkerkirchhof also genannt, weil man solche Junker dahin zu schicken
pflege**. Die Wörterbücher enthalten freilich kein Zeujafnis)« für diese Bedeutung
des Wortes Junker. — Der Gedanke, dass für die Bildung des Namens die
Person dessen massgebend gewesen, der diesen Kirchhof mit Leichen ver-
sorgt, dass der Henker als Junker bezeichnet worden sei, findet keine Unter-
stützung in den Wörterbüchern und muss schon deshalb aufgegeben werden,
weil die deutsche wie die lateinische Form das Wort Junker in der Mehr-
zahl enthält.
*) Vertrag zwischen Pfalz-Neuburg und Aachen vom 28. April 1660,
Art. 28 bei Moser ReichsstÄttisches Magazin Th. I, S. 172: soUen . . . die
frembden aber in obgemelten dreyen fällen, außerhalb der Statt Aachen,* für
St. Jacobs Pfortz auif der Heyden Ihre verschuldte Straeff empfangen. Vgl.
hierzu Loersch in Picks Monatsschrift V, S. 560 f. (wodurch ein Versehen
im Text zweimal die Jahreszahl 1666 angegeben ist); Qu ix, Hist.-topogr.
Beschreibung S. 190, Nr. 45; Oppenhoff in der Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins VI, S. 47, Anm. 18.
*) Petri a Beeck Aquisgranum p. 257: magistratus scntentiam capitis
in reum pronuntiavit, cuius et damnatus est subditis gladio cervicibus tra-
ditoque corpore terrae eodem loco nempe ante portam d. Jacobo sacram.
Noppius, Aacher Chronick (1632) Th. I, S. 174: darüber wird die Sententz
deß Todts vber jhn außgesprochen, und er mit dem Schwerd hingerichtet,
und begraben ausserthalb S. Jacobs Pfort neben der gemeiner Strassen auft*
der Pferds-Heyden. Vgl. Meyer, Aachensche (xeschichten I, S. 445; Haagen,
(beschichte Achens II, S. 132.
112 H. Loersch
neben dem Junkersthor, und der Kichtplatz befand sich, wie die
Erwähnung des Weihers im ßentenverzeichniss beweist, auf
der linken Seite der aus dem Junkersthor, somit auf der rechten
der aus dem Jakobsthor lierausführenden Strasse. Walirschein-
lich war er von dieser aus leichter zu erreichen und das wird
die wohl als jüngere anzusehende Form der Ortsbestimmung
veranlasst haben.
Die Ermittelimg der Lage und Bedeutung des „cimiterium
domicellorum^ verbreitetnun auch wünschens werthes Licht über
Entstehung und Wesen eines andern in den Aachener mittel-
alterlichen Quellen nicht selten gebrauchten Wortes. Der in
so eigenthümlicher Weise bezeichnete Rieht- und Begräbniss-
platz hat nämlich offenbar seiner nähern Umgebung den Namen
gegeben und deshalb heissen die vor dem Junkers- und
dem Jakobsthor zwischen den nach Vaels und nach Lüttich
führenden Strassen gelegenen Felder und Wiesen, auf denen
sich eine Mühle und ein alter befestigter Wohnsitz befand, in
manchen Urkunden des 14. Jahrhunderts „die Juncheit**. Denn
dieses Wort, welches genau wie viele andere auf heit endigende
gebildet ist, bedeutet offenbar: das, was zu den Junkern in
Beziehung steht, was zu den Junkern gehört. Die Juncheit
ist eben das an den Junkerskirchhof anstossende Gebiet. Daher
wird das Junkersthor mehrfach Juncheitsthor genannt. Von
der Juncheit führte dann wieder eine adelige Familie, deren
Mitglieder im 14. Jahrhundert auftreten, und welche etwa bis
zur Mitte dieses Jahrhunderts im Besitze des oben erwähnten
Wohnsitzes war, den Namen ^ Ob diese Familie in Beziehung
') Die urkundlichen Nachrichten über die Juncheit sind zusammengesteUt
bei Quix, Beiträge zur Geschichte der Stadt Aachen II, S. 51—55 und
Geschichte der Stadt Aachen II, S. 72 f., sowie Hist.-topogr. Beschreibung
S. 72. Er sagt an den beiden ersten Stellen, jedoch ohne jeden Nachweis:
und in einer Urkunde kommt gar „Juncheits-Kirchhof" vor. Drei der hier
von ihm erwähnten Urkunden sind später veröffentlicht. Vgl. Quix, Die
Pfarre zum h. Kreuz S. 42 (1322, Februar 10); Codex dipl. Aquensis p. 230,
no. 331 (1340, September 1); Geschichte der ehem. Abtei Burtscheid S. 426,
Nr. 184 (1364, Oktober 1); Hennes, Cod. dipl. ordinis sanctae Mariae
Theutonicorum II, p. 353, no. 410, p. 888, no. 449. Vgl. auch Haagen,
Geschichte Achens I, S. 235, Anm. 1, S. 256 f.; die hier vorgeschlagene
Ableitung des Wortes Juncheit vom lateinischen iuncus ist selbstverständ-
lich verfehlt. Es kommt zuerst vor in einer Notiz des ältesten Theils des
Nekrologiums des Marienstifts zum 3. März; vgl. Quix, Necrologium b. M.
V. p. 14, 1. 6: 0. Wilhelmus, frater noster, pro quo habemus II denarios et
Die Katharinenkapelle beim Aachener Münster. 113
stand zu den unzweifelhaft echten Aachener Münzen aus den
siebenziger Jahren des 14. Jahrhunderts, welche die Bezeich-
nung „moneta Juncheit^ tragen, oder ob letztere auf andere
Verhältnisse zurückzuführen ist, wird, so lange nicht neu auf-
gefundene Urkunden neue Aufschlüsse geben, kaum zu ent-
scheiden sein ^
2.
Absatz 7 des Verzeichnisses führt in das Innere der Stadt
und zu den der Gemeindeverwaltung gewidmeten Gebäuden: civi-
tas de magna domo magistrorum civium 27 solidos. Die Stadt
Aachen hatte somit der Katharinenkapelle von einem den Bürger-
meistern in ihrer amtlichen Stellung zur Benutzung überwiesenen
Hause einen Erbzins von 27 Schilling zu zahlen. In Wirklich-
keit figurirt diese Leistung denn auch in den Ausgabe-Rech-
nungen von 1385/86 und 1894/95, während sie in allen erhaltenen
altern Rechnungen fehlt ^. Leider nennen aber die beiden späten
und kurzen im Vorhergehenden bereits verwertheten Notizen
zwar die Kapellane der Kapelle als Empfänger der Zahlung,
nicht aber das Gebäude, von dem der Zins entrichtet wird.
Das ret um so mehr zu beklagen, als die Bezeichnung „magna
II capones de curtilibus in Juneheit. Das Junkersthor wird zuerst als Juncheits-
thor erwähnt in Urk. von 1418, Juni 19 bei Drcsemann, Die Jacobskirche
zu Aachen S. 82 f., dann 1436, vgl. oben S. 109, Aura. 1, femer in Urk. von
1442, Mai 7 bei Dresemanu a. a. 0. S. 86 f. und von 1442, Mai 13 bei
von Fürth, Beiträge II, Anh. 1, S. 98, Nr. 35, sowie in mehrem Urkunden
aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bei Dresemann a. a. 0. S. 100,
101, 111 und in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins VIII, S. 236,
Nr. 13. — Wie lange das Wort Juneheit, welches Urkunden von 1400 und
1442, sowie Kirchenbücher des 16. und 17. Jahrhunderts als Flurbezeichnung
anwenden (Dresemann a. a. 0. S. 81, 88, 71, hier auch Jonkertstcynynck
und Junckheitssteinwegh), im Gebrauch blieb, ist noch zu erjnitteln, im vorigen
Jahrhundert scheint die mit Junker zusammengesetzte Benennung für Thor
und Gegend zu überwiegen; ein Kaufakt vom 18. Dezember 1722 bezeichnet
mehrere Stücke Garten- und Wiesenland vor dem Junkersthor am Bach und
am Eyerberg gelegen mit dem Gesammtnaraen „der Junker", vgl. Pick,
Bericht über die Verwaltung des Archivs der Stadt Aachen im Jahre 1887,
S. 7, Nr. 2U
') Ueber diese Münzen vgl. Leitzmann bei von Sallet, Zeitschrift
für Numismatik II (1874), S. 76 ff.
>) Die Stellen sind S. 97, Anm. 4 abgedruckt.
8
114 H. Loersch
doraus magistroruin civiuni" im ßentenregister zum ersten Mal
und neben dieser an keiner andern Stelle begegnet. Jeden-
falls ist aber doch hier ein bekanntes, in den bisher veröffent-
lichten Urkunden wohl sicher oft erwähntes Gebäude gemeint,
dessen allgemein üblicher Name auch dem Schreiber des Renten-
registers vorgeschwebt hat, von ihm jedoch mehr oder weniger
. stark geändert worden sein muss. Beim Aufsuchen desselben
ist nun eine doppelte Möglichkeit ins Auge zu fassen. Es ist
möglich, dass die Willkür der Gestaltung nur im ersten Theile des
Namens zur Geltung gekommen ist, so dass die Worte „magna
domus" in freier Wendung eine Oertlichkeit bezeichnen, deren
wirklicher Name ein anderer ist, aber doch auf die Bürger-
meister hinweist; es können aber auch die Worte „magistrorum
civium" ein willkürlicher Zusatz sein zu einem Ausdruck, der
geradezu „magna domus** oder doch ähnlich lautete. Die im
Folgenden nach beiden Gesichtspunkten versuchte Feststellung
der Lokalität und die sich daraus ergebende Begründung der
Verpflichtimg der Stadt zur Leistung der 27 Schilling, haben
darum nur den Werth von Vermuthungen. Sie sollen jedoch
vor Allem zu weitern Nachforschungen anregen und erfüllen
ihren Zweck auch dann, wenn sie nach Auffindung neuer und
zuverlässigerer Zeugnisse eine vielleicht rasche Widerlegung
finden.
Wird davon ausgegangen, dass die Erwähnung der Bürger-
meister deshalb der im Eentenverzeichniss gebrauchten Bezeich-
nung anhafte, weil sie auch ein integrirender Bestandtheil des
dem Schreiber vorschwebenden landläufigen Namens der von ihm
gemeinten Oertlichkeit war, so darf als feststehend angenommen
werden, dass damit weder das alte, noch das um 1370 vollendete
neue Rathhaus gemeint sein kann, denn jenes wird stets als
„domus civium**, „der Bürger Haus", oder als „domus consilii"
bezeichnet^ und diesem wird gegen Ende des 14. Jahrhunderts
fast noch ausschliesslich der von dem Festraum der Pfalz her-
genommene Name „der Saal", „aula", beigelegt. Bei allen
Namen, welche für beide vorkommen, ist ein Hinweis auf die
Bürgeimeister dem Sprachgebrauch der Aachener Quellen völlig
0 „Gramen", „Gras", „der Bürger Gras" wird im 14. Jahrhundert nur
der hinter der domus civium liegende, zum Theil als Weinherg benutzte
Anger, niclit, wie später oft, das Gebäude selbst genannt.
fremiL Ani vnem niiir ^mii Ziu^ \nu tuiif ^-hillui^ '; von oiiu^r
Kente. welche .intMi*^M»m :r»*liisri't hatte, UMdvi suli tu kWu luuh
Dungeii kr'Lne ^piir. L>as ^irr^Sv^o Haus Jcr Uui^ornicisioi"* •' \\aro
als4> anderwärts zu siu'Iitru. H*">cli^t wuhrsdioinlivh iHV.ouhiirt
der S<:lireil)er dos RenrenvtTZt'ichni>isci> mii vlv'ii Wortvii ^UKi'jiia
dumos iiiairi>trf)niiu civiuin* eine iu dou Kochiumi^on dr.^ l l.
Jahrhondertii selir *>ft erwähnte iVrtlivhkeit, wcKho seil ilvv
zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ^lobium uiai^istiHHiiiu riNUiin"*
genannt wird.
Die Stadt Aachen näherte sich iu deu tlrci>>^i^cr .lahiou
des 14. Jahrhunderts nut rasrheu SchritttMi iloiu llii|(r|iuiik(
ihrer mittelalterlichen Hlüthe. Klir «lit^ lUHmiiurulliKiii iiimI
zahlreichen Bedürfnisse der st/hltisrluMi N'iMsvaltiniM M<'ii"Mh'ii
nun die wenig'en und nur müHsi^ «nmhcii KiIiimms vvch Iic. ^\i\,^
unter König Richard erbaute IfatliliaiiH hnt, nicht Mich) j c«
wurden andere Gebäude bald K'in^i hahl thcilwcinc. \nti\\n'y
gehend oder dauernd in Hcnut/nn// genommen. In tUn Aul
Zeichnungen des KentnieihtiTH, w<*|chc ilnt* »lli-lc Mu/I* tUy
städtischen Rechnungen bilden un<J wahrrchijnli^h d'/n J<ihM' i'^'/'i
angehören. Mird nun IxTicbtit, <J;i;-r di<* huii/* nun-u y n jI
städtischen Beamt-en nK^hrfa^li ^/u <)<»<'* M-)jjl/Mt/*o yi\,>^.uu
und dass sie an denjM'H^'u ()i'\A* hui '/,. J«Jj nin Al^i^i- .i j
entgegen trenoiuin^'u hü^t-n^, h-*- J<< « 1 1, "(.;/< u <)«* i.i" i i*..
Jahre zei^ren d»'utii''ij. um v;^f t- ri'u hyii.':* «» \ '^n «'j-.- i
Manne, der si'-L Lufjv.;.' voi. r It-ii- i,..jm '< i,..t '.,* . «*' .
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116 H. Loersch
dieses lobium erscheint nun während des ganzen 14. Jahrhun-
derts als der Ort, an welchem vorzugsweise die Bürgermeister
in ihrer amtlichen Eigenschaft gewisse Handlungen der Reprä-
sentation und zahlreiche Geschäfte vornehmen. Hier übergeben
die Gesellen der Zünfte zu Fastnacht ihre Geschenke^, hier
werden bei den verschiedensten Anlässen amtliche Arbeiten
verrichtet, Verhandlungen gepflogen und Mahlzeiten einge-
nommen^, namentlich aber die zahlreichen Weinspenden verab-
reicht, welche im offiziellen Verkehr der Stadt eine so grosse
Rolle spielen^. Daher kommt es denn, dass die Ausgaben,
welche hier gemacht werden müssen, einen stehenden Posten
in allen Rechnungen bilden ^. Für die Ausstattung der Lokalität
mit Matten und Sitzen, für die Weinkannen und anderes Geräth,
welches hier gebraucht wird, trägt die Stadt Sorget Sie hat
dann bald auch das Eigenthum an dem für die Verwaltung
offenbar unentbehrlich gewordenen lobium erworben. Die Rech-
nung von 1344/45 enthält noch einen Posten von 20 Mark,
welcher den Kindern des Ludwig von Kleve für Miethe, Feuerung
und Licht des vergangenen Jahres nach Verhältniss der abge-
laufenen Zeit gezahlt worden ist*; die des Jahres 1346/47
weist dagegen einen entsprechenden Ansatz nicht mehr auf,
während sie, wie die der folgenden Zeit regelmässig, über die
Zusammenstellung bei Loersch, Die Rechtsverhältnisse des Kohlenbergbaus
im Reich Aachen, Zeitschrift für Bergrecht XIII, S. 518 ff.
^) A.-R. von 1338/39, Laurent S. 137, Z. 20.
*) Vgl. z. B. A.-R. von 1334/35, Laurent S. 107, Z. 17; von 1349/50,
Laurent S. 204, Z. 26; S. 207, Z. 19; S. 230, Z. 30; von 1376/77, Laurent
S. 256, Z. 32; S. 260, Z. 1.
•'') Vgl. z. B. Laurent S. 157, Z. 22; S. 242, Z. 24; S. 250, Z. 12;
S. 251, Z. 6; S. 255, Sp. 1, Z. 17; S. 261, Sp. 2, Z. 5.
♦) Zuerst in der Ausg.-Rechnung von 1338/39: de cxpensis lobie (so)
Kleyve factis per totum aunum 69 m., Laurent S. 130, Z. 39; dann Ausg.-
Rechnung von 1344/45: de .cxpensis hoc anno supra lobium magistrorum et
alibi factis 135 m., Laurent S. 159, Z. 19. Vgl. aber auch Laurent S. 189,
Z. 12; S. 242, Z. 13; S. 250, Z. 30; S. 257, Z. 14; S. 260, Z. 23; S. 297,
Z. 12 (mit der Anmerkung); S. 304, Z. 11.
*) Vgl. Laureut S. 136, Z. 34; S. 195, Z. 26; S. 108, Z. 20; S. 112,
Z. 12; namentlich aber Ausg.-Rechnung von 1344/45: de camera, scampnis,
tripedibus supra lobium magistrorum civium in universo lO^j m., Laurent
8. 149, Z. 33.
«) Laurent S. 157, Z. 32.
\
Die Katharineukapelle beim Aachener Münster. 117
Kosten der Heizung der Laube berichtete Im Jahre 1345
oder 1346 ist somit das Eigen thum an letzterer von den Kindern
und Erben des Ludwig von Kleve auf die Stadt übergegangen,
welche jetzt hier wie in den andern städtischen Gebäuden für
Heizung und Beleuchtung zu sorgen hatte. Nunmehr ver-
schwindet auch der frühere Name völlig, es ist nur noch von
dem lobium magistrorum civium die Rede, und die Stadt nimmt
hier von nun an selbst kleine Bauten und Reparaturen vor*,
während sie nach wie vor für die Ausstattung Anschaffungen
macht '. Neben dem lobium der Bürgermeister und zu gleichen
Zwecken städtischer Verwaltung und Repräsentation ist aber
auch das alte Rathhaus stets gebraucht worden, namentlich,
wie es scheint, dann, wenn eine grössere Zahl von Raihsherren
und städtischen Beamten sich um die Bürgermeister schaarte^.
In den achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts nimmt dann in
solchen Fällen mehr und mehr „der Saal**, das neue Rathhaus,
die Stelle des letztem ein^; aber bis um die Zeit, in welche
die Entstehung des Rentenverzeiclmisses zu versetzen ist, hat
die Bürgermeisterlaube, welche die Rechnungen jetzt meist nur
noch kurzweg „lobium'^ und „die loeve" zu nennen pflegen, in
der alten Weise der städtischen Verwaltung gediente
*) Laurent S. 182, Z. 14 und S. 195, Z. 30. Im Jahre 1349/50 kostete
die Heizung der Bürgermeisterlaube sogar mehr als die des alten Ilathhauses,
Laurent S. 224, Z. 35 flf.
») Laurent S. 187, Z. 1; S. 195, Z. 24; S. 396, Z. 16. Nur noch einmal
taucht der Name auf in einem Privatvertrag von 1360, Mai 1 bei Loersch,
Achener Rechtsdenkmäler S. 178 f., Nr. 5. Hier stellt Kolin Buc als Theil-
haber einer zum Betrieb eines Weinhandels abgeschlossenen Gesellschaft dieser
„den kelre zu Kleve** für fünfzig Gulden jährlich, welche aus der GescUschafts-
kasse vergütet werden, zur Verfügung. Ein anderer Theilnehmer bringt
,8inen kelre**, d. h. seinen Weinvorrath in die Gesellschaft. Kolin Buc
hatte anscheinend den KeUer unter dem lobium für jene Summe von der
Stadt gemiethet; vieUeicht war damit ein offener Weinschank verbunden. Da
die Stadtrechnungen zwischen 1353 und 1373 fehlen, ist Vergleichung aus-
geschlossen, die spätem enthalten keinen entsprechenden Posten.
*) Laurent S. 195, Z. 25.
*) Vgl. z. B. Laurent S. 177, Z. 35; S. 179, Z. 7; S. 209, Z. 28, 35;
S. 210, Z. 5; S. 224 a. E. und 225.
*) Vgl. z. B. Laurent S. 250, Z. 6 ff.; S. 272, Z. 14; 8. 273, Z. 12, 15,
36, 39; S. 274, Z. 11; S. 301, Z. 19.
•) Vgl. z. B. Laurent S. 250, Z. 12; 8. 256, Z. 32 ff.; i^
Z. 6; S. 309, Sp. 2, S. 19; 8. 310, 8p. 1, Z. 15: Item unaa
118 H. Loersch
Fraglich könnte es erscheinen, ob denn die Uebersetzung
des Wortes „loeve" mit „magna domus'' überhaupt denkbar
und zulässig sei. Loeve ist die niederrheinische Form für das
mittelhochdeutsche „loube**. Dieses Wort bezeichnet zwar auch
eine Gallerie, einen offenen Gang am obern Stockwerke eines
Gebäudes, ungleich häufiger aber eine bedeckte Halle und den
vor einem Gebäude liegenden Bogengang ^ Solche Bogengänge
wurden im Mittelalter bekanntlich vorzugsweise als Verkaufs-
stellen für den Kleinhandel benutzte Nach Allem, was die
Rechnungen berichten, war nun das lobium magistrorum civium
unzweifelhaft nicht ein Eaum in einem Hause, sondern ein
selbständiges Gebäude oder doch ein in sich geschlossener
Theil eines solchen; das Gleiche ist auch von den andern in
den Rechnungen erwähnten „Lauben" anzunehmen* und eine
derselben wird geradezu hier domus genannt^. Auch die Zunft-
häuser sind bis ins vorige Jahrhundert hinein mit dem Worte
„leufe" bezeichnet worden ^ Dem Sclireiber des Registers ist
aber die lateinische Form „lobium'' vielleicht nicht geläufig
gewesen und das könnte ihn zu der etwas steifen Uebersetzung
durch „magna domus" gezwungen haben.
Die Entstehung der der Katharinenkapelle zukommenden
Rente von 27 Schilling bleibt auch nach den vorstehenden
Ausführungen ii\ Dunkel gehüllt. Darf aber angenommen werden,
dass sie in der That von jenem Hause des Ludwig von Kleve
zu entrichten war, so kann sie nur von letzterm selbst oder von
der loeven den barbier; S. 315, Sp. 2, Z. 10; S. 324, Sp. 2, Z. 9; S. 327,
8p. 2, Z. 12; S. 331, Z. 37: Item unse heren ayssen up der loeven umb des
geleytz wille zu zwen moelen; S. 332, 8p. 1, Z. 26, Sp. 2, Z. 14; S. 338,
8p. 2, Z. 30; S. 362, Z. 9 f.; S. 372, Z. 32, wo es selbstverständlich heissen
muss: Item up der loeven, ze Brüyssol, der steede gesinde . . . ; S. 375,
Z. 4; S. 377, Z. 37; 8. 378, Z. 12; S. 390, Z. 19 (ein jeden Monat wieder-
kehrender Posten).
^) Vgl Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch I, Sp. 1964, unter
loube.
^ Vgl. Gengier, Deutsche Stadtrechts-Alterthümer S. 146 ff.
^) Ein lobium, in welchem die BUden stehen, nennt z. B. die Ausg.-
Rcchnung von 1346/47, Laurent 8. 186, Z. 12 f., das lobium magistrorum
operis wird oft erwähnt, vgl. z. B. Laurent S. 165, Z. 9; S. 182, Z. 15.
*) Vgl. die oben S. 97, Anm. 3 angegebenen Stellen über das lobium
oder Haus des PoUex und die Nachricht über den Keller zu Kleve S. 117, Anm. 2.
^) Qu ix, Hist.-topogr. Beschreibimg der Stadt Aachen S. 148 f.
Die KatL'arinenkapelle beim Autbener iinnnler. 110
einem frühern Eigeothümer seinem Grundstück auferlegt worden
sein. Als die Stadt dieses erwarb, ging selbstverständlich die
Pflicht zur Entrichtung der Rente auf sie über.
Wo das hier besprochene, in den bisher veröffentlichten
Urkunden, abgesehen von den Stadtrechnnngen, anscheinend nicht
erwähnte Amtslokal der Bürgermeister lag, lägst sich aus den einst-
weilen zur Verfügung stehenden Zeugnissen nicht bestimmen '.
Die vorstehenden Ausführungen sind, wie von vorn herein
gesagt wurde, von der Vorausset2ung ausgegangen, dass die
Bezeichnung, welche der Verfasser des Rentenregiaters für das
belastete Gebäude braucht, durch die Beziehung auf die magistri
civiiun vor Allem bestimmt sei. Die Redeweise der Stadtrech-
nungen aus den achtziger Jahren des 14i Jahrhunderts erheischt
jedoch, dass anch noch die zweite oben angedeutete* Möglich-
keit ins Auge gefasst werde.
Die Einnahme- Rechnung von 1385/86 enthält zuerst eine
grössere Reihe von Beträgen, welche die Stallt aus der Ver-
miethung von Buden oder Ladenräumen * an verschiedenen Stellen
bezog. Eine ünippe dieser sog. Gademe wird zusammeugefasst
unter der Bezeichnung: „I)it sind die godumen up den niart vur
deme grosen sale." Diese selbe Gruppe kehrt nun noch zweimal
wieder in den Einnahme-Rechnungen von 1387/88 .und 1391/92,
liier aber jedesmal mit der Ueberschrift: „Dyt sint dye gedunmien
up den mart vur deme groisme (groissen) huys." Diese Stellen*
beweisen, dass man in Aachen um die Zeit, als das Register
aufgezeichnet wurde, das neue Rathhaus, den Saal, auch das
,grnsse Haus" nannte. Insofern wäre die Uebersetzung mit
„magna domus" dem Sprachgebrauch vollkommen angepasst und
dies würde wiederum zu dem Ergebniss führen, dass trotz des
oben geltend gemachten Schweigens aller altern Quellen das
neue Rathliaus iu der That mit einer Erbrente zu Gunsten der
Katharinenkapelle belastet war. Es ist durchaus unwahrschein-
licli, dass diese Belastung durch königliche Freigebigkeit
entstanden wäre. Die Kapelle ist zu einer Zeit gestiftet,
itündlicb
120 H. Loersch
in welcher Verfügungen der Könige über die Reste der Pfalz
nicht mehr vorkommen und also auch Beschwerungen derselben
durch einen Zins ausgeschlossen erscheinen. Denkbar ist aber
eine andere Art der Entstehung. Der Bau des neuen Aachener
Rathhauses hat unzweifelhaft die Beseitigung manches auf dem
ursprünglichen Boden der Pfalz stehenden Gebäudes erfordert.
Im Laufe der Jahrhunderte war sicherlich durch rechtmässige
wie unrechtmässige Vorgänge aller Art das Terrain vor und
hinter dem Saal in den Besitz der Bevölkerung gelangt, zur
Ansiedelung im Mittelpunkte der Stadt benutzt worden; für
den grossartig angelegten Neubau musste, wenn er auch an
der Stelle des alten Festsaales sich erhob, doch nach allen
Seiten Luft, Licht und freier Zugang geschaffen werden. Den
Absichten der städtischen Verwaltung dürfte gerade um die
Zeit, als man sich mit der Absicht trug, ein Rathhaus zu schaffen,
der grosse Brand vorgearbeitet haben, der im Jahre 1344 oder
1345 in der Gegend des Marktes wüthete. Die Chroniken
wissen nichts von ihm zu berichten; aber die Stadtrechnungen
zeigen, dass er viele Häuser zerstörte, dass die Stadt die Brand-
stellen erwarb und dass mit diesen Erwerbungen vielfach die
Ablösung der auf jenen lastenden Renten, namentlich soweit
Privatleute zu deren Bezug berechtigt waren, Hand in Hand
gegangen ist K Die Stadt hat dann auf mehrern der so an sie
gelangten Bauplätze, etwa zur selben Zeit, als sie das Rath-
haus baute, zusammenhängende Reihen der oben bereits genannten
Gademe errichtet, welche ihr, wie die Rechnungen von 1385
an zeigen, nicht unbedeutende Einnahmen brachten 2. Das eine
oder andere Gnindstück ist aber auch beim Bau des Rathhauses
sicherlich zu dessen Freilegung sowohl nach dem Markte wie
nach dem Katschhof zu verwendet worden. Da kann es leicht
gekommen sein, dass die Rente, welche auf einem solchen ruhte,
der Stadt zur Last fiel und nunmehr auf das „grosse Haus"
übertragen schien, in welches jenes gleichsam aufgegangen war,
weil es seinetwegen verschwinden musste. So würde allerdings
in befriedigender Weise der Umstand erklärt, dass die Stadt
erst seit den achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts als Schuld-
') Auf alle diese Vorgänge bezieht sich eine Reihe von Positionen in
der Ausg. -Rechnung von 1344/45, Laurent S. 143—146.
2) Vgl. Laurent S. 357—359, 366—368, 383—385.
Die Katharinenkapelle beim Aachener Münster. 121
nerin der Katharinenkapelle erscheint. Immerhin bleibt aber
doch der Zusatz „magistrorum civium*' auffallend, da er in keiner
Weise zu dem Sprachgebrauch der Rechnungen und anderer
Urkunden stimmt; er kann nur auf Unkenntniss oder Laune des
Schreibers beruhen.
Das Ergebniss der Untersuchung bleibt ein unbefriedigen-
des; um so stärker regt sich der Wunsch nach Auffindung ent-
scheidender Zeugnisse.
3.
Zu den in mancher Beziehung beachtenswerthen Seiten
der städtischen urkundlichen Ueberlieferung gehört die in ver-
schiedenen Formen auftretende Bezeichnung der einzelnen Häuser.
Geht diese naturgemäss von der Nennung der Strasse aus, an
der das Haus liegt, so ergibt sich bei dichterer Bevölkerung
und entsprechender Bebauung der Grundstücke, mit denen dann
auch regerer Umsatz dieser selbst durch Privatgeschäfte und
häufiger Wechsel durch Erbgang Hand in Hand gehen, das
Bedürfnis» genauerer Kenntlichmachiuig. Diese lässt sich zunächst
auf zwei Wegen erreichen, entweder durch Häufung örtlicher
Angaben und topographischer Merkmale oder durch Verwertliung
von Personennamen. In der letztem Richtung kann dann wiederum
der Name des Eigenthümers oder der des Benutzers, des Miethers
oder Zinsmannes, dienen. Dabei ist zu genauerer Feststellung
noch die Verbindung der beiden Kategorien von Bezeichnungen,
sowie das Zurückgehen auf den Vorgänger des einen oder
des andern oder beider Berechtigten naheliegend. Fast von
allen sich so ergebenden Möglichkeiten liefert das Renten-
verzeichniss Beispiele. Aber auch eine ganz andere Art genauerer
Bezeichnung ist in ihm vertreten: die Benennung des Hauses
mit einem ihm eigenthüm liehen Namen. Diese ist ungleich
prägnanter als alle übrigen Versuche der Charakterisirung, weil
sie dem Hause gleichsam Persönlichkeit verleiht, welche unver-
ändert bestehen bleibt, trotz allen Wechsels in den Personen
der Eigenthümer oder Nutzungsberechtigten und trotz etwaiger
Aenderungen in der nähern Umgebiuig des Hauses selbst.
Welche Art der Bezeichnung in den deutschen Städten
überhaupt und in Aachen besonders die ältere, welche die
häufigere zu bestimmten Zeiten sei, ist bis jetzt anscheinend
nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen. Unzweifelhaft
122 H. Loersch
wird auch hier die Verschiedenheit der Stufen städtischer Ent-
wickelung, wie der Unterschied der Stämme und Gegenden sich
geltend machen. Im Grossen und Ganzen scheint in Aachen
die einfachere Form, Bezeichnung nach Eigenthümer oder
Benutzer, in den altern Urkunden, d. h. in denen des 13. und
des Anfangs des 14. Jahrhunderts zu überwiegen^; die Zeit
reicherer Anwendung wirklicher Häusernamen dürfte das 15. Jahr-
hundert sein ^ In den beiden folgenden Jahrhunderten gibt es
dann, namentlich in den ältesten Theilen der Stadt, kaum ein
Haus, das nicht den seinigen hättet Wird in der Regel ein
solcher Name als ein Erzeugniss der Geschichte des Hauses
anzusehen sein, weil er an irgend eine Seite seiner gleichsam
individuellen Existenz anknüpft, so ergibt sich schon von selbst,
dass erst auf der Höhe städtischer Entwickelung bei einer
grössern Zahl von Häusern die Vorbedingungen für einen
stehenden Namen eingetreten sein werden, sofern dieser nicht
von einem gleich bei der Errichtung dem Hause gegebeneu
äussern Zeichen hergenommen ist. So sind es, wenn von dem
letztgedachten Vorgang abgesehen wird, meist schon alte und
eine gewisse Bedeutung beanspruchende Häuser, bei welchen
zuerst solche individuelle Benennimg auftaucht^. Die Entstehung
des einzelnen nicht gerade an ein Zeichen anknüpfenden Namens
zu ergründen, die oft dunkele Bedeutung desselben festzustellen,
an der Hand des Namens dann die Geschichte des Hauses zu
verfolgen, das alles darf gewiss als eine der lohnendsten und
anziehendsten Aufgaben lokaler Forschung bezeiclmet werden.
*) In der manches Haus erwähnenden Urkunde von 1215, Quix, Die
konij^liche Kapelle S. 8« f., kommt kein, in den beiden Urkunden von 1290,
AprU 26, Ritz, Urkunden und Abhandlungen I, 1, 8. 103 ff., Nr. 10 und 11,
nur ein Hausnarae vor; die Urk. von 128H, Juni 17, Lacomblet, Urkunden-
buch II, 8. 485, Nr. 817, enthält wahrscheinlich auch nur einen. In dem
Nekndopum des Marienstifts finden sich nur sehr wenige Häusernamen.
*) Man vgl. z. B. die im Re^rister zu den Annalen des bist. Vereins tür
den Niederrhein S. 24 zusammentresteUten, fast alle einer einzigen Urkunde
dieses Jahrhunderts entnommenen Namen, sowie die Urkunde von 1442, Mai 7
bei Dresemann, Die Jacobskirche zu Aachen S. 8ß ff.
^) Man Viil. nur die v<m Quix an verschiedenen SteUen veröffentlichten
Zinsregister aus dieser Zeit, in welchen freilich mancher Name bis zur
Unkenntlichkeit entstellt ist.
*) Wie z. B. das Haus Blandin, vgL Haagen, Geschichte Achens I,
s. le:».
Die Kaüurbenkapelle beim Aachener MOiLster. 12a
Ein in diesem Sinne angelegtes YerzeidiniNs der aus schon
gedruckten Urkunden bekannt gewordenen Aachener Häuser-
namen würde sich bald als ein ausseiest nützliches, in gewissem
Sinne unentbehrliches Htilfsniittel erweisqn *. Zu einem ^olchtMi
Verzeichniss liefert das Rentenregister der KatharineukaiMMIe
nur drei Namen, von welchen jedoch keiner ohne Bedeutunir
und ohne Beziehung zu bereits bekannten That^-achen und Ver-
hältnissen ist.
Absatz 8 nennt zur Bezeichnung der Laee eines zin—
Pflichtigen Hauses, aber ohne Angabe der Strasse, die g»«» ii-
öberUeerende domus de aurea barba. Dieses letztere Hau- \fcird
im folgenden Jahrhundert em^ähnt als dem ReguIirherreukl-.-r^r
zinspflichtig in Folge der von Konrad vom Eichhorn irerh.iri^'f. n
Schenkunjren, Leider lässt die wahrscheinlich aus dem Jahrv- I4i' #
stammende Urkunde, in der es aufgeführt wird, au» h l:- L:
erkennen, in welcher Strasse es stand*.
Bei der , domus Vetten in Kockerel", deren Absatz 14
gedenkt, dürfte die Genetivfonn des Namens auf die I^iV^-
beschaffenheit eines frühem Kv^r(n\ihiim*'r^ o^ler Bewohner> hin-
weisend Am 14. Septeml»er 14(X) kaufte der einer liekaijuten
und oft genannten Aachener Familie an^'^^'hörij/'e Wilheliu KN^ ker
ein Haus „Vette", welches wahrj^( heiuli^ h njit dem im I{< ut^n-
register genamiten identisch i»^t; er verwandte es njit ejijeni
andern von seinem Vater ererbten (;ebaiide 7Mr Krri« ljtu]i;r
eines neuen Hauses, das an der Jak<>b^tra^^^e auf der J^au ix^beji
dem „weissen Pferd*" stand und den Namen ^der Kaiser** erjjielt *.
^) Eine vortn'fflirh»- AHm it divr^-r Art iM : (<'. StLiujdt und V\'a«k«'r-
iiag(*l) Stra<>banror <Ta^M-u- und HäuNer-N<ini«u iiu Mjtnlalr.r. *^, AulL.«'!,
.Stra^^ihurg lSk7. V^Ur Kh^inl^+r^t-r Häu^e^u^nlen hi*iAi\t j/ut A. S«|iinii/
in den Mittheilung-en d^^s V^^rt^ins wn Gt'b<'bi<'ijt>fn'Uii<l«-ü /u J<)n iiJxf/ I,
S. 72 — M ; die der Stadt B<»un bind zuhamiii« t^;r♦•^r^ 11t in dir J^oiiu*! /mIum;^
Ihtjä, Nr. 249, Bt^ilafTP und Sr. :^:>o. Kint- AiiZi.lil v<*u Aa<'li<ü«r Ji.iUMi ,
Strassen- und Flumameii Im^i Dr^-nmianu a. a. <K H. Tu fl.
*) VgL Annalen des bJM. V»'n*in- für d^-n Ni* drrrh« in XXI, h. 'Zh'/
Nr. «3: Item dat Luv-**, zrn truld»-nrn W-rd«-, 32 r. iijd :i d. /m 1\ji,-ijiv.-.m
(WWhn&rhten). Sollte ^(j da» b«-i Pre-^e uja ii n a. a. (». S. 71 « rwalmt*' Huiiii
,der Bart** in der Köln«tra^se «ein r
^) \^L ähnlich Laurint S. 38'>, Z. 27 von «iucr Üudr: Itiuj dal ^^•i^t^
dar by hait die vette Martrrtte.
*) Freundliche Mitthtilun^^ de« Htrm ». Th. JhlmrKeij in Köln aui*
ungedrucktem urkuudli'li»'n 3Iattrjal. leb^r die Familie Klwker im Itf, Jiüu:«
i
124 H. Loersch
Beim Haus Vette ist anscheinend der Hausname aus einer
Eigenschaft des frühem Eigenthümers oder Bewohners hervor-
gegangen, auf einen ähnlichen Vorgang ist die Bezeichnung
eines Hauses am Hof als das „des Schwaben** in Absatz 9
zurückzuführen; ein eigentlicher Hausname ist freilich hier noch
nicht zur Entstehung gelangt. Bei der „domus Sewis" in
Absatz 27 ist wahrscheinlich nicht an einen Hausnamen, sondern
an Bezeichnung des Hauses durch den Namen des Bewohners
oder Eigenthümers zu denkend
Mit überzeugenden Gründen hat jüngst ß. Pick den Nach-
weis geführt, dass es zu Aachen einen „ Eisenmarkt ** genannten
Platz nie gegeben hat, dass die hier wie anderwärts vorkom-
mende Bezeichnung „up't Iseren** (= auf dem Eisen) vielmehr
auf eine eiserne Sperrvorrichtung zu beziehen ist, welche an
den Eingängen von Kirchen oder andern Gebäuden, von Kirch-
höfen oder sonstigen eingefriedigten Plätzen angebracht war.
Es gab in Aachen eine solche vor dem ßathhause und am Ein-
gang des Münsterkirchhofs von der Krämerstrasse her; ob es
sich dabei um senkrecht stehende oder horizontal liegende Eisen-
gitter handelte, bleibt fraglich, wahrscheinlich werden beide
Formen zur Anwendung gekommen sein^
Eine Notiz des Rentenregisters dürfte auf ein solches bisher
nicht bekannt gewordenes „Eisen" zu beziehen sein und bei
diesem wenigstens auch für die flache Lage den Ausschlag
geben. Absatz 24 verzeichnet nämlich einen Zins von zwölf
Denaren, der entrichtet wird von dem Hause „zu den Eost vor
dat Parvisch**. Das Haus lag, wie aus den letzten Worten
deutlich hervorgeht, am heutigen Fischmarkt ^ Von hier aus
betrat man den Vorhof des Münsters *, gelangte man zu dessen
hundert vgl. von Fürth, Beiträge II, 2, S. 137 ff. und Pick in der Aachener
Volkszeitung 1887, Nr. 97. Wenn dort gesagt ist, dass der Name sich oft iu
den Stadtrechnungeu des 14. Jahrhunderts findet, so muss darauf aufmerk-
sam gemacht werden, dass das Wort Klocker in diesen an den meisten Stellen
sich lediglich auf den Beruf, die Thätigkeit des Glöckners, campanator,
bezieht und nicht Familienname ist.
*) Die Lage in balneo bleibt dunkel.
') Vgl. Pick, Der angebliche Eisenmarkt in Aachen, in Mittheilungen
des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit I, S. 104 ff. und S. 180 f.
8) Vgl. Pick a. a. 0. I, S. 105 f.
*) Vgl. oben S. 96 und 101, Anm. 2.
Die Katharinenkapelle beim Aachener Münster. 125
Haupteingang. Wenn irgendwo, dann muss an dieser Stelle
eins der von Pick besprochenen Kircheneisen angebracht gewesen
sein, und auf dieses spielt der Hausname sicherlich an. Eine
Mittheilung aus Süddeutschland hat vor Kurzem gezeigt,
dass vor den Thoren ummauerter Kirchhöfe der Graben mit
einer gitterartig durchbrochenen Brücke überdeckt wurde, die
den Thieren, besonders den Schweinen, den Zugang wehrte.
Solche in alten Synodalordnungen „crurifragae** genannte Vor-
richtungen bestehen heute noch an einzelnen Orten ^ Aehnliche
Bedeutung wird ursprünglich der „Rost" gehabt haben, von dem
das in Absatz 24 erwähnte Haus seinen Namen erhielt, denn
bei diesem Worte ist doch vor Allem an ein liegendes Eisen-
gitter zu denken. Dass letzteres aber am Ende des 14. Jahr-
hunderts nicht mehr über einen Graben fülirte, überhaupt wohl
nur noch bestimmt war, der Reinigung der Schuhe zu dienen ^,
ist allerdings sehr wahrscheinlich.
4.
Die aus dem Renten verzeichniss für die Kenntniss der
Aachener Personennamen zu gewinnende Ausbeute ist gering.
Namen, welche ein sprachliches oder geschichtliches Interesse
böten, kommen nicht vor. Manche der Genannten sind als
Gewerbtreibende bezeichnet, bei mehrern vertritt die Angabc
des Gewerbes geradezu den Namen ; es darf angenommen werden,
dass auch die Mehrzahl der Hausbesitzer oder Hausbewohner,
bei welchen Thätigkeit und Stellung nicht angegeben ist, dem
Stande der Kleinbürger, der Handwerker und Ackerer angehört.
Die zuföllig erwähnten Gewerbe gehören zu den einfachsten
und häufigsten. Die in Absatz 4 genannte „swertzerse" ist
eine Schwarzfärberin; schon an anderer Stelle ist darauf hin-
gewiesen, dass das Gewerbe der Färber sich in Aachen früher
als anderwärts zur Selbständigkeit entwickelt hat^ Auch in
dem Goblinus von Absatz 31 ist wahrscheinlich ein Ge werb-
treibender zu sehen, ein Anfertiger von Rosenkränzen, ein Patcr-
nosterer nach dem Sprachgebrauch anderer Gegenden; freilich
*) Vgl. Korresporidenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte
und Kunst, Jahrg. VII (1888), Sp. 96.
») Vgl. Pick a. a. 0. I, S. 108, Anm. 1.
') Vgl. Loersch in Zeitschrift des Aachener Gcschichtsvercins I, S. 180»
126 H. Loerscli
lässt der offenbar verdorbene Text kaum erkennen, was der
Schreiber meint, vielleicht hat er einen sog. Satznamen wieder-
geben wollend Eine Anzahl von Namen (Absatz 1, 3, 8,
13, 17, 26) bestätigt in Uebereinstimmung mit allen Aachener
Urkunden die an andern Orten gemachte Wahrnehmung, dass
im Mittelalter die Städte zum grossen Theil von zugezogenen
Leuten bevölkert wurden, welche zunächst und bisweilen noch
für mehrere Generationen den Namen ihres Geburts- oder Her-
kunftsortes als Unterscheidungsname und als Ersatz eines wirk-
lichen Familiennamens neben dem Taufnamen beibehielten*.
Aus den rathsfähigen Geschlechtern der Stadt ist, von dem
oben schon genannten Pleban Johann von Luchen abgesehen^,
nur ein Mann genannt. Der in Absatz 25 vorkommende Johann
Colijn gehört nämlich wahrscheinlich nicht der diesen Namen
führenden Patrizierfamilie an ; er wäre sonst durch das ehrende
Prädikat „Herr" ausgezeichnet. Auch kommt der Vorname
Johannes in jener Familie anscheinend nicht zur Anwendung^.
Der einzige Aachener Patrizier, den das Register erwähnt,
ist der in Absatz 19 zur nähern Bezeichnung des von ihm in
der Bendelstrasse bewohnten Hauses beiläufig genannte dominus
Arnoldus de sancta Margareta. In den bis jetzt veröffentlichten
Urkunden tritt er nicht auf; sein Geschlecht wird überhaupt
erst um die Zeit der Entstehung des Registers genannt. Eine
Angehörige desselben, Maria, Nonne in dem vornehmen Kloster
der Weissen Frauen, bezog 1376/77 und 1385/86 von der Stadt
eine Leibrente l Wilhelm von St. Margarethen wird 1387
*) Vgl. Friedrich Becker, Die deutschen Satznamen. Wissenschaft-
liche Beilage zum Bericht der Gewerheschule zu Basel 1872/73.
*) Vgl. die ausgezeichneten Untersuchungen über die Herkunft der Be-
völkerung bei Karl Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im
XIV. und XV. Jahrhundert I, S. 154—176, 304-318, 422—505, 521—525,
591—601, 627 — 655. Aus Aachen sind im 14. Jahrhundert drei, im 15. sieben
Personen in Frankfurt zu Bürgern aufgenommen worden. Von den zwischen
1311 und 1500 eingewanderten Juden stammten einer aus Erkelenz, zwei
aus Jülich, drei aus Linnich. Vgl. auch K. Wacker in den Mittheilungen
des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit I, 8. 151, Nr. 4.
^ Vgl. oben S. 102.
'*) Vgl. Register zu Band I— VIT der Zeitschrift des Aachener Geschichts-
vcrcins S. 121 und Register zu den Annalen des bist. Vereins f. d. Nieder-
rhein S. 140.
») Laurent S. 266, Z. 32 -35; S. 351, Z. 20 ff.
Die Katharineiikapelle beim Aachener Münster. 127
genannt^; Johann von St. Margarethen' war vom 25. Mai 1394
an ein Jahr Bürgermeister *. Er wird schon 1385/86 als Raths-
lierr erwähnt'*, gegen Ende des 14. Jahrhunderts als Grund-
besitzer der Kölnthorgrafschaft in einer Liste der zur Stellung
von Pferden verpflichteten Bürger^, vielleicht auch noch in einem
angeblich dem 15. Jahrhundert angehörigen Zinsregister als
Eigenthümer eines Hauses in der Peterstrasse ^ aufgeführt.
Ob Wilhelm, Johann und Maria Geschwister waren, bleibt
ebenso unaufgeklärt, wie ihr Verhältniss zu Arnold. Erst im
Jahre 1423 tritt wieder in Kolin van Magraten, der 1446 als
Seudschöffe genannt wird^, ein Angehöriger des Geschlechts
auf. Dieses scheint dann bald ausgestorben zu sein, denn schon
1452 nennt der Aachener Schöffe Dam von Haren den Hof „zo
sent Margraiten buyssen Sant-kuyle portz", von dem es den
Namen führte, sein „erve und geseesse" ^. Das Gut, dessen alte
Baulichkeiten heute völlig verschwunden sind®, blieb in der
Familie von Haren bis zum Jahre 1628, in welchem Johann
') Laurent S. 363, Sp. 2, Z. 4; das Bruchstück umfasst die Zeit vom
6. Januar bis 2. Februar.
») Laurent S. 397, Z. 21; S. 400, Z. 12, 17,
*) Er empfängt eine Weinspende, weil er mit dem einen Rentmeister den
Weissen Frauen das übliche Weingeschenk im Auftrage der Stadt am Frohn-
leicbnamstage überbracht hatte; ein für die amtliche Etikette bezeichnender
Zug. Vgl. Laurent S. 298, Sp. 2, Z. 13 ff. mit S. 297, Sp. 2, Z. 30.
*) Loersch, Achener Rechtsdenkmäler S. 188, § 1.
^) Quix, Geschichte der St. Peter-Pfarrkirche S. 23 a. E. : Item her
Juhan van s. Margraten van Heynrichs erve was van Remunde 17 deuarios.
*) Vgl. Annalen des bist. Vereins für den Niederrhein XXI, S. 266,
Nr. 121 und Loersch, Achener Rechtsdenkmäler S. 130.
0 Vgl. Quix, Geschichte der St. Peter-Pfarrkirche S. 139, Nr. 20, ferner
Urkunde von 1453, Oktober 22, das. S. 146 f. Im Jahre 1465 war ein
jüngerer Dam von Haren (wahrscheinlich der Sohn des oben (Jenannten)
Eig^enthümer des Hofs, vgl. das. S. 144, Nr. 24. Eine auf dem Hofe lastende
Rente wird erwähnt in einem Testament von 1474, Juni 30, Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins I, S. 170 ff. Genannt wird das Gut in Urk. von
1536 bei Quix, Schloss und Kapelle Bernsberg S. 156, Nr. 43.
•) Es heisst heute noch „der Margroten-Knipp", Sandkaulsteinweg
Nr. 56.
128 H. Loersch
von Merode-Hoffalize es kauftet Im 17. Jahrhundert wird es
als Jülichsches Lehn bezeichnet*.
Die Benennung des alten Sitzes legt die Verrauthung sehr
nahe, es habe in seiner Nähe ein der h. Margaretha geweihtes
kirchliches Gebäude bestanden. Freilich fehlt jede dies bestäti-
gende Nachricht. Dass ein Oratorium an einer stark benutzten
Strasse und am Fusse des seit dem 9. Jahrhundert mit einer
Kirche geschmückten Salvatorberges errichtet worden, erscheint
aber sogar wahrscheinlich, und im Laufe der Jahrhunderte kann
eine Kapelle oder Kirche verschwunden, deren Name geblieben
sein. Papst Innocenz IV. erklärt in einer Bulle vom 9. Dezem-
ber 1248, König Wilhelm habe ihm angezeigt, wie während der
jüngsten Belagerung von Aachen mehrere Kirchen dieser Stadt
völlig zerstört worden seien; er gibt deshalb die Erlaubniss,
sie an andere Orte zu verlegend In diesem Erlasse können
kaum Kirchen gemeint sein, welche innerhalb der Stadtmauer
lagen, denn gegen völlige Zerstörung waren diese geschützt,
ebenso wenig kann es sich um St. Peter, St. Jakob und St. Adal-
bert handeln, denn alle drei werden schon 1260 als füi* den
Gottesdienst benutzt erwähnt*; dagegen liegt es sehr wohl im
Bereiche der Möglichkeit, dass die eine oder andere kleinere
Kirche oder Kapelle in der nächsten Umgebung Aachens durch
das lange vor der Stadt lagernde Heer oder durch die häufige
Ausfalle machenden Belagerten zerstört worden wäre. Der
Kardinallegat Peter hatte bekanntlich sein Lager gerade auf
dem Salvatorberg aufgeschlagen ^ So erscheint es nicht un-
wahrscheinlich, dass in jener denkwürdigen Belagerung die
*) Vgl. Qu ix, Hist.-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen S. 130;
Qu ix, Geschichte der St. Peter-Pfarrkirche S. 26; Quix, Die Frankenburg
S. 73. Wenn Quix den Namen Margraten bald auf „Maria in Rode", bald
auf „Marca in rode" trotz der feststehenden lateinischen Form zurückführt,
so bedarf der wunderliche Gedanke keiner Widerlegung.
») Noppius, Aacher Chronick (1632) Th. I, S. 141 a. E.
') Quix, Codex dipl. Aquensis p. 118, no. 170; Böhmer, Regesten
von 1246—1313, Päpste, Nr. 66; Potthast, Regcsta pontificum no. 13114.
*) Urkunden Alexanders IV. bei Quix, Geschichte der St. Peter-Pfarr-
kirche S. 123 ff., Nr. 7 und 8; Potthast 1. c. no. 17900, 17901.
*) Vgl. Lacomblet, Urkundenbuch II, S. 176, Nr. 337; Haagen,
Geschichte Achens I, S. 172 bezweifelt wohl ohne Grund, dass in dieser
Urkunde der Salvatorberg gemeint sei.
I>;e Kutharin-nkaiH-iit Ulm Aa«*ij'D»T >iu->ifr. 1:?.«
Kai>elle der h. Mar:ran:'th:i verschwand, w:^'tn:'nd ihr Auilenken
in dem Xanien df> Sitzes eiii^^s schon in ir>. .Tahrhuüdert ebtMi-
falis verschwnutleiien edlen (ieschleclitrs lortlebt l»is auf unsere
Tage.
o.
In manclien deutsrlien Städten hat dt*r Stadtbezirk und die
in ibni sich vollziehende knnimunale Ent^^^(•kelunir von vorn herein
mehrere irleiehhereehtiirt nebeneinantler hoteliende Ptarrl^ezirke
umschldssen, welche dann suirar innerhalb der hohem Einheit
<ler städtischen Gemeinde, nhne ihre kirchliche Bedeutiuiir ein-
zuhiissen, als Sonderironieinden irewisse Funkti(»nen der ortlichen
Verwaltun*r übernehmen bmnten ^ In Aachen ist der Lauf der
Dinffc ein vrdliir anderer irewesen. Hier wurde die sresaninite
Entwickelung durch den Umstand bedinirt, dass die Stadt aus
der Pfalz erwuchs. Die Alles überraorende Betleutuns: der Pfalz
ist denn auch durchaus massgebend gewesen tur die Gestaltung
der kirchlichen Verhältnisse und zwar zunächst im Sinne einer
vollständigen Centralisirung. Erst nachdem die Verfassung der
Stadt zu allseitiger und endgültiger Ausbildung gelangt war,
sind hl den kirchlichen Einrichtungen allmähliche Veränderungen
eingetreten, welche zur Unterscheidung mehrerer Pfarrbezirke
lahrten, sich aber zu spät vollzogen, als dass diesen noch irgend
eine Funkti<m in dem Gemeindeleben hätte zufallen können. Die
durchaus eigenartige Entwickelung hat übrigens nicht eiumal zu
voller und unbedingter Selbständigkeit der Pfarreien geführt:
l>is zum Untergang der reichsstädtischen Ordmingen haben sich
<lie Nachwirkungen des ursprünglichen Zustamls aufs Deutlichste
irelteud gemacht.
Die Pfalz und der im Anschluss an sie erwachsene Ort
Wldeten von Anfang an einen einzigen Pfarrbezirk, der sich
wahrscheinlich auch über einen nicht geringen Theil des spätem
Aachener Reichs erstreckte. Die Seelsorge wurde lediglich von
<ler Pfalzkirche aus verwaltet. Ein beson<lerer Priester, der
Plel)an oder Erzpriester, mit volksthümlichem Ausdruck im
Mittelalter Proffion genannt, wurde dafür angestellt. Neben der
Walzkirche bestand eine zu ihr gehörige Taufkapelle, die
•Tohanniskapelle am Parvisch, an welcher, wie an einigen andern
•) Vgl. die Ausfühmiigen vtm E. Lioscgaiig, Die Hümlergenieimlen
Köln^, Boun 1885.
0
130 H. Loersch
Oratorien, ein Kapellan unter dem Pfarrer fungirte *. Noch im
13. Jahrhundert war dieser Zustand im Wesentlichen unverändert.
Vom Ende des 13. Jahrhunderts an machen sich aber verschiedene
Einflüsse, unter denen vor Allem das Anwachsen der Bevölkerung
in und um der Stadt zu nennen ist, geltend, welche die Auf-
lösung des einheitlichen Pfarrverbands herbeiführen. Im Anfang
des 17. Jahrhunderts waren vier Pfarrkirchen mit den ent-
sprechenden Bezirken anerkannt. Die von St. Foilan, im Mittel-
punkt der Stadt, dicht bei dem Münster, der alten Pfalzkapelle,
gelegen, hatte in gewissem Sinne dessen Stelle als Hauptpfarr-
kirche eingenommen 2, war die Pfarrkiixhe des Erzpriesters und
Sitz des für die ganze Stadt zuständigen Sendgerichts. Ihr
zur Seite treten die Kirchen von St. Jakob und St. Peter, im
13. Jalirhundert noch einfache Kapellen, endlich die St. Adalberts-
kirche, wie jene beiden an der Peripherie der Stadt gelegen,
der Sitz eines Kollegiatstifts, deren im Anfang unseres Jahr-
hunderts zerstörte Krypta aber dem Pfarrgottesdienst eingeräumt
war. Keiner dieser Kirchen stand jedoch ein selbständiges
Taufrecht zu, ganz im Geiste der ursprünglichen Einheit des
Pfarrverbands mussten sänuntliche Kinder der Stadt die Taufe
in der Johanniskapelle, zu gewisser Zeit des Jahres im Münster
selbst, empfangen ^ Ausserdem hatte der Pleban, welcher stets
dem Marienstift als Kanonikus angehörte, den Rektor der Tauf-
kapelle, sowie den Pfarrer von St. Adalbert zu ernennen, die
Pfarrer von St. Jakob und St. Peter zu bestätigen und einzuführen ^.
Der besondern Bedeutung der Johanniskapelle entsprechend und
weil ihm fast regelmässig der Erzpriester die Ausübung seiner
Pfarrrechte übertrug, wurde der an dieser angestellte Geistliche
vielfach ebenfalls Pfarrer genannt. Zwischen diesen kirchlichen
Zuständen nun, wie sie uns die städtischen Chronisten Peter
von Beeck und Johann Noppius schildern^, und den einfachen
*) Vgl. Pick, Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer
Zeit, in Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit I, S. 1—24.
*) Noppius, Aacher Chronick (1632) Th. I, S. 81 spricht von einer
förmlichen Translation.
3) Vgl. Pick a. a. 0. I, S. 18.
*) Vgl. auch die von Wacker a. a. 0. I, S. 143 mitgetheiltc Auf-
zeichnung.
^) Vgl. Petri a Beeck Aquisgramun (1620) p. 228—224 (durch ein
Versehen heim Druck beginnt die Zählung nach S. 232 aufs Neue mit 223);
L_
Die Katharinenkapelle beim Aachener Münster. 131
und einheitlichen Einrichtungen des 13. Jahrhunderts lie^ eine
Reihe von Uebergängen und Zwischenstufen. Letztere sind
aber, soviel die für diese Dinge dürftige Ueberlieferung erkennen
lässt, nicht sowohl auf bewusste, durch das Eingreifen der
kirchlichen Behörden hervorgerufene Aenderungen, sondern in
weit überwiegendem Masse auf eine allmähliche Umbildung der
Stellung der einzelnen Kirchen und der Befugnisse ihrer Geist-
lichen zurückzuführen. So lassen denn diese Wandlungen sich
aucli meist nicht an bestimmte Jahreszahlen anknüpfen und durch
einzelne entscheidende T>kunden belegen, es sind vielmehr die
in der Regel unbeabsichtigten Zeugnisse zu verwerthen, welche
in den verschiedenartigsten Aufzeichnungen und Nachrichten
enthalten sind. In dieser Richtung bieten denn auch einzelne
Angaben des Rentenregisters eine willkommene Vermehrung
des urkundlichen Materials. An dieser Stelle muss selbst-
verständlich ein kurzer Hinweis auf das, was sie im Zusammen-
hange mit andern Nachrichten ergeben, genügen.
Die Aenderung in der Stellung der Kirchen wie ihrer Geist-
lichen findet am frühesten Ausdruck in den Bezeichnungen, welche
jenen, und den Amtstiteln, welche diesen beigelegt werden.
Die wichtige Verordnung des Sendgerichts vom 81. März 1269
kennt neben dem plebanus nur capellani capellarum suarum^
obgleich diesen letztern bereits einige Jahre früher auf Bitten
der städtischen Behörden gewisse Rechte übertragen worden
waren '^, noch im Jahre 1295 wird die Marienkirche als die
parrochialis ecclesia bezeichnet^; schon im Jahre 1331 ist aber
Noppius, Aacher Chronick (1632) Th. I, S. 80—87, S. 17, S. 123; Quix,
Hist.-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen S. 43—46, 48 — 52; Quix,
Historische Beschreibung der Münsterkirche S. 46 f. lieber die Besoldung
der Pfarrer im 17. Jahrhundert vgl. Planker in der Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins VII, S. 288 ff. — üeber einzelne Pfarreien handeln: Quix,
Geschichte der St. Peter-Pfarrkirche S. 1 — 26; .1. J. Kreutzer, Beschreibung
und Geschichte der ehemaligen Stifts-, jetzigen Pfarrkirche zum heil. Adalbert
S. 3, 36 — 42 ; Rhoen, Die St. Jakobskirche in Aachen, Zeitj^ehrift des Aachener
(Jeschichtsvereins V, S. 37—52; Dresemann, Die Jacobskirche zu Aachen.
Letztere Schrift konnte hier nur an einzelnen Stellen bei der Korrektur noch
berücksichtigt werden. Vgl. ausserdem die Angaben des Registers zu Bd.
I — VII der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins S. 29 ff.
*) Loersch, Achener Kechtsdenkmäler S. 34, § 1; Quix, Cieschichte
der St. Peter-Pfarrkirche S. 125, Nr. 9.
*) Quix a. a. 0. S. 5 ff., S. 123 ff., Nr. 7 und 8.
8) Ablassbrief von 1295, April 1 bei Quix a. a. 0. S. 126, Nr. 10.
9*
132 n. Loerseh "
von den universae ecclesiae parrochiales Aquenses in einem
Weisthum desselben Sendgerichts die Rede ^ und die bei diesen
fungirenden Geistlichen werden nicht mehr Kapellane genannt,
sondern erhalten den an sich farblosen, weil für jeden ange-
stellten Priester zu gebrauchenden Titel „ Rektor ** ^ Dieser
Titel erscheint aber oifenbar als ein höherer gegenüber dem
ursprünglichen, und so spricht auch der Schreiber des Renten-
verzeichnisses, im Widerspruch mit der Redeweise der Stiftungs-
urkunde ^ in Absatz 12 voa dem Rektor der Katharinenkapelle
und in Absatz 3 von den Rektoren zweier andern Kapellen des
Münsters^. Für die Geistlichen der Aachener Pfarrkirchen war
dann im 15. Jahrhundert der Titel Rektor der amtlich übliche^,
aber Papst Innocenz VIII. sagt in einer Bulle vom 15. März
1484, die vier Rektoren der Pfarrkirchen würden auch Pfarrer
genannt^. Dieser Sprachgebrauch hat sich denn auch schon im
*) Loerseh, Achencr Rechtsdenkmäler S. 45, § 1; Quix a. a. 0.
S. 128, Nr. 12.
"') Loerseh a. a. 0. S. 50; Quix a. a. 0. S. 182; vgl. Mooren in
Annalen des hist. Vereins für den Niederrhein V, S. VI f.
■'*) Vgl. S. 96, Anm. 2.
*) Genannt werden in Abs. 3 die Barbara- und die NikolauskapeUe.
Erstere lag an der Südseite des Vorhofs der Taufkapelle zunächst; vgl.
(Juix, Historische Beschreibung der MüiLsterkirche S. 49; Rhoen in der
Zeitschrift des Aachener Gesi'hichtsvereins VIII, S. 76. Sie wird einmal
erwähnt im Nekrologium zum 21. Februar, Quix, Necrologium p. 12, 1. 13.
Die Nikolauskapolle ist die jetzige Kreuzkapelle (Quix, Hist. Beschreibung
der Müusterkirehe S. 40), welche sehr oft als Begräbnissstätte genannt w^ird;
vgl. über sie Franz Bock, Rheinlands Baudenkmale, Ser. I, Nr. 9. - Nicht
klar ist, was Absatz 5 mit der „eapeUa de capitulo iuxta sanctum Egidium"
meint; wahrscheinlich ein neben der Aegidiuskapelle im Kreuzgang des
Münsters liegendes Oratorium. Ueber die Aegidiuskapelle vgl. Quix a. a.
O. S. 51. Sie wird schon 1215 als capella s. Egidii in claustro (Quix, Die
königliche Kapelle S. 88) und einige Mal als Begräbnissstelle im Nekrologium
genannt und muss wohl unterschieden werden von der in der Pontstrasse
gelegenen, demselben Heiligen gewidmeten Kapelle, vgl. Quix, Hist.-topogr.
Beschreibung der Stadt Aachen S. 94.
*) Vgl. den Eingang zur Verordnung von 1446, Dezember 16 bei Loerseh,
Arhener Rechtsdenkmäler S. 131 und Quix, Geschichte der St. Peter-Pfarr-
kirche S. 105, Anm. 1 ; hier werden die Rektoren der Kapelle zu St. Johann,
der Kirchen von St. Jakob und St. Peter, der Pfarre zu St. Adalbert genannt.
*^) Archiprcsbyter pastor nuncupatus S. Foilani dicti opidi nee non
«luatuor rectores etiam pastores nuncupati S. Petri, S. .lacobi, S. Adalberti,
S. Joannis parochialium ecdcsianun, vgl. Noppius, Aacher Chronick (1632)
Die Kathariiienkapelle beim Aachener 3Iüii.ster. 133
14. Jahrhundert entwickelt, wie Absatz 15 des Rentenregisters,
der von der domus pastoris sancti Jacobi spricht, und ein von
Quix dem Anfang des 15. Jahrhunderts zugewiesenes, vielleicht
etwas älteres den Herrn Fryso, pastoir zu S. Peter zerzyt,
nennendes Zinsbuch ^ beweisen.
Die oben erwähnte Verordnung des Sendgerichts von 1269
kennt nur einen einzigen Begräbnissplatz; es ist bezeichnend,
dass eine Abschrift derselben aus dem 15. Jahrhundert, mehrere
Kirchhöfe voraussetzend, absichtlich hier die Mehrzahl setzt ^.
Wann die Pfarrkirchen das Reclit des Begräbnisses erlangten,
steht nicht fest; sie haben es jedenfalls sclion im Laufe des
14. Jahrhunderts geübt, denn Absatz 17 des Rentenregisters
spricht von dem cimiterium sancti Petri. Auch in einem der
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehörigon vSchreiben, das
aber älter ist als das Rentenregister, wird der Kirchhof vcm
St. Peter erwähnt'*. Ohne den Gegenstand irgendwie erschöpfend
behandeln zu wollen, sei liier noch darauf hingewiesen, dass das
ausschliessliche Pfarrrecht der Münsterkirche überhaupt und
namentlich rücksichtlich der Beerdigungen vielfach und früh
durchbrochen worden ist. Das Adalbertsstift hatte ebenso wie
das Münsterstift von vorn herein für seinen Bezirk und seine
Angehörigen die volle Immunität. Bei diesem wie bei jenem
übte der Dekan des Stifts die Rechte des Pfarrers im Immunitäts-
bezirk'*. Auch in dem Beginenhof von St. Stephan war der
Dekan des Marienstifts von jeher der Pfarrer der (lenossen-
schaft l In entsprechender Weise erhielten die Beginen von
Tb. III, 8. 13, und ähnlich in dor BuUe vmi 1485, Januar 24, das. Th. III,
S. 17. Entsprechend in einer Verhandlung von 1487, Oktober 26: Wilhelm
Lentz puÄtoere sent Pet(;r, Claes van lllnipt pa.stoen; sent Ailbret, aber
Johan \Vet7xd rector sent .Tohan, vj^l. Loersch, Achener Kechtsdenkmäler
8. 228 a. E. In Urk. Eugens IV. von 1443, Februar 12 heilst e« rector
parochialis ecclesie s. .Jacobi und so dann öfter, in Urk. von 1447, Februar 0
ist aber schon Rede vom pastor s. Jacobi; vgl. Dresemann a. a. O. S. 91 ff.
') Quix a. a. 0. 8. 21.
0 Loersch, Achener Recht^denkmiiler 8. 34, § 8 vpl. mit S. 3r>.
•'') Quix, Schloss und ehemalii^e Herrschaft Rimburf^ 8. 48.
*) Vgl. J. J. Kreutzer, Beschreibun*r und (Joscbichte der ehemal.
8tift8-, jetzifi^en Pfarrkirche zum h(al. Adalliert S. 30 f.; Quix, Reiträire zur
(fcschichte der Stadt und des Reichs von Aachen I, 8. 32.
^) Vgl. Quix a. a. (». 1, 8. 33.
134 H. Loersch
St. Mathiashof gleich bei der Gründung dieser Anstalt das
Begräbnissrecht ^ Höchst wahrscheinlich ist bei St. Peter wie
bei St. Jakob schon in frühester Zeit mit Zustimmung des
Erzpriesters für jeden einzelnen Fall beerdigt worden und
daraus dann nach und nach die Uebung des Begräbnisses auf
den beiden Kirchhöfen erwachsen.
IV.
Redditus pertinentes ad capellam sancte Katerine
Aquensis*.
1 . Primo in festo nativitatis sancti Johannis Baptiste Wilhelmus
de Kayenborne in Wirijchsbftngart in der Rien ^ 1 marcara
Johannis.
2. Item Tiel Heynen s&n Va sumber oley, qui moratur iuxta
portam Bftrtschetensem 2, Christi^.
3. Item dimidium sumber olei in Koegas, de quo sciunt loqui
rectores kapellarum sancti Nicolai et Barbare *'^, et hoc
solvit faber de Wechauuen'* in nativitate Christi''.
4. Item der swertzerseh^ htiys circa portam Bortzetensem
interiorem^ 3 solidos Johannis.
5. Item capella de capitulo iuxta sanctum Egidium ^ ex parte
Ade Roist 12 denarios'' Johannis.
6. Item celerarius dominorum^ 12 deuarios** in assumptione
ex parte plebani de Lüchen ^^.
7. Civitas de magna domo magistrorum civium 27 solidos^ ^.
*) Urk. von 1261, Februar 25 bei Lac om biet, Urkundenbuch II, S. 288,
Nr. 512 (bei Quix a. a. 0. I, S. 88, Nr. 2): infra sua septa capellam habeant
et cimiteriura ac sacerdotein proprium et specialem.
a) seitwärts am obern Bande vide de oflfertorio in festo sancte Katerine
et de presencia chori. *>) am vordem Rande dieser Zeih Nota, c) uridetälich,
ob aus ß (solidos) verändert oder umgekehrt. ^) nach den. gelöscht Johannis.
0) in — Lüchen zwischen den Zeilen nachgetragett. 9 Absatz 7 ist am äussern
Bande nachgetragen und durch Striche an diese Stelle verwiesen.
0 S. 108. 2) s. 109. ») S. 132, Anm. 4. *) Dorf Vetschau, Ldkr.
Aachen, Bgstr. Laurensberg. *) S. 125. «) S. 109. ') S. 106, Anm. 5.
8) S. 102. ö) S. 113-121.
Die Katharinenkapelle beim Aachener Münster. 135
Sequitur de redditibus in festo dedicacionis Aquensis ^
cedentibus.
8. Prirao Jobannes de Traieeto in opposito* domus de aurea
barba* 1 marcam in magna dedicacione Aquensi.
9. Item des Swäuen hftys ^, in qua moratur magister Tilmannus
carpentarins, super curiam* 1 marcam in dedicacione.
10. Item ibi prope in quadam parvula domo, ubi ascenditur per
gradum, V« nmrcam.
11. Item sartor super curiam* de tota domo infra et supra 1
marcam, et est sita super dictam curiam circa balneum^
12. Item eciam quinque iurnalia prati valde boni** circa Sorse
descendendo, ubl seeundum fidedignorum expertorum asser-
tionem^ unicuique illorum quinque iurnalium in valore**
dlcitur pecunia duorum florenorum® Aquensium, in
quibus pratis predictls magna iniuria facta dicitur multis
temporibus rectori capelle^.
Sequitur de illis qui in festo sancti Renügii.
13. Primo super curiam* Henricus de Gelre de domo sua 10
solidos Remigii, solvuntur' in nativitate Christi*.
14. Item domus Vetten^ in Kockerel 1 marcam in nativitate
Christi.
ä) Hs. oppositu. *>) valde boni über der Zeile. ^) IIs. assertione. <*) das
nach valore folgende Wm't ist sehr undeutlich mit mehrem Abkürzungen
geschrieben, es liest sich fast wie corrundera, was freilich ganz ausgeschlossen
ist; man müsste der Bildung des Satzes gemäss ein Zeitwort erwarten, aber
Cdrronderc oder corrundare, wie man zur Xoth herauslesen könnte, heisst
nichts, e) duorura florenorum über der durchstrichenen und fast unleserlich
gi wordenen ursprünglichen Angabe octo marcarum. ^) undeutlich durch vorher^
gehende Loschung. ») es folgt durchstrichen Primo civitas Aquensis de
magna domo magistrorum civium 27 solidos, solvuntur in nativitate Christi —
tor solvuntur gelijscht ein unlesbar gemachtes Wort und in dedicacione.
0 S. 108. «) S. 123. «) S. 124. *) Strasse am Hof. ») Hinter dem
j«;tzigen Kaiserbad oder neben dem jetzigen Quirinusl)ad. *) Dotations-
urkunde (vgl. S. 96, Anm. 2): ... molendinum meum, quod Wolfesmolen
dicitur, cum pratis, iuribus et aliis nomine meo ad ipsum molendinum
spectantibus coutuli. S. auch S. lo:if. und V.VZ. ^) S. 123.
136 IL Loersch
15. Item qiiedam domus contigua domui pastoris saiicti Jacobi^
44 denarios in nativitate Cliristi.
16. Item Grien tzen höys vor dat Parvisch^ 33 denarios Christi".
17. Item in platea sancti Petri quedam domus»', cuius media
parsfiüt Johannis dicti Terlure*', qiii fuit stultus, que domus
Sita est ultra introitum cimiterii sancti Petri ^ modicum
superius, 34 denarios, solvit Johannes de Heyda Christi.
18. Item in Pünt de domo quondam Kampmeysters 6 solidos
Christi.
19. Item in Benentstroysse de domo, quam inhabitat dominus
Arnoldus de sancta Margareta, 3 solidos et 2 capones
Christi K
20. Item de domo parve Eve, quam inhabitat Hermannus Riesse
et uxor sua, 12 denarios Christi.
21. Item quintam partem"* 33 florenorum et 4 grossorum anti-
quorum ex parte bonorum de Merssen ^, quam quintam partem
habet solvere celerarius dominorum in nativitate Christi^.
22. Item circa montem salvatoris Katherina filia opilionis de
domo sua 3 solidos in nativitate Christi ^
«) vor 3H gelöscht 13 denarios (Christi. *») //.v. zweimal quedain domus.
^) vielleicht auch Turlure, die Aökürztnif/ ist nicht röllitj deutlich; wäre sie
tu'rht beabsichtigt y dann müsste der Name C*iure oder Flure gelescft werden.
<i) nach partem gelöscht de.
0 S. 133. -) S. 101. •') H. 133. ♦) S. 108, 126- 12J). ^) Meerssen,
Provinz Limburc;, Köuigreicli der Niederlande. ^) Dotationsurkiuide (vgl.
S. 1)6, Anm. 2): Quiequid vero superest qninque mareis denariorum agj^ari-
orum (Lacomblet verbessert: auüariorum) Mersneusium et tribus mareis
a preposito Aqueii^^i lej^atis, una in l'esto beati Leonis, aJtera in .suo anni-
versario, tertia in patris et matris anniversario, ad instant iam meam et pro
salute auime sue eidem contulit sacerdoti possidendum. Zinsregister der
Kellnerei des Marienstifts von 1320 bei Qu ix, Necrologinm p. 78, l. 20:
Item in Mersen habent domini 10 marcas et super 40 grossorum autiquorum
Turonensium pro marca. Inde babe)»it capellanus capelle sanete Katerine
virginis 2 mantas de eadem moneta. Die Worte „et super 40 grossonira
antiquorum Turonensium pro marea** sind unzweifelhaft unrichtig wieder-
gegel)en, man erwartet: „et supra, 40 grossis antiquis Turouensibus pro marea
eomputatis" oder ähnlich. - - Die Spende zum Todestage der Mutter ist zum
5. März verzeichnet im Necrologium p. 14, l. 17: 0. Agnes, mater prepositi
Ottonis, pro cuius commemoratione habemus marcam de Mersana. — Ueber
den ganzen Absatz vgl. S. 105—107. •) Ö. 109.
Die Xatliariiieukapelle beim Aachener Mtlu^ter. 137
23. Item zä Richtercheu * de magna curia sita prope cimiterium
10 capones et unam curmedam et 20 denarios, pro qua
curmeda libenter anmiatim daret duos grossos antiquos, in
nativitate ( liristi ^.
24. Item zft den Rost vor <iat Parvisch 12 denarios ('hristi^
25. Item Johannes ('olijn ^ ante novam portam solvit unam Ubram
eere perpetue de pratis et vivario, que quondam fuerunt*
dicti Liboen, iuxta domicellorum cimiterium •'^, in festo domus
Spiritus in platea de Gey^ in nativitate Christi.
In purificacione.
26. Item Katherina de Düren in Trietergas 1 antiquum grossum
in purificacione.
27. Item in balneo de domo Sewis^ 0 solidos in carnispriAno.
28. Item ex parte domicelle Aleydis de Ailsdoq)® 2 solidos
letare.
20. Item Petrus dictus Schorre supra montem sancti Adalberti
6 solidos in festo pasce.
30. Item Heylka Spere 1 solidum ('hristi.
31. Item Ooblinus pater noster ostendit'' in platea acuta 3
solidos ^.
») nach fuerunt Raum filr etwa rier Buchstaben. *») die beiden letzten
Buchstaben undeutlich verschlungen.
0 Richterich, Dorf, Ldkr. Aachen. ^) Dotationsnrkunde (v^l. S, 9H,
Anm. 2): Volo etiam quod predictus sacerdos novcin deuario.s et decem capones
cnm aliis obventionibus, cormediis et aliis iuribus, que habeo de duobus areis
iu Hioht^rken, etemaliter possidoat. — Ueber den ganzen Absatz \^\. ö. 104 t*.
3) S. 124 f. ^) S. 12«. '') 8. 109-113. «) Gängstrasse, jetzt Jesuiten-
strasse; vgl. 8. 103, Anm. 1 und 8. 108, Anm. 4. ') S. 124. ») Alsdorf,
Dorf, Ldkr. Aachen. Kino Alheidis laica de Alsdorf wird im Memorienbuch
des Klosters Wenau zum 27. Januar und zum 14. Oktober genannt, Zeit-
schrift des Aachener (icschichtsvcreins IV, S. 2«3, Z. 107, S. 292, Z. 1068.
Ueber das Geschlecht von Alstorp vgl. Fahne, (Jeschichte der Kölnischen,
Jülichschen und Bergischen (Geschlechter I, 8. 57; II, 8. 2. «) 8. 125 f.
Aachener
Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele.
Von M. Schollen.
(Sclilnss.)
98. Stucke.
Einer nimmt 8 Spielsteine in die» Hand und rollt sie in der
Richtung des Küllche oder SUickkäppche auf dem Boden fort.
Geräth eine ungerade Zahl in das Küllche, so hat er den vorher
vereinbarten Einsatz an Spielsteinen oder Pfennigen gewonnen,
wenn eine gerade, so hat er verloren. Die Mitspielenden gehen
unter sich noch Wetten ein, je nachdem man dem Spieler Geschick-
lichkeit zutraut, mit Treffe oder Fedhle^.
99. Paar of Onpaar.
Einer hält Spielsteine in der verschlossenen Hand, der
Mitspielende muss errathen, ob die Zahl derselben eine gerade
oder ungerade ist^
100. Aar of Bleng^
Derjenige, welcher das Spiel beginnt, wirft die von jedem
Mitspieler ratirlich beigetragenen Geldstücke, vorher in beiden
*) Ucbcr dieses Spiel im Alterthum s. Richter a. a. 0. S. 73. Es
hcisst in Köln „Alle Juclite" und soU von Neger-Janitscharen eines fran-
zösischen Regiments dorthin gebracht worden sein. Vgl. Weydeu a. a. 0. S. 75.
*) Dieses Rathespiel war ein recht volksthümliches Spiel im Alterthum,
s. Richter a. a. (). S. 21. Während 99 und 100 hier in Aachen zwei
verschiedene Spiele darstellen, sind sie bei Z. S. 42 und R. S. 424 identisch.
Dort heissen sie „Gerad und Ungerad". Unter diesem Namen wird es bereits
im Renner V, 2785 erwähnt:
Rite ein grä man üf und ab
und spilte grad und ungerade.
^) Aar, die Adler- oder Vorderseite auf den frühem (rcichsstädtischcn)
31 Unzen, wogegen die Rückseite Bleng, d. h. blinde Seite genannt wird. Vgl.
Mülle r-\Veitz a. a. 0. unter Aar.
L# ■. El
Aachener Volks- und Kinderliedcr, Spiellicdcr und Spiele. 139
Händen wohl durcheinander geschüttelt, in die Luft und gewinnt
diejenigen, welche, auf den Boden gefallen, die Aar-(Bild-)Seite
zeigen; in derselben Art verfahren der zweite und die folgenden,
bis alle Stücke ausgespielt sind. Die Reihenfolge der Spieler
wird durch das Latsche bestimmte
101. Lötsche.
Das Spiel dient zunächst zur Bestimmung der Reihenfolge
der Spieler bei Aar of Bleng, für dieselbe ist die durch Werfen
eines Geldstücks nach einer bestimmten Grenze entstandene
geringere oder grössere Entfernung massgebend; sodann wird
es ausgeführt:
a. indem man nach einem in die Erde gesteckten Geldstück
wirft, derjenige hat es gewonnen, dem es gelingt, es
zu entfernen;
b. durch Werfen mit GriflFelstümpfchen nach einer bestimmten
Grenze, wobei derjenige gewinnt, welcher einen der dort
liegenden Griffel trifft.
102. Kott öm et Langt trecke.
Wird ausgeübt zur Bestunmung der Reihenfolge bei ver-
schiedenen Spielen^.
*) Auch dieses Spiel war im Altcrthum bereits bekannt, s. Richter
a. a. 0. S. 16. Im Elsass rufen die Mitspieler: Kopf oder Minz, in Frank-
reich: face ou pile. Fr, IV, S. 8. Das Geldspiel muss in früherer Zeit in
Aachen so überhand genommen haben, dass der Rath sich zum Einschreiten
genöthigt sah. So verordnet ein Beamten-Protokoll vom 26. Mai 1662, Pick
in der Aach. Volkszeitung 1885, Nr. 199: „Alle Dänz und das Bauschen-
spiel der Jungen und Papageischicsscn solle durch den Wechtem in den
Grafschaften ernstlich vcrbotten werden, . warauf die Butterwieger fleissige
aufsieht nehmen und mit Zuziehung nötiger Soldaten die Verbrecher mit
abnehmung huet und mantelen zum abschreck bringen sollen." In neuerer.
Zeit, am 27. April 1852, erliess der Polizei-Direktor Hasslacher, s. Schollen,
Polizeihandbuch S. 635, ein Verbot hinsichtlich des Spielens um Geld auf
öffentlichen Strassen und Plätzen in Aachen.
*) Das Halraziehen fand sogar in die Rechtsgebräuche Eingang. Vgl.
(irimm, Deutsche Rechtsalterthümer S. 121, wo es heisst: „Der halm wird
zum zeichen feierlicher auflassung, entsagung oder kündiguug mit der band
geworfen, gereicht, gegriffen, bald von den betheiligten, bald von dem
richter." Später wurde der Halm ein so allgemeines Mittel das Loos zu
ziehen, dass man geradezu sagte: „Wir wollen den Halm ziehen'^, auch
wenn kein Halm zum Loosen gebraucht wurde, und did^M^feute oft
HO M. Schollen
103. Steiche losse.
In ein Schulbuch werden ganz willkürlich Bildchen gele«jrt,
derjenige, der ^stechen" will, muss ein Bildchen setzen, sticht
er nun an einer Stelle, wo ein Bildchen sich befindet, so hat
er dieses gewonnen und darf das eingesetzte behalten.
104. Kätsche.
Der Spieler muss den Ball (Katscli) etwa 1 m hoch werfen
und beim Herunterfallen dem Gegenüber zuschlagen; trifft er
den Ball nicht, so heisst es eng Mcis^j alsdann beginnt er wieder;
trifft er auch dann nicht, so wird ihm zugerufen zwei iULsc,
beim dritten Mal a])er: de drmle Kier lank; er ist dann seines
Spielrechts verlustig "K
105. Reiterspiel.
Dieses Spiel wird von 8 und mehr Knaben, wovon die eine
Hälfte die Pferde, die andere die Reiter darstellt, gespielt.
Sie nehmen im Kreise Aufstellung, worauf die Eeiter sich
gegenseitig einen Ball zuwerfen; erhascht einer der Reiter den
Ball nicht, so sitzen alle ab und laufen weg mit Ausnahme des
Reiters, der den Ball verfehlte. Dieser greift denselben und
wirft nach den fliehenden Reitern, trifft er einen, so muss dieser
Gaul sein, trifft er keinen, so muss er Gaul sein^.
106. Pädche spelle.
Ein Kind stellt das Pferd, das andere den P^uhrmann vor.
Den Zügel verfertigen die Knaben aus mehrfiirbiger Wolle auf
einem Instrument, das aus einem ausgehöhlten Pfropfen l)esteht,
und auf dessen Rand 4 Stecknadeln befestigt werden.
107. Bock sprenge.
Von den Mitspielenden stellt sich einer mit dem Rücken
gegen die Mauer, ein zweiter legt sich mit dem Kopf gegen
j^ebraiichtc Redensart „den KürzATn ziehen" davon herrührt. Z, S. 33.
Ueher das Halmziehen und -messen s. Slmrock, Gedichte Walthers von
der Vogelweidc I, 8. 195.
^) Fehlsehlag. ^) Zur (Jeschichtc des schon im Alterthum bekannten
BaUspiels vj?l. Richter a. a. 0. S. 13 und 18; h\ S. 383; Z. S. 85.
^) Dasselbe Spiel hat K. S. 135 unter der Bezeichnung: Reiter, Reiter,
Rittera. In Strassburg heisst es Balle ritters, in 3Iülhauscn Faelballclis.
h\ IV, S. 8.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 141
(lea Bauch des Stehenden, so den Bock bildend. Von den Auf-
springenden muss der letzte, nachdem er sitzt, dreimal in die
Hände klatschen, ohne mit den Füssen bis an die Erde zu
kommen; gelingt dies nicht, so wechseln die Rollen.
Eine andere Art des Spiels ist diese:
Sämmtliche Mitspieler bis auf einen stellen sich in einiger
Entfernung von einander mit gekrümmtem Rücken auf. Nun
muss der eine über sämmtliche wegspringen und sich dann selbst
stellen, hat er den zweitletzten passirt, so folgt ihm der letzte
u. s. f. *
108. Hötche werepe.
Die Knaben legen ihre Mützen der Mauer entlang neben
einander, ein Knabe wirft mit einem Ball nach den Mützen,
geräth der Ball in eine Mütze, so muss der Eigenthümer der-
selben den Ball ergreifen und nach den schnell sich entfernenden
Mitspielern werfen. Trifft er einen, so wird diesem ein Steinchen
in die Mütze gelegt, trifft er keinen, so erhält er selbst ein
Steinchen. Wer zuerst 7 Steinchen hat, muss Spetz nohlou/e, d. h.
die Mitspieler stellen sich gegenüber auf, der Verlierende durch-
schreitet zunächst dreimal die gebildete Gasse, alsdann muss er
dreimal durchlaufen, bei welcher Gelegenheit ihm die Stehenden
einen Schlag mit der flachen Hand auf den Rücken versetzen -.
109. Nohloufe.
Bei diesem Spiel bilden die beiden Häuserreihen der Strasse
die Grenze (Hol) imd ist es Aufgabe des in der Glitte der Strasse
Stehenden, einem der von dem Hol sich entfernenden Mitspieler
einen leichten Schlag zu versetzen, infolge dessen dieser dann
seine Stelle einnehmen muss. Ist ein Mitspieler ausserhalb des
Hol und sieht sich verfolgt, so muss der Verfolger von ihm
absehen, wenn er dreimal hintereinander an die Brust schlägt
und dabei sagt: E^ zirei^ drei\ ml Liev etis frN^,
110. Langhol.
Das Spiel ist gleich dem vorigen, nur bilden hier die
Strassenenden die Grenze.
*) V^gl. das Bockspiel bei Schtn. 8. 94.
^) Schou im Alterthnm bekannt, s. Richter a. a. (). S. 13. Aohnlich
ist das Kappenspiel bei /?. S. 389.
') In Vallendar unter dem Namen ^HlUieil uml Jiiger" bekannt. P,
142 M. Schollen
111. Isere Männche louf us.
Einer verfolgt die Mitspielenden, diese sind geschützt,
sobald sie nur Eisen berührend
112. Barum, di sam.
Es stellt sich Einer mit gefaltenen Händen vor die Mit-
spieler und sagt Barum, sobald diese antworten di sum, ver-
folgt er sie, wobei er die Hände gefaltet halten muss. Versetzt
er einem der Mitspieler einen Schlag, so muss dieser ihn ablösen.
113. Schelm en Standarm.
Einer, als Schelm gedacht, wird von den Uebrigen (Gens-
darmen) verfolgte
114. Verberege speäle.
Bei diesem Spiel muss sich Einer mit dem Gesicht wider
die Wand legen, während die Andern sich verbergen, was in
der Zeit, während welcher er 10, 20 u. s. w. bis 100 gezählt
hat, geschehen sein muss. Alsdann nift er: Ess et gedoh? Ant-
worten die Mitspielenden bejahend, so sucht er das Versteck
derselben auf; wird ihm aber „nein^ zugerufen, so muss er noch
zweimal fragend mfen, er hat aber dann das Recht, trotz einer
verneinenden Antwort, suchen zu gehen. Findet er Einen, so
eilt er zu der Stelle, wo er gestanden hat, und sagt wider die
Wand schlagend : Aschlag för K N. Kommt ihm Einer zuvor,
*) Dieses am ganzen Niederrhein Isermänncheii genannte Spiel heisst
in Berlin Eisenzech, in Breslau Eisenmändel, in England tag. Vgl. R. S. 406,
dort heisst es: Vatter, i ha ke Ise meh! In Köln lautet es:
Isermännchen, ich han kein Iser,
Ich muss noch Iser kaufe.
F. I, S. 460.
^) Auf das Schelmspiel, bei dem ein Kind den Häscher, die andern
Diebe vorstellen, weisen folgende Verse in einem Fastnachtsspiel aus dem
15. Jahrhundert hin:
Ein sölich närrisch" Haderspiel
mit bochen, hadren, schelten, fluochen:
das seit man ee zuo Zurzach auochen
uff der Wissmat bym Henkerspiel.
Z. S. 41. Bei R. S. 413 heisst dieses Spiel „Schölracn".
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 143
SO befreit dieser sich, wenn er an die Wand schlägt und sagt :
Äschlag för mich. Besondere Aufmerksamkeit muss dem Letzten
der Mitspielenden zugewandt werden, denn ihm steht das Kecht
zii, auch die bereits Gefundenen zu befreien, wenn er vor dem
Suchenden beim Anschlag anlangt und sagt: Äschlag för oss
alletnole ^
115. Ekkelurei.
Dasselbe unterscheidet sich von dem vorigen Spiel dadurch,
dass die Mitspieler sich an einer P]cke verbergen und von dort
aus lugen, ob sie gesucht werden. Ist dies der Fall, dann
laufen sie um eine andere Ecke und so fort. Wer zuerst
erkannt wird, muss sich legend
116. Köppche egcne Mondeschien.
Einer sucht auf den Kopf des durch den Mondschein hervor-
genifenen Schattens der Mitspielenden zu treten; gelingt ihm
dies, so tritt der Betreffende an seine Stelle.
117. Butzekopp.
Bei diesem Spiel suchen die Mitspieler ihre Köpfe gegen-
einander zu stossen.
118. Schlttppche wandele.
Ein Knabe dreht den an der Wand sitzenden Mitspielern
den Kücken und wirft ihnen über den Kopf ein Schlüppche zu
mit den Worten: Verbereg Alles, iväts de hass. Auf die ihm
gewordene Mittheilung, dass das ScJMppche verborgen sei, dreht
er sich herum und sucht bei den Mitspielern nach demselben.
Diese, die Hände auf dem Rücken lialtend, suchen dasselbe
seinen Nachforschungen zu entziehen. Spürt der Suchende in
der Nähe des Schlüppche nach, so regnet es Püffe mit demselben
auf den Rücken des Suchenden. Derjenige, bei dem dasselbe
gefunden wird, muss eine Strecke weit laufen, verfolgt von
*) Vgl. die bei i?. S. 403 und 404 unter dem Namen „Gügelstcin" und
„Anschlagigs, Blinzimüs" angeführten Spiele, sowie das „Fangspiel" aus dem
Elsass bei Fr, IV, S. 7.
*) Dürfte mit dem noch in Schwaben beliebten Kinderspiel Ekkcti,
welches im Klciderbuch der beiden Schwarz erwähnt wird, identisch sein.
Vgl. Z. S. 43.
144 M. Schollen
dem Suchenden, der jenen mit dem Schliippche auf den Rücken
schlägt und dann abgelöst wird.
119. Zittmännche.
Die Mitspielenden setzen sich mit dem Rücken wider eine
Mauer; ein Kind, welches sich irgend eine Tagesstunde bedaht
hat, nimmt ein Taschentuch, worin an der Spitze ein Knoten
geschlungen ist, geht von einem zum andern, hält ihm das
Taschentuch vor und fragt: Wie Zitt ess et? EiTäth ein Kind
die bedachte Zahl, so muss es aufstehn und eine Strecke weit
weglaufen, wälu*end da;s Zittmämiche es verfolgt und mit dem
Taschentuch auf den Rücken schlägt. Ist das Kind auf seinen
Platz zurückgekehrt, so legt es sich mit dem Kopf tragen die
Mauer, erhält drei Schläge mit dem Taschentuch auf den Rücken
und ist alsdann Zittmännche.
120. Wehrwouf fett Schouf.
Das Spiel ist ähnlich dem Hackelepack und wird \vie dieses
nicht selbständig, sondern in Verbindung mit einem andern
Spiel, wo es als Strafe festgesetzt wird, ausgeübt.
121. Ninöigele.
Es werden dabei 9 Augen oder Nullen, je 3 und 8 unter-
einander, auf eine Schiefertafel hingemalt und nun sucht man
den Gegner, indem man ihn von einer Null zur andern, oft der
entferntesten, Linien ziehen heisst, dahin zu bringen, dass er,
noch ehe alle Nullen auf die Weise zweimal getrotfen sind,
nicht mehr voran kann, ohne eine der gezogenen Linien zu
durchschneiden ^
122. Kies, Körv u. s. w.
Soviel Mitspielende soviel Reihen und in jeder Reihe soviel
Nullen werden gemacht. Sodann beginnt man bei der ersten
Null und sagt fortschreitend:
Kies, Körv, Botter, Bruad,
Schleat alle die Töreke duad.
^) Norronberjj, Aus dorn alten Viersou S. 103 bemerkt: Ninökele
wahrscheiulich von den neun („nigen") Steinen, die dabei «gebraucht wurden;
so heisst es ira Altniederländisehen: nejrhensteeken.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 145
Bei dem Worte dmd wird die Null, an welcher man angelangt
ist, durchstrichen. Dessen Nullenreihe auf diese Weise zuerst
durchstrichen ist, gilt als todt^.
128. Spaiibrett
Ein über beide Hände gespannter Bindfaden wird zu
geometrischen Figuren verschlungen, den der Mitspieler zer-
legend und wieder verschlingend entfernen muss^.
124. Ko9d sprenge.
Zwei Mädchen, die je das Ende einer Kordel gefasst
haben, schwingen dieselbe und zählen ön, dön, truwa, worauf
ein drittes Mädchen mitten in die durch die Kordel beschriebene
Ellipse hineinspringt und so lange springen darf, bis seine Füsse
oder Kleider die Kordel berühren, dann hat es gefeählt und
muss sich entfernen. Dasjenige Kind, welches die meiste Aus-
dauer beweist, erhält ein Zouwötinche, d. h. es darf noch einmal
springen.
125. Titsche.
Dasselbe wird mit vier oder mehrern Grelenkknöcheln eines
Hammels und einem Balle ausgeführt. An dem Titschknöchel-
chen untersclieiden die Kinder Lausche, Böckschef Tiezche, Webhche.
Sie greifen dasselbe gleichzeitig mit einem vorher in die Höhe
geworfenen und aufzufangenden Balle sechszehnmal nacheinander,
nachdem vorher die Stelle des Knöchelchens in der benannten
Reihenfolge nach oben gelegt worden ist^
^) In dem kölnischen Kinderlied: Rusekranz, Wat gilt der Schanz?
F. I, S. 459, heissen die Schlusszeilen:
Ei Stock Kihs un Bruhd,
Fallen alle Heiden un Türken duht.
Bei der letzten Zeile lassen sich die Mitspielenden niederfallen.
*) Nach einer Mittheilung R. Andrees im Anthropologischen Verein
zu Leipzig, s. Correspondenz-Blatt der deutschen (lesellschaft für Anthro-
pologie, Ethnologie imd Urgeschichte, Jahrgang XIX S. 53, beobachteten
Klutschak und Hall die Fadenfiguren (das Abheben der Faden von den Fingern)
bei den Eskimos, Wallace als Katzenwiege (cats (^radle) bei den Dajaks auf
Borneo und in Neu-Guinea; man keimt es in Australien und Buchner sah es
auf den Fidschi-Inseln.
^) Dieses Spiel wurde schon im Alterthum geübt, vgl. Richter a. a. 0.
S. 71, 74, 75. Vgl. auch J. Th. Rosen, Der Niederriw^l879, S. 23;
Schm, S. 84 das Steinchenspiel, Woyden a. a. 0. S*-Mtftfi^Hfe^In dem
146 M. Schollen
126. Henkschnol.
Ueber den ebenen Boden wird ein längliches Rechteck
mit neun Abtheilungen gezogen. Eine Scherbe wird nun nacli
und nach in die neun Abtheilungen geworfen und hüpfend heraus-
gebracht. Wer hierbei auf einen Strich tritt, hat verloren und
muss von vorne anfangend
127. Schndl ophaae.
Die Kinder setzen sich in eine Reihe, ein Kind ist Lehrerin
und stellt Fragen. Während des SchuUialtens wird das Renke
godh nachgeahmt und gesungen:
Plenke (Schmiddele) goah es got gedoah,
Dat de Modder oss hole könt (oss geng au Hex begeänt).
Zu lange darf die Schule nicht dauern, sonst heisst es:
Liehrer, lott de Schual usgoah,
Et sönt at ellef Uhre,
De Jonge mösse Wasser hole.
De Mädchere mösse schüre 2.
Gedicht „Daz heselin" sagt das Mädchen (der järe ein kint und ouch einvalt) :
Herre, ich h&n in mime schrin
und zehen bikkeisteine.
Vgl. Z. S. 18 und 45. So auch dessen Beschreibung unter „Datschel spiel"
in Grimm, Wb. II, S. 826.
*) Ueber die üebung dieses Spiels im Alterthum s. Richter a. a. 0.
S. 15. Aehnlich bei Schm. S. 81 das Hüpfenspiel. In Köln heisst das Spiel
Höpe-Mözchen, zusammengesetzt aus höpe, hüpfen und Mözchen, Mützchen.
Wcyden a. a. 0. S. 217.
') Bei V. F. p. 17 heisst es in einem Kinderlied:
Elf, elf uren,
De meisjes mocten schüren,
De jongens moeten water halen
Achter by de buren.
Ferner das. p. 25:
Meester mag de school uitgaan?
't is al eUef uren,
't kan niet langer duren.
Achter op het latjen
Speien ze biUegatjen,
Achter op het kerkhof
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 147
Ist die Schule beendigt, dann singen die Kinder:
De Schual ess us,
De Müs kommen erus.
128. Verkoufe.
Aus gestossenem oder feingeriebenem Ziegel werden Häuf-
chen gebildet, denselben Namen gegeben, worauf ein Kind die
Sachen feilhält, die andern kaufen kommend
129. Enoggel schloon.
Ausser der Knoggel kennt man in Aachen noch einen Dopp
und einen Pen. Der Dopp hat die Form eines Kegels ; der Pen
ist unterhalb der Scheibe möglichst dünn^
130. Sou schloon.
Es werden in gleicher Entfernung in einem Kreise Löcher
gemacht, deren Zahl eins weniger als die der Mitspieler sein muss.
An jedem Loch steht ein Mitspieler mit einem Stock und sucht
zu verhindern, dass es dem ausserhalb des Kreises Stehenden
gelingt, einen Stein in den Kreis zu treiben. Glückt es dem
Sow-Treiber hierbei in das Loch eines der Mitspieler zu kommen,
so tritt er an dessen Stelle und dieser wird Treiber^.
Slaan ze Pietje zijn kopjen of ;
Heel of, half of,
*t kopjen van het haLsjen of.
*) Diese Spiele (Verkaufen) hat Geiler im Auge, wenn er uns das
geschäftige Treiben der Kinder in folgender Weise schildert: ^Da die kint
gefetterlin mit einander, da machen sie saffron vnd das ist geferbte würz,
das ist sttszwurz, das ist ymber, vnd ist alls us einem ziegel geriben und
ist zieglmel; und machen hüslin, und kochen, und wenn es nacht würt, so
ist es aUs müt und stossen es umb." Auf das Verkaufsspiel deutet der Vers:
„Was woilstu kauffen umb ein pfennig", Z. S. 43. S. auch i?. S. 423, wo
das Spiel „Gevätterlen** heisst.
*) Der Kreisel, den schon die Griechen und Römer als Kinderspielzeug
kannten, vgl. Richter a. a. 0. S. 12, wird von den Dichtem des Mittel-
alters öfters genannt. Der Topf, dies war sein gewöhnlicher Name, wurde
mit einer Geissei umgetrieben. Vgl. Z. S. 27, R, S. 419.
*) Vgl. bei Schm, S. 90 das sog. Sauspiel, die Sau schlagen; Lirum,
lamm, Löffelstiel bei Wegeier a. a. 0. S. 105; bei i?. S. 395 das „Moor-um**;
bei K. S. 136 „Hui Sau«.
10»
148 M. Schollen
131. Mutzkeiop.
Der Kei wird dadurch hergestellt, dass man mehrere grössere
Steine auf einander legt und auf diese ein klemes Sternchen,
wonach von einer bestimmten Stelle, Stänket genannt, aus geworfen
wird. Neben dem Kei steht der Mtä:z, einer der Mitspieler,
dessen Aufgabe e's ist, den Kei wieder aufzurichten, wenn er
infolge eines Wurfs zusammenfallt. Fliegt bei dem Werfen
bloss das kleine Steinchen herunter, so müssen die Mitspieler
eine Strecke weit weglaufen, der Mut2; setzt das Steinchen schnell
auf und sucht einen der Mitspieler zu erhaschen, was ausser-
halb des Stänket geschehen muss; gelingt ihm dies, so muss
der Betreffende ihn ablösen.
132. Kleiik schlooii.
Ein Kreis wird gezogen, an welchem ein Mitspieler mit
einem Stock steht und zu verhindern sucht, dass der ausserhalb
des Kreises Stehende eine Klenk^ d. h. ein etwa 15 cm langes,
an beiden Enden zugespitztes Holzstückchen in den Kreis zu
bringen sucht. Die Stelle, von wo aus er werfen muss, wird
dadurch bestimmt, dass der andere die Klenk durch Schlagen
auf die Spitze in die Höhe schnellt und beim Herunterfallen fort-
treibt. Schlägt er dreimal fehl, so wirft der andere von der
Stelle aus, wo die Klenk liegte
Jahreslieder.
133. Neujahr.
Glöcksellig Nöijohr,
Der Kopp vol Ho9r,
Der Monk vol Zäng,
Et Nöijohr egen Häng*.
^) In Coblenz heisst das Spiel „Laiz", vg^l. Wegeier a. a. 0. S. 105.
*) Um das Neujahr abzugewinnen und dadurch den Anspruch auf ein
Gt^schenk zu erhalten, muss man zuerst „(lUtcn ^lorgen** und dann „Glöck-
sellig Nöijohr" gesagt haben. Fragt nun derjenige, dem man das Neujahr
abgewonnen hat: „Gelt et noch?" so muss man antworten: „Et hat gegolde",
sonst erwächst diesem das Recht, dasselbe abzugewinnen. In einem Schalt-
jahr ist es umgekehrt, lieber die Glückwünsche u. s. w. um Neujahr in der
Eifel s. Schm. S. 5; in Schwaben: Birlinger, Aus Schwabens. 17; Volks-
thümliches aus Schwaben S. 12; Meier, Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche
aus Schwabe n S. MW) ; in Elsass - Lothringen : Jahrbuch für Geschichte,
Aachener Volks- und Kinderlieder, Si>iellieder und Si)iele. 149
134. Dreikönige.
Es kamen drei Könige aus Morgenland,
Sie waren von der Sonne ganz schwarz verbrannt,
Sie kamen an einen Berg gegohn.
Da blieb der Stern stille stöhn. ^
Ach Stern, du musst nicht still bleiben stöhn.
Du musst mit uns nach Bethlehem gohn,
Bethlehem, du schöne Stadt,
AVorin Maria das Kindchen geboren hat;
Wie kleiner das Kind, wie grosser der Gott,
Der Hinmiel und Erde erschaflfen hat.
135. Fastnacht.
Fastellowend
Ess bestovvend,
AVaffele welle für backe.
De Eier sönt ene goue^ Kouf,
De Botter gelt ene Blaffet^.
Setzt der Tälder op der Kopp,
Get oss get en der Rommelspott,
För ze domeniere,
För de Mädchere ze ziere.
Uehr wesst wal, wie de Mädchere sönt,
Die des Morigens fröch opstönt.
S^i kicke wal hei, sei kicke wal do.
Sei kicke wal en dat Känksche,
Ruo, ruo, Ränzche.
Sprache und Littcratur Elsass-Lothringens, hrsg. von dem hist-litter. Zweig-
verein des Vogesen-Clubs II, S. 180, III, S. 116. Die in Picks Monats-
schrift I, S. 465 veröffentlichte Spruchsammlnng Anton Husemanns aus dem
J. 1575 enthält folgenden Neujahrs wünsch:
Leue Suster dussen Breeff ick to Iw sende
Vp einem koken so gantz behende,
To einem froliken vnd nyen Jare,
Ahne allem angste vnd vare,
God will dat wy dit Jar thora ende bringen,
Mit stedcm bedden vnd singen,
Vnd all tidt nha Godes willen leuen
Syncm hiligen worde nicht wcdcrstreucn.
*) guter. 0 Eine Aachener Münze.
150 M. Schollen
Lott oss net lang stooh,
Für hant noch witt ze goah,
Va hei noh Köllepoatz.
Zwei Paar Schong en dönt et net,
Vier raössen er et gewe,
Jo/jo^
Verbreiteter ist dieses Fastnachtslied in folgender Fomi:
136. Fastellowend
Ess bestovvend,
Waflfele welle für backe.
De Eier sönt ene goue Kouf,
De Botter gelt ene Blaffet.
Höi ene StouP
En do ene Stoul,
Op jedder Stoul e Kösse,
Op jedder Stoul ene Pannekoch,
Hant für alleraol genog,
Dat sal oss got gelöste.
Lott oss net lang stoah,
^) Die Nummern 134 uni 135 verdanke ich dem Herrn Cornely aus
Elchenrath.
*) Auch in dem bei r. F. p. 70 mitgetheilten Fastnachtsliedchen heisst es :
Hier een stoel en daar een stoel,
op iedre stoel een küssen,
meisjen hoü je kinnebak toe,
of 'k sla'r een pannekoek tuschen u. s. w.
In den Worten „Höi ene Stoul" u. s. w. ist eine zur rcichsstädtischen Zeit
beim Zahlungaancrbieten beobachtete Form enthalten. Dies geht aus einem
Akt des Notars a Baexen vom 2. Januar 1723 hervor, worin er beurkundet,
er sei an genanntem Tage auf Anstehen des ehrsamen Meisters Peter Schröder
und seiner Hausfrau, der ehr- und tugendreichen Katharina Krombach (am
Hirtz bei Laurensberg wohnhaft), zur Wittwe Simon Weyers auf dem Küpperhof
(bei Richterich) gegangen und habe letzterer in Gegenwart von zwei Zeugen
im Namen jener Eheleute die Summe von 110 Thalem präsentirt: „zu wissen
30 Thaler auf einem Stuhl (als Abschlagszahlung auf ein geliehenes Kapital)
und 80 Thaler auf einem andern Stuhl (als Zinsen jenes Kapitals). Die
Wittwe verweigerte die Annahme. „Denen jedoch unangesehen, ich Notarius
obgemeldcte hundertzehen Thaler auf den Stühlen liegen lassen und mit
meinen bei mich habenden Zeug . . . vom gedachten Hoff abgegangen.** Vgl.
H. J. Gross im Aachener Sonntagsblatt 1876, Nr. 19.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 151
Für hant noch witt ze goah,
Bes a KöUepoatz^
137. Au Kaiott,
E Botter gezoppt,
E Meahl gerührt,
Zorn Düvel geführt*.
*) KöUepoatz scheint hier für Köln zu stehen. Das Liedchen wurde
mit Begleitung des „Rommelspott" zu Fastnacht von armen Kindern, um
eine milde Gabe zu erhalten, gesungen. Um die Angesprochenen zu schnellem
Geben anzuspornen und die Länge des zurückzulegenden Weges zum Ausdruck
zu bringen, bedurfte es der Bezeichnung eines weit entlegenen Ortes, was
Köllepo8tz offenbar nicht war. Dazu kommt, dass in mehrem Liedchen,
welche die Kinder beim Einsammeln milder Gaben singen, jedesmal neben
dem Wunsche, sie nicht lange stehen zu lassen, gesagt wird, sie mttssten
noch nach dem fernen Köln gehen. In dieser Beziehung heisst es sowohl in
dem Gesang der armen Kinder am St. Martinsabend in Osnabrück, Fr. I, S. 275 :
Sttnte Martens gauens (?) Mann,
Däi US wall wat gieven kann
Van Appel un van Bieren,
Lit US nich so gieren!
Mött' noch wiit n& Collen g&n
Collen is so fär ' e.
Komm* wi nimmer mehre;
Hilgen Blatt;
Schöune Stadt;
Schöune Jungfern, giev't us wat,
als auch in dem Martinslied in der (»egcnd von Herford bezw. in dem Amt
Bückeburg, F, I, S. 359, III, S. 148:
Loat US nich to lange stöhn,
Wi mött von hier noa KöUen gohn,
Köllen es no filren.
Ueber die Wein- und Geldspenden des Raths um Fastnacht an die
Schöffen, Bogenschützen, Schreiber, Fassmesser, Domvikare, Schützen u. s. w.
s. Laurent a. a. 0. S. 135,8, 137,i8, 193,32, 194,io, 195,4,32, 329,3$,
332,733. Auffallend ist der daselbst S. 344,n aufgeführte Posten:
„It. den vrauwen zu Vastovent, gingen as munche, 2." Wenn man auch
berücksichtigen muss, dass man sich an derartige Maskeraden in jener Zeit
nicht stiess, so bleibt es doch immer unerklärlich, wie man solche belohnen
konnte.
*) Das Liedchen stellt eine Verhöhnung der Perrücke dar, die, lange ihre
Herrschaft behauptend, um die Mitte der achtziger .Jahre des vorigen Jahr-
hunderts mehr und mehr zu verschwinden begann. Vgl. Weiss, Kost
II, S. 1294.
152 M. SchoUen
138. Köm, min allerldvste Mädche,
Gäld get Schwegele us minge Bott,
En se sönt esu got gezoppt,
Wie de wopp, wopp, wopp, wopp, woppt^
139. Haarig, haarig, haarig ist die Katz!
Wenn die Katz nicht haarig ist.
Fängt sie keine Mäuse nicht.
Haarig, haarig, haarig ist die Katz^!
140. Frau Lenze, Frau Lenze,
Wat kost de Eole Kattun?
Ich han es van acht, va nüng en va zeng,
Ich han es ouch met Blonmie dre,
Frau Lenze, Frau Lenze,
Wat kost de Eale Kattun ^P
141. Turelure Liesche us Klappergäss,
Hat dat Kengehe dat Hemchen esu näss,
Haut die scheleme Jonge gedoah.
Haut dat Kengehe net pesse losse goali.
142. Dem in den April Geschickten ruft man zu:
Aprelsgeck,
Die Modder es geck.
Die Vadder danzt met ene Beissemsteck ^.
*) VieUeicht vor 50 Jahren entstanden, um welche Zeit das Streichholz
erfunden wurde. Die Streichhölzer wurden ursprünglich hausirend verkauft
und zu dem Ende in einem Bott (Korb) auf dem Rücken getragen.
^) Ebenso in Coblenz Fastnachtslied, Wegeier a. a. 0. S. 103.
■'') Dieses vor einigen Jahren zur Fastnachtszeit aufgetauchte, nach der
Melodie: „Erklinget ihr Hörner" aus „Die weisse Dame" gesungene Liedchen
ist, wie es scheint, eine Nachbildung des bei r. T. p. 30 mitgetheilten :
3Iaryken, Maryken,
Wat kost je groene theo?
Ik heb ze van ncgen, ik heb ze van tien;
Laat me die van negen eens zien.
Maryken, Maryken,
Wat kost je groene thee'r
^) Vgl. Zcitsehr. des Aach. Geschichts Vereins VIII, S. 162, Nr. 11).
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spielliedcr und Spiele. 153
143. Heute ist der erste Mai,
Legen alle Vöglein ein Ei,
Darum bitten wir den Herrn Lehrer
Um heute frei.
144. Beim Mairegen.
Meireän,
Trippetreän,
Eeän op mich,
Da wäs8 ich^
145. Heiige Katharina,
Lass die Sonne scheinen,
Lass den Regen übergehn,
Dass wir was spazieren gehn.
146. Im Sommer.
Im Sommer, im Sonuner, wenn der Kuckuck regiert,
Dann werden die Mädchen von Knaben vexirt.
Einem Mädchen wie du,
Dem lass ich keine Ruh,
Dem geb ich ein Händchen,
Ein Küsschen dazu.
147. Kirmess.
Oem Keremess ^, öm Keremess, da dreägt mie Modder ene Hott,
Da danz ich, da danz ich, da fall ich open Fott^
148. St. Martin.
Au Mangele, au Mangele, Stomp Beisseme,
Wie decker, wie fetter, wie beister*.
^) Die nämliche Aufforderung zu gleichem Zwecke ergeht in Coblenz,
Wegeier a. a. 0. S. 103, in Strasaburg i. E., F, II, S. 524 und in Trier,
F. III, S. 547, Nr. 42. Vgl. auch die Regenlieder bei Fr. V, S. 274, 277 ;
aus Rheinberg, Die Heimath 1877, S. 67; bei S. Kb. 8. 142, Nr. 549-551.
-) Kirchweihfest. ^) Vgl. F. III, 8. 146 und 178, „Wenn't Wiehnachten
is", bezw. „Wann Pinksten es", femer K. S. 91, S. Kb. S. 132.
*) In früherer Zeit zogen am Martins-Vorabend die Kinder durch die
Strassen herum und sammelten unter Absingung dieses Liedchens Holz, Stroh
und andere brennbare (Jegenstände, welche dann aufeinander gelegt und
154 M. Schollen
149. St. Nikolaus.
Zenterkloas,
Met die lang Moass,
Met die kotte Bean,
Schleaht alle Grülle vanen^
150. Zenterkloas, Gott hellig Mann,
Doag dinge beiste Tabbert* an,
Eie dornet noh Spani6,
Breng Aeppel van Orani6,
Gew die kleng Kenger get,
Loss die grousse loufe.
Die könne sich selvs get koufe^
151. Zum Namenstag.
Ich ben e kleng Stömpche,
Eiss gear e deck Klömpche,
Möt mich net usläche,
Et anger Johr wel ich et beister mächet
angezündet wurden. Um das Feuer (Mätin genannt) tanzten sie, angezündete
Besen auf Stangen tragend, bis jenes erloschen war. Anfangs der 50er Jahre
erinnere ich mich zum letzten Mal das Martinsfeuer gesehen zu haben.
Ueber die Geschenke der Reichsstadt Aachen „up sint Martiins avent"
an „alle der steede gesinde ind wercklude" und zu Martini an „unse hercn
die scheffen, die werckmeister, der steede gesinde ind der burger meist er
gesinde** s. Laurent a. a. 0. S. 316,6,27,29,31.
Im Rheinthal zwischen Köln und Coblenz leuchten am Vorabend des
Martinstags Tausende von kleinen Feuern auf den Höhen und längs den
Ufern des Flusses. Die Kinder sammeln das zu dem Feuer nöthige Holz,
Reisig und Stroh; um das Feuer herum tanzen sie und singen:
0 Mehtin, o Mehtin,
Au Wiever, Stomp Beissem,
Je auer, je beisser u. s. w.
Vgl. von Reinsbcrg-Düringsfeld a. a. 0. S. 343.
') von einander = entzwei. Ein ähnliches Nikolansliedchen s. r. V. p. 75.
^) tabbert, mhd. taphart = Mantel, vgl. Lex er, Mittelhochdeutsches
Handwörterbuch II, S. 1404.
3) Aehnlich in Moers, F. I, S. 397, in Ostfriesland, Fr, V, S. 272, in
Rheinberg, Die Heimath 1877, S. 67, in Leuth, vgl. Spee a. a. 0. I, S. 7,
in Essen, Schnell, Sanct Nicolaus I, S. 5ß, in Ostflandem, ebendas. V, S. 11,
bei von Reinsberg-Düringsfeld a. a. 0. S. 300.
*) Ebenso in der Gegend von Coblenz, P.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 155
152. Ich koam ens nohgen Kriam^ erav,
Du juag mich do et Hötchen av,
Ich daht, wat sal dat bedüe,
Dat mie Hötche sal vor mich flügge,
En wie ich mich ens reaht bedaht,
Du wor et der N. N. singe Namensdag.
153. Ich hört ein Glöcklein läuten,
Ich wusste nicht, was es bedeute.
Da nahm ich den Kalender in die Hand
Und sah, was drin geschrieben stand.
Da stand geschrieben : Heut ist der Abend, morgen der Tag,
Dass ich N. N. binden mag*.
154. Namen.
Adam ,en lava.
Die sossen en ene Huck.
Der Adam satt, wat stenkt merr esu,
De lava Ifeis ene Pupp^
155. Antuane Nüffche*,
Für dr^i Penneke Schnüffche,
För drei Penneke Karrewien*,
Mäht der Antuan et Nasche fien.
156. Andres,
Deä de Wegge fresst,
Deä de AVaffele backt,
En sie Modder open Nas kackte
157. Alewiss,
Decke Tiss,
Mäch, dats du en Frau kriss.
*) Krämerstrasse.
^) Das Angebinde wird am Vorabend des Namenstags überreicht.
^ Ein ähnliches Liedchen, worin Adam und Eva „ep een stoepjen**
sitzen, s. r. V. p. 40.
**) Ein langweiliger Mensch; s. Müller-Weitz a. a. 0. unter Nüffet.
*) semen carvi, Feld- oder Wiesenkümmel; s. Müller-Weitz a. a. 0.
unter Karwi.
*) S. auch die bei S, Kb. S. 109 mitgctheilten beiden Verse.
156 M. SchoUen
158. Chcestian,
Schlag de Bahn,
Va hfei bes open Iserbahn.
159. Ich siön e gecke Drütche,
Ich weös net, wo et ess^
160. Engelbeat,
Bess noch genge Pennek weod.
161. Franz,
Met de söwe Schwänz,
Us Cobelenz.
162. Oui, Franziss,
Henger dat Kapellche, do setzt der decke Tiss^.
163. Hännesche,
Pupännesche,
Wat hass du gekaucht?
E got Döppe Edäppel met ene fette Knauch.
164. Idche,
Studitche,
Entche,
Studentche.
165. Jupp,
Loss ene Pupp,
Setz dich nier,
Loss ere vier,
Stank op,
Loss ere 25 drop.
0 Bei 5. Kb. S. 111 wird dem „Drückchc" der Rath gegeben:
stür dich an nix,
Schmer ding Schob met Eierwix.
2) In Köln: Marih Franziss, Marih Franziss,
Wahl hinger der Häck'e
Do wount der schälen Tiss.
F, I, S. 457.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 157
166. Lambetes,
Der Püttes hat e Lauch e.
167. Le^nad,
Speckschwad.
168. Kenns du net Maricke?
Kenns du net Marei?
Jo, ich kenn Maricke,
Ich kenn se alle zwei^
169. Mathis, kauch Kaffie, kauch Fleasch,
Dat die Vadder en die Modder net en weas.
170. Pitt,
Wie de witt,
Wie de wuckes katitt.
Wie de wuckes katuckes,
Berlinische Pitt^
171. Türe Iure Lötche,
Der N. N. hat e Flötche,
Der N. N. hat en decke Fott,
Do speäle alle Jonge drop.
172. Wickes wie de Wickes va Lauerlakretz ^
173. Ziska,
Met de Gittar,
En et StofFeniser^
Egen Rock.
174. Züffche^ hau der Beck^
Fells noch met de Nas egen Dreck.
*) Von einem früh Aufgeklärten sagt man: Heä kennt Maricke en Marei.
*) Ebenso in Düren und Eschweiler (Ldkr. Aachen) mit der Wendung
„Kalviuische Pitt". P. Vgl. auch S. Kb. S. 111, Nr. 412; v. F. p,
^) Lorbecrlakritz, nach der Verpackung so benannt. "•)
St<>rlH*iseu. ^) Sophie. ®) Schnab«^! =r Mund.
158 M. Schollen
Thiere \
175. Mukouh,
Kaleverstatz,
Morigen ess de Melich gatz^
176. Kroh, Kroh, Kroh,
Der Düvel könt dich noh^
177. Die Amsel singt:
Der Wien es us, für zappe Bier*,
Weä nüs en hat, deä könt net wier.
178. Die Wachtel ruft:
Bock der Eöck^
179. Der Hahn kräht:
Gott der Heär könt.
180. Der Hahn, deä wou ens kermesgoah,
Schirrewirrewipp zom Zittverdriev,
De Pöll en die wou met goah,
Köckeröcköcköck.
Och Pöll en du sals hfei blieve,
Schirrewirrewipp zom Zittverdriev,
Du sals de Kuchens fure^,
Köckeröcköcköck.
>) Bezttglich der Vorbedeutungen bei Thieren vgl. Nr. 290, 293, 294,
305, 318, 322, 326, 332. Ueber die redenden Thiere s. R. S. 66.
*; bitter. ') Des Raben Ruf, dem heutzutage die Kinder so viele Redc-
formeln zutheilen, wurde schon im Mittelalter gedeutet:
Die alten Münch han ofFt gesagt
Dass, wan man einen Rappen fragt,
Wann er wöU werden weiss und frumb,
So schreit er Cras, Cras vmb vnd vmb.
*) Ebenso in Coblenz, Wegeier a. a. 0. S. 105. Als Blutfinkenschlag
bei Ä Kb. S. 188.
*) Die an den Ruf der Wachtel geknüpfte Vorbedeutung s. Nr. 326.
Vgl. auch den Wachtelschlag bei S. Kb. S. 190, Nr. 779.
«) füttern.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 159
181. Oss Katz en Nobbesch Katz,
Die haue sich ens gebeisse,
Oss Katz hau Nobbesch Katz
Et Stätzche usgereisse^
182. Söwe Katze ^ schlogge sich
Für ene wisse Weck,
Ne Honk, deä koam en jug se fut
En froas em met get Speck.
183. Madelenne Kätzche, dat hau Jonge,
Koam der aue Beistevadder, schluag hörn open Ogge.
184. Die Maus sagt:
Weä net weit freisse mie Gebess,
Deä moss at eisse mie Geschess.
185. Beim Auffinden eines Schneckenhauses:
Schleck, Schleck, köm erus.
Die Hus es verbrankt,
En alle ding kleng Kenger
Sunt metverbrankt ^
Glockensprache ^.
186. Dom, 11 Uhr-Messe:
Zau, Zau, Zau, Zau!
*) Bei F, in, S. 112 iu der Mundart des Samlandes mit der Abweichung,
da,ss für Nobbesch Katz „Pape Katt** steht.
*) Sieben Katzen, die sich beissen, finden sich in den bei F. III, S. 146.
151 und 169 aus Hameln, Lingen und Recklinghausen mitgetheilten Liedcheu,
*) Der Reim an die Schnecke scheint nach Z. S. 61 uralt zu sein. Vgl,
auch B, S. 97, sowie F. I, S. 230, 459, III, S. 57, 64; Fr, V, S. 294. Auf
der Insel Bomholm lockt man die Schnecke mit folgenden Worten:
Snegl, snegl, kom ud med dine lange hom!
Der er en bonde, der vil kjöbe kom.
F. m, S. 831. S. ferner S, Kb. S. 146, Nr. 568—580.
*) Wenn die Kinder heutzutage den Glockenklang nachahmen und ihm
einen Text unterlegen, so dürfen wir schliessen, dass dies schon in frühem
Zeiten geschehen. Bereits Seb. Franck erzählt: In eutOMAptbunn hangend
dry glocken, die erst vnd kleinest, anzogen vnd gttM^HHlLa^^n^ ^'3^i
160 M. Schollen
187. Nikolauskirche, 11 Uhr-Messe:
Penk Melich, Penk Melich.
Ziim Nachmittagsgottesdienst :
Nikela, Nikela.
Todtengeläute :
Kom met, köm met.
188. Foilanskirche, Todtengeläute:
Ess net mia, ess net mia.
189. St. Adalbert:
Basch dren, Basch dren.
190. St. Jakob, erste Messe:
Kappesbure, Kappesbure.
191. Beiern^:
Minge Dum, minge Fenger, minge EUeboog^.
Spottverschen.
192. Jorafer, Jomfer, Pirlapong,
Met enge Schlupp en ene Schong.
193. Ich kann at senge, wat ich wel,
N. N. döig der Schlepp eren.
Keremess, Keremess, Hempschlepp.
194. Weä gea Gäld hat für ene Hott,
Geld sich e Käppche, geld sich e Käppche;
gern wyn, gern wyn" etc. Die ander gröber, so man die Non glocken nennt,
spricht: „War zalts, war zalt^, war zalts?** Zelest Ittt mau die gross Sturm-
glocken, die brummt: „Puren, Puren, Puren.'' Z. S. 60. Vgl. auch die
„(ilockensprache" bei /?. S. 57.
') Festliches Geläute.
«) Als „Maigeläut" bei 5. Kb. S. 183, mit dem Zusatz: Hierothst du
miug Schwester, dann wirsch du minge Seh woge.
W^*a _^«*.» «ra.tl "liir tr-r oiio 11« »lU
trt^hl >i«*h e K tpiH-tn'ii ou dar ^itsylu !;oi *.
r.).'). Pocke. Potke. Nonicilaii,
Wenn «lie Mä*lchoiv (\vw i;*>lujt,
Da ireoht die PiKk al luol.
196. Weos du net, wo i'nmibach woliiuy
Cn)mbaoh wohnt u ^»^o lNMU|»i lu^.
Alle Mädohere kri^r^o »^^^ Mm\y
En ich kri<,'<*' noch piiiHi S\i\\\\\H'\\{\^.
107. Mädcho niot dh^ Mi^lilchlihil,
Koni ^M't hM mich .^pc/ilo,
Kriss du oiich cn A|>|Hliii(
Kn ilrit'i ^u\>iii'.kii lU'tv,
'^"t/t o]> d"i Kit/.
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162 M. Schollen
201. Ne Bur en ene Stier,
Dat ess en Dier.
202. Ne Bur en ene Ohss,
Die gönt dörich eng Poaz^
<
203. Jüd, Jüd, Kälekopp,
Der Düvel ess dinge Herregott,
Der Düvel singe Schwanz
Ess dinge Rusekranz^.
204. Tripp, trapp, tralie,
Oss Mad, die hat geng Fali6^
Hat se geng,
Da kritt se geng.
Da löift se wie en Kanaliö.
205. Holländer,
Brobänder,
Speckfreisser,
Kuckuck ^.
») Thor.
*) Bezüglich der Juden in Aachen vgl. Dresemann, Historische Uebersicht
über die Geschichte der Juden in Aachen. Ergänzend zu derselben bemerke
ich, dass die städtischen Beamten am 8. Juni 1714 (Beamten-Prot. Bd. 47)
„beschloßen, denen Burgeren von haus zu haus durch die Wächtere ansagen
und verbiethen zu laßen, dass unter Straf von zehn goltgulden sich des
Klopfen und schlagens und sonsten aller anderer Verschimpfung in Vorbey-
gehung deren anietzo dahier ahnwesenden, mit Ihro Kayßerlicher Mayestet
Päßen versehener Juden auf der gaßcn zu enthalten haben sollen". Hinsicht-
lich der Juden ist noch heutigen Tages im Volke der Glaube verbreitet, dass
man den versorbenen Juden Steine in den Sarg lege mit den Worten: „Begegnet
dir Vater Abraham, so grüsse ihn; begegnet dir aber Zimmennanns-Sohn,
so steinige ihn", sowie dass die Leiche eines am Sabbath verschiedenen Juden
in einer Kiste die Treppe hinuntergeworfen werde. S. auch Nr. 254 und
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins VIII, S. 181, Nr. 432.
^) Ein schwarzes, etwa Vj^ — 2 Ellen breites Stück Zeug, bei den Aermern
aus Wolle, bei den Wohlhabenden aus Seide, das schleierartig über den Kopf
geworfen wird, die ganze Taille hinten bedeckt und vorne in Falten herab-
fallend bis an oder über die Knie reicht (vgl. 3Iüllcr-Weitz a. a. 0
unter Fali($).
*) Auch in Cleve, F. I, S. 380, wo er zuletzt Kuhdief, wegen des Auf-
kaufcns des Rindviehs am Rhein, genannt wird.
Aachener Vülk8- und Kindcrlieder, Spiellieder und Spiele. 163
Spöttische Bezeichnung von Gewerben.
206. Knuddelebäcker,
Poschweck ^
207. Wenns du oss genge Poschweck gess,
Dats du dann oucli düig -Kleie fress^.
208. Krächekröttche, wat ess dich?
Der Bäcker petscht mich^.
209. Et söss ene Schnieder open DäoH
En nienet,
Du koem ene Hahn en bess em egen Hank
En krienet^
210. En Geos, die löif der Berg erop,
Der Schnieder leif er noh,
*) Posch weck 1495 Familienilame (Zeitschrift des Aachener Geschichts-
verems VIII, S. 244, Nr. 21).
2) Der von den Bäckern am 11. Februar 1846 bekannt pfcgebcne Beschluss
keine Osterwecken (Posch wegge) mehr unentgeltlich zu verabreichen, war die
Veranlassung, dass Banden Maskirter Fastnacht zu den Bäckern zogen und
obige Spottworte sangen. Schon Ostern 1 760 weigerten sich, wie der Bürger-
meister-Diener Janßen in seiner C-hronik III, S. 118 berichtet, die Bäcker,
Osterwecken zu backen, wurden aber vom Magistrat dazu unter Androhung
einer Strafe von 25 Goldgulden gezwungen. Bekanntlich verbot in diesem
.Jahre (1888) ein Beschluss der Bäckerinnung bei erheblicher Geldstrafe ihren
Mitgliedern, fernerhin Osterwecken unentgeltlich an ihre Kunden zu verab-
reichen.
3) Ein Spottvers auf die Bäcker bei S. Kb. S. 122 lautet:
Wie machen die Bäcker die Wecke so klein?
Sie schieben dreihundert ins Ofenloch 'nein.
*) In den frühem Zeiten, wo die Auskramkasten noch sehr selten waren,
stellte der Schuster, der Bäcker u. s. w. seine Waare auf den Däol, welcher
vor dem Fenster angebracht war, und zwar in der Art, dass Abends der
Däal das Fenster schloss, indem er in die Höhe gehoben und von innen
befestigt wurde. Im Tage sassen öfters die Arbeiter auch selbst darauf.
Müller-Weitz a. a. 0. unter Däal.
*) In Köln mit dem Zusatz :
Doo flihdigen Hahn, pack dich cruusi
Ming Hand de ess gein Hoonderhuus,
Bock mää!
F. I, S. 467.
164 M. Schollen
De Geas, die hfeif et Stätzche op
En sat, wat han ich do^
211. Nian sier en steich witt,
Dat der Bor der Kfeil* en kritt.
212. Schuster, Schuster, Fieslapp,
Schleas die Modder met der Lees egen Nack.
213. Schurittefeager,
Katzefeager,
Tambur maju^^
214. Schmedche, Schmedche Bielefeld,
Hat gen Iser en ouch geä Gäld*.
215. Schiereschliff ^
Wat der Man verdengt, versüft et Wiev.
216. Klitsch, klatsch egen Form,
Pritsch ess mie Handwerk.
Ablehnende Bescheide ^
217. Wat kost dat?
Esu völ wie de Haufschead en dat angert allemol.
») Aehnlich in Kettwig, F, I, S. 414, in Samland, F. III, S. 111, in
Rheinberg, Die Heimath 1877, S. 72; bei S. Kb. S. 122.
») Kittel.
•) In St. Gallen lautet ein Kinderlied:
Chemmifäger, schwarze Ma,
Het e schwarzes Hempli a,
Alli Wöschere vo Paris
Chönnids nomme wasche wiiss.
F. n, S. 655. Vgl. „Der Schornsteinfeger** aus Strassburg i. E. F. I, S. 113.
*) Das Volksmärchen „Dat Schmettche von da Deuwcl** F. I, S. 432;
vgl. auch S im rock, Mythologie, 5. Aufl., S. 482. *) Scheerenschliflf.
•) Meine Bemerkung in der Einleitung, als sei diese Rubrik eine neu-
geschaffene, muss ich berichtigen, indem ich aus dem mir nach dem Druck
derselben zugänglich gewordenen Bd. IV der Frommannschen Zeitschrift
ersehen habe, dass Stob er bereits in dem Aufsatz „Mundartliches ans dem
Elsass** derartige Bescheide unter der Uebcrschrift: „Antworten auf vor-
witzige und andere Fragen** mitgetheilt hat.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieiler und Spiele. 165
218. Wie Zitt ess et?
Zitt, dats de dich bekiasch*.
219. Wie sitt dat us?
Schwazz, wenn et verbrankt ess.
t-
220. Weä ess dat?
Ne Man met zwei Beon en en Nas en et Gosecli.
221. Loss mich dat ens siah?
Hat geng Ogge.
222. Wat hass de mösse gewe, för dat ze sioh?
De Ogge der Kick.
223. Wie geaht et?
Wie sou et goahn, op zwei Beon*.
224. Va wöm bess du?
Va mie Vadder en mio Modder.
225. Wat wead hüi gekaucht?
E Döppen en et angert.
226. Wo wohnt tihr?
Wo de Dör agene Still opgeoht.
227. Wo geohs du hen?
De Nas noh.
228. Hass de mich get metbraht?
E zockere Nüsche^
220. Auf die Aufforderung zum Taus/h:
Honsr tusche, ich hau wat ich han.
*) bvkehr*t. DIk At'irort^n zaf diese Fn^ge i» Stra^urg and lC*Ühaa^si
s. Fr. rV, 5. 472, Xr. 12.
'j Ad.L>fa Fr. in. S. 4<*», Xr H; IV, S. 471, Sr. 2.
*} Auf 1:- alaal; }.r Fr*i:*: ^rwie«lert mam feiJkiM' E KÜwri* Xix«rL an
e guldi* Wan^wKIr:;-, '!;*. kri^«<lu wenn'« ||[ Fr. IV, .S. 473.
Nr. 1**. XzL a^db W-=ii-rLorn II, S. 4ir ^^ 9&-l'>.'.
_i
166 M. Schollen
230. Wie he8scht deä?
Wie siuge Nam en ess.
231. Woröm lut et?
Weil se an et Seal trecke.
232. Wie kons du dora?
Wie komme de Heide a de Hemder.
233. Wo kons du an dat schönn (Gegenstand)?
Schönn Lü haut ouch schönn Sache,
En wat se net haut, dat losse se sich mäclie.
234. Gew mich dat!
Gank Köili beddele, da kriss du de Kauver ömmesöns.
235. Modder, ich ha Honger!
Leck get Salz, da kriss du ouch Dösch.
236. Auf die neugierige Frage eines Kindes:
Kengerfrög, au Lü wessen et wähl ^
237. Auf die Aufforderung, sich ze zaue:
Ich ben gezaut,
Noch gedaut,
Da ben ich got för Lapplear.
238. Auf die Frage nach dem Besitz eines Gegenstands:
Hei ich dat, da leife mich de Hong noh.
239. Auf die Frage nach dem Verbleib eines Gegenstands:
Wo ess der Schniea va ze Johr.
240. Wo ess dat?
A die wolle Oemkiehr, längs dat linge t/iuere^.
241. Nüis Nöits passiert?
Ene Bock hat en Geos rasiert.
>) Bei S, Kb. S. 20 heisst es:
Kleinkmderfragc mit Zucker bestreut,
Grosse Leute wissen Bescheid.
*) Eine Art St-hlag- oder Kiegelbauiu zum Absperren der Wiesen.
Aachvner Volk«»- und Kinder lieder, :>pieUieder und Spiele. 167
242. Man deutet auf die rechte Hand eines Andern und sa*,'t:
Du blouts a die Hank!
Sieht er dahin, so heisst es:
A die andrer Hank!
De Nas verbrankt ^
243. Wot)sch du ouch derbeiy
Wobei?
Bei der Weprgebrfei.
244. Wat geoht dich dat a!
Krigg ene Köttel en biess dra.
Heits du et mich get iahder gesät,
Da hei ich et dich oj>en Zong gelat.
Heits du dat Wötche verschwer^ge,
Da brüchets du der Pastur sie Hii'-clie net ze fV^ge.
Militärisches.
245. Et ess geü Mädrlie eg<*ii Stailt,
Of uea et hat ene lYü^^ gc-ljat.
240. Si>s de uiicli. li^*i ^to.jluj irjj,
Kr»ns du net, da g'^^hn uU.
247. Ha-^s du ii*>rh uet laug g<'ij<>g */i^^i\il}{Ut'f
248. Tre-ck dra, s*»ns ge^lil duh <io l^U^f n>.
249. De Jr'i'cUizu.>e haiiT et (i^ild g<'Ji<;lt.
De Prii^se hol<,Mj et \sier.
250. 3I'»r^'e jr-mt JVir t!•*M•k(^
J >a we^^de liir Zal^ul^
])h i^ewt'iirv (>ii i[o >M;fke.
J >i<* >töijt for (>>> ]»arat.
art an.
168 M. Schollen
251. Kiskedi hat Hössen a,
Parle vu hat Strömp a^
Tanzreime.
252. Der Drickes egen Heu.
Eng Trapp erop,
Zwei Trapp erop,
Gew mich get Fiir.
253. De sövve Spröng^
Hei weä ka de söwe Spröng,
Hei weä ka se danze?
Backesmädche; kom bei mich,
Kons du net, da hool ich dich
Zorn Danz^
254. Schottisch.
1, 2, 3 ene Jüd kapott,
Krigg em met der Hals en schmeiss em fott.
255. Jonge, Jonge, Jonge, wenn der Lambet könt.
*) Richter a. a. 0. S. 163 bemerkt: Ausserdem hat im 18. Jahrhundert
die französische Revohition ihre Spuren in den deutschen Kinderreimeu zurftck-
gelassen. Dem französischen Marsche hat die deutsche Kinderdichtung folgenden
Text unterlegt:
Ramplamplam, Papier argent,
Kein lump'ger Geld als Assignat.
Qu'est ce quMl dit hat Hosen an,
Parlez-vous hat Strttmpfe an.
2) Dieser kaum noch gekannte Tanz ist, wie F. Höft in Am Urds-
Brunnen VI, S. 1 nachweist, mythologischen Ursprungs, lieber die sog.
sieben Sprünge vgl. Simrock, Mythologie, 5. Aufl., S. 576; Ku. II, S. 44,
Nr. 121, S. 149, Nr. 425; Kolbe, Hessische Volks-Sitten und Gebräuche
S. 115. In Thüringen werden noch bisweilen beim Erntefest „die Sieben-
sprüng" getanzt. Witzschel, Sagen, Sitten und Gebräuche aus Thüringen.
S. 222.
^) Vgl. S, Kb. S. 105, Nr. 383; den Tanzreim zu den „zeeven-sprong**
in den Niederlanden s. r. V. p. 1)2.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 169
Zur Uebung der Zungengeläufigkeit ^
256. Weä kloppt? sät sfei,
Weä ess dat? sät ich.
Du sproach sfei,
En dat ben ich.
257. Kleng Kaplönche.
(Zehnmal rasch nacheinander zu sagen.)
258. Greierlengs dörichgen Sief gegreit*.
259. Fritz freiss fett Speck.
260. Ob mie Vaddere Schaf litt reehts e breot blei6 » Bei61e K
261. Minge Nonk Fonk us Ponk singe Honk, döra sing Konk
ess wonk van alle de Kaffigronk, döm minge Nonk Fonk
US Ponk singe Honk dronk.
Räthsel und Vexir-Fragen ^
262. Höppelepöp soss open Bank,
Höppelepöp ffeil vagen Bank,
Et ess genge Dokter en et ganze Land^,
Deä Höppelepöp kuriere kan.
Roa, roa, wat ess dat^?
Ei.
263. Ich klopp an e wiss Kapellche, da könt erus e geol Männche ?
Ei.
*) Auch das Mittelalter kannte schon allitterirende Sprüche mit Konso-
nantenhäufung, um die Zunge der Kinder geläufiger zu machen, z. B. „ein flig
die prent ein praw von pir*', vgl. Z. S. 55, s. ferner über konsonantische
Anlantgformeln R. S. 23.
') mit ausgespreizten Beinen. ^) bleiernes. *) Beil.
*) lieber Alter und Art des deutschen Volksräthsels vgl. i?. S. 199, über
«las Räthsel im Mittelalter Z. S. 64.
*) Fast übereinstimmend in Vorarlberg, Fr. III, S. 398. In der Mundart
im Lippeschen, F. I, S. 271, heisstes: „Ess nen Dokter in Engeland '* und in
der rhein fränkischen Mundart, fV. V, S. 278, „et es gen man en Braban",
endlich bei Spee a. a. 0. I, S. 19: Ess gene Mon en ganz Hollonk.
') Aehnlich bei r. V. p. 48.
170 M. Schollen
264. Wat ess noch klenger als en Mus
En hat niia Fenstere als et Stadthüs^?
Fingerhut.
265. Vier Rarende,
Zwei Komplemente,
En de Medse ene Wiggelewack,
Mengen en vören ene Bruadsack^?
Chaise.
266. Komme se, da komme se net, en komme se net, da komme se.
Die Tauben und die gesäten Erbsen.
267. Höleböle setzt opene Söller, liondert dusend Pead
können em net erav krigge?
Sonnenschein.
268. Ich werp get Längs erop,
Könt öwer Krüzz erav^?
Scheere.
269. Et geng ene Man öwergen Brock,
Deä hau fick fack Vogel agen Rock,
Wat hau heä agen Rock?
Watte.
270. Kaiser Karl hatte einen Hund,
Dem gab er den Namen mit seinem Mund.
Also hiess Karl semen Hund.
Wie hiess der Hund^?
Also.
>) Bei R. S. 261 heLsst es:
Chliner as ne Müs,
meh Pfcisterli as es Rothhüs.
Dasselbe Rräthsel in Windsheimer Mundart s. Fr. IV, S. 550 ; in brabant isolier
Fassung s. bei Mone, Anzeij^er 1838, S. 268. Vgl. auch S. Kb. S. 327.
^) In der Gegend um Soldin in der Neumark lautet ein ähnliches Räthsel:
Veer Ruratschen,
Veer Woalerk latschen,
Eenen KupennilUing
Met'n Schwingschwang.
F, III, S. 503.
•') Achnlich im Lipposchen, F. I, S. 271; in Solingen, F, III, S. 195.
*) Auch in -S'. Kb. Nr. 1138; ähnliches Räthsel bei r. V. p. 156. Nach
J. F. Schröder, Geschichte Karls des Grossen S. 200 wurden die Jagdhunde
Aachener Volks- uud Kinderliedcr, Spiellieder und Spiele. 171
271. Wat geaht opene Kopp nohgen Kericli eren?
Der SchuhnageP.
272. Wat ess et iaschte egen Kerich^?
Der Bart des Kirchenschlüssels.
273. Wat ess et kloaschte^ egen Kerich?
Der Tropfen an der Nase.
274. En häuf Kauf häuf.
Ein Viertel eines Kalbes.
275. Wat rücht, stenkt dat ouch?
Wird bejahend geantwortet, so heisst es:
Da stenkt ding Nas ouch.
276. Woröm deat der Halm de Ogge zou, wenn heä kriont?
Weil heä sie Ledche uswendig kan.
Volksglauben.
277. Das Finden eines vierblättrigen Kleeblatts bringt Glückt
Karls d. Gr. auf der rechten Seite gezeichnet und hatte jeder seinen Namen.
Vgl. auch Nr. 58 von Karls d. Gr. Wirthschafts-Ordnung der Königshöfe in
Beiträge zur Geschichte von Eschweiler und Umgegend I, S. 249.
*) In Vorarlberg ist die nämliche Antwort auf die Frage : Was göt ufern
kopfs land üs und i? Fr. III, S. 397; s. dasselbe Räthsel in Windsheimer
Mundart, das. IV, S. 551.
2) Auch bei K. S. 107; bei Schm. S. 205. ^) am klarsten, hellsten.
*) Jansen (Samml. verschiedener Gedichte in der Aachener Volkssprache)
sagt in dem Gedicht: „Der unverb rennliche Mann" I, S. 35:
Deä merr va vier e Klioblatt hei,
Dom ess net liaht get vörzemuUen,
Deä sitt ze hoss de Kockelei.
In Gr. LII heisst es: so band ettlich de fierde Kle
das sy dauon gauglen sechen.
V^l. auch K. S. 252. In Oesterreich kann man, wenn mau vierblättrigen
Klee hat, alle Künste der Zauberer und Hexen durchschauen. Vernaleken,
Mythen und Bräuche des Volkes in Oesterreich 8. 312. Wer in Thüringen
ein vierblättriges Kleeblatt findet, der soll es aufheben und bei sich tragen,
denn so lange er es hat, ist er glücklich. Witzschel, Sagen, Sitten und
Gebräuche aus Thüringen S. 277. Dagegen wird in Rottenburg der, wer
unverdanks einen vierblättrigen Klee findet, bald reich. Birli»g«r, Volks-
thümL aus Schwaben I, S. 490. ^^
172 M. Schollen.
278. Beim Kartenspiel den Daumen halten bringt Glückt
279. Wer Geld borgt beim Kartenspiel, hat Glück*.
280. Et eschte Glück« ess Katzeglöck.
28 1 . Mit dem zuerst im Geschäft gelösten Geldstück muss man
sich segnen, dann hat man Glück.
282. Weä de Trapp erop feilt, hat Glück.
283. Wie mia Feinde, wie mia Glöck*.
284. Wie grüesser der Schelm, wie grüesser et Glöck.
285. Deä met ene Halm gebore ess, hat öArverall Glöck*.
286. Sondeskenger, Glöckskenger ^.
287. Weä zom Stüver gebore, sal net an en Mark kommet
288. Der Düvel schiesst zeläve net op ene klenge Houf ®.
289. Von dem Aufwandmachen über den Stand hinaus trotz
genügender Mittel sagt man: „Do komme Strofe noh.**
290. Die Spinne am Morgen
Macht frei von Sorgend
291. Messer und Gabel kreuzweise übereinander liegen lassen
deutet auf Unglück ^^.
^) üebereinstimmend bei Birlinger a. a. 0. I, S. 497; Ku, II, S. 188,
Nr. 530.
«) Desgl. Gn LXIX, Nr. 51. «) d. h. beim Spiel. -•) S. Zeitschr. des
Aach. Geschichtsvereins VIII, S. 170, Nr. 200.
*) Gr. LXXVII, Nr. 260 : „wer sein mit auf die weit gebrachtes kleidcheu
(die glückshaube) authebt und bei sieh trägt, dem gelingt aUes."
^) Gr, LXXVII, Nr. 243: „wer sonntags geboren wird, ist glücklicher
als andere.'* Vgl. auch B. II, S. 219, Nr. 1143.
^) Vgl. Zeitschr. des Aach. Geschichtsvereins VIII, S. 201, Nr. 916.
In Coblenz heisst es: Wer zom Faustekäs gebore es, werd sei Lewe kaine
Limborg6rer. Wegeier a. a. 0. S. 101.
®) Zeitschr. des Aach. Geschieh ts Vereins VIII, S. 169, Nr. 159.
®) Gr. CXVII, Nr. 10: Taraign^e est un signe de bonheur, et annonce
particuliörement de Targent pour la personne, sur laquelle eUe est trouv^e.
S. auch K. S. 252; Kt4. II, S. 59, Nr. 175; B. II, S. 184, Nr. 879. An wem
in Thüringen früh Morgens eine Spinne herunterkriecht, der wird am Tage
glücklich sein. Witzschel a. a. 0. S. 277.
'°) In Oesterreich ruft derjenige, welcher mit der Gabel auf den Tisch
schlägt, die Noth, und der, wer ein Messer so auf den Tisch legt, dass die
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174 M. Schollen
802. Wenn ein Kind hoffnungslos daniederliegt, so holt man
bei Knaben den Pathen, bei Mädchen die Pathin, diese
besprengen das Kind mit Weiliwasser und segnen es, ihm
so den Tod erleichternd ^
803. Verbreiten die m dem Kapellchen auf der Rosstrasse von
wallfahrenden Kindern geopferten Kerzen hellen Schein,
so genest das Kind, wegen dessen die Wallfahrt unter-
nommen worden, brennen sie trübe, so stirbt es^
804. Wat net jonk dollt, dollt oat.
305. Vögel, die fröch senge, kritt de Katz^
806. Weä vor vezzig Jolir fahrt, moss noh vezzig Jolir beddele
goöhn ^.
307. Wenn Mädchen pfeifen, weint die Mutter Gottes ^
308. Wer oft und viel in den Spiegel guckt, hinter dem steht
der Teufel ^
309. Drfei Genanne, dönt der Düvel banne.
310. So oft es knackt, wenn ein Mädchen an den Fingern zieht,
so viel Schätze hat es'.
^) Bei Gr, XCIX, Nr. 769 müssen ^oth oder pathe geholt werden,
wenn das Kind „kinderscheuersclien" bekommt.
*) Zu dem KapeHclien lässt man dann fi\r ein erkranktes Kind, je nach-
dem es ein Knabe oder Mädchen ist, drei Knaben oder Mädchen im Alter
von 7 bis 9 Jahren wallfahren, wenn menschliche Hülfe aussichtslos erscheint.
Bei dieser (relegenheit werden Kerzen j^eopfert und gleich angezündet. Vgl.
auch Müller, Aachens Sagen und Legenden S. 108, ferner dessen Prosa und
(iediohte in Aachener Mundart, Th. II, 8. 47.
"*) Ebenso Wegeier a. a. 0. S. 98.
*) Gr. LXXVI, Nr. 233: wer jung glücklich ist, muss im alter betteln
und umgekehrt.
*) Ein deutsches Sprichwort mahnt:
Wenn Mädchen pfeifen und Hühner krähen.
So soll man ihnen den Hals umdrehen.
In Rheinberg (Niederrh. Geschichtsfreund 1880, S. 50) heisst es: Wo de
Henne krähje on de Fraulüj fleute, sett den Düvel op de Schorsteen.
^) Bei Körte, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen KedensarlM if
Deutschen, 2. Aufl., S. 420, Nn 7057 heisst es: Sieh nicht i^
bei Licht, der Schwarze guckt dir über die Schulter.
^ Dgl. bei K. S. 2f»8.
Aachener Volkn- uiiil Kinilcrlietlcr, Spiellieder mitl Spiele. 175
311. Spitzige oder schneidende Gegenstände darf man nur mit
lachendem Munde verschenken, sonst zerstören sie die
Freundschaft '.
312. Derjenige Ackei-smann, welcher des Nachbars Eigenthiim
durch Verrückung der Grenzsteine geschmälert hat, muss
nach seinem Tode so lange als feuriger Mann umgehen,
bis Jemand auf seine Frage :
Wo setz ich meinen Pfahl?
antwortet :
Setz ihn, wo du ihn nahmst!
Nachdem er hierauf die richtige Grenze wiederhergestellt
hat, erscheint er als erlöster Geist nicht wieder*.
313. Wenn es domiert, sagt man: „Et Herregöttehe kieft" ^
314. Bei Gewittern Wien man in das Achhom, um dadurch die
drohende Gefahr abzuwenden*.
315. Wenn et reäut en de Sonn schingt, hat der Düvel Keremess*.
316. Reänt et op Maria ^ief^, da reänt et noch vezzig Dag'.
') Vgl K S 255 Xr 70
') \gl Kaufmann \\uD<lerbare iml denknUrdige Gesclo litcn aus
den Werken ies tä-aaniis von HeiilPrbich Annaleu iles hiat \erems f 1
Ni. ierrhcin Hift \LVII Th I ^ 2i f ^r ) und 10 S ftrnt-r du.-»,
Annalen X\X\ III s 91 iiich in Thflringen mus-i «er Gr<,n/steine ver
rü kt« nach dem Tule nis feurigtr Unnn uinf^chiu Der feurige Mann ist
ein <iei->t der HOlle Mit Riesen schritten setzt er seine Reise fort dabei
nach allen Seiten Feuerfnnkeii von siüi sprühend Fr streitht mti«t den
tlurgreuzen entlang W itzsohel a i ü "■ 2'4 2b6 , lieber den Feier
inin' inOesterrtiLh igl \ernalekena ft 0 S 271 fT In SMerdilnurscIiui
sind Feuermänner Seelen \ er'ttorbcner ncLhe »ef,en ihrer Missethaten nieht
TUT ewigen Ruhe eingehen kunntn Oren/verHlcker J eld meiser die falmb
t,enie'>si,n gewiBsenl ■* firnndljcait^er Sputter uinl Mörder iniissen al§ Feuer
tnSnner abbüsien Sie ers heinen ml« orter als Irrli hter oier au h al-, h be
m 1 . _ 1 Ti -^jj.) ^^ Uidsbrunnen III S m
den Kindern wenna ilunnert Der
.n, zornig). 'Vernatekcn a. a. 0.
chtsvereina VI, S. 246.
,n'gnets unter Sonnenschein, so
bei Spee a. a. 0. II, S. Sh; Kii.
r'cl. Ku. TI, S. 92, Nr. I4«l; B.
: Zeitschrift für deutsche Kultur-
178 M. Schollen
334. Am 24. Dezember (Adam und Eva) darf man keine Aepfel
essen, sonst bekommt man Gesclnvlire an den Mund^
335. Christnacht wird um 12 Uhr alles Wasser Wein*.
336. Gröng Kressmess, wisse Posche^
337. Ist Jemand ein Fuss eingeschlafen*, so vergeht das Uebel,
wenn man mit Speichel ein Kreuz über denselben macht \
338. Wenn man die Nägel von den Fingern abbeisst, bekommt
man die Auszehrung^.
339. Weisse Flecken auf den Nägeln künden die begangenen
Todsünden (gesprochenen Lügen) ^.
340. Löst sich die Schale des gekochten Eis nicht gut, so ist
man ungern aus dem Bett aufgestanden.
*) Bei K, S. 258, Nr. 103, wer am Neujahrstag Aepfel isst. In Thüringen
dürfen in der Adventszeit keine Erbsen und Linsen gegessen werden, sonst
gibt es Schwären im zukünftigen Jahr. Witzschel a. a. 0. S. 156.
*) Man muss zu diesem Zweck au eine Pumpe u. s. w. gehen und sagen :
„Alle Wasser ess Wien.** Flugs springt dann aber der Teufel hinzu und
sagt: „En du bess mien." In Wachtendonk, wo der gleiche Volksglaube
herrscht (s. Der Niederrhein 1878, S. 30), stiess der Teufel einen Mann, der
in der Christnacht Wasser schöpfte und dasselbe mit grossem Behagen trank,
mit den Worten: „Und du bist mein" in die Niers, nachdem er vorher auf
die Frage: „Was machst du?" als Antwort: „Das Wasser ist Wein"
erhalten hatte. Vgl. auch Ku. II, S. 108, Nr. 324; Vernaleken a.a.O.
S. 290. In Bielefeld, Gr. C, Nr. 792, herrscht derselbe Aberglaube. Dort
„erblindet, ertaubt oder ist ein Kind des todcs der, welcher es untersuchen
will". Gr. S. 328, leitet die Annahme auf die VorstcUung zurück, dass die
erste Manifestation der Gottheit des Heilands bei der Hochzeit zu Cana, wo
er Wasser in Wein verwandelte, geschehen sei. In Röttingen glaubt man,
dass in der Christnacht aus allen Brunnen, etwa drei Minuten lang, Wein
fliesse. Niemand mag aber zum Brunnen, weil die Diebe zu dieser Stunde
so gefährlich sind. Birlinger, Volks thümlich es aus Schwaben I, S. 466.
3) Vgl. Schm. I, S. 169, Nr. 10; Körte a. a. 0. S. 579, Nr. 305, 306.
*) Das Ameisenkricchen im Fuss. *) Gleichlautend bei K. S. 267.
ö) Desgl. S. 265. In Ertingen (Birlinger a. a. 0. I, S. 488) besteht
der Glaube, dass man mit den Nägeln Menschen tödten kann, obwohl langsam ;
ferner, dass, wenn man einem Wasser zu trinken gibt, in das „Nägelschabete"
geworfen wurde, der Betreifende die Auszehrung bekommt.
^) Bei Gr. CLVII, Nr. 1070 bleibt der in seinem Vaterland, wer auf
den Daumnägeln weisse Flecken hat ; bei K. S. 252 deuten dies(^lben auf Glück.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 179
341. Met et lenke Bean zeiasch opgestange sia^
342. Hei lut et zoni I)ua<l,
Hei lut et zom Grav,
Welsch mich alle die Frazzele^ av^
343. Weiss man an einem Kreuzweg nicht den richtigen Weg,
so spuckt man auf den Rücken der geballten Faust und
schlägt darauf; wo der Speichel hinfliegt, ist der richtige
Weg^
344. Juckt die Nase, dann erhält man Geld^
345. Lenk Ur,
Klenk Ur,
Reaht ITr,
Schleaht Ur^.
') Sagt man von demjenif^en, welcher den Tag über gegen seine Um-
gebung sich mürrisch zeigt. Wer in Thüringen früh beim Aufstehen mit
dem Unken Fuas zuerst aus dem Bett tritt, hat den Tag über ein Unglück
zu erleben oder es geht ihm Alles verkehrt. Witz seh el a. a. 0. S. 295.
2) Warzen. ^) Desgl. bei K. S. 268; Birlinger a. a. 0. I, S. 484.
Einen andern Aberglauben zum Vertreiben der Warzen s. Gr. CLII, Nr. 975,
femer Jahrbuch für Elsass-Lothringen III, S. 141. In Thüringen geht man,
wenn es auf dem Gottesacker läutet, stillschweigend ans Fliesswasser, greift
mit der einen Hand ins Wasser, wäscht die Warzen und spricht dabei:
Dies (Je wachs wasch ich abe
Das verscharre man im Grabe.
Witzschel a. a. 0. S. 291. In Oesterreich soll man Warzen verlieren,
wenn man an einem Nachmittag, wo zu einem Begräbniss geläutet wird, ins
Freie tritt und spricht:
Warzel, Warzel, weiche,
Sie läuten einer Leiche;
Gehst du nicht zu Grabe,
Frisst dich zuletzt der Rabe.
Vernaleken a. a. 0. S. 314.
*) Wein oder sonstige Flüssigkeit entweder mit dem Munde oder aus
einem Gefasschen auf ein schwebendes oder schwimmendes Ziel zu spritzen
und dies dadurch zur siegverkündenden Senkung zu nöthigen, war eine
vorzugsweise bei Symposien stets wiederkehrende, unter dem Namen „KottA-
bos" bekannte Hauptbelustigung. Vgl. Weiss, Kostümkunde II, S. 896;
Richter a. a. 0. S. 98.
*) Bei Gr, ('LX, Nr. 1138 bedeutet das Nasejucken einen Rausch; bei
K. S. 252 ein Geschenk; bei Birlinger a. a. 0. I, S. 495 gibt es was Neues.
«) Aehnlich bei Gr, LXXXIX, Nr. 537, C, Nfcjgfc XLVUI, Nr. 27 ;
A'u. II, S. 59, Nr. 173. Im Nassauischen helBSt ||^B^HlL ^ einem im
12*
180 M. Schollen
346. Einen ausgefallenen Zahn muss man hinter sich werfen,
sonst bekommt man keinen neuen ^
347. Krolle 2 Hoare, krolle Senn».
348. Rua Hoar en Hölleterholz * wast sälde op ene goue Gronk ^
349. Dem Mädchen soll man die Haare zur Zeit des jungen
Lichts schneiden, dann wachsen sie schnellt
350. Weä sich get nient age Liev, wead zeleäve net riech
(Börgermöster) ^ •
351. Wenn ein Reihfaden an einem neuen Kleide sich befindet,
so ist es noch nicht bezahlt®.
352. Bleibt auf dem Spaziergang dem Mädchen ein Dorn in
der Schleppe des Kleides hängen, so bekommt es einen
Wittwer zum Mann^
353. Wenn et Spöilwasser kaucht, kritt et Mädche ene versaufe
Man ^^
354. Fällt ein an der Wand hängendes Bild u. s. w. von Unge-
fähr herunter, so sieht man das als ein Vörgeböigness an ^^
355. Wer todt gesagt wird, lebt lang.
rechten Ohr, so wird er in dem Augenblick an einem andern Orte gelobt;
singelt es im linken, so wird er getadelt. K. S. 252.
*) Bei K. S. 266 muss der ausgefallene Zahn eines Kindes in ein Maus-
loch gethan werden, sonst bekommt es keinen neuen. Vgl. auch Ku. II, S. 34,
Nr. 94.
«) krauses. ^) Auch bei Körte a. a. 0. S. 189, Nr. 3092.
*) HoUunderholz. *) Vgl. Schm. I, S. 185, Nr. 83; Wegeier a. a. O.
S. 100. Ueber den Ursprung dieses Volksglaubens s. J.W. Wolf, Beiträge
zur deutschen Mythologie I, S. 64. Vgl. femer Zingerle, Die deutschen
Sprichwörter im 3Iittelalter S. 124.
ö) Ucbereinstimmend bei K. S. 263, Nr. 167.
^) Bei Gr. LXXVIII, Nr. 276 muss man alsdann etwas in den Mund
nehmen, sonst wird man vergesslich.
«) S. dasselbe bei K, S. 256, Nr. 77.
ö) Gleichlautend bei K, S. 264, Nr. 178.
*^) Im Nassauischen bleibt das Mädchen alsdann noch 7 Jahre ledig.
K. S. 264.
") Wenn man in Thüringen einen schweren unerklärlichen FaU oder
sonst ein Gepolter u. s. w. im Hause vernimmt, so bedeutet es Sterben.
Witzschel a. a. (). S. 255.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 181
356. Su dock wie me der hellige Ges* avblöse ka, su völ
Johre leovt me noch.
357. Wenn der Körev feodig^ ess, flüggt der Voggel drus.
358. Wenn die Kinder Prozession spielen, stirbt Jemand in der
Nachbarscliaft ^.
359. Speisen dreizehn Personen zu gleicher Zeit an einem Tisch,
so stirbt eine derselben in Jahresfrist*.
360. In dem Hause, an welchem ein Hund längere Zeit jimkt •^,
stirbt Jemand ^
361. Gear du9d, leovt lang.
362. Wenn zwei Personen zu gleicher Zeit auf den nämlichen
Gedanken kommen, so sterben sie im nämlidien Jähret
363. Von einem Grab darf man nichts mitnehmen, der Todte
holt es sonst zurück®.
364. Träumt man von einem Verstorbenen, so bedarf dieser des
Gebets \
Bücherinschrifteii.
365. Wer dieses Buch findet, ist mir lieb,
Wer es behält, der ist ein Dieb,
Es sei Magd oder Knecht,
An dem Galgen steht sein Recht ^**.
0 Die in Samen übergegangene Blume des Löwenzahns. *) fertig.
•'*) Bei K, S. 270, wenn die Kinder im Spiel ein Begräbnis» darstellen.
*) Gleichlautend bei Birlinger a. a. 0. I, S. 474; Witzschcl a. a. 0.
S. 257.
^) weinerlich heult. ^) Gr. CLIX, Nr. 1112, wohin der heulende Hund
die Schnauze steckt, aus der Gegend wird die künftige Leiche hergetragen.
8. auch K, S. 269; Kii. II, 8. 51, Nr. 141; Witzschcl a. a. 0. S. 252.
^) Bei K. S. 252 leben in diesem Falle beide noch lange. In Baisingen,
Birlinger a. a. 0. I, S. 496, heisst es alsdann: „schon wieder eine Seele
erlöst, die wird springen."
«) Auch bei K. S. 272.
*) In diesem Fall soll man bei Birlinger, Volksthüml. aus Sehwaben I,
S. 475 sich desselben annehmen, denn er bedarf der Hülfe. Vgl. auch Ku. II
S. 59, Nr. 174.
^®) Auf dem Pergamentumschlag eines Heberegisters der Pfarrkirche zu
Eschweiler (Ldkr. Aachen) steht von einer Hand des 16. Jahrhunderts: Anno
182 M. Schollen
366. Wer dieses Buch findet, ist mir lieb,
Wer es behält, der ist ein Dieb;
Wer es bringt an mein Haus,
Der bekommt eine gebratene Maus
Und drei Prügel auf den Rücken,
Dann will ich ihn nach Hause schicken K
367. Auf der Innenseite des vordem Deckels:
Willst du wissen, was dieses Buch kostet, so schaue hinten,
Auf der Innenseite des hintern Deckels:
0 du neugierige Nase,
Geh nach Hause die Suppe blasen!
368. Gott gebührt die Ehre,
Dem Schneider die Scheere,
Dem Ackersmann der Pflug,
N. N. dieses Buch.
AllerleL
369. Woröm ?
Doröm *.
Ixxxx iiii ist dit buch gemacht, dit buch ist dit Hintz Kremers. Dauu folgt:
Wer et feint, das ist im leif,
wer et behelt, das ist en deif,
et sey rutter oder knecht,
an der galgcn steit sein reclit,
oder paff oder munch oder begein,
an der galgen steit sein recht sein.
Vgl. Pick in den Beiträgen zur Geschichte von Eschweiler und Unigogeud
I, S. 481. Ucber den sog. Funddiebstahl nach älterm deutschen Recht s.
Hillebrand, Deutsche Rech tssprich Wörter S. 212. Diese Rechtsanschauung
ist in dem Vers zum Ausdruck gelangt.
*) Eine Verspottung des in keinem Verhältnis» zum gefundenen (iegen-
stand stehenden Finderlohns. S. eine ähnliche Inschrift bei S. Kb. S. 102,
Nr. 368.
®) Sagt man, wenn das Kind zu wissbegierig ist; vgl. auch Wunder-
hom II, {:>. 749; S. Kb. S. 20.
Aachener Volkn- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 183
370. Wenn das Kind das Schluchsen ^ hat :
Ich ha der Schleck,
Ich ha der Peck,
Ich han em sövve Johr gehat^
(Sieben Mal hintereinander zu sagen, ohne Athem zu holen.)
871. Schott der Boum, da falle de Bere,
Kengehe hau et Schüsche op.
372. Die nicht haushälterische Frau sagt:
Bötterche meck.
Wenn ich dich han, schmer ich dich deck,
Wenn ich dich net han, moss ich dich entbehre,
Merr wenn ich dich da krigg, wel ich dich wörrem klene ^.
378. Die haushälterische Frau sagt:
Hei e Gröschche en do e Gröschche
Ess at got für e Macketöschche'*.
374. Bei Beendigung des Kartenspiels sagt der Gewinner
zum Verlierer:
Nu geos du noh Zent Vith
En bess ding Busche quitt;
Ming Mötsch ess övvergölt
En du en bess geköllt^
^) Aufstosseu, süddeutsch Schluchzer, bei R. S. 343 Gluchzen (singiütus) ;
8. auch Xr. 300.
*) Das Schluchseu wird hinter Hag und Steg verwünscht. 81uckup,
lop lang de Häg: Müllenhof f, Schlesw. Sag. 8. 512; vgl. auch li, S. 343;
S, Kb. S. 21.
3) dick schmieren. Ein kölnisches Sprichwort sagt : Hück geit et fidomm,
morge lige mer kromm.
*) In der Umgegend von Iserlohn, F, III, S. 179, sagt man:
Hi cn Läppken, da en Läppken,
(riet noch wuol en Kinnerkäppken.
^) Zu den „Bittweiren oder -(längen**, welche Kaj^t 86 der Kurgorichts-
ordnung (Noppius, Aachor Chronick 1632, Th. UU/fj/^t/fMiri, gehört
auch St. Vith. Ob diesem Umstand die ^SaOlßr — hs zuzu-
schreiben ist?
184 M. Schollen
375. Medag,
De Jongen egen Bach,
De Mädchere en et gölde Hus,
De Jongen en et Schiesshus^
376. Der Plattiel« ess leag,
Der Buch ess vol,
Nu welle für allemol noh heam goah^.
377. Lange, loss die kotte hange ^.
378. Lank en schmal
Hat geä Gestalt,
Kott en deck
Hat geä Gescheck,
Evvel ich en de Meddelmo9ss
Zier de ganze Stroess^
0 Bei E, S. 188 heisst es:
SUtitet Mittag:
d'Herre i*s Grab,
d'Bucbe i's Wirthshüs,
d' Maidiene i's Zuckerhüs.
Ueber den Werth der Knaben und Mädchen vgl. F. I, S. 131, 361, 426, III,
S. 325; Fr, VI, S. 111 und S. Kb. S. 52, 134.
') hölzerne Schüssel.
^) In M. -Gladbach fragt man beim Nachhausegehen vom Waldbeerpflttcken,
F. III, S. 514:
Di Kruk es voll, da Buk es voll,
Wä wellt möt mech noh Heem jon?
Ech! Ech! Ech!
*) Ruft man einem grossen Jungen spottweise zu. Es scheint das Bruch-
stück eines untergegangenen Liedchens zu sein. In Elberfeld heisst es im
Mätensleed (Martinslied), welches die Kinder am Vorabend des Martinstags
an den Häusern sangen und dann eine Gabe erwarteten, wobei sie auf Stöcken
befestigte ausgehöhlte Rüben oder Kürbisse, in welchen Talglichter brannteu,
trugen :
Boweu en däm Schüaschten (Schornstein)
Hangen de lange Wüaschten;
Gefft US de langen,
Lott de kotten hangen!
Vgl. F. I, S. 424, 443, III, S. 240.
^) Auch in Holstein, F. I, S. 55; ähnlich in Trier, F. III, S. 547, Nr. 41 ;
in Leuth, Spee a. a. 0. I, S. 27; im Münsterland, Fr. VI, S. 425. Dort
„geid" das Mädchen im Mittelmass ^am wackersten över de Strät".
Aachener Volks- und Khiderlieder, Spiellieder und Spiele. 1«5
379. Ruet^
Fr^it wie de Schwerenueth ;
Bio,
Löift de Jonge noh;
Gröng,
Steaht de Mädchere schönn;
Vielett«,
Steoht de Quisele« nett^
380. En wenn für da verhierot sönt,
Wo krigge für dan en Hus?
Da geälde für oss ene Wollkörev^
En kicke bovven erus*^.
381. Türelüre^
Könt va Düre,
Hänsche, Mansche könt van Oclie,
Heits du mich ene Weck metbraht,
Da heits du b^i mich gesclilotfe,
Neä, neä ich duon et net,
En Ongelöck ess gau geschet.
») roth. '^) violett. ^) Betschwester.
*) In dem Liederbuch der Klara Hätzlerin, Ausgabe von Hai tau?,
S. 165 heisst es unter der Ueberschrift „V(m aUerlay varben" bezüo-lich
der obigen:
Grön ist der mynn ain anfangk;
Plaw bedeutet stättikait,
Dem ist liebs vil berait;
Rott in rechter lieb prjnnet,
Wol dem, der sich versynnet.
Plaw vnd dann lasaur,
Dem wird sein längs beitten säur.
Wer dise varb will tragen,
Der Hol nit vil von lieb sagen.
Ueber Farben vergleiche im Mittelalter s. ferner Z in gerle in PfeiflFers Germania
IX, S. 385 ff.
*) In Köhi Vuggelskorv, F. I, S. 458. «) Das Liedchen ist eine Satire
auf die hier so häufig vorkommenden Ileirathen, ohne dass die Eheschliessenden
hinreichendes Einkommen besitzen.
0 Der Name „Turelure" kommt schon in der Aachener Stadtrechaung
von 1334/35 vor: Item God. niisso Lymburg pro vadiis Tureluren
rent a. a. 0. 8. 112,ii. Van turelure letjeu s. r. r. p. 61.
186 M. Schollen
382. Geos du met
Nohgen Schmedt,
Peodsköttele räfe,
Ich met de Häng
Eu du met de Zäng.
383. Wenn man den vorher innegehabten Stuhl besetzt
findet :
Opgestange,
Platsch vergange,
Wier komme,
Nüis mi8 fönge.
384. Beim Zurückfordern eines geschenkten Gegenstands:
Emol gegewe
Blievt gegewe,
Avgenomme ess gestoahle,
Drfeimol dörichgen Hell geflo9ge\
Kapellche, Kapellche der Kopp av^
•
385. Vorstehendes ist verbreiteter in folgender Form:
Emol gegewe
Blievt gegewe,
Kapellche, Kapellche der Kopp av^.
0 Nach einer andern Lesart lautet diese Zeile: „Dröi Kanne Bier, drei
Kanne Blot." ») Bei r. F. p. 162:
Eens gegeven, blyft gegeven,
Potjen met bloed,
't is myn eigen speelgoed
üf: Alle dagen myn goed.
^) In Oebweiler lieisst es beim Tauschen:
Ueßgeduscbt blibt geduscht,
Dreimöl üwwer's Rothhtiss,
Dreiraol tiwwer d. Rhi,
D.rnö isch .s widder di.
In Heilig-Kreuz bei Kolmar sagen die Kinder: „Wenn d. .s widder witt
(willst^ muesch (musst du) d. Stadt Rom uff 'm kleine Finger um d. Welt
'orum drAje" oder „Dusch, Dusch, g-handelt, Dreimol um d. H611 \inim g'wau-
delt"; vgl. Fr. V, S. 112. S. auch Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins
VIII, S. 170, Nr. 182.
Aachener Volks- und Kinderliedcr, Spiellieder und Spiele. 187
386. Treppche hüch,
Treppche nier,
Kriss et zeleäve net mia wier^
387. Man deutet zunächst auf das rechte Ohr, dann auf
das linke, hierauf berührt man die rechte Wange, dann die
linke und sagt:
Modder, ich ha Honger.
Auf die Frage: Wo?
Zeigt man auf den geöffneten Mund und sagt: Do.
388. Zu einem eingebildeten Kranken:
Du bess krank en ongesonk,
Kans freisse wie ene Sclioofshonk ^
389. Kalender.
Die Bedeutung der über der Thür stehenden Buchstaben:
S(onntag), M(ontag), D(instag), M(ittwoch), D(onnerstag),
F(reitag), S(amstag)
erklärte ein Mann seiner Frau dahin:
S(ag) M(an), D(u) M(oss) I)(ing) F(rau) S(chlo8n).
Nein, erwiederte die Frau, das muss rückwärts gelesen werden :
S(ag) F(rau), D(u) M(oss) D(inge) M(an) S(chloen).
390. Bedauern über die Kürze der Zeit:
De Zitt vergeaht.
De Ke9z verbrennt.
Der Jan en weit net stereve.
391. Beim Anpreisen der Waldbeeren:
GelP WoUbrie, gell!
Wat gelt de Kann-*?
») Ebenso bei r. V. p. HJ2, no. 1.
') Schäferhund. Bei S. Kb. S. KM, Nr. 366:
Du bischt chrank
Uf der Fres.sbank.
^) kauft.
*) Kanne, Hohlmass.
188 M. ScboUeii
Drei Märk\ Madam.
Dat ess ze dür^
Adie, Madam.
392. Beim Anpreisen der Kirschen:
Schömi decke Posskiesche, zwei Mark e Ponk,
Zwei Mark, eng Mark en halef Ponk.
393. Verzällselche.
Et wor ens geweas
En Kouh en en Geas.
Dat ess alles, wat ich weos.
394. Ich wel dich get verzelle
Va söwe Peternelle,
Du moss se net begecke,
Söns moss du se met de Nas trecke.
395. Beim Schluss einer Erzählung:
Et kom en Mus
Dörich et Hus,
Ess et ganz Verzällche us^.
396. Beim Auseinandergehen nach Schhiss der Schule oder
nach beendigtem Spiel schlägt ein Kind das andere leicht drei-
mal auf den Eücken und sagt:
Der Leiste,
Der Beiste,
Der Duadschlag*.
*) 1 Mark == 5 Pfennig. *) theuer.
^) Mit folgenden, halb singend, halb recitirend vorgetragenen Worten
schliessen die Kinder in Xiederösterreicb eine erzählte Geschichte: Hiazd
is 's aus; lauft a manserl, uwer's hauserl, häda gruns röckerl a und a rods
hau Werl auf, und das is de Dini (Leopold ine). Dadurch wird zugleich das-
jenige aus der kleinen Gesellschaft, was zunäclist weiter erzählen soll,
bestimmt, da in den letzten drei Versf^n die Farbe der Kleider und der
Name in entsprechender Weise umgeändert wird. Fr. VI, S. 112.
*) In andern Orten suchen die Kinder sich wechselseitig vor dem Aus-
einandergehen einen Sehlag, der „Letzte" oder auch der „Nachtsdeekel"
genannt, beizubringen, ohne sich wiederscldagen zu lassen; vgl. Picks
Monatsschrift IV, S. 382.
N
i'::«''<:S.I^C^;,**'
En Si'hursih du uol, \h\ W\\V\ ' \'\ \\y\
Da komuuM) <>\u h *lo l''rouu \\\^ t
Schur, Miulrlio, nrlMM ^
Danz, danz, QuiH«*l^llo^ l<'li r'vv ihrli oi/Hi hi hl,
Xeä satt dat adi^r Qijii'<'MM', i' li <I'M»/ oo' )* /»* I /'/^ •"''
Danz, daiiz- Qii-^l' h'-, i' h p^/v ^U' U o^i' it ^ ».' // /'*
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190 M. Schollen
3.
Schnieder- Albade *.
Wat mags du söss Chrestingche doch
Mich arme Schnieder plooge!
De Leivt^ zou dich hat wie ene Knouch
Mich dörr^ en drüg'* gesooge^
Ich go9h en seng de ganze Zitt
H^i onger die kleng Fenster,
En wenn mie Ogg dich merr ens sitt,
Da brennt mie Hatz wie Genster^.
Et krevelt^ mich egen Heut®, egen Rock/
En sclder en alle Gledder,
Mich övverleuft all Ogenbleck
En Honderfell, ich zedder^;
Mie Hatz wead raangs^® als wie der Wähs*^,
Wo ich mie Gar met schmiere,
Merr och^^, et dingt ess kalt wie Glas
En häller^^ als raing Schiere ^^.
Wöst ich dat dich et freue künt,
Du döosch^^ mich kniepe'^, biesse^^;
Weim doch die Hus e Flamme stöng,
Dat ich dich drus künt riesse^®;
Stöngs du bes agen Hals egen Dreck,
Danssen en is ons regel nit,
Popen en kwesels danssen nit.
Als aber der Mann versprochen wird, da will es tanzen und lässt es auch
die Rejjel zu.
Aehnlich in schlesischer Mundart, Hoff mann von Faller sieben,
Schlesische Volkslieder Nr. 118. Im Lippeschen (F. I, S. 2(>7) fordert die
Mutter ihre Tochter zum Spinnen auf, indem sie ihr nacheinander ein Paar
Schuhe, einen Rock, ein Tuch verspricht, was die Tochter ablehnt, mit dem
Bemerken, dass ihr der Fing:er schwäre und der Daumen weh thäte; erst als
ihr die Mutter einen Mann verspricht, schwärt kein Finger und schmerzt
auch der Daumen nicht mehr.
*) Aus dem Volksmund mitgetheilt bei Müller -Weitz a. a. 0. S. 275.
2) Liebe. **') dürr. ^) trocken. ^) gesogen. ^) Ginster.
^) kribbelt, eine juckende Bewegung empfinden. **) Haupt. ®) zittern.
'0) weich. »') Wachs. »«) ach. '^) härter. '*) Scheeren. '^) dürftest.
^^) kneifen. ") beissen. '") reissen.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 191
Ich drüag dich op ming Häng enis;
Ich weed warhaftig noch ganz geck,
Es leuft at met mich uhrus^
Des Morgens, Meddags, Ovvends steaht,
Wo ich mich kier^ en driane^,
Die Beld mich vörgen Ogge reoht^,
Ich kan onmöglich niane.
De Nölde steich ich mich egen Been,
Anplätsch'^ dermet ze söume^,
Et riesse mich alle Fäam vanen,
Ich dii9n nüis mio als dröume''.
An alle die Rüse® bess du Schold,
Du adig zockere Ditzche^.
Heits du merr ens de Gnadehold ^®
En giavs^^ mich ens e Pütschche!
En säts^^: du klenge Schniederditz,
Bess stell, hür op met gringe *^,
De anger Jcmgen all zom Spitz ^'^
Weots ^* du doch noch der Minge ^^
4.
Et koem ene Bur us Oberland ^^, oho!
Deä hau ene Esel agcn Hank, vivela Kuräsche.
Wat hau heä op der Esel ligge?
Dorob hau heä e linge Doch.
Wat doog heä met dat linge Doch?
Damit ging er zum Schneiderlein.
Dag, mein liebstes Schneiderlein,
Mach mir daraus ein Kittelein.
Und als der Kittel fertig war,
Gins: er vor seiner Mutter stehn.
0 Die Uhr geht aus, d. h. es geht mit mir zu Ende.
«) kehre. ^) drehe. ^) recht. *) anstatt. ^) säumen, den Rand eines
Zeugs umschlagen und festnähen. ') träumen. «) Streit. «) kleines Ding.
i'O Gnade-Huhl. ") gäbst. ''') sagtest. '^) greinen. '*) Verdruas. "^) wirst.
*^ Meinige.
'') Anbei, Dorf im Liniburgischen.
192 M. Schollen
Da^, mein liebstes Mütterlein,
Wie stellt mir denn mein Kittelein?
Du hass ene Pansch^ wal wie en Kouh,
Geh nur zurück zum Sehneiderlein.
Dag, mein liebstes Schneiderlein,
Wie hast du gemacht mein Kittelein?
Ich habs geschnitten im Mondenschein.
Dann mach es mir gut im Sonnenschein ^
5.
De Geäs, die hau esonne adige Kopp, ene lange Kopp, ene spetze
Kopp,
Der Schnieder satt: et ess för ene Kaffiepott, de Geästekopp,
Alle meine dausend Schneiderlein
Alle meine dausend Schneiderlein.
De Geäs, die hau esonne adige Romp^,
Der Schnieder satt: et ess for ene Zuppekomp.
De Geäs, die hau eson adige Puate,
Der Schnieder satt: et es för minsr Frau ze kluote^.
'o
De Geäs, die hau eson adige Ure,
Der Schnieder satt: et ess för minge Rock ze fure^
De Geäs, die hau esonne adige Statz,
Der Schnieder satt: et ess för ene Ehlelatz^.
De Geäs, die hau eson adige Däame^
Der Schnieder satt: et ess för ming Nöld ze feame^
*) verächtlich für Leib, Bauch.
*) Wie es auswärts für sitndhaft f^ehalten wird, im Mondschein zu
spinnen und zu stricken, weil hierdurch gewisse rmassen angedeutet wird,
dass der Tag nicht hinreiche, um genug erwerben zu können, so herrscht
auch, wie durch obiges Liedchen feststeht, in Aachen die Ansicht, dass man im
Mondschein nicht arbeiten solle und Strafe — hier das Verderben der über-
tragenen Arbeit — den treffe, der dieses nicht beachte. Vgl. auch Simrock,
Mythologie, 5. Aufl., 8. 25; 3Ieier a. a. 0. S. 235; Birlinger, Volksthtlm-
liches aus Schwaben I, S. 187 und 188.
») Rumpf. *) Ueber das Ohr hauen. ^) füttern. ^) Elle. ') Die Zitzen
an dem Euter. ^)"fiideln.
Aachener Volks- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 193
De Geäs, die hau eson adi^e Föss,
Der Srlmieder satt: et ess für ming Noldeböss.
De Geäs, die hau eson adige Ziane \
Der Schnieder satt: et ess för de Weste ze niane.
De Geäs, die hau eson adige Fott,
Der Schnieder satt: et ess för minge Fengerhott.
De Geäs, die hau esonne adige Hals,
Der Schnieder satt: et ess för e Brandewiensglas.
De Geäs, die hau esonne adige Steaz,
Der Schnieder satt: et ess för en Brüdigämskeaz *.
6.
Losse für noch ens drenke
En senge va de Kouh, Kouh, Kouh,
Losse für noch ens drenke
En senge va de Kouh.
De Kouh, die hau e Müllche,
Wat doag sei da dornet?
Sei geng der ganze Sommer
Gefreisse dörichgen Wei.
De Kouh, die hau zwei Ogge,
Wat doag sei da dornet?
Sei geng der ganze Sommer
(jekicke dörichgen Wei.
De Kouh, die hau zwei Uerchere,
Wat do9g sei da dornet?
Sei geng der ganze Sommer
Gehistre dörichgen Wei.
») Zehen.
*) Bräutigamskerze. In früherer Zeit herrschte in Aachen die Sitte,
dass die Brautleute vor der kirchliehen Einsegnung ihrer Ehe einer feier-
lichen 3Iesse beiwohnten, in welcher vor dem Bräutigam eine Kerze brannte,
welche „Bräutiganiskerze** genannt wurde.
194 M. Schollen
De Kouh, die hau zwei Höane,
Wat (lo^g söi da dornet?
Sei ffeng der ganze Sommer
Gestösse dörichgen Wei.
De Kouh, die hau vier Pütchere,
Wat dot^g sei da dornet?
Sei geng der ganze Sommer
(Tetrappe döricJigen Wei.
De Kouh, die hau e Schwänzche,
Wat doog sei da domet?
Sei geng der ganze Sommer
Geschwamele dörichgen Wei.
Et woor ene Bur, deä wo e Hönnche ha:
Kluck satt et Hönnelie.
En wie heä du dat Hönnche hau, du wou lieä
ouch ene Hahn ha:
Kuckelöres satt der Hahn ^
Khick satt et Hönnche.
YjH wie heä du ne Hahn hau, du wou lieä ouch
ene Schwan ha:
Wisse Feäre dreägt der Schwan,
Kuckelöres satt der Hahn,
Khick satt et Hönnche.
En wie heä du ne Schwan Jiau, du wou lieä ouch
en Geäs ha:
Zeckelemeck keakt/* de Geäs,
Wisse Feäre dreägt der Schwan u. s. w.
En wie heä du en Geäs hau, du wou heä ouch
e Fereke ha:
Schon*e morre grommt et Fereke,
Zeckelemeck keokt de Geäs u. s. w.
*) Den anderweitigen Ruf des Halms s. Nr. 179.
-) srhroit.
Aachener Volkn- und Kinderlieder, Spiellieder und Spiele. 195
En wie heä du e Fereke hau, du wou heä oucli
en Kouh ha:
Hitsch, flatsch trampt de Kouh,
Schorre niorre grommt et Fereke u. s. w.
En wie heä du en Kouli hau, du wou heä ouch
e Peod ha:
Rempele pemp doag et Peod,
Flitsch, flatsch trampt de Kouh u. s. w.
En wie heä du e Peod hau, du wou heä ouch
ene Kneaht ha:
Rüsche ^ Plümme * druog der Kneaht,
Rempele pemp doeg et Peod u. s. w.
En wie heä du ene Kneoht hau, du wou
heä ouch en Mad ha:
Bure-Traug ■'^ heisch de Mad,
Rüsche Plümme druog der Kneoht u. s. w.
En wie heä du en Mad hau, du wouh heä ouch
en Frau ha:
Au Kawau heisch de Frau,
Bure-Traug hfeisch de Mad u. s. w.
En wie heä du en Frau hau, du wou heä ouch
e Kenk ha:
Bescheissen Deng heisch et Kenk,
Au Kawau hfeisch de Frau u. s. w.
En wie heä du e Kenk hau, du wou heä ouch
en Weg ha:
Ninana geng de Weg,
Bescheissen Deng heisch et Kenk u. s. w/
*) rauschende. ^) Federn.
^) Die Bezeichnung einer schwerfälligen und trägen Magd, eigentlich:
Bauem-Trog.
*) Die Aufgabe dieses und der sonst mehrfach vorkommenden ähnlicher
Lieder besteht darin, „sittliche Beschaffenheit und äusseres Besitzthum einer
Familie, ihre Glieder und Dienstboten, sammt allem Hausrath, Viehbestand
und dazu gehörender Gütermasse in selbstredenden Eigennamen der Reihe
nach herzuzählen". Ueber des Spruches alte Abkunft und Geltung, sodann
seine mit grossem Sprachgeschick versuchte Umformung und örtikhe Anwen-
dung s. R, S. 156 ff. Vgl. ferner F. I, S. 125, 130 und 34a}^||^^ Ä88,
Nr. 1039; endlich Die Heimath 1876, S. 119.
^
196 M. Schollen
8.
Et S08SS en Uell en sponn,
Wal op en düster Kamer,
Wo nömmens op en köm^
9.
Die Blätter des Kartenspiels mit Ausnahme der Asse werden
einzeln von einer Person willkürlich aufgerufen, nach jedem
Euf wird geantwortet:
Nüis för oss.
Wird ein Ass aufgerufen, so antwortet der Chor:
Alles för oss
und singt alsdann:
En wo für sönt, do welle für blieve, Alle-*, Alleluja,
Do sali oss genge Düvel nohgen Hus erus drieve,
Alle-, Alleluja.
10.
Aachener Marseillaise 1793.
Uehr Hallonke, schleohte Prije,
Kanaliöpack en Schelmevieh!
Für mosse üch h6i lije^
En döschen oss net reppe^ mia.
^) Bekanntlich hatte in Aachen zur reichsstädtischen Zeit der älteste Schöffe
die Verpflichtung, in der Christmesse im Münster nach dem Evangelium einen
Leis anzustimmen (vgl. Quix, Hist. Beschreibung der Münsterkirche S. 119;
Zeitschr. des Aach. Geschichtsvereins IV, S. 149). Einer Mittheilung des Herrn
Freiherm H. A. von Fürth zufolge war gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
die Reihe an dem Schöffen de Witte. Dieser, der wahrscheinhch bis zum
Beginn der Christmessc im Wirthshaus verweilt hatte, war gleich beim
Eintritt in die Kirche in Schlaf gefallen. Als nun die Reihe an ihn kam, den
Leis anzustimmen, sticss ihn sein Nachbar an; de Witte erwachte, stimmte
aber, sich noch in seiner lustigen Gesellschaft wähnend, den obigen Rund-
gesang an.
^) leiden, dulden. ^) rühren.
'V iiM uir lU'»^ lur ''^)ii*a* i^l« ^^^*
\\^^\- iihiri ir'i 1.1 i\i S.'i \ i'.'i. '
Zur; i.ir iiaj^vui in;»- 'Jt.^^i.'.
') Die Eüt-tehuni: Turstolu-ulon lu\l«*>* \^\^ \\\\^ \ \\^\\ \\^\\\\\^'\^\
Biofirraphistthe Denkblättor S. 257 Innurkt, oin lu-^fv^lh^ h»^ U* mum\»^ \^^\
16. Dezember 1792 zojron die KepuMikunor tu \a*^hou \\\\' \y\ \^s^^\\s*
Grosse Carl auf dem Marktplatze trujf die Mo>Nuh»i!»^ .iHl»ol«iu»iMM»M"^ iMv^
Bürger hatten sich unter einander jc^'^rtuKt uud mi|rt)«'Ullh li mjmUt ll Imu
pfälzische Exekution struppen thouor he/.ahlt, iloiu o» Iimi» oiIm hi-^umIh mi m
Wohlstand der Stadt schwere VVuiidm hrlj^rl»nt«'l»f i fci«y«M '!)»• h«Mi'>t 'iii
waren Alle. Von „de Zaiikclottea Opkll«*niiit(**, wir imum tll*- in m. jhilMil
nannte, wollte keiner winr^en. Fnillrli wu»'n «Im WI«1» ».•!.* »hI nitto I !♦•♦** m
Friedrich Heinrich Jacob i und And^^n' Ufi\u*u Ihit/lkoMiK'* )m it' \t\\>\' mm*» h -"H
Zuständen und Scenen ir*'-u;f\n'n : flu k* *"')M''l<»«lfUh'h|y^ > ^ouu, <'* ii< io^'-h
Milz, hat die Erfiimi»»^ d*^r f rar*/,'/'*'!»/* jt **'<W/ d» <* ' rr'^t.^Utt w^-j» f^
General Dampi'^rr'r •-;r>" ^rr K^'. /#;< **',mi t^ir' t,'\' f t, i*',',''. v '^ "■ " '"
diese Zeit fiiJt 'J-r i'^r '- - <-/ M^r-^,,,*,*' '/ %"* i'- -■' '' ' "' ** » „ . -*-
die Aach'-L'f •''!. ./.**: I> '**/ / ä- -• »vi '''f,'^ /■ \ / ' * ^' * - • -
niuääiea i-tit-'-T*-*^^ *",''•' *'/."•' *•**/.'' /■^ **
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charakrrr.'*^*» i "!:• *• u .; m , »-i t j' ''. /■* ' / .. -- . / ' '
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Xat: ii_:— i.iü m **^'-.:. ..•..• ^ ■ • «.••."■■,'■/' •*' '* ' -"'^ ' *
faL-i'i. tu-* (,!• t. . ••-..- ' • ^ ' -' ' '*"' •■' ' ' *•* *' " '"
H^-^a r«- w-M*- 1 •*". < '. j. ,,-*.''...' ^ ■' , - w . .• . /
T. a - X„- '.-,.,'. . . - '• .^' '
Aus der Zeit der Fremdherrschaft.
Von E. Pauls.
III. Der 2. März 1793 und seine Folgen für Aachen.
m
Vielfach lebt noch in der Aachener Gegehd die Ueber-
lieferung^, dass das Schicksal Aachens bei seiner Besetzung
durch die Franzosen im September 1793 an einem Faden gehan-
gen habe und dass nur mit der grössten Mühe die Bettung der
Stadt vor Plünderung und Einäscherung zu ermöglichen gewesen
sei. Ueberlieferung und Wahrheit sind in diesem Falle gleich-
bedeutend, denn thatsächlich war vor 94 Jahren die alte Reichs-
stadt dem Untergang geweiht. Weshalb ihr ein so furchtbares
Geschick, dessen Wirkungen Jahrzehnte nicht hätten verwischen
können, drohte, und weshalb in letzter Stunde ein glücklicher
Umschwung eintrat, wird im Nachfolgenden näher erläutert
werden. Meine Darstellung stützt sich in etwa auf die ver-
einzelten und spärlichen Angaben einiger Druckwerke, mehr
aber auf urkundliches Material, welches mir theils von der
Familie eines bei den Ereignissen hervorragend betheiligt ge-
wesenen Mannes, theils, soweit das Aachener Stadtarchiv iii
Betracht kommt, von Herrn Stadtarchivar Pick in dankens-
werther Weise zugänglich gemacht worden ist.
Lange schon vor dem wichtigen Jahr 1789 fehlte der grossen
Mehrheit der Aachener Bevölkerung für frauzösisches Wesen
jede Vorliebe -. Aachens treue alte Anhänglichkeit an das deutsche
0 Haagen, Ge>ichichte Achens II, S. 423; 3Iilz, Programm des Kgl.
Gymnasiums zu Aachen 1871/72, S. 7: Glaub^vürdigen Nachrichten zufolge,
war die Erbitterung gegen Aachen so gross, dass die Vernichtung unserer
Stadt durch Feuer und Schwert bei der Armee beschlossene Sache war.
-) An dieser Abneigung, die in schärfster Weise namentlich im Winter
1792/93 hervortrat, änderten die ziemlich lebhaften Handelsbeziehungen
zwischen Aachen und Frankreich ebenso wenig als der Umstand, dass Aachens
Reich, auf dessen Berai' -.j u...i Zer-clitieruni.' »lor w,-stlulh>
Nachbar und Erlift-iü.! <■■ er! L-ni' h liiii/iiwirkeu vorsunid, lioss
den tiedanken an •■']:.'■ Ur.iTi-iznv.-j y,n Frankreich uicht auf-
kommen. Verbitternd wirkte iVnior die Erimit'ruiisr au all das
Elend, welches französische Krieirsschaaron seit dem Endo des
dreissipjähri^en Krietrs wiedtrhnlt über die Aachener Hoireud
gebracht halten. Endlich auch standen die Sitten uiid hewni-
ders die reli;riiisen Anschanuriiren. wie sie sicli in der K'tzten
Hälfte des IS. Jahrbunderts sn ^^elfach in Frankreich enl-
wickelt^>., mit denen nnserer Heiumth durchaus nicht in Ein-
klang. Die Ereignisse der ei-sten Jahre nach 17H!t verschilrften
nur die GegensStze '.
Die den Republikanern so vcrhassten franzrisischen Aus-
gewanderten fanden in .Aachen ein gern gewJilirtes Unterkuninicii ;
die Stadt wurde ein Hauptznflnchtsort der „illuMtreu Heiniulh-
loseo", ein Herd der gegen die Neuordnnnji der Dinge in Kinuk-
reich gerichteten Bestrebungen". Da fügte das (JcMcliick eiim
unerwartete Wendung, — die Ropulilikancr iiesetzleu Am'.heii
im Dezember 1792, um es etwii zehn Wdchi-n liindMi'i'li zu
behaupten.
Ein tolles Treiben «pieltf^ si(;li nuiunchr in Anclicii ab''.
Einerseits rohe Gewalt zur Be«citigun(r ilci' Htfldlisilieii \'cr-
Büdcr vuti Franzosen viel bi'-oicht wunlim iiml ilion -»'iiii' lltiru<'r im riiiii/'ir<l'
.scheu Reich sich der Zolifrciheit urnl unih-TKT Minifiliii^llii-Iiifiiiii^iii •■rlti-ii\rn.
Frankreich)« Herrischer sandten na<;h ji-ilr-r Kriiiiiiiiir lii Hhi'ltii» iIhk l,r<|i||iri
tucb ihres vorletzten VurKÜniterH /um (inilic Kiirl» i|, llr,, i|iii "li' iil' llitiii
Vorfahren hetraehtetcn. Es ^ing miifur liii' H:i^'f, Amlirrn" liiin/ir li.iHi» iii
l'ariB und umgekehrt die Farini-r in Auihi'ii il.i ■ lliirKirri'rlii, il,iiiii.' 'Ui
la viUe et les eau» d'Aii-la-''ha|>'-ll'- jur M. |t, H,, Aiip'liTrjnm I'/hi;. jj, f.i )
') Kurz votderFr.-nidb.Tf>'Jjal'r li.i-t .-. ir> <l< r I. I7"7 • i - Uh <•'•>• <.
dentschcn Au-sgabe der ^■.hM'-.niiiu d''f .-iji-Ii ^"' li' m m / ,"j ihuI ■■ 'ilj
.AaJihcns Kindern winl gididirt. v u-" ''ii- 1i.iii/,;.-i"\,' '•.■n-r» ■/,» liiiilm
Ich »chämtc mich. Frankr'i'-Ii- \V:i[i[p''/i in ••n'in l,.>ii'|i /ii ^-li-ii. n" •>■ i
franziisi*:he Name verah-'-li''iii «ir'l, 'I' iin iti A.i. ],■ u -itM >li> Vi. .in;.' »
sei ti-ns der ';<■]- 1 liehen, d':r ii'-i.'r;.|. » ir.J .|.. ■,.,.... ^. („„.[.d,. (,. „ li.j.i.Ii
gung«D aU-K'-*i^i." Di.- K-J.n'i..- -I' r Iiir,/ ..■ -In ■-,..-■ !,■ r-..
in Aachen de- »^jfk-n J'firi'l' i;-. •.■!.!: *■ /■ ; " lii i'iM'if'i
') Vgl. ron E-.,n.-.f.( >ii •!■ » Z- ■■'■ K- " 'I' ■ ■' " '. '-■■
II. S. I ff.
'} Littr-lnr: W , ■ ■■ ■■■ ! .i ,'.- : •. ■.r.'l I ;. / ,,"i '■ '■
Politische V^t—:.!. -i:.. '/. ' ■ .■ ■- \- ■■■■■ ■■ /■•/■■• ■•'■ • <• ■
Herrschaft !; Vi'..;.- Vf.--. ■ •; * )■ /i '',■"-- .■■'.■■ /■' ■' •■■ - •
200 E. Pauls
fassung, zur Beförderung des Freiheitsrauschs ^, zur Schädigung
religiöser Einrichtungen, andererseits versteckter oder offener
Widerstand der Bürgerschaft. Sang- und klanglos verlief die
Errichtung des Freiheitsbauras am 19. Dezember^, kühn pochten
Aachens Bürger auf ihre Anhänglichkeit an Religion, Kaiser
und Reich. Die Hefe der Bevölkerung geberdete sich nach
Dampierres eigenen Worten wie wüthend und rasend ; das derbe
Wort Dreckkerle scheint damals als Bezeichnung für die Fran-
zosen gäng und gäbe gewesen zu sein. Als Erwiderung erfolgte
seitens der Republikaner die Gründung eines Jakobinerklubs in
Aachen, Bedrückung der Geistlichkeit und Entehrung der Gottes-
häuser, dann die Erzwingung der angeordneten Neuwahlen und
der Betheiligung an französischen Festen durch militärische
Gewalt. Die Citoyens, so schrieben Jacobi und Andere, gehen
über allen Glauben toll mit den armen Aachenern um, sie rupfen
sie wie die Krammetsvögel ^.
Einem solchen Hexensabbath, einer so grimmigen beiderseiti-
gen Erbitterimg '^ setzte schliesslich die den österreichischen
Waffen günstige Schlacht bei Aldenhoven vom 1. März 1798
für längere Zeit ein Ziel.
In der Nacht vom 1. auf den 2. März 1793 trat ein bedeu-
tender Theil des geschlagenen französischen Heeres über Aachen
^) Wie die Republikaner dies erreichen wollten, zeigt u. A. folgende
verbürgte Anekdote. Der furchtbare Danton begegnete im Januar 1793 in
Aachen dem Redakteur Dautzenberg. „II ne faut pas faire ici", schrie Danton
denselben mit Stentorstimme an, „une revolution de miel ou de lait, mais de
sang, f . . ., voyez comment nous avons fait A Paris." — „Mais le climat
n'est pas le mfime ä Aix". — „II faut le chauflfer!" (Vgl. Aachener Zuschauer
1793, Nr. 28.)
2) Folgende sehr bezeichnende Mittheilung des Aachener Zuschauers vom
20. Dezember 1792 wurde bis jetzt kaum beachtet: Kein feierlicher Aufzug,
kein Frohlocken des nur in geringer Zahl versammelten Volks begleitete
gestern die Errichtung des Freiheitsbaums. AUes zeigt bisher deutlich,
dass die hiesigen Bürger keinen Sinn haben für die französische Freiheit.
») Perthes a. a. 0. I, S. 139.
*) Wie gross dieselbe in der Aachener Gegend gewesen sein muss, lässt
sich auch in etwa aus den Memoiren von Dumouriez schliessen. Nach ihnen
lebte und räuberte Dampierre in Aachen lustig in den Tag hinein. (II s*occupait
de plaisirs et de rapines.) Die republikanischen Soldaten in den Quartieren
zwischen Aachen und Lttttich waren oft ohne Aufsicht, da ihre Offiziere gern
in der Stadt verweilten. Truppenweise verlegten sie sich dann auf das
Plündern (piUer!) der Dörfer; vereinzelte Soldaten waren wiederholt von
den Bauern niedergemacht worden.
Aus der Zoit der Kremdhorrschaft. 201
den Rückzug nach Belgien an. Ein anderer Theil versuclite
am folgenden Morgen mit grosser Tapferkeit^ sich in Aachen
zu behaupten. Erst nach 3 Uhr Nachmittags wurden die Repu-
blikaner vollständig zersprengt, nachdem mehrere Stunden hin-
durch ein erbitterter Kampf in den Strassen der Stadt gewogt
hatte. Es war ein verhängnissvoller Missgriff von den schwer-
wiegendsten Folgen, dass mehrere Bürger zu einer Betheiligung
am Strassenkampf sich hinreissen Hessen. Der genaue Umfang
dieser unbefugten Einmischung ist leicht erklärlicher Weise ^
nicht zu ermitteln, doch liegen zur Gewinnung eines genügenden
Ueberblicks hinlängliche Anhaltspunkte vor.
Gleich in der ersten Nummer des Aachener Zuschauers,
welche nach dem 2. März erschien, werden die Aachener wegen
ihrer Theilnahme am Kampfe belobt; es heisst u. A.: „Unsere
Mitbürger brannten vor Begierde, an der Befreiung ihrer Vater-
stadt ihren Theil zu haben. Zu ihrem Ruhme waren sie es,
welche ihren Rettern die Thore öffneten, sie wanden den Feinden
Deutschlands die Waffen aus den Händen, als die Unholde beim
Verlassen dieser Reichsstadt ihre ohnmächtige Wuth an den
Tag legten. Sie eroberten gegen 3 Uhr Nachmittags auf der
.Takobstrasse von den Franzosen zwei Kanonen, welche der
Prinz von Württemberg der Stadt zum ewigen Andenken ge-
schenkt hat^*'
Diese Angaben des Aachener Zuschauers sind nie angezweifelt
worden. Eine Betheiligung in dem hier angegebenen Sinne lebt in
der Ueberliefenmg fort, und Haagen gibt sogar die Namen der
') Wahrscheinlich unter dem General-Lieutenant la Noue, von dem
Dumouriez sagt: II avait montr6 la plus grande bravoure dans la retraitc
d*Aix-la-Chapellc.
*) Nach den Aufzeichnungen des Augenzeugen Neumann SchilHngn
war fast in allen Strassen Gemetzel; doch sagt auch Schillings nicht, dass
Bürger auf Franzosen gefeuert hätten. Er spricht nur von der Erbeutung
der beiden Kanonen und der Gefangennahme vieler Franzosen durch Bürger.
Neomann und Rathsherr Johann Georg Franz Xaver SchiUings starb, 80 Jahre
alt, im J. 1830.
') Wortlaut, Zusammenhang und Wahrscheinlichkeit sprechen dafür,
dass die Aachener erst dann in den Kampf eingriffen und den Franzosen
ihre Waffen entwanden, als der Sieg für die Kaiserlichen entschieden war
und die Republikaner auf der Flucht sich in der Jakobstrasse festzusetzen
versuchten. Nach einer jetzt im Aachener Stadtarchiv befindlichen, theilweise
von Käntzeler früher veröffentUchten kleinen Aachener Chronik blieb beim
Strassenkampf ein Aachener Bürger, Namens (Jerhard Gütten, todt.
202 E. Paulrs
beiden Aachener an *, welche an der Stromgasse und vor Jakobjs-
thor die zwei Kanonen erbeuteten. Bei der zweiten Besetzung
Aachens durch die Franzosen im September 1794 brachten die
Freiheitshelden aber ganz andere, viel schärfere Beschwerden
vor. Sie behaupteten nämlich, Aachens Bürger hätten gelegent-
lich des Strassenkampfs vor anderthalb Jahren aus dem Hinter-
halt auf die Franzosen gefeuert ^, auch seien später französische
Verwoindete in roher Weise misshandelt und sogar aus den
Fenstern des Militärspitals auf die Strasse geworfen worden.
Beide Beschwerden sind ein Gemenge von Unwahrheit und
starker Uebertreibung.
Zunächst folgt dies aus dtn Angaben von Quix. Christian
Quix, geboren im J. 1773, liess sich bald nach der Aufhebung
der Klöster in Aachen nieder und war dort schon um 1806
als Lehrer in Stellung. Die Geschichte der Fremdherrschaft,
deren Beginn in sein erstes Jünglingsalter fällt, kannte Quix
aus eigener Anschauung; auch stand ihm später ein ganz
bedeutendes gedrucktes und archivalisches Material zur Ver-
fügiuig^. Unbezweifelt sind seine Wahrheitsliebe und seine
nüchterne Beurtheilung geschichtlicher Ereignisse. Dieser For-
scher schreibt^: „Was zur Unehre oder zum Nachtheil Aachens
fälschlich gesagt oder geschrieben worden ist, werden wir zu-
recht zu weisen wissen. Dies bezieht sich namentlich auch
auf die Vorfälle bei der Befreiung unserer Stadt von den Fran-
zosen am 2. März 1793. In Aachen war Jeder von der Unwahr-
heit der beiden von französischer Seite aufgestellten Haupt-
beschuldigungen überzeugt. Nach der alten Wahrheit fama
crescit eundo sind die Begebenheiten bei dem gemeldeten Rück-
zuge arg übertrieben worden. Das Militärspital befand sich in
der Karmeliterkirche, die eine hochgewölbte, mit hohen Fenstern
') Haagen, Geschichte Achens II, S. 423.
^) Erwähnung verdient, dass bei der Räumung Ltittichs im Juli 1794
die Einwohner auf die abziehenden Oesterrcicher feuerten. Ein Vergleich
zwischen den Ereignissen in den beiden Nachbarstädten Lüttich und Aachen
lag also den Franzosen gewiss sehr nahe.
^) Auf sehr breiter Grundlage (seine Abhandlung zieht sich durch 90
Nummern des Anfangs 1838 eingegangenen Wochenblatts hindurch) versuchte
Quix eine (reschichte der Fremdherrschaft in Aa<;hen zu liefern. Leider
blieb die Arbeit unvollendet; sie reicht nur bis Ende März 1795.
•») Wochenblatt für Aachen und Umgegend 183r>, S. 172 und 188.
Aus der Zeit der Fremdherrschaft. 203
versehene Kirche war, deren Fensterbänke nur mittelst sehr um-
ständlicher Vorrichtungen erreicht werden konnten ^ Wahr ist
es, dass der Pöbel das Spital plünderte und sogar die leinenen
Tücher unter den Kranken weggenommen hatte. Auch war
man allgemein überzeugt, dass von den Bürgern kein Franzose
todtgeschossen worden war.*"
Die vorstehenden Angaben von Quix sind um so werth-
voller, als die Akten über die Ereignisse vom 2. März 1793
voraussichtlich für immer verloren sind. Sie fehlen im Aachener
Stadtarchiv, welches sie schwerlich jemals auf längere Zeit
besessen hat. Denn die Untersuchung ging ihrer Zeit recht bald
vom Aachener Magistrat an das im November 1794 in Aachen
errichtete sog. Revolutions-Tribunal über. Später kamen die
Akten au die Mittelkommission in Bonn -. Ihr weiterer Verbleib
ist unbekannt. Möglicher Weise wurden sie nachher absicht-
lich vernichtet, damit die Verfolgungssucht nicht neue Nahrung
erhielte ^. Doch auch ohne diese Akten lassen sich die Quixschen
Angaben ausreichend stützen. Es spricht zunächst nicht die
kleinste Wahrscheinlichkeit dafür, dass viele Aachener am
2. März 1793 von ihren Feuerwaffen gegen die Franzosen
Gebrauch gemacht haben. Andernfalls wäre die spätere Unter-
suchung nicht so ergebnisslos verlaufen, die Namen der Haupt-
betheiligten und die ihnen zuerkannten Strafen wären veröffent-'
licht, auch wären wohl die als ZuiSuchtsstätten benutzten Häuser
dem Erdboden gleichgemacht worden, wie dies Kriegsrecht und
-brauch so ungemein nahe legten. Anscheinend ist nicht ein
emziger Fall von Widerstand mittelst Schusswaffen zu Ungunsten
eines Bürgers ermittelt worden, was freilich die sehr schwache
Möglichkeit nicht ausschliesst, dass höchst vereinzelt Bewohner
von Aachen in der Erregung des Augenblicks ihre Gewehre
*) Seltsam den Ausdruck wählend schreibt hier Quix: deren Fenster-
bänke viel zu hoch waren, um aus diesen Kranke werfen zu können.
*j Wochenblatt für Aachen und Umgegend 1836, S. 188; Aachener
ilerkur Nr. 123 vom 7. Thermidor VII. Jahrs. Die Mittelkommission in Bonn
bestand nur von März bis November 1797.
') Aus gleichem Grunde befahl Napoleon I. die Verbrennung der Akten
des Jakobiuerbunds. Uebcr ähnliche Vernichtungen vgl. Zeitschrift des Aach.
Geschiehtsvereins V, S. 205, Anm. 3. Im vorliegenden Falle könnte vielleicht
im J. 1804, dem Jahr der Aufnahme Aachens unter die Krönungsstädte des
französischen Reichs, eine Beseitigung der für AM^ uaMgenehmon Schrift-
stücke nahe gelegen haben.
204 E. Pauls
auf die Franzosen angelegt haben ^ Bezeichnender Weise ver-
schwindet sehr bald nach der z^xiten Besetzung Aachens der
Vorwurf einer Betheiligung am Kampfe durch Schüsse aus dem
Hinterhalt aus den französischerseits vorgebrachten Beschwer-
den, später wird nur auf die Misshandlung von Vervs-undeten
hingewiesen. Und auch in Bezug hierauf schreiben schon in
der ersten Woche ihrer zweiten Anwesenheit in Aachen die
Franzosen amtlich, die Spitäler seien geplündert worden, ehe
noch die Kranken hinausgebracht gewesen wären ; vom Hinaus-
werfen der Kranken aus den Fenstern ist nachher nur noch
sehr vereinzelt die Rede. Höchst wahrscheinlich wurden bei
der Plünderung des französischen Militärspitals, welche von ent-
setzlicher Verrohung, aber auch von grösstem Hasse gegen die
Fremdlinge zeugt, manche Kranke aus ihren Betten unsanft zu
Boden geworfen, was Entstellung und Erbitterung zum Hinaus-
werfen aus den Fenstern aufbauschte.
Zweier berühmten Geschichtswerke Angaben über die Er-
eignisse am 2. März 1793 mögen hier eingeschaltet werden.
Thiers^ schreibt ganz allgemein gehalten, dass nach einem
blutigen Gefechte in den Strassen der Stadt die Franzosen
gewichen seien. Ausführlicher sagt dagegen H. von SybeF:
„Dampierre wagte in Aachen ein Strassengefecht. Die Oester-
reicher wurden aber wie die Hessen in Frankfurt durch die
gründlich erbitterten Einwohner unterstützt und sprengten die
Franzosen so gründlich auseinander, dass General Stengel weit
nach Süden verschlagen wurde und sich erst in Namur wieder
zu einem französischen Armeekorps einfand.''
Unmittelbar nach der Vertreibung der Franzosen ahnte
wohl Niemand, dass der 2. März ein Unglückstag für Aachen
gewesen war, der den Keim des Verderbens für die Stadt in
sich barg. Eine lebhafte Freude gab sich in allen Kreisen der
*) Im Wesen eines Strassenkampfs liegt es, dass mitunter Soldaten in
Häusern Deckung suchen und von dort aus unter Umständen die Feinde
belästigen. Aehnliches kann steUenweisc auch in Aachen der FaU gewesen
sein, und, da eine Betheiligung der Aachener an der Entwaffnung der besiegten
Franzosen zweifellos feststeht, mit zum Gerede beigetragen haben, dass wäh-
rend des Kampfs die Bilrger aus ihren Häusern hinaus gefeuert hätten.
*) Thiers, Geschichte der französischen Revolution, übersetzt von
Jordan, Th. VI, S. 81.
•'') von Sybel, Geschichte der Revolutionszeit, 3. Aufl., II, S. 197.
Aus der Zeit der Fremdherrsthaft. 205
Bevölkerung kund, alle Massregeln zur Wiederherstellung der
alten Ordnung und zur Beseitigung fast jeden Andenkens an
die zehn wöchentliche Fremdherrschaft wurden getroffen. Schon
am Tage des verhängnissvollen Strassenkampfs hatte man den
Freiheitsbaum vor dem Rathhaus niedergerissen und der Bild-
saule Karls d. Gr. die ihr von den Republikanern aufgesetzte
Jakobinermütze abgenommen ^ Eine Woche später fand ein
fröhliches, sich bis tief in die Nacht hinziehendes Dankfest
statt; am 12. April stellte eine Rathsverordnung den Fremden-
verkehr unter scharfe Aufsicht^, und am 30. April wurde der
vor den Franzosen verborgene, neu vergoldete Aachener Adler
feierlich vor dem Rathhaus wieder aufgestellt '*. Am 21. Juni
beschloss der Rath, dass alle Jakobiner aus Stadt und Reich
Aachen verbannt sein sollten; gegen Ende August Hess er die
von den Franzosen auf dem Markte niedergerissene Schand-
säule des Kalkbrenner aufs Neue erricliten und die Bildsäule
Karls d. Gr. vergolden*.
Doch das Ende der reichsstädtischen Herrlichkeit rückte
mit raschen Schritten heran. Der glücklich wiederhergestellten
frühem Ordnung der Dinge sollte nur eine anderthalbjährige
Dauer beschieden sein. Mit ängstlicher Spannung folgten
Aachens Bewohner im Sommer 1794 den mit wechselndem
Glück in den Niederlanden zwischen den kaiserlichen und
republikanischen Truppen ausgefochtenen Kämpfen. Immer
näher rückte der Kriegsschauplatz dem Aachener Reiche,
immer schwächer wurden die Aussichten auf einen durch-
schlagenden Erfolg der deutschen Waffen. Zwar überboten
sich die in Aachen erscheinenden Zeitungen in Versuchen einer
möglichst günstigen Darstellung der militärischen Lage auf
deutscher Seite, aber Anfangs August 1794 wurde der Schrecken
ein allgemeiner. Massenhafte Auswanderungen fanden statt,
fl Unsere Stadt ist durch die Menge der ausgewanderten Bürger
verödet, alle Geschäfte stocken", so schrieb man am 8. August
aus Aachen nach Köln'^; „die Zeitumstände erlauben es nicht,
1) Quix, Wochenblatt 1836, S. 101.
2) Quix a. a. 0. S. 106.
'') Quix a. a. 0. S. 107.
*) Quix a. a. 0. S. 121.
^) VoUständiger Brief in: Stadtkölniselier Reichskourier Nr. 90, vom
10. August 1704.
20r> E. Pauls
den dahier sich befindlichen französischen Ausgewanderten einen
weiteren Aufenthalt in hiesiger kaiserlich freier Reichsstadt und
deren Gebiet zu gestatten, sie haben sich binnen 3 Tagen von
hier zu entfernen", befahl eine ßathsverordnung vom selben
Tage^ und wies damit eine Menge Fremder aus. Nach Quix
hatten im Sommer 1794 die meisten Magistratspersonen und
über 1000 Einwohner, darunter selbstredend die wohlhabendsten,
Aachen verlassen. Aachen zitterte vor den Franzosen, es zitterte
namentlich auch vor dem Namen Robespierre. Beides nicht mit
Unrecht. Aus was immer für Gegenden Nachrichten über die
Fortschritte der republikanischen Heere einliefen, stets waren
die Siegesberichte verbunden mit Mittheilungen über ungeheuere
Kriegslasten, rohe Erpressungen und zügellose Ausschweifungen.
Furchtbare Hiobsposten liefen besonders aus den pfälzischen
Gegenden ein^, und ein Vorbild des ihm drohenden Geschicks
konnte Aachen in der Zerstörung des Städtchens Kusel im
Zweibrückenschen sehen. Es hiess, Kusel wäre der Sitz einer
Fabrik von falschen Assignaten, überhaupt stets eine Feindin
der Republik gewesen. Dies genügte den Franzosen, um die
unglücklichen Bewohner auszutreiben, sie ihrer Habe zu berauben
und das Städtchen gänzlich einzuäschern. Die Republik schonte
unter Umständen ihre eigenen Kinder nicht. Alle grossen
Städte Frankreichs erfuhren unter Robespierre die Rache der
Bergpartei'*, einmal sogar war das von wildester Zerstörungs-
wuth eingegebene Wort gefallen, Paris müsse aus dem Ver-
zeichniss der Städte gestrichen werden*. Was stand Aachen
bevor, welches nach allem Vorhergegangenen unter den den
Republikanern verhassten Städten sicherlich einen der ersten
Plätze einnahm? Wie die spätem Ereignisse zeigten, kann
die Antwort hierauf nur lauten: Plünderung und Zerstörung!
Hauptsächlich die Fiu-cht vor dem Untergang, vor dem System
0 Wortlaut bei Quix a. a. 0. S. 147.
*) Nicht schrecklich genug, so lautete der Kern vieler in Aachener
Zeitungen des J. 1794 erschienenen ausführlichen Berichte, kann das Elend
geschildert werden, welches Plündern und kannibalische Grausamkeiten über
die Bewohner der pfölzischen Gegenden gebracht haben. lieber Kusols Unter-
gang brachte der Aachener Wahrheitsfreund eingehende Darstellungen.
'') Thiers a. a. 0. Th. IX, S. 9. Besonders hart war Lyon mitge-
nommen worden; Lyon n'existe plus, hiess es nur wenig übertrieben.
*) Thiers a. a. 0. Th. VIT, S. 89.
Ans der Zeit der Fremdherrschaft. 207
Robespierre war es, welclie Hunderte der besten Bürger in die
Fremde trieb und wie ein böses Verhängniss auf den Zurück-
bleibenden lastete. Der Name Robespierre wurde in Aachen nur
mit Schrecken genannt. Man erzählte, Robespierre sei früher
in Aachen ein paar Monate lang Hauslehrer beim Vogtmeier
Freiherm von Geyr gewesen, dann aber entlassen worden; er
habe wilde Drohungen gegen Aachen ausgestossen ^ und einen
Beschluss des Nationalkonvents vom 4. Vend6miaire IL Jahrs
(25. September 1793) herbeigeführt 2, laut welchem Aachen im
Falle einer Wiedereroberung der Plünderung und den Flammen
geweiht werde.
Auch hier paart sich Dichtung mit Wahrheit. Maximilian
Robespierre betrat niemals deutschen Boden, wohl aber hatte
sein Vater lange Wanderungen in Deutschland angestellt, ehe
er sich für immer in München niederliess. Ob etwa dieser
einige Zeit in Aaclien verweilt hat, ist nicht ermittelt und
bedarf keiner nähern Untersuchimg. Femer kennen wir aus
den Parlamentsverhandlungen eine Zornesrede Robespierres gegen
Aachen nicht ^. Vielleicht stützte sich in diesem Punkte das
Gerede auf Privatmittheilungen, vielleicht auch übertrieb man
die VorföUe am 5. März 1703 im Konvent zu Paris, wo Robes-
pierre auf die erste Kunde vom Verluste Aachens hin sofort
den Tod aller aristokratischen Offiziere forderte'*. Eine hohe
Wahrscheinlichkeit spricht gewiss dafür, dass von Seiten Robes-
pierres, welcher seiner ganzen Richtung nach nur ein grim-
miger Gegner des jakobinerfeindlichen Aachens sein konnte,
manche Aeusserungen des Unmuths gegen die verhasste Stadt
gefallen sind.
Der Kernpunkt liegt in der Frage, ob wirklich nach einem
Beschluss der französischen Machthaber die Zerstörung Aachens
in Aussicht genommen war. Fast sollte man dies verneinen,
denn unter den im Moniteur sorgfältig verzeichneten Beschlüssen
des Nationalkonvents findet sich ein solcher Beschluss nicht;
•) Quix a. a. 0. 1836, S. 147.
*) Dies das vom Syndikus Vossen in seinen Aufzeichnungen und später
auch gedruckt angegebene Datum.
^) Die beiden vorstehenden Mittheilungen verdankt; ich der Ottte de;*
Herrn A. Schumm, Verfassers der unten anzuführenden Lebensbeschreibung
Rol)espierre8.
*) von Sybol a. a. O. IT, S. 24«; vtri. auch Moniteur XV, p. «20.
208 , E. Pauls
auch in den Aachener Zeitungen ' aus der Zeit zwischen März
1793 und September 1794 fehlt liieiüber jede Andeutung. Dennoch
muss die Frage entschieden bejaht werden, nur braucht, so lange
nähere urkimdliche Beweise fehlen ^, am Datum des 25. Septem-
ber 1793 imd am Worte Nationalkonvent nicht festgehalten zu
werden. Die Aachener Zeitungen durften schon deshalb einen
ihrer Heimath so nachtheiligen Beschluss nicht erwähnen, weil
der Wortlaut der schrecklichen Verfügung nicht bekannt und
Bestimmtes kaum zu ermitteln war, zudem, namentlich im Sommer
1794, ein noch so kurzer Hinweis die ohneliin unbeschreibliche
Aufregung nur gesteigert haben würde. Den Beweis für die
Berechtigung der Furcht vor dem Untergang liefern die Vor-
gänge im Herbst des J. 1794 ^
Zwei ausgezeichnete Bürger Aachens bekunden, dass man
sie im französischen Lager auf die Aechtung der Stadt und
deren bevorstehende Zerstörung hingewiesen habe*; der Aachener
Rath anerkannte die Rettung aus „wirklich und augenblicklich
bevorstehender Brand- und Todesgefahr", und forderte drei
Wochen später zu einem allgemeinen Dankfest auf*^ „wegen
Abwendung der Gefahr einer allgemeinen Verwüstung". Von
feindlicher Seite erfahren wir aus amtlichen Bekanntmachungen,
dass in der französischen Armee der Glaube verbreitet war,
das Plündern sei jenseits der Maas gestattet, und dass es eines
ausdrücklichen Befehls bedurfte, um die Soldaten von „Plünde-
rungen und sonstigen Ausschweifungen" in Aachen abzuhalten.
Femer spricht der Volksrepräsentant Gillet in einer seiner ersten
Verfügimgen vom Verzicht auf eine gerechte Wiedervergeltung,
*) Es sind dies : Reichsstadt- Aachener Zeitung, Aachener Zuschauer und
der Aachener Wahrheitsfreund.
*) Diese sind kaum zu erlangen, da sie voraussichtlich im Kriegsarchiv
zu Paris beruhen.
*) Wie wenig damals unter Umständen nach der Zerstörung einer Stadt
gefragt wurde, beweist das Geschick Dürens im September 1794. In Düren
waren nämlich durch den Verrath eines Bürgers die Franzosen durch das
Holzthor eingedrungen. Die Folge war, dass die Stadt durch eine heftige
Kanonade schwer gezüchtigt wurde, und dass der österreichische General Riese
nur mit Mühe bewogen werden konnte, seinen Befehl, Düren in einen Trümmer-
haufen zu verwandeln, zurückzunehmen. (Bonn, Rumpel und Fischbach,
Materialien zur Geschichte Dürens S. 68r>.)
*) Näheres uiitcMi.
') Das Dankfest wurde am 15. Oktober 1704 in Aachen gofoiort.
Au^ i\oT Zeit der Frcnulhorrscbaft. 209
und im Dezember 1794 erklärt^ ein anderer Republikaner öffent-
lich, „dass der schreckbare Arm der Rache, der im Be^iff
gewesen gegen Aachen niederzufallen, zurückgehalten worden
sei". Alles dies zeigt deutlich, wie nahe Aachen dem Geschick
war, das Loos Kusels, Lyons und so mancher von der Republik
auf das härteste heimgesuchten Städte zu theilen.
Höchst wahrscheinlich hatte nicht der Nationalkonvent,
sondern der Wohlfahrtsausschuss auf Betreiben Robespierres
die Zerstörung Aachens im Falle der Wiedererobening verfügt.
Nachdem Robespierre im Juli 1793 in diesen später so berüch-
tigt gewordeuen Ausschuss getreten, begann die eigentliche
Schreckensherrschaft in Frankreich. Wenige Monate später
regierte der Konvent fast nur noch dem Namen nach. Alle
Minister, Generäle und Ortsbehörden standen unter der Auf-
sicht des Wohlfahrtsausschusses, welcher nach einem Konvents-
beschluss vom 10. Oktober mit dem Sicherheitsausschuss bis
zum allgemeinen Frieden als Revolutionsregierung walten sollte ^.
Die Verfügungen dieser Regierung^ konnt^en also nicht ganz
mit Unrecht als Konventsbeschlüsse bezeichnet werden, und so
mag es sich erklären, weshalb der Befehl zur Vernichtung
Aachens auf einen Konventsbeschluss zurückgeführt wurde.
Als sich die feindlichen Heeresspitzen im September 1794
Aachen näherten, war Robespierre seit fast zwei Monaten
gestürzt, eine mildere Richtung hatte die Oberhand gewonnen.
Aber der für Aachen verhängnissvolle Beschluss bestand noch
mit voller Rechtskraft. Es war fraglich, ob die aufgeregten,
plünderungslustigen Soldaten zurückgehalten werden konnten;
noch fraglicher blieb es, ob die Generäle und Volksrepräsen-
tant^n befugt und gewillt waren, den Beschluss ausser Kraft
zu setzen. Vom französischen Befehlshaber brauchte Aachen
keine Gnade zu erwarten, denn kaum ein Jahr früher hatten
0 Aachener Zuschauer 1794, S. 1223.
*) Vgl. die Ausfahrungen bei von Sybel a. a. 0. II, S. 384 und bei
A. Schumm, Max. Robespierre S. 194.
^) Eine Veröffentlichung fand in der Regel nicht statt; wie Carnot
erzählt, war die Arbeit uJiendlich und musstcn an einem Tage oft 300—400
Sachen erledigt werden. JedenfaUs wurde der Beschluss über Aachen der
rcpubhkanischen Armee in Belgien zu Ende 1793 oder ein paar Monate später
mitgetheüt; von dorther erhielt Aachen wahrscheinlich die ersten Nachrichten
übor das Uim drohende Geschick.
14
210 E. Pauls
die Republikaner durch Custines Hinriclitung allen Grenerälen
ein furchtbares Beispiel und eine Weisung gegeben, den Befehlen
der Regierung unbedingten Gehorsam zu leistend Aachens
letzte Hoffnung beruhte auf dem eingetretenen Umschwung der
Dinge in Frankreich und auf der Möglichkeit, dass der franzö-
sische Volksrepräsentant bei der feindlichen Armee, dessen
Stimme entscheidend ins Gewicht fallen musste, in versöhnlichem
Sinne auf den Oberbefehlsliaber einwirken und eine Milderung
des Vernichtimgsurtheils herbeiführen werde. Wie schwach diese
Hoffnung war, geht aus den Tag und Nacht fortgesetzten
Auswandenmgen der angesehensten Bürger Aachens hervor,
nachdem die Kämpfe an der Ourthe am 18. September mit einem
Sieg der Franzosen geendigt hatten. Noch einmal versuchten
am 19. und 20. September die Kaiscrliclien dem übermächtigen
Feinde bei Herve die Spitze zu bieten. Ihre Anstrengungen
scheiterten. Am Abend des 22. September machten sich die
letzten österreichischen Posten zum Abzug aus Aachen bereit,
denn der Einmarsch der siegreichen Gegner stand unmittelbar
bevor.
Da an einen bewaffneten Widerstand nicht mehr zu denken
war, blieb dem Aachener Rath nichts übrig, als durch Ab-
gesandte um Schonung für die Stadt bitten zu lassen^. Es
erging folgender Rathsbeschluss ^: „Zur Begegnung und Empfang
allenfalß der Franzosen hat Ein Ehrbarer Rath den Herrn Werk-
meister Jardon S Herrn Baumeister Cronnn und Herrn Doctor
Vossen senior deputirt."
Frühmorgens am 23. September 1794 fanden sich Dr. Yossen
und Baumeister Cromm auf erhaltene Einladung im Aachener
^) Thiers a. a. Ü. Th. VIII, S. 111 bestätigt dies auf das Bestimmteste.
^) Vielfach war es damals üblich, Deputationen den anrückenden Fran-
zosen entge<<cn zu schicken, um ihnen das Wohl der Stadt ans Herz zu legen.
Bonn bildete eine Ausnahme, „weil nach den überaU geraachten Erfahrungen
an Erfolg nicht zu denken war". (W. Hesse, Geschichte der Stadt Bonn
während der französischen Herrschaft S. 88.)
=*) Rathsprotokoll vom 22. September 1794 (Aachener Stadtarchiv). Das
„allenfalß" scheint anzudeuten, dass man auf Befreiung von den Franzosen
selbst dann noch hoifte, als schon AUes verloren war.
*) Dieser betheiligte sich, wahrscheinlich seines vorgerückten Alters
wegen, an der Deputation nicht.
Aus der Zeit dor Fromdlierrseluift. 211
Ratliliaus ein ^ Dort machte sie der Stadtsjudikus Fell mit
dem Ratlisbeschluss des vorigen Tags bekannt, Hess ihnen zur
Ueberreichung an den feindlichen General die Schlüssel^ des
Jakobsthors einhändigen und empfahl den Versuch, beim Volks-
repräsentanten und bei der Generalität eine Milderung des gegen
Aachen bevorstehenden Verfahrens zu erwirken. Schon standen
die französischen Vorposten vor dem geschlossenen Jakobsthor,
während das Hauptquartier der Republikaner noch in Herve
sich befand. Nachdem den Deputirten als Trompeter und Träger
einer weissen Fahne der „alte Herr Creutzer'' beigegeben worden
war, begaben sie sich zu Pferde auf den Wall des Jakobsthors. Auf
ihr Signal erschien ein französischer Offizier mit zehn Chasseurs;
der Deputation wurde für einen Augenblick das Jakobsthor
geöffnet, worauf die Franzosen sie zunächst zum diensthabenden
Oberst führten. Trotz des wüthenden Geschreis der Soldaten
versprach der Obei^st, vor Empfang höherer Befehle in Aachen
nicht einzurückend Im Uebrigen konnte er den Abgesandten,
die er unter militärischer Bedeckung sofort zum Befehlshaber
der Avantgarde, dem General Hartry, in Henry-Chapelle führen
Hess, nur wenig Hoifnung machen. Hartry hatte nämlich noch
Tags vorher erklärt, dass der Untergang der vom National-
konvent geächteten Stadt unvermeidlich sei und dass er zur
*) Nachfolgendes beruht auf den von Dr. Vosscn thoils mündlich, theüs
srhriftlich gemachten Angaben, welche im Wesentlichen — nur dies wird
hier berücksichtigt — mit dem Inhalt eines bei Vossens Tod im August 1845
in Kaatzers Album XIV, S. 219 f. erschienenen Aufsatzes übereinstimmen.
Die Tagesstunden finden sich nicht verzeichnet, auch wird irrig wiederholt
der 22. statt des 23. September als Entscheidungstag angegeben.
•) Die Schlüssel von Aachen, Jülich und Köln nebst 4 eroberten Fahnen
brachte Anfangs Oktober 1794 der Generaladjutant Moissonet nach Paris, wo
sie am 11. Oktober dem Konvent und dem jubelnden Volke gezeigt wurden.
Vielleicht war bei der ersten Besetzung Aachens durch die Franzosen im
Dezember 1792 die Sitte der Schlüsselüberreichung unterblieben. Kurz vorher
hatte nämlich der französische Obergeneral Dumouriez bei der Einnahme
Brüssels die ihm angebotenen Stadtschlüssel mit dem Bemerken zurück-
gewiesen, „dass der knechtische Gebrauch, den Siegern die Schlüssel zu über-
reichen, bei freien Völkern nicht gelte". (Aachener Zuschauer 1794, Nr. 125
und 1792, Nr. 139.)
') Thatsächlich rückten im Laufe des Vormittags am 23. September 1794
französische Truppen in Aachen ein, enthielten sich aber, aVigesehen von ver-
einzelten Ausnahmen, jedenfalls mit Rücksicht auf die schwebenden Verhand-
lungen grober Ausschweifungen.
14*
212 E. Pauls
Ausfühmng der erhaltenen Befelile am 23. September bei den
Vorposten eintreffen werde ^ In Henry-Chapelle erging es den
Aachenern älinlich wie kurz vorher. General Hartiy, den sie
im Hotel Belle vue trafen, gab schlechte Aussichten, wagte aber
keine Entscheidiuig. Auch er versprach, vorläufig in Aachen
nicht einzurücken, auch er sandte die Deputation unter einer
neuen militärischen Begleitung an die höhern Vorgesetzten
nach Herve^ ins Hauptquartier. Obergeneral Jourdan war für
kurze Zeit abwesend, als die Deputirten Herve erreichten, des-
halb konnten sie zunächst nur mit dem Volksrepräsentanteu
Gillet verhandeln. Sie stellten vor, dass es sehr hart sein
würde, wenn Tausende Unschuldiger um weniger vielleicht
Schuldiger willen zu Grunde gingen, dass eine kommissarische
Untersuchung die Bestrafung etwaiger Frevler ermöglichen
könnte, und dass x\achens Untergang die französische Annee
aller dort befindlichen Hilfsmittel berauben würde. Gillet, von
dem Vossen mit grosser Hochachtung spricht, weil er auch
später noch (1795) sich als Schützer Aachens gezeigt hätte,
war freundlich, erklärte aber, ohne Jourdans Zustimmung eine
Entscheidung nicht treffen zu können. Bald nachher erhielten
die Deputirten Zutritt zu dein Saale, in welchem Jourdan mit
vielen höhern Offizieren zu Tische sass. Hier empfing sie der
Obergeneral sehr ungnädig, indem er heftige Worte gegen
Aachen fallen liess. Vergeblich suchte Gillet ihn milder zu
stimmen ; Jourdan erklärte, des Volksrepräsentanten Macht-
befugnisse erstreckten sich nur auf Belgien, wozu Aachen nicht
gehöre ^.
*) Wörtlich : Cette villc doit cesscr (Vexister, parcc quo la Convention
nationale l'a proscrite, et demain je serai aux avantporstes pour executer
nies ordres.
^) Wie es scheint, be^rüssten auch in Henry-Chapelle und Herve die
Truppen die Deputation mit lauten Ver>vünschungen.
^) Wörtlich: Je devrais vous obeir, si votre commission nc limitait
votre autorite •X la Belgique, dont Aix ne fait pas partie. Trotz Jourdans
schroffer Ablehnung kann angenommen werden, dass Aachen mindestens vor
der Zerstörung bewahrt war, nachdem Gillet sich zu Gunsten der bedrängten
Stadt ausgesprochen hatte. Jourdan und seine Offiziere würden schliesslich
doch davor zurückgeschreckt sein, gegen die Ansicht des Volksrepräsentanten
die ohnehin von Allem entblösste Armee durch die Zerst^irung Aachens der
grossen Hilfsquellrn einer bodoutcnden Stadt zu berauben. Dennoch muss
AiLH .l»'r Z-if 'l«'r Kn-iüilllrriM ll.iir. 2' t
, Alles ^rliieu verlon?iK* >o erz;ililt V^x^eu, ,aU ciu Ueitcv
in der Person tles ^*.^.a^•l ILiri^^re erNcIf'oii. Marieto luitlc uU
vemiisist ireirolten, kam a^^^v jetzt leK"!it verwumlet üu uud
lÄTirde mit stürmische in JiU>et ^Oirtii^st. Als mau ihm uummv
Sendung" erklärte, hf^willkomnuiete er horzlioh dvni ihm K^fivuu-
deten Herrn Cronim, woniut'er sich eitViijst zn (Umsteu Aachens
verwandte K Er erzälilte, wie er Wim voriujahrixen Kückzuv;
der französichen Armee mit einij^en Kanieradeu in Aachen \ er-
steckt gehalten, von der FreinuiureHoyfe verpHe^t und schlie>.?i-
lieh in einer Möncliskntte vennunnnt <»'erettet wovtlen ^ci/
Marietes Befürwortung gab den Anssddag, Tnter Hihwehaiir
den iSturz Robespierres, des Hanptnrhobers des Vtiniichlun^f^-
beschlusses, entschlossen sich die Republikaiici* yaw \'crschonniig
Aachens, und froh kimnten die Deimtirten dt»n Heimweg ans
der Höhle des Lfiwen antreten.
Begreiflicher Weise hatte die Verhchonung (hT Stadt nichl
auch ein sofortiges Vergeben und V(»rg(-seu di*i' Vorlallc vom
2. März 1798 zur Folge. Ks hat vichiM'hr noch Jahre gcijaucil,
ehe die Nachwehen der verhangni^svolh*n lMcjgniftfi<' voll>i;JndJg
überwunden waren. Abgesehen von elu^T ^h^U-uU ciii^'i-hiiiU-n
strengen Unter^mhuiig \n^^tninl ti'w n;)< li*t<' \'>,\'^*tt in d' r ;/;in/
liehen l'nmöirli* hkeit j<-'b'> \\'id<'r-t;uid> «j'-r \n*\ti'm-i' ;/';/Hi
die fraiizo^i^chen Awji*\}i'.'.-/j<'ih U'ar «-^ aij'li oi'ljt /o h*'4>i'>t'in.
dass von eiu* r \V'i(-'\(-}]. » ' ' u *j*^ 'Ittr^',- ^' i *i"r ^-z-'^-'j J^--
setzuiiiT Aa^l^^-ii- k'-i:.*- j^ 'U. *• < ),) v ,fj \/,u» u. w^ i ; . ; 4 . «!',* Ji
tief b^-klaj-^'ivvv-nij, <I; -v ,'.<- -*>,;*, *...•* s <- i.''^ L- f ' •.'
M'hücLtenie K:/::*':/', ",' ;: v^;.^*". x ■ '•*"]] ,!. ■ i* •, ■ - m ., *,. .
di'ückeiid>T^ij Kj'j'^-;»'^ -**""■•'! '^' < ':'".vv* v** ' " »^ .< ^ .<
freier w^ir«^ Ü »v v*/ <^ -»^v.- »" v.»- ■ .'.<•,« ^r.</-4 •
hätte in ♦»Twu i;*M; i-i'-*** \f»'.'i 1. > •..•• •; "u .-.-i. 1 i* .■' 'i *
Si^'^rer uu'i H'-^it';.'-'»- m ',.m ;/ ..'.•/ ' >.^ ,v '-'.mm hi
iliu war» \i'li'-: .•' '.-••'■* .1' • »' • . . *. ..*.... ..,,.' *. •
214 E. Pauls
Stadt nie bezeugt * ; bessere Verhältnisse entwickelten sich erst,
nachdem die starke Hand Napoleons den Krater der Revolution
endgültig geschlossen hatte.
Schon am 23. September fand Gillet es für nöthig, in einer
Proklamation die Soldaten vor Ausschweifungen und Plünde-
rungen in Aachen unter Androhung strenger Strafen zu Avarnen.
Drei Tage später musste der Oberbefehlshaber Jimrdan vom
Hauptquartier Burtscheid aus in schärferer Weise gegen das
Plündern Massregeln treffen. Französische Soldaten hatten näm-
lich auf eine französische Schutzwache gefeuert, welche einer
Plünderung Einhalt thun wollte. So gross war die Eaublust
der republikanischen Horden, so stark ihre Erbittenmg gegen
Aachen! Die Untersuchung wegen der Märzvorfalle leitete Gillet
bereits am 24. September ein. Von Burtscheid aus machte er
bekannt, „dass das Blut unserer vor anderthalb Jahren in Aachen
grausam gemordeten Brüder um Rache schreie. Kranke und
verwundete Soldaten wären aus den Fenstern auf die Strasse
geworfen, andere durch in den Häusern versteckte Bürger nieder-
geschossen worden; die Schuldigen müssten innerhalb 24 Stunden
ausgeliefert werden.*' Auch der Rath ei^suchte in einem Erlass
vom 29. September alle Bürger und Einwohner Aachens bei
Leib- und Lebensstrafe, die Urheber und Mitschuldigen an den
nach Angabe der französischen Generäle Anfangs März 1793
verübten Frevelthaten zur Anzeige zu bringen.
Wie bereits erwähnt, verlief die Untersuchung ziemlich
ergebnisslos ^, doch war nachher noch wiederholt von den März-
ereignissen zum Schaden Aachens die Rede. In der Verfügung
der Volksrepräsentanten Roberjot und Dubois vom 4. Germinal
TIL Jahrs (24. März 1795) werden diejenigen, welche beim fran-
zösischen Rückzug im J. 1793 „durch Thätlichkeiten ihren
Hass gegen die Freiheit an Tag gelegt haben", zu den Aus-
0 Dass Aachen Sitz höherer Behörden wurde, verdankte es haupt-
sächlich seiner geographischen Lage. Auch war wohl nach den Erfahrungen,
welche die Aachener gemacht hatten, von ihnen am wenigsten eine gewalt-
same Auflehnung zu befürchten.
") Im Jahre 1799 (vgl. unten) erklärte die Aachener Munizipalität, die
Vorfälle blieben auf immer zu bedauern, wären aber weit übertrieben worden ;
die Untersuchung hätte manches für Aachen Günstige ergi'ben. Ueber den
Verbleib der Akten vgl. <»l»cii H. 203 dieses Aufsatzes.
l
Aus clor Zeit <ler Krcmdborrj^rhuft. 215
gewanderten gerechnet ^ Eiu Jahr später tauchte der saubere Plan
auf, die ohnehin diu'ch Kriegsleistungen aller Art aufs Aeusserste
erschöpfte Stadt Aachen im Kontributions-Anschlag stärker zu
belasten^, Aveil seiner Zeit in Aachen über 200 (!) Kranke aus
den Fenstern geworfen worden wären. Grössere Erregung als
dieser von verbissener Wuth zeugende, unbeachtet gebliebene
Vorschlag rief im J. 1799 ein Artikel der Pariser Zeitung La
Sentinelle hervor. Der Artikel sprach es offen aus, dass die
Erinnerung an die Vorfälle des 2. März 1793 im Falle eines
erzwungenen Rückzugs der republikanischen Armee aus Aachen
den Untergang der Stadt nach sich ziehen würde. In ihrer
längern Erwiderung^ beruft sich die Munizipalverwaltung des
Kantons Aachen namentlich darauf, dass die im September 1794
eingeleitete Untei-suchung im Ganzen nicht ungünstig für Aachen
ausgefallen wäre. Immerhin liefert der Artikel der Sentinelle
einen schlagenden Beweis für den anhaltenden Groll vieler
Republikaner gegen Aachen. Belästigungen allerschlinmister Art
wären keinesfalls der Stadt erspart geblieben, hätten zwischen
1794 und 1800 die Franzosen zum zweiten Mal Aachen räumen
müssen. Erst das Kaiserreich beseitigte vollständig den zu
Beginn der Fremdherrschaft entstandenen Stachel. Aachen war
Departements-Hauptort, seine Bevölkerung hatte die Republik
mit ihrer Schreckensregierung fast vergessen, Napoleon war der
Stadt gewogen und er sowolU als die kaiserliche Familie ver-
weilten gern in ihren Mauern. Wer kimnte da noch an eine
Vergeltung für Ereignisse denken, die sich vor langen Jahren
in trübster Zeit unter ganz andern Verhältnissen abgespielt
hatten ?
„Bei der Räumung Aachens beobachteten die französischen
Truppen die strengste Manneszucht'', sclireibt Ladoucette, der
letzte Präfekt des Roerdepartements über den Rückzug der
französischen Truppen aus Aachen im Januar 1814, indem er
gleichzeitig die gute Haltung der Aachener Bürgerschaft rühmt "*.
Es erübrigt noch ein kurzer Blick auf das Lebensgeschick
der um Aachen so hochverdienten Männer Vossen und Cromm.
*) Damit waren bedeutende Nacbtheile in bürgferlichcr Hiusicbt verbunden.
*) Aacbener Zuscbauer 1796, S. 318.
^) Aachener Merkur 1799, Xr. 122 und 123.
*) Voyago dans le pays entre Meu:5ü et Kbin, Paris 1818, i>. 247.
2ir, E. Pauls
Schon am 25. September 1794 ernannte der Aachener Rath
unter lebhaften Dankesäusseningen Vossen zum dritten Stadt-
syndikus, Cromni zum Lombardsvenvalter. Gleichzeitig * befahl
der Rath, den ihm eingereichten schriftlichen Bericht über die
Rettung Aachens am 23. September „zum ewigen Andenken*'
in das Rathsprotokollbuch emzutragen ^. Wenige Wochen später
*) Zum 25. September 1794 bringen hierüber die RathsprotokoUe im
Aachener Stadtarchiv folgende sich ergänzende Angaben: Auf geschehenen
Vortrag, dass bei sich izt täglich anhäufenden Geschäften den nachbenannten
Fächern und Aemtern einige Beihilf er zugeordnet werden müssten, um de
mehr, als der ältere Syndicus Pelzer nicht nur, sondern auch die meisten
Herren Beamten von hier abwesend wären ; zudem auch tägliche Deputationen
und sonstige Verrichtungen erforderlich würden, welche in französischer
Sprache abgehandelt werden müssten; ist Herr Dr. Vossen älterer dem Syn-
dikat mit dem gewöhnlichen Gehalt beigeordnet worden .... (Längerer
Nachtrag des Inhalts, dass Dr. Vossen herbeigeholt und nach Annahme des
Amtes vereidigt wurde.) In den RathsprotokoUen heisst es darauf weiter:
Donnerstag, den 25. September 1794. Gross und Kleins Raths. Demnächst
übergaben der izt ernannte Syndicus und Herr Altbaumeister Cromm eine
schriftliche Relation über die Erfüllung ihres am 22. dieses von Einem
Kleinen Rath ihnen aufgetragenen Deputationsgeschäftes. Auf wessen öffent-
liche Verlesung der versammelte Rath einstimmig beschlossen hat, dass besagte
Relation dem Rathsprotokoll zum ewigen Andenken um de mehr von Wort
zu Wort eingetragen werden müsste, als besagte Herren Deputirte durch die
fleissige, vorsichtige und patriotische Vollziehung ihres Deputations-Auftrags
unsere Stadt und Bürgerschaft von der wirklich und augenblicklich bevor-
stehenden Brand- und Todesgefahr landesväterlich gerettet hätten, mithin der
Rath und Bürgerschaft besagten Herren Deputirten unendlich verbunden
blieben ; wesfals denenselben auch auf der Stelle ein Belobungs-Komplimcnt
mündlich gemacht worden. Damit auch denenselben eine etwaige Erkeimt-
lichkeit wirklich zufliessen möchte, hat Ein Ehrbarer Gross und Kleiner Rath
den Herrn Doctor Vossen zum wirklichen dritten perpetuirlichen Syndikus und
den Herrn Alt baumeist er Cromm zum perpetuirlichen Lombardsverwalter mit
den anklebigen respektiven Gehältern einstimmig gewählt und beigeordnet.
Folgt die vorbezogene Relation.
N. B. Diese Relazion ist wegen ihrer Weitwendigkeit und den häufigen
sehr dringenden Amtsgeschäften dem Protokoll nicht inserirt worden.
'^) Wie aus dem N. B. am Schluss der vorigen Anmerkung hervorgeht,
ist dies leider nicht geschehen; der Bericht scheint verloren gegangen zu
sein. Die Xichteintragung ist zu entschuldigen, denn thatsächlich bürdete
die Neuordnung der Dinge, wie allenthalben, so auch in Aachen, den städtischen
Behörden eine unerhörte Arbeitslast auf. Nach Quix (Wochenblatt 1837,
Nr. 138) liess sich Anfangs Januar 1795 die Aachener Munizipalität ein
halbes Fuder Wein aus dem Keller eines Ausgewanderten geben, „weil sie
permanent sein musste imd deshalb die nöthige Zeil um nach Hause zu gehen
ni(;ht hatte".
Aus der Zeit der Fremdherrschaft. 217
• ^
wurden Vossen und Cromm Mitglieder der von den Franzosen
in Aachen errichteten Centralverwaltung * der Länder zwischen
Maas imd Rhein. Anfang 1796 ging diese Behörde ein. Da erwar-
ben sich deren ehemalige Mitglieder Vossen, Cromm und Bouget
dadurch hohe Verdienste, dass sie in einer dem vollziehenden
Direktorium in Paris eingereichten Denkschrift * mit rücksichts-
loser üflFenheit die Bedrückungen und Ungeheuern Verluste klar-
legten, welche der von ihnen verwaltete Bezirk durch Kriegs-
leistungen aller Art erlitten hatte. Schlagend wiesen sie nach,
dass nach massiger Schätziuig der Bezirk in kaum 15 Monaten
um mehr als 257 515 000 Livres^ durch die verschiedensten
Requisitionen und Kontributionen geschädigt worden war.
Xoch einmal finden wir Vossen und Cromm gemeinschaft-
lich in wichtiger Angelegenheit zu Gunsten Aachens auswärts
thätig. Sie verhandelten nämlich Anfangs November 1797 mit
der bald nachher aufgehobenen Mittelkommission in Bonn, um
eine gerechtere Vertheilung der Krieglasten für Aachen zu
erwirken *.
Nikolaus Cromm gehörte dem Kaufmaunsstand an^ Er
war Hauptinhaber des in Aachen auf dem Komphansbad und
*) VorJ-sen hatte Wi die-^er Behörde die h«'rvorrairende .St^-llniiir d<'^ >t< II-
vertreters des Nationala^enteiL Verl. Haajren, G''-'*hi<ht^ A<'h»^ii^ II, S, i'^H.
*) Alnjedruckt ist die-e zur Oe-^hicht*' ihr Fr<m'lh*'rrH'haJt iiliiMU-
wichtijre Denk'^rhrift im Aaeh^uer Zu-chau* r ITI^*;. S. 2S2 ff.
') 81 Livres tut-^precheii nach h*'Utiir« in (j<'Mw<'rth >*0 Prajik^ii f>*UT
64 Mark.
*) Ob die VerhaudluniTt^n für Aa^-hen trüu'^ti:r au-li'f* u. j^t tun in' h»
bekannt. Häufig hat Aa^-h^n ni«-Lt n^klamirt. oWh<^ij <-»* 'j:/4.u/Ai'U v* mwii H,ir
und, wie vielfarh behauptet wur'i^, \\*':t m« hr b- zahlt hdltt* aK «li« ufi t
Xaehbar-^tadt Köln. In *hT im N<'\''jjjb*r 17'*7 inr %'»»•>■* u AU^y *u \\u u
V(dlmacht nennt <hh Aa*'h*-n la mH'h»-»jr»''i^e «"t. ;/,']. 'i*- 0 \j/ Hn 'Je
Riehtigkeit d'if^^r h*:zf^\r]ihnuz hi^r f- l'^'-wh- i'.-'-il' w»'i »*)/<- '1 1»;.*^;*' )>< !♦" i
1798 be3*täti;zte dif* I>h"»rde, da-- Ai"J<ij w^l.-f (j, ij i,/,. », Kr*'J» lU'
Da aber 18'NM) Livre- -hifhau-» U -♦•!.. ji*ft w^-r^!*-, ^'-'>^|/ t-r ' <♦- o /'j"* Xw« - 1-
leih weiter AufljrinyirL'^ di*^-^r v*rr).il»' **-!j^-- / '/tvi.'^ tt • * * U"i' *i*' w)' h
Summe zahlrei<-he w*.)/),^i.. ••■1*' KiiiWohi*r u ' '. / •■ '.' if.'t^'u ih'.*
mu«i>te autt'-eh'tJrf'n wef-d^-u. »*?;! ..;« h h*n'.--» '* «i .*./!' •<-/.♦ , i',,^t
^eld nieht anlzubrini'' i' *ar. i\'i:l, Aiiz^^-'j^r 'U *■ i< ;;,» O- j*. fV " m.», /-• * , i
Nr. 21 und 25.)
'*') Theilwei-^ iK-niL'-n 'i:<r lui'-M- ';'*ij''M, N'o'./u. ' v ; ' /'•<.. f 4> o
bei ?einem T«yie in der A;iL'^i;;*-iL»,-ii /<,•• .'•:.' <N/ )/j •'•'* '/' ' ' < '•' ,
er^hieuenen Artik^lii.
218 E. raul;^
•
in Spaa bestehenden grossen Tuch- und Galanteriewaareii-
(Teschäfts „Au gi*and Magasin h la maison verte'' ^ In den
Aachener Rath kam er schon lange vor der ersten Besetzung-
seiner Vaterstadt durcli die Franzosen -. Nach der Vereinigung-
Aachens niit Frankreich wurde er Mitglied der Centralverwal-
tung des Roerdepartements, schied aber bald nach der Ein-
setzung der Präfekturbehörden aus. Hierauf trat Croinm an
die Spitze der Aachener Armenverwaltung, wo er mit grossem
Erfolg während der letzten Jahre seines Lebens eifrig thätig
war. Bemerkenswerth ist noch, dass er auch um die bauliche
Ausbesserung der St. Salvatorkirche sich verdient machte. An
den Folgen eines Schlagflusses verschied er auf seinem Landgut
bei Gangelt am 2L Oktober 1808.
Vossen überlebte seinen langjährigen Freimd Cromm um
fast 37 Jahre. Aus seinem Leben hier noch Folgendes:
Johann Joseph Andreas Vossen, Sohn der Eheleute Wilhelm
Vossen-^ und Agnes Charlier wurde am 8. April 1758 in Aachen
getauft^. Er widmete sich dem Studium der Rechtswissen-
schaft, studirte zu Trier und erliielt dort im J. 1780 das Diplom ^
als Doktor beider Rechte. Um 1786 kam er als Gewählter der
Krämerzunft in den Aachener Rath, wo er sich der neuen Partei
anschloss ^. Seiner Thätigkeit als zweiter Stadtsyndikus, die er
am 10. Oktober 1797 begann^, machte Anfangs März 1798 die
') So die Bezeichnung in vielen Auzeijjen aus der Zeit vor der Fremd-
herrschaft. Unmittelbar nach Cromms Tod >vurde angezeigt, dass die Firma
Xiklas Cromm und Comp'e Komphausbad Nr. 439 ihr Geschäft fortsetze.
^) üeber seine Thätigkeit im Rath viele Angaben bei Haagen, Gesch.
Achens II.
^) Dieser war Baumeister der Reichsstadt Aachen.
^) Der Taufschein trägt die Unterschrift des bekannten Erzpriesters
Franz Anton Tewis. (Vgl. Zeitschrift des Aach, (xcschichtsvereins VI, S. 54.)
^) Das Diplom datirt vom 14. August 1780 imd zeigt die Unterschrift:
Georg Henr. Aldringen. Xach dem Katalos: der Aachener Stadtbibliothek
(1834, S. 59) lautet der Titel seiner Dissertation: J. J. Vossen (Aquisgr.),
Diatriba inaug. exhibens concordat. (Tcrraanica etc. August. Trevir. 1780.
^) Ueber seine Thätigkeit als Rathsherr viele Angaben bei Haagen,
Gesch. Achens II.
^) Hiertiber heisst es in den Aachener Rathsprotokollen : Dienstag, den
10. Octobris 1797. Gross Raths. Auf von Seiten Herrn Doctoris Vossen
senioris verlesene gehorsamste Vorstellung mit Bitte ist die ohnehin schon
richtig und aus wichtigen (iründen geschehene Vergebung des Syndicats
Au.** der Zeit der Fremdherrschalt. 211)
Aendeniug des gesammten Verwaltungswesens ein Ende; schon
am 7. Januar 179S hatte Vossen eine hervorragende Stelhing
bei den Gerichtshöfen des Roerdepartements erhalten *. Der erste
Konsul ernannte ihn am 11. Mai 1803 zum Sachwalter am
Gerichtshof erster Instanz zu Aachen*. P^bendaselbst wurde
Vossen nach <ler Xapoleonischen Zeit im J. 1820 Anwalt beim
Königlichen Landgericht^. Er starb zu Aachen am 5. August
1845, im Alter von 87 Jahren, von denen 55 Jahre auf die Ehe
mit seiner ihn tiberlebenden Gattin Adelheid Esser entfallen
waren.
überhaupt in der Persi»n des Herrn supplieautis zum Ueherfluss iioehinalii
bestätigt, mithin solle derselbe bey imniittelst erfolp^ten tödtlichen Hiutritt
des Herrn Syndicus Fell nunmehr in das zweitere Syndicat eintreten.
*) Die Emennnmi: ist von Rudier unterzeichnet und macht Vossen zum
Commiijsaire du directoire ex^outif pres les tribnnaux civils et criminels du
d^partement de la Roer ä la re-^idence de Colof^e. Die endgülti|?e (lebiets-
eintheilun^ des Roerdepartements fand erst einige Zeit später statt.
») B^maparte premier consul de la republique nomme le citoyen Vossen
pour reniplir los fonctions d'avou^, au tribunal de premiere instance scant
Ä Aix-la-C'hapelle. r>as Dekret ist aus<««'r von Bonaparte, von klaret, dem
(Jeneralsekretär der Konsule und nachmUligen Herzog von Ba^sano, und von
dem Ju'^tizmini'it^r Regnier (später Herzog von 3Iassa) unterzeirhnet.
^) Die Ernennung ist unterzeichnet: v. Hanlenberjr, Staat^kanzlcr.
Kleinere Mittheilungen.
1. Handschriften und Handschriftliches aus und über
Aachen in der Amploniana zu Erfurt.
Ausser der auf Seite 96 ff. dieses Bandes besprochenen Handschrift,
welche für Aachen durch zahlreiche Einträge besonders werthvoU ist, zählt
das dort mit seinem vollen Titel angeftlhrte Verzeichniss von W. S c h u m
noch mehrere andere Handschriften der Amplonianischen Sammlung auf, die
durcli ihren Inhalt oder durch ihre Angaben ttber Entstehung oder Besitzer
oder dadurch, dass die zum Einband benutzten PergamentstUcke aus Aachen
stammen, von Interesse sind. Sie verdienen eine kurze Erwähnung an die-
ser Stelle, weil ihre an sich geringfügigen Notizen vielleicht im Zusammen-
hang mit andern Nachrichten nützlich werden können.
1. S. 68. Nr. 94. Pergamenthandschrift, Folio, vermischten Inhalts.
Bl. 204 — 226: Petri de Candia quatuor principia de libris sententiarum.
Am Schluss: Expliciunt 4»^ principia cum annexis quatuor questionibus col-
latis multum pulchris venerabilis domini magistri Petri de Candia per manus
fratris Heriberti de Werle, dum erat studens Coloniensis, quas scribi fecit
f rater Johannes Gynck protunc studens Trevirensis, pro quarum mercede
prefato fratri Heriberto predictus frater Johannes reddidit duas marcas pa-
gamenti Coloniensis; complete quoque sunt anno domini 3ICCCCV<^ tempore
osteusionis reliquiarum Aquisgrani in couventu Coloniensi.
2. S. 170 ff. Nr. 263. Papierhandschrift, Folio, vermischten Inhalts.
Bl. 57 -74: Optimum kalendarium cum XII signis zodiaci et aliis multis
astronomicis. Am Sclilusse: Expliciunt dicta et nature 12 signorum et com-
pleta Aquis per manus Johannis de Restail anno domini 1349, in die sancti
Mathei apostoli et evangeliste. Tafeln und Figuren des demnach am 21. Sep-
tember des angeführten Jahres vollendeten Kalendariums sind zum Theil in
Roth ausgeführt.
3. 8. 335. Nr. 63. Papierhandsehrift, Quart, um 1395, vermischten
Inhalts. Einband: Sohweinslederhülle mit Lederplatte auf dem Rücken;
erstcre besteht zum Theil aus einem sehr defekten Bruchstück eines Nota-
riatsinstruments des 14. Jahrhunderts über Aachener Präbendenstreitigkeiten.
Nichts weist darauf hin, dass die Handschrift oder ein Theil derselben in
Aachen entstanden sei.
Klfinero Mitthcilun^^'n. TM
4. S. 4»''»>. Xr. 2(»(*. Penrameiitliand Schrift, Quart, (JronzMrhcidr i\vi*
13. TUkd 14. JahriiuD'WrT*. <tidlän<liv*her Herkunft. Holaii<li I'arnuMHiH rliirurKiii,
EinlaD'i: Pa]-ifr*'Utter, wahrscheinlich Aktenkonzepten einen kanoiiiHclicn
I*r««z«-s^t-^ dt-^ 14- Jahrhunderts entnommen, an einer Stelle ist der Sauw
Lup*»Mi d^ Ayk*-ii zu lt>en. Oh nach Aachen p'höri^^^y
:». S. :i<«T. Nr. JöT. Pcnrameuthandschrift, Quart, aus d«»r ernten HillCte
di-s 14. J-iLrlnndertv eniiliMher Herkunft, (iuilelnü Ockani {«»^nnic Hiinnnu.
Auf dt-m l»:t^t*-n P>latt, durch Tinktur leshar von einer Hand den H. .hihr-
hunden-: l*if liWr cjJt fratris Arncddi de Aquis^rano.
«. S. :»4:» t Xr. 311. Papicrhandschrift, Quart, vcrnuHcliten Inhaltn,
zum Th^fl 1412 in iVventer entstanden. Bl. 77: Epist^da (Juilelnn Colo-
uien^i-» ar'h!»*pi^*»pi, qua priorem quendam rey:ularium canonicoruni con-
Tt-ntu-i^ Aqu*m>^i< de raorihus lascivis reprehendit. Nach der Adresse .Anfany;:
O quÄDtuä ♦•rrf»r quantumque grave. .\m Schluss, aus^^er lateinischen Versen
ohn*^ Bf^zi'-hnmr auf den Geirenstand des Briefes, folufcude Namen: Willem
Tan Iv»nen, AJl»ert Vak, llaves Vighe, Hinricus Almen, Jo. van Hese, Wil-
lem Tan He-<.% Witteken. Erzhi>chof Wilhelm von (lennep ret^ierte von
i:i4y, XuTemKT 1 his ]:^;2, Scptcmher 15. Die Niederlassunjr der canonici
retrulares in der Köln^itrasse ist aher erst um das Jalir 1420 geirriindet
worden «vgl. Loersch in -\nnalen des historischen Verein^ für den Nieder-
rhein XXI, S. 234, wo die ühritrc Literatur anirej^ehen i-.t). Vielleicht han-
delt e.- -i^-h nur um eine Stilühunsj, o<ler der Brief ist ni<ht nach Aachen
irf'richtet-
7. S. 732. Xr. 75. Papierhaiid>chrift, Oktav, um 1401. Richardi Biliiram
tra'*tatus de pr«d)ationihus propo<itionum und Quae-ti*»n^^ d*' e<>l«-rn tra't:itu
in-titutae. Einhand: Sidiweinslederhnlle, von ausvn ,,11 nov*»^* xuA ^Hatr^n**.
wohl auf ErwerhunfiT aus dem Nachla^^e de* hnzt^^m w^-i^enrh Auf d^m
Pererament-Vorhlatt in S4'höner Kursive d^s frühen 15. JahrhurnUn»;
a. Der Anfang des Anerbietens eine-* rnl>ekannt^rj an 'i.«^ -♦;* Jt
Aachen (Aichen), ihr in ihrer Feindschaft mit den van lAw/u*. zu H . i* m
^ryden mit drissich of mit iileven".
h- Anfani? einer von „rini^ van Hunth<-ym in ^iut Ja".'»-»*r/ . • i,-^
ger zu Achen*. au>trestellten Quittuuu üWr «-ine ihm \i,M ^\\ .,-•
Huchelhoven s<^'h<deis zii EM'hwylre rat** auf <];;<- *^\.\\A i/m. v* *.- > - .,
geleistete Abschlagszahl ujiir von 25 «iuld^ü.
Darunter ein Alphabet von luitidlen \x\A i'j *j»,'r t ...,.,,,,, ^
„Tysohin van der Hagen". Auf d* m Ku'kiia't A;*:^.';^ %•»' ,. -- . , -
Versen, darunter deutsehe Ol.-^in-
Auf Entstehuntr d»'r Haud^^'hrift in Aa'j.Mi ».-t i • -* i, , \, i
Notiz a ist bereit*, unt^r And»utuii:/ *^iner v *•!■:/»-»] '.' f^ ..i ». . , ',,.,* .
von Pick in Zeit^hritt de* Aa»heiifr t;*-^ "'..»♦-;* f - i • . .- (
In der .\ufzeichnuni: b i-t s»'lh-tVHr-täij'l'j ij „-••'*' /.. -, i ,
Heinrich von Hrfb^lLovi n virl. v*.n njrlttf ,. r .. );, , ,. ^ , /^ . - . .,
222 Kleinere Mittheilungen.
von Eschweiler und Umgegend S. 378 f. und Zeitschrift des AacheHer
Geschichtsvereins IV, S. 270, Anm. 3, VI, S. 251, sowie die von Ennen
veröffentlichte Urkunde von 1398, Mai 2, Annalen des historischen Vereins
ftlr den Niederrhein XXIV, S. 295.
Bonn. Loersch.
2. üie Aachener Rathswahleu in den Jahren 1581
und 1582.
Das im Folgenden nach der Originalausfertigung abgedruckte Aktenstück '
über die Rathswahlen zu Aachen in den beiden so bedeutungsvollen Jahren
1581 und 1582, in denen sich der Umschwung der städtischen Verwaltung vom
Katholizismus zum Protestantismus vollzog, ist so übersichtlich abgefasst
und enthält Angaben, die so sehr ins Einzelne gehen, dass eine Erläutenuig
seines Inhalts durchaus überflüssig ist. Es bedarf nur weniger Worte, um
es in den Zusammenhang der Ereignisse einzuordnen.
Das Dokument ist vom 18. Juli 1582 datirt, doch wurde es anschei-
nend nicht sofort verwerthet. Es trägt nämlich den Vermerk: „presentatum
ufm Rathause zu Achen den 2. Martii 1584". Es wurde damals den kur-
trierischen und kursächsischen Gesandten Johann Zant von Merl und Konrad
Keck, Wolfgang Eulenbeck und Hans von Seidlitz überreicht, die als 8ub-
delegirte der von Kaiser Rudolf II. am 22. Oktober 1583* mit der Unter-
suchung der Aachener religiösen Wirren beauftragten Kurfürsten Johann
von Trier und August von Sachsen in Aachen erschienen waren. Die Ver-
handlungen in Aachen dauerten vom 23. Februar bis zum 7. April 1584,
den Bestimmungen des kaiserlichen Auftrags entsprechend wurde die Ent-
scheidung über alle wichtigern Punkte Kaiser Rudolf II. anheimgegeben*.
Auch in Sachen der streitigen Rathswahl von 1581, deren Hergang sowohl
damals als auch späterhin bis zum Jahre 1598 des öftern als entscheidendes
3Ioment in den Verhandlungen angeführt und nebst den aus ihr entstandenen
Verwirrungen von beiden Seiten als Beweismittel für oder wider die Berechtigung
der protestantischen Bewegung in Aachen, speciell als durchschlagendes Argu-
ment für oder wider die Rechtmässigkeit des in den Jahren 1581 — 1598 in
seiner Majorität der neuen Lehre angehörigen ^fagistrats verwerthet wnrde.
') Es befindet sieh im SHchsisclien HuuptstaHtsarchiv ssu Dresden, Geheimes
^Vi'chiv, Reichsstii<lte. Lokat 10 148, in einem mehrert« Tausend Blätter umfassenden
Folianten mit der Aufschrift : „Piiurte Baqji. Xaohfolg»»iide sclirilVen sind in wehix»ndt*r
kaiserlicher commission, so den 16. Febniarii st. v. anno 1ÖH4 in der stat Aach stroi-
ti^en Sachen daselbst angestalt, den keiserlichen subdelegirteii commissarien tiberreicht
worden.**
2) Kopie des Kommissoriimis im Archiv der evangelischen G<*meindo in Aachen,
R. VI, 2. Vgl. auch Meyer, Aachensche Geschichten I, S. 487; von FUrth, Beitrüge
lind Material zur Geschichte der Aachener Patrizierfamüien LT, 2, S. 60 und Anhang
S. 10 unten; Bezold, Briefe des Pfalzgrafen Casimir IL, Xr. 250.
^^ Meyer a. a. O. I, S. 488.
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^r^ ^T-.-»* v-r ri 'i i' .\J.'i.-tri k i>t mm der im VnlHuf «In -m
-^•^--T. >r K :^.. ,--n'-- T. T *. ^ :t' n d»T |»n»(e>tiintiMln'ii l'arh'i »ju
^*>: »''j'*a -^.i-*-r i'-L.j*ü N.ii.ifn- un«! /alileimiii^^alM'u Im^oihIi ^^
,' I--rt :.; i *-T " ' V. r_^^.v.^"' Ui »ItT Katlisuahl in «Ion «'iHHi-linilnj
'-z. I".*^: t:»- ^'^'^t. <'!' .* ; li dif Katholiken, die nWU an d« n \ •»
r'L j--iii-^* 'v-'i.»^h jn^ti, tr.ii«h din*rtii:.n v«»n ilireni Nliind|Mii)li(
:'.-*r-L J«-"r."i; * i.j-'.rri in }.itt*n, \enn;»t: i«h mit Sirln'rlieil nititf
^-•^ Vl^^t i'L ^' iiT 7rtiilrri< li»ü aut dit'^e (icsandt^t ImCt Im'/II^-
• £" »rT*!, ^ij*^ iii.r iii \t'r>' hit-dtiu'U Anhixen' vori;«|«Mri'n IiuImmi,
* i k- 1* —'j'b^ A «n kath"li'^lj»*r S«iif au'*i:»'li«'mli' l^ar>iellu«f;, nii<l
j.- — r '-^I- i'l" Ij'ii V'>jKt."irjd»;:k''it, in WfMur >ieh dir auf die
r L*-* 'T*ii'>"ii-j-''^'lij< Ltt- >»» 7üi:li. b^n Anhivalien lK>ondiT> in Ure^deu
Li:t^*^ rr-fli«iuT t'^ mir uuw sLr- l* i: !i b, da^-« du- K.ithclikeu den
j--!^* Lt Lat»»-n, die-*T Au!-'- ]lü!.i: « iii mit äi.LÜ« bi-r Uviuuii^koii
-1:^1'* ii'!^rat *^iiVj* i:* u/u^*\7*ii. >:*- durtT'ü dic>^ll»e dt-ninarh
"Tt^/a^ iii I^:^n tbüi^rubli* L^-n Ar^'-jWc »1- ri i.t.j auirt >»-L' n i.a*'<-n.
^r» »;^ ' »Tmud, iu lüt*-. lu IJ» ri* bt Wii^ «i^n tb.i:-\ii„i h-i. V«-rL..lt-
a /u -L n. Frr di«- li» iir.b'.:''iLi: drr Tl*^t-
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224 Kleinere Mittheilun^en.
Verzeichnus
wie der ratli anno 80 und 81 vermög der gaffelbriefen ^ luul
alter rathsordminge versetzt und angestelt worden.
Wir burj^crmaister, schöfifen und rhat des könig^lichen stuels und freyer
des heiligen reichs statt Aach thun kund und zu wissen biemit jedermennijr-
lieh, wiewol schier durch das ganze römische reich gnugsam ruchtpar und
offenbar, was maßen ettliche unser catholischen hiebevoir gewesener raths-
verwandten ganz frevelmuttig und hochstrafwürdiger weiß von dem rath
alhie aus- und abgetretteu folgeutz aus lauter gefaster eher- und rachgeirig-
keit die benachtparte ein- und ausländische fursten gegen diese statt der-
maßen auf unwairhaft und zu milt furprachten bericht angereizt, das der-
selben alle paß und weg, gewerb, narung imd victualien eine gute zeit
versperret und abgestrickt, diese statt auch rings umbher anders nit als
feintlich belagert worden, jedoch, dieweil dieselbe dergestalt aus- und abge-
wichene sich noch unlängst sowol in otfen hin und widder ausgangenen
schreiben als sunsten für der statt ordentlich aufgestelte obrigkeit und daß
dieselben als der mehrerer theil den rath und statt Aach representiren solteu
(jedoch mit verschwiegener wairheit und ganz unverschämpter weiß) aus-
und angeben dürfen, so erfordert unsere notturft nit allein, wie es hiermit
in beständig unwiddersprechlicher wairheit eine gestalt, damit solichen leut^^n
in diesem irem und dergleichen unerfindlichen ausschreyen ferner kein glaub
zugestelt, sunder auch, wellicher gestalt und wieviel ihrer jedesmals ab-
und ausgewichen und den hochsträflichen handel widder ir eigen Vaterland
angespunneu, wieviel auch derselben und sunsten andere, so aus forcht und
Verleitung aus der statt sich begeben, widd(irumb einkommen, und letstlich,
welliche und wieviel dieser Sachen rädelfurer und andere sich noch heutigs
tags außerhalb der statt verhalten, eigentlich anzuzeigen und am tag zu bringen.
Anfengklich zu wissen, das in der statt Ach zweyerley räth, nemblich
der groiß rath, so mitsamt zweyen hern bürge rmeistcrn hondert acht und
zweinzich, der klein rath aber vier und vierzich personen begreifen, all und
jeglichs jairs nach uralter wolhergeprachter gewonhcit vermöge der alten
gaffel- und zunftbriefen auf s. Johans abend des Teufers* ttbermitz
der vierziehn zunftgeschickten (wie man dieselbe von alters also nennet)
freyer wähl votieren und umbstimmen auf- und angestejt wird, wellichen
auch, nemblichen des groiß raths personen oder gaifelgeschickten, vollkom-
mene macht und gewalt haben, alle und jeglichs jairs tibermitz dergleichen
freien votiren zwien burgermeister wie ingleicheu der statt zwelf furnehme
amptsträger zu erwehlen.
*
^' IVr (ruttVlliiiet stammt bckauntUch vom 24. XovomluT 1450. In demselben
Bando des Dresdener Hauptstaatsarchivs finden sich mehrere aus dem Ende dos 16. Jahrh,
stammende Abschriften desselben.
«) 'l\. .luni.
Kl« mere MillheiJunpen.
oo;,
kfcX 9ci zttgccniren, das in kraft sollicher löblich uralter k('>v<>"-
A^^wicbeDesd der gferinger zal 80t<*n Jair umb Urbanl '
a:t, Mmblktei Leonhardt von dem Hoff und IVter von Zievot,
Jc4u LoDtxen und Simon Engolbrochtf de^ Jaint ab^an-
WLgeaiifcfci<u-reB, so jedesmal^ nach irero abntand in no^HlfolKondiMu
biiadilick, des mhs verplieben, nachfolKonde rathttporNoiicn und
ampiutric«r £re^e:^s und aufä new erwelet worden.
heh iB
md aber
KkiDes raths Ton der zunft
der Stern gtnaat
hts Su^nii- geschickten
|T>'i£ raits
Von wegen der Werkmeister
ninft kleines raths
I>er Werkmeister zunft
geschickten groß raths
Der zunften zum Bock
kleines ratha
Derselben zunft zum Bock
geschickten groß raths
Beekerzunft kleines raths
Der becker zunft geschickten
groiß raths
{
{
{
{
Johan von Pieren.
Albrecht Schrick ».
(tregorius von Wilro \
Mathris Bück.
Wilhelm von Wilro«.
Johan von Wilro '.
Wilhelm von DaG^lonk.
Johan Elreborn.
Frank Block der alter.
Lconhard Erardus.
Theiß Biesen.
Matheiß Peltzer.
Peter Radermachcr.
Theiß Vischer.
Zillis Biesen.
Theiß Clücker.
Leonhard von Kirchrat,
Frantz von Zievel.
Laurc iz Wolf.
Franz Clocker.
Johan van Geilenkirchen-
Wilhelm Ernst.
Peter Peltzer.
Wilhelm HaußmamL
Rochus Köumann.
Johan Feibis.
Clanß Pjn-
Friderich von }lt:n(^ur4i
Thonis Syben,
Bernhard Khnm-^n.
Gillis ZimmtTihHü.
Korstgen von Zw)i;rt>^i
<; 25. MaL
•) Am Rande: Nacbdem derselV/er »ich in d^r/* r»*i# ht.'.', >J v* *y' ^ * ' h > * 't * »
gfate «ext im rath sitsen plieben. ist er folgwnt« urj*^ y^^r »• U ^ . /* t. > t ^ *
•) Am Rande: Im 81. jair aiiJigewir;h«]x uiA »tii**. '>!*{/'///■ -# ■/ -'; i' *.--' »'/-» A#-^'
di^ jair der raütsoriüiii^g nach abgan^ii.
I
226
Kleinere Mittheilungen.
Fleischewer zunft
klein raths
Der fleischewer zunft
geschickten groiß raths
Loeder zunft kleins raths
Loeder zunft geschickten
groiß raths
Der Schmidt klein raths
Der Schmidt geschickten
groiß raiths
Der kupferschleger
klein raths
Kupferschläger zunft
geschickten groiß raiths
Krämer zunft kleines raths
Krämer zunft geschickten
groiß raths
Zimmerleut zunft
kleines raths
{
{
{
{
{
Peter von Ketteniß.
Kerstgen Meeß.
Gerlich Nuthen.
Leonhard Nuetcn.
Johan Nueten.
Clauß Stärtz der alt.
Simon von Kettenis.
Lamhrecht Nuethen.
Gillis von Morßhach.
Johan Zink.
Joest von Beeck.
Dioneiß von Thenen.
Gerlach Zink.
Hans von Thenen.
Theiß Kraeborn.
Gilliß Zink.
Jacob von Rath.
Theis Biermans.
Herman Schöler.
Leonhard Sperenmecher.
Johan Lontzen.
Peter Clotz.
Laurenz van Drimbom.
Quirin Beissel.
Peter Ortmans.
Bleß von Dalliem.
Wilhelm Zinck.
Jacob von Eschweiler.
Jordan Peltzer.
Peter Spillenmecher.
Gillis Momma.
Edmund Schardeniel.
Heinrich Zimmerman.
Simon von der Heggen.
Peter Schardeneel.
Gerhard Hey man.
Peter Schardeneel der alte.
Simon von Houssen.
Arnold Steinmetzer.
Christoff von Holseth.
Theus von Luitgen.
Peter von Gelehn.
Kleinere Mittheiluuffeu.
227
Zimmerleuth geschickten
groiß raths
Schneider zunft kleines raths
Schneider geschickten
groß raiths
Pelzcr zunft kleines raths
Pelzer geschickten groiß
raths
Schohmächer zunft
klein raths
Schuster geschickten
groß raths
Bierhrewer kleins raths
Bierhrewer geschickten
groiß raths
Der stat rentmeister
Der stat bowmeister
{
{
{
{
{
Neiß Königs.
Peter Bourman.
Clauß Trauffel.
Theis Staufsack der junge.
Johan Koß.
Arnold Keuchen.
Johan Pannel.
Wilhelm Butten.
Erasmus von Kanderath.
Ruland von Hochkirchen.
Johan Knyff.
Paulus Gatzweiler.
Cornelis Clermont.
Johan Rosen.
Hanß Vischer.
Dietherich Huesch.
Jacob Herman der alt.
Gillis von liammerstorf.
Thomas Lodderbein.
Dam von st. Salvator.
Claeß Herman.
Wilhelm Fischer.
Heinrich von Gangelt.
Peter Kipp.
Daem von Rait.
Johan von Gaugelt.
Goert Beißel.
Amolt von Mertzen.
Adam auf die Kuchen.
Gillis von Rait.
Johan Tomisch.
Thonnis Wimmer.
Johan Königs.
Johan von Schwirten.
Johan Lerß.
Gillis von Erklenz.
Franz Schier.
Heinrich Welters.
Simon Engelbrecht, alter burgenneister.
Mattheis Schrick.
Albrecht Wolf.
Gothard Duppcngießer.
15
\*
228 Kleinere Mittheilungen.
{Joest von Beeck.
Vaeß von Colin.
Johan Thielen.
Herman Bertholf.
Adam Pastor.
Adam von Zievel.
Wernher von Colin.
Leonhard Engelbrecht.
Neunmänner, so alle der stat
einkommen empfangen und
auf der hern rentme ister Ver-
ordnung ausgeben undbezalen,
machen auch neben negstvö-
rigen ambtsträgcm im groißen
rath eine, nemlich die 15. zunft
und stim
Als nu in negstgefolgtem 81. jair für Urbani abermals altem
brauch nach zu Versetzung des raths und dessen ämpter, eirstlich aber zu
erwelung der newen Werkmeister in beisein aller obernanter gaffelgeschickten,
so neben den kleinen den großen rath, wie oben, machen, geschritten werden
soll, haben etliche catholische rathsverwanten auf die erkome Werkmeister
Matheißen Peltzer, alten burgermeisteren, und Joesten von Beeck, beide zu
vilmal zuvor gewesene ratzfreund und amptsträger, so sie, die catholische,
selbst am negstvorigen tag erwelen helfen, aus dem fundament, das dieselbe
der religion zugethan, getadelt, derwegen dieselbe ab- und andere, so catho-
lisch, anzustellen am heftigsten getriben. Darüber dan und von wegen der-
selben erweiten Werkmeister bevorab Mattheißen Peltzers zu verthädigung
dessen eheren zwischen den catholischen und religions zugethonen ratsver-
wanten eingefallenen harten gesprächs Leonhard von dem Hoff, burgermeister,
sampt noch etlichen andern catholischen mer aus dem rat abgetreten, wie
ingleichen, als femer auf gerurt Urbani zu der newer burgermeister wähl
verfaren werden solt und der ganzer groß rath gewonlicher weiß darzu be-
rufen, haben sich nachbenante catholische rathsverwandtc aus dem fundament
und grund, das sie keine andere burgermeister, ratsverwanten noch amptz-
träger dan eitele römische catholische angestelt zu werden entlich gewilt
(welliches doch der alter rathsorduung, bevorab des raths im negstverfloßnen
74. jair einhellig überkommenem bcschluss — craft welliches beide, catho-
lische und der religion der Augspurgischer confession zugethone zu burger-
meister und rathssitzen ohne underscheit anzunemen verordnet — zuwidder)
vom rath abgesundert und auf ein ungewontlich ort auf dem rathauß zusam-
men gethon, nemblichcn:
1. Leonhard von dem Hoff, 2. Albrecht Schrick, 3. Gregorius von Wilre,
4. Matheiß Beck, 5. Wilhelm von Wilre, 6. Johan von Wilre, 7. Wilhelm
von Daßdunk, 8. Johan Eilerborn, 9. Theiß Biesen, 10. Peter Radermecher,
11. Theiß Fischer, 12. Zilliß Biesen, 13. Thonis Klöcker, 14. Leonhard von
Kirchrat, 15. Franz Klocker, 16. Johan Fibis, 17. Claes Pyn, 18. Fridrich
vonj Hergenrat, 19. Gillis Zimmermann, 20. Kerstgen von Schwierten,
21. Peter von Ketteniß, 22. Kerstgen Meeß, 23. Gerlach Nueten, 24. Leonhard
Nuethen, 25. Johaii Nueten, 26. Clauß Stertz der alte, 27. Simon von Kette-
niß, 28. Larabrecht Nuethen, 29. Gerlach Zink, 30. Hans von Thienen,
■ ■■ M
31. Jacob von Ratk, 32. Simon von Hau^-en, 33. Peter Boarman, 34. Erasmus
von Randenrat, 35. Johan Knyf, 'S*}. Hins FL- :h r. 37. Di-therich Huesch,
38. Jacob Herman der alt, 39. Gillis Ton LamiLexst^ rl 40. Thomas Lodder-
bein, 41. Dam von s. Salvator, 42. Dam vun Rdit, 43. Gi.»ert Bei>3cL.
44. Gillis von Rait, 45. Johan Tomhch, 46. Th<j»nLs Wimmar, 47. Johan
Königs und 48. Johan von SchTvicrten.
Wellicher jetzt angezeigter ausgetretener pers^jnen in der anzal nur
acht und vierzig zu finden. Und dieweil der ganze rath, wie oben vermelt,
hundert und acht und zweinzich häupter be^^eitt, so seint schier die halb-
sc'heit meher, nemblich achtzig ratzpersonen, darunter nit allein funfziehen,
so der catholischen religion zugethan, sunder auch alle zwelf der statt eheren
amptsträger (ausgenommen eines burgerme isters Leonhards von dem Hoffe)
imd also maior et melior et sanior pars in der gewönlieher rathsstubcn ver-
pliben, und seint also dtirch dieselbe ordentlicher wei:j mit dem meherem
theil der stimmen vermög der gaffelsbriefen und alter rathsordnung zu bur-
germeistem Johan Lontzen und Simon Engelbrecht erwelet worden*.
Obwol nun der gering ausgetretener theil zu etlichen malen auch uber-
mitz notarien und gezeugen sich gehorsamblich widderamb einzustellen und
von irem strafwürdigen fumehmen abzustehen ersucht worden, so seint sie
doch in sollicher geringer anzal furgefaren und gegen ire geleiste rathseit
(wellicher neben meher andern diese Wörter austrucklich einhelt: Vort den
burgerraeisteren zur zeit gehorsam sein, ewem besten sin up eweren eid
sagen, der meister part im rath zum gemeinen urbor und der stede beste
alzeit gefölglich sein etc.) Albrechten Schreck und Johannes Fibis zu iren bur-
germeistem, doch vermeint und nichtiger weiß aufgestelt.
Und ist gleichwol nach dieser hochatrafwurdi glich furgenommener Sepa-
ration gefolgt, das nit allein dieselbe, sunder auch die domals under gemei-
ner burgerschaft durch Verursachung der widderwert igen und anderer ent-
standene commotion und was darunter allerseits furgelaufen, mit ewiger
oblivion imd vergeß desselben genzlich aufgehaben und sich gutlich mit
elnandem verglichen, die in gewerter Separation zu beiden theilen erwölte
bnrgermeister von iren ampteren williglich abgestanden, ihre schlüsseln in
bänden des voriges jairs gewesener bürge rmeisteren bis zu einer newcr bur-
germeister wähl gutlich übergeben und also nit allein die vermeinte unor-
dentlich aufgestälte bnrgermeister Albrecht Schreck und Johan Fibis, sunder
auch alle andere obspecificirte abgetretene catholische rathsverwanten ire
gewonliche rathsplatzen widderumb angenommen, der stat Sachen rathsweiß
vertreten und folgenz in kraft beschehener vergleichung aufs new burger-
meister erwehlen und beeiden helfen, ausgenommen das alspalt nach getrof-
fener Vereinigung die drei gebrudere und vetter, Gregorius, Wilhelm und
Johan von WiLre (sampt der stat gewesenen secretarien, sich in so viele
weg an eid und pflichten gröblich vergessenen magister Johan von Thenen)
-_
») Vgl. die AusfUhrangen bei von Fürth a. a. O. H, 2, S, 52 ff.
230
Kleinere Mittbciluii<?en.
aus der stat sich begeben und aber die andere zuvor abgetreten folgenz
Widder zu ircn ratbssitzen getretene catholische ratsverwanten nit allein
bis auf das negsgefolgt Johannis fest' anno 81, als der rat ge wonlicher
weiß versetzt und sie denselben versetzen helfen, sunder auch etliche
zeit darnach sowol im rath als in der stat verpliben. Und ist der rath do-
mals nachfolgender gestalt verplieben und angestelt worden :
Alte burgermeister
Sterns klein raths
Des Sterns geschickten
groiß raths
Werkmeister zunft kleines
raths
Werkmeister geschickte
groiß raths
Der zunfteu Bocks klein
raths
Bocks geschickten groiß
raths
Becker zunft kleines raths
{
{
{
{
Leonhard von dem Hoff *.
Peter von Zievel.
Albrecht Schrick'.
Bonifacius Colin.
Wilhelm von Wilre*.
Wilhelm von Daßdonck.
Johan Ellerbom.
Jacob Pastoir*.
Anastasius von Segrat.
Johan Cholin.
Mattheiß Peltzer.
Joest van Beeck.
Peter Radermecher.
ZiUis Biesen.
Theiß Klöcker.
Leonhard Erardus.
Jacob Scherberg.
Andries Syben.
Franz von Zievel.
Dieterich Verken.
Wilhebn Ernst.
Peter Peltzer.
Wilhelm Haußmann.
Johan Schaut emel.
Heinrich Roß.
Libert Freintz.
Johan Seh illink.
Theiß Loder.
») 24. Jnni.
*) Am Bande: Dieser ist diimach ausgewichen und aber eine lange zeit in der
stat verpliben.
*) Am Bande: Ist, wie oben, ausgewichen, aber dieß jair von dem rath der
Ordnung nach abgangen.
*) Am Bande: Ausgewichener, abiT nach der Ordnung abgangen.
') Am Bande: Der fünfter ansgowichener und im folgenden 82ten jair nach
der oninung abgaiigen.
Kleinere Mittheilungon.
231
Becker geschickten groiß
raths
Fleischewer klein raths
Fleischewer geschickten
groiß raths
Löder zanften kleins raths
Löder geschickten groiß
raths
Der Schmied klein raths
Der Schmied geschickten
groiß raths
Kupferschläger zunft
kleins raths
Knpfcrschläger geschickten
groß raths
{
{
{
{
Bernard Koumans.
Gillis Zimmermans*.
Kerstgen von Schwiertcn.
Dahm von Eschweiler.
Johan von Amel.
Johan von Schwierten.
Kerstgen Mceß*.
Johan Meeß.
Clauß Startz.
Simon von Kettenis.
Lambrecht Nuethen.
Balthasar von Kettenis.
Peter Startz.
Johan Startz.
Johan Zink.
Leonhard Korstman.
Hans von Thenen.
Gillis Zink.
Gillis von der Capellen.
Johan Herbrand.
Hein von der Capellen.
Johan van Astenet.
Theiß Biermans.
Leonhard Panzer.
Peter Clotz.
Laurenz von Drenborn.
Quirin Beißel.
Rochus von Drenborn.
Hans von Richtergen.
Leonhard von der Bank.
Bleß von Dalhem.
Peter Verken.
Peter Spillenmecher.
Gillis Momma.
Emnnd Schani iii^l.
Peter Amin.
Wilhelm Momma.
Theis von Dalhem.
*) Am Rande: Dieses ist aucli anfenklich einer der ausgewichenen gewesen,
«iKrr aUpalt widdenunb einkomen.
*; Am Rande: Sechster ausgewichener und in gefolgtem 82ten jar vermiig der
ortin ong abgangen.
232
Kleinere Mittheilunp^en.
Der krämer zunft kleins
rathä
Der krämer geschickten
groß raths
Der zimmerleut kleins
raths
Der zimmerleut geschickten
groß raths
Schneider zunft kleins
raths
Schneider geschickten
groiß raths
Pelzer zunft kleins raths
Pelzcr geschickten groiß
raths
Schuhmecher klein raths
Schuhmecher geschickten
groiß raths
{
{
{
{
{
Simon Ton der Heggen.
Wilhelm Braun.
Pet«r Schardinel der alter.
Simon von Hausen.
Arnolt Steinmetzer.
Heinrich Hanßen.
Servaes von Collen der alter.
Matheis Elermont.
Peter von Gelheen.
Theiß Stoufsack der alter.
Theiß Stoufsack der junger.
Johan Roeß.
Arnold Keuchen.
Wilhelm Woulf.
Arnold Wolders.
Paulus von den Weyer.
Wilhelm Kutten.
Wilhelm Koch der alter.
Paulus Gatzweiler.
Cornelius Clermont.
Johan Rosen.
Winand Schmits.
Wilhelm Lontzen.
Joeris von Urßfeld.
Dietherich Huesch.
Wilhelm Spillenmecher.
Daem von st. Salvator.
Clauß Herwärts.
Wilhelm Fischer.
Jacob Ilerwartz der jong.
Gerhard Bohr.
Theiß Kreintzgen.
Peter Kipp.
Ludwig Musch.
Arnold von 3Iontzen.
Adam uf die Kuchen.
GiUis von Rhat.
Gerhard Beyer.
Johan von Boßeler.
Sander von der Siirten.
Kleinere Mittheilungen.
233
Bierbrewer klein raths
{
Bierbrewer geschickten
groß raths
Rentmeister
Weinmeister
Bawmeister
{
{
Neunmänner,
wie oben beampt
Thöniß Wimmer K
Johan von Sittart*.
Gillis von Erklenz.
Franz Schier.
Heinrich Welters.
Arnold von Savelsberg.
Fauckhen Fibis.
Leonhard von Savelsberg.
Simon Engelbrecht, alter burgermeister.
Mattheiß Schreck.
Leonhard Engelbrecht.
Albrecht Wolf.
Godhart Duppengießer.
Servaß von Colin.
Johan Thelen.
Adam Pastor.
Adam von Zicvel.
Wernher von Colin.
Joest von Beeck der junger.
Als nun diese des raths nach altem brauch beschehene anstellung die
sämptliche catholische widderumb zu iren ratzsitzen getretene ratsverwanten
verrichten helfen, seint unlängst darnach den andern dreien zuvor, wie oben,
ausgewichenen gebrueder und vettern von Wilre und Johannes von Theuen
aus der stat Albrecht Schrick, Thonis Wymmar, Johan von Sittart und
Gillis Zimmerman als in gesagtem der geringer zaal Sl^eu jair gewesene
ratsverwanten gefolgt, inmaßen das auf zeit, nemlich in den monatea sop-
lembri und octobri jetzt gesagtes 8Ito»^ jairs, als der erbaren deputierter
freien und reichsstett^ Straßburg, Ulm und Frankfurt abgeordnete gesantcn
alhie gewesen, sich nur sieben ratzverwantcn, so allein neben dem dechanton
Fuchs und Johannen von Thenen dieser sachen verlauf zu soUichcr Weiterung
and höchster dicker stat gefahr bei den benachparten furstcn gebracht,
*) >) Am Bande: Nota, Dor siebent und achter ausgowicheno, in jetzig und pfofoljj-
tem etc. 8lten [so statt H2t€n] jair nach dor ordnunj? widderumb respective abgaufjon.
Vnd Heiut <lieäe obgezeignete aclit neben Leouhurten von dem Hoff, ahom burgermeiater,
'Üp neun des raths ab- und uusf^etretene.
'j Auf dem Städtetag zu Speyer im August irxsl. der wegen der Aachener Wirren
beruht! worden war, war die Abordnung dieser Gesan<ltsebatt beschlossen worden
dl übe rl in, Neueste t«utsche Heichsgeschichte XI, S. 4>i tf.). Die Gesandtschaft ver-
handelte sowohl in Aachen selbst mit beiden Parteien uuvl erwirkte am 4. Oktober 1541
•las s •fj.'uauut^» Paeifikationsedikt (»lem sich jedoch nicht alle Katholiken unterwarfen),
rtl-i Rn<h in Hambach mit dem Herzog von Jülich (am 21. September 1581; diese Ver-
liait<Uangen waren fruchtlos). .Nilhem Aufschluss über diese Gesandtschatt bieten das
Msr. 15 des Aachener Stadtarchivs, dos Archiv der evangelisfhcn Gemeinde in Aachen,
*iA!» Htaataarchiv Münster, Landesarcluv Nr. 468 und das Allgemeine Reichsarchiv in
München, Aachen Reirhsstwlt Nr. 1.
234 Kleiuere Mittlieilungen.
ausserhalb der stat verhalten. Und aber irer etwan drei des rath:^,
ncmblich Leonhard von dem Hoff, Wilhelm von Daeßdonk * und Jacob Pastoir
in der stat plieben und gleich wol im rath zu erscheinen sich verweigert.
Jedoch seint die andere des jairs verpliben und aufs new angestelte
catholische ratsverwante (deren ungefärlich fünf und vicrzich gewesen)
gemeinlich im rath neben den anderen ratsverwanten erschienen, und lauten
dieselbe mit namen und zunamen also :
1. Bonifacius Colin, jetziger burgermeister, 2. Johan Ellerbom, 3. Ana-
stasius von Segrat, 4. Peter Radermecher, 5. Zilliß Biesen, 6. Theiß Klöcker,
7. Libert Freintz, 8. Johan Schillink, 9. Theiß Löder, 10. Kerstgen von
Schwierten, 11. Kerstgen Meeß, 12. Johan Meeß, 13. Clauß Startz, H.Simon
von Kctteniß, 15. Lambrecht Nuethen, 16. Balthasar von Ketteniß, 17. Peter
Startz, 18. Johan Startz, 19. Johan Zink, 20. Hanß von Thenen, 21. Gillis
von der Capellen, 22. Johan Herbrand, 23. Hein von der Capellen, 24. Leon-
hard Panser, 25. Laurenz von Drinbom, 26. Quirin Beissel, 27. Rochus von
Drinbom, 28. Hans von Richtergen, 29. Wilhelm Braun, 80. Peter Schardincl
der alt, 31. Simon von Hausen, 32. Matheis Klermund, 38. Wilhelm Wulf*,
34. Comelis Clermont', 35. Joeris von ürßfeld, 36. Dietherich Huesch,
37. Wilhelm Spillenmecher, 38. Daem von s. Salvator, 39. Ludwig Musch,
40. Gillis van Rath, 41. Grerhard Beyer, 42. Arnold von Savelsberg, 43. Fau-
chen Fibis, 44. Leonhard von Savelsberg, 45. Adam Pastor.
Als nun die feindliche versperr- und belagerung gefolgt*, haben sich
noch aus jetztemanten rathsverwanten nachfolgende personen zum theil aus
forcht, zum theil auf anreizung der zuvor siben, wie oben, ausgewichener
rathsverwanten aus der stat begeben, wie folgt :
1. Leonhard von dem Hoff, 2. Jacob Pastoir, 3. Johan Ellerbom,
4. Johan von Amel, 5. Hans von Thenen, 6. Wilhelm von Daeßdonk, 7. Gillis
Zimmerman, 8. Kerstgen von Schwierten, 9. Clauß Startz, 10. Lambrecht
Nuethen, 11. Dieterich Huesch, 12. Daem von s. Salvator, 13. Gillis von Rath,
14. Gerhard Beyer, 15. Arnold von Savelsberg, 16. Fouckhen Fibis und
17. Theis Klockher.
Jedoch seind diese sibenzihen alle, ausgenommen Leonharden von dem
Hoff, Jacoben Pastoir, Johannes von Amel und Hanß von Thenen, widderumb
einkommen und haben der stat magist rat für ire'gepurlich ordentliche obrig-
kcit erkant, auch bei dero als gehorsame burger zu halten und zu leben
ubcrmitz von sich gegebener handglobten zugesagt.
Und ist aus diesem allem augenscheinlich abzunehmen, das nur sieben
personen, so im jair etc. 81 des raths gewesen, uemblich Albrecht Schreck,
Georg, Wilhelm und Johan von Wilre, scheffen, Thonis Wymmer, Johan von
>) Am BAnde: Ist auch ftusgewichen, aber widderumb einkommen.
*) *) Am Bande nachgetragen.
*) Von Seiten Jülichs und Lüttichs.
Klciuere MJttheilungen. 235
Sittart (l)ei(lo ircs hantwerks bicrbrawer), Johan von Amel und Jelis Zimracr-
man ' (beide brotbecker) sich allenthalben, sowol bei der keiserlichcr raajostät
unserra allcrgnädigsten hcrn, den benachbarten chur- und fursten, als auch
auf stett und kreißt ägen für dieser stat ordentlich furgestelte obrigkeit,
und das sie, diese sieben, als den mehrer theil die stat und rath zu Ach
repräsentiren solten, ganz unverschampt, unwairhaftig so schrift- als mund-
lich hochstrafwürdiger weiß auszugeben understehen dürfen, da doch oben
genugsam angezeigt, was maßen der rath auf zeit, als jetztgemelte siben
aasgewichen und irer noch drei, so dem rath nit beiwonen wollen, in der
stat verpliben, der rath domals noch über die hondert und ziehen personen
st^rk gewesen und also (sollicher ziehen mutwillig hochstraflicher weiß aus-
und abgetretener ratzverwanten unangesehen) gemeine statt und burgerschaft
ohne einig befugt widdersprechen der zeit thetc representiren und niemand
anders, als dieselbe darfur zu halten gewesen. Und folgen namen und
Zunamen derjenigen, so in negst abgewichenem 81*^^ jairs des raths gewesen
und noch jetzt aus verplieben, als uemblichen:
1. Leonhard von dem Hoif, 2. Albrecht Schreck, 3. Wilhelm von Wiln*,
4. Johan EUerbom, 5. Jacob Pastor (alle vier scheffen), 6. Johan von Amel,
beckcr, 7. Hanß von Thienen, loeder, 8. Thonnis Wimmar und 9. Johan von
Sittart, beide bierbrewer*.
Und ist es jetzo an dem, dieweil der rath in jetzigen 82*^» jair auf
negstverschienem Johannis des Tcufcrs, wie von alters herkomen, versetzt, das
keiner von jetzt emanten achten dieß jairs des raths (außgenommen Jacoben
Pastoir) verplieben.
Was aber gemeine burger, so des raths nit gewesen und theils aus
forcht der Burgundischen dieser stat einnehmung, theils auf bescbeh(^ne
anreizung der sieben ausgewichenen und anno etc. 81 gewesenen rathspersonen
und ires anhangks aus der statt sich begeben, betrifft, mögen dersellnm in
all, soviel man deren nach fleißiger nachforschung erfarcn können, etwan in
in die hundert und wienig über siebenzig gewesen sein, deren gleichwol eine
große anzal berait widderumb einkommen, auch den domals in vielgesajrtom
glt4>n and jetzigen 82t«n j-iren respective angostelten magistrat für ire
ordentlich gepurliche obrigkeit erkent und sich wie eherlich und gehorsamen
bürgern zusteht gepurlich erklert und angeboten. Darunter auch etliche
be^iflfen, so Albrecht Schreck, Wilhelm von Wilre, Thoniß Wymmar und
Johan von Sittart in ire vermeinte gegen einem 'erbaren rath in Schriften
ausgegangene protestation bcnäntlich gestelt und aber, das sie in solliche
protestation nit verwilligt, vielwieniger der zeit zu Gulich sunder domals
an andern örteren gewesen sich erklert und sunsten angedeute vermeinte
protestation öffentlich widdersprochen. Und seint der widderumb einkommen
namen und zunamen wie folgt :
'j Am Rande: Ist darnach wiederumb einkommen.
*y Am Rande: Diß seint die noun, so sich xinverschttmptor weiß für burgormeistcr
und rath der stat Aach ausgeben doiien.
236 Kleinere Mitthcilunofen.
1. Mattheiß Fischer, 2. Hans Fischer, 3. Gillis von Rath, 4. Hieronimus
von Randerath, 5. Johan Kranz, 6. Nellis Sterck, 7. Joris von Merzenich,
8. Heinrich Windenburg, 9. Johan Hunten, 10. Clauß von Tienen, U. Gillis
Bicrman, 12. Lambert Xuethen der junge, 13. Peter Wilerman, 14. Wilhelm
Nucken, 15. Thonis von Heinbach, 16. Clauß DoUart, 17. Heinrich Mouß,
18. Peter von der Kalterherberg, 19. Nicolauß Becker, 20. Heinrich Lauten,
21. Johan Bart der jung, 22. Johann Keuter, 23. Gerhard Morenfell,
24. Dietherich Gueden, 25. Paulus von Luitgen, 26. Arnold von Dulken,
27. Johan von Erberich, 28. Peter Gesund, 29. Theis Biesen, 30. Joris
Hunten, 31. Heinrich Kern, 32. meister Johan Krämer von Diest, 33. Egbert
Egberts, 34. Adam von Tomich, 35. Theis Startzen, 36. Johan Bück,
37. Leonhard von Bockholz, 38. Jacob Han, 39. Jacob von Immendorf,
40. Comelis von Ketteniß, 41. Johan Rutger, 42. Wilhelm von Kirchrat,
43. Bitter von Housen, 44. Dietherich Playoul, 45. Philips Moren, 46. Peter
Krewen, 47. Gerhard Bischof, 48. Johan Burgerhauß, 49. Arnold Fischer,
50. Joris von Helchrat, 51. Martin Sädeler, 52. Paulus von Ketteniß, 53. Hein-
rich von der Bank, 54. Claus Kuechen, 55. Peter Moren, 56. Johan Struiß,
57. IJelman Stalschmid von den Zweivel, 58. Zacharias Prent, 59. Zillis
S( hörn, 60. Claes Gillis, 61. Johan Kulpcr, 62. Johan Merzenich, 63. Henrich
Koni, 64. Thonis Heuchler, 65. Carl Schom, 66. Reinken Kucks, 67. Johan
S Ii'in, 68. Jelis Braun, 69. Johan Lintzeu von Malmanthier, 70. mcii^ter
floThard Beier, 71. Matheiß Kelmiß, 72. Clauß von Wurßelden, 73. Johan
Tiuland, 74. Johan Zink, 75. Nelis Kern, 76. Leonhard Kuell, 77. Adam up
die Kuchen, 78. Claeß Pyn, 79. Johan von Scholl, 80. Wilhelm Ortman,
81. Johan Schenk, 82. Martin Krewen, 83. Johan Daubenrat, 84. Arnolt von Rait.
Folgen nun nahmen der burger, so sich theils noch aus der stat verr
halten, theils sich hin und widder haußlich nidder geschlagen:
1. Meister Johan Thenen, der stat gewesener secretarius, 2. meister
Johan Werden, scheifenschreiber, 3. Gillis Valenzien, des capitels. secretarius,
4. Johan Dammerscheit, sendgerichts Schreiber, proscribirt, 5. Peter Rader-
mecher, wirt im Gulden Schwein (diese fünf seint der neun noch auspleiben-
den und hiebe vor im jair 81 gewesenen ratsvcrwanten, der Sachen rädel-
f uhrer, instnimcuten und Werkzeug, bevorab aber der für andern
hochstrafwürdiger meister Johan von Thenen gewesen).
I. Leonhard von Kirchrodt, kannengießer, 2. Erasmus von Randenrat,
tuchscherer, 3. Johan Knyf, tucbscherer, 4. Frank Block, krämer, 5. Wilhelm
Brauraan, weinkaufman, 6. Jacob Moll, sehartzeuwebcr, 7. Andries Rader-
mechcr, 8. Johan Heuchler, kupferschläger, 9. Hans Klöcker und 10. Martin
von Costen, beide goltschmied (diese 10 samt meister Johan von Thenen seint
in der vermeinter gegen einen erbaren rath ausgangener protestation neben
anderen wie oben ))cnant worden).
II. Paulus Gartzweiler, bader, 12. Heinrich Eikholz, des capitels keiner,
13. Johan Engelen, zingießer, 14. Alexander Bawr, leifclmecher, 15. Simon
Kleinere Mittheil uugen. 237
Newstat, farber, 16. Theis von Beeck, löder, 17. Daem von Rath, Schuhmacher,
18. Johan von Warseiden, krämer, 19. Karl Koerhan, täschmccher, 20. Simon
Henchler, kesselschläger, 21. Heinrich von Höningen, kurßner, 22. Johan Man,
krämer (diese zwelf seint nit die geringsten der sachen anstifter und Ver-
folger, wie in gleichen under den scchßig deputirton catholischen schier die
fomembste gewesen).
23. Peter Tomiß, weiukaufman, 24. Jacob Roeb, pelzcr oder korsner,
25. Winand Moer, 26. Wilhelm Gillis, 27. Johan von Housen, 28. Johan von
Gulich, krämer, 29. Joist von der Linden, Schneider, 30. Heinrich von f>kelcnz,
31. Gillis von Lammerstorf, bierzeppcr, 32. Herman Buchßen, ladenmecher,
33. Simon Moll, kremer, 34. Johan Loril, kerzenmecher, 35. Franz im Spiegel,
weinwirt, 36. Heinrich Nucker, leinenweber, 87. Zillis Braumann, weinwirt,
38. Thonis Knyf, goltschmit, 39. Paulus Sybcu, 40. Johan Duppengießcr,
krämer, 41. Johan Hongelen, 42. Theiß Schiffgen, 48. Heinrich von Kempen,
becker, 44. Claes Fouckhen, gärtner, 45. Reinken in die Foens, bierbrewer,
46. Vogelhein, arbeitsman*.
Dieß alles wie furbeschricben hat sich in beweislichcr wairheit mit
Separation, ein- und austretung etlicher ratsverwanten und burger zu ver-
schiedenen Zeiten und in furerzelter Ordnung neben anderm verLiuf, so wir
in einem der sachen summarisch verfasten bericht* ferner ausfuren lassen,
also zugetragen. Dessen zu warem gezeugniß haben wir unser stat gemein
insiegel auf spatium dieses furtrucken lassen.
Gkben im jair unsers hem säligmechers funfziehen hundert achtzig
und zwei, am acht ziehe ntcn tag des monats julii.
L. S.
Münster i. W, J, Hansen.
3. Ein böhmisches Adelsgeschlecht, das aas Aachen
stammen soll.
Vor Kurzem ging dem Aachener Geschlchts vorein die Abschrift eines
aus dem 17. Jahrhundert stammenden Manuskripts zu^ worin die Entstehung
») Am Rande : Nota. Von diesen 46 seint auf teit des zu Augspurg anno 82 ge-
westen reiohstags und bald darnach ihrer 14 und meher widderumb einkommen.
«) Dieser 2S Blätter iUllende Bericht (d. d. 1582, Juni 7) hat den Titel: Summa-
rischer bericht, was seit den jaren der geringer zal 58 und fJO biß ins jetzig 82 jar in
diesem königlichen stuel und stat Aach sowol in roligions- als andern politischen
Sachen sich zugetragen und in was hochboachwerlichen stand dioselb domals gerathen.
(Original ebenfalls in Dresden in dorn S. 222, Anm. 1 genannten Bande.)
«) Anm. d- Red. Herr Progj'mnasial-Rektor Dr. M. Scheins in Boppard über-
sandto der Redaktion nebst der ihm vom Königl. Staatsarchiv zu Breslau freundlichst
ertheilten Auskunft Über den Abdruck bei Sinapiua (s. S. 240, Anm. 1) die durch ihn
angefertigte Abschrift einer aus sechs Blftttem bestehenden Handschrift des 17. JjOir-
hunderts, welche Herrn Wihard zu WUds*chütz bei Trautenau gehört und deren Be-
nutzung dem Herrn Einsender durch die freundliche Vorm ittlun^: des Herrn Rogiorungs-
rath J. Hommclsheim m BcrUn ermöglicht wurde. Dieser ursprüiigUch sehr felüerhafte
238 Kleinere Mittheilungen.
der Burg Silberstein, gelegen am Fasse des Riesengebirges, etwas westlich
von Trautenau, erzählt und das Geschlecht der Silber von Silberstein, dem
jene Burg den Namen verdankt, als von Aachen herstammend bezeichnet
wird. Die Redaktion dieser Zeitschrift sandte die Abschrift nach Prag an
den Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen mit dem Ersuchen um
Auskunft, ob sich für die darin enthaltenen Angaben irgend eine geschicht-
liche Grundlage nachweisen lasse. Darauf sollen die folgenden Zeilen die
Antwort sein.
Gleich die erste Durchsicht führte auf die Vermuthung, dass das
genannte Manuskript ein Stück aus einer eigenthürallchen Chronik enthalte,
wie sie wohl wenige Gegenden in diesem Umfang werden aufzuweisen haben.
Simon Hüttel nämlich, der Verfasser der prächtigen Chronik von Trautenau,
in der die Schicksale dieser Stadt von 1484 bis 1601 erzählt werden, ver-
fasste noch eine zweite Chronik von der Entstehung Trautenaus und der in
der Umgebung liegenden Ortschaften. Das Original scheint verloren gegangen
zu sein; doch wurde mir eine alte Abschrift aus dem Jahre 1654 von dem
Besitzer freundlichst zur Verfügung gestellt. Der vorgenommene Vergleich
ergab die vollständige Richtigkeit jener Vermuthung.
Um den Lesern dieser Zeitschrift die Bemerkungen, die wir an diese
Chronik überhaupt und an die unten folgenden Stellen daraus zu knüpfen
haben, verständlicher zu machen, wird es nothwendig sein, einige Worte
über die Geschichte der Trautenauer Gegend vorauszuschicken. Der ganze
Abhang des Riesengebirges auf böhmischer (und schlesischer) Seite war bis
ins 13. Jahrhundert herab von ausgedehnten Waldungen bedeckt. Diese
bildeten einen Theil des grossen Grenz walds, der Böhmen ringsum einsohloss
und bis auf die genannte Zeit als Schutz gegen feindliche Einfalle geschont
wurde. Tschechische Ansiedler sind erst spät und auch dann nur vereinzelt
dahin vorgedrungen, und erst durch einwandernde Deutsche wurden diese
Gegenden urbar gemacht. Betrachtet man die Namen der so entstandenen
deutschen Dörfer, so findet man, dass fast alle derselben auch im benach-
barten Schlesien wiederkehren. Die deutsche Kolonisation in der Trautenauer
(legend ist also eine Fortsetzung des gleichen Prozesses im genannten Nach-
barland. In der neuen Geschichte dieses Landes von Grünhagen aber kann
man erzählt finden, wie im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts der Zuzug
von Deutschen nach Schlesien begann. Anfangs beschränkte man sich auf
das ebenere Gebiet; in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aber rückte
man immer weiter gegen die Grenzberge vor, und nach und nach ver-
schwanden hier die dichten Wälder. Besonders deutlich spricht in dieser
Hinsicht eine Urkunde für das Kloster Grüssau bei Landeshnt vom J. 1249.
Diesem werden dann geschenkt die Wälder bis an die böhmische Grenze
und das Recht ertheilt, an Stelle derselben deutsche Dörfer auszusetzen.
uud von einem fjleichzeitigcn Korrektor nur znm Theil verbesserte Text wunie, um
AufldÄning üWr den darin gegebenen Bericht zu erhalten, nach Prag gesan<lt und
durch obige Mittheihmi^n in dankenswerther Weise erl:iutort.
Kleincrc Mittheilungen. 239
An Landeshut vorhci über Liebau führt eine alte Verkehrsstrasse nach
Böhmen; auf dieser also kamen die Deutschen m die Trautenauer Gegend,
und zwar begann diese Einwanderung um 1250. Urkunden über Dorf-
gründungen hier sind leider nicht erhalten, dagegen aber für das wenig
östlicher gelegene Braunauer Gebiet mehrere aus den Jahren 1253—55. Dass
die Besiedlung des böhmischen Riesengebirges aber auch in diese Zeit fällt,
d. h. in die Regierungszeit des Königs Przemisl Ottokar 11. (1253 — 78), des
grossen Förderers des Deutschthums in Böhmen, zeigt eine Notiz bei dem
tschechischen Chronisten Neplach; dieser meldet zum J. 1277, dass der
geuannte König die Gebiete von Elbogen, Glatz und Trautcnau den Deut-
schen überliess. Kurz nach diesem Jahr werden hier schon mehrere deutsche
Dörfer genannt (12H9); Trautcnau selbst führt 1260 noch seinen alten
tschechischen Namen Aupa, hat jedoch bereits einen deutschen Richter, und
1301 hat es schon den neuen Namen.
Diese so germanisirte „Trautenauer Provinz" nahm dem übrigen Lande
gegenüber eine besondere Stellung ein. Ausdrücklich war derselben deut-
sches, nämlich Magdeburger Recht zuerkannt; die Bewohner waren der
Gewalt der allgemeinen Landesgerichte entzogen und unterstanden direkt
dem König. Trautcnau wurde bald königliche Stadt, später eine der sog.
Leibgedingstädte der Königin. Die Burg in Trautcnau und eine grosse
Zahl von Dörfern der Umgebung bildeten eine der königlichen Kammer
gehörige Herrschaft. Die königlichen Burggrafen oder, was häufiger war,
die Pfandbesitzer der Herrschaft übten zugleich die Gerichtsbarkeit in der
ganzen „Provinz" aus. Ausserdem gab es in dieser nämlich noch eine Reihe
meist nicht gar zu grosser Güter, die ursprünglich wohl auch Bestandtheile
jener Herrschaft gewesen, nach und nach aber an Adelspersonen oder auch
Bürger zu Lehn gegeben worden waren. Diese Güter hiesseu Trautenauer
Burglehen. Klagen gegen Lehnsmannen entschied ein aus ihrer Mitte ge-
wähltes Mannengericht, bei dem der Trautenauer Burggraf an Königsstatt
als Lehns-Hauptmann den Vorsitz führte.
Was hier in allgemeinen Zügen dargestellt wurde: die Besiedlung der
Trautenauer Gegend, das Aufkommen des Burggrafenamts und der Burg-
lehen, das ist der Stoff, den Simon Hüttel in seiner zweiten Chronik behan-
delt. Scheinbar streng historisch, ist dennoch Alles sagenhaft. Er knüpft
an die geschichtliche Thatsache an, dass im J. 1004 mit Hilfe des deutschen
Königs Heinrich ET. die Polen wieder aus Böhmen vertrieben wurden, nennt
aber statt Boleslaw Chrobry einen Miesko als Polenherzog. Es wird dann
erzählt, wie sich beim Rückzug der Polen das Heer auflöste und eine Schaar
sich an der Stelle des spätem Trautcnau niederliess imd Strassenraub trieb,
bis ein Zufall zur Entdeckung und Aufhebung der Räuber führte. Angeb-
lich schickte dann der Herzog Ulrich (noch 1004) den Albrecht Trautenberger
von Trautenberg, um die Gegend zu kolonisiren. Durch ihn entstanden nun
Traut<nau und mehrere Dörfer der Umgegend, er wurde der erste Burggraf und
240 Kleinere Mittheilungen.
verlieh umliegende Güter als Burglehen an verschiedene Personen, die nun
wieder Schlösser und Dörfer anlegten. Von etwa sechzig derselben erfahren
wir so die Gründungsgeschichte mit aller Genauigkeit, unter Angabe des
Jahres und der Namen des gleichzeitigen Papstes, Kaisers und Böhmen-
herzogs. Danach wären fast alle in den Jahren 1006 — 12 entstanden.
Dass ausser der schon betonten Verwechslung der Polenherzoge noch
viele andere historische Thatsachen falsch berichtet oder datirt sind, wollen
wir nicht weiter verfolgen. Nur auf den Gründer Trautenaus müssen wir
kurz eingehen. Dem Namen desselben werden öfters noch mehrere von Be-
sitzungen hergenommene Prädikate beigefügt, was an sich schon in jener
alten Zeit unmöglich ist. Aber der Name Trautenberg ist überhaupt nur
durch eine Volksetymologie aus dem Namen der Stadt gebildet, und der
Chronist des 16. Jahrhunderts suchte dann in Geschichts- und Titularbüchem
nach einem Geschlecht dieses Namens. Er fand es auch wirklich; aber diese
Trautenberger von Trautenberg wanderten frühestens im 14. Jahrhundert
aus der Oberpfalz ein. Sie waren durch mehrere Jahrhunderte in West-
böhmen begütert, mit Traute nau hat jedoch niemals einer derselben in Ver-
bindung gestanden. Dass aber der Chronist wirklich dieses Geschlecht vor
Augen hatte, zeigen die vorerwähnten Prädikate, die eben Güter desselben
in Westböhmen nennen. Diese Vermischung von Volksetymologie und Lokal-
sage mit Chronistengelehrsamkeit zeigt sich ebenso auch bei den erzählten
Dorfgründungen. So wird z. B. einerseits der Name Krieblitz abgeleitet
von dem Gründer Jaroslaw Kriebl, Krinsdorf von Kaspar Krin, Trübenwasser
von Hans Trüb u. s. w. Auf der andern Seite erscheinen aber als Gründer
auch mehrfach Adelspersonen, die nach dem Namen des Orts sich nennen;
doch lässt sich dann meist nachweisen, dass diese Prädikate von andern gleich-
namigen Orten herstammen. Dass die Namen dieser Adligen meist tschechisch
sind, beweist auch die spätere Erfindung, denn nach den Hussitenkriegen
erst wurde die ganze Trautenauer Leimsmannschaft tßchechisirt.
Was wir hier als das Werk eines in der Geschichte belesenen Chro-
nisten bezeichnen müssen, stammt nun gewiss von Simon Hüttel selbst. Als
praktischer Landmesser wurde er bei Grenzbegehungen u. dgl. immer zuge-
zogen. Er hatte also viel Gelegenheit, die adligen Besitz Verhältnisse der
Gegend kennen zu lernen. Dass er sich mit tschechischen Besitzurkunden
beschäftigte, zeigt die grosse Zahl derselben, die er in seine erste Chronik
aufnahm, und die Titulaturbücher erwähnt er selbst mehrmals.
Es folgen nun im Wortlaut nach der oben erwähnten Abschrift vom
J. 1654 jene Stücke, welche hier interessiren dürften; dieselben gehören
dem letzten Kapitel an*, welches betitelt ist: „Wer das Schlösslein Breck-
stein oder Silberstein erbauet hat".
*) Gedruckt ist dieses Kapitel bei Sinapius, Des Schlesischen Adels Anderer
Thoil Oder Fortsetziing Schlesischer Curiositäten (Leipzig und Breslau 1728) S. 469—71,
doch mit mehrfaclien Kürzungen und Aenderung«n im Wortlaut. Eine kurze Inhalts-
t* :: -- y — i . .1^ t 'MI
r«r Zfil £»v^s Biair- ^- ur> .^^Ä-rx * laI iie> l>. Füllten in HohMun,
>pJTigiifTg '. UL vT-na. .'«ic -c3r-r L*tj-. rti^. d^m $. Ta^? Juni wMt «li»*
Schlr*sfiifäa Br^:i«*iL öanwr *-. •'^'^■;?- j cy-labU fH*nt, wx^loho« r»r*ilk*'l»
-^eineii XkliBa V^csb •• r c-a. rr.*-t^a Bei\kV WoiM Winto» \\\\\\
Stmauer giiiL nmc w^raH: h^i* /•u- ir^L^ia: ninb don Hnvk»t«Mn, x^«»!«'!»»'^
der «ijwrTwir H*tt ^ S '\-^-; t.« A^-k * ^ftni»:» 7 Mo>lon \on K.^llou
am Röa gekgtai. rm* -r*^ l.-^ l'^ t.-x AtitM, frHiut. Kr kftin im» II^ium
U»4 A'. lOfiS. mr 2>-' 6-* :T. Ftrst-t Bry^iisUn« in Hi^hmon» tilMn rv 1»»^
KaT«er H«?iiiricb^ T'-rj.;*^. ü*t f^Jire-^in und Landfllrutin HnuHtn* in M<^lt
men r» I^ae ul o-ir^ai-i Ftr?Teibt.ie S .Uhry Un« dionot nn<l lltv I Hu
CaÄdrT-ScLr**rt»^ Ajct t#t*. -rr^t.
und kü- <ter Flivi Br^i>l*ii* starb, und 5tMU Sohn SpllinuiMi«, «lo
18. Pirüt IL lnii3ii*T. 'r««"i*rr:;. ^r b^^fahl, duss t\l>or :* Tu«i' nWh i\\\v P» ul'. In'
weht sciQeB Imütii .*>*, W: Verius^t Leib und I.oIhmi-*. Kr VPilH*!» <mc li
feia leÄcjctae ^fcrur, KkV'S^r Heinriihs Toohtor, uutl *»•"<'' Ib» d» u I.mI
Alß aber k> I»*Tr*.-'!i* i.f Flucht gaben a«6 d»»m ll.khnii^iliind, Urtud» d«»
H. WoMF Um*! fcnb ^is Ab^^hi.ii von d<»m rrlnf«»'*«ln ll«dr, luM-litit »<»• li
PreMair £il
Uaier Wee^, ait ferne ron Tnuittonuw, Kum t^» pw <»'» d»ul-. lo ti
ftöditigeB Ber^bauem. IHe weine t<^n und kbmlen mW \V«'li> »»ud Khubni,
Äagtea, sie wulneii eimm gern umb drorken Hr.»l iiiImMUmi uud bi'Ui wpMhm,
«e wiusttti nirgwid wonauß. Herr Woltl' UlMol oiI.mhmo« Dit Nolh hm.I
Klagen, sagt la^Lende: Ja, lieben BoiW'N.dli'U, woU lli» uH» »mm- Itiui
arbeiten, biß unß (iott begnadet mit Silber odnr nM 10., I.b ^ll .u. h
Brota gemmg geben. Wil euch dort Iuh wlldo Mlllniii.Mhi.M ■.'bl.'l..u. .si
schürfen xaä zu suchen mein und euer (JellWU. ^ImI- im Ihm .m Im. d.u ulli
wir gedcnkeiL Sie schrien alle: Ju g.ni. ILur 1» M»I)M« -L m- m I ..mH
tenaw in die Tafema £ur Hcrberg. Oor 11. WolfT CM. I ) M ••• v .Imm
alten HentMi Burgrafen zu Trauttonuw Alb...bl |TM..Hh mIm m^' »1 ••. ImMI
und Bergwerkfreyheit auß vor Mich" und «lU« - •••- »»••»'••;••» •"•' ^••"•7'"
in Brot. Schickt alle Wege 6 IVrn.boM.M Im. II). ü. m«. I.h.. , l.u «u.
und zu schrnpfen.^*
|> III ili M AImImm il U IMiIh
angäbe hat Lippert.Gesohichto »mr .'^;'";; V;;;;,.;,..,.,,.,,, hu. -lu vu., IL mm IM m. |
die Schreibweise
einiresaiidten Ab&vxu>iv oi«^. —. i i. » i n^ ....
») Heraog Spitignew, roff. U^>* <»• ""
obige als die beste durobgefUbri.
«) Hat keinen
heisst, woran der
«) Sinapius hat Aacken, LipP"»"* ' ' *^' ,. ,. . ,,. , , , ^,
*) Gemeint ist Ghitta, Jutta JuditI«.
grafen Heinrich von Schweinfurt.
*) Hs. vorsucht. -
Lippert.Geschichto dnr HOuH T 1 ,...., ,
n Abschrift sind in ocklRM Kl •♦•••" «* "
r Spitignew, reg. U^>* <" »"•
Bste durchgeführt^ ^^^^ ^^^^ , ,.^^,,, ,, ,, , ,^, ,^, ,,^, , ^^^^^
sinen Sinn; gedacht ist „.„in, h u. Im- Io.m I. Miuh K .M.mMM li tMlMM..it
jr Name Brzeczstain. wi« or *••«'
242 Kleinere Mittheilungen.
Man findet reiches Silbererz; darob grosser Jubel, Wolf Ulstet macht
grosse Schenkungen. Dann heisst es weiter:
„Satze im bald geschworne Bergmeister, Schreiber, Steyger, Schulmeister,
alles nach Bergwerks-Ordnung, und erbaut also in kurzer Zeit ein großen
silbern Schatz, davon er erstlich das Schlößlein Breckstein erbauet. Darnach
Terehret der H. Wolflf Ulstet dem Fürsten Spitigneus zu Präge mit gredigem
Silberwahr, zu und auf einen fttrstlichen Tisch gehört K Da verehrt in der
Fürst widerumb mit einem silbern Namen und sagt: Herr Ulstet, ihr salt
hinfort Silber heißen und genent werden; wir woUen euch von Neues adeln.
Sagt an, waß wollet ihr im Wappen führen ? Herr Wolf Ulstet bedacht sich
kurz und sagt: AUergnedigster Fürst und Herr, dieweil mich Gott durch
Bergwerck begnadet, so wil ich mir zu gutten gedechtniß einen schwarzen
Kayl im Schiide führen in einem rotten Felde*, dieweil die Berghauer Tag
und Nacht arbeiten, so bedeut die rotte Farbe daß Feyer. Ich bin kein Do-
nirer^ begehr einen zugethanen Stechhelm nach Kriegesleute Brauch. Und
dieweil ich auß der Stadt Aachen* gebürtig bin und dieselbe Stadt einen
schwarzen Adler zum Wappen führet, so wil ich meinem Vatterland zu
guttem Gedechtnüß einen schwarzen Adler auf dem Helm führen. DerFüi'st
befahl entlich seinem Mahler, dem Cantzel-Schreiber, dem Herrn Wolf
Ulstett solche beschriebene Maystett zu verfertigen. Fragt: Herr Wolf,
war wolt Ihr euch schreiben? Er sprach: Gnediger Fürst und Herr, ich
habe mir eine kleine Vestung erbauet, der ist der Breckstein genendt. Nein,
sagt der Fürst, schreibet: Der Edle, Ehrenveste Herr Wolf Silber von
Silber stein.
Darauf zog der Herr Wolflf Ulstett einen Brif herauß dem Wetzger*,
darauf abgemahlet stunden seine Wappen, wie folget, und zeiget sie Ihr
f. Gn. Erstlich seines H. Vatters Ulstet Wappen; seiner Frau Mutter Anna,
eine geborne vom Anger auß Sachsen, vom Adel; seines Herren Vättern
Mutter Eliaß, ein geborene von Sattel Bünne®, vom Adel; seine Frau, eine
geborne Dortin von Collen am Reine'. Darauf Ihr f. Gn. sagt, ein jeder
Herr mecht sich seiner gebornen Wappen und mehr seiner Begnadung privi-
ligirten Mayst. Wappen wohl gebrauchen, der schon viel wehren. Und be-
fahl Ihr f. Gn., sie salten den H. Wolff Silber in seinen neuen Wappenbrief
setzen, dass er Macht habe, in Böhmen Dörfer, Schlößcr, Markt und Städte
zu bauen und zu kaufen frey ungehindert."
') Anch dieser Satz ist offenbar verdreht. Die von Dr. Scheins eingesandt« Ab-
schrift hat : mit gediegenem Silberwerg, was zu und auf ....
*) Richtig wäre ^im blauen Felde**.
*) Tumierer.
'•) Hs. Aan.
*) Wetschger, eine Anhängetasche.
•) So die Hs. von 1654. Die eingesandte Abschrift hat : ^Beines H. Vettern Elias,
ein gebohmer von Sattelbaum*'.
') Eine Familie Dorthe gab es in Köln, soviel ich sehe. Leider stehen mir nicht
hinreichende literarische Behelfe zu Gebote. Die eingesandte Abschrift hat llhrigens
„Portin^
Kleinere MittheiloiiKen. 243
Der Schluss erzählt noch, wie es Herr Wolf beim Herzog auswirkte,
dass den Deutschen wieder Handel und Wandel in Böhmen erlaubt ward.
Stellen wir nun dem gegenüber die ältesten Nachrichten der Geschichte
über die Silber von Silberstein. Zuerst begegnen sie als Besitzer des Städt-
cheoä Pilnikau, nicht weit westlich von Trautenau. Noch im J. 1371 bildete
dasselbe einen Theil der Herrschaft Trautenau; aber schon 1388 gehörte es
dem Jeschek (Johann) Silber, und diese Familie nennt sich seitdem Silber
von Pilnikau. In der nächsten Zeit erwarb dieselbe andere kleinere
Gtlter der Umgebung; wir nennen nur das Dorf Wildschütz, unweit nördlich
von Pilnikau, wovon zunächst ein Theil um 1418 an die Silber kam. Auf
Wildßchützer Gebiet, nicht weit nördlich vom Ort, stand der Silberstein.
Da es nun wohl als sicher gelten kann, dass die Silber diese Burg erbaut
haben, so haben wir die Entstehung erst nach 1418 anzusetzen, also wäh-
rend den Hussitenkriegen oder bald nachher. Erwähnt wird sie zuerst 1455,
wo ein Nikolaus Silber Besitzer ist. Seitdem kommt der Name Silber
von Silber stein in Gebrauch.
Erwähnen wir noch, dass ein Wolf Silber nicht vorkommt, so ist es
klar, dass die Geschichte dieses Geschlechts keinerlei Stütze für obige Er-
zählung bietet. Dennoch muss man annehmen, dass diese nicht, wie die
meisten übrigen der Chronik, eine reine Erfindung des 16. Jahrhunderts ist
Es leben vielmehr in dieser Wappensage gewiss einige dunkele geschicht-
liche Erinnerungen fort, und es ist nur dem Mangel an Quellen zuzuschrei-
ben, wenn wir die Entstehung der Sage nicht genau verfolgen können.
Folgende Punkte sind dafür aber unbedingt beachteuswerth.
Wie erwähnt, gehörte der Silberstein zum Gute Wildschütz. Dieses,
tschechisch Wlczice, setzt einen Gründer Wlk = Wolf voraus. Im Besitz
dieses Dorfes war von 1355—78 ein Deutscher, mit Namen Ulemann von
Neules, dann seine Söhne. Eine andere deutsche Familie besass damals
(schon 1362) das nicht weit von Wildschütz gelegene Dorf Kottwitz ; dieselbe
nannte sich „von Köln", woraus man wohl mit Recht auf Einwanderung
vom Ehein schliessen kann. Auch darauf wird man hinweisen können: die
Sage verknüpft die Gründung des Silberstein mit der Vertreibung der Deut-
schen durch Herzog Spitignew. In Wirklichkeit entstand die Burg in der
Hussitenzeit; diese war aber auch eine Zeit des Kampfes gegen das Deutsch-
thum in Böhmen. Auch die Einwanderung deutscher Bergleute (aus Meissen)
ist historisch, doch ftllt sie erst ins Ende des 15. und den Anfang des
16. Jahrhunderts.
Zum Schluss noch einige Notizen über die spätere Geschichte der
Silber von Silberstein. Besitzer von Wildschütz und Silberstein waren sie bis
auf den drcissigjährigen Krieg, wo ihre Güter konfiszirt wurden. Ein Zweig
war noch bis um 1660 in Böhmen begütert. Dann verschwindet die Familie
ganz. Die Freiherren von Silberstein, die in unserm Jahrhundert jene Herr-
schaft besassen, waren Nachkommen eines Handelsmanns aus Aman, Namens
244 Kleinere Mittheilungeu.
Ther, der 1789 Wildschütz kaufte und 1794 in den Freihermstand erhoben
wurde mit dem Prädikat „von Silberstein**.
Pi-ag. W, Hiehe.
4. Der Eid des Yicedominns beim Aachener Marienstift
Bei dem Studium der alten liturgischen Bücher der Burgundischen
Bibliothek zu Brüssel fand der Unterzeichnete eine im Katalog als „Evan-
geliarium** aus dem zweiten Drittel des 10. Jahrhunderts bezeichnete Hand-
schrift, die aus dem Aachener Münster stammt. Sie zerfällt in zwei Theile,
deren erster verstümmelt ist. Er enthielt ehedem die Evangtilien des
Kirchenjahrs vom ersten Adventssonntag bis zum letzten Sonntag nach
Pfingsten. Jetzt beginnt er mit der Charwoche. Die Art der Zählung der
Sonntage und die aufgeführten Evangelien scheinen zu beweisen, dass die
Datirung wohl bis ins 11. Jahrhundert herabzurücken ist. Der zweite Theil
ist ein von anderer Hand geschriebenes, für die höchsten Feste eingerichtetes
Messbuch. Es enthält die für die Weihnachtstage, das Dreikönigcnfest, die
drei Ostertage, Christi Himmelfahrt, Pfingst-Samstag und -Sonntag und für
die Feste des Täufers und der Apostelftirsten üblichen Messformulare. Der
Aachener Ursprung ist durch drei am Ende des ersten Theils auf leeren
Blättern wohl im 14. Jahrhundert eingefügte Eidesformeln sichergestellt.
Die ersten beiden Eidesformeln, deren sich der König bei Uebernahme
seines Kanonikats an der Münsterkirche und der Propst bedienten, bean-
spruchen geringeres Interesse, weil sie sich in andern Büchern des
Münsters finden, welche zu Aachen geblieben sind. Wichtig ist dagegen
das dritte, von einer andern, weniger kräftigen und gleichmässigen
Hand mit anderer Tinte beigefügte Eidesformular. Es wird als iuramen-
tum vicedomini bezeichnet. Schon der Umstand, dass dies dritte Formular
neben dem des Königs und des Propstes steht, bezeugt das Ansehen,
dessen sich der Vicedominus erfreute. Er muss, wie schon die Aufnahme
seines Eides in dies Buch beweist, zum Münster in besonderer Beziehung
gestanden haben. In dem von Quix als Anhang zum Xecrologium ecclesiae
B. M. V. Aquensis gedruckten Liber censuum eiusdem ecclesiae vom Jahre
1320 findet sich S. 73 eine Odilia, uxor Wilhclmi vicedomini, welche für
einen Laden (theca) im Kaufhaus (domus institricum) dem Münster 18 solid!
ftlr das genannte Jahr zahlte. Der Eid lässt den wichtigsten Theil der Obliegen-
heiten des Vicedominus erkennen. Es scheint, dass er auch der Gresch&fts-
träger des Propstes für die Verwaltung des diesem^ unterstehenden Theils
der Geldgeschäfte der Marienkirche war. Vielleicht wird die Mittheilung
dos Eidesformulars, das jet^t folgt, zur nähern Erforschung der Verfassung
^les Aachener Kapitels beitragen.
Kleinere Mittbeilun^on. S4xS
Ab hac hora inantea iuro ego N., quod ero Meli« oodoHio ol cu|ilt\üo
beate Marie Aquensis et presertira in omuihuH, que coiu'cnmiit ol^ririum
vicedominatus ecclesie predicte, quodque oblationos in auro inom^tato ot
non monetato, in argento monetato ot non monetato, lapidibus pivtlttüis,
equis, annis aliisqne clcnodiis quibuscunque oflferendaH et porventurus ipsi
capitnlo predicto seu canonicis ad antiquam fabricam utium dopututis ^v\\
pro tempore depntandis fideliter pro mco posse et nosHc faciam didlbiMiiri;
item quod pro meo posse et nosse omnia, ad quorum tumHorvatiomMu t^t
reparationera dominus prepositus Aquensis ratioiie eustodie eofh^Hit^ lonetur
et tenebitur, conserrari et reparari faciam et alia per dictum dominum prt^-
positum deliberari et solvi debita et debenda deliberari faciam ot porsolvam;
omniaque alia et singula, ad que ratione ipsius vicedominatus iuxtu ipNius
ecclesie antiquam observantiam tencbor et astrictus ero, Hdeliter adimplidm,
Sic me luvet Dens et hec sancta ewangelia.
Exaeten, St. lieinsd S. ./.
5. Zar Geschichte der Familie Wildt.
Das Wappen der nunmehr erloschenen Familie des gctVIorton I*rimuH
von Löwen, Mathäus Joseph Wildt, auf welchen A. von Uoumont in diosor
Zeitschrift I, S. 216 wieder aufmerksam gemacht hat, zol^t in quorgethuiltum
Schild oben einen wachsenden wilden Mann, unten drei (2.1) Lilien. Helmzier:
der wachsende wilde Mann.
I. Wilhebn Wildt, geb. 1648 zu Eynatten, gest. am 4. Oktober 1732
zu Aachen, Kanonikus des Münsterstifts daselbst, ging am 6. August 1688
als Mitglied des Kollegiums de Castro zu Löwen bei der philosopbiHcbon
Fakultät als Erster nach dem Primus hervor *. Sein Bruder Theodor Jo.seph
Wildt (1729 Weinhändler), verheirathet mit Katharina von den Elsen, hinter*
liess einen Sohn':
n. Peter Joseph Wildt, get. 1. März 1729, Rontmeister des Kron-
stifts zu Aachen, 1755 Weinhändler, 1786 Werkmeister, vermählte sich mit
*) Näheres über ihn s. bei Quix, Beiträge zu einer hist.-topo)^. Beschreibung de«
Kreises Eupen S. 200 f.
«) Eine Tochter war vermählt mit N. N. CardoU, wovon :
1. Johann Theodor CardoU, geb. 1727, gest. 1813, Speichermoiater des Kronstifts
zu Aachen.
2. Konrad Hermann CardoU, geb. 1740, gest 1822, seit 1760 Kanonikus, st-it ITk'J
Vicepropst und Kardinalpriester, seit 1787 Dechant beim Kronstift zw Aachen und in
dieser letzten Eigenschaft Erbpropst eu Bütten, sowie apostolischer Erhalter der i*rivi-
legien des Aachener Klems nnd Volkes, sodann seit 18053 Pomdechant und Kapitular-
Kanonikus am Aachen. Zu den Krönungen der beiden deutschen Kaiser Leopold II.
1790 und Pranz U. 1792 entsandte ihn das Stift als Deputirten, untl zwar das letzte Mul
in Begleitung des Krzpriesters Friedrich Georg Frana Freihorm von MyUus und des
Scholasters und Lizentiaten beider Recht« Peter Klemens Joseph Anton Heusch als
Syndikus, nach Frankfürt.
246 Kleinere 31itthcilungen.
Maria Louise de Lognay, Tochter von Mathäus Joseph de Lognay, kgl. prcussi-
schem Residenten zu Aachen, und Maria Katharina de Stefn6. Dieser Ehe
entstammten :
1. Mathäus Joseph, Primus von Löwen am 20. August 1776, Lizentiat
beider Rechte, wurde zum Mitglied des Aachener SchöfiFenstuhls
gewählt (als solcher noch 1791 und 1793 in den Aachener Raths-
kalendem erwähnt) und von der Kaiserin Maria Theresia in den
Adelstand erhoben. Er starb unverehlicht zu Wien. Für seinen
, Einzug in Aachen 25. August 1776 wurde folgende Ode verfasst:
Entreiss dich, Aachen, deinen Häusern,
Es kommt zur Vater-Stadt dein und der Musen Sohn:
Sein Haupt bekränzt mit Lorbeer-Reisern,
Es ist, was er dir zeigt, der Weisen Lohn.
Er, der sich dorthin wusst zu schwingen.
Wohin es keinem nicht, seit Hundert Jahre Frist,
Noch seinem Ahnherrn wollt gelingen,
Er, der zum höchsten Ruhm, der Löv'ner Primus ist.
Auf! lerne deine Ehre schätzen,
Lass dir zum Muster seyn dies Nachahmswerthe Bild:
Lass diesen Tag in Marmor ätzen,
Und halte stets im Aug* den Hoffnungsvollen Wildt.
Die Wildt bei dieser Gelegenheit von dem Aachener Magistrat über-
reichten Ehrengeschenke, bestehend in einer silbernen Kanne und Schtlssel,
befinden sich heute im Besitz der Familie von Coels von der Brttgghen, welche
dieselben im J. 1823 auf einem öffentlichen durch Minderjährigkeit der Kinder
Wildt veranlassten Verkauf, mit Rücksicht auf ihre verwandtschaftlichen
Beziehungen zu de Lognay erworben hat.
2. Hermann Joseph Kornelius (III).
3. Helene, geb. 1761, gest. 1819 unverehlicht.
in. Hermann Joseph Kornelius Wildt, got. 16. Sept. 1772, gest. 6. Nov.
1817, Mitglied des Stadtraths zu Aachen, heirathete 1804 Maria Anna Katha-
rina Goertz* (geb. 1778, gest. 1823), Tochter von Hermann Heinrich Öoertz,
*) Wappen: in Silber eine rothe Schleife, oben von 2 Sternen, unten von einer
Schlange begleitet. Helmzier: Stern zwischen 2 Flügeln.
I. Erich Adolph Goertz war vermählt mit Isabella Fey, Tochter von Arnold Fey
und N. N. Schmits.
Fey. Schild von Blau und Silber quergetheilt, darin 2 gekreuzte Schwerter,
bewinkelt oben von einem gestttmmelten Vogel, unten von je einem Stern,
aut dem Helm zwischen 2 Flügeln der gestümmolte Vogel wiederholt.
Kleinere Mittheiluugcn. 247
Schöffe der freien Herrlichkeit Eupen, und Jcihanna Marin Mostard t. Kr
hinterliess ;
1. Hermann, kgl. preus:*. Friedensrichter zu Ahrweiler, ntarb unver-
ehlicht.
2. Heinrich, starb unvcrehlicht.
3. Eugenie, starb unverehlicht.
4. Louise, heirathete zu Köln Theodor (.'am per.
5. Sidonie, heirathete zu Köln Theodor Horst.
Aachen. Antoti Jleusch.
Sehmits. Ein Querbalken« oben von 2, unton von 1 Hammer bogleitot. Anna
Maria Schmits, Nichte der Obengenannten, war verehlioht mit Jolinim
Wespien, Bürgermeister zw Aachen, woher iiioh jenen Wappen Über dorn
Wespienschen Hause in der KleinmarsohierHtrasse befindet.
Wespien. Ein Querbalken« oben von 2 Kleeblättern, unten von U Andreiw-
krenzchen begleitet.
Kinder: 1. Erich Adolph. 2. Hermann Heinrich (II). 8. Maria Katharina, vermJlhlt
mit Heinrich Joseph Freiherm von Thimus-Ziverich, BUrgermciHtor zu Aachou
(1777, 79, 81, 88), Q«neralforstmeist«r des Herzogthums Limburg, wi-bilior in
zweiter Ehe mit Therese Josephine Baronne de Oravo-Bajorlou vorhei-
rathet war.
II. Hermann Heinrich Qoertz, Schöffe der freien ncrrllchkoit Eupen, war vor-
heirathet mit Johanna Maria Mostardt.
Mostardt. Quadrirt, Feld 1 und 4 in Roth 3 (2.1) HenHiUltter, Feld 2 und H
in Silber 8 (2.1) Lilien. Helnutier : einwärts gebogener gehamlHciiier, Kcliwiat-
schwingender Arm. Zu dieser Familie gehört: Arnold Nikolaus Moniart,
Kanonikus des Mtlnsterstifts (1761).
Kinder: 1. Maria Isabella, verehlicht mit Peter Kornelius Veroken. 2. Aogidlii«
Erich Adolph, geb. 19. April 1771, gest. 5. Nov. 1H28 unvi^nOillcbt. ». Maria
Johanna Klara, heirathete Ignaz Tyrell. Wappen: in lUiih ein ernituloHiT
Sparren, der 3 Andreaskreuzohen, welche an der linl<*«u Heitn rinen Zapfi'n
haben, von einander trennt. Helrazier: 2 Flügel. 4. Maria Aniui KuUuiiluu,
verlieirathet mit Hermann Joseph Kornelia« Wildt. r». Murin (»«HiihI Mhiku-
rothe, heirathete 14. Juli lH*i Martin Dyoni»* Vfiorn, kiiimMl. iMvir. Iliuipl-
mann und Adjutanten des Prinzen von Rt>Uan-(hi^>uu'iUK
Literatur.
Das Königslagcr vor Aachen und vor Frankfurt in seiner
rechtsgeschichtlichen Bedeutung. Von Karl Schellhass. (Histo-
rische Untersuchungen, herausgegeben von J. Jastrow, Heft IV.) Berlin,
R. Gaertners Verlagsbuchhandlung. 1887. VIII und 207 S. 8°.
Die Vorgänge, welchen dieses Buch gewidmet ist, haben schon im vori-
gen Jahrhundert die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen, sogar
3Ieyer hat in seinen Aachenschen Geschichten I, S. 366 das Königslager
gegen seine Gewohnheit in zusammenfassender Erörterung besprochen.
Nachdem im IV. Band der Reichstagsakten zu Nr. 157 das Material, soweit
es bekannt und zugänglich, zusammengestellt worden, hat Harnack in der
Arbeit über das KurfilrstenkoUcgium manche Einzelheit gestreift, der Verf.
selbst in einem Vortrage (Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift
filr Geschichte und Kunst, Jahrg. V, Sp. 108 fP.) die hier in Betracht kom-
menden Fragen kurz behandelt. Durch die vorliegende Untersuchung will
er den Zusammenhang darlegen, in welchem eine Anzahl bisher nur isolirt
betrachteter und gedeuteter Erscheinungen steht, sowie den eigentlichen
Ursprung und letzten Grund derselben nachweisen.
Nach einer kurzen Einleitung behandelt der Verf. in neun Abschnitten
die Königswahlen, bei welchen Aachen oder Frankfurt, seiner Ansicht nach,
dem König den Eintritt in die Stadt verweigert und ein Lager vor dersel-
ben verlangt haben, oder bei welchen wenigstens von einem Lager die Rede
gewesen ist. Hier kommt Folgendes zur Sprache: 1. Die Krönung Richards
von Cornwales in Aachen (1257). 2. Die Doppcl wähl des Jahres 1314, bei
welcher Aachen nach den Ausfllhrungen des Verf. von Friedrich dem Schönen
sicher, von Ludwig dem Baicr wahrscheinlich das Lager verlaugt, letzterer
auch wirklich drei Tage lang vor der Stadt gelegen haben soll. Femer die
Wahl Karls IV. (1346), bei der Aachen angeblich ein Lager von sechs
Wochen und drei Tagen verlangte, was dann die Krönung des Königs in
Bonn zur Folge hatte. 3. (lünthers Lager vor Frankfurt (1349), bei welchem
das Beispiel der Aachener für die Frankfurter massgebend gewesen wäre.
4. Wenzels Wahl zum römischen König (1376). 5. Die Wahl Ruprechts
(1400) und sein Lager vor Frankfurt. 6. Die Haltung Aachens gegen
Ruprecht. Die Krönungsstadt verlangte in diesem Falle ein Lager von sechs
Wochen und drei Tagen, verfiel aber durch ihr Verhalten der Acht, während
Literatur. 249
Ruprecht am 6. Januar 1401 zu Köln gekrönt wurde. 7. Die Doppel wähl
des Jahres 1410 und Konig Sigismunds zweite Wahl im Jahre 1411.
8. König Sigismnnds Krönung in Aachen (1414), der ein dreitägiges Lager
vorangegangen sein solL 9. Nachrichten des Jahres 1461, welche si<'h auf
die Möglichkeit der Wahl König Ge<»rgs von Böhmen und del^sen Absicht,
vor Frankfurt zu lagern, beziehen.
Ein zehnter und letzter, als Rückblick l>ezeichneter Abschnitt (S. 167 ff.),
dem fünf Exkurse, ein fünf Einzelheiten berührender Nachtrag, Bibliographie
(Verzeichniss der abgekürzt citirten Werke) und Register folgen, fa^^si die
Ergebnisse zusammen, zu denen der Verf. gilangt ist. König Richard war
am 11. Mai 1257 in Aachen eingezogen, aber erst am 17. gekrönt worden.
In seinen Berichten an den Papst ist er bestrebt gewesen, die kurze Ver-
zögerung durch Hinweis auf eine thatsachlich nicht geübte Sitte jeder fiir
ihn nachtheiligen Deutung zu entziehen, imd so gelangte Urban IV. dazu,
in seiner Bulle „Qui coelum" vom Jahre 1263 den Satz aufzustellen, da,«*s
jeder Gewählte sich vor seiner Krönung einige Tage vor Aachen lagern
müsse, tun etwaigen Gegnern noch Gelegenheit zum Einspruch gegen die
Wahl zu geben. Die jeder rechtlichen Unterlage entbehrende Bestimmung
hat dann die Aachener zu ihren Forderungen veranlasst, und ihrem Beispiel
sind die Frankfurter gefolgt. Zur Erklärung der mehrfach als not h wendig
hingestellten Frist von sechs Wochen und drei Tagen zieht der Verf. das
beim Reichshofgericht gebräuchliche Anleiteverfahren heran, nach welchem der
Kläger beim Ausbleiben des richtig geladenen Beklagten zwar vorläufig in
dessen Gut eingewiesen wird, es aber erst auf Gnind einer weitem Ein-
weisung nutzen darf, nachdem er sechs Wochen und drei Tage gewartet, ob
dieser sich nicht doch noch vor Gericht verantworten werde.
Der Verf. hat mit grossem Fleiss und Geschick den nicht gerade reich-
haltigen Quellenstoff zusammengebracht. Er hat in eingehender, zuweilen
freilich auch weitschweifiger imd sich wiederholender Darlegung seine Ansiebt
begründet. Ich kann diese aber nur als einen auf sehr zweifelhaften und
künstlichen Hypothesen beruhenden, nichts weniger als tiberzeugenden
Erklärungsversuch bezeichnen. Insbesondere scheint mir fast Alles, was
Über Aachener Vorgänge und über die Haltung und Absichten der Vertreter
der Krönungsstadt gesagt ist, unzutreffend und verfehlt zu sein.
Die Aachener sollen von Friedrich dem Schönen ein dreitägiges Lager
verlangt haben. Ihre darauf bezüglichen Erklärungen sind nur bekannt aus
dem in einem Schreiben des Erzbischofs Heinrich II. von Köln enthaltenen
Bericht, wo es heisst: „se praeventos et iam devinctos aliis pactis, iuxta
suaa sanctiones vellent prius utriusque potentiam experire". Das lautet doch
in hohem Masse unbestimmt und unjuristisch. Dass tmter den „sanctiones"
die in Urbans Btüle stehenden Bestimmimgen gemeint seien (S. 16 und 20),
ist deshalb eine auf recht schwachen Füssen stehende Annahme, die aber
S. 30 ohne Weiteres als gesichert verwerthet wird. Ob die Bulle Urbans
250 Literatur.
jemals zur Kenntnis« der Aachener Behörden gekoraincu, ist meines Erach-
tens sehr zweifelhaft. So viel ich weiss, besitzt das Aachener Archiv keine
Abschrift von ihr, und Meyer citirt sie a. a. 0. aus dem Druck des Ray-
naldus. Dass aber von Ludwig eine dreitägige Lagerfrist verlangt worden
sei, ist nirgends gesagt, noch weniger, dass der König sich dem Wunsche
gefügt habe.
üeber die Vorgänge des Jahres 1346 besitzen wir nur die Berichte der
beiden Italiener Giovanni und Matteo Villani (S. 18 f., S. 25 ff.). Jener redet
von einem drei-, dieser von einem vierzigtägigen Lager; sie stimmen darin
überein, dass sie es auf eine hergebrachte Sitte zurückführen und uns mit-
theilen, Karl IV. habe dieselbe nicht beobachtet. Welche Forderungen die-
sem die an Ludwig festhaltenden Aachener gestellt haben, wird nirgends
gesagt. Mit Recht hat schon Dresemann in seiner von mir im IX. Band
dieser Zeitschrift S. 221 ff. angezeigten Dissertation gegen die Darstellung
des Verf. Bedenken erhoben, welche durch dessen Gegenbemerkungen S. 194 f.
nicht beseitigt werden.
Der erste Fall, bei welchem Aachen unzweifelhaft das Lager von einem
König forderte, ist eingetreten nach Ruprechts Wahl, und hier verlangt
dann die Krönungsstadt ein solches von sechs Wochen und drei Tagen
unter ausdrücklichem Hinweis auf die „hulde und eide", welche sie König
Wenzel „für ziden gedan" (S. 98). Für die Forderung selbst wie für die
Bemessung der Frist dürfte das Vorgehen Frankfurts, das, und zwar mit
Erfolg, eine gleich lange Auslagerung von Ruprecht verlangt hatte, ausschliess-
lich bestimmend gewesen sein. Dass die Aachener sich bei dieser Gelegenheit
nicht auf die Bulle Urbans IV. berufen haben, kann ich im Gegensatz zum
Verf. (S. 100 f.) nur als Beweis dafür ansehen, dass deren Existenz in Aachen
nicht bekannt war. In den spätem durch umfangreiche Schriftstücke genau
belegten Verhandlungen zwischen Aachen und Ruprecht wird mit keinem
Worte des Lagers mehr gedacht.
Als es sich 1414 um Sigismunds Krönung, nach dessen zweiten Wahl,
handelte, frugen einige der dem König ergebenen Fürsten bei den Aachenern
an: „ob der konig nun dri tag oder ob er sechs wochen vor in ligen solte?"
Die Antwort der Stadt auf die so deutliche und bestimmte Frage lautet so
unbestimmt wie möglich: „sie weiten dem konig tun, was si im tun solten*^
(S. 128, 131). Von einer Berufung auf geschriebenes oder ungeschriebenes
Recht, von einer sichern Kenntniss feststehender Ordnungen keine Spur, so
nahe ein Hinweis auf solche auch gelegen hätte. Dass aber Sigismund in
der That vor Aachen gelagert hätte, ist keineswegs erwiesen. Im Gegentheil :
die einzige Nachricht, der Bericht des Bürgermeisters von Friedberg, begagt
nur, wenn man ihn unbefangen auffasst, dass König und Königin am Sonn-
tag, den 4. November in Aachen (gen Ache) ankamen und sich dort bis
zum Donnerstag, den 8. November aufhielten (da lag man), an welchem
Tage die Krönung erfolgte (8. 131). Hätte eine Auslagening auch nur für
da^ Het-r ^^J^tur*'fal»de^l ■^äi* d*T K-T-i-i^ OLd die K.'uiirin am 4. NovemluT
s4*hon die Stowlt betmT*ii. ^T-it^ ÄU-^^-rwririff ft>i: S- r^2». >o wäiv das alles
jranz anders aiifcvdrückt. dum wäre iVr au-h d^r Sf^nntAif ><^-hon als I«^ger-
teg mitgereclmet, d** LA^^-r j*!ltr^ *m DlfUfiAff auf^hoWn wonion. die
Vorginge hätten D**iiiweadie iii *:.d»-i>rr Weise ge>i?hildert werden müsson,
als es die AufEek-hnnng ilui.
I>^ Bach Tun S^htUhas« Iridrt an einem Grundfehler» der für die
Behandlung de- Stoffen verhängni*-Toll gewurden ist. Pa.s angeldiche Lairv^
Tor Aachen und das Lager tot Frankfurt durften nicht zusammengeworfen,
nicht ab ein einhehüche? Institut behandelt werden. Das hÄtte eine ein-
fache Erwägung Terhindera müs-en- Frankfurt ist die Wahlstadt, Aachen
die Kronungs^tadt. Die Bedingungen und Verhältnisse, unter welchen heide
Städte dem Einzug begehrenden zukünftigen Herrscher gegenüberstunden,
die juristische Stellting des letztem war in beiden Fällen eine völlig ver-
schiedene. Aus diesem Grunde kann auch das Verhalten der einen Stadt
nicht ohne Weiteres för das der andern massgebend gewesen sein. Meiner
Ansicht nach hat sich das La^rer vor Frankfurt mit der sog. Anleitefri>t,
wenn man überhaupt in ihm ein Bechtsinstitut sehen und den vom Verf.
vermntheten Zusammenhang mit dem Verfahren beim Reichshofge rieht
annehmen darf, für diese Stadt allein und im Zusammenhang mit den Wahl-
vorgangen entwickelt. Hier ist darüber auch verhandelt worden von einem
staatsrechtlichen Standpunkt aus. Freilich kann ich die feinen Untei-sdiei-
düngen, welche der Verf. in der Haltung und in den Aeusserungen ihr
Fürsten findet und die ihn fast zur Annahme einer bewusstcn Forthihhinir
des Instituts führen, nicht billigen. Durch die Verhandlungen zu Frankftirt
ist dann auch zweimal (nach, den Wahlen Ruprechts und Sigisnmnds) »Irr
Begriff des Lagers geradezu künstlich nach Aachen gebracht worden. In
beiden Fällen ohne thatsächüche Wirkung, denn Ruprecht konnte den» «an/
ungerechtfertigten Verlangen eines sechs wöchentlichen Lagers nninöglieh
entsprechen und liess sich, da er Aachen nicht zu zwingen im Stande war,
zu Köln krönen, während die oben wiedergegebene, völlig ül>erfltlssiir(^
theoretische Anfrage der Fürsten die Aachener Sigismund gegenüber nicht /u
thörichten Forderungen verführt hat.
In Wirklichkeit hat es ein Königslager vor Aachen nie gegeben, in
Wirklichkeit hat die Bulle ürbans IV., die wahrscheinlich nie ein Mensch
in Aachen gelesen hat, hier keinen Einfluss geübt, in Wirklichkeit hat die Kni-
nungsstadt jedem Herrscher gegenüber, welcher Einlass zur Krönung verlangte,
nach den Eingebungen des Augenblicks, wie sie die politische Lage ergab,
gehandelt. Seitdem sie sich als ein selbständiges Gemeinwesen fühlte, hat
sie einfach ihre Thore geschlossen und es auf die Fährlichkeiten und Schreck-
nisse emer Belagerung ankommen lassen, wenn sie glaubte, den Eintritt zur
Krönung verweigern zu müssen. Und diesen zu verweigern, hielt sie sich
fär berechtigt und verpflichtet, so lauge ein nach ihrer Auffassung recht-
252 Literatur.
massig gekrönter König im Reiche vorhanden war. So ist es gekommen,
dass einige Male durch ihre Haltung die Krönung anderwärts stattgefunden
und erst nach dem Tode des einst in ihrem Münster gekrönten Vorgängers
in diesem nachgeholt worden ist. In andern Fällen ist sie der Gewalt nach
längerm Widerstand gewichen. Hielt Aachen aber den die Krönung begeh-
renden Fürsten für rechtmässig gewählt und berechtigt, so hat es ohne
Lager ihm seine Thore geöffnet.
So wäre das Aachener Lager einfach zu streichen. Ob es dann gelingt,
das aus einem erzwungenen Zusammenhang losgelöste Frankfurter Lager,
befreit von unzutreffenden Kombinationen und falschen Analogien, zu einem
Kochtsinstitut zu gestalten, möchte ich bezweifeln. 31 it Recht weist Schell-
hass S. 125 darauf hin, wie leicht jene Zeit „Gewohnheiten schuf, modificirte
und wieder vernichtete, um neue an deren Stelle zu setzen**. Weun wir
uns vergegenwärtigen, wie schwer es ist, für die Entwicklung der Königs-
wahl selbst die leitenden Gedanken zu linden, so darf es nicht befremden,
wenn dies auch nicht gelingen sollte für ein mehr zufälliges, in mehr äusser-
lichem Zusammenhang mit ihr stehendes Moment, wie es die Frage des Ein-
lasses in die Wahlstadt ist. Unzweifelhaft spielen in die Auffassung und
Darstellung des Königslagers auch die Ideen des ausgebildeten Ritterthums
mit seinen Herausforderungen und „pas d'armes" hinein, wie dies meines
E nächtens nicht nur die Stelle aus dem Roman Loher und Maller, sondern
auch die Erzählungen der Villani beweisen*.
Bonn. II. Loetsch.
Beiträge zur Genealogie rheinischer Adels- und Patrizier-
familien nach urkundlichen Quellen bearbeitet von Herm. Fr. Maeco.
II. Band. Mit 6 Wappentafeln, Originalzeichnungen des Malers Georg Macco
in Düsseldorf, und 145 Siegelabbildungen. Aachen, Selbstverlag des Verfassers.
1887. rV und 182 S. kl. Fol.
Der Inhalt dieses Bandes ist folgender; I. Abtheilung: Genealogische
Nachrichten über Aachener Familien, Rheinische Familien. II. Abtheilung:
Urkundliche Beilagen (Origiualkopien), Mitgliederverzeichniss der ehemaligen
Gesellschaft zum Bock in Aachen. III. Abtheilung: Register und eine
Bemerkung zum I. Bande. Der Titel ist derselbe wie beim I. Bande mit
dem Zusatz „und Patrizierfamilien**. Der Verf. unterscheidet nun aber im
Text nur zwischen Aachener und rheinischen Familien, lässt den Leser also
im Ungewissen, welche Familien er unter dem Namen „Patrizierfamilien"
versteht. Eine Anzahl der von ihm berücksichtigten Familien sind gute
') AiuU're Anzt'igeu: von Below, Deat^che Litoratiir/i'itung, Jaliri^Rng lSh7,
Sp. 1097; W. Schnitze, Mittlieilxmgon aiis der Historischen Literatur. Jahrg. XVI,
S. 12; Liesegang. Literarisches Ceutralblatt. Jahrg. 188S, Sx>. OCW.
Literatur. . 253
hochachtbare Bürgerfamilien, für welche die Bezeichnung „Patrizierfamilien'*
aber durchaus nicht zutreffen kann; es wäre daher korrekter gewesen, dem
II. Band etwa den Titel zu geben: Beiträge zur Genealogie rheinischer
Familien. Für den Inhalt des vorliegenden Bandes kann ich nur meine
Schlussbemerkung zum I. Bande (diese Zeitschrift VIII, S. 293) wiederholen :
, Hätte der Verf. noch einige Jahre mit der Veröffentlichung des so mühsam
zusammengetragenen Materials gewartet, er würde sicher nach weitem
Erfahrungen und erweiterten heraldisch-genealogischen Kenntnissen manchen
Theil seiner Beiträge in strengerer wissenschaftlicher Form, einzelne Theile,
welche seinem Werk nicht geringen Eintrag thun, wahrscheinlich gar nicht
veröffentlicht haben." Wären diese Worte von Herrn Macco berücksichtigt
worden, so wäre ihm vor aUen Dingen der arge Schnitzer nicht passirt, dass
er alle Taufdaten als Geburtsdaten angegeben hat. Bei der Geburt hat man
bekanntlich keine Pathen, und letztere hätten an seinen Fehler erinnern
müssen, als er die Korrektur seines Werkes besorgte. Die Einleitung zur
Genealogie der Familie de la Valette mit ihren fabelhaften Abstammungen
wird sich wohl ebenso wenig beweisen lassen, wie das Recht einer Aachener
Familie, ein Wappen zu führen, von dem Herr Macco S. 93 sagt: „Es ist
das alte Schaumburger Wappen, das sich auch im Holsteiner und Hessen-
Kasserschen Wappen vorfindet." Durch diese Bemerkung stellt also der
Verf. diese Familie ohne Weiteres in eine Linie mit uralten fürstlichen
Geschlechtern! Zu diesem heraldischen Kuriosum möchte ich noch als zweites
den auf dem Titelblatt dargestellten, mit einem Steinschlossgewehr (!) bewaff-
neten Löwen-Schildhalter als Gegenstück anftihren.
Veröffentlichungen aus Kirchenbüchern sind ja immer dankenswerth, sie
bedürfen aber unbedingt einer Sichtung und Erklärung, da die Namen theil-
weise arg verstümmelt aufgezeichnet werden. AVo also ein notorisch falscher
Xame in den Kirchenbüchern vorkam, musste in einer Anmerkung der rich-
tige angegeben werden, so z. B. S. 21 Ouren (Bgstr. Reuland) statt baronessa
in Düren, S. 78 Wolfskeel statt AVolfskern, S. 5 Brauhof statt Bawhoff, S. 19
Hersell statt Hessel u. A. Auch schlimme Druckfehler kommen vor: S. 130
Sahtem statt Sechtem, S. 135 Catum statt Latum u. a., von denen ich nur
noch die S. 71 erwähnte „in der Primogenitur erbliche Baronin" anstatt
Baronie anführen will. Folgende Unrichtigkeiten sind mir aufgefallen: S. 5.
Der um das Aachener Badewesen im 17. Jahrhundert hochverdiente Arzt
hiess nicht Engelbert, sondern Franziskus Blondel ; auch enthält sein Wappen
im nntem Felde nicht drei Pokale, sondern drei Laufbnmnen. S. 11. Die
Grafen Schellart sind nicht ausgestorben, der letzte Graf lebt in Berlin.
Da88 der Erbauer des Chors am Aachener Münster kein Schellart gewesen
ist, hat schon Quix nachgewiesen. S. 22. Der Name Tunderfeldt der Kirchen-
bücher ist der richtige. S. 34. Wenn die Herren von Fisenne das Recht
besitzen, den Freiherrntitel zu führen, so hätte das Diplom oder die Kabincts-
ordre erwähnt werden müssen, welche den Titel bestätigt. Die Familie
von Fisenne wurde bei Errichtung einer Adelsmatrikel der Rheinproviuz in
254 Literatur.
die Klasse der Edelleute eingetragen (Bernd, Wappenbuch der Rheinprovinz).
S. 39. Die Herrschaft Schönau ist niemals im Besitz der Herren von Hoch-
kirchen gewesen. S. 45. Der Verf. gibt der Familie Lognay das Prädikat
„von", davon steht in den Kirchenbüchern nichts. Die Familie nannte sich
meines Wissens zuletzt „de Lognay". Der preussische Resident Mathieu Lognay
(t 1769), zugleich Gastwirth und Weinhftndler, hinterliess ausser den von
Macco aufgeführten fünf Töchtern einen Sohn gleichen Vornamens, der seinem
Vater in der Stelle eines Residenten folgte (vgl. Pick in den Mittheilungen
des Vereins f. Kunde der Aach. Vorzeit I, S. 93). S. 46. Die hannoversche
Familie von Meibom hat doch zu Aachen gar keine Beziehungen gehabt.
Zufällig ist eine Tochter dort geboren. S. 68. Nicht Franz Karl Philipp
von Reuschenberg war aus der ersten Ehe, wie angegeben, sondern seine Frau.
Er gehörte der Linie Berensberg an und er, nicht seine Frau, besass Berensberg.
S. 69. Die mütterlichen Ahnen Randerath, unter Stroyff nach Devaux ange-
geben, sind gänzlich unrichtig. S. 76. Die Ahnentafel Horpusch ist sicher
falsch aufgelöst, eine genaue Beschreibung und Reihenfolge der Wappen des
Grabsteins wäre zweckmässiger gewesen. S. 117. Die Eltern der Maria
•Josepha von Friemersdorf-Pützfeld waren Johann Thomas Anton Joseph, geb.
1692, t 1749 zu Kirspenich, und Maria Franziska Freiin von Eynatten-
Wedenau, f 1768. Einige Personen in der obersten Ahnenreihe haben das
Prädikat „von** nicht geführt, so sagt S. 8 der Verf. selbst, dass Anna Nacken
eine Aachener Bürgerstochter gewesen sei. In der Ahnentafel der Familie
von Niesewand ist die oberste Generation falsch, sie muss lauten: Antonius
Niesewand auf Poludniewo, Burggraf zu Schmoleinen, geb. 1686, f 3. Dezember
1753, vermählt mit Dorothea von Quoss a. d. H. Schönau -Rothenfliess,
geb. 1700, t 8. März 1749. Der Sohn hiess Anton Ludwig, nicht wie
der Verf. angibt, Johann*. S. 163 hätte erwähnt werden müssen, dass
Klemens Joseph von Couven in die Adelsmatrikel der Rheinprovinz einge-
tragen und ihm dadurch das Adelsprädikat bestätigt wurde. Bei den Wappen-
tafeln ist mir aufgefallen, dass im Wappen der Thimus der Fuchs eine Ente
in der Schnauze trägt, was nach den S. 70 angeführten Beschreibungen und
den Zeichnungen in Bernds Wappenbuch unrichtig ist. Interessant ist die
Angabe S. 78, dass das jetzige Stadtwappen von Burtscheid das Wappen der
Familie von Woestenradt ist. Das alte AVappen der Abtei Burtscheid ist
allerdings ein ausgezacktes Kreuz. Ich möchte annehmen, dass die Familien
in der Gegend von Burtscheid, welche das ausgezackte Kreuz im Wappen
führten (Gimmenich, Wylre, Frankenberg u. A.), eher als Lehnsleute der
Abtei das abteiliche Wappen angenommen haben, wie umgekehrt mit dem
Verf., dass die Abtei von den Gimmenich das Wappen entnommen haben
soll. Die Stadt Burtscheid müsste ihr altes Wappen mit dem ausgezackten
Kreuz wieder annehmen und das irrthümlich zum Stadtwappen gewordene
»; Diese Angaben über die Familie Niesowand verdanke ich Herrn Major Gallandi
in Schrimm, einem in der Provinz Prenssen sehr bewanderten Genealogen.
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256 Literatur.
Die Landfriedensbünde zwischen Maas und Bhein im
14. Jahrhundert. Von Dr. Fritz Joseph Kelleter. (Münsterische Bei-
träge zur Geschichtsforschung, herausgegeben von Theodor Lindner, Heft XI.)
Paderborn, F. Schöningh. 1888. 100 S. S«.
Auf dem engen Raum von kaum 90 Seiten hat der Verf. das Werden
und Wachsen, die Th&tigkeit und die Verfassung einer Einrichtung geschil-
dert, welche zu den bedeutsamsten und wichtigsten Erscheinungen der
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in den niederrheinischen Landen gehört.
Nach einer kurzen über Quellen und Literatur, über ältere Bündnisse von
Landesherren und Städten, wie über königliche Landfrieden orientirenden
Einleitung wird zunächst (S. 6 — 27) über den Bund berichtet, den am
13. Mai 1351 Erzbischof Wilhelm von Köln, Herzog Johann von Brabant
und die Städte Köln und Aachen auf zehn Jahre schlössen, um in ihren
Gebieten Handel und Wandel zu schützen, Ruhe und Sicherheit aufrecht zu
erhalten. Der grössere Theil der Arbeit (S. 27 — 94) ist dann dem aus einem
Bündniss des Herzogs Wenzel von Brabant mit Aachen vom 11. April 1364
hervorgegangenen neuen Landfriedensbuud gewidmet, der, nach und nach
erweitert, durch eine Abmachung vom 16. Oktober 1369 in seiner Verfas^sung
nicht unwesentlich umgestaltet, am 25. November 1374 sein Ende erreichte,
jedoch auf kaiserlichen Befehl am 30. März 1375 wieder erneuert wurde.
Auf das Gebot Karls IV. erfolgte 1378 eine weitere Erneuerung für fünf,
1383 eine solche für drei Jahre, dann aber die thatsächüche Auflösung.
Der Verf. ist mit Erfolg bestrebt gewesen, eine möglichst eingehende
und vollständige DarsteUung zu geben, er hat durch archivalische Forschung
das bisher bekannte und benutzte urkundliche Material in sehr erheblichem
Masse vermehrt und war daher in der Lage, an sehr vielen Stellen auf
ungedruckte Urkunden zu verweisen, von welchen er sechs in einem Anhang
mittheilt. Von dem Wirken des Landfriedens, der Thätigkeit seiner Organe,
als welche auch in eigenthümlicher und beachtenswerther Weise die landes-
herrlichen Beamten, die Amtsleute, zu fungiren haben, von seinen Einkünften
und Ausgaben, von den im Innern des Bundes bestehenden Sonderbündnissen,
welche als Keim seiner Auflösung und in vielen Fällen als Grund seiner
Erfolglosigkeit anzusehen sind, gibt uns sein Buch eine gute Vorstellung.
Die Anordnung desselben bringt es mit sich, dass die Darstellung der Bun-
desverfassung mehrfach den Bericht über die Geschichte 'des Bundes unter-
bricht; eine sachliche Trennung wäre hier vielleicht zweckmässiger gewesen.
Der Erzählung von den äussern Schicksalen des Landfriedensbündnisses
hätte eine zusammenfassende Schilderung seiner Verfassung angeschlossen
werden können, in der dann deren allmähliche Ausbildung, der Wechsel der
verwendeten Organe, das Verfahren bei den verschiedenen Arten von Thätig-
keit, welche der Bund und seine Beamten ausübten, die 'Aufbringung der
Geldmittel und Anderes in systematischer Folge zur Sprache gekonuneu
wären.
Literatur. 257
Aachen hat eine bedeutende Rolle in diesen Landfriedenshündnisscn
o^espielt. Es stand damahj auf der Höhe seiner mittelalterlichen Entwick-
lung und wir sehen fast mit Staunen, dass seine Leistungen denen des
mächtigen Köln nur wenig nachstehen : zu der Entschädigfung von 2000 (i ul-
den, welche ein als oberster Beamter des Bundes zeitweilig fungirender
Landfriedensvogt erhielt, steuern die Herzöge von Brabant und Jülich je
667, Köln 342, Aachen 324 Gulden bei (S. 35) und auch die Zahl und Qua-
lität der von Aachen gestellten Mannschaften ist nicht wesentlich geringer
als die der Kölner Kontingente (S. 13, 27). Aachener Patrizier haben als
Geschworene des Landfriedens eine rege Thätigkeit entfaltet, die Stadt
wurde häufig als Ort der mit der Handhabung des Bündnisses verbundenen
Zusammenkünfte gewählt. So ist denn auch heute noch das Aachener Stadt-
archiv bei Weitem das reichste an Urkunden, welche sich atif den Bund
beziehen, wie ein Blick auf die Anmerkungen lehrt. Aber auch das Kölner
Stadtarchiv und die beiden Staatsarchive unserer Provinz enthalten noch
eine Fülle von Material, an dessen ausgiebiger und allseitiger Verwerthung
der Verf. bei dem ihm gar zu knapp zugemessenen Kaum nicht hat denken
können. Seine Arbeit wird aber, so glaube ich, den Wunsch auch in weitem
Kreisen wecken, alle Dokumente, welche sich auf die Landfricdensbündo
zwischen Maas und Khein irgendwie beziehen, in einer Sammlung vereinigt
zu sehen, in einem Urkundenbuch über jene eigenthümlicho und wichtige
Erscheinung des territorialen und städtischen Lebens. In einer ausführlichen
Einleitung wäre dann namentlich die Verfassung und vor Allem das bei den
Schiedssprüchen und sonstigen Entscheidungen des Bundes beobachtete Ver-
fahren, von welchem nach Lage der Sache die Arbeit des Verf. ein genü-
gendes Bild nicht geben konnte, an der Hand der Urkunden genau darzu-
stellen. Diese juristische Seite ist von hohem Interesse; es bleibt aber hier
noch Alles zu thun. Die Bearbeitung der Urkunden würde dann auch zur
sorgfältigen Feststellung der in denselben so zahlreich vorkommenden Per-
sonen- und Ortsnamen führen, welche das Buch des Verf. noch vielfach
vermissen lässt, und dadurch auch der lokalen Forschung wesentliche
Dienste leisten. Der berufene Herausgeber dieses Urkundenbuchs wäre aber
in der Person des Herrn Dr. Kelleter schon gefunden, das beweist die schöne
Erstlingsarbeit, welche wir ihm verdanken*.
Bonn. H, Loersch»
Mittheilungen aus dem Stadtarchiv von Köln, herausgegeben
von Professor Dr. Konstantin Höhlbaum. Mit Unterstützung der Stadt
Köln. Fünf Bände. Köln, Du Mont-Schaubergsche Buchhandlung. 1883-1888.
>) Andere Anzetige : Lampreoht im Korrespondeiusblatt der Westdeutschen Zeit-
schrift für Geschichte und Kunst, Jahrg. VII, Sp. H2 f,
17
■i-t hr'.VZtt- «.-.
V..r.i^h^r 4r» K ■.^'
.i-.t \>rwi;tsi=f .1-^r ,
Oflnao^ -I^r iba tii;
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Arbfii-kraft des R.:-
ab. Von mehr al^ t
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stiften, wenn der Inl
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Zwei grosse B
der gannen Zeitschi
muiii^itc Bedeutung.
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4 S, 7, 10, 13 und
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äsenschnfteu, deren Thätigkeit ganz
auch die der Badisohen hiatoriachcn
ilforscbung vor Allem interessireadeu
Lüde, deren verdienter und nuermüd-
^kanDtlicb ist, g-elangen regelmäasig
ide Zeitschrift, die zu Frankfnit a.M.
Alterthumskunde heraus gegebenen
:bon NiicbabinaDg gefunden bat, der
irdignng ihrer Bedeutung eine nicht
.ig fortent wie kein, mügen ihre Ver-
ler Ton neuen Gesichtspunkten aus-
»sohe ihres ausgezeichneten Leiters
tlichen Studium dem mau nigf altigen
it Köln immer näher zu führen".
H. Loerseh.
r-Earls-Gymnasium zu Aachen
I, von dem Direktor des Gymnasiums
: Urkundliches zur Ge.-icUicbte der
q 40
m Aachen bestehenden Gymnaaiuni
von dem neu imi,htett,n Raiser
uera dir PtalzLapelle und des eigtnt
worden ist ging ]n der Zeit der
voran au») der es im NR\cmher
Inna geschaffen wurdp Das ältere
it 1601 bestehenden Icsuit«nacliule
remdherrschaft TuUjg verfallen «icit
nie Überhaupt nii~bt mehr Er'>t im
Lmrichtung cini^r £.cüie stcondairc
e d Ai)l la-Chapelle be7e]Lh]iet wird
'orsi-hnftcn eutsprecbeod ein liureau
Ibcr seine VerhandlungLU in tiiiem
irte Die so entstandenen Sitzung»
}i>) zum 23 Mai 1812 r icbett bat
dig zum Abdruck gcbraiht mit emir
erläuternden Bemi,rkungen lericben
ie die ganze Geschichte jener fran-
rillkommenen Beitrag sar Gchcbichte
pt.
//. Lofrach.
258 Literatur.
Seit dem Herbst des Jahres 1882 erscheint diese eigenartige und nütz-
liche Zeitschrift ; fünf stattliche Bände, die aus fünfzehn Heften sich zusam-
mensetzen und weit über 1700 Seiten umfassen, sind nunmehr in den Händen
der Benutzer. Mit frischer Kraft und unverzagter Freudigkeit hat der
Vorsteher des Kölner Archivs, nachdem die ersten grossen Schwierigkeiten in
der Verwaltung der Anstalt überwunden und die nothwendigsten Arbeiten zur
Ordnung der ihm anvertrauten Schätze unternommen waren, diese Uebersichten
zu veröffentlichen begonnen, welche bestimmt sind, die Kenntniss von den
nach Umfang und Inhalt so bedeutenden Beständen des ersten unter den
städtischen Archiven Deutschlands in weitere Kreise zu tragen. Seine
Absichten hat er eingehend auseinandergesetzt und begründet in der an die
Spitze des ersten Heftes gestellten Abhandlung; das, was die fünf Bände
der Mittheilungen bieten, legt von der Einsicht, dem Geschick und der
Arbeitskraft des Herausgebers und seiner Mitarbeiter rühmlichstes Zeugniss
ab. Von mehr als einer Seite ist aber die Wahrnehmung gemacht worden,
dass dieses jüngste geschichtswissenschaftliche Unternehmen unserer Provinz
weniger bekannt ist, als es zu sein verdient, und auch wohl weniger benutzt
wird, als im Interesse namentlich der lokalen Forschung zu wünschen
wäre. So dürfte es gerechtfertigt erscheinen und vielleicht einigen Nutzen
stiften, wenn der Inhalt der Mittheilungen an dieser Stelle in seinen wesent-
lichsten Stücken noch einmal dargelegt und beleuchtet wird*.
Zwei grosse Reihen von Regesten füllen den bei Weitem grössten Theil
der ganzen Zeitschrift aus, haben aber auch die umfassendste und allge-
meinste Bedeutung. Die eine ist das Verzeichniss der im [Kölner Archiv
beruhenden Originalurkunden, welches im 3. Heft mit Urkunden des 10. Jahr-
hunderts begonnen, im 9. Heft mit dem Jahre 1396, dem Jahre des Verbund-
briefs, einen vorläufigen Abschluss fand, im 12. Heft aber wieder aufge-
nommen worden ist, dessen Fortführung bis 1513 in Aussicht steht. Es
umfasst bis zum Jahre 1410, wohin es nunmehr reicht, 7957 Nummern und
beruht im Wesentlichen auf den Arbeiten von Leonard Korth und Hermann
Koussen. Ergänzungen dazu bieten im 9. Heft die bis 1375 gehenden
Regesten der aus der Kölner Gymnasienbibliothek an das Archiv gelangten
Urkunden mit über 300, im 12. Heft das Verzeichniss der von Geheimrath
Dr. von Mevissen dem Stadtarchiv geschenkten Urkunden mit über 30, sowie
ein kleiner Nachtrag von 5 Nummern ; die hier verzeichneten Urkunden über-
steigen somit erheblich die Zahl von 8200.
Die andere nicht minder bedeutsame, von Keller, Keussen, Korth und
Ulrich abwechselnd bearbeitete Regestenreihe zieht sich durch die Hefte 1,
4, 6, 7, 10, 13 und 15. Sie legt den Inhalt dar der mit dem Jahre 1367
») Auf die Bedeutung der Mittheüungen im Allgemeinen ist schon im V. Bond
dieser Zeitschrift (S. 152 ff.) von sachkundiger 8oite aufmerksam gemacht worden.
Einzelheiton daraus sind hervorgehoben Bd. IV, S. 362, Nr. 8; Bd. V, 8,838, Nr. 3; Bd.
VI. S. 260, Xr. H; Bd. VII, S. 318, Nr. 9; Bd. VIIT, S. 312, Nr. 13.
L
LittHitor. 250
einsetzenden Kopienbücher der Stallt Köln, Tun denen 182 FoliobÄnde erhal-
ten blieben, unter welchen alM*r leider die der Jahre 1401 — 1411 fehlen und
anscheinend spurlos ver^jch wunden <ind. Die»e Regesten reichen jetzt bis
zum Jahre 1434. Leider sind l>«i ihn(;n, abweichend von der ersten Reihe,
Ordnnngsnummem nicht angebracht. Das erschwert das Citiren und gestattet
nur eine Schätzung ihrer Zahl; aber auch diese geht schon sehr hoch.
Unzweifelhaft sind mehrere Tausend von der städtischen Kanzlei ausgegan-
gene oder bei ihr eingelaufene (denn auch solche wurden bisweilen kopirt)
Schreiben verzeichnet.
Es bedarf nicht der Hervorhebung, dass die nachweisende Erschliessung
dieser Massen von Urkunden und Briefen nicht nur, ja nicht einmal vorzugs-
weise der Geschichte von Köln, dass sie vielmehr in weit höherm Grad der
Geschichte der Rheinlande und Deutschlands überhaupt, Belgiens und
Hollands zu Gute kommt. Die allseitige Ausnutzung dieser Regesten, ins-
besondere auch für die lokale Forschung ist ermöglicht durch die vortreff-
lichen Register, welche jedem Heft beigegeben sind und nicht nur aufs
Gewissenhafteste sämmtliche in demselben vorkommenden Personen- und
Ortsnamen angeben, sondern auch, was besonders dankbar zu begrttssen ist,
letztere fast immer auf die heutige Form unter Angabe der Lage nach Kreis,
Bürgermeisterei u. s. w. zurückfuhren. Diese Register zeigen denn auch,
welche Fülle lokaler Beziehungen hier aufgespeichert ist und der Vor-
werthtmg harrt.
Neben den beiden so wichtigen Reges tenroiben bieten die Mitthei-
lungen eine grosse Anzahl von Abhandlungen und Textpublikationen, welche,
den verschiedensten Gebieten angehörig, sammt und sonders als ausser-
ordentlich werthvoll und nützlich bezeichnet zu werden verdienen. Mag der
Wortlaut der Urkunden und Akten vollständig gegeben werden oder nur
eine regestenförmige Mittheilung des Inhalts erfolgen, stets ist durch orien-
tirende Einleitungen für die Würdigung des Gebotenen Sorge getragen.
Einige Arbeiten sind dem Kölner Archiv selbst, der Geschichte seiner
Bestände und seiner Verwaltung gewidmet. So berichtet Ulrich über die
ältere Geschichte des Archivs in Heft 10, Hoeniger in Heft 1 über den ältesten
Aktenbestand der städtischen Verwaltung Kölns, die seit 1877 durch Ueber-
tragung von dem Speicher des Landgerichts in das Archiv vor sicherra
Untergang geretteten Schreinsurkunden und -bücher. Aus dem Nachlass des
verdienten Archivars Fuchs wurde das Inhaltsvcrzeichniss zu den Farragiiu's
der Gebrüder Gelen, welche das Archiv in dreissig handschriftlichen Bänden
bewahrt, im 9. Heft mitgetheilt.
Der allgemeinen Reiehsgeschichte kommen die Präsenzliste des FttrHtcu-
und Städtetags zu Frankfurt im Mai 1397 (Heft 13), die BricJV über di.«
Beziehungen Kölns zu König Ruprecht (Heft 14), Ulrichs \io^i>Utu lUr
Bekgerung von Neuss aus den Jahren 1474 und 147Ö (Heft 8) zu Gule.
Es ist natürlich, dass die Mehrzahl der Arb<iiin npeziell Kölnit^cb« |>in{/e
260 Literatur.
behandelt. Wenn freilich Ferdinand Frensdorff im 2. Heft eine mustergültige
Ausgabe der iura ministerialium beati Petri in ihrer lateinischen und deut-
schen Fassung und der Aufzeichnung de servitio cotidiano Coloniensis archi-
episcopi liefert, so ist damit zugleich ein Eechtsdenkmal von höchster allge-
meiner Bedeutung endlich in korrekter Gestalt der Benutzung übergeben.
Vielseitigen Werth beanspruchen auch Korths Mittheilungen über ein Kopiar
des Erzbischofs Sifrid und die Gütererwerbungen des Erzbischofs Philipp
von Heinsberg (Heft 12). Eine durch grossen Scharfsinn und schlagende
Beweisführung ausgezeichnete Untersuchung Keussens im 15. Heft führt den
Nachweis, dass der Stadtschreiber Gerlach vom Hauwe der Verfasser des
Verbundbriefs und des sog. Neuen Buches ist. Dem Ausgang des 14. Jahr-
hunderts gehören ebenfalls an die von Keussen mitgetheilten Briefe zweier
Kölner Gesandtschaften nach Rom aus den Jahren 1393 und 1394 (Heft 12)
und die von Höhlbaum herausgegebenen und erläuterten Rechnungen über
eine Kölner Hansefahrt im Jahre 1399. Ein Verzeichniss der in Köln auf-
bewahrten Urkunden des Hanse-Kontors zu Brügge- Antwerpen ist im l. Heft
begonnen, aber nicht fortgesetzt worden. Einen höchst interessanten Stoff
aus dem Gebiet des religiösen und literarischen Lebens des 15. Jahrhunderts
behandeln Arbeiten von Korth und Keussen im 13. Heft, wo ersterer die
ältesten Gutachten über die Brüderschaft des gemeinsamen Lebens, dieser
das vom päpstlichen Delegaten gefällte Urtheil gegen den die Brüderschaft
masslos angreifenden Dominikaner Matthäus Grabe w veröffentlicht. Auch
die Wirthschaftsgeschichte ist durch eine lehrreiche Arbeit im 11. Heft
gefördert. Gecrings statistische Behandlung und Vcrwerthung der Aufzeich-
nungen aus der Kölner „Kraut wage" geben ein Bild des Kölner Kolonial-
waarenhandels vor 400 Jahren und gestatten Einblicke in die Küchenver-
hältnisse der Reichen wie der Armen.
Ich übergehe Vieles, um noch einer Rubrik zu gedenken, welche sieh
in jedem Hefte findet. Unter der Bezeichnung „Nachrichten" wird eine
Fülle kleinerer Notizen gebracht, welche für die Forschung von nicht
geringem Werth sind. Hier finden sich auch die Mittheilungen über die
zufalligen und doch oft so wichtigen und erfreulichen Erfolge, über die
Funde, AViederauf findungen und Entdeckungen, welche die Neuordnung einer
so grossartigen Sammlung mit sich bringt, über Erwerbungen durch Kauf
und Geschenk. Kölner Zunfturkunden, Nekrologien und Universitätsakten,
das Wisbysche Seerecht, Kanzleitaxen, Handschriften von Geschichtsquellen
aller Art, Institutionenglossen, die älteste Uebersetzung der Nachfolge Christi,
Inkunablen, Karten und Globen, die verschiedensten Briefe und Inventars
kommen hier in bunter Reihenfolge zur Besprechung: fast für jedes Fach
eine Förderung und Erweiterung des Wissens. Endlich aber wird auch an
dieser Stelle Auskunft gegeben über die grossen Unternehmungen auf
geschichtswissenschaftlichem Gebiet. Die Berichte der Centraldirektion der
Monumenta Germaniac historica und der historischen Kommission bei der
Literatur. 261
Königlich Baierischen Akademie der Wissenschafteu, deren Thätigkeit ganz
Deutschland umfasst, nicht minder aher auch die der Badischen historischen
Kommission und der die rheinische Lokalforschung vor Allem interessirenden
Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, deren verdienter und unermüd-
licher Vorsitzender der Herausgeber bekanntlich ist, gelangen regelmässig
zum Abdruck.
Möge die so grossen Nutzen stiftende Zeitschrift, die zu Frankfurt a. M.
in den vom Verein für Geschichte und Alterthumskunde herausgegebenen
Inventuren des dortigen Stadtarchivs schon Nachahmung gefunden hat, der
auch die Stadt Köln in einsichtiger Würdigung ihrer Bedeutung eine nicht
geringe Subvention gewährt, sich kräftig fortentwickeln, mögen ihre Ver-
zeichnisse und Uebersichten immer wieder von neuen Gesichtspunkten aus-
gehen, CS wird ihr dann nach dem Wunsche ihres ausgezeichneten Leiters
gelingen, „die Genossen im wissenschaftlichen Studium dem mannigfaltigen
Inhalt des historischen Archivs der Stadt Köln immer näher zu führen".
Bonn. H. Loersch,
Jahresbericht über das Kaiser-Karls-Gymnasium zu Aachen
für das Schuljahr 1887/88. Veröffentlicht von dem Direktor des Gymnasiums
Dr. Heinrich Schwenger. Hierbei: Urkundliches zur Geschichte der
Anstalt. Von dem Berichterstatter. 56 S. 4*'.
Dem bis vor wenigen Jahren allein in Aachen bestehenden Gymnasium,
welchem nunmehr zur Unterscheidung von dem neu errichteten Kaiser-
Wilhelm-Gymnasium der Name des Erbauers der Pfalzkapelle und des eigent-
lichen Begründers der Stadt beigelegt worden ist, ging in der Zeit der
französischen Herrschaft eine Schule voran, aus der es im November
1814 durch Umwandlung des Lektionsplans geschaffen wurde. Das ältere,
im Jahre 1773 an die Stelle der seit 1601 bestehenden Jesuitenschule
getretene Gymnasium war unter der Fremdherrschaft völlig zerfallen, seit
1802 gab es in Aachen eine höhere Schule überhaupt nicht mehr. Erst im
Jahre 1805 gelang die Gründung und Einrichtung einer ficole secondaire
communale, welche seit 1809 als College d'Aix-la-Chapelle bezeichnet wird.
Für diese Schule war, den gesetzlichen Vorschriften entsprechend, ein Bureau
d*administration eingerichtet, welches über seine Verhandlungen in einem
Kegistre des d^liberations Protokoll führte. Die so entstandenen Sitzungs-
berichte, welche vom 8. Oktober 1804 bis zum 23. Mai 1812 reichen, hat
der Verf. nebst mehrern Beilagen vollständig zum Abdruck gebracht, mit einer
orientirenden Einleitung und zahlreichen erläuternden Bemerkungen versehen.
Er bietet somit in dankenswert her Weise die ganze Geschichte jener fran-
zösischen Anstalt und liefert einen sehr willkommenen Beitrag zur Geschichte
des Aachener ünterrichtswesens überhaupt.
Bonn, II. Loersch.
264 Aus Zeitschriften.
Aus Zeitschriften.
1. Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde,
Bd. XI, S. 491 — 550: J. Hansen, Chronik der Pseudorektoren der Benedikts-
kapelle zu Dortmund. Darin wird (S. 546) zum Jahre 1385 ein durch keine
sonstige deutliche Nachricht verbürgter Besuch der Königin Margaretha von
Dänemark in Aachen erwähnt. — S. 564: E. Bishop, Ein Schreiben des
Abts Helisacher. Dieses Schreiben ist an Erzbischof Nidibrius von Narbonne
gerichtet und gedenkt der gleichzeitigen Anwesenheit des letztem und des
Schreibers, welcher Kanzler und Vertrauter Ludwigs d. Fr. war, im Aachener
Palast mit folgenden Worten: quando apud Aquasgrani palatium me offitiura
palatinum, vosque propter ecclesiastica diriraenda imperialis iussio obstringcret,
et frequenter una nocturnis horis ad divinum celebrandum offitium conveni-
remus. Der Aufenthalt beider Persönlichkeiten fällt, wie durch andere Zeug-
nisse feststeht, in das Jahr 814. — S. 603: S. Löwenfeld, Leo lU. weiht
die Kirchen in Hambach und Dirlo. Die Urkunde, einer Quixschen Abschrift
aus dem Chartular des Klosters Fiissenich entnommen, wird als leicht erkenn-
bare Fälschung erklärt. Dirlo, nach Löwenfeld „heute nicht mehr in der
Aachener Gegend nswhweisbar", ist Dirlau, Bgstr. Sievemich, Kr. Düren. —
S. 642: Kurze Anzeige von St. B eissei, Die Bilder der Handschrift des
Kaisers Otto (vgl. diese Zeitschrift VIII, S. 299). Es wird hier unter Ver-
weisung auf N. Archiv, Bd. V, S. 433 die Regierungszeit des Reichenauer
Abts Liutharius, welche Beissel S. 60 in die Jahre 934—949 verlegt, zwischen
926—934 angesetzt.
2. Steinmeyer, Zeitschrift für deutsches Alterthum, Bd. XXXI, S. 354:
R. Much, Germanische Dative aus der Römerzeit (auf einem Votivstein aus
Rödingcn bei Jülich und andern niederrheinischen Inschriften). — Bd. XXXII,
S. 145: Laistner, lieber den Butzenmann (in Aachen: Böamann).
3. Sitzungsberichte der Altertumsgesollschaft Prussia zu Königsberg
i. Pr. im zweiundvierzigsten Vereinsjahre (November 1885—86), S. 78 — 99:
Bujack, Ein Trenck-Becher (Zeichnungen und Dichtungen seiner eigenen
Komposition, welche Freiherr Friedrich Wilhelm von der Trenck während
seiner Gefangenschaft in Magdeburg auf einem Zinnbecher eingekratzt hat).
4. Deutsche Litoraturzeitung, 1887, Sp. 722: Fr. Schneider, Anzeige
von St. Beissel, Die Bilder der Handschrift des Kaisers Otto im Münster
zu Aachen (vgl. diese Zeitschrift Vin, S. 299). — Sp. 1697: von Below,
Anzeige von K. Schellhass, Das Königslager vor Aachen und vor Frank-
furt in seiner rechtsgeschichtlichen Bedeutung (vgl. oben S. 248).
5. Janitschek, Repertorium für Kunstwissenschaft, Bd. X, Heft 3:
Frimmel, Anzeige von Bd. VIII der Zeitschrift des Aachener G^schichts-
vereins. Mancherlei Zusätze über den alten Mosaikschmuck der Münster-
kuppel werden hier auf Grund der vorhandenen Literatur beigefügt.
6. Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen und historischen
Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München 1886, Heft m,
Aus Zeitschriften. 2Hft
S. 445 — 470: Stieve, Ein Nachwort über das Stralondorflschc (Jutachton.
(Beleuchtung der unter Nr. 17 angeführten Abhandlung.) 1888, Hoft 11,
S. 288 — 296: Ton Giesebrecht, Nekrolog auf Alfred von Koumont.
7. Publications de la soci^t^ historiquc et arch^ologiquo dann lo duchA
de Limbourg, L XXIV (N. S. t. IV), p. 163-164: Lyst der stcdon, rljknhopr-
lijkheden en schepenbanken, die in hooger boroep zijn gegaan, of adviojsen
hebben ingewonnen bij den koninklijken schepenstoel te Aken, Bodort hot Jaar
1400 tot 1461. — p. 165—166: Matricule van Aken 1662. Ver«oichnlH» der
Städte, Frei- und Herrlichkeiten, Schöffen- und Lchngorichte, für welche dor
Aachener Schöffenstuhl in Berufungs- und Provokationssachon Oberhaupt war.
8. MittheUungen des K. K. Central-Commission »ur Krfornchung «u«l
Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, N. F., Hd. XIII (IHH7),
S. CXXVIII: A. Luschin von Ebengreuth, OrabstÄtton doutmher
Studenten in Italien. I. Siena. Zu den hier Bestattoton gehört „Franclnou«
GfUger, Juliacensis. Siena 1599, 11. Nov. Er war ein Neffe jene« MathluH
Gülger, welcher damals Abt zu Wiener-Neustadt war und später Abt ku
Eeun in Steiermark wurde. Franz Gülger starb kurz vor Erlangung «br
Doktorwürde".
9. Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg, Jahrg. XXIII
(1888), Heft 3, S. 279-291: A. Klein Schmidt, Eine SchwcHtor Friedrich«
des Grossen (Prinzessin Amalia), bringt nobcnboi eine kurze LcbonMb(»Hchrcn»ung
des Freiherm Friedrich von der Trenck. Amalia lernte 1768 bei einem Hudc-
auf enthalt in Aachen den nach Paris reisenden Vater Mozart mit Koin«Mi
Kindern kennen.
10. Literarisches Centralblatt, Jahrg. 1888, Sp. 898: Liewc^ang,
Anzeige von K. Schellhass, Das Königslagor vor Aachen und vor Frank-
furt in seiner rechtsgeschichtlichen Bedeutung (vgl. oben S. 248).
11. Der deutsche Herold, Jahrg. XVIII (1887), Nr. 1, S. 12: J. Haron
d'Ablaing von Giessenburg, Berichtigung zu einer Mitthoilung MaccoH
betreffend einen Bongardtschen Grabstein in Bocholt (vgl. diene Zcitj^chrill
Vm, S. 812, Nr. 16). - Nr. 4, S. 47: Anzeige von Macco, BcitrÄgo zur
Genealogie rheinischer Adels- und Patrizierfamilien, Bd. II. — Nr. 6, S. 70:
Anzeige von K. von Mirbach, Die Freiherrn und Grafen von Mirbacb.
12. Annalen des historischen Vereins für den Niodcrrhcin, Heft XLIII
(1885), S. 1 — 79: J. J. Merlo, Haus Gürzenich zu Köln, sein Saal und deHseu
Feste. S. 2 kommt als Mitankäuferin des Gürzenicher Hofn die edle Frau
Helswindis, Mutter des Aachener Schultheissen Arnold von Gimmenich, vor,
die in der Schreinsurkunde (S. 67) auffallender Weise Helswindis de Frechene
genannt wird. - Heft XL VI (1887), S. 160—166: E. von Oidtman, Haus
Kiffelberg bei Linnich. Zugleich ein Nachtrag zu „Haus Ertzelbach" (Heft
XXXV, S. 160). - S. 177—178: R. Pick, Zur Geschichte der Stadt Ander-
nach. Bittschreiben derselben an die Geschworenen des Landfriedensbunds
zwischen Maas und Khein vom 9. November 1366 (Original im Stadtarchiv
266 Aus Zeitschriften.
zu Aachen). — S. 179--181: E. Pick, Der St. Margarothenkonvent im
Beguinen Winkel zu Aachen. — S. 182: R. Pick, Zu dem Raubzug des
Grafen Engelbert von der Mark ins Kölner Erzstift 1391. Bericht des Bür-
germeisters Johann Vorne zu Düren an die Bürgermeister Arnold Volmer
und Johann von dem Berge zu Aachen. — S. 191 — 194: Vortrag des Pfar-
rers Esser über Franziskus Agricola (geb. zu Lohn bei Aldenhoven). —
S. 195—197: Vortrag des Domkapitulars Schntttgen über den Triumph-
bogen in der Pfarrkirche zu Barmen bei Jülich. — S. 199: R. Pick, Notiz
über den Aachener Arzt und Brunneninspektor Franz Blondel und seine
Schrift : Thermarum Aquisgranensium et Porcetanarum elucidatio. — Heft
XL VII (1888), auch unter dem Titel: Wunderbare und denkwürdige
Geschichten aus den Werken des Cäsarius von Heisterbach ausgewählt, tiber-
setzt und erläutert von Alexander Kaufmann, Theil I, gibt S. 25 ff.
zahlreiche Erzählungen aus Aachen und seiner Umgebung.
13. Archiv für Post und Telegraphic, Jahrg. 1887, Nr. 16, S. 501-506:
M. Schlesinger, Das Zeitungsmuseum in Aachen. (Gründung des Bürger-
meisters a. D. 0. von Forckenbeck daselbst.)
14. Mittheilungen des K. K. Oesterr. Museums für Kunst und Industrie,
N. F., Jahrg. II (1887), S. 331: Fr(immel), Anzeige von Bd. VIII der
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. — R(ie)gl, Anzeige des von
Job. Chorus besorgten neuen Abdrucks der Noltenschen Schrift: Archäolo-
gische Beschreibung der Münster- oder Krönungskirche in Aachen u. s. w. —
Jahrg. III (1888), Heft 10, S. 223—224: AussteUung von alten Töpfer-
waaren und Gläsern zu Köln im August 1888, darunter mehrere Raerener
Prachtstücke (Krüge mit einer Centaurenschlacht und einem Bauerngelage,
braune Kanne mit der Erzählung von der Susanna u. s. w.).
15. Studien und Mittheilungen aus dem Benediktiner- und dem Cister-
cienser-Orden, Jahrg. VIII (1887), S. 398—406 und 593—602: Schmid,
Die St. Lambrechter Todtenrotel von 1501—1502. Der Rotelbote des Stifts
St. Lamprecht in Steiermark besuchte am 18. Oktober 1501 das Marienstift,
den Augustinereremiten-Konvent, das Dominikaner- und das Karmeliten-
kloster zu Aachen (Nr. 117—120); bei den Karmelitern werden die „fratres
Hubertus, Gotschlinus und Gortfridus" als verstorben erwähnt. Am
20. Oktober desselben Jahres besuchte er das Franziskaner-, das Karmeliten-
und das Wilhelmiterkloster Paradies zu Düren (Nr. 121—123). — Jahrg. IX
(1888), S. 445—464: H. Höfer, Die Bcnedictinerstiftungen in den Rhein-
landen. Erwähnt werden aus dem Vereinsgebiet die drei Reichsabteien zu
Burtscheid, Cornelimüuster und Malmedy, sowie die Propstei Milien bei
Heinsberg. Die beigegebeuen geschichtlichen Nachrichten und Literatur-
nachweise sind äusserst dürftig und theilweise unrichtig.
16. Bulletin de l'institut archeologique Liögeois, t. XVII (1883), livr. 1,
p. 13—40: J. Daris, Notes historiques sur les commanderies de l'ordre
Teutoniquo au diocese de Li^gC; mit Notizen über die St. Aegidiuskaiiellc
Aa> Zeitschriften. 2^7
zu Aachen. — p. 47 — 137: S-, Gres-cermmes 4 annoiries Li<5geoise$s mit
Nachrichten über die Adebfunilien Bex, Brempt, Cortenbaeh, i'ouTeji,
Eynatten, Hanxler, Xerode, Xes^elrode, Palant, Reusohenberg, Schwarxcnberg,
VTatten-
17. Markii^he Forschungvn, Bd. XIX (18S6K S. 293—349: Fr. Mei-
necke, Ihis Stnüendorflf'^che Outachten über den Jülicher Erb fahrest reit.
(Die Ent8tehnng de«* fiL«4chlich dem Reich?*Yizekanzler Lippold von Stialen-
dorflf zugeschriebenen Gutachtens wird ins FrfÜyahr 1610 gesetzt und ver-
muthet, dass die Fäl<chnn^ aus der Spekulation auf den Dank und die
Erkenntlichkeit der brandenburgi!»chen Rat he hervorgegangen sei.)
18. Analecta Kollandiana, t IT, p. 356: A. Steffens, De ^anet(»
Amoldo confessore in pago Amoldsweiler in agro Juliacensl notae quaedam.
Die Bemerkungen betreffen die in der vita s. Amoldi (Arta sanctorum, t, IV,
Julii, p. 449) angeführten Orte, den alten Ktiltus des h. Amoldus tind die
Zeit der Abfassung der vita s. Amoldi (Anfang des 12. Jahrhunderts).
19. Annales de la societ6 arch^ologique de Tarrondissement de Nivelles,
t. III (1887), p. 129—175: E. van Even, La demi^re abbesse de Nivello^.
In dem als Beilage mitgetheilten Wahlprotokoll vom 8. und 9. August 1774
(p. 162-173) werden unter den Mitgliedern des adligen Stifts St. Gertrud
zu Nivelles aufgeführt: p. 167 Regina von Leerodt, geb. auf Schloss Born
im Jtilichschen, alt 31 Jahre, ins Stift aufgenommen am 3. September 1754;
p. 168 Maria Anna Berghe von Trips, geb. zu Aachen, alt 39 Jahre, ins
Stift aufgenommen am 22. Jlai 1758; p. 170 Louise Berghe von Trips, geb.
im Jttlichschen, alt 15 Jahre, ins Stift aufgenommen am 18. November 1770;
p. 172 Johanna Berghe von Trips, geb. im Jttlichschen, alt 12 Jahre, ins Stift
aufgenommen am 19. November 1770.
20. Schnütgen, Zeitschrift für christliche Kuust, Jahrg. I, Sp. 54:
8t. Beissel, Das karolingische Evangelienbuch des Aachener Münsters. -
Sp. 109: H. Loersch, Zur Geschichte der liturgischen Tauben (vcrwerthet
eine Notiz des Nekrologiums des Aachener Marienstifts).
21. Geiger, L., Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutsch-
land, Bd. I (1886), S. 199 (vgl. S. 396): M. Stern, Zu den Kämpfen Ottos IV
und Philipps von Schwaben 1198 und 1199. Das Gulphen der Reimchronik,
wo K. Philipp 1199 lagerte, ist nach der vorliegenden jüdischen Quelle mit
Böhmer und Abel in Gulpen zwischen Aachen und Maastricht zu suchen und
nicht mit Ficker in Zülpich, vgl. Böhmer-Ficker, Regesten Nr. 30a.
22. Mittheilungen des Instituts für österreichische Geschieh tsforschting,
Bd. \^I, S. 436 ff.: Mühlbacher, Unedirte Diplome. Unter diesen Urkunden
sind zwei hervorzuheben, welche den Nachweis des Aufenthalts Ludwigs d. Fr.
in Aachen zum 30. August 815 und 27. April 819 durch ihre Datirung lie-
fern, femer ein Privileg K. Heinrichs IV., Kaiserswerth, 26. April 1057,
wodurch er der bischöflichen Kirche von Verdun curtira nomine Diurara
in pago Rurgouue (also den Reichshof Düren) schenkt.
268 Aus Zeitschriften.
23. Zeitschrift des historischen Vereins fttr Niedersachsen, Jahrg. 1886,
S. 235—319: Die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Hause Braun-
schweig-Lüneburg in der Epoche der Tripelallianz. Als Beilage 16 (S. 286 f.)
ist ein Schreiben des Herzogs Johann Friedrich von Hannover an den päpst-
lichen Nuntius in Aachen (ad nuntium apostolicum Aquisgrani conunorantem),
d. d. Hannover, 29. Dezember 1670 mitgetheilt.
24. Gazette archöologique 1887, Nr. 1 und 2: Anzeige von E. aus'm
Weerth, Die Eeiterstatuette Karls d. Gr. aus dem Domo zu Metz (vgl.
diese Zeitschrift VII, S. 155, Nr. 9).
25. La Revue nouvelle d'Alsace- Lorraine et du Rhin, 8® ann«5e
(1888/89), p. 194: Anzeige des IX. Bandes und des Registers zu Bd. I— VII
der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins.
26. Grauert, Historisches Jahrbuch, Bd. VIII, S. 629: Job. üebin-
ger, Kardinallegat Nikolaus Cusanus in Deutschland 1451 — 52. (Aufenthalt
in Aachen und Umgegend im Oktober 1451, Aufenthalt und längere Krank-
heit in Aachen von Anfang Dezember 1451 bis Anfang Januar 1452. Der
S. 663 genannte Dekan des Marienstifts hiess nicht Peter Nymayr, sondern
Peter Wimar von Erkelenz, wurde auch erst später Dekan.) — Bd. IX,
S. 49: Höfler, Gedenkblatt auf das Grab Alfreds von Reumont.
27. Le Correspondant, 10. September 1886: Gaidoz, Malmiidy et la
Wallonle prussienne. Notes de voyage, aoüt 1885. Enthält mancherlei Älit-
theilungen über Sprache, Sitte und Brauch.
28. De Maasgouw, Jahrg. IX (1887), Nr. 27 und 28, S. 105—110:
Testament des Lambert Munten, Kanonikus des Marienstifts zu Aachen (1558).
29. Archiv fvlr Litteraturgeschichte, Bd. XV (1887), S. 1—20: H. Varn-
hagen, Eginhard und Emma, eine deutsche Sage und ihre Geschichte.
30. Revue des traditions populaires, t. II, livr. 4: P. Söbillot,
Le folk-lore de Malm^dy.
31. Mittheilungen aus der historischen Literatur, hrsg. von der histo-
rischen Gesellschaft in Berlin, Jahrg. XVI, S. 12: Schnitze, Anzeige von
K. Schellhass, Das Königslager vor Aachen und vor Frankfurt in seiner
rcchtsgeschichtlichen Bedeutung (vgl. oben S. 248).
32. Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, Bd. XXII (1886),
S. 80 : Plünderung des Klosters Reichenstein (bei Montjoie) durch kaiserliche
Truppen im Geldrischen Kriege 1543, geschildert vom Prior des Klosters
Johann Heep (Urkunden-Abschrift im Staatsarchiv zu Düsseldorf).
33. F. von Löher, Archivalische Zeitschrift, Bd. XI (1886), S. 85—93:
R. Pick, Das jetzige Aachener Stadtarchiv.
34. Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeinde-
Angelegenheiten der Stadt Aachen zu dem Haushaltsetat des Jahres 1887/88,
gibt S. 22—80 ausführlichere Mittheilungen über das städtische Archiv, ins-
besondere über die demselben im Herbst 1886 aus den altem Arclüvbeständen
Aus Zeitschriften. 269
des Königlichen Landgerichts daselbst als Depositum überwieseneu Protokoll-
bücher und Register, zusammen etwa 560 Bände.
35. Humann, Archiv für kirchliche Kunst 1887, Nr. 8: Anzeigte von
St. Bei s sei, Die Bilder der Handschrift des Kaisers Otto im Münster zu
Aachen (vgl. diese Zeitschrift VIII, S. 299).
36. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins, Bd. II (1887), S. 59
— 67: H. Forst, Das Kloster Reichenstein von seiner Gründung bis zu
seinem Untergange.
37. Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung,
Heft XII (Jahrg. 1887), S. 42, 57, 76: Westfälisch guorig (Verweisungen
auf görrig in der Aachener Mundart durch J. Peters und H. Loersch).
38. Hettner und Lamprecht, Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte
und Kunst, Jahrg. VI (1887), Heft 3, S. 275—279: H. Loersch, Anzeige
der Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit, Jahrg. I,
Heft 1. — Jahrg. VII (1888), Heft 3, S. 804: Fr. Bernd t, Bericht über
Erwerbungen des Aachener Suermondt-Museums im Jahre 1887.
39. Hettner und Lamprecht, Korrespondenzblatt der Westdeutschen
Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Jahrg. VI (1887), Nr. 6, Sp. 138—140:
Auszug aus dem Bericht des Stadtarchivars Pick über die Verwaltung des
Archivs der Stadt Aachen im Jahre 1886. — Jahrg. VII (1888), Nr. l,Sp. 5:
R. Pick, Die Funde bei den Erdarbeiten im sog. Gras in Aachen. — Nr. 2,
Sp. 45 f.: R. Pick, Zur Geschichte der Siechenhäuser (Melaten bei Aachen).
— Nr. 7, Sp. 134: Funde von räthselhaften palisadenartigen Gehäusen auf
dem Terrain der frühem sog. Prinzenhofkaseme in Aachen. — Nr. 9 und 10,
Sp. 197—200: Auszug aus dem Bericht des Stadtarchivars Pick über die
Verwaltung des Archivs der Stadt Aachen im Jahre 1887.
40. Mittheilungen des Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit, Jahrg.
I, S. 3—24: R. Pick, Die kirchlichen Zustände Aachens in vorkarolingischer
Zelt. — S. 25 — 36: E. Pauls, Fürstensagen in Aachen und seiner Umgebung.
— S. 37—50: K. Wieth, Aachens Wurfgeschosse im 14. Jahrhundert. (Mit
Tafel.) — S. 51—57: 0. Dresemann, Die Krönung König Wenzels zu
Aachen. — S. 58—63: E. Pauls, Eine verschollene Schrift über Aachen
aus dem Jahre 1701. — S. 64 — 83: H. F. Macco, Die Mitglieder der
St. Sebastianus-Bogenschützen-Gesellschaft in Burtscheid. (Mit Tafel.) —
S. 84—94: R. Pick (Miscellen): Eine alte Aachener Wachtordnung. — Zur
Geschichte der Aachener Stadtsoldaten. — Vier Briefe Friedrichs d. Gr. an
die Stadt Aachen. — Der Eid des Aachener Scharfrichters im 17. Jahr-
hundert. — S. 95—96: Fragen. — S. 97—111: R. Pick, Kleinere Beiträge
zur Aachener Geschichte und Topographie. I. Wann erhielt Aachen seine
erste Befestigung? II. Der angebliche Eisenmarkt in Aachen. — S. 112 —
115: S. Planker: Das Deckengemälde im Querhaus der Pfarrkirche von
St. Peter zu Aachen. — S. 116—142: E. Pauls, Fürstensagen in Aachen
270 Aus Zeitschriften.
und seiner Umgebung. II. — S. 143—152: K. Wacker, Die vormalige Bru-
derschaft vom Leiden Jesu in der St. Peterspfarre zu Aachen. — S. 153
- 162: E. Pauls, Aus dem Tagebuch des Aachener Stadtsyndikus Dr. Peter
Fell. — S. 163—176: K. Wieth, St Gertruden Minne. — S. 177—180
(Miscellen): S. Planker, Der abtrünnige Mönch und Pfarrer von St. Peter
zu Aachen, Heinrich Beyer von Capellen. — Der Philosoph Hegel in Aachen.
— R. Pick, Die Bezeichnung „upt Yseren**. — S. 181 — 184: Antworten.
- S. 185—190: Chronik des Vereins. — Jahrg. n (unter dem Titel: „Aus
Aachens Vorzeit"), Nr. 1, S. 1—4: R. Pick, Der angebliche Aachener Stadt-
brand 1146. — S. 4—9: C. Rhoen, Die Aachener Stadtpläne. (Mit Abbil-
dung.) — S. 10—12: E. Pauls, Ein in Aachen entstandenes Schauspiel und
Siegeslied zur Befreiung Wiens von den Türken im September 1683. —
S. 12—16 (Kleinere Mittheilungen): R. Pick, Zur Biographie des Pfarrers
Heinrich Brewer. — W. Weitz, Domgraf und Schuz. — R. Pick, Das
Grundhaus bei Aachen. — S. 16: Fragen.
41. Kölnische Volkszeitung vom 31. Mai 1888, Bl. II: Wanderungen
durch den Kreis Montjoie.
42. Deutscher Reichs-Anzeiger und Königlich Preussischer Staats-
Anzeiger, Jahrg. 1888, Nr. 221 : Anzeige von Bd. IX der Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins nebst Auszügen aus der Chronik desselben 1886/87.
43. Der Friedensbote (Beilage zur Aachener Volkszeitung), Jahrg. I
(1886), Nr. 45—48: Kessel, Geschichte des Trappistenklosters Maria wald
bei Heimbach. — Jahrg. II (1887), Nr. 33 und 34: E. Müller, Die Bene-
diktineriunen in Steinfeld. — Nr. 35 und 36: E. Müller, Die Prämonstra-
tenser-Propstoi Steinfeld. — Nr. 39 — 49: E. Müller, Die Prämonstratcnser-
Abtei Steinfeld. — Jahrg. III (1888), Nr. 4—25: E. Müller, Die
Prämonstratenser- Abtei Steinfeld. — Nr. 5: Kessel, Kirchlicher Hymnus
auf Karl d. Gr. : ürbs aquensis, urbs regalis. — Nr. 9— 12: J. Th. Laurent^
Die Aachener Heiligthumsfahrt. - Nr. 13: Kessel, Der neueste Gegner
der Aachener Heiligthümer. — Nr. 14 und 15: Kessel, Die Beziehungen
Karls des Grossen zu Jerusalem, Constantinopel und Rom. — Nr.l6: Kessel,
Hat Karl der Grosse dem Aachener Münster mit den Heiligthümeni nicht
auch Authentiken über ihre Herkunft und Echtheit übergeben? Wo sind sie
geblieben? — Nr. 17—20: Kessel, Reliquien- Verzeichnisse der Älünsterkirche
vor der Zeit Karls d. Gr. bis zum Anfang dieses Jahrhunderts. — Nr. 21
-- 28: Kessel, Die grossen heiligen Reliquien der Münsterkirche zu Aachen.
- Nr. 29—31: Die Heiligthumsfahrt des Metzer Bürgers Philipp von Vig-
neulles im Jahre 1510. (Ueber denselben Gegenstand handelt die jüngst zu
Saargemünd erschienene lehrreiche Schrift: Philipp von Vigneulles' Aachen-
fahrt im Jahre 1510 von H. Lempfrid.) — Nr. 31: Kessel, Das Haupt
der heiligen Anna zu Düren. — Nr. 32—36: Kessel, Das Pfarrdorf Rott
am Vichtbach und die Andacht zum h. Quirinus daselbst.
Aus Zeitschriften. 271
44. Echo der Gegenwart, Jahrg. 1887, Nr. 15, Bl. I: Anzeige von
Bd. VIII der Zeitschrift des Aachener Oeschichtsvereius. - Nr. 116, Bl. I:
Die Schlossruine von Montjoie. - Nr. 122, Bl. III: Der Malier bei Mont-
joie. — Nr. 135, Bl. III: Weisheitssprtiche für Rechtsuchende und Recht-
sprechende (aus einem Protokollbuch des Gerichts zu Horbach bei Aachen).
— Nr. 144, Bl. III: Zur Geschichte Reichensteins. ^ Nr. 149, Bl. IV: Das
Feythal mit der Kakushöhle. - Nr. 170, Bl. I: Der „Meteorstein" im Poly-
technikum (vgl. unten Nr. 46). — Nr. 176, Bl. II: Aachener Badedivertis-
sements im vorigen Jahrhundert. — Nr. 211, Bl. U — 213, Bl. II, 216, Bl.
II und 217, Bl. 11: Eine Wanderung durch die vulkanische Eifel. — Nr. 209,
Bl. I: Aus dem rheinischen Ruhrgebiet. - Nr. 227, Bl. I: Die katholische
Pfarrkirche in Eilendorf. — Nr. 266, Bl. I: E schwelle r, Ein Beitrag zur
Geschichte des Aachener Gaues (Mundart des Ländchens zur Heiden). —
Nr. 237, Bl. II: B( eissei) S. J., Zur Erinnerung an Herrn Direktor Andreas
Fey (gest. 2. September 1887). ~ Jahrg. 1888, Nr. 150, BL III: Mtlnzfund im Venu
zu Aachen (mittelalterliche Aachener Münzen). — Nr. 165, Bl. II: Anzeige von
Bd. IX der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. — Nr. 186, Bl. III:
Eine Stimme aus der Eifel (betreffend Schannats, Bärschs und Schorns Werke
über dieses Land). - Nr. 202, Bl. II: Eine Wanderung durch das Callthal.
(Simona-Call „verdankt nach der Sage seine Entstehung dem Jagdaufeuthalt
Karls d. Gr. in den Ardennerforsten" ; tlber der Thür eines alten Hauses
daselbst in Stein die „räthselhaften Buchstaben" S. X. K. X. A. 8.) — Nr. 207,
BL rt: W. Vonderkall, Kipp-Lei Sage aus dem CallthaL — Nr. 211, Bl. II:
Anzeige von 0. Dresemann, Die Jacobskirche zu Aachen. -- Nr. 220, BL
II, 221, BL II und 223, BL II: Die Aachener Bäder vor zweihundert
Jahren. (Ausztlge aus F. Blondeis 1688 in 3. Auflage erschienenem Buche
über die Aachener und Burtscheider Thermalquellen.) — Nr. 236, Bl. 11:
Anzeige der Zeitschrift „Aus Aachens Vorzeit", Nr. 1. — Nr. 240, BL III:
Bericht tlber die am 11. Oktober 1888 "gehaltene Generalversammlung des
Aachener Geschichtsvereins, mit zahlreichen Einzelheiten aus den Vorträgen von
Loersch und Pick (vgL unten S. 280). — Nr. 262, BL I: (Pick), Der lange
Thurm in Aachen; gibt eine Uebersicht über die Schicksale dieses im Anfang des
14. Jahrhunderts erbauten Mauerthurras und empfiehlt seine Wiederherstellung
in der ursprünglichen Gestalt. ~ Nr. 263, Bl. III: Schulz, Die neue Drei-
faltigkeitsglocke von St. Jakob in Aachen. — Nr. 265, Bl. I: Bericht über
die Monatsversammlung des Aachener Geschichtsvereins vom 9. November 1888,
mit vielen Einzelheiten aus den Vorträgen von Loersch (Aufnahme hervor-
ragender Gebäude Aachens in Aquatintamanier von J. und R. Gardner 1788,
2. Aufl. 1792; Kupferstich von J. Luycken [1649—1712], das Innere eines
Aachener Bades darstellend; Bericht Rudolfs de Rivo [f 1403] über das
Schliessen des Kaiserbads in Aachen) und Pick (Rheinlieder von unbekannten
Verfassern ; mittelalterliche Funde auf dem Terrain der vormaligen St. Jakobs-
kirche und in der Vaelserstrasse zu Aachen; Kreuz mit Inschrift von 1460
an der Landstrasse zwischen Walhorn und MeroLs; Aachener Strasscnnamen
272 Aus Zeitschriften.
von Gewerben). — Xr. 273, BI. 11 : Bericht über die Monatsversammlung des
Vereins für Kunde der Aachener Vorzeit vom 21. November 1888, mit Notizen
über prähistorische Funde in Aachen und seiner Umgebung (von Wie th und
Pick), sowie über Uhren (insbesondere die Uhrgloeke im Bathhaas) und
Uhrmacher in Aachen und im Jülichschen (von Schaffrath und Pick).
45. Literarische Beilage zum Echo der Gegenwart 1888, Nr. 10 ; Anzeige
von H. Lempf rid, Philipp von VigneuUes' Aachenfahrt im Jahre 1510. (Vgl.
oben Nr. 48.)
46. Aachener Zeitung, Jahrg. 1887, Nr. 5, Bl. I: Anzeige von J. Han-
sen, Beiträge zur Geschichte von Aachen. Heft 1. — Nr. 15, Bl. I: Aachen
als Römerlager. — Nr. 56, Bl. I: Die Erfindung der Stahlfeder (durch den
Bürgermeisterdiener [nicht „Bürgermeistereischreiber"] Johann Janßen zu
Aachen). — Nr. 77, Bl. I — 79, Bl. I: C. Lemcke, Barthold Suermondt. —
Nr. 87, BL I: Blocken-Poschen (zur Berichtigung vgl. diese Zeitschrift IX,
S. 77, Anm. 4). — Nr. 90, Bl. I: Ignaz Beissel (gest. 26. März 1887). — Nr. 107,
Bl. I: F. A. Bacciocco, Alfred von Reumont — Nr. 128, Bl. I — 130,
Bl. I, 133, Bl. I und 134, Bl. I; Verkehrssicherheit im Mittelalter (berück-
sichtigt vornehmlich den Landfriedensbund zwischen Maas und Rhein). —
Nr. 170, Bl. I: Die im Hofe der technischen Hochschule zu Aachen lagernde
Eisenmasse; sie ist kein Meteorit, sondern besteht nach den Untersuchungen
des Prof. Arzruni aus den Rückständen geschmolzenen Eisens, hüttenmännisch
„Rennfeuersau*^ genannt, und entstammt einer Zeit, wo es noch keine Hoch-
öfen gab, sondern nur Schmelzöfen, in denen kleinere Mengen Eisen in höchst
unvollkommener Art geschmolzen wurden. — Nr. 173, Bl. I, 175, BL I und
177, BL I: Die Eifel (geschichtliche, topographische und geologische Nach-
richten in populärer Form). — Nr. 247, BL I: H. Becker, Zur Erinnerung an
einen vergessenen Dichter (Nikolaus Becker). — Nr. 253, Bl. I: D(rese-
mann), Städtische Beamte im fünfzehnten Jahrhundert. Bemerkungen zu
den in Bd. VUi, S. 218 ff. dieser Zeitschrift veröffentlichten „Verpflichtungs-
urkunden", mit einzelnen Unrichtigkeiten, z. B. bezüglich des Benutzungs-
rechts der den Thorwächtem und andern Beamten von der Stadt gestellten
freien Wohnung. — Nr. 255, BLI: D(resemann), Sprachliches aus und
über Aachen. — Nr. 264, BL I; Ewerbeck, Suermondt-Museum (Besprechung
einiger interessanter Abgüsse von Kunstwerken des Mittelalters und der
Renaissanceperiode). — Jahrg. 1888, Nr. 17, BL n — 19, BL 11: Der Aachener
Henker. — Nr. 26, Bl. I: Der Zigeuner im Aachener Dialekt. — Nr. 160,
BL II : Die mittelalterliche Befestigung der Stadt Aachen. (Skizze des
Vortrags des Stadtarchivars Pick in der Monatsversammlung des Aachener
Geschichtsvereins vom 21. Juni 1888.)
47. Aachener Volkszeitung, Jahrg. 1887, Nr. 303: St. Hubertus, der
Schutzpatron der Jäger und seine Beziehungen zum frühem Herzogthum
Jülich. — Nr. 314: Zur Erinnerung an einen vergessenen Dichter (Nikolaus
Becker). — Nr. 342: Zur Naturgeschichte des Bauernhauses und Hofes im
Aus Zeitschriften. 273
niederrheinischen Lande. — Jahrg. 1888, Nr. 1: H. Ah eis, Synchronistische
Tabellen aus der Aachener Geschichte, mit mehrfachen chronologischen und
sonstigen Irrthtimem. — Nr. 2 : Feld und Flur und ihre Eintheilung nach Sitte
und Brauch unserer Altvordern. — Nr. 9 : Wiese und Wald, Busch und Bruch
und ihre gemeinschaftliche Benutzung seitens unserer Vorfahren. — Nr. 34:
H. Böckeier, Ürbs aquensis (Hymnus auf Karl d, Gr.). — Nr. 37: Kessel,
Erwiderung auf die Bemerkung des Herrn Böckeier über meinen Aufsatz
^jürbs aquensis, urbs regalis**. (Vgl. oben Nr. 43.) — Nr. 44 : Alte Fastnachts-
gebräuche am Niederrhein. — Nr. 63: F. Hermann, Die deutsche Nadel-
fabrikation (behandelt namentlich die Aachener Nadelmacherei). — Nr. 85:
Das Maiaufstecken in Aachen (schon 1456 bezeugt). — Der Name des Dorfes
Raeren. — Das Häckselstreuen in Aachen. — Der Hühnermarkt und der
Käsemarkt (Hof) in Aachen. — Der Mareillen- oder Marillenthurm in Aachen;
sämmtliche fünf Artikel sind von R. Pick verfasst. — Nr. 98: Der
Ortsname Raeren. — Nr. 104: Die bürgerlichen Unruhen in Aachen am
16. März 1848 (nach gleichzeitigen Berichten der ,,Stadt- Aachener Zeitung**).
— Nr. 109: R. Pick, Aachener Aktenstücke im Frankfurter Stadtarchiv. ~
Nr. 131: Der Ortsname Qangelt. — Nr. 153 ff.: C. Rhoen, Die karolingische
Pfalz zu Aachen. Eine „topographisch-archäologische Untersuchung ihrer
Lage und Bauwerke*^, die an dem Mangel sprachlicher und geschichtlicher
Studien des Verf. vielfach scheitert. — Nr. 190—192 und 194: (C. Rhoen),
Zur Aachener Befest igxmgsf rage. Höchst unkritische Leistung, welche Picks
Darstellung der Aachener Stadtbefestigung im Mittelalter (vgl. oben Nr. 4H
a. E.) zu widerlegen versucht.
48. Aachener Anzeiger, Politisches Tageblatt, Jahrg. 1886, Nr. 290,
Abend-Ausg. II, 296, Abend- Ausg. II und 301, Bl. HI: 0. Dr esc mann, Die
Freiheit der Reichsstadt Aachen im vorigen Jahrhundert. — Nr. 304, Morgen-
Ausg.: Winfriedes Haar. Skizzenblatt von E. Polko (behandelt die Burg
Raeren und die Raerener Kunsttöpferei). — Jahrg. 1887, Nr. 9, Abend-Ausg.:
Anzeige von Bd. VIII der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. —
Nr. 16, Morgen-Ausg.: Das alte Wegenetz zwischen Köln, Limburg, Mastricht
und Bavai. Besondere Anzeige des in Bd. VIII, S. 97 ff. dieser Zeitschrift
unter dem nämlichen Titel erschienenen Abhandlung des Generals 0. von
Veith. — Jahrg. 1888, Nr. 170, Ausg. 1, Bl. II: Der Landfrieden zwischen
Maas und Rhein im 14. Jahrhundert. Anzeige von F. J. Kelleter, Die Land-
friedensbünde zwischen Maas und Rhein (s. oben S. 256) mit eigenen Zuthaton
des Recensenten. Das von der Stadt Aachen an Ludwig von Reifferscheid
und Arnold von Hoemen (nicht: Hom) wegen Wegnahme einer Schiffsladung
Tuch gerichtete Schreiben ist vom Sonntag nach Reminiscere ohne Jahr
datirt. Es muss der 10. März 1398 sein, da die Kölner Jahrbücher des 14.
und 15. Jahrhunderts berichten, dass der Raub in der Nacht vom 8. März 1807
(nach unserer Zeitrechnung 1398, Beweis für die Osterrechnung in den
Chroniken I) stattgefunden habe. 1397 fiel der Sonntag Reminiscere auf den
18
274 Aus Zeitschriften.
25. März. Das Bekanutsein eines Vorfalls, der sich in der Nacht vom 8./9.
März bei Köln ereignete, am 10. März in Aachen ist wohl kaum ein Beweis
der „für damals sehr schnellen Vermittlung der Posten".
49. (Aachener) ünterhaltungsblatt, Jahrg. 1887, Nr. 41—45: J. von
Morellen, Ein Beitrag zur Geschichte der Dynasten von Montjoie.
50. Local -Anzeiger für Aachen und Burtscheid, Jahrg. 1888, Nr. 3
und 4: Der Teufel im Aachener Sprüchwort (so). — Nr. 23, 24 und 27:
Alterthumsfande auf dem Stephanshof zu Aachen (mit Zeichnung in Nr. 24).
— Nr. 57: Funde in der Komeliusstrasse zu Aachen. Die hier gefundene
Münze Hadrians (Mittelerz) wird nicht erwähnt. — Nr. 58: Der Lokalname
Zeise (aus Tzynse = Zins entstanden?).
51. Wochenblatt zum Local -Anzeiger für Aaclien und Burtscheid,
Jahrg. I (1888), Nr. 1: Der Name des Dorfes Raeren, wird hier unrichtig
mit Rad, Töpferscheibe in Verbindung gebracht. — Nr. 2: Zwei alte Ab-
bildungen des Aachener Münsters. — Volksthümliche Aufführungen in Aachen
vor hundert Jahren (Rathsedikt vom 16. Februar 1776), — Nr. 5: Fremde
Lehnworte im Deutschen. (Versuch einer Erklärung der in der Aachener
Mundart vorkommenden Ausdrücke „Fommedreck" und „Gapstock".)
52. Dürener Zeitung, Jahrg. 1888, Nr. 62, Bl. III: F. Ludwig, Der
Dürener Frauen-Sieg (St. Anna-Haupt).
53. Dorf-Chronik und Grafschafter (Anzeigeblatt für den Kreis Moers,
Umgegend und den Niederrhein), Jahrg. 1888, Nr. 7: (Pieper), Eine Jülicher
Volkssage. (Entstehung des Namens Vogelsang für die ehemalige Karthause
bei Jülich.)
Loersch,' Pick.
Fragen.
1. Von dem schief eu Thunn zu Dauscnau an der Lahn geht die Sage,
dass Einhard und Emma, auf ihrer Flacht ergriffen, hier eine Zeitlang von
Karl d. Gr. gefangen gehalten worden seien. (Vgl. Spengler, Der Kurgast
in Ems, 2. Aufl. S. 358.) Eine andere Version lässt beide bekanntlich in
die Gegend der Emmaburg bei Aachen fliehen. Wie kam die Sage nach
Dausenau!^ R,
2. Wo finden sich Nachrichten über die Behalidlnng Geisteskranker
im mittelalterlichen Aachen? P.
3. Wie ist der in der Ausgabe-Rechnung der Stadt Aachen vom J.
1334/85 (Laurent, Aachener Stadtrechnungen S. 111,2) vorkommende Lokal-
name Schottenberg zu erklären, und welche Oertlichkeit ist damit gemeint?
C.
4. Kann Jemand den Aachener Strassennamen Krakaustrasse, 1632
Krackow (vgl. Noppius, Aacher Chronick, Th. I, S. 96), deuten? H.
5. Wo wurde der aus dem Jttlichschen stammende beriüunte Kunst-
schmied Nikolaus Windemaker, welcher um 1544 im Verein mit dem Fran-
ziskanermönch und Domprediger Johann von Aachen und dem gelehrten
Buchdrucker Dietrich Zwivel (aus Zwcifall bei Montjoie) die von den Wieder-
täufern zerstörte Uhr im Dom zu Münster i. W. wiederherstellte (vgl. Nord-
h off in den Bonner Jahrbüchern LUI. LIV, S. 63 und 91), geboren?
6. Was bedeutet der Posten in der Ausgabe-Rechnung der Stadt
Aachen vom J. 1385/86 (Laurent a. a. 0. S. 335,2o): Item zwen kneichten
dat eyrtze zu rümen up den hoff 10 s.? Hat das einen Zusammenhang mit
dem Gussblock, der auf dem Büchel gefunden ist und jetzt im Hofe der
technischen Hochschule liegt? L,
7. An das Glockenspiel auf dem Thurme der St. Annakirche zu Düren
knüpft sich die Sage, dass der Meister desselben nach der Herstellung des
Kunstwerks geblendet worden sei. Eine ähnliche Sage haftet an der Uhr
des Strassburger Münsters und an kunstvollen Uhren anderer Orte (Nürnberg,
Danzig u. s. w.). Woher entstand die geschichtlich unbegrtlndete Volkssage ?
D.
8. Die jetzige Hartmannstrasse in Aachen hiess bekanntlich vormals
Harduin- oder Hardewinstrasse und war ohne Zweifel nach einem Manne,
Namens Harduin, so benannt. Wer war dieser? P.
9. Weiss Jemand eine Erklärung für den Ortsnamen Geilenkirchen?
J.
10. Welche Beweise gibt es für die Annahme, dass an der Stelle des
heutigen Aachen bereits in keltischer Zeit eine Ansiedlung bestanden habe?
W.
18*
Chronik des Aachener Geschichtsvereins 1887/88.
Während im Winter 1887/88 sich Hindemisse den Monatsversammlungen
entgegenstellten, hahen solche im Frühjahr und Sommer 1888 dreimal, am
18. April, 25. Mai und 21. Juni stattfinden können. In hunter Reihenfolge
sind Fragen der lokalen Geschichte, Sprache und Topographie Gegenstand
der Mittheilung und Erörterung unter den stets zahlreich erschienenen Mit-
gliedern gewesen.
In der ersten Versammlung vom 18. April, in welcher Herr Professor
Loersch den Vorsitz führte, berichtete Herr Gymnasiallehrer Dr. Wieth
über vier auf dem Grundstück des Stephanshofs in der Hartmannstrasse
bei Herstellung von Fundamenten aufgedeckte grosse Gruben. Diese, durch
Pfahle und Bohlen kastenartig hergestellt, lagen mit ihrer Sohle 4 m, mit
der Oberkante der Verschalung 1*/» ni unter dem Strassenpflaster und
waren mit fettiger, glänzender, Massen verfaulten Strohs enthaltender Erde
ausgefüllt, in welcher Knochen, ein römischer Trinkbecher, zahlreiche mittel-
alterliche Thongefässe, namentlich aber eine frtlhmittelalterliche gravirte
Bronzeschüssel von 24Va cm im Durchmesser gefunden worden sind. Herr
Stadtarchivar Pick gab eine genauere Beschreibung dieser Funde, von denen
ein grosser Theil vorgezeigt werden konnte. Die Behälter wurden von dem
ersten Redner für Senkgruben, von Andern für Lohgruben oder Cistemen
gehalten, jedoch ohne dass eine bestimmte Meinung zum Ausdruck gekom-
men und von den Anwesenden gebilligt worden wäre. Vorgelesen wurde
eine Arbeit des Herrn Apotheker E. Pauls über den Aufenthalt bekannter
Persönlichkeiten in Aachen während der Revolutionszeit. Herr Schollen
hielt schliesslich einen Vortrag über Pflasterung, Reinigung und Beleuchtung
der Strassen Aachens in früherer Zeit.
Die Versammlung vom 25. Mai eröffnete der Vorsitzende, Herr Pro-
fessor Loersch, mit dem Hinweis darauf, dass dieser Tag, der des h. ürbanus,
in reichsstädtischer Zeit der Anfangstag des Regierungsjahrs der Bürger-
meister und des Verwaltungsjahrs gewesen, der Grund für die Wahl dieses
Termins jedoch noch völlig unbekannt sei. Herr Dr. Wieth berichtete über
die Blosslegung einer fünften Grube auf dem Stephanshof und starker Bal-
ken und Pfähle in grosser Tiefe bei einem Kanalbau in der Komeliusstrasse,
sowie über eine in dieser Strasse, nahe beim Büchel, gefundene bronzene
Münze Kaiser Hadrians. Herr Stadtarchivar Pick erläuterte eingehend die
auf dem Stephanshof gefundpn^^n Tönferwaaren, die er zum Theil für sehr
Chronik des Aachener Geschichtsvereins 1887/88. 277
alt erklärte. Herr Kaplan Schnook trug einen Abriss der Geschichte des
Stephanshofs vor unter Verwerthung von Urkunden und Akten des Pfarr-
archivs von St. Foilan. Herr Pick besprach die Ableitung des Namens der
Heppionstrasse und einiger anderer Strassennamen. Der Vorsitzende ftlhrto
den Nachweis, dass der sog. Junkerskirchhof in Aachen, wie an andern
Orten, eine Richtstätte gewesen sei. An jede dieser Mittheilungen knüpfte
sich eine lebhafte Diskussion, in deren Verlauf weitere zahlreiche Einzel-
heiten gestreift wurden.
In der Versammlung vom 21. Juni, welche Herr Realgymnasiallehrer
Dr. Greve leitete, berichtete Herr Dr. Wieth über Gruben gleicher Beschaf-
fenheit und gleichen Inhalts wie die des Stephanshofs, welche bei Legung
der Fundamente des neuen Realgymnasiums auf dem Terrain der ehemaligen
Prinzenhof-Kaseme gefunden worden sind. Daran schloss Herr Stadtarchivar
Pick Mittheilungen über diesen nach den Eigenthtimem, den Fürsten von
Ligne, genannten und den daneben gelegenen Salm-Kyrburgschen Hof. Herr
Schollen besprach die Feier der Sonn- und Feiertage in Aachens reichs-
städtischer Zeit. Herr Pick hielt, nachdem er den Druck des ältesten der
bis jetzt bekannt gewordenen Schuldramen des Aachener Jesuiteugymnasiums
vom Jahre 1699 und einige andere seltene Druckschriften vorgelegt hatte,
einen eingehenden Vortrag über die mittelalterliche Befestigimg Aachens
und die verschiedenen Abschnitte ihrer Entwicklung. Er führte unter Ver-
lesung zahlreicher Quellenstellen und steter Berücksichtigung der abweichen-
den Ansichten aus, dass die Stadt vor 1171 mit Wall und Graben befestigt
gewesen, dass die in diesem Jahre von der Bürgerschaft eidlich gelobte
Anlage des Innern Mauerrings auch bald und jedenfalls vor Ende des
12. Jahrhunderts vollendet wurde und dass die Erbauung des äussern Mauer-
rings schon im 13. Jahrhundert begann und letzterer um 1320 in seinen
Haupttheilen fertiggestellt war.
Die Zahl der Vereinsgenossen ist langsam, aber stetig gewachsen. Von
606, welche dem Verein am 31. Dezember 1887 angehörten, sind bis zum
1. Dezember 1888 7 gestorben, 25 ausgetreten; bis zum letztgenannten Tage
sind aber neu beigetreten 62, so dass die Gesammtzahl nunmehr auf 636
gestiegen ist. Die im letzten Jahresbericht erwähnten, Mittheilungen über
den Zweck des Vereins und Aufforderung zum Beitritt enthaltenden Post-
karten haben sich auch in diesem Jahre bewährt und werden jedem Vereins-
mitglied seitens des Vorstands bereitwilligst zur Verfügung gestellt.
Die Zahl der Vereine, Gesellschaften, Institute und Redaktionen, mit
welchen der Verein im Austausch der Publikationen steht, ist auf 147
gestiegen. Es sind neu beigetreten:
Historischer Verein für Oberfranken in Bamberg. 1886.
Historischer Verein für die Grafschaft Ravensberg in Bielefeld. 1886.
Gewerbeschule in Bistritz. 1886.
Historische Gesellschaft des Künstlervereins in Bremen. 1886.
278 Chronik des Aachener Geschichtsveroins 1887/88.
Sociöt($ des BoUandistes in Brüssel. 1888.
Gelehrte estnische Gesellschaft in Dorpat. 1887.
Historischer Verein des Kantons Aargau in Frauenfeld. 1886.
Gesellschaft für Beförderung der Geschiehts-, Altertums- und Volks-
kunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Land-
schaften in Freiburg. 1887.
Glamer historischer Verein in Glarus. 1887.
Direccion general de estadistica in Guatemala. 1888.
Verein für Hamburgische Geschichte in Hamburg. 1888.
Schleswig-Holsteinisches Museum vaterländischer Alterthümer in Kiel.
1887.
Redaktion der Zeitschrift für christliche Kunst in Köln. 1888.
Maatschappij der nederlandsche Ictterkundc in Leiden. 1887.
Museum Francisco-Carolinum in Linz a. D. 1887.
Soci6t6 d*art et d*histoire du diocdse de Li^e in Ltittich. 1886.
Geschichtsverein für Stadt und Land Magdeburg in Magdeburg. 1886.
Westfälischer Provinzial -Verein für Wissenschaft und Kunst in
Münster i. W. 1886.
K. K. heraldische Gesellschaft Adler in Wien. 1886.
Antiquarische Gesellschaft in Zürich. 1886.
Altertnmsverein für Zwickau und Umgegend in Zwickau. 1887.
Die in diesem Tauschverkehr erworbenen zahlreichen und werthvoUen
Bücher und Zeitschriften wurden der Stadt bibliothek und der Handbibliothek
des Stadtarchivs überwiesen. Eine interessante Urkunde vom 7. August 1434,
welche der Verein zu kaufen Gelegenheit fand, hat er dem Stadtarchiv
geschenkt.
Das im letzten Jahresbericht bereits erwähnte Register zu den ersten
sieben Bänden der Vereinszeitschrift, sowie der neunte Band der letztern,
welcher zum grossen Bedauern des Vorstands und ohne jedes Verschulden
von seiner oder des Herausgebers Seite erst im Juni des Jahres 1888 erscheinen
konnte, sind durch die Cremer'schc Buchhandlung (C. Oazin) in Aachen aus-
gegeben worden, welche den Kommissionsverlag und die Expedition der
Zeitschrift, sowie die Einziehung der Jahresbeiträge übernommen hat.
Die jährliche Generalversammlung, die erste unter der Herrschaft der
am 1. Oktober in Kraft getretenen neuen Statuten, hat am 11. Oktober 1888,
6'/« Uhr Abends, im Gasthof zum Elephanten stattgefunden. Der Vorsitzende,
Herr Professor Loersch, eröffnete dieselbe mit folgender Ansprache:
„In dem Erinnerungswort, das ich vor elf Monaten unserm verewigten
Ehrenpräsidenten Alfred von Reumont widmete, war flüchtig im Zusammen-
hang der Darstellung des Kronprinzen des deutschen Reiches zu gedenken.
Indem dies geschah, konnte ich mich nicht enthalten, der Sorge um die
Gesundheit des hohen Herrn Ausdruck zu geben, welche in jenen Tagen
gerade mit immer steigender (Jewalt sich unserer Herzen bemächtigte. Aber
Chronik des Aachener Goschichtsvereins 1S8T/88. 279
Niemand unter uns hat damals geahnt, welches Uebermass von Trauer,
welch erschütternde Verkettung tragischer Vorgänge unserm Herrscherhause
und dem deutschen Volke bevorstand. Am 9. März entschlief der greise
Kaiser, dessen hohes Alter uns gleichsam des Gedankens entwöhnt hatte,
dass auch diese Laufbahn einmal enden werde, dessen Herrs(!hertugeuden nicht
nur Vorbild fftr alle seine Nachfolger, sondern, was fast noch mehr sagen
will, auch für den geringsten seiner Unterthanen sind, der auch den Bestre-
bungen der Geschichtsforschung in gewohnter Milde und Leutseligkeit gern
seinen hohen S«thutz gewährte. Todtkrank hat Kaiser Friedrich das sonnige
Land verlassen, dessen herrliches Klima dem unerbittlich eilenden Verderben
vielleicht einen zögernden Schritt aufgezwungen hätte, um in unheilbrin-
gender Jahreszeit die Regierung zu übernehmen, der die kurze Spanne von
nicht hundert Tagen bemessen sein sollte.
In dieser so kurzen Zeit hat der Kaiser aber für die lokalen Geschichts-
vereine, zu denen auch der unserige zählt, sein wohlwollendes Interesse in
einem Masse bethätigt, wie keiner seiner Vorgänger. Der Verwaltungs-
ausschuss des Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthums-
vereine hatte schon in Folge eines im September des vorigen Jahres zu
3Iainz gefassten Beschlusses den deutschen Kronprinzen gebeten, das Pro-
tektorat über den Gesammtverein zu übernehmen. Von Italien aus kam die
Antwort, dass er gern bereit sei und Schritte thun werde, um die vorge-
schriebene Zustimmung seines Vaters, des Kaisers, zu erlangen. Dazu ist
es nicht mehr gekommen; aber ohne irgend welche erneuerte Anregung hat
dann Kaiser Friedrich durch eine Kabinetsordre vom 28. April dieses Jahres
das Kaiserliche Protektorat über den Gesammtverein — und damit also
auch über unsem Verein ~ übernommen.
Ein bitteres Geschick hat uns diesen Schirmherrn entrissen, ohne dass
es ihm vergönnt gewesen wäre, seine auf Stärkung und Förderung deutscher
Wissenschaft und Kunst gerichteten edlen Absichten auch nur zu einem
geringen Theil zu verwirklichen. Aber atich sein Nachfolger steht unsem
Arbeiten und Absichten voll Theiluahme gegenüber. Die Entwicklung des
deutschen Lebens, namentlich der deutschen Städte, im frühen wie im späten
31ittelalter zieht ihn, wie ich aus persönlicher Wahrnehmung und Kenntniss
bestätigen kann, vorzugsweise an. Er verfolgt die darauf sich beziehende
literarische Thätigkeit, die Arbeiten der verschiedenen Vereinigungen mit
warmem und verständnissvollem Interesse. So dürfen wir also auch von
seiner Seite Schutz und Förderung vertrauensvoll erwarten. Mögen seiner
Regierung lange Jahre inneni und äussern Friedens, materieller und ideeller
Wohlfahrt beschieden sein!"
Nachdem der Vorsitzende der verstorbeneu Vereinsmitglieder, namentlich
des Specialdirektors der Vereinigungsgesellschaft für Steinkohlenbergbau im
Wurmrevier, Karl Joseph Ililt, gedacht, erstattete er Bericht über die
280 Chrouik des Aaclicncr Cieschichtsvereüis 1887/88.
Thätigkeit und Lage des Vereins. Dann trug der Schatzmeister, Herr
Dr. Wings, die Rechnung des Jahres 1887 vor.
Danach umfassten die Einnahmen für 1887:
1. den Kassenbestand aus dem Vorjahre 2038 M. 44 Pf.
2. den Beitrag der Stadt Aachen 150 ^ — „
3. die Beiträge der Mitglieder 2344 „ — „
4. den Ertrag aus abgesetzten Exemplaren der Zeit-
schrift 24 „ — „
5. die Zinsen der Sparkasse 49 „ 76 ^
zusammen . . 4606 M. 20 Pf.
Die Ausgaben betrugen . . 3403 ^ 43
T»
Es verblieb ein Kassenbestand von . . 1202 M. 77 Pf.
Das Vereinsvermögen, welches Ende 1886 noch 2038 31. 44 Pf. betrug,
liat sich also im Jahre 1887 um 835 31. 67 Pf. vermindert. Diese Ver-
minderung ist insbesondere hervorgerufen durch die Kosten des Registers
fUr die ersten sieben Bände, wofür 1253 31. 55 Pf. verausgabt wurden. Auf
die sonstigen Auslagen entfallen 2149 M. 88 Pf.
Die am 10. November 1887 gewählten Revisoren haben die Kassen-
verwaltung für das Jahr 1887 am 28. September 1888 geprüft. Die Ver-
sammlung drückte denselben, sowie dem Schatzmeister ihren Dank aus und
wählte die Herren Dr. med. Ignaz Beissel und Tuchfabrikant Gustav
Kesselkaul wiederum als Revisoren für das Jahr 1888.
Es wurde dann zur Wahl des Vorstands nach Vorschrift der neuen
Statuten geschritten. Durch Zuruf wählte die Versammlung die bisherigen
Vorsitzenden und Schriftführer, sowie den Schatzmeister wieder. Aus der
durch Stimmzettel vorgenommenen Wahl der zehn Beisitzer gingen die
S. 282 genannten Herren mit grossen 3Iehrheiten hervor.
Nach Abschluss des geschäftlichen Theils hielt Herr Professor Loersch
einen Vortrag über die Geberin eines dem Aachener 3Iarienstift gehörigen
prächtigen 3iessomats aus dem 15. Jahrhundert und den Anlass diesem
(teschenks. Das hoch würdige Stiftskapitel hatte in zuvorkommendster Weise
die Ausstellung der (iewänder in der Versammlung gestattet, wofür ihm auch
an dieser Stelle wärmster Dank ausgesprochen sei. Darauf besprach Herr Stadt-
archivar Pick den am 20. 3Iärz 1S85 gemachten Fund eines römischen Grabes
bei Altst'hurzelt unter Vorlegung von äusserst sorgfältigen Zeichnungen,
welche das verstorbene Vereinsmitglied, Herr Ignaz Beissel, angefertigt
hat^ und behandelte weiterhin fünf andere bisher unbekannte Funde römischer
Chronik des Aachener Gcächichtävereins 1887/8B. 281
Gegenstände, die während der letzten Jahre im Gebiet der Altstadt zu
Tage getreten sind.
Der nea gewählte Vorstand hat sich in einer Sitzung vom 9. November
1888 konstituirt und die Herren Bemdt und Pick zu Mitgliedern des Aus-
schusses fQr die Heransgabe der Zeitschrift (§13 der Statuten), die Herren
Dr. Greve, Kuetgens, Pick und Sartorius zu Mitgliedern einer Kommission
für Vorbereitung der Monatsversammlungen und Ausflüge (§ 12 der Statuten),
sowie die auf S. 282 f. genannten Herren nach § 3 der Statuten zu korrespon-
direnden MitgUedem ernannt.
Verzeichniss
% der
Mitglieder des Aachener Geschichtsvereins.
(Geschlossen Ende November 1888.)
A. Vorstand.
Vorsitzender: Loersch, Dr. H., ordentlicher Professor der Rechte in Bonn.
Stellvertretender Vorsitzender: Pick, R., Stadtarchivar in Aachen.
Schriftführer: Berndt, F., Hauptmann a. D. und Stadtverordneter in
Aachen.
Schollen, M., Sekretär der Staatsanwaltschaft in Aachen.
Schatzmeister: Wings, Dr. P., Rentner in Aachen.
Wissenschaftlicher Ansschnss: Loersch (s. o.).
Pick (s. 0.).
Berndt (s. o.).
Beisitzer: Cocls, Dr. Freiherr von, Landrath des Landkreises Aachen in
Aachen.
Greve, Dr. Th., Realgymnasiallehrer in Aachen.
Kuetgens, P., Stadtverordneter in Aachen.
M i d d e 1 d 0 r f , C, Bürgermeister der Stadt Burtscheid in Burtscheid.
Oppenhoff, Th. F., Landgerichts-Präsident in Aachen.
Pelz er, L., Oberbürgermeister der Stadt Aachen in Aachen.
Planker, S., Ehrenstiftsherr und Stadtdcchant in Aachen.
Sartori US, A., Major und Bezirks-Kommandeur in Aachen.
Schwenger, Dr. H., Gjmnasial-Direktor in Aachen.
Stracter, Dr. A., Arzt und Stadtverordneter in Aachen.
Ehrenmitglied: Weise, L. von, Geheimer Regierungsrath und Oberbürger-
meister a. D. in Aachen.
B. Korrespondirende Mitglieder.
Fürth, Freiherr H. A. von, Landgerichtsrath a. D. in Bonn.
Gross, H. J., Pf" - - -- ^alk.
Milz, Professor Dr.. OvÄiuLsi»J-l>ircktor in Küin.
Oidtman, £. von, Hjuiptnafis und Koinpiunii4^-Clit.'f im lU^g^iment Königin
in Coblenz.
Pauls, E^ Apotheker in l;ed>nir£.
Rovenhagen, Eh*. L^ Regj^miu:^ nud ScLulrath in Dü>x'Morf.
Scheins, Dr. M-, ProeynuiAsiaJ-Kfktor in B<»pi»a.rd,
C. Verstorbene Mitglieder.
(Seit der Ausgabe des letzten Ve^zeichüi^s^'^» IM. \1II, S. ^ ff.)
B eissei, Ignaz, Rentner in Burt^^heid.
flösset, A., Rentner in Aachen.
De lins, K. sen., Fabrikant in Aachen.
Fey, Andreas, Rektor in Aachen.
Haas, 0., Rentner in Bnrt scheid.
Hilgers, Professor Dr. J., Geheimer Regierungsrat h in .Vachcn.
Hilt, K., Bergwerks-Direktor in Aachen.
Hocks-Gründgens, J., Fabrikant in Aachen.
Juchem, Pfarrer in B*>uderath.
Mooren, Dr. J. H., Pfarrer in Wachtendonk.
Nellesi^en, Tb-, Wittwe in Aachen.
Pott hoff, H. L., Oberpfarrer in Burtscheid.
Reumont, Dr. A., Geheimer Sanitatsrath in Aiirheu.
Reumont, Dr. A. von, Excellenz, Wirklicher (tohoimratb in Hnrl^^lMld.
Sittard, K., Lehrer in Stammeln.
Steenaerts, J., Pfarrer in Nettesheim.
Suermondt, Barthold, Rentner in Aachen.
Vogeno, M., Stiftsgoldschmied in Aachen.
D. Neu beigetretene Mitglieder.
(Seit der Ausgabt^ des letzten Verzeichnisses Ild. VIII, M. ;i,i| n )
Adams, J. W., Gutsbesitzer in Elmpt. 1886.
Banr, A., Professor in Düsseldorf. 1887.
Baur, Bergrath in Aachen. 1888.
Beaucamp, Dr. E., Lehrer an der Provinzial-H(!lMinnnen-AuMuli
in Köln. 1887.
Bernart s, J. W., Weinhändler in Aachen. 1887.
Bibliothek der* Gemeinde Alsdorf. 1880.
Bibliothek der Gemeinde Broich. 1888.
Bibliothek der Gemeinde Eileudorf. 1888.
Bibliothek der Gemeinde Forst. 1888.
284 Verzeichuiss der Mitglieder.
Bibliothek der Gemeinde Haaren. 1888.
Bibliothek der Gemeinde Weiden. 1888.
Bibliothek der Gemeinde Würselen. 1888.
Bibliothek des Landrathsamts in Neuss. 1888.
Bibliothek der Stimmen ans Maria Laach in Exaeten. 1887.
Blank art, E. von, Kaufmann auf Haus Broich. 1888.
Boffin, J., Gerichtsvollzieher in Euskirchen. 1888.
Bongartz, Dr. in Aachen. 1886.
Broich, Freiherr von, auf Haus Schönau. 1888.
Bttllion,^raf, K. B. Hauptmann in Würzburg. 1888.
Clar, M., Gymnasiallehrer in Aachen. 1886.
Olosset, Amtsrichter in Montjoie. 1886.
Cockerill, H., Bentner in Burtscheid. 1886.
Coenen, J., G^richtsschreiber in Geilenkirchen. 1886.
Oompes, Dr. P., Arzt in Aachen. 1888.
Conrad, W., Apotheker in Aachen. 1887.
Cüpper, J., Tuchfabrikant in Burtscheid. 1888.
Dahmen, F., Kaufmann in Aachen. 1888.
D ahmen, Notar in Gangelt. 1887.
Dantz, Steuerinspektor in Geilenkirchen. 1886.
De den, A. Frau, Rentnerin in Aachen. 1886.
Delhaes, P. L., Kaufmann in Aachen. 1887.
Ebbing, Assessor a. D., Beigeordneter in Aachen. 1888.
Emster, C. van, Sparkassen-Beamter in Aachen. 1887.
Erasmus, Dr. K., Chefarzt in Crefeld. 1887.
Esser, J., Kaplan in Aachen. 1888.
Esser, Vikar in Laurensberg. 1887.
Esser, J. M., Lehrer in Aachen. 1887.
Feiten, Dr. J., Professor der Theologie in Bonn. 1888.
Fisenne, L. von, Architekt in Meerssen. 1888.
Flamm, Kaufmann in Aachen. 1888.
Frank, Dr. P., Sanitätsrath in Aachen. 1887.
Frantzen, Dr. A., Assistent an der technischen Hochschule in Aachen. 1887,
Frentzen, Professor an der technischen Hochschule in Aachen. 1886.
Fritz, Dr., Gynmasiallehrer in Münster i. W. 1886.
Frowein, Verwaltungsgerichts-Direktor in Burtscheid. 1888.
Fuhrmans, Bürgermeister in Alsdorf. 1888.
Geller, J., Kaufmann in Aachen. 1888.
Giesen, Oberpfarrer in Reiffersoheid. 1887.
Verzeichniss der Mitglieder. 2b 5
Oiesen, K., Notar in Aachen. 1887.
Giesen, K. H. J., Xadelfabrikant in Aachen. 188^.
Qiesen, Rechtsanwalt in Aachen. 1888.
Gilson, H. M., Kanfmann in Aachen. 1887.
Goeke, Dr., Realgymnasial-Oberlehrer in Aachen. 1^87.
Haas, £., Rentner in Bnrtscheid. 1888.
Havermann, J. W., Pfarrer in Setterich. 1888.
Heinrichs, Bürgermeister in Elmpt. 1886.
Heller, W., Kaiser). Katasterkontroleur a. D. in Aachen. 1888. ^
Hei penstein, D., Rechtsanwalt in Aachen. 18h7.
Her mens, Dr., Dirisionspfarrer in Köln. 1887.
Heu seh, Alex., Fabrikant in Aachen. 1888.
Heynckes, L., Kaufmann in Coblenz. 1886.
Hochscheid, Kaplan in Aachen. 1888.
Ho e seh, 0., Agent in Aachen. 1886.
Ho Hing, Freiherr M. von, Rentner in Burtscheid. 1886.
Hoyer, A., Kanfinann in Aachen. 1888.
Jansen, K., Kaufmann in Aachen. 1888.
Janssen, W. L., Landrath z. D. in Burtscheid. 1887.
Kaatzer, H., Buchdruckereibesitzer in Aachen. 1887.
Käntzeler, Vikar in Montzen-Moresnet. 1888.
Kahlau, H. J., Kaufmann in Aachen. 1887.
Kaufmann, Dr. M., Arzt in Aachen. 1886.
Keller, Dr., Kreisschulinspektor in Aachen. 1887.
Kelleter, Dr. F., Archiv-Assistent in Burtscheid. 18S8.
Kern, A., Kratzenfabrikant in Aachen. 1887.
Klaus euer, £., Kaufmann in Aachen. 1887.
Klein, Bürgermeister in Wassenberg. 1886.
Konertz, P. J., Kratzenfabrikant in Burtscheid. 1886.
Kratz, R., Oberpfarrer und Definitor in Eschweiler. 1887.
Krem er, F., Buchhändler in Aachen. 1887.
Krichel, L., Pfarrer in Anrath. 1887.
Laaf, Dr. F. J., Arzt in Burtscheid. 1888.
Lamberz, £., Ingenieur in Aachen. 1888.
Leruth, Aug., Rentner in Aachen. 1887.
L Ingen s. F., Tuchfabrikant in Aachen. 1886.
Lingens, H., Tuchfabrikant in Aachen. 1888.
Linse, E., Architekt in Burtscheid. 1887.
Lochner, E., Tuchfabrikant und Stadtverordneter in Aachen. 1887.
Lo erper, J., Pfarrer in Haaren. 1887.
Luxembourg, Dr. M. R., Arzt in Aachen. 1888.
286 Verzeiclmiss der Mitglieder.
Marjan, H., Realgymnasial-Oberlehrer in Aachen. 1889.
Mayer, E., Rechtsanwalt in Aachen. 1887.
Meessen, J. J., Architekt und Bauunternehmer in Forst. 1886.
Merscheim, Pfarrer in Kohlscheid. 1887.
Mevissen, Dr. von, Geheimer Kommerzienrath in Köln. 1887.
Middeldorf, J., Rechtsanwalt in Aachen. 1888.
Neilessen, Dr. iur. Franz in Aachen. 1887.
Neujean, E., Maler in Aachen. 1887.
Neuss, Dr., Realgymnasial-Direkt or in Aachen. 1887.
Oberländer, Regierungs-Assessor in Aachen. 1887.
Pelser-Berensberg, von, Sekonde-Lieutenant in Düsseldorf. 1886.
PI um, Btlrgermeister in Büsbach. 1888.
Pohl, W., Bildhauer in Aachen. 1888.
Prinz, Dr. P., Erster Seminarlehrer in Comelimünster. 1888.
Radermacher, P. iun., Ingenieur in Aachen. 1888.
Rauschen, Dr. G., Rektor in B.-Gladbach. 1887.
Regel, Dr., Gymnasial-Oberlehrer und Dirigent des Kaiser Wilhelm-
Gymnasiums in Burtscheid. 1887.
Reichensperger, Karl, Landrichter in Köln. 1888.
Reinkens, J. M., Gymnasiallehrer in Düsseldorf. 1887.
Reumont, Dr. A., Regienmgs-Referendar in Aachen. 1887.
Rey, Dr. M. van, Assistenzarzt in Aachen. 1887.
Ritter, G., Tuchfabrikant in Burtscheid. 1888.
Roderburg, Pfarrer in Berkum. 1887.
Savelsberg, Dr. H., Gymnasiallehrer in Aachen. 1886.
Scheibler-Hülhoven, R. von, Landrath in Heinsberg. 1887.
Schervier, E., Rentmeister in Düsseldorf. 1887.
Schleicher, Hugo in Düren. 1886.
Schlesinger, V., Gerichtsreferendar in Aachen. 1888.
Schneider, H., Spinnereibesitzer in Aachen. 1888.
Schroers, Dr. J. H., Professor der Theologie in Bonn. 1888.
Schweitzer, J., Buchhändler in Aachen. 1886.
Schwickerath, städtischer Musikdirektor in Aachen. 1887.
Senden, Hauptmann und Batterie-Chef in Porta. 1886.
Sommer, A., Apotheker in Aachen. 1887.
Startz, K., Kaufmann in Hamburg. 1888.
Straub, W., Pfarrer in Burtscheid. 1887.
Suermondt, R., Banquier in Aachen. 1887.
Verzeiehiiiss der Mitglieder. 287
Talbot, Dr. G., Grerichtsrcferendar in Aachen. 1887.
Theissen, H., Gasthofsbesitzer in Aachen. 1887.
Thisaen, Dr. J., Arzt in Aachen. 1888.
Trost, Dr. F., Regiemngs- und Medizinalrath in Aachen. 1887.
Vendel, J., Religionslehrer in Aachen. 1886.
Vonderbank, P., Sandgrubenbesitzer in Aachen. J888.
Vossen, L., Fabrikant und Stadtverordneter in Aachen. 1888.
Weerth, Dr. E. aus'm, Professor in Kessenich. 1887.
Welter, E., Justizrath, Rechtsanwalt in Aachen. 1H87.
Wilms, W., Kaufmann in Elrkelenz. 1887:
Wirth, Bürgermeister in Geilenkirchen. 1886.
Wirtz, L., Rendant in Burtscheid. 1888.
Witkowsky, S., Generalagent in Aachen. 1888.
Wolff, Pfarrer iii Elmpt. 1887.
Zander, A., cand. phil. in Aachen. 1887.
Zimmermann, K. von, Kaufmann in Aachen. 1888.
~ ZEITSCHRIFT
)P
%\ DES
/)s4^AACHENER GESCHICHTSVEREINS.
v.i/
IM AUFTRAG DER WISSENSCHAFTLICHEN KOMMlSSKlN
RICHARD PICK,
AECHIVAR DER STAIVT AACHEN.
ELFTER BAND.
AACHEN.
KOMMISSIONS-VERLAO DEH CB£UER'SCHEN BUCHHANnl.UNH (C. lAZlNj.
1889.
Die verehrlichen Herren Mitarbeiter werden höflichst ersucht,
in ihren für den Druck bestimmten Manuskripten nur eine Seite
der Blätter nicht zu eng zu beschreiben und davon die Hälfte l||n
noch völlig frei zu lassen. Der Redaktion wie dem Setzer und
Korrektor wird dadurch viel Zeit und Mühe erspart.
Die Manuskripte sind zu senden an Geheirarath Loersch in
Bonn oder an Stadtarchivar Pick in Aachep.
Um das durch besondere Verhältnisse gebotene rechtzeitige
Erscheinen der Abhandlung von Dr. P. Clemen in diesem Bande
zu ermöglichen, sind die auf dem Umschlag von Band X an-
gekündigten Aufsätze der Herren R. Pick, S. Plankeb und
M. Schollen mit deren freundlichst gewährten Zustimmung für
den nächsten Band zurückgestellt worden.
Die verehrlichen Vereine, Gesellschaften, Anstalten und
Redaktionen, mit welchen der Aachener Geschichtsverein in
Schriftenaustausch steht, bitten wir, uns ihre Veröffentlichungen,
sofern deren Zusendung nicht direkt durch die Post erfolgt,
durch die CnEMiER'scFrE Buchhandlung in Aachen gefälligst
zugehen zu lassen.
DER VORSTAND.
ZEITSCHRIFT
AACHENER GESCHICHTSVEREINS.
IM AUFTRAG DER WISSENSCHAFTLICHEN KOMMISSION
RICHARD PICK,
ARCHIV AK DES STADT AACHEN.
ELFTER BAND.
AACHEN.
VERLAQ DEB CRKHER-SCHEX BUCHHiNDLUNQ {C. CAZlNj.
1889.
1^
Inhalt.
t. Ein Sühnegesehenk für das Aachener Münster. Von H. Loersoh 1
2. Die Herren von Milendonk ftos dem (leschlecht der von Mirlaer.
Von E. Yon Oidtman 8
8. Ein Aachener Dichter des 14. Jahrhunderts. Von C. NOrrenberg 60
4. Römerstrassen im Regierungsbezirk Aachen. I. Von J. Schneider 67
5. Ans der Zeit der Fremdherrschaft IV. Zur Geschichte des Assignaten-
omlanfs und des Gesetzes ttber das Maximum in der Aachener
Gegend. Von E. Pauls 75
6. Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. Von W. Graf von
Mirbach.
Vorbemerkung 98
I. Wilhelm IV. von Jülich als Wohlthäter von Kirchen und
Klöstern 100
n. Vasallen und Gebietszuwachs unter Graf Wilhelm IV. . . 111
m. Wilhelms IV. Gemahlin, Brüder und ältester Sohn .... 128
rV. Rikarda als Gräfin von Jülich 1278—1283. (Mit Abbildung.) 188
V. Die übrigen Kinder des Grafen Wilhelm IV 142
VI. Walram I. Herr zu Bergheim 147
7. Der Aachener Domschatz und seine Schicksale während der Fremd-
herrschaft. Von J. Hansen 160
8. Die Melodie des Aachener Weihnachtslieds. Von H. Böckeier . 176
9. Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen. Von P. Giemen.
Einleitung 184
I. Das gleichzeitige literarische Porträt 194
n. Das gleichzeitige künstlerische Porträt.
A. Literarisch als gleichzeitig beglaubigte Darstellungen.
1. Siegel und Münzen. (Mit Abbildung.) 206
2. Das Grabmal in Aachen 210
8. Die Wandgemälde im Kaiserpalast zu Aachen . . . 214
4. Der Bilderkreis der Pfalz zu Ingelheim 218
5. Die Statue ün Klosterhof zu Lorsch 222
6. Die Mosaik hn Triklinium des Lateran. (Mit Abbildung.) 224
7. Die Mosaik in Santa Susanna zu Rom 228
v>
in Sühnegeschenk for das Aachener Münster.
Von H. Loersch.
Zu der ebenso reichhaltigen wie lehrreichen Sammlung kirch-
licher Kunstwebereien und alter Stickereien, welche im Oktober
und November 1887 zu Krefeld in den schönen Räumen der
königlichen Webeschule unter dem Protektorat des Herrn Erz-
bischofs von Köln ausgestellt war, hat das Aachener Münster
aus seiner Schatzkammer nicht weniger als zwei volle Dutzend
liturgischer Gewänder beigesteuert. Diese prachtvolle Reihe,
beginnend mit dem weithin bekannten Messgewand des h. Bern-
hard, mit zwei den kunstfertigen Händen der Schwestern vom
armen Kinde Jesu entstammenden Kasein abschliessend, ver-
gegenwärtigte Entwicklung, Umgestaltung, Verfall und Wieder-
geburt der kirchUchen Zwecken dienenden Weberei und Stickerei
von der Mitte des 12. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in
den kostbarsten, zum grössten Theil vorzüglich erhaltenen
Exemplaren. Zu den bisher, so viel ich sehe, niemals besprochenen
Stücken der glänzenden Aachener Sammlung gehört ein voll-
ständiger wohl erhaltener Messornat, den der Katalog unter
Nr. 27 und 28 aufführt, Kasel und zwei Dalmatiken von gleich-
massig blassgrüner Farbe. Den Stoff bildet ein sehr reiches
Muster in Sammt auf Atlasgrund ^ Das Kreuz der Kasel wie
die Stäbe und Aerraeleinfassungen der Dalmatiken sind aus
golddurchwirkten sog. Kölnischen Borten mit rothem Seidengrund
hergestellt. Die technische und ästhetische Würdigung des
Stoffes und der Borten, sowie den Nachweis des Entstehungs-
*) Vgl. hierza Fr. Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder des
Mittelalters I, S. 98 ff.
1
2 H. Loorsoh
orts des erstem kann hier nicht versuclit, es soll nur auf einige
Umstände hingewiesen werden, die der Katalog nicht erwähnt
und welche gestatten, die Schenkerin des schönen Ornats mit
voller Sicherheit, den Anlass des Geschenks mit einem hohen
Grade von Wahrscheinlichkeit zu bestimmen.
Das den Borten eingewebte reiche Pflanzenornament wird
nämlich an gewissen Stellen unterbrochen oder vielmehr ersetzt
durch ebenfalls eingewebte Worte, welche eine zusammenhängende
Inschrift bilden; ausserdem findet sich an der Kasel ein schön
und in ziemlich grossem Massstab (10 — 12 Centimeter Höhe),
der Hauptsache nach in Weberei, zum Theil in Stickerei aus-
geführtes Wappen, das auch auf der Vorderseite der beiden
Dalmatiken angebracht, hier aber leider durch eine Reparatur
verstümmelt ist. Die Inschrift besteht aus drei Stücken, welche
sich jedesmal auf zwei Zeilen vertheilen. Sie ist überall in
schön gezeichneten 4 — 4^2 Centimeter hohen gothischen Minus-
keln hergestellt. Der erste und der letzte Buchstabe jeder
Zeile geht bei den auf den Dalmatiken stehenden Stücken der
Inschrift mit zierlichen, aus seinen Strichen erwachsenden, ranken-
artigen Ausläufeni in das rechts und links befindliche Ornament
über, so dass die Worte fast unbemerkbar mit diesem abwechseln.
Auf der Kasel dagegen unterbricht die Inschrift das senkrecht
aufsteigende Ornament der Borte, ohne sich mit ihm zu ver-
ästeln. Der Anfang der Inschrift befindet sich auf der Rückseite
der Kasel, unmittelbar über der Stelle; wo die deren Kreuz
bildenden Borten sich schneiden, und lautet:
walburch
vä moirs
Die beiden Fortsetzungen stehen auf den Dalmatiken, ebenfalls
auf deren Rückseiten und zwar auf dem die beiden senkrecht
herablaufenden Stäbe vereinigenden Querstück; ihre Reihenfolge
ist durch das Vorkommen des Wortes „und" in unzweifelliafter
Weise gekennzeichnet. Die erste lautet:
vrauwe zo die zweite: ind tzo le
hensberghe weberge
Durch Zusammensetzung der drei Theile unter Auflösung der
Abkürzungen wird die folgende Inschrift gewonnen:
Walburch van Moirs,
vauwe zo Hensberghe ind tzo Lewenberge.
Ein Stthnegeschenk für das Aachener Münster. 3
Das auf der Kasel und den Dalmatiken an der Brustseite
angebrachte Wappen, dem kein Helm aufgesetzt ist, hat Herr
Ernst von Oidtman nach meiner ihm übersandten Skizze zu
bestimmen die Güte gehabt. Es ist, wie er schreibt, ein Alliance-
wappen. Senkreclit getheilt, enthält es heraldisch rechts das
Wappen der Grafen von Moers: in goldenem Feld ein blauer
Querbalken, heraldisch links das Heinsbergische Wappen, näm-
lich ein quergetheilter Schild, unten in rothem Feld ein silberner
aufgerichteter auswärts gewendeter Löwe (das Heinsbergische
Stammwappen), oben senkrecht getheilt, vom in rothem Feld
zwei goldene senkrecht mit den Köpfen auswärts gestellte Fische,
von goldenen Kreuzchen begleitet (Grafschaft Chiny), hinten
von Roth und Gold zehnmal quergetheilt — oder auch in Roth
fünf goldene Querbalken — (wegen der Grafschaft Ijoos). In
der Mitte des AUiancewappens ist auf der Heinsbergischen
Seite an der Spaltliuie der halbe Löwenbergische Herzschild,
von Roth und Silber abwechselnd in zehn Plätze getheilt, angebracht.
Die fehlende Helmzier würde über dem Moersischen Wappen
ein Hundekopf mit blauem Querbalken, über dem Heinsbergischen
ein Helm sein, aus dessen Laubkrone ein paar Hasenohren
eraporstehen. Die heraldische Seltenheit eines halben Herz-
schilds weisen Siegel von Angehörigen des Loen-Heinsberg-
Löwenbergischen Geschlechts mehrfach auf, so z. B. die Siegel
Wilhelms I. von Loen, Herrn zu Jülich, Grafen von Blanken-
heim (1411, 1431, 1434), sowie das der Maria von Croy, der
Gemahlin Wilhelms n. von Jülich-Blankenheim (1462). Das
vorliegende Alliancewappen ist aber unrichtig geordnet, da
heraldisch rechts Heinsberg, das Wappen des Mannes, links
Moers stehen müsste. Es geschah im 15. Jahrhundert nicht
selten, dass das Wappen der Frau heraldisch rechts angebracht
wurde, wenn ihr Haus ein vornehmeres war, als das des Mannes.
Das trifft jedoch hier keineswegs zu, da Moers wie Heinsberg
gleich vornehme Geschlechter waren. Die Wappenzeichner
jener Zeit scheinen noch nicht so streng verfahren zu sein wie
die späterer Jahrhunderte, denn man begegnet solcher verkehrten
Stellung häufig, wie sich ja auch Willkürlichkeit oder Unkennt-
niss der Maler oder Stecher in Bezug auf manche Geschlechts-
wappen und -Siegel nachweisen lassen.
Wappen und Inschrift ergänzen sich gegenseitig und gewähren
genaue Auskunft über die Persönlichkeit der Geberin. Das
6 H. Loersch
als eine freiwillige, nur indirekt das verübte Unrecht aner-
kennende und sühnende Gabe möchte ich sie angesehen wissen,
und wahrscheinlich erst geraume Zeit nach dem Abschluss der
vermuthlich ohnehin langwierigen Verhandlungen werden sie
überreicht worden sem. Dass eine Frau des Heinsbergischen
Hauses auf der Inschrift, welche sie tragen, als die Spenderin
genannt ist, haben wir aufzufassen als eine naheliegende Rück-
sicht gegenüber dem regierenden Herrn, dem die Verantwort-
lichkeit für den schnöden Angriff eigentlich zufiel, den man aber
aus vielen Gründen zu schonen hatte. Es liegt darin eine
geschickte Verhüllung des eigentlichen Charakters des Geschenks.
Dass dieses erst in den dreissiger Jahren des 15. Jahrhunderts,
vielleicht erst nach dem Antritt der Herrschaft durch Johann in.
im J. 1438 gestiftet worden, beweist eben die Nennung der
Frau Walburgis. Uebrigens war die zweite Gemahlin Johann II.,
Anna von Solms, spätestens 1433, vielleicht noch früher ver-
storben \ und schon seit diesem Zeitpunkt hatte somit Wal-
burgis das Recht wie die Pflicht, aufzutreten, wenn es sich um
die Repräsentation des Heinsbergischen Dynastengeschlechts
durch eine Dame handelte. Gewissheit wäre auch hier nur aus
Briefen oder andern urkundlichen Aufzeichnungen, namentlich
aber aus den altern Schatzverzeichnissen der Marienkirche zu
schöpfen.
Mag nun die Uebergabe des Ornats früher oder später
erfolgt sein, unter allen Umständen hatte bereits eine zweite
Frevelthat ihn thatsächlich zu einem doppelten Sühnegeschenk
gestempelt, denn es war Johann II. von Heinsberg, der in der
Nacht vom 1. zum 2. Oktober 1429 die Schaar von Adeligen
anführte, welche durch Verrath die Stadt Aachen überfiel, die
sich zur Wehr setzenden Bürger niedermachte und dem von
diesen beseitigten Rath wieder zur Herrschaft verhalf ^. Frau
Walburgis wird die Handlung, ihres Schwiegervaters, der mehr
als einen derartigen Anschlag auf dem Gewissen liatte, zwar
nur als die vollkommen berechtigte Niederwerfung frecher Em-
pörung angesehen haben; das schliesst aber eine Regung weib-
lichen Mitleids imd christlicher Theilnahme für die Opfer dieser
') Kremer a. a. 0. I, S. 55 f.
^) Eine genaue Darstellung dieser Vorgänge gibt Loersch bei Haageu,
( geschieh te Achens II, S. 582 flf.
Ein Stthuegescheuk für das Aachener Münster. 7
gewaltsamen Herstellung der Ordnung nicht aus. Sie mag auch
der Seelenruhe der Erschlagenen und Hingerichteten gedacht
haben, indem sie der Marienkirche ihre schöne Gabe tibersandte.
Verknüpft sich mit dieser die Erinnerung an ein gewaltthätiges
Geschlecht und blutigen Kampf, so liegt doch auch gerade in
der Walü des Geschenks ein versölinender Hinweis auf die
sühnende Wirkung des Messopfers, zu dessen Darbringung es
zu dienen bestimmt war.
Die Herren von Müendonk aus dem Geschlecht der
von Mirlaer.
Von E. von Oidtman.
Milendonk im Kreise Gladbach, noch jetzt eine stattliche
Burg, mit Thürmen und Brücken versehen \ gab einem Edel-
herrengeschlecht den Namen. Dasselbe erscheint Mitte des
12. Jahrhunderts urkundlich 2. Diesem Edelherrengeschlecht
gehörte der bekannte Cäsarius von Milendonk an, welcher von
1212—1217 Abt zu Prüm war und späterhin (1222) als Mönch
zu Heisterbach eine noch im Original vorhandene Beschreibung
der Güter und Einkünfte der reichen Abtei Prüm für seinen
Nachfolger, den Abt Friedrich von der Leyen, verfasste^. Die
letzten Mitglieder des Geschlechts werden in einer Urkunde
vom J. 1278 erwähnt, in welcher Adolf und Walram von Milen-
donk, aus der Haft entlassen, erklären, dass sie Alles billigen
wollen, was ihr Bruder Gerhard und ihre Mutter Hadwig^
wegen der Güter zu Jüchen mit dem Erzbischof von Köln ver-
einbart haben imd was Schiedsrichter wegen des Schlosses
Milendonk bestimmen werden. Die Urkimde besiegelten Wilhelm
*) Abgebildet bei Dunker, Die Rittergüter der preussischen Monarchie.
In der Gladbacher Zeitung, Jahrg. 1888, Nr. 86, 95, 100 und 107 ver-
öffentlicht Lentzen eine Abhandlung über „die Dynasten von Milendonk, ihre
Burg und ihr Land", in welcher viele genealogische Unrichtigkeiten ent-
haltep sind.
*) Kremer, Akademische Beiträge II, S. 228 und 246; Günther,
Codex dipl. Rheno-MoseUanus I, p. 387, 423 und 457.
•) Das Original im Staatsarchiv zu Coblenz. Letzte Ausgabe im
Mittelrheinischen ürkundenbuch I, S. 142 ff. Vgl. dazu Lamprecht, Deut-
sches Wirtschaftsleben II, S. 59 ff.; auch Barsch, Eiflia illustr. I, 1, p. 169.
*) Auch bei Fahne, Kölnische Geschlechter II, S. 95 als Wittwc
Dietrichs von Milendonk erwähnt. Daselbst ist auch ihr Siegel beschrieben,
das indess keinen Wappenschild zeigt. In den Urkunden werden diese Milen-
donk stets mit dem Beinamen nobilis oder nobilis dominus angeführt.
Die Herren von Milendonk aus dem Geschlecht der von Mirlaer. 9
von Helpenstein, N. Vogt zu Neersen, Gerhard, Edelvogt zu
Köln, Arnold von Hostaden, Wierich von Bacheim, die Brüder
Heinrich und Rembodo von Boedberg und Adolf von Rimenzheim ^
Die drei Gebrüder Milendonk kommen noch 1290 urkund-
lich vor^, sie genehmigen nämlich in diesem Jahre, dass der
deutsche Orden von ihren Eltern einen zinspflichtigen Mann
zu Elsen erlialten hat. Die Urkunde besiegelten als Zeugen
Johann von Reifferscheid und Ritter Heinrich von G^venich,
Marschall im Bruch. Da bereits 1300 Rudolf Edelherr von
Reifferscheid (Sohn Johanns) vom Grafen Reinald von Geldern
mit Milendonk belehnt wird^ und Johann von Reifferscheid die
eben erwähnte Urkunde der Edelherren von Milendonk besiegelt
hat, so liegt die Annahme nahe, dass die Reifferscheid durch
Verwandtschaft mit den Milendonk in den Besitz des Schlosses
Milendonk gelangt sind. Rudolf von Reifferscheid und von
Malberg* empfängt am 7. Juni 1300 die Burg Milendonk vom
Grafen Reinald von Geldern zu Lehn und als Offenhaus. Die
Vorburg soll des Grafen AUod werden ^ Rudolf kommt mit
seiner Gattin Aleidis und seinem Sohn, dem Ritter Friedrich,
1321 urkundlich als Herr zu Milendonk vor®. Er war 1329
todt, denn in diesem Jahr bekennt Friedrich von Reifferscheid,
Herr zu Milendonk, dass ihm von der Stadt Köln 900 Mark
gezahlt worden seien, die seinem Vater Roland^ wegen des
Kampfes vor Brühl nach dem Sühnebrief zugestanden hätten.
Im J. 1346 wird Friedrich Anverwandter des Grafen Friedrich
von Moers genannt®; 1351 ist bereits Jakob von Mirlaer Herr
*) Die Urkunde ist abgedruckt bei L. Korth, Liber privilegiorum
maioris ecciesiae Coloniensis im 3. Ergänzungsheft der Westdeutschen Zeit-
schrift fiir Geschichte und Kunst S. 270; vgl. die Urkunde vom 23. Juni 1276
da^. S. 246.
*) Hennes, Urkundenbuch des deutschen Ordens Nr. 307 (Original im
Staatsarchiv zu Düsseldorf); Günther 1. c. II, p. 364 und Korth 1. c. p. 246.
*) Die Urkunde ist abschriftlich im 10. Bande der Red in ghoven sehen
Sammlung enthalten.
*) Schloss Malberg an der Kyll in der Eifel.
*) Nijhoff, Gedenkwaardigheden I, no. 71, wo aber nur ein kurzes
Regest der Urkunde mitgetheilt ist.
«) Hennes a. a. 0. Nr. 412—415.
^) Höhlbaum, Mittheilungen aus dem Stadtarchiv von Köln V, S. 73,
Nr. 1279. Der Name Roland dürfte auf einen Schreibfehler des Ausfertigers
der Urkunde zurückzuführen sein.
*) Lacomblet, Urkundenbuch HI, Nr. 429.
10 E. von Oidtman
ZU Milendonk^ Er hatte Beatrix von Reifferscheid zur Frau,
welche wohl eine Schwester des obenerwähnten Friedrich von
Reiflferscheid war. Milendonk blieb nun beinahe drei Jahrhun-
derte lang im Besitz des Geschlechts Mirlaer*, welches sich
späterhin ausschliesslich „von Milendonk" nannte. Dasselbe
nimmt unter den Uradelsgeschlechtern des Niederrheins vom
13. — 18. Jahrhundert eine hervorragende Stellung ein, sowohl
durch seinen grossen Besitz — gehörten ihm doch die Herr-
schaften Milendonk, Schönau, Warden, Fronenbruch-Hörstgen,
Drachenfels, Meiderich und zahlreiche andere Besitzungen —
als auch durch einzelne thatkräftige und entschlossene Männer.
Eine Zeit lang bekleideten Mitglieder des Geschlechts das
Erbdrostenamt des Herzogthums Geldeni. Den Glanzpunkt
erlangte die Familie durch die Heirath Dietrichs Herrn zu
Milendonk mit der Erbtochter des Burggrafen von Drachenfels.
Dietrich nahm als Herr der Herrschaft Schönau das Münzrecht
für sich in Anspruch und liess silberne Münzen mit seinem
Bildniss schlagen.
Einen Hauptzankapfel innerhalb der Familie bildete die
freie Herrschaft Schönau, um die Jahrhunderte lang prozessirt
wurde und die aus einer Hand in die andere, theilweise mit
Gewalt, überging. Ueberhaupt waren die Herren von Milendonk
in eine Menge von Prozessen verwickelt, ganze Stösse von
Akten in dem Archiv des Reichskammergerichts beweisen es.
Das bedeutendste Streitobjekt war die Grafschaft Hom im Erz-
stift Lüttich, welche den Herren von Milendonk und ihren
Rechtsnachfolgern, den Herren von dem Knesebeck, vom Fürst-
bischof von Lüttich vorenthalten wurde. Die Ansprüche, selbst
durch Friedrich den Grossen aufs Angelegentlichste unterstützt,
dauerten bis in das 19. Jahrhundert fort, hatten indess, obwohl
durchaus begründet, keinerlei Erfolg.
Die Linien Schönau und Fronenbruch der Herren von Milen-
donk geben ein Bild der Junker des 16. und 17. Jahrhunderts:
Familienzwist, Prozesse und Maitressenwirthschaft — wie es
Ferber in seiner kleinen Schrift „Die Niersjunker" so treffend
geschildert hat. Auf die drastischen Einzelheiten, welche die
>) Höhlbaum a. a. 0. VII, S. 4, Nr. 1998.
') Das Wappen war ein von Schwarz nnd Gold sechsmal quergetheilter
Schild. Der Helm zeigte zwei spitze Büffelhörner, auswärts mit je drei Pfeil-
Anden besteckt.
Die Herren von Milendonk aus dem Geschlecht der von Mirlaer. 11
Prozessakten im Staatsarchiv zu Wetzlar bieten, einzugeben,
muss ich aus verschiedenen Rücksichten mir versagen. Die
bisher gednickten Genealogien der Herren von Milendonk, z. B.
bei Fahne, Barsch u. A., sind voller Unrichtigkeiten; einzehie
Generationen sind ganz falsch dargestellt, der Linie zu Pley
ist bisher überhaupt keine Erwähnung geschehen.
Eine zusammenhängende Stammreihe lässt sich erst auf-
stellen mit:
I.
Jakob von Mirlaer, Ritter. Er wurde an der ülrepforte
zu Köln im Gefecht von den Kölnern erschlagen^.
II.
Sein Sohn Jakob von Mirlaer schwur 1297 mit Jakob von
Appeldeme der Stadt Köln Urfehde und versprach, sich wegen
des an der Ülrepforte erschlagenen Ritters Jakob von Mirlaer
nicht rächen zu wollen *. Jakob erscheint in zahlreichen Urkunden
von 1313 — 1341 * als Zeuge, so 1322 als Rath des Grafen von
Geldern, 1324 als Jakobs Sohn mit Jakob von Mirlaer*. In
demselben Jahre empfing er mit seinem Sohn Jakob vom Grafen
von Jülich den Hof zu Mergentzheim mit Gericht, Lehnmannen
und Zubehör zu Lehn*. Er wurde 1326 vom Grafen von Geldern
mit einem Burglehn zu Montfort belehnt. 1327 wird er in
mehrern Urkunden „der Alte" genannt. Im Oktober 1331
wurde er mit den geldrischen Räthen Otto Herrn von Kuyck
und Rikald von Heeswick, Propst zu Utrecht, als Gesandter
des Grafen Reinald von Geldern nach England geschickt^;
1339 ernannte ihn derselbe Graf, als Kaiser Ludwig Geldern
zum Herzogthum machte, zum geldrischen Erbdrosten (dapifer) \
') Höhlbauxn a. a. 0. IV, S. 37, Nr. 624.
') Ennen, QueUen III, Nr. 452. Aus der Urkunde geht nicht hervor,
dass die sog. Schlacht an der Ülrepforte gemeint ist.
') van Spaen, Historie van Gelderland I, p. 365, 375 und Nijhoff,
Gedenkwaardigheden I.
*) Nijhoff 1. c. I, no. 198. Der letztgenannte Jakob ist der unter HI
erwähnte.
^) Jülichsche Lehnregister im Staatsarchiv zu Düsseldorf.
*) van Spaen 1. c. I, p. 471.
^) van Spaen, Inleiding tot de historie van Gelderland II, no. 42.
12 E. von Oidtman
was Jakob 1342 erklärt, indem er bekennt, den „geldrischen
Weerd" im Kirchspiel Gent mit 100 Pfund Pfennigen jährlich
als Erblehn erhalten zu haben und dem Herzog dessen Ein-
lösung mit 1000 Pfund Pfennigen zugesteht ^ Jakobs Kinder
waren :
1. Johann von Mirlaer, Ritter, kommt in zahlreichen Ur-
kunden von 1353 — 71* vor, 1359 wird er Rath des Herzogs,
Erbhofmeister des Herzogthums Geldern, Burgvogt und Amt-
mann zu Montfort genannt*. Im J. 1372 war er verstorben,
denn es bekennen die Söhne Rolmanns von Arendal in diesem
Jahre, dass sie jene Güter, welche nach dem Tode Johanns
von Mirlaer ihrem Vater in der Theilung mit Jakob von Mirlaer
und Hermann von Lievendal zugefallen waren, erhalten haben,
davon solle der Hof zu Erkelenz, der Zehnte zu Rheinberg,
die Pacht zu Ole und der Zoll zu Straelen ausgenommen sein,
dies solle der Vater bezw. die Mutter zu einem Drittel als
Leibzucht besitzen. Zu der Erbschaft gehörten auch die
Schlösser, Dörfer, Gerichte, Land und Leute zu Hurst und Well,
welche die Eltern 1373 ihrem Sohn Salentin von Arendal abtraten,
mit der Verpflichtung, die von Johann von Mirlaer hinterlassene
Schuld, sofern sie seinen Vater betrefi^e, zu berichtigen. Damit
er das desto besser könne, überlässt ihm der Vater auf sechs
Jahre Haus und Hof auf dem Weerde mit Zubehör, wie er sie
in der Theilung mit Hermann von Lievendal erhalten hatte*.
2. Eine Tochter, vermählt mit Johann de Cock, Herrn
zu Werdenburg ^
3. Heinrich von Mirlaer, 1337 zimi Dompropst von Utrecht
erwählt, starb am 21. Januar 1362.
4. Jakob folgt.
>) Nijhoff I. c. I, no. 886.
*) Nijhoff I. c. n und Lacombict, ürkundenbuch III, Nr. 512, 555
und 655.
») Nijhoff 1. c. n, p. 142, not. 3.
*) Strange, Beiträge X, S. 49 und 50, Anm.
^) Fahne, Köln. Geschlechter ü, S. 220; van Spaen, Inleiding III,
p. 290 gibt an, der Sohn Johanns de Cock habe das Erbhofineisteramt von
Geldern an seinen „Neef* Herrn Jakob von Mirlaer vorerbt. Seine Enkelin
habe Wilhelm von Broichhausen geheirathet. Ersteres ist aber nach Nijhoff,
Gedenkwaardigheden in, p. 163 ein Irrthum, da Jakob von Mirlaer das
*"•* verkauft hat.
Die Herren Yon Milendonk ans dem Geschlecht der von Mirlaer. 13
m.
Jakob von Mirlaer, 1328 der Junge und Ritter genannt,
in zahlreichen Urkunden von 1328 — 1368 als Zeuge aufgeführt.
Eine Urkunde von 1331, in welcher er als Zeuge vorkommt,
ist wegen Erkelenz bemerkenswerth. Tielken, Godart, Heinrich,
Christine, Katharina, Aleid und Bela, Geschwister von dem
Gruithuis, tragen dem Grafen von Geldern die Gruit zu Erkelenz
als Lehn auf. Ausser Jakob von Mirlaer siegelt auch Walter
von Vossem. Das Schöffensiegel von Erkelenz zeigt oben den
wachsenden Löwen, unten die Mispelblüthe ^ Im J. 1351 stthnt
sich Herr Jakob von Mirlaer und Milendonk als Helfer Wal-
rafs von Falkenburg mit der Stadt Köln^. In diesem Jahre
besass er also schon Milendonk. Im J. 1359 stellten Jakob
Herr von Mirlaer und Johann von Mirlaer zwölf gewappnete
Reiter für den Landfriedensbund'; 1360 besitzt Jakob ein
Drittel der Herrlichkeit Afferden als Lehn der Edelherren von
Kuyk*; 1368 lebte er noch^. Mit seiner Gattin Beatrix von
Reifferscheid, Tochter zu Milendonk, hatte er folgende Kinder:
1. Jakob, folgt.
2. Christine von Mirlaer, Gattin des Ritters Roilman von
Ahrenthal 1370.
3. Johann von Mirlaer, 1397 Herr zu Milendonk ^
4. Mettel von Mirlaer, wird 1370 mit ihrem Gatten, dem
Ritter Hermann von Lievendal, vom Erzbischof von Köln mit
der Burg Lievendal belehnt.
IV.
Jakob von Mirlaer, Herr zu Mirlaer und zu Milendonk,
verzichtet 1386 auf sein Recht auf freies Geleit im Land von
Geldern, nachdem er sein Haus, Schloss und Land von Milen-
donk mit Renten, Gülten und Zubehör auf sechs Jahre dem
Herzog Wilhelm von Jülich zu Lehn aufgetragen und im Lande
von Jülich und von Geldern auf sechs Jahre lang freies Geleit
*) Nijhoff, Gedenkwaardigheden I, p. 259.
«) Höhlbaum, Mittheilungen VII, S. 4, Nr. 1998.
*) Nijhoff, Gedenkwaardigheden 11, no. 89, p. 128.
*) F er her, Geschichte der Schenk von Nideggen S. 20.
•) Nijhoff 1. c. p. 282 und 236.
«) Ferber a. a. 0. S. 20 und 21.
H E. von Oidtman
erhalten hattet Am 7. Oktober 1387 trägt er für sich, seinen
Sohn Johann und dessen Frau Bela Scheiffart von Merode sein
Haus Milendonk mit Thoren, Mauern, Gräben und Befestigimgen
dem Herzog von Jülich als Lehn und Oifenhaus auf. Er besiegelt
die Urkunde mit sechsmal quergetheiltem Schild, der Helm
zeigt die Büffelhörner 2. Im J. 1390 bekennt er mit seiner
Gattin Johanna unter IVßtbesiegelung der Söhne Johann und
Heinrich und mit Zustimmung des Herzogs von Jülich-Geldern,
dass er das Erbdrost- und Erbhofmeisteramt von Geldern an
Wilhelm von Broichhausen verkauft habe^. Am 30. November
1397 erklärt er unter Mitbesiegelung seines Bruders Johann
Herrn zu Milendonk, und seines Neffen Rolmann von Arendal,
Herrn zu Well, dass er und seine Erben kein Recht an der
Herrschaft Afferden haben. Er gelobt, den Sibrecht von
Blitterswich im Besitz dieser Herrlichkeit nicht stören zu
wollen *.
Jakobs Gattin hiess Johanna von Broichhausen, Johanns
Tochter. Aus dieser Ehe gingen folgende Kinder hervor:
1. Johann, folgt.
2. Heinrich von Mirlaer, 1390 mit dem Vater ^, 1400 allein
als Zeuge genannt^; 1405 sagte er mit Johann Herrn zu Milen-
donk, Johann von Hoemen u. A. auf Seite des Erzbischofs von
Köln dem Herzog Adolf von Berg Fehde an^.
3. Guda (Goetken) von Mirlaer, auch von Meirle genannt,
erhielt 1406 vom Vater die Herrlichkeit Mirlaer und brachte
dieselbe an ihren Gatten Karl Spede (Spee®).
4. Mettel von Mirlaer, Gattin Gottschalks von Stommel,
1397 und 1417 erwähnt».
5. Luckardis, Gattin Rutgers von Alpen, Herrn zu Gars-
dorp. Beide schliessen 1405 mit Winand Schenk von Nideggen
>) Nijhoff 1. c. m, no. 116.
*) Lacorablet, ürkundenbuch HI, S. 810 und Redinghovensche
Sammlung.
8) Nijhoff 1. c. III, no. 163.
*) Ferber a. a. 0. S. 20—21.
») Nijhoff 1. c. m, no. 168.
«) Ebendas. no. 234.
0 Redinghovensche Sammlung XXII, S. 82.
*) Fahne, ürkundenbuch des G^eschlechts Spee.
®) Fahne, Köln. Geschlechter unter Stommel.
Die Herren von Milendonk aus dem Geschlecht der von Mirlaer. 15
und seiner Frau einen Tauschvertrag wegen Güter ab. Sie
war 1426 verstorben ^
V.
Johann von Mirlaer, Herr zu Milendonk, wird mit dem
Vater 1380, 1387 und 1390 erwähnt. Die Urkunde von 1387
besiegelte er mit einem Turnierkragen im Schildeshaupt ^; 1405
war er mit seinem Bruder zusammen in Fehde gegen Herzog
Adolf von Berg ^. In einer andern Fehde wurde er bei Goriechem
gefangen genommen. Johann war Rath des Herzogs von Geldern,
das Nekrologium der adligen Abtei zu Roermond nennt ihn
eques auratus*. Im J. 1426 verkaufte er die Einkünfte aus einem
in Erbpacht gegebenen Zehnten, die er von seiner Schwester
Luckardis, der Wittwe Rutgers von Alpen, ererbt hatte, an
Dietrich Schenk von Nideggen °. Seine Gattin Bela war eine
Tochter des Heinrich Scheiffart von Merode-Hemmersbach ^ und
der Liburgis von Vlatten.
Kinder ^ :
1. Johann, folgt.
2. Bela von Mirlaer, 1447 zur Äbtissin des adligen Klos-
ters U. L. Fr. zu Roermond erwählt und als solche am 30.
September 1459 gestorben ^
') Ferber a. a. 0. S. 25—26.
') Bedinghovensche Sammlung LXVI. Der Turnierkragen ist somit
hier das Wappen-Abzeichen des Sohnes im Gegensatz zum Wappen des
Vaters, welches nur die sechsfache Quertheilung zeigt.
') Vgl. oben.
*) Er hatte also das Recht goldene Sporen zu tragen, eine besondere
Auszeichnung, etwa wie jetzt ein hoher Orden.
*) Ferber a. a. 0. S. 26.
•) Lacomblet, Urkundenbuch HI, S. 810 und Nekrologium der Abtei
C. L. Fr. zu Eoermond.
') Lefort (Sammlung im Staatsarchiv zu Lüttich) gibt den Eheleuten
Mirlacr-Merode einen Sohn Johann, Yermählt mit Reinera von Boxmer, und
nennt deren Sohn Dietrich, vermählt mit einer Vlodorp. Fahne, Köln.
Greschlechter gibt, wahrscheinlich nach Lefort, dasselbe an ; in seiner Geschichte
der Salm-Reifferscheid I, 1, S. 67 bringt er dagegen eine ganz andere, eben-
falls falsche Stammreihe.
«) Nekrolog der Abtei U. L. Fr. zu Roermond und Fahne, Bocholtz
I, 1, S. 145.
16 E. von Oidtman
VI.
Johann von Mirlaer, Herr zu Milendonk, Ritter, Drost zu
Wachtendonk 1440 ^ 1452 Zeuge*; 1453 gibt ihm Herzog
Gerhard von Jülich sein Recht an dem Hause Schinnen im Lande
Valkenburg^; 1455 besitzt er und seine Gattin Haus und Hof
mit Gräben, Weihern und Zubehör zu Mostorf bei Warden. Im J.
1461 kaufte er den Herdingerhof in der Maximinstrasse zu
Köln*; 1463 besitzt er einen Theil der Herrschaft Warden*.
Johann war vermählt mit Odilia von Vlodorp, Tochter Gerhards,
Erbvogts zu Roermond, und der Elisabeth von Schönau^.
Söhne:
1. Johann, folgt.
2. Wilhelm, Dechant zu St. Georg in Köln, 1476 und
1477 urkundlich erwähnte
vn.
Johann von Mirlaer, 1456 Sohn zu Milendonk, mit dem
Vater®, 1457 Sohn zu Milendonk und Ritter genannt^. Als
Vasall der Stadt Köln musste er 1473 60 Reiter und 50 Fuss-
soldaten stellen; 1478 war er todt, seine Söhne Johann und
Kraft werden als minderjälirig bezeichnet. Johann war in erster
Ehe mit Kunigunde von Birgel, Tochter des Erbmarschalls
Engelbrecht und der Adelheid von Gronsfeld, vermählt, aus
*) Niederrheinischer Geschichtsfreund, Jahrg. 1880, S. 99.
*) A 1 f t e rsche Sammlung in der Hof bibliothek zu Darmstadt XXXIV, S- 28.
») Redinghovensche Sammlung LXVI.
*) Fahne, Forschungen I, 1, S. 48.
*) Beiträge zur (beschichte von Eschweiler und Umgegend ü, S. 120.
In dieser Urkunde von 1463, mittelst deren der Kölner Weihbischof Heinrich
Streitigkeiten schlichtet, welche wegen der Rechte der KapeUc zu Warden
entstanden waren, werden Johann von Milendonk und Heinrich von Reuschen-
berg-Setterich „Herren der Herrlichkeit zu der Warden" genannt. Graf
Mirbach, Territorialgeschichte I, S. 7 nahm an, dass Warden erst seit
etwa 1530 Unterherrschaft geworden sei. Diesen Theil von Warden hatte
wohl Odilia von Ylodorp nebst der Herrlichkeit Schönau mit in die Ehe
gebracht.
•) Wegen dieser Eheleute vgl. diese Zeitschrift Vin, S. 129, 180 und 218.
^ Staatsarchiv zu Düsseldorf, Karmeliterkloster zu Köln, Urkunden 98
und 99.
•) Vgl. Anhang I, Nr. 1.
^) Alft ersehe Sammlung in der Hofbibliothek zu Darmstadt XXXIV.
Die Herren von Milendonk aus dem Geschlecht der von Mirlaer. 17
welcher Ehe zwei Kinder in jugendlichem Alter starben. Seine
zweite Gemahlin war Belie (Sibilla) Steck, Tochter des Ritters
Kracht Steck, Herrn der Herrlichkeit Meiderich, und Ludgardis,
Tochter zu Limburg. Belie Steck, Wittwe und Frau zu Milen-
donk, und ihr Sohn Johann entlassen 1484 aus dem Lehns-
verband zu Gunsten des Klosters Neuwerk vier Morgen Wiesen,
die sog. Buscherbenden, welche von dem Hause Milendonk
lehnrührig waren ^ Aus der zweiten Ehe sind folgende Kinder
bekannt * :
1. Johann, folgt.
2. Johanna, Gattin Johanns von der Reck zu Steinfurt ^.
3. Kraft oder Kracht von Milendonk, Ritter, Herr zu Meiderich
und Schönau, Amtmann zu Blankenstein, eques auratus^ 1495.
Amt und Schloss Blankenstein besass er pfandweise und ver-
kaufte die Pfandschaft für 5000 Gulden an Bertram von
Lutzenrath ^
vm.
Johann von Mirlaer^, Herr zu Milendonk, 1478 minder-
jährig, 1484 mit der Mutter urkundlich erwähnte Im J. 1493
verkauft er mit seiner Gattin Agnes von Hoemen eine Erbrente
von 11 Gulden an Heinrich Schümer, Bürger zu Gladbach®;
1497 entlassen die Eheleute die „Grutersbenden" in der Herr-
lichkeit Milendonk zu Gunsten der Abtei Gladbach aus dem
Lehnsverband. Das Siegel Johanns zeigt den sechsmal quer-
getheilten Schild*. Durch Johanns Gattin Agnes, Tochter
Johanns von Hoemen, Burggrafen zu Odenkirchen, und der
') Staatsarchiv zu Düsseldorf, Kopiar des Klosters Neuwerk, Bl. 7 und 8.
*) Ein Sohn war wohl noch Theoderikus von Müendonk, welcher
1507—1534 Kanonikus des Aachener Münsterstifts war (Manuscr. Boruss.
fol. 784 in der Kgl. Bihliothek zu Berlin).
') Fahne, Salm I, 1, S. 67 und von Steinen, Westphälische Geschichte
III, S. 98 und 106.
*) Brosy, Annales II, p. 75.
*) Vgl. Anhang I, Nr. 5. Das Amt Blankenstein gehörte zur Graf-
schaft Mark.
^ Er ist der letzte seines Geschlechts, welcher noch den Staramnamen
Mirlaer führte, die Söhne nennen sich nur Milendonk.
^ Vgl. Anhang I, Nr. 2.
•) Inventaris van het oud Archiv van Boermond HI, p. 42.
») Vgl. Anhang I, Nr. 4.
2
18 E. von Oidtman
Margaretha von Palant zu Reuland, kam ein Theil der Herr-
lichkeit Reuland an seine Nachkommen.
Söhne :
1. Johann von Milendonk, ältester Sohn, erhielt 1514 das
Schloss Milendonk, in seinen Gräben und Zäunen, mit der Hoheit,
den Diensten, Gebot und Verbot, dem hohen und niedem Gericht.
Bei der Theilung der übrigen Güter soll ihm dieser Besitz
nicht angerechnet werdend Johann scheint früh gestorben
zu sein.
2. Dietrich, folgt.
3. Heinrich von Milendonk, besass die Herrlichkeit Meiderich,
war Amtmann zu Orsoy und Ruhrort und starb 1525.
IX.
Dietrich von Milendonk, Herr zu Milendonk ^ und Schönau *,
erhielt 1525 nach dem Tode seines Bruders Heinrich auch die
Belehnung mit dem Gericht zu Meiderich und dem Hof zum
Eicken*; 1533 erhielt er als Amtmann zu Ruhrort im Namen
seiner Schwiegermutter die Belehnung mit dem Lehn „die Pley
oder Hermannswart" im Land Huyssen, mit der Fischerei in
dem Rhein, Wasser, Weiden und allem Recht und Zubehör ^
Seine Gattin Agnes, Tochter des Burggrafen Gotthard von
Drachenfels und der Elise von Montfort, brachte ihm reiche
Besitzungen zu, nämlich einen Theil der Burggrafschaft Drachen-
fels ^, Güter zu Wolkenburg, Königswinter, die Herrschaften
Goer, Fronenbruch ^ und Meyl. Dietrich Hess 1542 silberne
Münzen schlagen mit seinem Bildnissund der Aufschrift: „Theod.D.
in Milendonk z. Schonawe". Der Revers der Münze zeigte die
vereinigten Wappen Milendonk und Drachenfels mit der Um-
schrift: „Mone. no. dom. Schonawensis 1542"®. Dietrich kommt
*) Urkunde 1 im Anhang II.
') Nach dem Tode semes Bruders Johann.
*) Nach dem Vergleich vom 12. Dezember 1523 mit Werner von
Schönrode.
*) Diese Belehnung wurde 1540 wiederholt.
^) Das Wort „Pley** bezeichnet einen Grasplatz. Vgl. Anhang I, Nr. 11.
^) Er erhielt durch Vergleich 1519 den dritten Theil des Schlosses und
der Herrlichkeit Drachenfels.
^) üeber Fronenbruch vgl. Anhang HI.
") Die Münze ist abgebildet in Quix, Geschichte der Schlösser Schonau
und üersfeld.
Die Herren von Milendonk aus dem Geschlecht der von Mirliier. 19
1543 als Drost zu Montfort vor. Er starb am 15. MÄrz 154»',
seine Grattin am 5. Juni 1557*.
Kinder:
1. Dietrich, folgt unter Linie Milendonk-Drachonfels.
2. Elisabeth von Milendonk, heirathete 1541 Adolf von
Wylich zu Diersfort, welcher 1591 starb.
3. Kraft von Milendonk, Herr zu Meiderich, Zoron* und
Schönau, starb am 2. Mai 1574 kinderlos. Seine Gattin Mar^a-
retha, Tochter Heinrichs von Merode und der Maria von Bredorode,
testirte am 25. Oktober 1575* und starb in demselben Jahre.
4. Heinrich von Milendonk, Kanonikus des Mttnsterstifts
zu Aachen 1534—1547, starb 1572.
5. Gotthard, folgt unter Linie Goer-Fronenbruch.
6. Alveradis von Milendonk, in erster Ehe mit Philipp
Dietrich von Braunsberg zu Brohlburg, Merxheim, Alken und
Brohl, Pfandherrn zur Nürburg (gest. am 14. April 1551), in
zweiter Ehe mit Franz Konrad von Sickingen vermählt. Hie
starb am 25. September 1564 ^
Linie Milendonk-Drachenfcls.
X.
Dietrich von Milendonk, Ritter, Besitzer der Herrlichkeiten
Milendonk und Drachenfels, Mitherr zu Reuland, Wolkenburg
und Königswinter, Burggraf des Erzstifts Köln «. In den Jahren
1550, 61, 72 und 77 erhielt er Belehnung mit Schloss und
Herrlichkeit Drachenfels, 1589 war er todt. Dietrich war zuerst
seit 1548 mit Theodora^ Tochter, Johanns von Bronckhorst-
') Altes Drachenfelsor Missale im Gudenauer Archiv (SchloHH Harff).
•) Nekrolog der Abtei U. L. Fr. zu Rocrmond.
») Die Herrschaft Zoron oder Soyron lag in der Lunburgischen Hoch-
bank Herve. Ueber Kraft von Milendonk vgl Strange, Bongart S. 71 ff.
*) VgL Anhang I, Nr. 15.
») Der Grabstein des Dietrich von BrauMbcrg und der Alveradi« mit
lebau^gn^^^en Figuren befand sich in der Kirche der Abtei Eommer^dorf bei
Engers: vgL die Beschreibung bei J. Wegeier, Die Prämon)rtratenHer-Abt<;i
Komaaendtfrf S. 77 f.
*) Dietrich war auch 1569—70 im Pfandb.sitz de^ Schlof^iW'» Krakau
bei Krefeld (vgL Gladbacher Zeitung ISbH, Nr. 8«: «Die Dynasten von
Mikad(«k ihre Burg und ihr Land*").
V •">- war Wittwe des Franz von Schönrode zu Hejden.
2*
20 E. von Oidtman
Battenburg, Herrn zu Rimburg, und der Gertrude von Loe,
vermählt und heirathete in zweiter Ehe Maria von Vlodorp.
Kinder erster Ehe:
XI.
1. Dietrich von Milendonk, starb jung.
2. Johann von Milendonk, Herr zu Milendonk, Drachen-
fels, Meiderich und Mitherr zu Reuland, Oberst in spanischen
Diensten, war 1586 — 1593 Kommandant zu Neuss. Er erhielt
1590 die Belehnung mit Drachenfels ^ Johann heirathete 1596
Maria Gräfin von Limburg-Styrum *, Tochter des Hermann
Georg und der Gräfin Maria zu Hoya. Er starb 1621 kinder-
los und seine Besitzungen fielen an seine Schwestern, bezw.
deren Erben.
3. Gertrud von Milendonk heirathete Jakob Grafen von
Bronckhorst-Anholt, kaiserlichen Generalfeldmarschall. In Folge
der Heirath ihrer Enkelin Maria Anna Gräfin von Bronckhorst
kamen die Herrschaften Anholt und Meiderich an deren Gemahl,
den Rheingrafen Leopold Philipp Karl von Salm-Kirburg.
Gertruds Tochter Isabella Gräfin von Bronckhorst brachte die
Herrschaften Milendonk, Drachenfels, Moyland und andere Güter
an ihren Gemahl Jakob Philipp Fürsten von Croy. Dessen
Sohn Karl Eugen Herzog von Croy, Markgraf von Montecornet
u. s. w. verkaufte im J. 1600 die Herrlichkeit Milendonk an
Maria Gertrud Gräfin von Berlepsch^, geb. Wolfl' von Guden-
berg^. Ihre Enkelin Maria Karolina Gräfin von Berlepsch
*) Die Belehnungen mit Drachenfels sind nach den kurkölnischen Lehns-
akten im Staatsarchiv zu Düsseldorf angegeben; 1615 wurde der BevoU-
mächtigte Johanns mit Drachenfels belehnt, da Johann „leibesschwach** war.
^) Regest der Heirathsberedung s. Anhang I, Nr. 21.
^) Unter ihr wurde die Herrschaft Milendonk reichsunmittelbar. Der
Besitzer erhielt 1701 einen Sitz auf der westfälischen Grafenbank. Die
Herrschaft musste zum Reichskontingent 4 Mann zu Fuss steUen und 16 Fl.
zahlen; sie umfasste 1794, als die Franzosen der Reichsherrlichkeit ein Ende
machten, 8 Dörfer mit 6656 Morgen und 1666 Einwohnern. (Hierunter ist
selbstverständlich das ganze Gebiet, nicht die der Herrschaft und zum
Schloss gehörigen Ländereien zu verstehen.)
*) Sie war mit Wilhelm Ludwig Freiherm von Berlepsch vermählt, war
Oberhofmeisterin am Hofe des letzten habsburgischen Königs Karl 11. in
Spanien und vertrat während des spanischen Erbfolgestreits mit ihrem bedeu-
tenden Einfluss das österreichische Interesse; 1700 musste sie aus Spanien
Die Herren von Milendonk aus dem Geschlecht der von Mirlaer. 21
heirathete 1732 einen Grafen Ostein. Milendonk blieb nun im
Osteinschen Besitz bis zur französischen Okkupation. Die
Osteinschen Erben (die Grafen von Waldbott-Bassenheim) wurden
durch § 24 des Reichsdeputations-Rezesses vom 25. Februar 1803
mit der Abtei Buxheim, der sog. Reichskarthaus, bei Memmingen
in Bayern entschädigt K Schloss Milendonk mit den Ländereien
kaufte 1803 von der französischen Regierung der Landrath
des Kreises Gladbach, Franz Gottfried von Maercken, dessen
Vater Amtmann der Herrlichkeit Milendonk gewesen war. Seine
Schwestertochter Konstantia Elisabeth Le Fort heirathete 1832
den Freiherrn Joseph Theodor von WüUenweber, welcher jetzt
Schloss Milendonk besitzt und bewohnt*.
4. Elisabeth von Milendonk, Erbin der Hälfte der Herr-
lichkeit Reuland, heirathete am 11. Februar 1589^ Balthasar
Freiherrn von Pallant, welcher 1625 starb*.
5. Agnes ^, die jüngste Tochter, wird 1589 erwähnt.
Linie Goer-Fronenbruch.
X.
Gotthard von Milendonk, Herr zu Goer, Meyl, Fronenbruch
flüchten. Kaiser Leopold erhob sie in den erblichen Reichsgrafenstand und
Kaiser Joseph I. zur gefürsteten Äbtissin von Prag. Sie starb 1723;
*) Unter der Verpflichtung, jährlich 9000 Gulden zu zahlen, nämlich
an den Grafen Battenburg 1300, den Grafen Plettenberg 6000 und den Grafen
Goltstein 1700 Gulden. Vgl. H. Berghaus, Deutschland vor fünfzig Jahren
I, S. 334 fif.
*) Nach von Mülmann, Statistik des Reg.-Bez. Düsseldorf befindet sich
zu Schloss Milendonk ein umfangreiches Archiv, welches mir leider unzugäng-
lich geblieben ist, in genealogischer Beziehung aber kaum nova enthalti*n
dürfte. Vgl. auch von der Nahmer, Handbuch des Rheinischen Particuliir-
Rechts ni, S. 816, § 502; von Restorff, Topographisch -statistiiwJü
Beschreibung der K. Preussischen Rheinprovinzen S. 20, 60, 484.
*) Die Heirathsberedung s. Anhang I, Nr. 19.
*) Er besass die andere Hälfte von Reuland. Die Eheleute sind i« 4if
Kirche zu Reuland begraben. Ucber diese Herrschaft vgl. BärHch, y,;*',^
iUustrata 11, 2, S. 173 und Geschichte der Herren von PaUant, hitrliu <*->-?,
S. 63, Anm. 1.
*) Eine Stammtafel aus dem frühem Archiv Schönau gil/< iin * w »
Grafen von Berg zum Gatten. Ich habe diese Verbindung mmM ai •*/'*''''**'/
bestätigt gefunden; sie beruht jedenfalls auf einer willkürli<'h« *j i * * . • ",«
weil die Grafen von Berghes später die Herrschaft Reuknd »>*b*»i>i^ r;y
Geschichte der Herren von PaUant S. 64 und 65.)
22 E. von Oidtinan
und Pley*, erbte von seinem Bruder Kraft die Herrschaften
Zoron und Schönau. Im Jahre 1568 schenkte ihm sein Schwager
Balthasar Herr von Brederode die Herrlichkeiten Vyanen und
Ameiden mit allen Stä-dten, Schlössern, Dörfern, Gericht und
Zubehör 2. Gotthard war 1579 verstorben. Seine Gattin war
Maria von Brederode, Tochter Walrams und der Anna Gräfin
von Neuenahr.
Kinder:
1. Gottfried von Milendonk, Herr zu Zoron, starb kinderlos.
2. Hermann Dietrich, folgt unter Linie Goer.
3. Elisabeth, starb jung.
4. Kraft, folgt unter Linie Fronenbruch.
5. Agnes von Milendonk, vermählt zuerst mit Hermann
von Felden genannt Cloudt *, Kommandanten zu Neuss, bei der
Erstürmung 1586 umgebracht, dann mit Maximilian von Hörn
zu Lockeren.
6. Balthasar, folgt unter Linie Schönau.
Linie zu Schönau.
XI.
Balthasar Freiherr von Milendonk* setzte sich 1589 mit
seinem Bruder wegen der Güter auseinander, er erhielt die
Herrschaft Zoron ^, Schönau und die Hälfte der Herrschaft
Warden, während Kraft die Herrlichkeit Fronenbruch-Hörstgen
und 18 600 brabanter Gulden bekam. Derselbe behielt sich
ausserdem die Titel Herr zu Schönau und Warden lebens-
länglich vor^ Von seiner Tante, der Gräfin Walburga von
*) Er erhielt durch Testament seines Vaters das Lehngut Pley und
wurde, nachdem sein Bruder Dietrich auf aUe Ansprüche daran verzichtet
hatte, 1550 damit belehnt.
') Inventaris van het oud Archiv van Roermond.
^) Ferber, Geschichte der Schenk von Nideggen S. 208, Anm. nennt
ihn als Sohn Johanns von Cloedh auf Narteln und Lauterbeck aus einer west-
fälischen Familie. Ich habe ihn sonst aber überaU als Angehörigen der
Familie Felden genannt Cloudt gefunden.
*) Den Freiherrntitel legten sich die Herren von Milendonk wahrschein-
lich wegen der sog. reichsfreien Herrschaften Schönau und Fronenbruch-
Hörstgen zu.
*) Die Herrlichkeit Zoron verkaufte Balthasar am 13. September 1591
an den kurkölnischen Kammerrath Karl BiUeus, welcher ihm 5000 Gulden
vorgeschossen hatte.
*) Staatsarchiv zu Wetzlar, Prozessakten Milendonk gegen Blanche.
Dio Herren von Milendonk aus dem Geschlecht der von Mirlaer. 23
Neuenahr, erbte Balthasar 1594 einen Theil der Herrlichkeit
Hüls. Er war vermählt mit Maria von Beek zu Kipshoven,
aus welcher Ehe eine Tochter Agnes, vermählt mit Johann
von Kessel, stammte. Da er keine ehlichen Söhne hatte, so
vermachte er testamentarisch seinem Bruder Kraft Schönau und
die halbe Herrschaft Warden. Dieses Testament aber wieder-
rief er zwei Tage vor seinem Tode und heirathete Helena
Brauhoff ^
Die drei Kinder, welche er mit ihr erzeugt hatte, legitimirte
er und bestimmte sie zu seinen Erben*; er starb am 8. März
1629 zu Schönau».
Die legitimirten Kinder waren folgende:
1. Amandus, folgt.
2. Anna Maria, heirathete 1637 Adolf von Hillensberg.
Sie war 1671 Wittwe und starb 1676.
3. Agnes*, Gattin des Balthasar Brauhoff, welcher in
staatischen Diensten zu Rees war. Sie starb am 8. November 1639*,
XII.
Amandus Freiherr von jüilendonk Hess sich 1629 in der
Herrschaft Schönau huldigen ^. Er sollte sich aber nicht lange
*) Der reformirte Prediger Johannes Orthius bescheinigte die am 6. März
1 629 von ihm vorgenommene Trauung, welche auch bezeugt wird von Junker
Hermann von Hirtz-Landskron, Johann Jakob und Isaak von Streithagen
zu ürsfeld, Mathias Brüll, Handelsmann zu Aachen, Quirin Becker, Johann
und Lemmen Ortmans, Untersassen der Herrlichkeit Schönau.
*) Das heisst: Amandus sollte dio Schwestern abfinden.
') Staatsarchiv zu Wetzlar, Prozessakten Milendonk.
*) Ihre Tochter Anna Maria Brauhoff heirathete Wilhelm von Blanche
zu Radelo, dessen Nachkommen durch Prozess Schönau erlangten, da Anna
Maria von HiUensberg geb. von Milendonk 1676 testamentarisch Isaak Lambert
von Blanche, ihrem Neflfen, Schönau vermacht hatte.
*) Stammtafel bei den Prozessakten im Staatsarchiv zu Wetzlar.
*) Die nähern Umstände der Huldigung gibt Strange, Bongart S. 74—75
an. Dass Schönau bereits im 14. Jahrhundert eine Herrlichkeit war, geht
aus den Urkunden bei Quix, Schönau S. 41 ff. und Strange, Bongart S. 97,
sowie aus der in dieser Zeitschrift VIII, S. 143 ff. veröffentlichten Urkunde
von 1391 deutlich hervor. Ob aber Schönau eine reichsunmittelbare Herr-
schaft gewesen ist und ob die Urkunde des Königs Albrecht von 1302 (diese
Zeitschrift VI, S. 102), wodurch Gerhard von Schönau, sowie sein castrum
und dominium de Schonauwen in des Reiches Schutz genommen wird, echt
ist, möchte ich dahingesteUt sein lassen.
24 E. von Oidtmau
des Besitzes seines Sonnenlehns erfreuen, denn als er die Leiche
seines Vaters nach Fronenbruch zur Familiengruft brachte,
setzte sich der Bevollmächtigte des Freiherm Adolf von Milen-
donk^ Dr. Hawicken, mit Hülfe von Soldaten in den Besitz
von Schönau und verjagte die AVittwe Balthasars mit ihren
Töchtern. Sie flüchteten nach Fronenbruch, wo sie mit Amandus
lange Jahre bei ihrem Onkel Kraft und dessen Sohn Maximilian
wohnten ^.
Aus Dankbarkeit verschrieb Amandus 1669' seinem Vetter
Maximilian die halbe Herrlichkeit Warden mit dem Zehnten
und Ländereien zu Niedermertz, sowie dem Zehnten zu Nieder-
zier zu seinem Eigenthum. Erst nach dem Tode des Freiherrn
Adolf von Milendonk 1657 gelangte Amandus wieder in den
Besitz von Schönau und überliess das Schloss seinem Schwager
Hillensberg zur Wohnung, während er selbst in Fronenbruch
blieb, wo er am 20. Dezember 1674 starb. Amandus hatte
seine Schwester, die Wittwe Hillensberg, zur Erbin von Schönau
bestimmt. Dieselbe war indess durch Maximilian von Milendonk
schon 1671^ nach dem Tode ihres Mannes von Schönau ver-
trieben worden * und Maximilian blieb bis zu seinem 1692 erfolgten
Tode im Besitz der Herrschaft. •
Linie zu Fronenbruch.
XI.
Kraft Freiherr von Milendonk vergleicht sich 1589 mit
dem Bnider Balthasar und erhält die Herrlichkeit Fronenbruch-
Hörstgen nebst 18600 brabanter Gulden. Ausserdem besass
Kraft noch mehrere Höfe bei Wachtendonk und erbte auch von
seiner Tante Walburga Gräfin von Neuenahr die halbe Herrlich-
keit Budberg bei Rheinberg. Trotzdem scheinen seine Ver-
*) Präsident des Reichskammergericbts.
*) Prozessakten im Staatsarchiv zu Wetzlar, Milendonk gegen Blanche.
Vgl. Anhang I, Nr. 39.
«) Vgl. Anhang I, Nr. 38.
*) Strange, Bongart S. 77.
*) Amandus hatte am 4. März 1661 die halbe Uerrschaft Warden dem
Johann Buirette verpfändet und Maximilian woUte, auf die oben angeführte
Schenkung von 1669 gestützt, durch die Besitznahme von Schönau sich schad-
los halten.
Die Herren von Milendonk aus dem Geschlecht der von Mirlaer. 25
mögensverhältnisse nicht günstig gewesen zu sein^ Er starb
1632. Mit seiner Magd ^ Margaretha Eykelberg hatte er folgende
Kinder, welche durch die 1622 erfolgte Heirath legitimirt
wurden ^.
1. Gotthard, wohnte zu Fronenbruch undi lebte noch 1662*;
mit seiner Frau, einer geborenen von Langen*, hatte er keine
Kinder.
2. Adolf Walraf 1634.
3. Hans Wolf 1638.
4* Maximilian, folgt.
5. Agnes 1634.
6. Anna Maria 1634.
XII.
Maximilian Freiherr von Milendonk war 1632 noch unmün-
dig ^ besass in Gemeinschaft mit seinen Geschwistern die Herr-
lichkeit Fronenbruch-Hörstgen und scheint alle seine Geschwister
überlebt zu haben. 1668 nennt er sich in einem Akt' auch
Herr zu Schönau, Hüls und Warden. Sein Vetter Amandus
hatte ihm die halbe Herrschaft Warden 1669 abgetreten. 1671
setzte er sich mit Gewalt in den Besitz von Schönau und
behauptete sich darin bis zu seinem Tode. Er starb am
20. Dezember 1695 auf Schönau. Mit Margaretha von Tegelen®
hatte Maximilian zwei Töchter, welche vermittelst der am
24. August 1677 durch einen reformirten Prediger aus Aachen
in Schönau vollzogenen Trauung® legitimirt wurden.
^) Er nahm 1605, seine Kinder nahmen 1684 bedeutende Kapitalien auf
die Güter auf.
2) So Lefort und die Prozessakten im Staatsarchiv zu Wetzlar.
^ Akten im Staatsarchiv zu Düsseldorf unter Fronenbruch.
*) Akt aus dem ehemaligen Archiv zu Schönau im Besitz des Herrn
J, Leydel zu Bonn.
*) Stammtafel bei den Prozessakten im Staatsarchiv zu Wetzlar.
*) Prozessakten zu Wetzlar.
0 Im Besitz des Herrn J. Leydel zu Bonn, aus dem frühem Archiv
Schönau.
®) Diese nicht adlige Familie kommt noch Ende des 18. Jalirhunderts
in der Aachener Gegend vor und darf nicht verwechselt werden mit den
gleichnamigen adligen Geschlechtern, welche im 14. und 15. Jahrhundert
vorkommen.
*) So gibt Gotthard Kraft von Milendonk in Prozessakten Milendonk
gegen Blanche an und beruft sich auf das Zeugniss des Predigers und Vor-
26 E. von Oidtman
XIII.
1. Anna Maria Freiin von Milendonk, un vermählt.
2. Margaretha Elisabeth Freiin von Milendonk, heirathete
am 2. März 1695 ihren Vetter Gotthard Kraft Freiherrn von
Milendonk aus der Linie Pley und brachte ihm die Herrlichkeit
Fronenbruch-Hörstgen in die Ehe.
Linie zu Goer und Pley.
XI.
Hermann Dietrich von Milendonk, Herr zu Goer, Meyl und
Pley, versuchte vergeblich in den Besitz der ihm vermachten
Herrlichkeiten Vyanen und Ameiden zu gelangend
Von seiner Tante, der Gräfin Walburga von Neuenahr, erbte
er einen Maas-Zoll, genannt der brabantsche Landzoll; 1600
ergriff er auch für sich und seine Brüder von der Grafschaft
Hom Besitz, konnte sich aber gegen den Bischof von Lüttich
nicht darin behaupten*.
Hermann Dietrich starb am 29. November 1620 zu Huy^
Seine erste Gattin war Franziska von Goer, Tochter Heinrichs
von Goer zu Pesch, Villain, Adriamont, Forges, Brouennes,
Bronelle, La Tour-Lamay und der Franziska von Vaudemont.
Sie starb 1604, worauf Hermann sich am 24. Januar 1618 mit
Stehers der reformirten Gemeinde zu Aachen. Dagegen behauptete die Freiin
Antonette von Blanche in einem gerichtlichen Verhör 1737, dass in ihrer
Gegenwart die Trauung unter ganz besondem Verhältnissen durch einen
katholischen Pfarrer zu Berg (Laurensberg), Johann Baptist Bex, vorgenommen
worden sei. (Das interessante Verhör befindet sich bei den Prozessakten im
Staatsarchiv zu Wetzlar.)
*) Prozessakten Milendonk gegen Blanche im Staatsarchiv zu Wetzlar.
^ Den Besitz der Grafschaft Hom im Ftirstbisthum Lüttich bean-
spruchten die Herren von Milendonk als Rechtsnachfolger der Gräfin Walburga
von Neuenahr. Die sehr verwickelten Rechtsverhältnisse sind ausführlich
auseinander gesetzt in einer grossen Deduktion vom Jahre 1754, in welcher
die Rechtsansprüche der Herren von Milendonk und ihrer Erben, der Herren
von dem Knesebeck, auf die Grafschaft Hom als nächste Erben der Gräfin
Walburga von Neuenahr ausführlich dargelegt werden. Die Prozesse beim
Reichskammergericht waren Ende des 18. Jahrhunderts noch anhängig. Nocli
1815 erschien eine Schrift: Das Lehnfolgerecht der Familie von dem Knese-
beck zu Tylsen auf die Grafschaft Hom.
^) Stammtafel bei Prozessakten Milendonk gegen Blanche. Eis heisst
dort: obiit in carcere. Der Grund der Inhaftimng ist nicht angegeben.
Die Herren von Mileudonk aus dem Geschlecht der von Mirlaer. 27
Anna von Hemmerich zu Rautenburg vermähltet
a) Kinder aus erster Ehe:
1. Johann Pankratius, folgt unter Linie Pesch-Goer.
2. Maria, unvermählt.
3. Adolf Reichsfreiherr * von Milendonk, Besitzer der Güter
Pesch, Brouennes, Ginvry, Nepvant und Herfte ^, war Präsident
des Reichskammergerichts zu Speyer. 1635 belehnte ihn der
Pfandherr des Amtes Huyssen, Graf Adam von Schwartzenberg,
mit Pley. Diese Belehnung erneuerte 1654 der Kurfürst von
Brandenburg*. Mit seinen Verwandten war Adolf fortwährend
in Prozesse verwickelt. Nach dem Tode seines Onkels Balthasar
1629 setzte er sich mit Gewalt in den Besitz der Herrschaft
Schönau und behauptete sich darin bis zu seinem Tode 1657.
4. Walpurgis, unvermählt.
b) Aus zweiter Ehe:
5. Hans Kraft, folgt unter Linie Pley.
6. Anna Maria 1658 ^
7. Agnes 1658 ^
Linie zu Pley.
xn.
Hans Kraft Freiherr von Milendonk erhielt am 10. Septem-
ber 1657 nach dem Tode seines Stiefbruders Adolf die kur-
brandenburgische Belehnung mit Pley. Seine Wittwe, Anna
Maria Doublet ^, wurde für ihren minderjährigen Sohn Gottfried
Kraft 1682 und 1692 mit Pley belehnt. Das Gut war späterhin
sehr verschuldet und musste 1715 auf Drängen der Gläubiger
verkauft werden. Käufer war ein Graf Hoensbroech.
*) Sie war zuerst Nonne im Kloster Kaisersbosch und Hess sich protes-
tantisch trauen. Ihre Mutter wird in einer gemalten Ahnentafel im Archiv
zu Karwe Anna von Eyl genannt.
*) Fahne gibt an, er sei in den Reichsfreiherrenstand erhoben worden.
') Seinen Antheil an der hohen Gerichtsbarkeit von Nepvant (^/g) ver-
kaufte er an die Eheleute Wilhelm de Habert und Anne de Hezecques für
17000 Livres.
*) Vgl. Anhang I, Nr. 33.
5) Vgl. Anhang I, Nr. 35.
*) Ihre Eltern hiessen Peter Doublet und Jakobea Sproussen. Sie war
in erster Ehe mit dem Jonkherr Reiner von Naeltwyck-Brantwyck ver-
heirathet. Die Familie Doublet ist eine alte Juristenfamilie, welche aus
Beauvais stammte. Vgl. über sie: Het geslacht Doublet, Zutphen 1879.
28 E. von Oidtmiin
Kinder:
1. Gotthard Kraft, folgt.
2. Franz Heinrich Freiherr von Milendonk fiel als preussi-
scher Major des Leib-Grenadier-Regiments, beim Angriff auf ein
Aussenwerk bei der Belagerung von Douay 1710.
3. Dorothea Adriana, geboren 1660, heirathete 1689 Wilhelm
Ludwig von dem Knesebeck auf Tylsen, preussischen Geheim-
rath, Landeshauptmann der Altmark. Sie starb 28. März 1731 ^
xm.
Gotthard Kraft Freiherr von Milendonk, geboren 1672,
preussischer Oberst der Kavallerie. Durch seine erste Frau
besass er die Herrlichkeit Fronenbruch-Hörstgen und nennt er
sich in den Erlassen an seine Unterthanen: Reichsfreiherr von
Milendonk, Graf zu Hom^, Herr zu Hörstgen, Fronenbruch,
Schönau, Bedbur, Hüls und Warden. Durch letztere Titel
wollte er seine Ansprüche auf die Grafschaft Hörn und andere
Milendonksche Güter, welche er aber nicht besass, darthun.
Seine Prozesse beim Reichskammergericht gegen die Erben
Blanche wegen der Herrlichkeiten Schönau und Warden
hatten nur grosse Kosten zur Folge ^. Als die erste Gemahlin
Margaretha Elisabeth Freiin von Milendonk, aus der Fronen-
brucher Linie, starb, erbte Gotthard Kraft die Herrlichkeit
Fronenbruch-Hörstgen*. Die zweite Gemahlin seit 1. Septem-
ber 1730 war Christine Charlotte Elise Freiin von Wylich zu
Diersfort, Tochter Dietrichs und der Anna Reichsfreiin von Spaen
zu Moyland. Gotthard Kraft Freiherr von Milendonk starb
als letzter Mann des ganzen Milendonkschen Geschlechts am
28. Mai 1749.
*) Archiv zu Karwe und Staatsarchiv zu Düsseldorf unter Fronenbruch.
Barsch und Andere führen sie fälschlich als eine Tochter der Linie Goer an.
*) üeber die Rechtsansprüche der Herren von Milendonk an die Graf-
schaft Hom s. oben S. 26, Anm. 2.
*) Die Prozesse über den Besitz der Herrlichkeiten Schönau, Warden
und Fronenbruch, sowie der Grafschaft Hom waren Goldgruben für die Pro-
kuratoren und Advokaten beim Eeichskammergericht, wenn man bedenkt,
dass sie vom Beginn des 17. bis Ende des 18. Jahrhunderts dauerten.
*) Das Testament der ersten Frau ist vom 4. März 1728. Die Ehe-
beredung vom 2. März 1695 sagte schon dem Ehehcrm bei kinderloser Ehe
den Besitz der Herrlichkeit zu (Staatsarchiv zu Wetzlar).
Die Hffrai rc-n HHctJ-ak *a> d^m GT-i<hle»-bi der t.-o MlrUer. :?9
Sein Siegel zeigte den gevierteten Müendonk-Draohen-
felsschen Schild. Die beiden Helme mit Helmwulsten tragen
BuffelhOmer, der linke zeigt dazwischen einen wachsenden
DracheiL Als Schildhalter stehen Drachen *.
Die Wittwe des Gtjtthard Kraft, welche die Leibzucht an der
Herrlichkeit Fn^nenbruch-Hürstgen hatte, nennt sich in einem
Akt von 1753 folgendermassen :
,Wir Christine Charlotte Elisabeth verwittwete Reichsfrei-
frau Ton Milendonck, getxirene Freün von Wylich u. s. w.
Gräfin zu Hora, regierende Landsfrau der reichsimmediaten
freien Herrlichkeit Hörstgen, zu Fronenbroich, Frau zu Bedbur,
Schönau und Warden*.'
Nach ihrem Tode* erbten die Enkel des oben erwähnten
Herrn von dem Knesebeck die Herrschaft Fronenbruch-Hörst-
gen*. Dieselben theilten die Güter derart, dass Karl Franz
Paridam Kraft Fronenbruch-Hörstgea, Heinrich Wilhelm Bodewin
das väterliche Gut Tylsen erhielt. Der Erstgenannte wohnte
hierauf zu Fronenbruch. Als die fiunzosischen Bevolutionsheere
das preussische Geldern besetzten, verliess 1793 Herr von dem
Knesebeck seine Herrschaft und begab sich nach Wesel. Fronen-
bruch wurde geplündert und verheert. Durch Aulhebung der
Hoheitsrechte, der Zehnten und Abgaben ging der grosste Theil
der Einnahmen ^ verloren, so dass von der frühem Landeshoheit
mit eigener Grerichtsbarkeit imd vielfachen Privilegien nur ein
bescheidenes Eittergut übrig blieb. Karl Franz von dem Knese-
beck starb als Domherr zu Magdeburg, 80 Jahre alt, im Jahre
1828, nachdem er seinen Neffen, den Sohn seiner Schwester,
den spatem Generalfeldmarschall Karl Friedrich von dem Knese-
') OriginaLsiegel auf einer landesherrlichen Verordnung an die Unter-
tbanen der Herrlichkeit Fronenbruch-Hörstgen. Die Helmzierden weichen
*1^ wesentlich von denen der Stammwappen Milendonk und Drachenfols ab.
*) Akt im Staatsarchiv zu Düsseldorf unter Fronenbruch.
*) Sie starb 1753 oder 1754,
*) Sie machten auch ihre Rechte auf die Grafschaft Hom gegen den
J^tetbischof von Lüttich geltend. Friedrich der Grosse Terwandte sich 1755
n» emem Kabinetsschreiben an den Fürstbischof energisch ftlr ihre Rechte
(s. Anhang n, Urk. 3), indess es wurde nichts erreicht
') Wie bedeutend dieselben waren, geht aus dem Anschlag von 1789,
^w allerdings sehr übertrieben gewesen sein dürfte, hervor. (Picks Monats-
schrift n, S. 487.)
30 E. von Oidtman
beck^ auf Karwe zum Erben von Tylsen und Fronenbruch
bestimmt hatte. Letzterer liess die Ländereien von Fronenbruch
parzellenweise verkaufen.
Linie zu Pesch und Goer*.
XII.
Johann Pankratius, auch Hans Kraft genannt, Freiherr von
Milendonk, Baron von Pesch, Herr zu Pesch, Goer, Willaert,
Andrimont, Bethoven, Fernelmont, Surice u. s. w. Im J. 1615
wurde er und sein Bruder Adolf mit den mütterlichen Gütern
Brouennes (bei Montmedy), Bronelle und La Tour-Lamay belehnt *.
Er prozessirte schon im 19. Lebensjahr gegen seinen Vater, von
dem er behauptete, dass er die Güter der Mutter schlecht ver-
waltet habe; gleichzeitig verlangte er Vormundschaft*. Seine
erste Gattin seit 1607 ^ war Agnes, Tochter Arnolds de Marbais,
seigneur de Louvirval et de Fernelmont, grand bailly d'Entre-
Sambre et Meuse, und der Agnes du Chasteler ; die zweite Frau
seit 1612 war Margaretha, Tochter des Grafen Klaudius de
Joyeuse, Grafen de Grandpr6, Gouverneur der Städte Mouzon
und Beaumont, und der Philiberte de Saux; sie heirathete in
zweiter Ehe 1624 Franz Anton de Joyeuse. Hans Kraft starb
1616 zu Lüttich „unglücklich erstochen*' ^
xm.
Sohn zweiter Ehe:
Hermann Klaudius' Freiherr von Milendonk, Baron von
*) Sein Sohn erhielt durch Kabinete-Ordre vom 10. März 1870 die
Befugniss, sich Freiherr von dem Knesebeck-Milendonk zu nennen und das
Milendonksche Wappen mit dem Knesebeckschen vereinigt zu führen, üeber
Fronenbruch-Hörstgen vgl. von der Nahmer a. a. 0. S. 816, § 503; von
Restorf f a. a. 0. S. 48, 60, 536 f.; Berghaus, Deutschland vor hundert
Jahren I, S. 155 und die Uebersicht in Anlage in.
*) lieber diese Linie handelt ausführlich: Villermont, Fesches, Anvers
1886, p. 130 sqq. Die Baronie Pesch wurde im 16. Jahrhundert aus einem
Theil der Baronie Florennes im Lande d'Entre-Sambre et Meuse gebildet.
') Jeantin p. 289 sqq.
*) Er erhielt 1606 als Vormünder Krato von Milendonk, Herr zu Fronen-
bruch, Herr von Bocholz, Propst zu Hildesheim, und Gerhard von Horion,
Herr zu Colonster. (Prozessakten im Staatsarchiv zu Wetzlar, Milendonk
Nr. 2845.)
*) Hans Kraft war also bei seiner Heirath erst 19 Jahre alt.
•) Prozessakten zu Wetzlar.
') So lautet der Name richtig, nicht Gladius, wie einige Genealogen angeben.
Die Herren von Milcndonk aus dem Geschlecht der von Mirlaer. 31
Pesch, Besitzer der Güter Pesch, Goer, Willaert, Surice, Rome-
denne, Lothenne, Andrimont, Bethoven, Brouennes, Cerfontaine,
Bemissart, Achem, Sötte ville, geboren 1613, gestorben 1658.
Er hatte, erst 21 Jahre alt, am 2. Januar 1635 Maria de Failly,
Tochter Johanns de Failly, Herrn zu Bernissart, und der Maria
de Gognies, geheirathet.
Kinder :
1. Ludwig Hermann Franz, folgt.
2. Margaretha Louise, vermählt mit Eugen Ludwig de
Berghes-Saint-Winock, prince de Raehe^, grand bailly de Hai-
naut, Ritter des goldenen Vliesses, welcher am 14. April 1688
kinderlos zu Mons starb.
3. Max Heinrich Graf* von Milendonk, Baron von Pesch,
war 1688 Kavallerie-Major in spanischen Diensten.
4. Eine Tochter, vermählt mit einem Marquis du Forest.
XIV.
Ludwig Hermann Franz Graf von Milendonk, Baron von
Pesch, Herr zu Pesch, Goer, Cerfontaine, Surice, Bernissart,
Romedenne u. s. w. *, starb zu Pesch und wurde in der dortigen
Kirche beigesetzt. Er war vermählt mit Isabella Philippine
Therese de Mailly, Tochter Wilhelms de Mailly, marquis de
Quesnoy, vicomte d'Erps, und der Isabella Margaretha Karoline
de Croy-Solre. Sie starb im Wochenbett 1690.
XV.
1. und 2. Zwei Töchter, starben jung.
3. Maria Margaretha Louise Gräfin ^ von Milendonk, geboren
1690, heirathete am 15. Juli 1716 auf dem Schlosse Quesnoy
Philipp Alexander Emanuel prince de Croy de Solre et de
Moeurs, französischen Generallieutenant, gestorben 1723. Sie
starb als letzte des ganzen Milendonkschen Geschlechts am
23. August 1768, 77 Jahre alt«.
*) Nicht Roche, wie er fälschlich genannt wird.
*) Lefort sagt in seiner Sammlung: titre de courtoisic!
*) Vgl. die vorhergehende Anmerkung.
♦) BroneUe verkaufte er (Jean t in).
*) Dieser Titel wird ihr im Ehevertrag gegeben, ihr Vater wird darin
Graf genannt (Villermont, Pesches).
«) Die meisten Einzelheiten über diese Linie verdanke ich dem Herrn
Grafen Ernst von Mirbach-Harff.
32 E. von Oidtman
Anlagen.
I. Regesten^
1. Graf Vincenz von Moers und die Gebrüder Arnd und Johann von
Hoemen, Burggrafen zu Odenkirchen, vermitteln einen Vergleich zwischen
Werner Scheiffart vamme Koide, Herrn zu Clermont, Amtmann zu Liedberg,
und Johann von Mirlair, Herrn zu Milendonk, nebst seinem Sohne Johann,
Sohn zu Milendonk. Der Vergleich betrifft Wege und Brückengerechtsame
zwischen Liedberg und Milendonk. Es siegeln ausser den obengenannten
Vermittlem auf Seite ihres lieben Neffen und Bruders Werner Scheiffart
vamme Roide : Simon von Vellbrüggen und Scheiffart vamme Beide, Herr zu
Hemersberg, auf Seite ihres Schwagers und Neffen von Milendonk: Wilhelm
von Vlodorp, Erbvogt zu Roermond, Ritter, und Goidert von Vlodorp, Herr
zu Leute. — 1456, April 5.
Von den ursprünglich angehängten 7 Siegeln sind nur noch die der
Gebrüder von Hoemen erhalten.
Orig.-Ürk. im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Kurköln Nr. 1961a.
2. Bilie Steck, Wittwe, Frau zu Milendonk, und Johann, ältester Sohn
zu Milendonk, geben zu Gunsten des Klosters Neuwerk 4 Morgen Wiesen,
„die Buscherbenden*^, welche von dem Hause zu Milendonk lehnrührig sind,
aus dem Lehnsverband frei. — 1484, September 7.
Staatsarchiv zu Düsseldorf, Kopiar des Klosters Neu werk Bl. 7/8.
3. Kracht von Milendonk, Ritter, Amtmann zu Blankenstein, verpflichtet
sich, den zwischen seinem Herrn, Herzog Johann von Kleve, und der Äbtissin
von Essen abgeschlossenen Vertrag in seiner Eigenschaft als Amtmann zu
achten. — 1495, Oktober 21.
Orig.-Ürk. im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Stift Essen Nr. 886.
4. Johann von Myrlair und Agnes von Odenkirchen, seine Gemahlin,
Herr und Frau zu Milendonk, geben die Grütersbenden der Abtei Gladbach in
der Herrlichkeit Milendonk aus dem Lehnsverband frei. — 1497, Dezember 16.
Das Siegel des Johann von Milendonk zeigt 3 Querbalken, ausserdem
hängt das Siegel der Schöffen von Kirsmich (Korschenbroich) an.
Orig.-Ürk. im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Abtei Gladbach Nr. 229.
5. Revers Bertrams von Lutzenrath, Herrn zu Hardenberg, gegenüber
Herzog Johann von Kleve bezüglich der Belehnung mit dem Amt und Schloss
*) Die von Urkunden des Düsseldorfer Staatearchivs entnommenen Regesten
wurden mir freundlichst von dem Freiherrn von Knesebeck-Milendonk auf
Karwe mitgetheilt.
Die Herren von Milendonk ans dem Geschlecht der von Mirlaer. 33
Bl&nkenstein, die er von Kraft von Milendonk, welcher sie bisher pfandweise
innegehabt hatte, mit 5000 Henkelgnlden an sich gebracht hat. — 1501, Mars 2.
Orig.-Urk. im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Kleve-Mark Nr. 1737.
6. Herzog Johann von Kleve belehnt Dietrich, Herrn zu Milendonk, mit
dem Gericht zu Meiderich und dem Hof zom £icken, wie es sein Bruder,
der unlängst verstorbene Heinrich von Milendonk, Amtmann zu Orsoj und
Rnhrort, zu haben pflegte und wie es früher Qoesen Steck und nach diesem
Herr Kracht und Heinrich von Milendonk besessen haben. Zeugen: Herr
Wilhelm von der Horst, Erbmarschall, und Herr Johann von Wylick, Hof-
meister, beide Ritter, sowie Johann von Bronckhorst und von Bathenberg,
Landdrost. — 1525, Januar 29.
Klever Lehnbuch C 15, S. 60 im Staatsarchiv zu Düsseldorf.
7. Dietrich, Herr zu Mylendonk und Drachenfels, bekennt von Herzog
Johann von Kleve mit einem Mannlehn von 20 rheinischen Qulden, das
ehedem sein Oheim Heinrich, Herr zu Drachcnfeln, innegehabt hat, belehnt
worden zu sein. -— 1531, Juli 15.
Orig.-Urk. im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Jülich-Berg A I^ Nr. 37U.
8. Herzog Johann von Kleve belehnt Dietrich, Herrn zu Milendonk,
Amtmann zu Ruhrort, im Namen seiner Schwiegermutter Elisabeth von
Montfort, nachgelassener Wittwe Wilhelms von Vlodorp, mit dem Lehn Pleye
oder Hermannswart, gelegen im Lande Huyssen, in dem Rhein mit der Fischerei,
Wasser, Weiden, sowie mit allen Rechten und Zubehör, wie früher die von
Ghoer und Vlodorp damit belehnt waren. Zeugen: die Heben Räthe und
Getreuen Johann von Bronckhorst und Batenburg, DroHt, und Derick van den
Boetzeler, Erbschenk des Lands Kleve. — 1588, März 20.
Klever Lehnbuch .1522—1539 (C 15) S. 102 im Staatsarchiv zu Düsseldorf.
9. Ebensolche Belehnung Seitens des Herzogs Wilhelm für denselben.
— 1540, Juni 2.
Ebendaselbst 1540—1591 S. 13.
10. Herzog Wilhelm von Kleve belehnt Dietrich, Herrn zu Mylendonk,
mit dem Gericht zu Meiderich und dem Hof zum Eicken. — 1540, Juni 2.
Ebendaselbst A S. 13.
11. Herzog Wilhelm von Kleve belehnt Goedert van Mylendonk zu
Ghoir, dem nach dem Testament seines Vaters Dietrich, Herrn zu Mylendonk,
die Pley (Hermannswart) zugefallen ist, mit diesem Lehn, nachdem Goederts
ältester Bruder, Dietrich, Herr zu Milendonk, auf alle Ansprüche an dasselbe
verzichtet hat. — 1550, Februar 7.
Klever Lehnbuch 1540—1591 S. 96 im Staatsarchiv zu Düsseldorf.
12. Herzog Wilhelm von Kleve belehnt Kracht von Mylendonk mit
dem Gericht zu Meiderich und dem Hof zum Eicken, wie sie von dessen
3
84 E. Ton Oidtman
Vater Dietrich, Herrn zu Mylendonk, besessen worden und ihm, Kracht, in
der Theilung zugefallen sind. -— 1550, April 18.
£bendaselbst A S. 99.
18. Lehnrevers Dietrichs von Mylendonk, Burggrafen zu Drachenfels,
gegenüber Erzbischof Adolf von Köln über Schloss und Herrlichkeit Drachen-
fels. Zeugen: Kanzler Bernhard von Hagen, Doktor und Propst, Wilhelm
Haes zu Conratzheim, Marschall, und Wilhelm Freiherr von Schwartzburg,
Thürwärter des Erzbischofs. — 1550, Mai 12.
Siegel des Dietrich erhalten: gevierteter Schild, im 1. und 4. Felde
die 8 Querbalken, im 2. und 8. ein geflügelter Drache ; Helmzier : Büffelhömer.
Orig.-Ürk. im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Kurköln A III, Nr. 2891.
1 4. Dietrich und Gotthard, Herren zu Meilendonck, Drachenfei tz und Ghoer,
Dietrich von Dalberg für seinen Vater, den Kämmerer Friedrich von Worms
genannt von Dalberg, als Vormünder Wilhelms von Braunsberg, des Sohnes
Philipp Diethers von Braunsberg, gewesenen Amtmanns zur Nürburg, und
Franz Konrad von Sickingen, Gemahl der Wittwe von Braunsberg, bezeugen,
dass Erzbischof Adolf von Köln die Pfandschaft des Hauses und Amtes Ntürburg
mit 1 1 000 rheinischen Gulden abgelöst hat.
Eigenhändige Unterschrift der Gebrüder von Milendonk. Die Siegel
sehr undeutlich. — 1556, November 19.
Orig.-Urk. im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Kurköln, Suppl. 228.
15. Testament der Margaretha von Merode, Wittwe von Milendonk. —
Duisburg, 1575, Oktober 25.
üniversalerbin ist die Nichte Odilia von Merode. Die Gebrüder von
Milendonk und von Goer erhalten nichts, weil sie den zu Aachen abge-
schlosseneu und besiegelten Vertrag nicht gehalten haben. Die Kinder von
Milendonk und von Goer erhalten wie die Kinder von Wylich einen goldenen
Bing mit einem Todtenkopf, ein jedes zum Andenken. Ihres verstorbenen
Gemahls natürlicher Sohn Kraft erhält neue Kleidung und 25 Thaler. Das
rückständige Leibgeding von jährlich 1000 Thalem soll der Herr von Merode
von den Gebrüdem von Milendonk eintreiben und damit verschiedene Legate
auszahlen. Es siegeln die Schöffen zu Duisburg.
Nach einer notariellen Abschrift, mitgetheilt von Graf Mirbach-Harff.
1 6. Herzog Wilhelm von Kleve belehnt, nachdem Goedert von Milendonk
zu Goir gestorben, den Edmund Gruyter im Namen seines Herrn, Hermann
Dieter, Herrn zu Milendonk und Goir, mit dem obengenannten Lehn. — 1579,
September 15.
Klever Lehnbuch B S. 45 im Staatsarchiv zu Düsseldorf.
17. Vertrag zwischen Herzog Wilhelm von Jttlich-Kleve-Berg und
Johann von Mylendonk, Herrn zu Meiderich, bezüglich des Gerichts zu
Meiderich und des Hofs zu Lacknm. — 1582, April 5.
Die Herren Ton Milendonk aus dem Geschlecht der von Mirlacr. 35
Nachdem im Juni 1581 Verhör und Handlung zu gütlichem Vergleich statt-
gefunden, wurde der Vertrag am 5. April 1 582 folgendermassen ahgeschlossen :
1. Soll dem Herzog als Landesfursten über das Kirchspiel Ober- und
Nieder-Meiderich das ins collectandi in Reichs- und Landsteuersachen
ungeschmälert bleiben, die Umlegung der Steuer jedoch unter Ver-
mittlung des Herrn zu Meiderich und des Rentmeisters von Dins-
laken als Hofrichters zu Lackum erfolgen.
2. Alle herzoglichen Hofs- und Zinsleute u. s. w. zu Meiderich, die
zum Hof zu Lackum gehören, sollen ihre Dienste u. s. w. fortleisten,
während der Herr zu Meiderich die seinigen behalten soll.
3. Der Glockenschlag und die Landfolge verbleiben dem Herzog, doch
darf der Herr zu Meiderich erstem auch in seinen Jurisdiktions-
sachen gebrauchen.
4. Das Recht der kirchlichen Proklamation bleibt in den beiderseitigen
Jurisdiktionsbezirken unverändert.
5. Die Eingesessenen von Meiderich sollen wie die des Amtes Dinslaken
überhaupt auf Erfordern zur Huldigung erscheinen, doch darf sich
auch der Herr zu Meiderich Huldigung und Eid leisten lassen.
6. Die aus Meiderich zum Hof zu Lackum Gehörigen suchen Recht
bei den herzoglichen Gerichten, während auch
7. die Appellationsinstanz von den herzoglichen Gerichten (Schöffen-
gericht zu Wesel u. s. w.) gebildet wird.
Die Nrn. 8—11 betreffen die Regelung der Zollgerechtsame, des
Geleitsrechts, des Acciserechts und der Fischereigerechtigkeit in
der Ruhr.
Es hängt noch das herzogliche Siegel an, während das des Johann von
Mylendonk abgefallen ist.
Orig.-Urk. im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Kleve-Mark Nr. 2022.
18. Herzog Wilhelm bekennt, dass, nachdem Kracht von Mylendonk,
der ehedem mit dem Gericht zu Meiderich belehnt gewesen, ohne Hinter-
lassung von Leibeserben gestorben und dann dessen Brüder Dietrich und
Goddert, Herren zu Mylendonk und Ghoer, zwar um Belehnung angehalten,
aber vor Erlangung derselben ebenfalls gestorben seien, deren Söhne Dietrich
und Johann um Ausstand bezüglich der Lehnsempfangnng gebeten, bis sie
die Erbschaft Krafts von Mylendonk getheilt. Da nun das Gericht zu
Meiderich und der Hof zum Eicken dem Johann von Mylendonk zugefallen
sei, habe er diesen auch mit dem genannten Lehn, wie es Kraft von Mylendonk
besessen, jedoch unter Berücksichtigung des am 5. April 1582 geschlossenen
Vergleichs belehnt. — 1582, April 7.
Staatsarchiv zu Düsseldorf.
19. Eheberedung zwischen Balthasar Herrn von Pallant, zu Ruiff und
Reuland und Elisabeth von Milendonk. — 1589, Februar 11.
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Die Herren von Mileudonk aus dem Geschlecht der von Mirlacr. 37
Walburga Gräfin von Neaenahr und Moers, Frau zu Bedburg, Weerdt
u. 8. w. bestimmt testamentarisch. Folgendes : Prinz Moriz von Oranien, Graf
von Nassau, Marquis van de Veere u. s. w., ihr lieber Neffe, soll succediren
in Grafschaft, Stadt, Schloss und den Besitzungen von Moers, sowie in dem
Hause Krakanwen, unter der Verpflichtung, dass die christlich reformirte
Religion darin erhalten bleibt. Uir lieber Neffe Adolf, zweiter Sohn ihres
lieben Bruders Arnolds Grafen von Bentheim, Steinfurt, Tecklenburg u. s. w.,
soll succediren in Schloss, Stadt und Herrlichkeit Bedbur mit allem Zubehör,
in der Herrlichkeit Garstorp, Rosborch, den Gütern zu Marick ; er soll erben
den Weerd zu Merkenich und Alles, was sie von Kurköln zu Lehn empfangen
hat, den Antheil an der Herrlichkeit Boedberg, den Zoll zu Kaisers werth,
die Zollrenten zu Linn und Alles, was im Erzstift Köln und im Herzogthum
Jülich gelegen ist. Ihr lieber Neffe Georg Gerhard Graf von Solms soll
erben die Grafschaft Hom, die Herrlichkeiten Weerdt, Wissem, Kortersom,
Borcholt, die Vogtei von Toom, den Brabanter Landzoll, die Pfandschaft in
den gräflichen Gütern in den Aemtem Kessel und Kriekenbeck, alle Güter,
welche von den Herzogen von Brabant und Geldern, sowie von dem Bischof
von Lüttich als Grafen von Loon zu Lehn gehalten werden, sowie alle andern
Güter, Mobüien und Immobilien. — Es folgen verschiedene Legate an gräf-
liche Personen: Bentheim, Falkenstein, Brederode u. s. w. Wörtlich heisst
es dann weiter: Item aen Herman Diedrich van Mieleudonck, beere tot Goor,
onsen toi aen de Mase genaemt der Brabantsen lanttol; aen jonkheer Balthasar
van Mylendonck onse partie in die heerlicheit van Hülst mit den incomen
daertoe behoorende en aldaar vallende; item aen vrouwe Agnes van Milen-
donck, vrouwe van Loockeren, en karkant, gekoomen van beere grootmoeder;
ende aen Adolph Philips, haeren soon, en jaerlike losrente van vifhondert
Brabantse gülden, ende soo hi komt te sterven voor ons testatrice, verstaan
wi, dat de vors, vrouwe van Lockeren in deselve rente succederen sal. Noch
aen jonkher Kracht van Milendonck onse halve heerlickheit van Bodtbergen
bi Berck u. s. w. Op heeden den laetsten october, anno 1594 stilo veteri,
compareerde voor mi, Jan van der Wiel, notaris publici bi den hove van
Utrecht u. s. w. *
Notarielle Abschrift aus dem Oranischen Archiv Moers, Nr. 25, im
Archiv Tylsen.
21. Heirathsvertrag zwischen Johann, Herrn zu Milendonk, und Maria
Gräfin zu Limburg und Bronckhorst. — 1596, April 2.
Der edle und wohlgeborene Herr Johann, Herr zu Milendonk, Drachen-
fels, Meiderich und Beuland, jüngster Sohn Dietrichs und der Theodore,
geborenen von Bronckhorst und Battenburg, Tochter zu Rimburg und Grons-
feld selig, und die wohlgeborene Fräulein Maria Gräfin zu Limburg und
*) Das Testament dürfte wohl zu Erbstreitigkeiten Anlass gegeben haben, da
■owohl die halbe Herrlichkeit Boedberg, als auch der Brabanter Landzoll zweimal
vermacht worden sind.
38 £. von Oidtman
Bronckhorst, FrSalein zu Stimm, jüngste Tochter des wohlgcborenen Herrn
Hermann Georg Graf zn Limburg und Bronckhorst, Herrn zu Stimm, Wisch
and Brockelha * selig, und der wohlgeborenen Maria, geborenen Gräfin zu Hoya
und Brochhausen, Gräfin und Frau daselbst, schliessen einen Heirathsvertrag.
Der Bräutigam bringt in die Ehe als Mitgift die Schlösser und Häuser
Milendonk, Drachenfels, Meiderich und Renland mit zugehörigen Herrschaften,
Herrlichkeiten und Gerichtsbarkeiten, sowie allem Zubehör, wie er alles von
seinen verstorbenen Eltern geerbt hat. Die Braut bringt in die Ehe 4000
Beichsthaler, welche innerhalb 6 Jahren bezahlt sein sollen. Die Brtider der
Braut, die Grafen zu Limburg und Bronckhorst, sollen ihre Schwester mit
Kleidern, Kleinodien und Leibzierrathen aussteuern, so dass dieselbe bei ihren
Verwandten und Freunden zu Ehren bestehen kann, wie bei der altem
Schwester. Wenn die Brüder in den Besitz der Herrschaft Burgkho' mit
Zubehör gelangen, so sollen sie der Schwester noch 2000 Reichsthaler
zahlen. Hierfür wird das Haus zur Burg mit Zubehör zum Pfand gesetzt,
wofür die Schwester auf alle elterlichen Güter verzichtet. Sollten die Brüder
ihren Verpflichtungen gegen die Schwester nicht nachkommen, so soll sie
eine unverziehene Tochter sein mit Ansprach an die Güter. Stirbt der
Bräutigam vor der Gattin, so beerbt sie ihn und behält, auch wenn sie sich
zum zweiten Mal verheirathen sollte, die Leibzucht an allen seinen hinter-
lassenen Gutem; stirbt dagegen die Gattin zuerst, so behält der Gatte die
Leibzucht an ihrem Vermögen*.
Nach dem Tode des letztlebenden TheiLs soll das beiderseitige Ver-
mögen an die Seitenverwandten fallen, von denen es herrührt. Bei den
Gutshäusem soll alle Munition und was sonst zur Wehr dienlich und nagel-
fest ist, verbleiben.
Ausser Braut und Bräutigam besiegeln die Urkunde der wohlgeborene
Herr Graf zu Salm, Herr zu Reiiferscheidt, Dick und Alfter, ihr freundlich
lieber Vetter, die wohlgeborene Frau Maria, geborene Gräfin zur Hoya und
Brochhausen, Gräfin zu Limburg und Bronckhorst, Frau zu Stimm, Wisch
und Borckeloe, Wittwe und Mutter der Braut. Auf Seite des Bräutigams
siegeln die edlen und wohlgeborenen Herrn Balthasar von Pallant, Herr zu
Reuland, Dietrich und Johann Jakob von Bronckhorst und Battenburg,
Gebrüder, Freiherren zu Anholt, des Fürstenthums Geldem Bannerherren zu
Bahr und Lathum, Pfandherren zu Bredenfort, Wilhelm von Braunsberg,
Herr zu Brohlburg, Merxem und Alcken, Maximilian von Bronckhorst und
Battenburg, Freiherr zu Battenburg und Stein, Herr zu Becht und Beren-
drecht, Florenz Hartart von den Botzeler, Freiherr zu Ascheren und Langerach,
Herr zu Odenkirchen, Arnold Adrian von dem Bylandt, Freiherr zu Rheidt,
Herr zu Brempt, liebe Schwäger, Vettern und Blutsverwandte. Auf Seite
I) Borkelo.
*) Die in der Heirathsberedong angeführten Fftlle, wenn Kinder aas der Ehe
erzielt würden, sind liier, da die Ehe kinderlos blieb, weggelassen worden.
Dia Herren von Milcndonk aii^ dem Geschluirlit der rou Uirlaer. 39
der Braut siegeln BchlieBslich noch ihre lieben Brüder, die wohlgcborenen
Herren JoHt und Johann, Grafen zu Limburg und Bronckhorst, Herren zn
Stinim, WiBch und Burglho.
Abschrift auf Papier in der Alfterschen Sammlung in der Hofbibliothek
sn Dannstadt.
22. Johann von Milendonk, bezw. dessen Bevollmächtigter Pet«r von
Sam, Gerichtasch reiber zu^eiderich, wird durch Herzog Jiihanu Wilhelm
aufs Nene belehnt. — 1596, November 23.
Staatsarchiv %n Düsseldorf.
23. Revers des Johann von Grass, Lizentiat der Rechte, als Bevoll-
niäditigt«n der Gebrüder Kraft und Hermann Dictricli von Heilendunckb, Herren
m Pronenbroich und Goir, tlher die laut eingereiebt«m Lehnbriof von dem
gleichen Datum von Erzbischof Ernst von Köln empfangene Belehnnng mit
dem Hof und den Gttt«rn zu Horickh, die vordem die GrUfin Walburgis zu
Neuenabr und deren Bruder Graf Hennann innegehabt haben. Desgleichen
Über die Belehnnng mit der Gruitb in der Stadt Berckb (Rheinberg). — 1602,
Harz 2S.
Staatsarchiv zu Düsseldorf, KnrkdluiHche Lohnsurkunden,
24. Diesetben Personen und derselbe Gegenstand wie Nr. 2Z. — 1602,
April i.
Staatsarchiv zn Düsseldorf.
25. Herzog Johann Wilhelm gestattet dem Hermann Dieter von Milen-
donk, auf das Lehngnt, die Plej oder Hermannswart genannt, dessen Gebttude
in den damaligen KriegsUuften völlig zerstürt wurden und das auch durch
die Ueberschwcmmnngen des Rheins und der Insel stark beschädigt sei, zur
Wiederherstellung und Wiederanfbesserung desselben 3000 Reicbsthaler auf
acht Jabre anfzunebmen. — 1605, Februar 23.
Klever Lehnbnch I5S3 3. 131 im Staatsarchiv zu Düsseldorf.
26. Herzog Johann Wilhelm gestattet dem Johann von Mylendonk,
welcher mehrmals um Bewilligung pro dispositione testamentaria vel inter
zu Meiderich und des Hofs zum
1lgen, jedoch mit der Bedingung,
i bestimmen, und vorbehaltlich aller
;s Johann, Maria Gräfin zu Stjnun,
ember 18.
'chiv zu Düsseldorf.
borgen Land von der Pleyen belehnt,
zn Goer verpfändet hat, vorbehält'
und des Pfandherm zn Ghoer. —
36 E. von Oidtman
Die Heirath wird geschlossen zwischen dem wohledlen Balthasar Herrn von
Pallant, Herrn zn Buiif ond Reuland, ältestem Sohn des Karsilius Herrn von
Pallant und der Odilia von Flodorp, einerseits und der wohledlen Jungfrau
Elisabeth, geborener Tochter zu Milendonk, des wohledlen Dietrich Herrn
zu Milendonk, Drachenfels, Meiderich und Reuland und der Diederikavon Bronek-
hörst und Batenberg, Eheleute, gottseligen Gedächtnisses jtlngster Tochter.
Balthasar bringt in die Ehe die halbe Herrschaft Reuland mit allem Zubehör,
wie dieselbe seinen Eltern durch den verstorbenen wohledlen Balthasar von
Flodorp, Herrn zu Leut, eingeräumt worden und wie sie jährlich 500 Gold-
gulden Renten abwirft. Nach dem Tode der Eltern soll Balthasar aus den
andern elterlichen Gütern so viel zubekommen, dass er im Ganzen 1000
Thaler jährliche Renten hat, womit er auf alle sonstigen Güter verzichtet,
ausgenommen die Forderung auf die Herrlichkeit Alpen, worüber beim Reichs-
kammergericht ein Prozess schwebt.
Elisabeth bringt in die Ehe aus den väterlichen Gütern 12000 Brabanter
Gulden und aus dem Erbe ihres verstorbenen Bruders Dietrich, Herrn zu
Milendonk und Drachenfels, 4000 Gulden, deren Zinsen ihr Bruder Johann,
Herr zu Milendonk, Drachenfels, Meiderich und Reuland, ihr mit 5^/o zahlen
soll, wofür er die halbe Herrschaft Reuland mit allem Zubehör zu Pfand
setzt. Wegen der mütterlichen Güter schwebt zu Brtlssel noch ein Prozess,
fällt derselbe zu Gunsten des Bruders aus, so soll er ihr noch 6000 Gulden
ausserdem zahlen, fällt der Prozess ungünstig aus, so soll EUsabeth für die
Prozesskosten mit aufkommen. Femer soll die Braut mit Kleidern, Kleinodien
und Zierrath, wie ihrem Stand wohl ansteht, ausgesteuert werden, nämlich mit
2000 Thalern, wogegen sie auf die väterlichen und mütterlichen Güter und
sonstiges Erbe verzichtet. Stirbt der Bruder Johann von Milendonk ohne
Erben und Testament vor seinen drei Schwestern, so soll zuerst Gertrud
Frau zu Anholt als älteste Tochter den Vorzug an der Erbschaft haben.
Der Ueberlebende der zukünftigen Ehegatten behält die Leibzucht an den
Gütern. Bei Streitigkeiten mit den Kindern soll er nur verpflichtet sein, diesen
die Güter des verstorbenen TheiLs, mit Abzug einer jährlichen Rente von
200 Thalem aus denselben für ihn, abzutreten.
Zeugen: Karsilius Herr von Pallant, Herr zu Ruiff und Reuland, seine
Gattin Odilia, Tochter von Flodorp zu Leut, Rickalt, Well und Morstorff,
Christoph von Wylich,. Herr zu Craunstein, Lottum, Gribbenvorst, Drost
in der Hetter, Johann von Pallant, Herr zu Gladbach, und Christoph von
Pallant, Sohn zu Breidenbent, einerseits, Johann, Herr zu Milendonk,
Drachenfels, Meyderich und Reuland, und Kraft von Wylich, Sohn zu Diers-
fort, andererseits.
Notarielle Abschrift in der Alfterschen Sammlung in der Hofbibliothek
SU Darmstadt, Bd. X.
Auszug aus dem Testament der Gräfin Walburga von Neuenahr.
, Oktober 31.
Die Herren von Milendonk mos dem Geschlecht der vtm MirUer. 41
Wi Godhart freiberr zu Milendimk thnn kund, das der ehrcnyester
Gerhard Grans nS onser instendich gesinnen nnd begehren nns Torschossen
nnd in bahrem gelde aasgelacht hat die somme Ton sesshondert reich sthaler
behalven die 5360 reichsthaler nnd also unsere gelegentheit gegenwirtig nicht
erleiden kan, ihm diese pfennige wieder zn erlagen, geloben daerran gebner-
liehe Interesse zn geben nach adTenant funf nnd ein halben vom hondert,
macht jairlichs 33 reichsthaler. Zur Sicherheit werden alle Güter lum Pfand
gesetzt. Gegeben zu haus Fronenbroch, den letzten december, anno 1638.
Unterzeichnet: G. her zo Milendonck, Hans Wolfart von Milendonck, Maxi-
milian de Milendonck.
Urkunde im Besitz des Herrn Kaplan Henrichs zu Nieukerk.
83. Kurfürst Friedrich Wilhelm Ton Brandenburg erneuert Adolf Frei-
herm zu Milendonk die bereits am 23. Juni 1635 durch Graf Adam von
Schwartzcnberg als Pfandherm des Amtes Hnyssen geschehene Belehnung mit
der Pley und gestattet diesem zugleich unter dem 9. September, 3000 Reichs-
thaler auf das Lehn aufzunehmen. — 1654, September 8.
Staatsarchiv zn Düsseldorf.
34. Kurfürst Friedrich Wilhelm belehnt nach dem Tode Adolfs von
Mylendonk dessen Bruder, den Freiherm Hans Kracht von Mylendonk, und
gestattet ihm unter dem 16. November desselben Jahres, 400 Reichsthaler
auf das Lehn aufzunehmen. — 1657, September 10.
Ebendaselbst.
35. Kurfürst Friedrich Wilhelm belehnt auch die Schwestern des Frei-
herm Hans Kracht von Milendonk, Anna Maria und Agnes von Milendonk,
mit der Pleye und gestattet ihnen, 800 Reichsthaler darauf aufzunehmen. —
1658, Januar 4. (Mit Bewilligung des LandeHbcrm nehmen Hans Kracht
und dessen Schwestern auf das Lehn, die Pley genannt, weiter auf 2600 Reichs-
thaler am 11. April 1658, 500 holL Gulden am 5. April 1659, 6000 Gulden
am 16. Oktober 1659, 6000 Gulden am 19. Januar 1660, 6000 Gulden am
1. April 1662.)
Ebendaselbst
36. Karl Dietrich Otto Fürst zu Salm wird mit Meiderich belehnt. —
1663, November 9.
Ebendaselbst.
37. Die Schwestern Anna Maria und Agnes von Milendonk schliessen
mit den Erben Adrians von Riemsdick wegen einer von ihrem Vater Hermann
Dietrich von Mylendonk herrührenden Schuld von 40000 Gulden einen Ver-
gleich, wodurch die genannten Erben mit landesherriichcr Bewüligung vom
30. Juli auf Va der Schuld die Einweisung in das Lehn die Pleye erhalten,
wogegen Hans Kracht mit seinem '/s jedoch protestirt. — 1663. (Hans Kracht
nimmt dann 1669 noch weitere Kapitalien auf das Lehn auf.)
Ebendaselbst.
42 E. von Oidtman
38. Amandas Freiherr von Milendonk gibt aus Dankbarkeit gegen seinen
lieben Herrn Ohm selig und seinen Vetter, Freiherren von Milendonk zu Fronen-
bruch und Hörstgen, wegen viel und mannigfaltig empfangener und genossener
grosser Gut- und Wohlthaten die halbe Herrschaft und Herrlichkeit Warden
nebst den Zehnten und Ländoreien zu Niedermertz und dem Zehnten zu
Niederzier mit allem Zubehör seinem lieben Vetter Maximilian Freiherrn von
Milendonk, Herrn zu Fronenbruch und Hörstgen, zu seinem Eigenthum. Zeugen
waren: N. v. Ehede, Ritter, Herr zum Laugeuhorst, Komthur vom Rhein
und Isselstrom, Johann Heinrich Droste, Herr zur Stegen, Dr. Hanekroth und
Heinrich Marcoer. — Haus Fronenbruch 1669, Juli 1.
Aus den Prozessakten Milendonk gegen Blanche Nr. 2890 im Staats-
archiv zu Wetzlar.
39. Die Schöffen des Gerichts der Freiherrschaft Hörstgen bescheinigen,
dass sie ihr Herr Maximilian Freiherr von Milendonk, Herr zu Fronenbruch
und Hörstgen, ersucht habe auszusagen, welche Gut- und Wohlthaten sein
Herr Vetter, Amand Freiherr von Milendonk, Herr zu Schön au. Hüls und
Warden, wie auch seine Mutter und Schwester nach dem Tode des Freiherm
Balthasar von Milendonk zu Schönau, Hüls und Warden jederzeit auf dem
Hause Fronenbruch genossen hätten. Freiherr Adolf von Milendonk, Herr
zu Goer, Kammerpräsident zu Speyer, habe 1629 die Wittwe des Balthasar
von Milendonk mit ihren Töchtern von dem Hause Schönau vertrieben und
dieselben hätten lange Zeit auf dem Hause Fronenbruch Unterhalt und
Zuflucht gefunden. Amandas habe ungefähr 40 Jahre seinen Unterhalt in
Fronenbruch genossen. Wenn der Vetter Herr Amandus sich habe „vertreten
und lustig machen wollen", so habe Maximilian für ihn bei den Wirthen zum
Hörstgen gut gesagt. Die Schöffen bestreiten, dass Maximilian irgend ein-
mal den Amandus habe verhindern wollen, den Besitz der Fronenbruch-Hörst-
genschen Güter anzutreten.
Unterschrieben vom Gcrichtsschreiber Tilmann Hermans. — Hörstgen
1674, März 26.
Ebendaselbst.
40. Kurfürst Friedrich Wilhelm belehnt nach Hans Krachts Tode auf
Bitten dessen Wittwe Maria Doublet und deren noch minderjährigen Sohnes
Gottfried Kracht Freiherrn von Mylendonk mit dem genannten Lehn. —
1682, Februar 3.
Staatsarchiv zu Düsseldorf.
41. Kurfürst Friedrich III. wiederholt die Belehnung für Mutter und
Sohn, welcher noch minderjährig ist. — 1692, Juni 2.
Ebendaselbst.
42. Heirathsberedung zwischen Gotthard Kraft Freiherrn von Milen-
donk, Herrn zu Pley, und Margaretha Elisabeth Freifräulein von Milendonk
Die Herren von Milendonk aas dem Geschlecht der von Mirlaer. 43
zu Fronenbruch, Schönau und Hörstgen, Fräulein zu Hüls und Warden. Clau-
sula concemeus. Dafeme sechstens der ganz unverhofft zufall sich begeben
würde, dass diese ehe unfruchtbar were, oder sonsten die erweckende kinder
zu sterben kommen sollten, auf den fall thut die fräulein braut vermöge
erlangter oktroy aufgerichteten testament, so hiermit confirmirt wird, oder
wie solches sonst am besten kraft dem oktroy geschehen kann, alle obgemclten
frei- und herrschaften, aktionen und guter hiermit dem horm bräutigam
schenken, auftragen und zu dessen völliger disposition stellen. Zeugen
waren: A. Fetmenger, Gerhard Hermans, Balthasar Hermans und auf Seite
der Braut: A. Loers und Hermann Marthens. — Hörstgen 1695, März 2.
Aus den Prozessakten Milendonk gegen Blanche Nr. 2890 im Staats-
archiv zu Wetzlar.
43. König Friedrich Wilhelm I. bevollmächtigt den Dr. Mathias Knops
als Kurator in dem Prozess der Mylcndonkschen Gläubiger, das Lehngut Pley
zu verkaufen, welches darauf an die Grafen von Hoensbroeck gelangt. —
1715, September 28.
Staatsarchiv zu Düsseldorf .
II. Urkunden.
1. Th^iluDg der Brüder Johann, Dietrich und Heinrich von
Milendonk ^ — 1514, Januar 28.
Dis is ein besiegelte uispraich tuschen den drei gebruederen van Milen-
donck, oevermitz raede des fuerstendoms von Guilge zu Ouilge gescheit ist.
As missel gethain ind gebrechen sich halden zuischen den gebruederen
van Milendonck, nemblich Johan, Dederich und Hinrich, von wegen der deilongen
des haus, herlicheit und guedere zu Milendonck, ires vederlichen und moder-
lichen guets, soe dat sie umb der entscheidongen wiUe niet broederlich dan
vast onguetlich, frevelich und unfreundlich sich onder malckanderen dae ino
vorgenomen, nae irem eigenen seinen und willen etlicher maissen gar unge-
schickelich gehalten, weit und schwoirlich darinnen verlaufifen und dat seif
eine zeit bis ainher beheet. Doch nae vil und mancherlei onerferungen haut
die vurschreven drei gebruedere ire sammen stoiss und gebrechen mit irs selfs
beden und begeren mondlich und schriftlich aiu den durchleuchtig hochgeboren
fuersten und herren, herren Johan, alsten soeu zu Cleve, herzogen zu Guilgo,
zu den Berge, graven zo der Marck, zo Ravensberg ind zo Katzenellenbogen,
bracht imd gelangen laissen, der vurschreven seiner genaden reden des lantz
von Guilge hernae benent daironune in seiner genaden stat Guilge geschickt
und verordnet halt, umb dae inne in der guetlicheit oder mit recht zo handelen.
*) Diese Urkunde enthält ein sehr interessantes Zciig^niss über das bei Tlieilungon
in den Familien der Jlilichschen Bitte rschafb beobachtete Gewohnheitsrecht.
44 E. von Oidtman
daromme wir mit vilflissicher moehe und arbeit versoicht und understanden,
die genante gebruedere der deilongen in der freundschaft zu entscheideSf hat
niet stat moegen hain, dan die genannte gebruedere haint dae inne behent
gebeden und begert mit recht von uns dairoever zu erkennen nae gewoiuheit
des fuerstendombs Ton Guilge. Demnae han wir mit gueden reifen rade mit
fleiss und arbeit uns bedacht und erfemiss gedain ind en yrieden nit dat
suicher geferlicher und onfreundlich deilongen znschen gebruederen Ton ritter-
Schäften des fuerstenthombs van Guilge iet vil zudon gewest sei. Aver wir
befinden sulche aide guede herkommen, oevung ind gebruchung des fuersten-
thombs von Guilge under der ritterschaft, so dat der eiste soen hauis und
herlicheit des ainsedels binnen sinen graven oder zeunen, mit den gerichten,
herlicheiden ind gerechtigeiden, dae die also gelegen sein, zuvorentz uiss-
haven und behalden sali, wilch guet alt herkommen soe lange in gueder
oevongen ind gebruichonge gehalten is, dat sulchs vur recht gchalden wird,
in Sonderheit angesehen, dass lehenguedere nit beswert noch verdeilt sullen
''werden bnissen wist ind willen des lehenherm. Dem alles nae und so die
vurgenante gebrueder uns rede hemae benent gebeden und an uns begert
hain, dairoever mit recht zu erkennen in maissen vurschreven, so sprechen
wir verordnete rede nae befindongeu, oevongen, alden herkommen und
gebruichonge des fuerstendomps von Guilge vur recht, dat Johan van
Milendonck als der alste soen dat sloss zu Milendonck binnen seinen graven
und ederzeunen zovorrentz uisshaven und behalten sali mit der hoicheit,
diensten, geboiden und verboiden, mit den gerichten hoch ind neder. Sulches
allit en sali Johan in siner forderdeilongen niet afslach gerechent werden,
dan wat forder dan vurschreven van erftzalen, renten ind gereiden guederen
aldae in der herlicheit oder anderswae dairzu gehoerich ist, sullen die drei
gebroeder van Milendonck vurgenant zo gelicher deilonge stain und sullen
dairzu ire freunde keisen, umb die vurgenante gueder in drei gliche deil
soe vill moeglich zo vergleichen, doch sollen alsdan die gekoren freunde
Johan vurschreven dat deil dem hauise, dat gelegcns is, vur sein gedeils
zofoigen. Ouch is mit gesprochen, dat wilcher broeder, der in die herlicheit
wie vurschreven gedeilt wirdet, off der zu seiner onbezalnng des boeden
bedorfte, umb seine gulde ind rente uszopenden, sali des beiden ain dem
vaide oder scholtis daeselfs gesinnen und sali eme nit geweigert werden,
alles beheltlich der herlicheit in irer hoheit, geboide, verboide und gerechtigeit
zo bliven. Ind sein dieser spruchen drei gemacht gelich landen, der jeder
vurschreven broder eine ontfangen hait Dis alles zu ewiger erflicher vesticheit
also wie vurschreven gehalten zo werden, so han wir Daim van Harve, land-
drust, Dederich von Boirtscheidt, erfhofmeister des lands von Guilge, Raebet
von Plettenberg, hauishofmeister ind ambtman zu Berchem, Wilhelm von
Gertzen, her zo Sinssich, ambtman zo Monstereiffel ind zo Euiskirchen,
Carsillis von Pallandt, her zo Breidenbendt ind ambtman zo Bösseler, Wemher
von Pallandt, ambtman zo Wassenberg, Johan von Pallandt, her zo Wilden-
berg, zo Berghe, zo Vrechen ind zo Bachern, amptman zo Willemstein,
Die Herren von MHendonk aus dem Geschlecht der von MirUor «>
Herman von Hochsteden, ambtmaii zo des Greven Brooh, as re<lo do> Uihl^
Ton Gnilge Ton onsen genedigen liefsten herm herzog zo Guilgti», »o do«
Berge ynrgen&nt zo diesen Torgenanten sprach verordnet, ingeclich vim «n>
seinen insiegel ain diesen vnrschreven rechtspruch und brief gt^han^^^n, dor
gemacht ind gegeven is zu Guiiich in dem jair ons herrn as man «\'hri'U'
nae der gebort Christi nnsers herren dnisent vonfhondert ind vierz^ben, uf
den irsten aaeterdag nae sanct Paawels dag converaio.
Abechrift auf Papier ans dem 16. Jahrhundert im froiherrlicb vxm
Harffschen Archiv zu Dreibom.
2. Dietrich, Herr zu Milendonk, bezeugt die VeiH>rlmnflr ilor
Herrlichkeit Opey von seinen Vorfahren auf Johann Hunlt von
Schöneck. — 1543, November 6.
Ich Dietherich, here za Milendonck, zn Drachenfels und zu Mcidoricb,
drost zu Montfort, doen knnt aUen und jecklichen richtem und geriohten«
den dis offen placat furbracht wird, euch sehen ofte hoeren lesen, hiemit als
für ein gezuich der warheit bekennende, mir wissich und kundich sein, das
weilant meine werdige lieve anchere der gestrenge ernveste und frome her
Johan van Mirlar, here zu Milendunck, ritter, mit weilant der dugenhaftiger
und firommen franen Coenen van Birgel, ehelig und naturlicher dochter des
gestrengen emvesten und fromen heren Engelbrechts Nydt van Birgel, ritters,
erbmarschalks des fnrstenthumbs Gülch, zu ehe gcgrieffen hat, der aller
seien gott benade, und staender und werender ehe haven itzt angezeigte
ehelude die herlicheit Ope mit allem seine in und zubehoer besessen und
gebraucht und sogemelte fraue Coene vnrschreven den vnrschreven minen
ancheren mit dot verfaUeu, und zwei ehelige kinder nach sich verlassen, die
euch mit dode verfallen, hat folgen ts gedachter meine anchere zur zweiter
ehe mit weilant der doegenhaftiger und f romer frauen Belien Steck, frauon
zu Milendunck, gegrieffen und bis in seinen sterftag die vurgenante herlicheit
Ope mit allem seinem in und zubehoer vestlichen und friedlich besessen,
genutzt und gebraucht. Nae wilches vilgemelten meines anchem doetlich
affgank ist gedachte fraue Belle Steck, meine anchfranwe, in wedoms statt
verbleven und hat weilant der ernveste und frome Johan Hurdt von SchOneck
als man und mombir der dugenthaftiger und fromer Johanne van Birgelen,
seiner ehelig hausfrauen, der vnrschreven fraue Coene, eheliger und natürlicher
suster, die vur angezeigte herlicheit Ope mit aUen seinen in und zubehoer
an sich geschlagen und genomen. Urkund der warheit meins innigen ange-
boren siegeis herunden getruckt am dienstach nae sent Hnperts tag des
heiligen bischoffs, anno drei und vierzig.
NotarieU beglaubigte Abschrift in der Alftcrschen Sammlung in der
Hofbibliothek zu Darmstadt, Bd. XXXIV.
46 E. von Oidtman
3. Kabinetssclireiben Friedrich des Grossen an den Fürstbischof
von Lüttich in Sachen der Herren von dem Knesebeck wegen
der Grafschaft Hom. — Berlin, 1755, November 22.
Von gottes gnaden Friderich, könig in Preußen, marggraf zu Branden-
burg, des heil, römischen reichs ertz-kämmerer und churfürst u. s. w. unsere
freundschaft und was wir sonst mehr liebes und gutes vermögen zuvor.
Hochwürdigster, durchlauchtiger fttrst, freundlich lieber vetter.
Daß wir an ew. liebden gegenwärtiges schreiben zu erlaßen uns die
ehre geben, darzu veranlaßet uns die von unserem kammerherm Karl Ludwig
von dem Knesebeck vor sich und namens seines vettern Wilhelm Friedrich
Leopold von dem Knesebeck bei uns übergebene unterthänigste vorsteUung
und bitte, um ihm unsere assistenz und vorwart dahin angedeihen zu laßen,
damit er wegen seines gerechten anspruches auf die succession in die von
dem hochstift Lüttich bishero detinirte freie reichsgrafschaft Hoom, womög-
lich ohne processuirliche Weiterung zur satisfaction gelangen, oder doch des-
halb eine gütliche auskunft befördert werden möge. Ew. liebden woUen wir
mit weltläifiger anführung der vor den p. von Knesebeck streitenden rechts-
gründe dermalen nicht beschwerlich fallen, sondern nur dieselbe ersuchen,
sich aus dem hiemeben gefügten impresso gelegentlich vortragen zu lassen,
welchenfalls wir uns von ew. liebden erleuchteten einsieht und belobten lustiz-
eifer gewiß versprechen, dieselben geruhen werden, die gerechtsame des p.
von Knesebeck und seiner mitinteressenten nicht allein anzuerkennen, sondern
auch die billigkeit einzusehen, dieselbe in vorenthaltung des ihrem Stamm-
vater vorlängst gebührten und auf sie transmittirten successionsrechtes nicht
länger zu kränken, vielmehr die Verfügung überaU dahin ergehen zu laßen
belieben, damit den supplicanten das altväterliche fideicommissum der graf-
Schaft Hoom wiederum eingeränmet oder ihm doch deshalb solche annehm-
liche Vergleichs-vorschläge gethan werden mögen, wodurch er und seine mit-
interessenten billig mäßig indemnisiret und weitläufigen proceßhändel ver-
mieden werden können. Ew. liebden ersuchen wir um eine solche beliebige
einleitung der sache angelegentlich und werden uns dagegen ein besonders
vergnügen sein laßen, deroselben in solchen und anderen vorfäUen thätig zu
zeigen, wie sehr wir ew. liebden zu erweisung angenehmer freundvetterlicher
gefälligkeiten stets geflißen beharren.
Berlin den 22^ november 1755.
Ew. liebden
An den herm freundwilliger vetter
bischof von Lüttich. F.
Originalschreiben im Archiv Karwe. (gegengez.) Podewils, Finckenstein.
r>ie Herren tob MileDdonk aus dem ffe^(bl*'*'bt cL-r von VliUA^j 41
EDL GesdüehÜidie Uebersk^t aber dk Herrlidbk*^H
Fronenbrneh-Hörst^eiL
Frcmenlmich war ein Lelin d«r <^Traf«D toü iit-M^-ru. hu J ]'Mt4 »-ui^tUti^,
es Johann von Sünden Tom Grafen Beinuld von f^»;i(i»'nj ' . ini^t iM .hth^inu
von Wachtendonk Besitzer, er must^te löDW mit M-iuem NVfiiTti vou Vf«/u»*u
broeke ,6 Gewappnete" zum Landiri^deuHbund »rt^jik-ii*; J4lfc »aiu-.h Hui^i^t
von Vlodorp und seine Gattin Elinabetb v<iu Wa^bu-ndoük *^iii< Kitp**Jii /,u
FronenbmclL Butlers Schwetrt^T Aümet» wurde Guttui Joimuui- h>*'b«i)Ur< %</ij
Obbeadorf^ geldriseben Hofmeixterfe. Ilir Tucbi»'ritiunu V\ iliji^iiu m/u tn^if
nennt sidi Herr zn Fronenbrncb. N^-in S<ibu Wi)h<'lui tfuj:i am ♦* N«/v**MiU#
1460 Vroonbroek dem Herzog AduH vuu Geld* rn £u L^btJ auf, dituiii <i»^U'i
hin Dirk von Bronckhorflt, sein Stiiwiegerbolm, d^mH U^i^^btit ^tnU^t' ^mm "
Letzter» ne&nt sich dann in der Folge Herr zu »uueubfucb Un h'timiAtw
des 1460 belelinten Wilhelm von Goer, EÜsabetb, beiralbt^« d'-ij liiiu-.r Jwb*iiiü
von Montfort. Ihre Tochter brachte Goer nud »ou<juiiru»;b au d^u Jiui^
grafen Gotthard von Drachenfels. iHirch die ErbtochU^r i>rti4iUi',uinir Ki^UoKU
Fronenbroeh sodann an die Herren von Milendonk. l'eU^r di«; Kiy;t'Mt'.iiu.U
Fronenbmcfas als geldrische« Lehn enthält eine (Jitation bei ynt/Athi-akUu*
vom J. 1637 folgende Passus: Gotthard Freiherr zn JtfilenduD^'k uud di-itiH'ü
Vorehem die von Milendonck haben das Haus Froenenbrufb «ambt d^uj Dorf
Hörstgen mit allem Zubehör, Markt, Marktrechten, NulzuugHu, ÜMutf.ü,
Gefällen, Schätzungen, Civil- und Kriminal-Jurisdiktion, aller Obcrberrliobkitit
und Gerechtigkeit, viel iSnger denn Menschen Gedenken erreicbcu ma^, vou
dem Herzogthum Geldern zu Lehn getragen. Ein Berieht vom J. llbH txU'r
Hörstgcn-Fronenbruch ^ führt an, dass das Schloss Froneubrucb mit vur
Thürmen, Wassergräben und Brücken versehen sei und dazu alis herrbibufi
liehes Land 10 Morgen Garten, 100 Morgen Ackerland, 50 M.ort<«^u h^'Muh
und eine Hutung gehörten.
Die Herrlichkeit Hörstgen, aus einem Kirchdorf mit einigen uiüUi'.g**udi'ü
Höfen bestehend •, nmfasste im J. 1794 mit Fronenbrueh zu*aiuiM**jü tjmu
Bezirk von 1636 Morgen mit 404 Einwohnern ^ Das Dorf Ja*? JO UmuU^«
von Schloss Fronenbruch, wo der Besitzer der Herrlichkeit wohui*-, tuUt^t^i *,
«) Bedinghovensche Sammlung X, S. lia Da« L«l»n wm"4 xu 4m i'rk^n^^t
„Barg Yronenbroeck" gexuumt
«) NijUoff, GJedenkwaardigheden 11, no. Ö9.
s) Ebenda IV, Regest 854.
*) Staatsarchiv «u Wetalar, M. Nr. 2882.
») Bericht de« Hofraths Göbel eu Rheinberg, angeführt in PWk • !!//»/*<«•' hrif» ttt,
8. 487, wo sich noch sonstige interessante Nachrichten üb«- VtmmtSfruth «»4 #rJri«
im J. 1790 stattgehabte Taxation der Herrlichkeit findet.
«) Vgl. Annalen des bist. Vereins f. d. Niederrhein XXXJX, B, »,
7) von Mülmann, Statistik des Reg.-Bez. Düsseldorf I, 8. dtft-^.
■) Picks Monatsschrift IH, S. 4X7.
48 E. von Oidtman
Letzterer beanspruchte für die Herrlichkeit die Reichsoninittelbarkeit ', was
ihn aber nicht abhielt, seine Besitzung als Lehn der Grafschaft Moers sowohl
Ton den Prinzen von Oranien als yon den Kurfürsten von Brandenburg zu
empfangen.
Wahrscheinlich hat sich der Anspruch auf Reichsfreiheit aus einer Laeten-
oder Enrmoeden-Gerichtsbarkeit, welche den Besitzern Fronenbruchs im Dorf
Hörstgen zustand, entwickelt. Thatsächlich gehörte die Herrlichkeit Hörstgen
zum Fürstenthum Moers und in der Eigenschaft als adliges Lehngut mit
eigener Gerichtbarkeit und sonstigen Prärogativen ' also im 18. Jahrhundert
zum Königreich Preussen. Mit Kurköln, welches eine Eeichsunmittelbarkeit
der Herrlichkeit bestritt und behauptete, das Kirchdorf Hörstgen habe früher-
hin zum Amt Kheinberg gehört', waren die Besitzer yon Hörstgen in fort-
währende Streitigkeiten verwickelt. Prozesse darüber schwebten noch beim
Reichskammergericht, als dasselbe aufgehoben wurde ^.
Das Kirchspiel Hörstgen hatte schon vor dem Jahre 1624 ein eigenes
reformirtes Konsistorium und der reformirte Pfarrer nahm mit Dispens und
Konsens „des gnädigen Landesherrn^ Trauungen solcher heirathslustigen
Personen vor, welchen das Gesetz anderwärts unübersteigliche Schwierig-
keiten in den Weg legte ^ Die Einkünfte, welche hierdurch „der Landes-
herr von Hörstgen** bezog, sollen sich in einzelnen Jahren bis zu 200 Thaler
belaufen haben.
Nachtrag.
Ein Brief Johanns von Mirlaer, Herrn zu Milendonk, an Ritter Kuno
von dem Eichhorn zu Aachen gerichtet, findet sich in Quix, Geschichte der
St. Peter-Pfarrkirche S. 32. Der Brief ist nicht datirt, da Kuno von dem
Eichhorn im Jahre 1487 starb (vgl. Loersch in den Annalen des bist. Vereins
f. d. Niederrhein XXI. XXII, S. 252), so wird der Verfasser des Briefes
derjenige Johann von Milendonk sein, welcher Schwiegersohn Heinrichs
Schei£fart von Merode-Hemmersbach war (vgl. oben S. 15). Johann scheint
Forderungen an die Stadt Aachen gehabt und deshalb wiederholt einen Ver-
gleich vorgeschlagen zu haben. Da die Stadt ihm aber, nach dem Schreiben
*) Die Prozessakten im Staatsarchiv zu Wetzlar enthalten ein Original-Mandat des
Kaisers Leopold vom J. 1700, worin gesagt wird, dass Kläger (Gotthard von Milendonk)
sowohl wegen seiner Person, als auch der Herrlichkeit Hörstgen dem heiL ri^misohen
Beich unmittelbar unterworfen sei, also vor keinem Gericht angeklagt werden könne,
noch davor zu erscheinen brauche.
*) Prozessakten im Staatsarohiv zn Wetzlar, Milendonk Nr. 2882. Die Prärogative
scheinen in der Ausdehnung thatsächlich bestanden zu haben, wie sie die oben erwähnte
Citation vom J. 1687 anftlhrt.
s) Annalen des bist. Vereins f. d. Niederrhein XXXTX, S. 20.
*) Hauptsächlich wegen Gerichtsbarkeit und Jagdgerechtsamen. Vgl. Annalen
XXXIX, S. 29. Die Verbrennung des von dem Herrn von Milendonk aufgerichteten
Galgens (Halsgericht) wird auch in den Prozessakten. als im J. 1688 vorgefallen erwähnt.
*) Eine Anzahl solcher Trauungen sind angeführt in P i e k s Monatsschrift II, S. 487.
Die Herren von Milendonk ans dem Geschlecht der Ton Mirlaer. 49
zn nrtheileiL, üherhanpt nicht antwortete, so gah Johann Ton Mirlaer dem
Knno Ton dem Eichhorn kond, dass er, falls jene seinetwe^n in Anspruch
genommen wfirde, dieserfaalb unangefochten (onbededynk) bleiben wolle. Ein
weiteres Zengniss über diese Angelegenheit ist bisher nicht bekannt geworden.
Als 1367 Werner Herr tu Tombarg und seine Söhne Konrad und Friedrich
sich mit den Verbflndeten des Landfriedens zwischen Maas und Rhein wegen
▼erschiedener Entschädigungen, welche sie gefordert hatten, Terglichen, wurde
Q. A. auch bestimmt, dass Jakob ron Mirlaer (s. oben S. 13) das Haus Montfort
im Geldrisehen an Herrn Johann Ton Kessel übergeben solle. Die Geschworenen
des Landfriedensbunds würden dem Jakob einen Tag ansetzen, an welchem
ihm durch den Herzog Ton Jülich, sowie andere Herren und die StAdte des
Landfriedensbunds Recht gesprochen würde. (Manuscr. Boruss. fol. 846 in
der Königlichen Bibliothek zu Berlin.)
Ein Aachener Dichter des 14. Jahrhunderts.
Von C. Nörrenberg.
Die Pergamenthandschrift in Quart Nr. 332 der Amploniana
in der Königlichen Bibliothek zu Erfurt stammt aus England,
wo sie ihren Hauptinhalt im 14. Jahrhundert erhielt. (Vgl.
Schum, Beschreibendes Verzeichniss der Amplonianischen Hand-
schriften-Sammlung zu Erfurt S. 566 flf.) Gegen Ende des 14.
Jahrhunderts war sie in Aachen; dort hat, wie es scheint,
eine und dieselbe Hand, wenn auch mit ungleicher Tinte und
ungleich starken Zügen den leeren Raum der ersten und letzten
Blätter mit einer ganzen Anzahl verschiedener Kleinigkeiten
ausgefüllt, von welchen die für die Geschichte der Katharinen-
kapelle beim Aachener Münster werthvoUen in dieser Zeitschrift
Bd. X, S. 95 — 137 ausgenutzt und veröffentlicht sind von Herrn
Geheimrath Loersch, dessen Freundlichkeit ich es verdanke,
auf die folgenden Stücke hingelenkt zu sein.
Es sind dies (mit Schums Nimierirung) zunächst eine Anzahl
Gedichte, in deutscher Sprache ein politisches (Nr. 8), fünf
lyrische (Nr. 4, 6*, 9, 16, 20) und ein Bruchstück eines mehr
didaktischen (Nr. 17); in lateinischer Sprache acht (Nr. 5, 6^',
10, 12, 13, 19, 24, 25, 26); ferner zwei Weihnachtsgesänge
„Sijs mllekometi^ und „Gloria in excelsis" mit Noten (Nr. 21 und
27), ferner Sammlungen von Keimwörtern mit Versuchen von
Versen, deutsch (Nr. 18) und kteinisch (Nr. 11, 18'\ 19 und
ein von Schum übersehenes Stück, Bl. 105 vor Nr. 21); dann ein
lateinisches Stück in Prosa, überschrieben : „Protestacio laudabilis
in disputacione a respondente premittenda", anscheinend ein
Formular für die Rede des zu promovirenden Respondenten bei
der Disputation; schliesslich ärztliche Rathschläge: Rezepte
in deutscher Sprache (Nr. 22^") und in lateinischer (Nr. 23 und
Ein Aachener Dichter des 14. Jahrhunderts. 51
28) und Vorscliriften für den Aderlass, deutsch (Nr. 22''). Die
meisten dieser Stücke sind ziemlich schwer zu entziffern.
Der Schreiber dieser Stücke war, wie Loersch a. a. 0.
nachgewiesen hat, Kapellan an der Katharinenkapelle ; als solchen
nennen Peter Hankart die Stadtrechnungen von 1385/86,
Johann Barba die von 1394/95 (Loersch a. a. 0. X, S. 97,
Laurent, Stadtrechnungen S. 346, Z. 32 und S. 398, Z. 39);
die Waarenpreise Bl. 2 (Schum Nr. 7) beziehen sich auf 1391
und 1392; der terminus ad quem ist 1398 (Loersch S. 101); das
politische Spottgedicht (s. u.) lässt sich am besten aus den Zuständen
der Mitte dieses Jahrzehnts verstehen : die grosse Wahrschein-
lichkeit ist also für Barba, d. i. wohl = Bart als Schreiber.
Ob auch als Verfasser? Direkt dagegen spricht nichts,
dafür Folgendes. Zunächst sind die poetischen Stücke sicher-
lich nicht von aussen nach Aachen importirt worden; schon
Loersch hat darauf hingewiesen, dass eins der lateinischen (unten II,
Nr. 3, Schum Nr. 10) die Heilige der Katharinenkapelle zum
Gegenstand hat; in drei andern kommt der Name Karolus vor
(2,2o; 6,11 ; 8,ii); die deutschen Stücke zeigen da, wo nicht ein
anderer mit Absicht verwendet ist, den Aachener Dialekt und
Schreibgebrauch, der nirgends mit den Reimen in Widerspruch
steht, wie wenn etwa Umschrift aus einem andern Dialekt statt-
gefunden hätte; der Aachener Gebrauch des Akkusativs statt
des Dativs erscheint oft: dich statt dir 1,2; mich statt mir 3,1.»;
5,7; 6,20; si statt eir 3,14; 4,13; der Aachener Ursprung ist also
zweifellos. Dass der Schreiber sich auch mit Dichten beschäf-
tigte, zeigen die Reimsammlungen mit eingestreuten Ansätzen
zu ganzen Versen; dass er gerade diese Gedichte nicht nur
geschrieben, sondern auch verfasst hat, schliessen wir aus der
Art und Weise, wie er mit ihnen verföhrt: zwei, das deutsche
Nr. 4 (Schum Nr. 9) und das lateinische Nr. 3 (Schum Nr. 10),
hat er zweimal aufgezeichnet, das erstere mit kleinen Varian-
ten; das erste deutsche Lied (Nr. 2, Schum Nr. 4) ist in zwei
Aufzeichnungen da (Bl. 1 und 3), die in Vers 1, 3, 5, 6, 8, 10
völlig, in Vers 12, 14 zum Theil gleich lauten und in den übrigen
metrisch und inhaltlich von einander abweichen: ein kleines
poetisches Kunststück, welches man vielleicht für sich selbst
niederschreibt, aber nicht leicht von einem andern abzuschreiben
und weiter zu überliefern in die Lage kommt. An mehrem
Stellen endlich hat der Schreiber Worte im Text, welche ganz
52 C. Nörrenberg
wohl in Sinn und Reim passen, also nicht gut durch Gedächtniss-
irrthum hinein gekommen sein können, getilgt und durch andere
ersetzt, so 2,u der ersten und 2,i3 der zweiten Fassung; 3,2;
6,13; alles Umstände, die sich nicht besser erklären lassen, als
wenn man Barba, den Aufzeichner, auch für den Dichter
hält. Dafür, dass die deutschen und die lateinischen Gedichte
vom selben Verfasser sind, zeugt die Aehnlichkeit und Gleich-
heit des Metrums, auf welche die üeberschriften der lateinischen
Gedichte noch besonders aufmerksam machen. Verbreitung
scheinen seine Lieder nicht gefunden zu haben, es war mir
wenigstens nicht möglich, anderwärts Spuren zu entdecken,
auch nicht in der Limburger Chronik, welche nur nahe
Verwandtes (zu 3) enthält (Kap. 67, zu den Jahren 1362 — 65).
Die Lieder lesen sich flott und angenehm, doch sind sie wenig
konkret und individuell und scheinen mehr Produkt überlieferter
Motive und Technik als der Individualität des Dichters. Diese
tritt mehr in dem politischen Gedicht hervor. Dasselbe
steht in vier Abschnitten vertheilt auf Bl. 2 ; den Anfang bezeichnet
eine schwer lesbare üeberschrift mit starken Abkürzungen, zwei
Worte, hinter denen noch die Buchstaben 7 oä mehr zu vermuthen
als zu erkennen sind. Gleich der erste Vers: nWat sais du
hnsschof happerteseh*' , „Was sagst du, Bischof Räubertasche**
(happen = arripere, celeriter rapere etc. Kilian) bezeichnet den
Gegenstand des Pamphlets. Welcher Bischof gemeint ist, ergibt
sich zimi Theil aus der Wahl der niederländischen Sprache für
einen Abschnitt (v. 37 — 58), also wohl einer auf niederländischem
Sprachgebiet; dann aus der Wahl des Oberdeutschen für andere
Abschnitte (v. 59 — 78), welche mit ihrer Orthographie (t, p für
d, b, e für ö, an für an) die oberdeutsche Sprache des Angegriffenen
verspotten und ihn geradezu einen Baiern nennen, v. 74:
Fach tich payer vß dem lande. Alles dies lässt kaum einen
Zweifel daran, dass kein anderer gemeint sein kann, als Johann
von Baiern, der 1390 als siebzehnjähriger und als Bischof in
Lüttich eingezogen war und während seines Episkopats die
schwersten Fehden mit Lüttich und andern Städten auszufechten
hatte. Es ist dies derselbe Johann von Baiem, gegen den
im J. 1420 Johann ü. von Nassau-Dillenburg einen Scheltbrief
wegen verfallener Ehrenschulden ausgehen liess (Picks Monats-
schrift rV^ S. 70—73). Der erste heftige Konflikt fiel in das
Jahr 1395 (Löher, Jacobäa von Bayern I, S. 208 ff.); die Städte
Ein Aachener Dichter de:«^ U. Jahrhnndorts. ^3
der nähern und fernem Nachbarschaft nahmen wenigsten» mit
Gesinnung und Worten gegen ihn Partei, und in diese Stimmung
passt unser Gedicht hinein; die einzelnen Anspielungen desselben
wird nur der genaue Kenner der Zeitgeschichte verstehen.
Wir lassen hier zunächst die eigenen Gedichte unseres Ver-
fassers folgen, zuerst die deutschen; ihr Abdruck ist, bis auf
die Auflösung der Abkürzungen, den Ersatz der Versstriche
durch Zeilentrennung und die ZuftLgung der Interpunktion
diplomatisch genau, in den lateinischen ist ausserdem die Ver-
theilung von ii/r geregelt und statt /:s gesetzt; wir haben
auch nicht weggelassen die Worte, welche Strophenabsätze
bezeichnen; Ergänztes ist eingeklammert, Unleserliches durch
Punkte ersetzt; letzteres leider häufig in den lateinisclien
Stücken, deren völlige Entzifferung einem bessern Kenner des
mittelalterlichen Latein vielleicht da gelingt, wo uns die Un-
deutlichkeit der Handschrift im Stiche Hess*. Den deutschen
Gedichten ist am Schlüsse das deutsche Weihnachtslied (Nr. 2 1 ,
Bl. 105) beigefugt, das lateinische (Nr 27, Bl. 105' und 106')
enthält nur die bekannten Worte: Gloria in excelsis deo et in
terra pax hominibus bone voluntatis. Von den Keimsammlungen
lassen wir nur die deutschen, der Sprache wegen, folgen; die
lateinischen sind ganz ähnlich, z. B. (Nr. 11, Bl, 101): vulgat^s,
amaris, avaris etc. ; elicui, perspicui etc. ; plumizantes, stuHizanies etc. ;
(Nr 18^ Bl. 104'): nobilissima, vüissima; (Nr. 19, Bl. 104'):
salutiferum, inortiferum etc.; (es folgen noch prosaische Stil-
übungen): Bl. 105 stehen noch Verse ohne Zusammenschluss,
Ansätze zu Strophen.
Einige Zeilen auf Bl. 101 oben, über Nr. 9, von Schmu
tibersehen, und ziemlich unverständlich, vernachlässigten wir
ebenfalls. Von den ärztlichen Rathschlägen schliesslich drucken
wir die deutschen ab, da sie auch sprachliches Interesse haben.
Herrn Bibliothekar Dr. Auermann in Erfurt gebührt unser
Dank für die Ueberlassung der Handschrift zur längern
Benutzung in der Universitäts-Bibliothek zu Marburg.
*) Worte, die mir unvcrständlicli waren, liabc ich durcliwcg niclit mit
Fragezeichen oder Bemerkungen versehen.
54
C. Nörrenbcrj;
I. Deutsche Gedichte.
[BL 2'
unten links]
10
15
20
IBl, 2'
unten rechts]
25
30
1. (Schum Nr. 8.)
wat sais du bftsschof happertesch!
(lat dich entfallen müys dijn flesch
mit dem wijn, as du salt drencken!
weyns du ons eyn hoir hy krenken?
nummer salt du des gedenken;
in di hei müys dy senken,
dat dft ons mit dinen genoissen
nft ze moil wolt ver...ois8en*.
sehenden m&ys dich sent hefforis,
want du bis eyn hokedoris,
de des drecks eyn meyster is;
kftm in drenck, wanne ich pis!
dat dich der keym p..t** mftys bestoin
ind der pips ouch ane goen,
so solts dft seiden genesen,
haen ich in den bftchen gelesen,
dy der leymbecker is genant.
var bald viedelen in den sant,
da dich der sne verbernen moiclit,
des ich alre deng geloicht.
wisschaf spreich ich doch dar zft,
want dft boiks reicht as eyn kfte;
der vladem dat is rftntschel drec,
des bedrflyf dich noch eyn sleck.
sag dft kftkftk kinbaks wang,
dat dich der mort ind oich der wrangt
irsloin müys as eyn Hollents rent!
weins dft dat wir nft sint kent^
ind vnmirclich in den sinnen,
dft moichts dich doch wael bas versinnen.
dft bis eyne gans ind oich eyn schrants,
as dft ringeis aen den dants,
ind stinks recht as eyn libart^
eyn rabias ind grijnnart
') nur z, Th. sicher, anscheinend verarspoissen. ^) plat?
') Aussatz. '^) Kinder. ^) Leopard.
Ein Aachener Dichter des 14. Jahrhuudertd. 55
35 ind der mede sftndach gants
• . net* bis dft
[BL 2' oben rechts] brabants
0 gi mobac^ turelijer^,
verbrandeii muyt gi in eyn vijer,
dat i ons altoes verschaempt!
40 vmmer mftyt gi sijn gepraerapt
ind dar tu hebben quaden ramp^,
dat gi maickt' as groten schamp.
ic sect V bi den gftden t&yn,
ic woud V scheten v kaprftyn!
45 gi sijt eyn lecfriten eter,
des in sijt di niet de beter.
wi sijn blasse vri gesellen,
dy dar lopen mit den vellen.
arm gesellen mftten teren,
50 dar no dat si sich generen
ind blidelike leuen
van dien dat yn gftyd liet geuen.
oc merr sijt gi seiden Wide
inde stinket as eyn pride^
55 van dien knoifloic dat gi eten
heb/ ind dar tfi wel gescheten.
sect gi galppart*'* quait katijf
, . lic^ varen mftyt v lijf!
aliter.
was ^reidts du grober wirre war,
60 tu pist irstalt recht sum eyn narr
das tu has of ons geworfen
haibst, wir teynre nindert dftrfen.
tu pist gar ein hfipscher man,
der t Iftyt weirlijn tüysschen kan
') nur 2. Th. leahar^ der Vers unroüständig, '') mobac nicht ganz
sicher f turelijer aus turelftyr korrigirt. '') maickt oder maicht. '') hebd?
') galspart? ') das erste Wort nicht sicher, «) vor reidts ist sais durchstrichen,
*) Vgl. verturcluren, durchbringen, Wink 1er, Nederd. Dialccticon 11, 214
(Vers 30) und 360 (zv ^ Krampf; FallHUcht. ') Aa8. *) Heuler ?
56
C. Nörrenberg
65 ind gar woel betrigen
ind vürbas schoenre ligen*.
[Bl 2 oben links] oberteuts
tu** pist gar onsubir,
tas tu aebgreyfst onsern zftber.
tu pist eyn ongenemer
70 geleich den groben pemer^,
den dy gnipen gar wael laben,
vorbas schol man ymmer straben*
teynen laster ind oich schände.
Foch tich payer vß dem lande!
75 das tich tey ferher woil befeisten!
wolt dft of ons swerlijn leysten,
wir woltens an teyme drlssel* reychen,
das dirs hert mlys vermeychen.
2. (Schum Nr. 4.)
Ä. Bl. 1, unterer Rand,
lust des somers wonnenclijch
kan verdriuen trürich sichten*
ind schoen blftmen minnenclijch,
die datherts mit gftden vr flehten
5 dftent in blijtschaf sweuen.
versus.
Op der grftynre boume zwijch
schallen vogel mit gerftchten^
sftyssen sanc gar lovelijch,
da si menchen mit irlflchten.
Rep. lust etc,
10 dijsprijsgeytopwijfsgelijch,
want si kan mit eren zftchten
sijch irgeuen ordenclijch,
dy al vnsted wilt versftchten
*^ind in trftwen leuen.
B. Bl. 3, unterer Rand.
lust des somers wonnenclich
kan verdriuen ongeval
ind schoen blftmen minnenclicli
dy dat hertzchyn bauen al
dftent in blijtschaf sweuen.
versus.
Op der grftynre boyme zwijcli
sengen vogel mit geschal
sftyssen sanc gar lovelich,
beyde berch ind oich in dal,
versus rep. lust etc.
dis prijs geyt op wijfs gelijch,
want si lucht as eyn coral
in viel doigden ordenclich,
der al*" onsteyt is eyn quäl
si kan trftwen leuen.
*) nach V. 66: quere in precedenti latere huius folio f talem cmcem.
Reste eines Kreuzes vor V. 67. •*) das t unsicher. ^) vor onsteyt ein Wort
durchstrichen, anscheinend ondoich[d]. **) hiervor: ind dar weder strenen, äie
3 letzten Worte getilgt.
*) Böhmer. *) VieUeicht vermeintUch hochdeutsche Form für „strafen".
») Kehle. *) Seufzen. *) Klängen.
Ein Aachener Dichter des 14. Jahrhunderts. 57
3. (Schum Nr. 6\)
sequitur kantilena primo in teutonico, post in latino.
[BL 2 Mitte] och wat sal mich nft dat leuen;
Widder min^ kan wenden*;
wa ich koim, do is gegeuen
oigen cloir verblenden
5 ... **mich steit dis werhelt schijn.
Ich wil stede in hoffen sweven
meyes Iftst zeprenden,
de mich minen m&it . . heven
deit ind kftrtzwijl venden. verstis rep. och wat hc.
10 Dych ant vröulijn mftys ich cleuen,
dat si mir wil senden
troist, da van ich niet gesueven
moig yß eren benden
bi si vro ind blijd zo sijn.
4. (Schum Nr. 9.)
A, Bl. 101. B. Bl. 105.
[A] AI denc min verwinnen*' kan
nä regnieren'' der naturen,
as bevenden wijf ind man,
dy dat wael ze® grftnd irpftren
5 mit subtilen sinnen, versus etc.
Ich ny lyeners' in gewan
onder zarten creaturen
dan eyn wijflijch bield, da van
ich verblijd in allen vren. versm rep. AI denc de
10 Si is da mijn troist lijt an
ind mach lesschen mir^ mijn trftren,
dar van ich eir als gftyts gan
trftlich bi eir^ vort ze dftren
in gerechter minnen.
5. (Schum Nr. 16.)
kantilena teutonicalis.
[El. 104] N& der lieuer zallen ziden
*) kan wenden ist übergeschrieben; darunter durch Funkte getilgt: blijft
henden. **) vw mich ein unleserliches Wort, *) verwennen B, *) regnierug B.
«) wal zÄ B. 0 lieuers B, ») ind di lesschen mach B. »•) bi sij trülijch B,
') Gegenliebe.
58 C. Nörrenbcrg
denck ich, dy mijn herts gewont
hait ind kan mich wael verbliden
ind oich machchen recht gesünt,
5 wold mir heil van eir geschien.
wilt si sfinder widderstriden
mich eir help dftyn trfllich kftnt,
mir in rftyet niet wat liden,
kftnd ich venden sülchen vont. versus rep. nd.
10 Nyeman wil mir des beniden,
dat si mich in kftrter stftnt
mach irgetzen ind af sniden
trftren vß mijns hertzen grftnt,
mftys ich in der wairheit gieu.
6. (Schum Nr. 20.)
teutonicalis kantilena.
fBi. 104'] Vrov mit herzen sin ind mftyt
sets ich gants in dijnre hant,
al gevangen lijf ind gftit,
dar vmb trälich bi mir* stant:
5 dft bis di ich meyne. versm.
Min bi widder min wael rftyt,
want si bint ind is berant,
nochtan velt si onverhuyt
ee si kleirlich werd bekant. versus rep. vr<w etc.
10 Lang haen ich dijn gunst gesftyt
vp dat du mir kftyls den brant
den ich lijd in mijnre sftyt,
doch in ger ich des gein pant,
ich getrü dir reyne. veistuf.
15 Nu schenck ich in guder spftyt
dir mijn herts z6 eym presant,
wan dft bis eyn edel blftyt
dat mich hait zft dir*" gewant. versus vrou etc.
Lief in züchten wael behftyt,
20 tröist ind help mich al zft hant,
dat ich kftmmers si gebftyt;
war ich koim in eynich lant,
lois micli niet alleyne.
*) bi mir zweimal. ^) vor gewant durchstrichen: gessant.
Ein Aachener Dichter des 14. Jahrhunderts. 59
7. (Schum Nr. 17.)
sequitur teutonicum.
[BL 103*] Wan du dinen onwil sijs,
niet dijn herts ze seir in rijs
ride ich dir in sinnen;
vilt dich alzijt niet dijn wil,
5 haf gedolt ind swich al still.
kumpt dir onmftyt varen aen,
niet ze groissen onraoyt haen
Salt du des van binnen,
vort vß der groisser düytscher kantilenen . . . dricht
... .de mijn sftnder widder rainn ....
iemerlich. —
Gegenüber auf BL 104 steht in gleicher Höhe wie die oberste ZeÜe des obigen
C= V. 1—3):
du moichts deym dijn leyt irklaen
de dirs vil me zft sftld draen
is nft . . der lüde.
8. WeihnaeUslied (Schum Nr. 21.) BL 105.
sijs willekomen heirre kerst,
want du onser alre heirre bis,
sijs willekomen lieue heirre,
her in ertriche also schone, kirieleis*^
9. (Schum Nr. 18\) Bl. 104.
rijch dicli mich swijch gelijch zwicli krijch wich slijch.
wijf lijf verdrijf stijf schijf bUjf becUjf sijf knijf pijf schrijf
grijf slijf.
schrftwen verspuen cluen brftwen kuwen irnftwen suen rftwen
truwen schftwen blüen hftwen.
') der Text wiederholt sich noch zweimal genau gleichlautend.
*) Einen etwas andern Wortlaut des Aachener Christnaehtslieds, welches
der Älteste Schöffe am Weihnachtsfest in der Münsterkirche nach dem Evange-
lium der Mittemachtsmesse anstunmtc, gibt Qu ix, Historische Beschreibung
der Mttnsterkirche S. 119. Vgl. dazu die Bemerkungen von Hilgers und
Pauls in der Zeitschrift des Aachener Gcschichtsvercins IV, S. 149 ff. und
Schollens Notiz ebenda«. X, S. 196. Vgl. auch Bäumker, Vierteljahrsschrift
fttr Musikwissenschaft IV, S. 158. — In unserer Handschrift Bl. 105 ist zu
der ersten Strophe des Lieds auch die dazu gehörige Melodie verzeichnet.
60 C. Nörrenberg
minnen sinnen binnen gewinnen innen zinnen rinnen . . . •
beginnen besinnen.
zart lief edel züchtich wijf
guder mftyt is haluer lijf
dft bis gants eyn leyt verdrijf
minen hertzen binnen.
eir edel seden ind zftchtich gelois
kör ich vor der vogel sanc
ind vor sftysser pijffen klanc
lanc kranc gedanc wanc gemanc hanc ranck vi-anck stanc banc
bedtbanc hauedanc vanc anevanc ganc quanc dranck.
II. Lateinische Poesie.
1. (Schum Nr, 5.) Vorsetzblatt, Rückseite,
lust des somers. kantilena latinalis super isto.
morbis heu gravissimis
multi Spiritus fedati
penis amarissimis
erunt tandem crucidati
5 cane stigiali. versmt,
factis benignissimis
dulie* divine dati
studiis tutissimis
COnseruntur pietati. ^versus rep, morbis,
10 Cordibus purissimis
ut ex deo procreati
''ipsum simus contemplautes
oculis purissimis
vita deicali.
2. (Schum Nr. 6\) Bl. 2.
seqiütur p . . . . atino
Tuura accidens plectentes*"
in coniunctione
vires gravatum cernentes
') vor versus durchstrichen: Cordlbns purissimis. **) von hier ab ist der
Versbau gestört, ^) darunter getilgt: ponentes.
J) = griech. douleia.
s supcrant , , ick
Primo . , , porluoauo.^
stat confusioiio
predes inopes praueutcs
ex elacione r«^ p^ t^^m h,^
10 Hie figuram protuentc^
in ... . one
personarum coufaventevS
constat ut sermone
via per indicia m^n,
15 demum ordinem volventes
cum ambicione
reliquis se preferentes
Iionoracione. rtr$u9.
Summa mater ol placento«
20 Karoleque bone
aquis prorsuH eminente»
die sunt . . .
vobis epinicia. f,#r/w#,
Impetrate no« degentcH
25 tribulacione
pul . . .
baratri latone,
Hanc poni vita •cnte«
^1
30 Äimn» deo (:fmrirenif:i^
Z. rH^h>fm Sf. 10,; Hf, 1h U
Sequitnr kantii^n^t lafir.alu rle .^an*^u ÄTatnem* .^^,iai iMr,
p^TliiHfrans /'irai^ia
■"•an^lira pf,Mf monr** ^'y.^a
62 C. Nörrenberg
salutaris medicina
reis dans solacia
vini fontis cum propina. versus rep. dim etc.
10 ad celi palacia*
te precavi vi divina
mundi de** fallacia
prope spons nos mina
perpetim regnando.
4. (Schum Nr, 12,) Bl, 101.
Nota principium aliquale kantileue latinalis de beata virgine.
demicatrix veritatis
consolatrix desolatis
miseratrix sceleratis
medicatrix infinnitatis
5 instauratrix sanitatis
adamatrix deitatis
operatrix pietatis
infringatrix falsitatis.
5. (Schum Nr. 13.) Bl, 101,
Modus est indicativus
verbi turpis expressivus
praxis demum quem fusivus
cosmi Status nunc pravatur. versus.
5 peregrina quondam gentes
rem iniquam rapientes
nulli carni sunt p . . entes. versus rep. Modus etc,
Arrogans imperativus
Violen ciae lativus
10 timens ut undosus rivus
exessive d . . . . atur. versus.
Surgunt veris abutentes
falsitates pertegentes
digitOS post pertuentes. versus rep. Modus etc.
15 gloriarum optativus
cassarum perterritivus
loricarum neglectivus
in plerisque ventilatur. versus.
Astus varios fingentes
■) zweite Aufzeichnung Bl. 105: paUacia. ^) de mundi.
Ein Aachener Dichter des 14. Jahrhiiudert«. 68
20 virus lolii serentes
reputantur" proch pudentes. rersus rep. Modus,
Indecentis convinctivus
contubernii tractivus
mellitorura insectivus
25 sanguis siraplex defraudatur. versus.
Et fac orchi que serpentes
cuncto bona suggerentes
non inquinent nostras mentes. ver$us rep. Modus eu.
Tu qui es infinitivus
30 sumraus herus vere divus
lionun quivis tecum vivus
cell paceque fruatur.
6. (Schum Nr. 24.) Bl. 106.
kantllena latinalis prima super no der lieuer.
0 quam turpis et brutalis
furens ex nequitiis
microcosmus cronicalis
sordescit segniciis
5 meando per ama. versus.
amor heu nunc fratemalis
desinit maliciis
patruusque filialis
perditis periciis. versus rep. o quam tufpis etc.
10 Christi mater principalis
Karole diviciis
aquis qui vi supemalis
celieis . . . iciis
omastis et gnama. rersus.
15 Exoretur umis alis
ne sedemur viciis
deum qui est immortalis
Stigis et SUppliciis. versus rep. o quam etc.
Rex quapropter deicalis
20 cordis ex puriciis
regni da nos etemalis
ronsortes deliciis
obtenturos brama.
■) vor proch getiJti* «onionti.s.
J
64 C. Nörrenberg
7. (Schum Nr. 25.) Bl. 106.
alia super vrov mit hertzen sin ind muyt etc.
Pluriraorum vicia
nimis horribilia
quae sunt multiplicia
simul et flebilia
5 proch nunc invalescunt. versus,
Eancor iniustic(ß.
regnantes per miUa
vilis* ac stulticia
gignunt inutilia. versus rep. plurimorum ete,
10 Jus lex pax iusticia
congrua consilia
veritas pericia
virtutumque lilia
prorsus evanescunt. versus,
15 Pravi de malicia
demonis familia
dantur ad supplicia
sibi difficilia. versus rep. plur.
Torda sed felicia
20 quelibet humilia
summa cum leticia
refutando vilia
in deo quiescunt.
8. (Schum Nr. 26.) Bl. 106.
sequitur cantilena latinalis super lust des somers etc.
Cosmi proch inicium
casus Ade primitivi
perpetrantis vicium
in plerisque genitivi
5 morbi nocualis. versus.
Sunt in praecipicium
necis corporum dativi
parvarum et licium
prorsus in aCCUSativi. v^-sus rep. cosmi etc.
10 Mater infelicium
Karoleque vocativi
') über vilis steht cassis.
Ein Aachener Dichter des 14. JahrhondertA. 65
vestrum per servicium
ad el sitis precat'm
relaxando maus. rer»us,
15 Qui per beneficiuni
aquis estis lastratiTi
manenim felicium
luce rivo . . . ornativi. i^rsys rep, cosmi etc,
Teilens maleficium
20 Christe stigris ablativi
fac quod ad hospicium
cell sinins volativi
congaudentes ealis.
. Aerztliches.
1. (Schum Nr. 22 \) BL 105*.
Widder dy sflygde van den drilsen as dy Iftde zemoil
seir storuen, dft yn dese bftys.
Nem vj of vij bechelers körn ' inde ij of iij wortzelon
gemeyns reytchijns^ ind siede dat zesamen mit gftden
wine, ind gef dat also deme siechen ze drenkon, ind decken
as warm dat he sweys, ind schi(*ko bi eme yman stai'kers,
de sijnre ward neme, dat he sich niet in entdeck noch
vß den sweys in werp.
Vort is eyne andere •bftys widder di seine.
Nem bieuerts ^ ind musschoten blftmen * ij dragmen item
beverel'^, becheler ind tormentil mallich gelijch iij dragmen
ind des besten driakels" oich an viel.
Ind dese ander bftys schrijft ze latijn alsus der apoto-
ker: Reo. castorij macis 3 ij, pipenelh», baccarum lanri,
tormentille ana 5 üj, tiriaco bone et elce ... ad pondns
om . , sicut de priore.
■) vor büys durchstrichen: HÖychdc widdcT.
0 Lorbeeren. •) Rettig. ') Bibergeil. *) MuHkatblüthe. *) Pimpinella.
«) Theriak.
66 C. Nörrenberg
2. (Schtm Nr. 22^,) Daselbst.
hi onden vints dft in wilchen dagen id gftyt
of quoit loissen is.
zer äderen loissen is it gftyt van onser vrowen dage dat
si geboitschaft wart bis zft sint iohans dach baptisten, dat
he geboren wart, nier wanne dat liet alt is v dage, x dage,
XV dage, xx dage, xxv dage of xxx dage, so in sal nyeraan
loissen de niet alze grois noit dar zft in hait, want dy
heyden spreychen also, dat alsulche dage kranck sint, ind
vmb naturen wil des raoynts loyf so sterven alze viel lüde
van loyssen in den dagen. Oych vort sal man sich h4den
vor dy hftntdage, dy geynt aen by sint margrieten messe
ind d&ren bi sint barthelmeis mes, ind so d[ie] hftntdage
de heysser sint, so sorchlicher. vort sint dri alze sorch-
lich[er] dage in deme ioir, so we in der drier dage eynchen
zer äderen lies, it weir minsch of beyst, de stürve quoits
doyts. der eyn is onser vrow[en] ävent dat si geboitschaft*
wart, der ander sinte peters dach, as man dy erts ist, ind
v6r dy gevangen wacht, ind is der eirste dach in den
austmoynde, der derde is sint siluesters dach, der lest in
deme iore, genant ioirs ävent.
vort in clären weder [is] it bequeymlicher loissen dan
in druven, mer in drüven weder is it gftyt erzedy of dranck
nenien van gftden sirop den is noit is.
oich wanne it ze viel bftyssen moissen kalt is of zeviel
warm is, of alze dröve weder is van wende of reyne, so
in ist niet vrberlich loissen. oich me so wi doch dy hftnt-
dage sorchlich sint, so is noit sich ^ bi wilen vßgescheiden
in alsulcher vügen of eynich minsch eyne söychde hed dy
eme aen comen weir van quoitsblftyts wegen, of van ze
viel blftyts w[egen] sijns ertzeters.
Vort wis dat niet allen luden in gebftrt zeloissen, also
as jftngen luden beniden x ioren, di in solen *" niet loissen,
noch over aide lüde dye siech sint van alder, noch dy
sich verwachchen of vervasten, of dy verkrenckt, verdftrt
of verswacht sint mit arbeyt of mit anderen Sachen, of oich
aide lüde dy is niet sich geweynt in haint van juncheyt.
•) dat si geboitschaft doppelt, ^) noit sich oder noit sach? *) sulenP
Bomerstarassen im Regierungsbezirk Aachen«
Von J. Schneider.
I.
Die vier alten Strassen, welche sich innerhalb der jetzigt^n
Stadt Aachen durchschneiden, sind in Bd. VII, S. 173 ff. unserer
Zeitschrift im Allgemeinen behandelt worden. Hierbei ist zu
bemerken, dass diese Strassen sich nicht sämmtlich in einem und
demselben Punkte treffen, indem die Erfahrung lehrt, dass da, wo
sich z. B. drei Strassen durchkreuzen, die dritte die beiden
andern in verschiedenen Punkten schneidet, so dass ein Dreieck
entsteht, was bei Bestimmung der Strassen innerhalb des Stadt-
bezirks zu beachten ist. Wir wollen nun zunächst die genannten
Strassen ihrem Lauf nach einer nähern Betrachtung unterziehen.
Die erste, von Westen nach Osten ziehende Strasse läuft,
wie bereits früher angegeben, von Mastricht über Gülpen nach
Aachen, dann über Eilendorf und Stolberg na^;h Gresnenich, und
von da bis Gürzenich und Dürens
Die Fortsetzung ist noch nicht aufgefunrlen, geht aber
wahrscheinlich in der bisherigen Richtung über Lochen ich * nach
dem Rhein. Der Verfasser kann die Richtung l>üren-Ker|)en-
Köln nicht als die Fortsetzung anwehen, da <li<*hc die direkte
Fortsetzung einer über Montjoie nach l)üren führenden HtranHc
ist. In dem ganzen Verlauf unserer StranKC «ind Funde rßnii-
scher Alterthümer in ihrer Nähe gemacht wonlen, worunU^r
diejenigen bei den Dörfern Gressenich und Gürzenich die be-
deutendsten sind. Nehmen wir Mastricht alji eine Manniun an
') Die Strasse ist in dieser Strecke gezei«*lmet iu «Jer Kartei de« U, IhfUtn
der von mir herausgegebenen alten H*'er- und Hanrlt^JHwrt^e Jin deutHcheii
Reiche, Leipzig 1886. — Die Angabe de» Ober»tlieutenaut H<'ljraidt (IJouner
Jahrbücher XXXI), dass eine KomerHtrabüe von Ore**beui«;h über WeiHWeller
geführt habe, hat sich nicht bestätigt.
*) In Lechenich und der nächsten Umgebung »lud zahlreiche fmä$
römischer lUtertl' **"*-- "'•""4>jit worden.
68 J. Schneider
der Strasse an, so lag in der Entfernung von 4 Meilen zu Aachen
die zweite, und in der Entfernung von 3^2 Meilen in Gürzenich
die dritte Mansion. Zwischen Aachen und Gürzenich, fast in
der Mitte, liegt Gressenich, wo demnach die zugehörige Mutation
lag, welcher die dortigen zahlreichen römischen Alterthümer
entsprechen, während die in geringer Entfernung südlich davon
befindlichen Baureste den industriellen Etablissements des bereits
zur Römerzeit daselbst betriebenen Bergbaus angehören. Alle
sonstigen Deutungen, die man an diese Oeiilichkeit geknüpft,
entbehren des hinreichenden Grundes, namentlich fehlt jede Spur
einer Befestigung. Noch bedeutender und zahlreicher als bei
Gressenich sind die Alterthumsfunde bei Gürzenich, die jedoch
bisher nicht in dem Maße beachtet worden, wie sie es verdienen.
Es ist schon früher von Andern auf dieselben kurz hinge\\iesea
worden \ und wir haben uns an Ort und Stelle von den unter-
irdischen römischen Bauresten, sowie zahlreichen Gräbern und
sonstigen Alterthumsfunden überzeugt. Planmässige Nach-
grabimgen haben, so wünschenswerth sie auch sind, bis jetzt
nicht stattgefunden, und die zufällig von Zeit zu Zeit auf-
gefimdenen Gegenstände sind in die Hände von Privaten, grossen-
theils nach Düren, gelangt. Es durchschnitten sich hier, ein
Dreieck einschliessend, drei Strassen, nämlich ausser der in
Rede stehenden eine zweite, von der Maas bei Venlo südwärts
nach der P^ifel, und eine dritte von Köln über Düren und Mont-
joie gleichfalls nach der Eifel-. Inner- und ausserhalb dieses
Dreiecks liegen in weiter Ausdehnung die römischen Alterthums-
reste, und es macht ganz den Eindruck, als hätten hier zur
Römerzeit zwei Ortschaften neben einander, und zwar an zwei
verschiedenen Strassen bestanden, nämlich die eine an der Süd-
ostseite unserer Strasse, nach Rölsdorf zu, die andere auf der
Nordwestseite, nach Derichsweiler hin^
>) Bonner Jahrbttcher XXIX und XXX, S. 66.
*) Diese Strassen sind gezeichnet in der Karte des 5. Heftes der alten
Heer- und Handels wcf^e.
*) Ein solcher Fall, dass zwei Römerorte nahe bei einander zu liejjen
kamen, konnte sich, wenn auch nur selten, dadurch ereignen, dass jede
Strasse ihre eigenen Mansionsgebäude hatte, die in regelmässigen Abständen
von einander lagen. Wo nun zwei Römerstrassen zusammen liefen, konnte
es sich treffen, dass auch zwei ihrer Mansionen nahe neben einander zu
liegen kamen, und aus den Mansionen bildeten sich später Ortschaften. Wir
werden bei einer andern Gelegenheit zeigen, dass derselbe Fall atich bei den
Bömcr^trasseu im Regierungsbezirk Aaeheu. 69
Nun findet sich in der Peutingerschen Tafel eine Stelle,
wo die Namen zweier Stationen dicht neben einander verzeichnet
sind, nämlich auf der Route von Rlieims nach Köln. Die Namen
dieser Kömerorte sind „Ozunerica" und ,,Lindesina** *, und es
wird die naheliegende Vermuthimg zu prüfen sein, ob die an-
gezeigten Römerorte bei Gürzenich mit den in der Tafel neben
einander genannten Orten „Ozunerica* und „Lindesina" identisch
sind, oder mit andern Worten, ob die römische Fundstätte bei
Gürzenich aul* der Route der Tafel von Rheims nach Köln liegt
und ob die in der Tafel enthaltenen Entfernungsangaben damit
stimmen. Es wird zunächst daran zu erinnern sein, wie
wir zu wiederholten Malen nachzuweisen gesucht haben ^, dass
die römischen Itinerarien im Allgemeinen nicht Strassen, son-
dern Routen (Marschlinien) enthalten, die bald auf der einen,
bald auf einer andern Strasse laufen ^. Nun liegt auf der Rheims-
Kölner Strasse, auf welcher die Route der Tafel vorher gegangen,
die Station Tolbiacum (Zülpich), über welchen Ort die Route,
wenn sie der Rheims-Kölner Strasse folgte, weitergehen müsste.
Aber die Tafel enthält auf dieser Strecke den Ort Tolbiacum
nicht, woraus nothwendig folgt, dass die R(mte der Tafel der
Rheims-Kölner Strasse nicht über diesen Ort hinaus bis Köln
gefolgt, sondern an einem gewissen Punkte vorher von der
Rheims-Kölner auf eine andere nach Köln führende Strasse
übergegangen ist. Nun schneidet die obengenannte, aus der
Eifel über Montjoie und Düren nach Köln laufende Strasse die
Rheims-Kölner bei BüUingen, und es kann daher nicht zweifel-
haft sein, dass die Route an diesem Punkte von der Rheims-
Kölner auf die letztgenannte Strasse übergegangen, da es keine
andere Strasse gibt, welche die Rheims-Kölner Strasse schneidet
und zugleich nach Köln führt. Da wir nun statt der Station
Etappenlagern (Mausiouen) auf der rechten Rheinseite vorkommt, wo sich
manchmal ebenfalls zwei solcher Lap^cr nahe bei einander, aber an verschie-
denen Strassen, vorfinden.
*) Dies sind die richtigen Lesarten, wie sie bereits in der Ausgabe von
Desjardins und neuerdings in der von Miller enthalten sind. Die altern
Lesarten Munerica und Indesina sind unrichtig.
^) 8. die alten Heer- und Haudelswege, Heft 2, 3 und 4.
^) Diese Auffassung des Verfassers ist u. A. auch von dem neuesten
Herausgeber der Peutingerschen Tafel, Professor Dr. Miller in Stuttgart,
als die richtige bestätigt worden. Vgl. K. Miller, Die Weltkarte des
Castorius jjenannt die Peutingersche Tafel, Ravensburg 1888, S. 8L
70 J. Schneider
Tolbiacum, welche auf der Rheims-Kölner Strasse liegt, in der
Tafel den Doppelort Ozunerica-Lindesina finden, so kann es
ebenso wenig zweifelhaft sein, dass Ozunerica-Lindesina auf der
Montjoie-Düren-Kölner Strasse, auf welcher nunmehr die Route
nach Köln ging, gelegen hat, also auf derselben Strasse, an
welcher auch Gürzenich liegt ^ Prüfen wir nun weiter die Ent-
fernungsangaben der Tafel. Die Entfernung von Lindesina nach
Köln beträgt nach der Tafel 16 Leugen = 48000 Schritt und
die Entfernung von Gürzenich bis Köln beträgt, hinreichend
damit übereinstimmend, 50 000 Schritt. Für das neben Lindesina
gelegene Ozunerica hat die Tafel die Entfemungszahl VI. Da
aber Ozunerica ebenso weit von Köln entfernt war, wie Lin-
desina, indem beide neben einander lagen, so muss man annehmen,
dass die Zahl X ausgefallen, und auch hier, wie bei Lindesina,
ursprünglich die Zahl XVI stand *. Wir glauben damit gezeigt
zu haben, dass an der Identität der Ansiedlungen bei Gürzenich
und des Doppelorts Ozunerica-Lindesina nicht gar zu viel aus-
zusetzen ist. Sogar der Name „Ozunerica" scheint auf Gürzenich
hinzuweisen, da dieses in altem Urkunden „Gorzenic** heisst*,
so dass es scheint, als habe in der Tafel ursprünglich „Gorzu-
nerica" statt „Ozunerica** gestanden, wovon leicht „Gorzenic"
und dann „Gürzenich** abzuleiten ist.
Die zweite, ebenfalls von der Maas kommende und über
Heerlen durch Aachen führende Strasse ist ein Zweig einer
nördlich von St. Vith von der Rheims-Kölner abgehenden Strasse,
und bietet dadurch ein besonderes Interesse, dass eine Route
des Antoninischen Itinerars eine kurze Strecke weit auf der-
selben läuft. Diese Route geht nämlich auf einer vom Rhein bei
Xanten über Sonsbeck, Kaldenkirchen und Tüdderen führenden
*) Der gelegentlich bei Tacitus (Hist. IV, 28) genannte Ort Marcodoram
(Düren) lag ebenfaUs auf dieser Eoute, wird aber in der Tafel darum nicht
genannt, weil er ein übierdorf war, wo sich keine römische Mansion befand,
weshalb dort auch niemals römische Alterthümer gefunden wurden; die Mansion
und der zugehörige Römerort lagen daneben, bei Gürzenich.
•) Vielleicht hat ein späterer Abschreiber absichtlich die Korrektur VI
statt XVI vorgenommen, in der Meinung, dass beide Orte eine Strecke aus-
einander gelegen (wie ja auch noch heutzutage gewöhnlich angenommen wird),
so dass er die doppelt vorkommende Zahl XVI ftlr ein Versehen eines frühem
Abschreibers halten musste.
') Herimannus de Gorzenic im J. 1192 s. Aunalen des hist. Vereins f. d.
Niederrhein XLID, S. 2.
Strasse; jenseits des letztern Orts, b*ri SiiianL wird diose
Strasse, die bis Falkenbarz weiterfahrt, von der in Erde stehen-
den dorchschnltteD. und n:Ln geLt die Eoute des Itiaerars t.'ü
dem Darchsclmittsp:inkt an auf unsere Strasse ül»er und läuft
auf derselben bis nach Heerleü, wo die letztere von der Mastriobt-
Kölner Strasse ge-i:hnineü wird. Von dem Durchschnitt >i<i:ikt
läuft dann die Bo ^te zuletzt ül»er J iüch nach Köln *. Wir haben
hier ein recht handgreifliches Beispiel zur Bestätig^msr unserer
eben angezogenen Behau[»tuD£r, dass das It int-rarium im Allgemeinen
nicht Strassen, sondern Beisentuten aniribi, die auf verschiedenen
Strassen von einer zur andern gehen, indem wohl Niemand zugeben
wird, dass die Bömer zwischen Xanten und Köln eine Strasse
angelegt, die von dem erstem Orte bis in die Gegend von
Aachen und dann in einem R.tgen zurück nach Köln geführt
habe.
Die dritte durch Aachen laufende Strasse kommt gleichfalls
von der Maas, bei Boermond-, geht südlich über Eupen nach
Maison Hestreux, und die fernere Untersuchung hat ergeben,
dass sie hier nicht abzweigte, sondern weiter über Kapelle Fisch-
bach und zwar zuerst über die Hochfläche an Xhofl'raix vorbei
und zuletzt durch das Thal der Warche nach Mahnedy zieht. Von
diesem Orte lauft sie dann in südlicher Bichtung weiter nach Pont,
wo sie die Warche überschreitet, hierauf rechts neben der Chaussee
bis zur Kaiserbaracke, von wo sie mit der Chaussee über St. Vith,
nachdem sie die südöstliche Bichtung angenommen, nach Breit-
feld, Winterspelt und Habscheid, dann über das Thal der Prüm
nach Pronsfeld fuhrt. Sie hält in ihrem Laufe stets die Wasser-
scheiden ein und weicht an mehrern Stellen bald rechts, bald
ünks von der Chaussee ab. Von Pronsfeld zieht sie über Lune-
bach nach Pintesfeld und Waxweiler, dann, wie bisher stets die
Wasserscheide innehaltend, über Greimelscheid, Ober- und Nieder-
weiler nach der Trier-Bonner Heerstrasse, die sie nördlich von
Bitburg erreicht. Die Strasse ist von zahlreichen römischen
Alterthümern begleitet: ausser den bekannten zu Odilienberg,
Aachen, Eupen, Malmedy und St. Vith wurden in dem fernem
Verlauf auch römische Ueberreste an der Oertlichkeit „auf
Lochen", westlich von Habscheid 3, ebenso östlich des genannten
*) S. die Karte zu Heft 5 der alten Heer- und Handelswege.
") S. die Karte zu Heft 5 der alten Heer- und Handelswege.
') Bormann, Beitrag zur Geschichte der Ardennen H, S. 107.
72 J. Schneider
Ortes „auf dem Einrieb"^, ferner zu Pronsfeld*, Waxweiler'
und Greimelscheid * entdeckt.
Die vierte Strasse kommt von der Maas bei Lüttich, geht
in nordöstlicher Richtung durch Aachen nach Jülich und ist in
ihrem fernem Laufe bereits früher beschrieben und gezeichnet ^.
Sie zieht in nördlicher Richtung über Gladbach und Goch, setzt
bei Cleve über den alten Rhein und zieht dann jenseits des
Stromes über Elten die Yssel hinab zur Zuidersee hin.
Von allen vier Strassen lässt sich bis jetzt keine als eine
Hauptstrasse erweisen, obgleich sie zum Theil eine nicht unbe-
deutende Länge besitzen. Die erste — von Mastricht nach
dem Rhein — hat wahrscheinlich ihre Fortsetzung, von Mas-
tricht aus, in der Römerstrasse, die bis Hasselt, im belgischen
Limburg, aufgefunden ist ^, und würde etwa die Richtung nach
der Scheidemündung haben. Die ganze bis jetzt bekannte Länge
der Strasse beträgt 11^2 Meilen. Die zweite Strasse, welche
von der sogenannten Kupferstrasse ab zur Maas führt, ist ent-
schieden eine Zweigstrasse, und wir heben bei dieser Gelegen-
heit die sehr beachtenswerthe Thatsache hervor, dass imter
den drei Strassen, über welche die oben genannte Route des
Antoninischen Itinerars geht, sich zwei Zweigstrassen befinden,
nämlich ausser der vorliegenden, auch die von Xanten kommende,
welche sich in der Nähe von Falkenburg von der Mastricht-
Kölner Strasse abzweigt. Wir erkennen also auch hier, wie es
bereits bei der Rheinstrasse nachgewiesen ist \ dass die Routen
der Itinerarien nicht bloss auf den Haupt-, sondern auch auf
den Nebenstrassen laufen. Wir machen aber auch femer die
wichtige Beobachtung, dass diese Nebenstrassen ebensowohl
wie die Hauptstrassen amtlich vermessen und in die offiziellen
Strassenverzeichnisse eingetragen waren, aus denen dann die
einzelnen Routen in die verschiedenen Itinerarien mit den
*) Bormann a. a. 0. *) Bormann a. a. 0. II, S. 113.
«) Bonner Jahrbttcher in, S. 61 ; XXV, S. 204.
*) Bormann a. a. 0. 11, S. 109.
^) S. die Karte zu Heft 5 der alten Heer- und Haudelswege; ferner
Picks Monatsschrift VI, S. 256 ff.; Bonner Jahrbücher LXXV, S. 18 ff.;
LXXVI, S. 23.
•) C. van Dessel, Topographie des voies romaines de la Bclgique,
Bruxelles 1877.
0 S. die alten Heer- und Handelswege, Heft 2, 3 und 4.
Römerstroätfen im RegierongHbezirk Aachen. 73
Vermessungs- bezw. Entferaangsangaben tiberaomraen worden
sind. Die bis jetzt bekannte Länge der Strasse beträgt 6Vs M.
Die dritte Strasse ist eine Zweigstrasse der Trier-Bonner Haupt-
strasse. Ihr fernerer Verlauf über Roermond jenseits der Maas
ist unbekannt; die bis jetzt bekannte Länge beträgt 21 M.
Die vierte Strasse endlich, die aus Belgien bei Lüttich von der
Maas kommt, läuft dann über deutsches und holländisches (Tcbiet
wahrscheinlich bis zu dem Kastell Flevum an der Zuidersee,
wo sich auch noch mehrere andere Strassen treffen. Der Anfangs-
punkt der Strasse ist unbekannt; sie scheint aber eine Zweig-
strasse der Maasstrasse des rechten Ufers zu sein, die ebenfalls
nach der Zuidersee ftilul. Die Länge von Lüttich bis zu ihrem
Endpunkt beträgt ungeföhr 35 Meilen ^
Es bleiben noch zwei Xebenstrassen anzuführen, welche
von den genannten Strassen abgehen. Von Nr. 4 nämlich geht
eine Nebenstrasse südlich von Goch ab über Geldern und an
den Rhein bei Friemersheim. Von dieser geht wiederum ein
Ann bei Tönnisberg ab über Krefeld und an den Rhein bei
Neuss.
Der Verfasser hat bereits früher die Ansicht ausgesprochen,
dass zu Aachen, wo sich alle vier Strassen durchkreuzen, ebenso
wie zu Jülich, eine Militärstation bestand, die das ehemalige
Vorhandensein eines Kastells voraussetzt. Als Hauptgrund
heben wir nochmals die nicht- unbedeutende Zahl v(m Legions-
stempeln hervor, die hier, ebenso wie in Jülich, wo aus dem-
selben Grunde allgemein ein Kastell angenommen wird, gefunden
worden sind. Am wahrscheinlichsten wird man die Lage
dieses Kastells auf der erhöhten Fläche des Marktplatzes an-
nehmen dürfen, wenn auch hier, ebenso wenig wie zu Jülich,
die Fundamente bis jetzt aufgefunden sind.
Zum Schluss wollen wir noch diejenigen Strassenrichtungen
namliaft machen, die in dem folgenden Abschnitt zur nähern
Besprechung gelangen sollen.
*) Von der Strasse Nr. 1 wird die Strecke von Aachen bin Düren aueli
erwähnt von Kessel, Zeitschrift des Aachener (icHchichts Vereins I, S. 75,
und die Strecke von Stolberg bis Gressenich von Üerudt, ebend. IV, S. 179;
die Strecke von Mastricht bis Düren ist j^ezeichuet von K. von Vcith,
ebend. VIII, Karte, el>enso von Nr. 2 die Strecke von Ileerlen bis Friesenrath,
von Nr. 3 das Stück von Aachen bis zur Mastricht-Kölner Heerstrasse und
von Nr. 4 das Stück zwischen Aachen und der Alastricht-Kölner Heerstrasse.
74 J. Schneider, Römerstrassen im Regierungsbezirk Aachen.
1. Von Walerode über Jülich nach Neuss.
2. lieber Schönecken, Prüm, Schönberg und Malmedy nach
Belgien.
3. Ueber Gondelsheim, Ormont, Büllingen und Malmedy
nach Belgien.
4. Ueber Dalheim, Elsenborn, Sourbrodt nach Belgien.
5. Ueber Lichtenborn, Schönberg, Büllingen, Montjoie nach
Köln.
Aus der Zeit dar Fremdherrschaft.
Ton E. Paste.
IV. Zur Geschichte des As?tignatenumlaufs und des
Gesetzes über das Maximum in der Aachener Gegend.
Nachdem die französische Nationalversammlung im April 1790
die Verausgabung von Papiergeld, der sog. Assignate, beschlossen
hatte, war sie im Laufe der folgenden Jahre zur Vermeidung
des Staatsbankerotts genOthigt. den Werth der Assignate zu
einer fast unendlichen Summe anschwellen zu lassen. Bis zum
1. Januar 1793 waren für 3600 llillionen Livres*, bis zum
Herbst 1795 für 27 3Iilliarden und bis zu der Anfangs 1796
auf immer geschlossenen Herstellung sogar für 45 Milliarden
Assignate ausgegeben worden*. Zu den echten Assignaten
gesellte sich eine grosse Menge unechter, welche zur Erzielung
leichten Gewinns meist im Ausland hergestellt und namentlich
von England aus nach Frankreich eingeschmuggelt wurden.
Anfänglich, so lange die Assignate auf ziemlich sicherm
Unterpfand ruhten und Fälschungen nicht zu häufig waren,
erfreuten sie sich eines l>erechtigten Ansehens, später sank
niit jeder neuen Verausgabung ihre Bedeutung und ihr Werth.
Immer wirrer, zerrütteter und schrecklicher gestalteten sich
die Verhältnisse in Frankreich. Seit März 1793 konnte die
Lohnung der franzosischen Armee nur in Assignaten erfoliren;
damit der Soldat nicht verhungere, wurde gleichzeitig Je*ier-
0 Der am 1795 eingeführte, bis jetzt unverändert gebliebene Frank
ist um etwa ein Achtzigstel grösser als die Livre.
*) Die wenigen Angaben über die allgemeine Geschichte der Assignate
ond da« Gesetz des Maxünnm entnehme ich mei-st H. Ton Sybels Geschichte
der französischen Kevolution. Nach der Erklärung Ton Camus am 23. Febraa?
noe waren von den 45 Milliarden 39 Müliarden im Umlauf.
76 E. Pauls
mann verpflichtet, bei Vermeidung sechsjähriger Eisenstrafe ^
im Verkehr die Assignate zu ilirem vollen Nenn wer th anzu-
nehmen. Die Folge war em unerhörtes Steigen der Preise aller
Lebensmittel. Diesem Missstand suchten die Republikaner durch
das Gesetz des Maximum abzuhelfen, welches darin bestand,
dass Zwangstaxen '(Maximalverkaufspreise) für Lebensmittel und
Waaren festgesetzt wurden. Das Gesetz erwies sich als unhalt-
bar, denn Mangel, Lähmung jeder Thätigkeit und Entwerthung
des Papiergelds traten nimmehr erst recht zu Tage. Dem zu
Ende 1794 erfolgten Fall des Maximum reihte sich bald ein
völliges Sinken der Assignate an. Diese verloren im ersten
Jahr ihres Bestehens nur 4 — 6^/o gegen Silber, um 1791 schon
8— lO^/o. Im November 1792 war der Kurs auf 60 ^/o des
Nennwerths gefallen, und nachher koimten selbst Robespierres
Schreckensmaßregeln das Fallen auf 40 ^/o nicht verhindern. In
der letzten Hälfte des J. 17*94 sanken sie auf 20 — 16^/o^ dann
bis zum August 1795 auf 2V2%, bis zu Ende 1795 auf V2^/o,
und kurz vor der Vernichtung der Assignatenpresse wurde für
100 Franks Assignate nur Vs — V* Frank in Baar gezahlte
Die erste Besetzung Aachens durch die Franzosen (16.
Dezember 1792 — 2. März 1793) fiel in eine dem Werth der
Assignate nicht zu ungünstige Zeit, denn noch war das Papier-
geld nicht übermächtig geworden. Kaum eine andere Notiz
findet sich daher, als die bald nach dem Abzug der Republi-
kaner erschienene Anzeige einer Handlung in Eschweiler, welche
sich erbietet, Assignate gegen Baar umzuwechseln*. Wenige
Wochen später wurde es anders. Die ausschliessliche Löhnung
der französischen Armee mit Papiergeld, der demselben in
Frankreich beigelegte Zwangskurs und die Ueberfluthung des
Markts mit Assignaten drückte deren Werth aufs Aeusserste
und rief im französischen Reich eine allgemeine Verarmung
hervor. Wo immer ausserhalb Frankreichs Zeitungen erschienen,
meldeten sie ihren Lesern das unbeschreibliche Elend, welches
*) Diese Strafe wurde unter Robespierrc auf 20 Jahre Eisen erhöht.
^) H. von Sybcl u. A. geben 22 ^/o an; für unsere Heimath dürften
20— I6<*/o richtiger sein, wie im Nachfolgenden erläutert wird.
^) Die wichtigsten der zahlreichen Bestimmungen über Assignate finden
sich in dem Handbuch über die Gesetze zur Zeit der Fremdherrschaft von
Bormann -Daniels.
*) Aachener Zeitung vom 30. März 1793.
Aus der Zeit dor Fremdherrsohaft, TT
die Assi^atenwirtlischaft über Frankreich f^>l>n\oht hatte. Aueh
des Papierg-elds wegen ging" der Schrecken der republikauischeu
Annee voraus. Durch rohe Misshandlungeu erzwang' das von
Allem entblösste Heer in den von ihm eroberten (.legenden die
Annahme der Assignate ; fast überall wiederholte sich tlas Spiel,
dass sich die Kaufläden nach dem Einrücken der Franzosen
schlössen, um bald nachher zwangsweise geöifnet und gegen
Assignate ausverkauft zu werden. Ganz Belgien wurde beim
Vordringen der Republikaner im Sommer 1794 mit Assignaten
überschwemmt, seine öffentlichen Kassen mussten ihren Baar-
vorrath abgeben und sich statt dessen mit Papiergeld begnügen.
Jedenfalls sehr übertrieben hiess es sogar, dass die Franzosen
25 Lütticher Kaufleute wegen Verweigening der Annahme von
Assignaten theils erschossen, theils zur Aburtheilung nach Paris
geschickt hätten ^
Am 23. September 1794 nahmen die Franzosen Aachen zum
zweiten Mal in Besitz. Nur mit Mühe konnten die erbitterten *
Republikaner von Gewaltthätigkeiten schlimmster Art gegen die
wehrlose Stadt abgehalten werden, sie setzten aber an die Stelle
der offenen Plünderung ein durchdachtes Aussaugesystem, wobei
das Papiergeld nicht die kleinste Rolle spielte. Mit Gewalt
und mit schönen Worten wurde das Mögliche zur Hebung der
Assignate versucht.
Wir lesen nicht, dass die Besitzer von Kaufläden in Aachen
die Annahme von Assignaten nach dem Einrücken der Franzosen
beanstandet hätten. Ein solcher, ohnehin fruchtloser Wider-
stand wäre angesichts der hochgradigen Erbitterung wegen
der Vorfälle am 2. März 1793 der Stadt wahrscheinlich ver-
hängnissvoll geworden. Jedenfalls ging es in Aachen wie so
vielfach andei-wärts: die Läden waren bald ausverkauft und
baare Münze selten geworden^. Schon am 26. September 1794
*) Aachener Wahrheitsfreund vom 29. August 1794; vgl. auch Aachener
Zeitung vom 9. August 1794 und unten S. 96.
*) Bei der Vertreibung der Franzosen aus Aachen am 2. März 1793 hatten
sich die Einwohner zu Gunsten der Oesterreicher in den Kampf eingemischt.
Vgl. meinen Aufsatz in Bd. X der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins.
^) In der französischen Armee war damals der Spottvers:
^'a ira, ga ira, ?a ira
L'argent vaut mieux
Quc des Assignats
sehr verbreitet. Unter Alwinfninrr dieses Liedes warfen unmittelbar nach
78 E. Pauls
erliess der Volksrepräsentant Gillet vom Hauptquartier Burt-
scheid aus eine Verfügung, laut welcher die Assignate dem
haaren Geld für den Betrag ihres Nennwerths gleich sein
sollten ; gleichzeitig wurde die Errichtung eines „ Verifikations-
Bureaus** im Hause des Bürgers Massardo in der Komphaus-
badstrasse angeordnete
Man prüfte in diesem Bureau die Assignate auf ihre Echt-
heit, wobei falsche ohne Weiteres angehalten wurden. Später
reiste sogar ein eigens angestellter Beamter in die benachbarten
Gemeinden, um auch dort eine solche Prüfung vorzunehmend
Für Aachen und seine nächste Umgebung mag diese Maß-
regel doppelt nothwendig gewesen sein, denn Niemand anders
als — Danton und Lacroix hatten früher daselbst eine Fabrik
falscher Assignate angelegt^, auch liessen Aachens Handels-
beziehungen zu England den Umlauf von vielem falschen Papier-
geld ahnen. Besondern Vertrauens dürfte sich das Bureau
schwerlich zu erfreuen gehabt haben, denn in Aachen wird es
wie in Bonn gewesen sein, wo man allgemein glaubte, falsche
und echte Assignate würden mit Beschlag belegt*.
Der ersten Verfügung über die Assignate folgten bald
viele andere. Jedenfalls unter dem Druck der Gewalt bestimmte
der Aachener Rath am 10. Oktober 1794, dass bei der Ausgabe
und Einnahme der Pfander im Lombard die Assignate „vollen
Lauf" haben sollten*. Wie es scheint, wimmelte es damals
von falschen Assignaten, denn die Rathsverordnung trifft Maß-
regeln zur Verhütung der Annahme von Fälschungen. Eine Vor-
der Einnahme einer Stadt die Franzosen Assignate auf die Tische der Kauf-
läden, kauften, was ihnen gefiel, und waren mit jeder ihnen zur Ausgleichung
gegebenen klingenden Münze zufrieden. Vgl. die Schilderungen bei W. Hesse,
Geschichte der Stadt Bonn während der französischen Herrschaft S. 89, 40,
41 und 52. Das Qa ira findet sich auch in unserer Gegend als Gesang der
Franzosen in den Laufgräben vor Mastricht erwähnt.
') Aachener Zuschauer 1794, Nr. 117, S. 934. Zu der hier angedeuteten
Bekanntmachung, laut welcher auf Verbreitung oder Verhehlung falscher
Assignate die Todesstrafe stand, bemerkt Quix: „welches sich doch hier nie
ereignet haf*.
') So in Komelimtlnster, wie aus urkundlichem Material hervorgeht.
•) Milz, Programm des Königlichen Gymnasiums zu Aachen 1871/72,
Q 11
Tesse a. a. 0. S. 55.
Wochenblatt fUr Aachen und Umgegend 1837, Nr. 1, S. 1.
Aus der Zeit der Fremdherrschaft. 79
Ordnung vom selbigen Tage * brachte den Aachenern eine Probe
vom Gesetz des Maximum. „Missföllig'', so heisst es, ,, vernimmt
die Munizipalität, dass vielfach die Preise der Lebensmittel
^willkürlich tibertrieben werden, Jedermann weiss doch, dass
die Assignate dem Baargeld gleichwerthig sind. Bis auf Weiteres
stellen wir daher für die unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse
folgende Preise, welche in Assignaten zu verstehen, anzunehmen
und zu zahlen sind, fest u. s. w.** Augenscheinlich hatte sich also
bereits ein gewisser Assignatenhandel bemerkbar gemacht und
eine bedeutende Vertheuerung der Lebensmittel hervorgerufen.
Maueranschläge und Bekanntmachungen in den Zeitungen
brachten im Oktober die lange Verfügung, welche die Volks-
repräsentanten bei der Nord-Sambre- und Maasarmee am 14.
August 1794 zu Brüssel als Richtschnur für die Verwaltung
der eroberten Gebiete erlassen hatten*. Die hier gegebenen
Vorschriften über den Umlauf der Assignate machen den Ein-
druck einer schamlosen Erpressung. Papiergeld, dessen Ver-
silberung zu einem Fünftel des auf ihm verzeichneten Betrags
kaum möglich war, erhielt zum vollen Nennwerth Zwangskurs
bei allen Zahlungen. Dagegen wurden alle Pfandhäuser ihrer
goldenen und silbernen Werthsachen, alle öffentlichen Kassen
ihres Baarvorraths, selbst die Notare und Bankhäuser der
ihnen anvertrauten Gelder beraubt, um statt dessen Assignate
zu erhalten. Zur Erreichung dieses Zwecks waren Haus-
suchungen zulässig, und „um der Preiserhöhung vorzubeugen,
womit Uebelgesinnte wegen des Umlaufs der Assignate die
Waaren und Lebensmittel des Landes belegen dürften, soll das
für die Stadt Lille festgesetzte Maximum vorläufig in den
eroberten Ländern befolgt werden, bis ein besonderes Maximum
für diese Länder verkündigt sein wird^." Selbstredend ist in
der Verfügung von Leistungen aller Art, darunter sogar von der
Lieferung von Gemälden für das „Innere*' der Republik die Rede,
und vorsichtig heisst es, dass Zahlungen in Assignaten bei den
von den Generälen ausgeschriebenen Geldkontributionen unzu-
lässig seien.
*) Wochenhlatt 1837, Nr. 2, S. 5.
») Wochenhlatt 1837, Nr. 74, S. 296 ff.
') Die ähnhche Verfügung der Volksrepräsentanten Haussmann, Fr§cine
und Jouhert (Köln, 14. November 1794) brachte für die Assignate die gleichen
Bestimmungen.
80 E. Pauls
Hiermit war es um das Ansehen der Assignate bei der
Bevölkerung geschehen, denn die Absicht der Täuschung lag
gar zu klar zu Tage. War wirklich das Papiergeld trotz
seines niedrigen Kurses vollwichtig, so brauchte nicht alles
Baargeld kraft des Rechts des Stärkern den öffentlichen
Kassen entnommen zu werdend Es befremdete und erbitterte
anderseits, dass die Kriegssteuem in Baar gezahlt werden
mussten, dass alle werthvollen Metalle, sogar Medaillen und
Orden früherer Zeiten ^ nach Paris in die Münze wanderten,
und dass vor der Münzschmelze Kirchenglocken ^, Kirchensilber
und selbst Metallsärge nicht sicher waren. Gegen die Logik
der Thatsachen und das deshalb sehr berechtigte Misstrauen
kämpften alle schönen Redensarten und Versprechungen der
Republikaner um so mehr vergeblich, als recht bald die bitterste
Noth der Verdrängung des Baargelds auf dem Fusse folgte.
Ende Oktober 1794 setzte der Volksrepräsentant Fr6cine
zu Aachen eine Centralverwaltung für die Länder zwischen
Maas und Rhein ein, deren Rechte und Pflichten öffentlich
bekannt gemacht wurden *. Wie aus der Verfügung hervorgeht,
bestand damals schon ein Revolutionstribunal zu Aachen,
welches namentlich Vergehen gegen die Gesetze über Assignate
und den Preis der Lebensmittel bestrafte. Wenige Tage später
wandte sich die neu errichtete Centralverwaltung mit einer
pomphaften Ansprache an ihre Mitbürger. Während der Hunger-
tod an die Thür klopfte, wagte es diese Behörde, ihre Ansprache
mit einem Hinweis auf die Morgenröthe des schönen Tages,
welcher jetzt angebrochen sei, zu beginnen. Bezüglich der
Assignate warnte die Centralverwaltung vor den elenden
Wucherern und Betrügern, die sich bemühten, die Bürger
gegen diese Münze der Freiheit aufzuwiegelnd „Wirklich*',
*) Nach der Anfangs 1796 erschienenen Denkschrift von Bouget-Vossen-
Cromm hat diese Bestimmung die Kassen der Waisen- und Armeninstitute,
sowie der Gemeinden zwischen Maas und Rhein um 3 Millionen Livrcs in
Baar gebracht.
*) Beschlttss der Centralverwaltung im J. 1795, wie aus urkundlichem
Material zur Geschichte Kornelimünsters hervorgeht.
^ Kaum bekannt ist es, dass die Seile der Kirchenglocken in der
französischen Marine Verwendung fanden (Aachener Zuschauer 1795, S. 256).
*) Aachener Zuschauer 1794, Nr. 130 und 131.
^) An die schönen Worte über den Werth der Assignate haben wohl
manche Mitglieder dieser Behörde selbst nicht geglaubt. Nachweislich
Aus der Zeit der Fremdherrschaft. 81
SO heisst es, „sind Viele von euch so verblendet zu glauben,
dass diese Nationalmünze ihr Eigenthum vernichten werde.
Trauet den Verräthem nicht! Bald wird die Republik uns
als ihre Kinder aufnehmen, unserm Handel ihre Heerstrasse
öffnen, und dann werden diese Assignate unser Reichthum
sein. Denkt, wie unendlich die Sicherheit der Assignate
sei, da das ganze Vermögen einer freien, biedern Nation
dafür haftet. Sollten sich aber Frevler finden, welche diese
Nationalmünze nicht annehmen, vermindern oder verschreien
wollten, oder welche gegen das Gesetz des Maximum handeln
würden, so wird das Revolutionsgericht schrecklich mit den
Schuldigen verfahren!" Offen wird hier zugegeben, dass die
Bevölkerung den Assignaten misstraute, und noch deutlicher
sagt eine Verfügung^ vom 8. November 1794: „Unsere Mit-
bürger haben trotz aller brüderlichen Ermahnungen das Gesetz
über die Gleichwerthigkeit von Assignaten und baarem Gelde
nicht befolgt. Aber nun wird das fürchterliche Revolutions-
gericht zur Bestrafung der Frevler aufwachen; nur der Böse-
wicht verkennt die Pflicht, seinem darbenden Mitbruder zu
helfen, nur Irrthum und Verblendung träumt, dass die Assig-
nate keinen innern Münzwerth haben, es haftet ja das Vermögen
der ganzen Nation dafür!** Doch vergebens waren Ermahnungen
und Drohungen. Am 15. November erklärte der Nationalagent
Driessen *, dass Uebelgesinnte nicht aufhörten, die Assignate in
Misskredit zu setzen und ihre Annahme zu verweigern. Hierdurch
würden die Lebensmittel so vertheuert, dass die arbeitende
Klasse ihren Unterhalt nicht mehr zu erwerben im Stande sei.
Driessen setzte deshalb zu Aachen einen Obhutsausschuss * ein,
wandte sich im J. 1795 der Vertreter Kornellmünsters in der Centralver-
waltnng an die Munizipalität daselbst mit dem erfolgreichen Gesuch um
Oeld. Er habe, so führte er an, sein Gehalt in Aachen nur in gering-
werthigen Assignaten erhalten und Schulden machen müssen. Ohne Zweifel
haben damals viele, ausschliesslich mit Assignaten besoldete Beamte bitter
darben müssen; für einzelne -dagegen wird wohl von der haar gezahlten
Kriegssteuer etwas „erübrigt" worden sein.
') Beschluss der General-Administration von Aachen, Jülich u. s. w.,
betreffend die Festsetzung der Preise der Lebensmittel.
») Wochenblatt 1837, Nr.- 95, S. 881.
*) Ueber die Wirksamkeit der beiden bald aufgehobenen Behörden, des
Revolutionstribunals und des Obhutsausschusses, findet sich kaum etwas anders
verzeichnet, als dass sie sich im Januar 1795 aus den KeUem der Aus-
gewanderten mehrere Ohm Wein verabfolgen Hessen.
6
82 E. Pauls
dessen Pflicht es war, über den Umlauf der Assignate zu
wachen.
Nochmals forderte im November 1794 die Centralverwaltung
die Stadt- und Landbewohner im Namen des Gesetzes auf, die
Assignate zu ihrem vollen Werthe anzunehmen. „Wir bemerken
euch nur," so hiess es, „dass es nichts als die Erfüllung der
ersten Menschenpflicht ist, diese Nationalmünze von dem Mit-
bürger als Zahlung anzunehmen ^" Inzwischen hatten die
schonungslosen Requisitionen, sowie namentlich auch das Papier-
geld eine furchtbare Noth in Aachen und seiner nächsten Um-
gebung hervorgerufen *. Der Frucht- und Viehhandel stockte ',
weil Niemand gewillt war, Papiergeld zum Sechsfachen seines
Werths in Zahlung zu nehmen. Auch die Preisbestimmung
der Lebensmittel konnte deren Beschaffung nicht erleichtern;
manche Geschäfte gingen ein, andere erklärten sich zur Erneue-
rung ihrer Vorräthe ausser Stande. „Hier herrscht grenzen-
loses Elend", meldete die Munizipalität von Kornelimünster
nach Aachen, und in der alten Reichsstadt selbst war es
schon im November 1794 so weit gekommen, dass 36 Bäcker
der Stadt täglich von der Munizipalität 36 Malter Frucht zur
Speisung ganzer Reihen von Bedürftigen erhielten, wobei
Soldaten die Ordnung aufrecht halten mussten *. Schlicht meldet
zum Advent 1794 das Tagebuch des Priesters und Rechts-
gelehrten Forst zu Kornelimünster: „Hier ist öffentlich ver-
kündigt worden, dass Jedermann die französischen Assignate
so wie baares Geld annehmen müsste. Diesem ingefolg wurden
den Wirthen ihre Weine und Biere, den Bäckern ihr Brod für
Assignate abgeholt. Das Papiergeld macht viele grosse Unge-
rechtigkeiten. Die Schuldner bezahlen damit ihre Obligationen,
der Gläubiger verliert aber dabei */« seiner Forderung. Waaren
und Lebensmittel können mit Papier entweder gar nicht oder.
>) Wochenblatt 1837, Nr. 104, S. 417.
») Milz a. a. 0. S. 14.
") Bericht der ManizipaUtät von Kornelimünster; Wochenblatt 1837,
Nr. 113, S. 453.
*) Wochenblatt 1837, Nr. 108, S. 433 und Nr. 111, S. 445. Abgesehen
von den aus milden Stiftungen untersttttzten Armen wies die Armenliste aus
jeder der neun Grafschaften Aachens 200 (!) der bedürftigsten Haushaltungen
auf. Aehnlich war es in Paris selbst, wo die Bäckerläden an jedem Morgen
von Schaaren hungeriger und frierender Bettler umlagert wurden.
Aas der Zeit der Fremdherrscliaft. 8d
wenn Zwang hinzukommt, anders nicht als fünfmal so theuer
eingekauft werden Unser Elend dauert noch fort und
es ist kein Ansehen zum Ende ^^
Statt Erleichterungen brachte der Dezember 1794 der
schwer heimgesuchten Aachener Gegend nur weitere Bedrückun-
gen. Immer noch suchten die Republikaner den Umlauf und
Werth der Assignate in jeder Weise zu heben, legten aber
ausserdem ein Hauptgewicht auf die Befestigung der stärksten
Stütze der Assignate, das Gesetz des Maximum. Eine Reihe
von Bestimmungen* setzte den äussersten Preis von Lebens-
mitteln und Waaren fest, und den Munizipalitäten wurde aufge-
geben, auf den Umlauf der Assignate und die Beobachtung der
Bestimmungen über das Maximum ein besonderes Augenmerk
zu richten'. Die seitherigen Mitglieder des Obhutsausschusses
in Aachen erhielten ihre Entlassung*, zwölf andere traten an
ihre Stelle. Offen gab die Behörde den herrschenden Frucht-
mangel und die Noth zu. Es mangelte an Seife, Salz, Oel,
Kohlen und Lichtern *, die Aachener Munizipalität konnte Abend-
sitzungen nicht mehr abhalten. „Wir sind ohne Brod, ohne
') An einer andern SteUe seines Tagebuchs spricht Forst Ton ganzen
Prozessionen von Bettlern, weiche damals durch die Strassen Korneliinünsters
zogen. An einzelnen Tagen erschienen an Forsts Thür 80ü -ÖOÜ Anno.
Die Angaben von Forst sind auch deshalb von Intorosso, weil sie beweisen,
dass die Bestimmnngen über das Maximum und die Assignate bei uns genau
dieselben Zustände im Gefolge gehabt hatten wie in Frankreich, nämlich, abge-
sehen von Verarmung, eine Untergrabung des RochtngefUhls. Hierüber hiesi es
im Konvent selbst: „AUe öffentlichen und Privatverträge sind allmähücli in
Verwirrung gerathen. Die Staatsgläubiger, die offen tlidum Beamten, die
Eigenthümer, welche ihre Grttnde in Pacht gegeben haben, erhalten weit
weniger als die ihnen gebührenden Beträge. Alle, welche Zahlungen zu
leisten haben, gewöhnen sich dabei an eine Unredlichkeit, welche sie sogar
sich nicht mehr vorwerfen, und schieben die Hchuld auf die ZeitverhältniHNe
und die Zufälle der Revolution. Diejenigen, welche (ield zu oinpfaugen
haben, sehen ihr Vermögen zu Grunde gehen und murren wider (iesetze,
welche die Öffentliche Moral untergraben. Ks ist Zeit, diem^m leidigen System
ein Ende zu machen. **
*) Wochenblatt 1887, S. 461, 480, 525.
*) Ebendaselbst S. 461.
«) Ebendaselbst S. 454.
*) Ebendaselbst S. 460, 464, 480. Trotz dieser Nothlage wurd(;n für
die in Aachen anwesenden Volksrepräscntanten zu Ende De/ember OUnse,
Enten, Eier, Schafe, „Erdäpfel", Erbsen, Bohnen, Sauerkraut, llahuen, HlUiner,
Speck und Zucker gefordert.
6*
84 E. Pauls
Lichter, und aller Lebensbedürfnisse beraubt**, schrieben die
Behörden der Kantone Aachen und Burtscheid dem Volks-
repräsentanten Joubert * ; allen Ernstes dachte sogar die franzö-
sische Armee an ihren Eückzug aus dem gänzlich erschöpften
Lande *. Eine Verordnung Fröcines vom 8. Dezember schädigte
mit roher Gewalt die Grundbesitzer auf das Empfindlichste^.
Sehr viele Pachtbriefe früherer Jahre lauteten nämlich auf
Lieferungen von Getreide. Fr6cine entschied, dass die Eigen-
thümer statt dieses Getreides mit Assignaten abgefunden werden
könnten, wobei sie den üblichen Preis des Getreides erhalten
sollten. Hierdurch verloren die Grundbesitzer etwa ^/,o der
Einnahme aus solchen Lieferungen. Denn die zum vollen Nennwerth
ihnen aufgezwungenen Assignate entsprachen in Baar höchstens
einem Fünftel des auf ihnen verzeichneten Betrags; anderseits
stand trotz des Maximum-Gesetzes das Getreide in der Regel
wohl doppelt so hoch, als die festgesetzte Taxe betrug.
Unter so traurigen Verhältnissen * verfielen die Republikaner
auf den recht bald kläglich gescheiterten Versuch, einen Tempel
der Vernunft in Aachen zu gründen^. Derselbe wurde am
20. Dezember feierlich eröffnet, wobei Portiez und Dorsch die
Festredner waren. Portiez bat die Anwesenden, den auf uner-
messlicher Hypothek beruhenden Assignaten ihren Werth zu
geben, namentlich aber den Landmann über die Güte dieser
republikanischen Münze aufzuklären. Nicht ganz mit Unrecht
schob Portiez die herrschende Noth theilweise dem Widerwillen
des Landmanns gegen die Assignate zu, weil derselbe lieber sein
Getreide verberge oder es ungedroschen lasse ^, als dass er es
gegen Assignate veräussere. Dorsch hatte die Stirne, von einer
hauptsächlich auf der ärmern Klasse haftenden scheinbaren
») Ebendaselbst S. 464.
*) Ebendaselbst S. 454.
') Ebendaselbst S. 465 im Auszug; den Wortlaut enthält ein mir vor-
liegendes Flugblatt.
*) Erwähnt sei noch, dass im Dezember 1794 die französische Republik
die Aachener Stadtkasse mit Beschlag belegte. Zudem steUte sich damals
heraus, dass Aachen bei den anhaltenden militärischen Einquartierungen über
das Doppelte der gesetzlich zulässigen Höhe belastet gewesen war.
'') Näheres in der Zeitschrift des Aachener Geschichts Vereins VI, S. 227.
•) Heute noch weiss steUenweise in der Aachener Gegend die Üeber-
lieferung zu berichten, dass vor 90—95 Jahren der Assignate und Requi-
sitionen wegen viel Getreide verborgen wurde.
Aus der Zeit der Fremdherrscliaft. 85
Noth zu sprechen, welche auch er auf das geringe Ansehen der
Assignate zurückführte. „Frankreich", so sagte Dorsch, „ist
1 4 000 Millionen ^ reich, es kann die Assignate täglich einlösen.
So lange ihr nach dem Beispiel der Despoten einen Unterschied
macht zwischen Assignaten und klingender Münze, seid ihr
keine echten Freunde der Republik, aber Feinde eurer dürftigen,
vom Ertrag ihrer Handarbeit sich nährenden Mitbürger.*'
Eine ähnliche Rede hielt am 30. Dezember Simeon im Aachener
Vernunfttempel. Er sprach von schändlichen Wucherern, welche
an den Assignaten 500 — 600 °/o verdienen wollten; der Kurs
der Assignate stand also weit unter 20 ^/o.
Während der Tempel der Vernunft in Aachen von so
hohlen, zu tauben Ohren gesprochenen Redensarten wieder-
hallte, war an entscheidender Stelle in Paris eine merkwürdige
Wendung der Dinge eingetreten. Allerdings dachte man im
Konvent noch kaum an die Beseitigung des Zwangskurses der
Assignate, aber die Aufhebung des Gesetzes des Maximum und
damit der bahnbrechende Schritt zu einer gerechtern Regelung
des Umlaufs des Papiergelds hatte sich als eine unaufschiebbare
Nothwendigkeit herausgestellt ^ Längst war nämlich das Maxi-
raum an der Gewalt der Thatsachen gescheitert. Die Konvents-
raitglieder selbst übertraten täglich dieses Gesetz, die Aufrecht-
erhaltung des todten Buchstabens lähmte indess jeden Handel
und jede gewerbliche Thätigkeit. Am 24. Dezember erklärte
der Konvent alle Preistaxen für Waaren aller Art für aufge-
hoben. Nunmehr lag es in der Hand der Verkäufer, den Unter-
schied zwischen dem Nenn- und Kurswerth der Assignate durch
die Forderung hoher Preise passend auszugleichen, damit aber
war die Beseitigung des Zwangkurses des Papiergelds nur
noch die Frage einer ziemlich nahen Zeit geworden. An den
Verhältnissen in Aachen ging der Umschwung der Lage in
Frankreich vorläufig ziemlich wirkungslos vorüber. Wohl wurde
bei uns die Aufhebung des Maximum schon gegen Ende Dezember
bekannt, aber bereits am 4. Januar 1795 verfügte der Volks-
repräsentant, dass in den Ländern zwischen Maas und Rhein
') Diese Zahl wird anch in andern Bekanntmachungen der damaligen
Zeit Tiel genannt.
*) Widerspruchslos hiess es im Konvent, das Maximum sei die Guillotine
des Handels und habe den Ackerbau getödtet; bliebe es noch einige Monate
bestehen, so würde die nächste Märzsaat in Frankreich unterbleiben.
86 E. Pauls
das Maximum bis auf Weiteres aufrecht erhalten bleiben sollte'.
Die wilden Fremdlinge und herzlosen Blutsauger, wie Milz
die damaligen Republikaner treffend nennt, hatten keine Eile,
der Aachener Gegend Erleichterungen zu gewähren *, auch mag
die Rücksicht auf die bedeutenden zwischen Maas und Rhein
lagernden französischen Truppenmassen auf diesen Beschluss ein-
gewirkt haben*.
Die Ereignisse des Januar 1795 waren für Aachen und seine
Umgebung meist sehr unerfreulicher Art. Mehrere amtliche Bekannt-
machungen reden von herrschender Hungersnoth und Elend, von
den geringen vorhandenen Hülfsmitteln zur Linderung der Noth,
von „in Elend verdorrten Herzen", von ungedroschen geblie-
benen Früchten, von vielen unbebaut gelassenen Ländereien.
Es war der Beginn eines Jahres, in welchem der Hungertod in
unserer Heimath reiche Ernte hielt*. Trotz der überaus trüben
Zeit bestanden indess die Republikaner auf Leistung der
drückendsten Kriegssteuern und auf Anerkennung des Voll-
werths der Assignate. In den ersten Tagen des Januar wurde
bekannt gemacht, dass der Bezirk der Verwaltung zu Aachen
mit einer Kriegssteuer von 5 Millionen Livres, zahlbar in
metallenen Geldsorten, belegt worden sei^ Zum ersten Mal
seit der zweiten Besetzung Aachens wird bei dieser Gelegenheit
amtlich zugegeben, dass nicht nur bei der Zahlung von Kriegssteuem
dieklingendeMünzederpapiemenvorzuziehen sei. Der Distriktsver-
waltung von Aachen-Jülich war nämlich aufgegeben worden, die
Last der 5 Millionen passend auf die einzelnen Ortschaften zu ver-
theilen. In richtiger Erkenntniss der Unmöglichkeit, eine so unge-
heuere Summe aufzubringen, versuchte diese Behörde ein seltsames
Mittel. Sie stellte die Zwangsbeiträge der einzelnen Gemeinden
*) Bormann-Daniels a. a. 0. VI, S. 279.
*) Auch schon ans Erbitterung, denn sehnsüchtig wünschte sich das
alte Eburonenland die „Tyrannen'' und Zustände zurück, über deren Beseiti-
gung die Republikaner so laut jubelten.
*) Man fürchtete wohl, dass bei Preissteigerungen die nur mit Assig-
naten besoldete Armee ausser Stande sein werde, sich die nothwendigen
Lebensbedürfnisse zu beschafifen. Trotzdem stand seit Ende 1794 das Maximum
bei uns auf der Aussterbeliste; nach Neujahr 1795 sind nur in sehr verein-
zelten FäUen Zwangspreise von Lebensmitteln verfügt worden.
*) Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins VI, S. 233.
*) Aachener Zuschauer 1795, Nr. 3, S. 23. Diese unerschwingliche
Steuer wurde später gemindert; vgl. unten S. 89.
Aus der Zeit der Fremdherrschaft. 87
fest, bat aber gleichzeitig unter Hinweis auf die trostlose Lage
die Besitzer Ton baarem Geld oder von goldenen und silbernen
Gtefässen um leihweise Ueberlassung bezw. Genehmigung der
Einschmelzung zu Gunsten der Deckung der Kriegssteuer. Feier-
lich versprach sie dabei, später das Kapital nebst den Zinsen
in baaren klingenden Münzen zu erstattend Ohne Zweifel
blieb der Aufruf ohne jeden Erfolg. Welches Vertrauen ver-
dienten Versprechungen, nachdem so manche Bestimmungen über
das Maximum und das Papiergeld noch so verbriefte Rechte des
EinzeUien rücksichtslos beseitigt hatten P Zudem wurden gerade
damals, vielleicht in richtiger Ahnung der bevorstehenden Aender-
ungen und gleichsam als letzter Versuch nochmals alle Hebel zur
Verdrängung des Baargelds ins Werk gesetzt. Ein Beschluss der
Centralverwaltung vom 8. Januar * untersagte die Aufnahme von
Bestimmungen über Zahlungen in Metallmünzen bei Verträgen aufs
Schärfste. Solche Verträge waren nicht nur ganz ungültig, sondern
es fiel sogar der Werthgegenstand des Vertrags der Kasse der
Bepublik anheim. Nicht einmal in Quittungen durfte die Art des zur
Zahlung verwendeten Gelds genannt sein; bei Zuwiderhand-
lungen erfolgte Bestrafung durch das ßevolutionsgericht wegen
„Verkleinerung der republikanischen Münze". Weit überboten
wurde aber alles Frühere durch einen Aufruft der Volksrepräsen-
tanten an die Einwohner Belgiens und der übrigen eroberten
Länder vom 6. Januar 1795, welchen die Behörden drei Wochen
später zur Kenntniss der Aachener Bürger brachten. „Ihr
müsst**, so heisst es in diesem Machwerk, „eurer klingenden
Münze entsagen und sie in den Nationalschmelztiegel bringen *.
') Wochenblatt 1837, S. 577. Der theilweise aas Einheimischen gebil-
deten Distriktsverwaltung mag ihr Versprechen ernst gemeint gewesen sein,
aber die Möglichkeit der Erfüllung hing von höherer, wenig yertrauenswür-
diger Stelle ab.
«) Wochenblatt 1837, S. 563 und 556.
') Aachener Zuschauer 1795, Nr. 13 und 14.
*) Schon im November und Dezember 1794 hatten die Republikaner
den, wie der erneute Aufruf vom 6. Januar 1795 beweist, fruchtlosen Ver-
such gemacht, die Belgier zur Umwechslung ihrer Metallmttnze gegen Assig-
nate zu bewegen. Eigene Kassen waren errichtet worden, deren Beamte
freiwillig gebrachtes Baargeld gegen Assignate umtauschen und als Belohnung
die Namen der Darbringer durch den Druck bekannt machen sollten (Bor-
mann-Daniels a. a. 0. VI, S. 21 und 274). Solche Kassen wurden
auch in der Aachener Gegend gegründet, ohne dass sie die mindeste Beach-
tnng gefiinden hätten.
88 E. Pauls
Nehmt nur republikanische Münze an, sichert ihren Kredit und
brandschatzt die Reichen, welche sich von der Arbeit des Volks
gemästet haben M" In Anschluss an diesen Aufruf erging in
Aachen das Verbot, mit baarem Gelde zu kaufen*; es war so
ziemlich der letzte, erfolglos aufgespielte Trumpf zur Durchführung
der Alleinherrschaft des Papiergelds. ^
Eine von Simeon am 30. Januar gehaltene Rede^ beweist,
dass damals bei Baarzahlungen gegen alle Bestimmungen die
Assignate oft zu einem Achtel des Nennwerths berechnet wurden.
Dass trotzdem der Redner ein recht baldiges Steigen bis zur
völligen Gleichberechtigung mit Metallmün^en in sichere Aus-
sicht stellte, darf nicht Wunder nehmen.
Volle vier Monate hindurch hatten die bitterste Noth*,
unerschwingliche Kriegssteuern, der Druck des Maximum und
der Assignate und dabei die Nachtheile einer mangelliaften
Handelsverbindung mit Frankreich auf der unglücklichen
Bevölkerung zwischen Maas und Rhein gelastet, ehe im Februar
1795 eine Erleichterung eintrat. Die Verhältnisse waren unhalt-
bar geworden. Der Versuch, die eroberten Gebiete in den wich-
tigsten Lebensfragen nach andern Gesetzen zu regieren als nach
den in Frankreich selbst gültigen, hatte sich als unaus-
führbar und den Interessen der Republik höchst nachtheilig
herausgestellt. Der Wohlfahrtsausschuss in Paris erliess deshalb
für Belgien und unsere Heimath am 10. Februar 1795 einen
*) Der Widerstand, welchen die besitzende Klasse dem Papiergeld
entgegensetzte, bot den Eepublikanem einen willkommenen Anlass, die
Arbeiter gegen die Reichen, entsprechend dem Geiste der Staatsomwälznng,
aufzuhetzen. Bei uns fielen diese Hetzereien schon deshalb auf unfrucht-
bares Erdreich, weil die Freiheitshelden den Arbeitern zwar goldene Berge
versprachen, ihnen thatsächlich aber weit mehr Brod nahmen als gaben.
>) Wochenblatt 1838, S. 27.
') Aachener Zuschauer 1795, Nr. 15, S. 118 f.
*) Auf eine eingehendere Schilderung der damals herrschenden Noth,
welche in etwas minderm Maße noch Jahre lang anhielt, muss hier
verzichtet werden. Erwähnt sei nur, dass im Februar und März 1795 die
Franzosen trotz aller erhaltenen Lieferungen wiederholt erklärten, dass sie,
falls nicht besser für die Armee gesorgt werde, die Soldaten von Plünderungen
nicht abhalten könnten. Femer drohten sie mit der Grefangennahme aller
einheimischen Beamten; Geiseln zur Sicherstcllung der Kriegsleistungen
hatten sich die Freiheitshclden längst stellen lassen, auch waren über Land
gesandte kleinere Abtheilungen von Soldaten angewiesen, zwangsweise die
ausgeschriebenen Mengen von Getreide einzutreiben.
Ans der Zeit der Fremdherrschaft. 89
sehr wichtigen Beschlüsse, nach welchem das Revolutions-
tribunal und die Obhutsausschüsse sofort* ihre Thätigkeit ein-
zustellen hatten, das Gesetz des Maximum aufgehoben wurde
und die Kriegssteuer zur Hälfte in Assignaten gezahlt werden
konnte ^. Der Jubel über diese Verfügung, welche die sofortige
Niederschlagung aller wegen Uebertretungen der Vorschriften
über das Maximum anhängigen Prozesse und erkannten Strafen
zur Folge hatte ^, war bei uns um so grösser, als fast gleich-
zeitig der Volksrepräsentant Gillet die am 25. Dezember 1794
auferlegte ungeheuere Kriegssteuer von 5 Millionen auf etwa
ein Drittel dieser Summe ermässigte^ An den Bestimmungen
über den Zwangskurs der Assignate war freilich vorläufig
nichts geändert worden, deutlich genug zeigte aber die Auf-
hebung der als Wächter über das Assignatenwesen eingesetzten
Gerichtshöfe ^, dass für die Behörden der Zwangskurs ein ziem-
lich überwundener Standpunkt war und dass durchgreifende
Aenderungen nahe bevorstanden. Wäre es möglich gewesen,
die Assignate auf der Höhe ihres Nennwerths zwangsweise zu
halten, nachdem die Zwangspreise für Waaren und Lebensmittel ^
auch schon des Wuchers® wegen hatten beseitigt werden müssen?
Allem Anschein nach haben die französischen Behörden
seit Ende Januar 1795 auf jede Anstrengung zur Hebung der
») Wochenblatt 1838, S. 73.
*) Diese Behörden hatten am 19. Februar ihre Akten abzuliefern.
^ Drei andere Bestimmungen der Verfügung setzten fest, dass die wegen
verzögerter Leistung der Kriegssteuer verhängten Geldstrafen erlassen und
die eingezogenen Geiseln in Freiheit gesetzt wurden; auch soUten bezüglich
der Kriegsleistungen und des Handelsverkehrs mit Frankreich grosse Erleich-
terungen eintreten (Aachener Zuschauer 1795, Nr. 22, S. 173).
*) Bormann-Daniels a. a. 0. VI, S. 281, Anm. 1.
*) Aachener Zuschauer 1795, Nr. 22, S. 174; vgl. oben S. 86, Anm. 5. Zu
dieser Ermässigung lagen allerdings die triftigsten Gründe vor, denn trotz
der schärfsten Zwangsraaßregeln wäre in dem aufs Aeusserste ausgesogenen
Bezirk die Beitreibung der ganzen Summe unmöglich gewesen.
*) Während mehrmonatlicher Thätigkeit hatten diese Gerichtshöfe in
ganz Belgien nur einige Assignatenfälscher zu bestrafen gehabt (Aachener
Zuschauer 1795, Nr. 28, S. 219).
^ Auch nach der Aufhebung des Maximum wurden häufig die Frucht-
preise XL s. w. amtlich bekannt gemacht. Dabei handelte es sich aber nicht
um Zwangspreise, sondern um die Angabe des mittlem Marktpreises.
') „Das Maximum diente nur zur Begünstigung der Wucherer", sagt
eine amtliche Bekanntmachung der Centralvcrwaltung zu Aachen vom 20.
Februar 1795,
90 E. Pauls
in unaufhaltsamem Niedergang begriffenen Assignate bei uns ver-
zichtet. Einmal noch sang damals eine merkwürdige Persönlichkeit,
der ehemalige Klosterbruder Biergans*, in einer beim Bürger-
fest in Düren gehaltenen Rede* das Lob der Assignate. Nach
einem Hinweis auf „die holde Göttin der Vernunft, welche ihm
früher schon im öden Klosterkerker in stillen Mitternächten
geleuchtet**, bat der Redner schliesslich seine Zuhörer, Gold imd
Silber der Republik zum Opfer zu bringen, das Papiergeld
dagegen willig anzunehmen. Es war verlorene Liebesmühe!
Ein Umschwung lässt sich für die Monate Februar, März
und April 1795 unschwer nachweisen. In Holland, welches im
Januar 1795 in die Hände der Republikaner fiel, hatten die
Assignate keinen Zwangskurs erhalten. Dieser dem Nachbarstaat
bewilligte Vortheil musste in der Aachener Gegend einen guten
Eindruck machen, namentlich da auch bei uns schon im Februar eine
Ausnahme nothwendig wurde. Mitunter war es nämlich vor-
gekommen, dass nach dem gegen Zahlung von Metallgeld erfolgten
Verkauf von Gütern die Verkäufer ein gesetzlich begründetes
Rückkaufsrecht ^ zur Geltung brachten und dem Käufer die von
ihm in Baar gezahlte Summe in nach dem Nennwerth berechneten
Assignaten ersetzten. Hierdurch verlor der Käufer mindestens
*/io des Ankaufsgelds; der Volksrepräseutant Gillet machte
diesem offenbaren Betrug dadurch ein Ende, dass er die Rück-
erstattung der Kaufsumme in Baar befahl*.
Als am 28. Februar das Fest der Eroberung Hollands in
Aachen gefeiert wurde, erklärten beide Festredner, dass die
französische Regierung 3 Millionen in klingender Münze zum
Ankauf holländischen Getreides angewiesen habe, und dass dürf-
tige Mitbürger ihren Getreidebedarf gegen Zahlung in Assignaten
erhalten könnten *. Wahrscheinlich wäre also bei Ankäufen, welche
*) Vgl. Zeitschrift des Aachener GeschichtsTereins in, S. 184.
») Aachener Zuschauer 1795, Nr. 30, S. 236 if.
') Das sog. Retraktrecht, welches frilhcr bei uns, namentlich wenn vor-
mundschaftliche Verhältnisse in Betracht kamen, Beschüddungsrecht genannt
wurde.
*) Bormann-Daniels a. a. 0. VI, S. 282; Aachener Zuschauer 1795,
Nr. 25, S. 199.
*) Aachener Zuschauer 1795, Nr. 26, S. 205 ff. Hier lag wohl nur ein
leeres Versprechen vor. Qu ix (Wochenblatt 1838, S. 89 und 85) bestätigt, dass
die Franzosen das aus HoUand versprochene Getreide nicht herbeischafften,
Aus der Zeit der Fremdherrschaft. 91
wohlhabende Bürger machten, die Baarzahlung zulässig oder
gar erforderlich gewesen. Dass der Unterschied zwischen Baar-
geld und Papiergeld, entgegen den bestehenden strengen Be-
stimmungen, seit Ende Februar anerkannt oder zuweilen geduldet
wurde, beweisen mehrere Zeitungsanzeigen ^ So wird in zwei
amtlichen Bekanntmachungen * über Schuhlieferungen imd
Holzverkäufe vom 2. und 4. April 1795 die baare Zahlung vor-
geschrieben, und in einer Anzeige über Galmei heisst es, dass
die angegebenen Preise sich auf Zahlungen in Assignaten bezögen *.
Ein paar Monate vorher hätten solche Anzeigen das Revolutions-
tribunal in Thätigkeit versetzt.
Am 25. April 1795 beseitigte der Konvent im Wesentlichen
den Zwangskurs der Assignate durch die wichtige Bestimmung,
dass die Regierung ihre Zahlungen in nach dem Kurs be-
rechneten Assignaten leisten könne*. Damit war allen Ver-
suchen, den Assignaten im geschäftlichen Verkehr zwangsweise
einen höhern Werth als den Kurswerth beizulegen, der Boden
entzogen. In unsern Gegenden wurde das Gesetz vom 25. April
nicht veröffentlicht; es war den Republikanern gar zu unbequem.
Zunächst versuchten sie nochmals, kurz vor Thoresschluss mög-
lichst viel Baargeld gegen Assignate auszutauschen. Ein scharfer
Erlass v(jm 29. April * beklagt die Nichtbeachtung der Bestim-
mungen vom 14. November 1794 über die Baarzahlungen aus
öffentlichen Kassen. Alle Einnehmer werden streng angewiesen,
Baargeld nicht mehr zu verausgaben und bereits verausgabtes
thunlichst wieder einzuziehen. Und noch am 13. Mai erliessen
die Volksrepräsentanten für das der Aachener Gegend benach-
barte belgische Gebiet eine »Verfügung^, dass immer noch die
Assignate die einzige Münze der Republik seien. Metallmünzen
wären als Zahlungsmittel gesetzlich nicht zulässig. Etwa zur
dass aber die Aachener Mnnizipalität für 6000 Beichsthaler hoUändisches
Getreide kaufte.
') Dazu gehören nicht die zahlreichen, schon seit November vorkommenden
Anzeigen, in welchen zur Deckung der in klingender Münze zahlbaren Kriegs-
steuer Güter gegen Baarzahlung zum Verkauf angeboten wurden.
») Aachener Zuschauer 1795, S. 328 und 344.
') Ebendaselbst S. 352.
*) Bormann-Daniels a. a 0. III, S. 58.
*) Ebendaselbst VI, S. 297.
•) Ebendaselbst VI, S. 55.
92 E. Pauls
Zeit dieser Bestimmungen stand sowohl in Paris als in Aachen ^
bei Zahlungen in Papiergeld ein Sack Mehl 2000 Livres, ein
Pfund Zucker 400 Livres, ein Pfund Seife 230 Livres u» s. w.
Den Gnadenstoss erhielten die auf Assignate bezüglichen
Zwangsmaßregeln gegen Ende Mai 1795. Am 28. Mai ent-
schieden die Volksrepräsentanten Giroust und Lefevre, dass bei
allen vor dem zweiten Einzug der Republikaner im J. 1794
geschlossenen Verträgen nur mit denjenigen Münzen zu rechnen
sei, welche zur Zeit des Abschlusses des Vertrags Kurs hatten \
In ähnlichem Sinne erging kaum eine Woche später eine Ver-
fügung * des Wohlfahrtsausschusses zu Paris füi- das Gebiet der
eroberten Länder, doch stand es nach derselben den Schuldnern
frei, auch in Assignaten zu zahlen, wobei der Amsterdamer
Kurs zu Grunde gelegt werden musste. Grosse und gerechte
Entrüstung rief dagegen im Juni 1795 der Volksrepräsentant
Peres in der Aachener Gegend hervor. Peres belegte das gänz-
lich verarmte Gebiet zwischen Maas und Rhein rücksichtslos
mit einer Kriegssteuer von 30 Millionen Livres \ und behauptete,
dass bei uns in Folge der übertriebenen Preise eine ungeheuere
Menge von Assignaten verbreitet und deren Werth in wucherischster
Weise herabgedrückt worden sei. Gereizt erwiderte die Central-
verwaltung zu Aachen^, „dass allerdings die Truppen der
Republik nichts gebracht hätten, als ein Papier, dessen Kredit
nicht aufrecht erhalten werden könne ^ Die meisten Lieferungen
für die Armee seien bis jetzt nicht bezahlt worden, das Sinken
des Assignatenwerths dürfe zum grossen Theil auf den für
*) Aachener Zuschauer 1795, Nr. 57, S. 455; Haagen, Geschichte
Achens II, S. 425.
*) Aachener Zuschauer 1795, Nr. 71, S. 571. Wenige Tage früher war
im Aachener Zuschauer (S. 495) darauf aufmerksam gemacht worden, dass
die Gewohnheit, Assignate durch Abschneiden kleiner Theile für die Brief-
taschen passend zu machen, die Ungültigkeitserklärung herbeiführen könne.
») Bormann-Daniels a. a. 0. VI, S. 306.
*) Bormann-Daniels a. a. 0. VI, S. 307 ff.
') Ebendaselbst VI, S. 308 ff. Die Antwort der Centralverwaltung ist
von Bedeutung für die Geschichte der damaligen Zeit. Die Peressche Kon-
tribution forderte mehr Geld, als im ganzen Gebiet zwischen Maas und Rhein
in Umlauf war.
*) Der interessante Wortlaut dieser bittern Wahrheit ist: Les troupes
des coalis^s n'ayant laissö chez nous que des traces de devastations, et les
troupes de la B6publique n'y ayant apport6 qu'un papier, dont on ne peut
pas soutenir le credit.
Aus der Zeit der Fremdherrschaft. 93
Aachens . Fabriken nothwendigen Verkehr mit dem Ausland
zurückgeführt werden; in der Aachener Gegend, wo man der
Bevölkerung zwangsweise die Assignate zum vollen Nennwerth
aufgedrängt habe, hätte sicher Jedermanns Interesse es erheischt,
den Werth des Papiergelds auf der Höhe zu halten/ Die
Beschwerde hatte Erfolg, denn die Kriegssteuer wiu-de ermässigt.
Am 10. Juli befahl der Volksrepräsentant die Einstellung
aller bezüglich älterer Forderungen anhängigen Prozesse, bei
welchen der Schuldner das Kecht der Zahlung in Assignaten
zum Nennwerth geltend gemacht hattet Auch am 20. Juli
wurde es ausdrücklich nochmals als Rechtsgrundsatz anerkannt *,
dass die vor 1794 abgeschlossenen Verträge so behandelt werden
müssten, als ob die Eroberung des Landes nicht stattgefunden
hätte; falls der Schuldner in Assignaten zahle, sei deren
Kurs werth maßgebend.
Alle diese Bestinunungen suchten früheres Unrecht theil-
weise gut zu machen und die den Handel durchaus brach legende
Furcht vor den Assignaten zu beseitigen. Thatsächlich scheinen
bei uns seit Juni 1795 alle Befürchtungen geschwunden zu sein
und die Schreckenszeit des Papiergelds als abgelaufen gegolten
zu haben. In den damaligen Zeitungsanzeigen ist fast nur von
Metallgeld die Rede, doch findet sich regelmässig der Assig-
natenkurs der Amsterdamer Börse verzeichnet. Von Ende Juli
ab erhielt jeder Soldat der französischen Armee bei der Löhnung
wieder etwas Metallgeld und ungestraft durfte der Aachener
Zuschauer seinen Lesern über die oft stürmischen Verhandlungen
berichten, welche sich im Konvent wiederholt an die Frage der
Beseitigung des Papiergelds knüpften. Die öffentliche Ver-
brennung der Assignatenpresse zu Paris im Februar 1796 liess die
Aachener Bevölkerung so kalt wie die Pariser; für so Manchen
kam sie viel zu spät.
Endgültig entwerthet wurden die Assignate erst im J. 1797.
Auch nach der Zerstörung der Assignatenpresse verzichtete näm-
lich die französische Regierung trotz aller gemachten Erfahrungen
immer noch nicht auf jede Ausgabe von Papiergeld. Schon im
März 1796 setzte sie sogenannte Territorialmandate ^ in Umlauf,
*) Bormann-Daniels a. a. 0. VI, S. 322.
^ Ebendaselbst VI, S. 325.
') Bormann-Daniels a. a. 0. III, S. 335; von Sybel, Geschichte der
Revolutionszeit von 1789—1800, 2. Aufl. IV, S. 96 ff. und 448.
94 E. Pauls
deren Inhaber beim Ankauf von Nationalgtitern grosse Vortheile
hatten. Für dieses Papiergeld bestand ebenfalls, aber in viel
milderer Form als seiner Zeit für die Assignate, ein gewisser
Zwangskurs; Assignate konnten zu einem Dreissigstel ihres
Nennwerths gegen Mandate umgetauscht werden. Weil die
Mandate auf einem scheinbar guten Unterpfand beruhten, hoflften
die Republikaner sie auf der Höhe des Nennwerths zu erhalten.
Es sollte ganz anders kommen. Unmittelbar nach ihrem Er-
scheinen sanken die Mandate auf 10*^/o^; wenige Monate genüg-
ten, sie auf 5*^/o und weniger* fallen zu lassen. Ihr Zwangs-
kurs wurde schon im Juli 1796, dann nochmals ausdrücklich im
Februar 1797 aufgehoben und damit schwanden sie gänzlich aus
dem Verkehr^. Nach von Sybel haben sie Frankreich während
der 10 Monate ihres Bestehens um 2400 Millionen Franks
geschädigt; auf die Mandate folgte die Rückkehr zur gesunden
wirthschaftlichen Grundlage des Metallgelds*.
Diese Thatsachen erklären es, weshalb so viele Assignate,
von denen Hunderte heutzutage noch als werthlose Papierfetzen
aufbewahrt werden, niemals versilbert worden sind. Die Inhaber
sehr grosser Summen in Assignaten werden ihren Besitz stets
zu verwerthen gewusst haben, und selbst kleinere Beträge mögen,
so lange der Kurs nicht unter 5 — 2^Iq fiel, nur selten allzu-
lange aufbewahrt worden sein. Welchem Werth aber entsprachen
einige Tausend Franks* in Assignaten, nachdem der Kurs auf
V* — Vs^^/o gesunken war, oder welchen Nutzen hätte der
Umtausch gegen die so geringwerthigen Mandate gehabt? Die
Umwechslung lohnte nicht der Mühe und des Portos, namentlich
^) Dies deshalb, weil die Assignate zu Va ^/o standen and die Mandate
den dreissigfachen Werth hatten. Absicht der Regierung war es gewesen,
dass Nenn werth und Kurs der Mandate = 100, Kurs der Assignate = '•*/,o
= SVs werden soUten. Die Bevölkerung machte also, des Papiergelds
überdrüssig, den umgekehrten Schluss.
*) Damit sanken die Assignate auf V«®/© ^^^ weniger.
*) von Sybel a. a. 0. IV, S. 448. Auch zu den Mandaten hatte die
Bevölkerung nie Vertrauen. Die geächteten Mandate strömten nach Paris
zusammen, während die Hauptstadt den lebhaftesten Wunsch hatte, die
gefährlichen Scheine den Provinzen zurückzuschieben.
*) MetaUgeld war jetzt in Frankreich so gesucht, dass sein Zinsfuss
auf 50—70 (!) Prozent stand. Vgl. von Sybel a. a. 0. IV, S. 451.
*) Mehr wird man sehr selten an einer SteUe finden. Sehr vereinzelt
wurde im J. 1871 vorgeschlagen, Frankreich gelegentlich des Friedensschlusses
zur Einlösung der in Deutschland noch vorhandenen Assignate anzuhalten.
Aus der Zeit der Fremdherrschaft. 95
da wegen der zahlreich vorhandenen falschen Assignate die
Grefahr unangenehmer Weiterungen ziemlich nahe lag.
Grosse Schwierigkeiten machte in Frankreich nach dem
Untergang des Papiergelds die Umrechnung von Beträgen, welche
auf Assignate oder Mandate lauteten und deren Zahlung unter
dem Druck des Zwangskorses des Papiergelds vereinbart worden
war. In unserer Heimath, wo Jeder den Assignaten und Man-
daten nach Möglichkeit aus dem Wege ging, sind während des
Winters 1794/95 und später wohl nur wenige solcher Verein-
barungen getroffen worden. Das Gesetz vom 23. Juni 1797
entschied*, dass für die Umrechnung der Kurswerth, wie er
zur Zeit des Abschlusses des Vertrags bestand, maßgebend nein
sollte. Zur Ermittlung dieses Kurswerths dienten ausfUhrUcho,
dem Gesetz beigefügte Tabellen. Nach 1797 schwelgt die
Geschichte der Fremdherrschaft über Assignate und Mandate
fast vollständig; man mag nur ungern die Erinnerung an Un-
gerechtigkeit und Elend aufgeMscht haben. Einmal freilich
— es ist aber erst 40 Jahre nach dem Tode des grossen Cäsar«
znr Kenntniss Europas gekommen und während der letzten Zeiten
des ersten französischen Kaiserreichs auf unsere Gegend ohne
jeden Einfluss geblieben — erröthete selbst Napoleon I. nicht,
zur Durchführung seiner Pläne in verwerflicher Weise auf die
Geschichte der Assignate zurückzukommen. Weil nämhch z«
Ende des 18. Jahrhunderts von auswärts zahllose falsche Ahh g-
nate nach Frankreich eingeführt worden waren, hielt Napoleon hwii
für berechtigt, falsche Papierrubel in Paris »«^^■^^Sr^MtÄuI
und sie im J. 1812 mit nach Russland zu nehmen. Ihicr« m/hi.ii,
dies, ohne ein Wort der Rüge hinzuzufügen«. ^^
In der UeberUeferung und in der Sage i»v
an die Assignate« bei uns lebendig g«^«^^""\,„!l''l ,:/
drei Menschenalter hindurch auf sicherer Gru.,dlli^y-'"^^^
seits sorgfältig geführte Regelung der Ausgab« J ^' ' "' ^^ ;'
hat in den rheiidschen Gegenden und namentIkJ» v... ,'. ..^r^t
Mit Recht fand dieser Vorschlag kerne Beacn«'«»«.
solcher Assignate sind nicht festzustellen.
') Bormann-Daniels a. a. 0. IH» ^' ' ^^^^^ , ,^ /,- r v*>
«) Thiers, Geschichte des Konsulati» un i
Üebersetzung von F. Bülau XIY, S. 249. ^ ^ ^ i,x-^*.*^
•) Nicht an die ihnen folgenden ^r^^ '
Gegend kaum bekannt gewesen zu sein nvhf'****^
96 E. Pauls
Heimath die Furcht vor einer Entwerthung der „Kassenscheine*'
nicht vollständig zu bannen vermocht. Zum grossen Theil ver-
danken wir dies dem Vertrauensmissbrauch, dessen sich vor etwa
95 Jahren die Republikaner mit den Assignaten schuldig gemacht
haben. Wohl in der Erinnerung an so manche Erzählung über
Assignate, welche vom Grossvater oder Urgrossvater herstammt,
zieht mitten im Frieden heute noch der schlichte Landmann die
Metallmünze der papiernen weit vor; bei Kriegszeiten aber,
namentlich war dies im J. 1866 der FalH, tritt vielfach eine
geradezu fieberhafte Ueberstürzung zum Umtausch des Papier-
gelds gegen klingende Münze zu Tage.
Auch bezüglich der Assignate paaren, wie es in ihrem
Wesen liegt, Sage und Ueberlieferung die Wahrheit mit der
Dichtimg. Es heisst, dass zur „französischen** Zeit auf die
Verweigerung der Annahme von Assignaten im Handel die
Todesstrafe stand, dass zahllose Familien durch das Papiergeld
verarmt seien und dass dessen Herrschaft Jahre hindurch
gewährt habe. Auf die Haltlosigkeit der ersten Angabe hat
man schon vor 50 Jahren hingewiesen, und thatsächlich wird
in keiner der vielen Verfügungen über Assignate deren Nicht-
annahme mit dem Tod bedroht. Ferner mag es sein, dass
manche Familien durch das Assignatenwesen verarmt sind,
doch darf deren Zahl nicht zu hoch angeschlagen werden.
Allerdings wurden in Frankreich nach oberflächlicher Schätzung
nicht weniger als 200000 Familien durch die Assignate ins
Elend gestürzt, dort lagen aber die Verhältnisse ganz anders
als bei uns. Dort dauerte die Zwangsherrschaft des Papier-
gelds einige Jahre, hier nur einige Monate; dort wachten,
besonders während der Schreckenszeit unter Robespierre, 500 000
Aufpasser auf jede Uebertretung des Maximum und der Vor-
schriften über den Assignatenumlauf, zwischen Maas und Rhein
dagegen gab es 500 000 Uebertreter und nur wenige Aufpasser.
*) Etwas besser war es in Folge der öftern Aufklärung durch die Zeitungs-
presse im J. 1870. Damals aber — ohne Zweifel war neben dem Andenken
an die Assignate auch Erbitterung mit im Spiel — verweigerten vielfach
die Einwohner der von den Deutschen besetzten französischen Landestheile
die Annahme des deutschen Papiergelds. Die Drohung „nichts zu geben**
wirkte; sie war berechtigt, da der Umtausch den Franzosen keinen Schaden
bringen konnte und das in Frankreich Gekaufte sehr augemessen bezahlt
wurde.
Aus der Zeit der Fremdherrschaft. 97
In aller Strenge konnte weder das Maximum* noch der Asaig-
naten-Zwangskurs bei uns durchgeführt werden, denn zu ein-
raüthig wehrte sich die ungeheuere Mehrheit der Bevölkerung
gegen die ungerechten Gesetze. Ein grosses Glück für unsere
Vorfahren war es, dass erst im Herbst 1794, nicht 1 — Vj^ Jahre
früher, die französischen Heere die Aachener Gegend besetzten,
denn die durch die Assignate hervorgerufenen Verluste wären
sonst wohl zehnfach grösser geworden. Die Verarmung mancher
Familien znr Zeit des Beginns der Fremdherrschaft ist meist
weniger den Assignaten, als den sonstigen furchtbaren Kriegs-
lasten und dem gänzlichen Stocken des Handels zuzuschreiben.
Wenn endlich die Sage die Assignatennoth bei uns Jahre lang
währen lässt, so verwechselt sie Aachen mit Frankreich, wie
vorstehend wiederholt ausgeführt ist.
Es verdient noch erwähnt zu werden, dass auch in den
heimischen Dichtungen der Assignate nicht vergessen ist. Dem
Dtirener Arzt Mögling* verdankt die Nachwelt folgenden
gelungenen Scherz:
An die französischen Assignate.
Aus Lumpen ward ich einst gemacht.
Von Lumpen an den Rhein gebracht,
Aus Lumpen machten Lumpen mich
Und Mancher ward ein Lump durch mich.
Ein ähnliches kleines Gedicht ist im Aachener Museum den
dort unter Glas und Rahmen zur Schau ausgestellten Assignaten
beigefugt; als Lumpen- oder Hoddelngeld hat allerdings der
Volkswitz die Assignate oft genug bezeichnet. Doch viel leicüt
noch treffender heisst es in einer Flugschrift« aus dem^Ende
des vorigen Jahrhunderts: „Assignats, mandats «^ J bo^^^^^
französische Dukaten, bei denen man nur 95 an lüu verliert.
0 Vgl. die manches Wahre enthaltende 3. Anmerkung
Daniels a. a. 0. III, S. 216. Prosaisten II, S. 479 und 484.
») H. Freimut h, Aachens Dichter ^^ . ^ache, Paris 1799, 20 S.
^) Wörterhuch der französischen ^^''J^''^ Erschienen zu sein.
Diese Flugschrift scheint in unsem ^'^^^"^^^j^ykanische Kassen; sie wurden
*) Bons waren Geldanweisungen auf r^P^^^^^ ausgestellt, aher oft gar
gewöhnlich nach der Leistung von Kriegsu ^^ahlt.
nicht, oft nur mit fast werthlosen Assi^**
ann-
Beiträge zur beschichte der &rafeii von Jülich.
Von W. Graf von Mirbach.
Vorbemerkung.
Graf Wilhelm von Mirbach-Harff, gestorben auf Schloss
HarfiF am 19. Juni 1882, gehörte zu den Begründern des
Aachener Geschichtsvereins und bereicherte dessen Zeitschrift
durch eine Reihe gediegener Beiträge. Seiner gemeinnützigen
und wissenschaftlichen Thätigkeit hat der damalige Präsident
des Vereins, A. von Reumont, in der Generalversammlung vom
4. September 1882 warme Worte gerechter Anerkennung gespen-
det ^ Als die Aufgabe seines fast ausschliesslich dem Studium
der rheinischen Geschichte gewidmeten, zu früh vollendeten
Lebens betrachtete Graf Mirbach eine genaue Darstellung der
Geschichte der Grafen von Jülich. Jahre lang hat er den Stoff
zu einem solchen Werk gesammelt, die bereits bekannten Quellen
durch emsige archivalische Forschung zu mehren gesucht. Alle
Arbeiten, die er veröffentlichte, sind im Zusammenhang mit
dieser Aufgabe gedacht und entstanden. Das Werk zu voll-
bringen, ist ihm nicht beschieden gewesen. Nur ein vielfach
umgearbeiteter und verbesserter Entwurf hat sich in seinem
Nachlass gefunden, neben diesem eine grössere Zahl von
Abhandlungen aus der Geschichte der Jülicher Grafen im
13. und 14. Jahrhundert, welche als Ausarbeitungen einzelner
Theile des beabsichtigten Buches angesehen werden können.
Auch ihnen fehlt jedoch, ausser dem Innern Zusammenhang, wie
eine genauere Prüfung bald ergab, die abschliessende Redaktion
und somit die endgültige Gestalt, denn an zahlreichen Stellen
wird auf früher Gesagtes, aber nicht Vorhandenes Bezug
genommen, für Namen von Personen und Oertlichkeiten, wie fllr
*) Vgl. Zeitschrift dea Aachener Geschichtsvereins IV, S. 365.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 99
Zeitangaben ist nicht selten, für nachzutragende Beweisstellen
sogar sehr häufig Raum gelassen, der nicht ausgefüllt wurde.
Von dem berechtigten Wunsche geleitet, diese immerhin doch
der Vollendung nahe gekommenen Ergebnisse gewissenhafter
Forschung nicht der Vergessenheit anheimfallen zu sehen, stellte
der Bruder und Rechtsnachfolger des Verfassers, Graf Ernst
von Mlrbach-HarfiF, dessen literarischen Nachlass dem Aachener
Geschichtsverein zur Verfügung. Der Verein hat in dankbarer
Anerkennung der Verdienste, die der Verstorbene sich um die
Geschichte seines Gebiets erworben, und in gerechter Würdigung
der Vorzüge der hinterlassenen Arbeiten deren Veröffentlichung
gern übernommen. Ermöglicht wurde der Abdruck freilich
nur durch das grosse Entgegenkommen des Herrn Stadtarchivar
Richard Pick, der sich bereitwilligst der schweren und müh-
samen Aufgabe unterzogen hat, die zu der jetzt leider noth-
wendig gewordenen Art der Veröffentlichung in getrennten
Stücken nicht bestimmten, vielmehr als Abschnitte eines um-
fassenden Werkes angelegten Abhandlungen abzurunden und
abzuschliessen, eine passende Reihenfolge herzustellen, die Ver-
weisungen auf nicht Vorhandenes auszumerzen oder durch Kin-
schiebungen zu ersetzen, die oben näher bezeichneten Lücken
auszufüllen. Dank seiner selbstlosen Thätigkeit ist es möglich,
eine Reihe von etwa zwanzig Abhandlungen verschiedenen Um-
fangs als Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich in
diesem Bande und den nächsten Bänden der Zeitschrift zu
veröffentlichen und die Früchte der langjährigen Arbeit eines
fleissigen, sachkundigen und sorgfältigen Forschers zum Gemem-
gut zu machen.
Durch einen tüchtigen und gewandten ^^'^^''^^^'^j^^^^
Name zu ermitteln noch nicht gelungen ist, hat Gra i
von Mirbach über ein Dutzend älterer JüUchscher ^^^«^ J^^^
zwei Denkmäler, die auf Angehörige des Jülichschen Geschlecu^
Bezug haben, nach den Originalen für die Wied^ga^^^ dar h
den Holzschnitt abbilden lassen. Die für den Sclmtt tutig
gestellten Holzstöcke haben sich im Nachlass gefun^^^^^ Au< i
diese schönen Arbeiten sind dem Verein mit dank.a.w.MJai
Freigebigkeit durch Graf Ernst von Mirbadi ^ui \uiu,.u,
gestellt worden. Die der vierten AbhandlunK U.k^.-.m
Abbildung gibt eine Vorstellung von ihrem .a.l.i.:!., .m
künstlerischen Werth. Der Verein hofft, w.inK^U .. ..... n..'
*♦
100 W. Graf von Mirbach
der übrigen Zeichnungen den später zu veröffentlichenden Ab-
handlungen beigeben zu können. u. Loersch,
I. Wilhelm IV. von Jülich als Wohlthäter von Kirchen
und Klöstern.
Nach dem Tode des Grafen Wilhelm III. von Jülich, welcher
zu Anfang des Jahres 1219 ^ der im Kreuzheer ausgebrochenen
Seuche fem der Heimath, in Egypten, erlag, gelangte sein
minderjähriger Sohn Wilhelm IV., zunächst unter der Vormund-
schaft seiner mütterlichen Verwandten, zur Regierung. Zeigt
uns die Geschichte diesen letztem während seiner langen Herr-
schaft (er regierte bis zum Jahre 1278) als einen mächtigen
Parteigänger und tapfem Krieger, der besonders in Kämpfen
mit der Geistlichkeit fast sein ganzes Leben zubrachte, so sehen
wir ihn doch auch vielfach an friedlichen Geschäften theilnehmen
und namentlich erscheint er nicht selten als milder Wohlthäter
von Kirchen und Klöstern.
Kaum zu reifern Jahren gelangt, bestätigt er 1225 die
Schenkung der Kirchen zu Nideggen und Siersdorf, sowie der
zum Berg Berinstein ^ gehörigen ehemaligen Reiclisgüter an den
deutschen Orden, die einst sein Vater „existens in partibus
transmarinis** gemacht hatte, und fügt die Bedingung hinzu,
dass diese Güter unveräusserlich sein sollen ^. Der Orden kann
die Pfarreien durch seine Mitglieder besetzen, welche aber, wie
andere Plebane, unter dem Landdechanten und dem Erzbischof
stehen. So war die Grundlage zur spätem Kommeride Siersdorf
gelegt, die der Landkomthurei Altenbiesen untergeordnet wurde.
Die Kirche zu Nideggen gelangte aber schon um 1270, jeden-
falls mit Zustimmung des Grafen, an den Orden des h. Johann
von Jerusalem; die deutschen Herren haben in Nideggen
') Vgl. Lacomblet, Urkundenbuch II, Nr. 82, S. 46, Anm. 1.
*) lieber die Lage des Berinstein gehen die Ansichten auseinander.
Einige verlegen ihn nach Bergstein bei Nideggen, Andere nach Aachen.
Filr die letztere Annahme spricht, abgesehen von sonstigen Orttnden, ent-
schieden der Umstand, dass der Berg fast tiberaU, wo von ihm die Rede
ist, in Verbindung mit Aachen genannt wird. Sehr wahrscheinlich ist es
die jetzt zum grossen Theil abgetragene Höhe zwischen Jakobs- und Vaelser-
strasse, welche auch Meyers handschriftliche Aufzeichnungen um 1780 (Stadt-
archiv zu Aachen) ausdrttcklich als Berinstein bezeichnen.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 132.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von JlÜich. 101
nie eine Kommende gehabt. Erst die Johanniter errichteten
eine solche unter einem Prior oder Kommendator.
Im folgenden Jahre 1226 nimmt der Graf, „wissend, dass er
nicht umsonst das Schwert des Schutzes ererbt habe", alle Güter
des Klosters Ophoven, die in seinem Lande liegen, in seinen Schirm
und genehmigt die Schenkung, welche Ritter Gerhard von Brachel
gemacht hatte. Dieser hatte nämlich sein Lehngut zu Berg
dem Kloster zugewandt ; ob darunter vielleicht Berg bei Brachein
zn verstehen ist, weiss ich nicht. Als Zeugen sind bei dem
Akte gegenwärtig die Jülichschen Ministerialen Adolf von Essen,
Vogt zu Jülich, und sein Sohn, der Droste Silmann und sein
SohnKuno, Edmund von Brachel, Adam, Heinrich Buflf, R.Schilling,
Ulrich von Marken (Merken?) und Balduin^
In demselben Jahre erlaubt Graf Wilhelm zu Pier unter Beirath
seines Oheims, des Herzogs von Limburg, und seiner vorzüglichsten
Ministerialen dem Edelherrn Heinrich von Zier (Niederzier), sein
Lehngut zu Hemmerden dem Neusser Bürger Dietrich dem Langen
zu verkaufen*. Ausser schon oben angeführten Ministerialen und
Vasallen nennt die Urkunde Adolf Sneda, Arnold von (iymnicli,
Christian den Schenken (von Nideggen), Winrich von Distcrnirli,
Bertram Wale, Johann des Burggrafen Sohn, Arnold, Gerhard,
Lambert und Wilhelm von Buchsdorf; Hermann von Brügge,
Gottschalk Verken von Jülich und Wilhelm von Aldenhoven.
Als Zeuge erscheint auch der Propst von St. Gereon zu Köln,
der vielleicht dabei Rechte seines Stifts zu vertreten hatte.
Diesem Stift sichert der Graf zu Köln am 9. Dezember 1227 auf
Kath seines Drosten Silmann gegen eine feste Jahresabgabc von
5 Mark sonstige Schutz- und Dienstfreiheit für den Hof Wissers-
heim zu^ Unter den Zeugen befindet sich auch Winegoz von
Holtrop. Dieses Gut lag in der Grafschaft Nörvenich.
Das Aachener Adalbertsstift hatte sich 1228 mit Klagen wider
den Grafen Wilhelm an König Heinrich gewandt, welcher am 2.i.
April zu Wetzlar erklärt, dass er dasselbe in seinen besond.rn
Schutz genonunen und den Grafen durch den Dechanten d..
Marienstifts zu Aachen imd den dortigen \ ogt aufgd.id.ri
habe, die Bedrückungen seines Schenken und DrosU.i dn. .
Baesweiler gegenüber abzustellen; ^er ein IUmM ^n iUi, Hof
0 Lacomblet a. a. 0. IV, Nr. 652.
*) Chart von Eppinghoven Nr. 7.
^ Lacomblet a. a. 0. IV, Nr. 6r>3.
102 W. Graf von Mirbach
ZU haben glaube, solle dies vor den Kanonichen von St. Adalbert
beweisen ^
Am 1. Oktober 1231 schenken Graf Wilhelm und sein
Brudef Walram dem Kloster Dünwald den Rottzehnten von
18 Morgen Land bei Garsdorf ^ zum Seelenheil ihres Vaters,
jedoch unter der Bedingung, dass ihr Recht auf diesen Zehnten
in Bezug auf andere dortige Grundstücke weiter nicht ange-
fochten werde. Am 23. September 1232 übergaben beide Brüder
zu Nideggen dem deutschen Hause (in Siersdorf) 1^2 Fuder
Weinrente von ihrem Allodialgüt Bürvenich^. Ausser einigen
schon genannten Ministerialen kommen hier als Zeugen der
Burggraf Wilhelm, der jetzige Droste Everhard, Winand von
Gürzenich, Gottfried von Ulenbusch vor.
Das Kloster zu Bürvenich soll ebenfalls vom Jülichschen
Hause gestiftet worden sein, wie Einige wollen, durch zwei
unvermählt gebliebene Grafentöchter, welche ihren Wohnsitz zu
einem Cisterzienserkloster bestimmten, nach Andern durch eine
Elisabeth von Jülich im 12. Jahrhundert. Gewöhnlich wird
aber angenommen, Wilhelm IV. mit seiner Mutter und seinem
Bruder seien 1234 die Begründer gewesen. Auch dieses ist
nicht ganz richtig und liegt vielleicht nur die Thatsache zu
Grunde, dass im April 1234 Graf Wilhelm mit Bewilligung
seiner Mutter und seines Oheims dem schon bestehenden Kloster
das Grundstück, worauf es erbaut worden, sammt der Pfarr-
kirche und den zugehörigen gräflichen AUodialgütern geschenkt
hat*. Da das Gotteshaus auf dem Boden des Grafen erbaut
wurde, so kann das allerdings wohl nicht ohne Erlaubniss
geschehen sein und Graf Wilhelm ist demnach jedenfalls als
Mitstifter zu betrachten. Nur ist das Kloster vor 1234 erbaut
worden. Während noch 1166 ein Dietrich von Bürvenich unter
den Edelherren erscheint^, gehörte der Ort nachher, schon in
den Zeiten Wilhelms 11., zu dem Pellenz-Gericht ausserhalb
Zülpich, und Johann und Gottschalk von Bürvenich kommen
als Ministerialen der Gräfin Alveradis vor, die ja Erbgüter
*) Kremer, Akademische Beiträge III, S. 159. Die Urkunde ohne
Jahreszahl gehört wohl sicher ins Jahr 1228.
•) Lacomblet a. a. 0. 11, Nr. 172.
•) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 186.
*) Lacomblet a. a. 0. n, Nr. 196.
») Ebendas. I, Nr. 420.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 103
zwischen Eppenich und Bürvenich besass^ Die Vasallen und
Ministerialen von Jülich, welche bei der Schenkung von 1234
anwesend waren, sind, ausser einigen schon frülier genannten,
Heinrich von Dann, Emil von Au (Burgau), Werner von Weis-
weiler, Wirich von Kinzweiler, Friedrich der Droste. Graf
Wilhelm hat in demselben Jahre der Abtei Knechtsteden gestattet,
ihre allodialen Waldungen, soweit sie in seinem Gebiet lagen,
zu roden, indem er auf den Novalzehnten Verzicht leistet^.
Zeugen sind unter Andern Dietrich der Droste (von Bergheim ?),
Hermann von Boslar, Tilmann von Jülich, Wirich von Disternich
und der gräfliche Notar Johann. Als Wilhelms Bruder Walram
nachher Herr zu Bergheim geworden, hat derselbe seinerseits
1256 die Bewilligung genehmigt.
Graf Wilhelm IV. hat sich auch der Abtei Brauweiler
gnädig erwiesen und ihr im November 1236 für das Seelenheil
seines Vaters Wilhelm von Hengebach und dessen Oheim Wilhelm
des Grossen von Jülich den Rottzehnten im Walde Asp über-
lassen*. Zeugen sind dabei unter Andern des Grafen Brüder
Walram und Theoderich, Arnold von Diest, Wirich der Droste
von Disternich, Gottfried Spies, Johann von Pier, Rütger Vogt
zu Poulheim. Die Rottzehnten waren im 13. Jahrhundert Gegen-
stand langen Streits zwischen den Territorialherren und den
geistlichen Grundherren. Die Erzbischöfe zu Köbi sprachen
sich dieselben als Nachfolger der Herzoge von Ripuarien in den
ehemaligen fränkischen Bannforsten zu, die Landesherren als
Vögte geistlicher Besitzungen beanspnichten die Rottzehnten,
vielleicht weil sie meist Vorsitzende des etwa zugehörigen Wald-
gedings und Mitjagdherren waren, die Rodungen selbst ihnen
also nicht immer dienten. Lacomblet meint, die Landesherren
hätten durch Rodung von Wäldern in Bezug auf die Schätzung
Schaden erlitten und sich deshalb an den Rottzehnten erholt,
aber das scheint mir nicht richtig, denn je mehr Land für den
Pflug gewonnen wurde, um so grösser wurde doch damals der
Wohlstand, desto mehr Ansiedler kamen, und desto mehr Schatz
war zu erheben. Die Abtei Brauweiler speziell besass seit ihrer
Stiftung die Wälder Widenhau, Hanepütz, Asp und Brahm, die
ehemals königlich und pfalzgräflich gewesen. Die Erzbischöfe
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 24, Anm.
«) Ebendas. II, Nr. 197.
') Ebendas. n, Nr. 209.
104 W. Graf von Mirbach
von Köln sowohl als die Grafen von Jülich nahmen dort die
Rottzehnten in Anspruch. Es scheint wohl, dass im 13. Jahr-
hundert das Jülichsche Haus entweder die Vogtei liber
Brauweiler oder doch über bedeutende Güter dieser Abtei
hatte. In der Folge aber ist die Landesherrlichkeit dort kur-
kölnisch. Den Rottzehnten in Brahm tiberliess Erzbischof
Konrad von Köln dem Kloster, Walram von Jülich zu Bergheim
protestirte dagegen und machte nun seinerseits 1246 an Brau-
weiler dieselbe Konzession, die der Erzbischof mitbesiegelte.
Walram liess sie sich aber mit 57 Mark bezahlen^ und ver-
zichtete auch auf den Rottzehnten in Hanepütz. Noch 1260
musste die Abtei der Jülichschen Familie 150 Mark Kölnischer
Denare zahlen, um deren Verzicht auf die Rottzehnten in allen
ihren Waldungen zu erlangen. Nicht nur Walram und seine
Gattin, sondern auch Graf Wilhelm nebst Frau und Kindern,
sämmtlich, wie sie sagen, durch Erbschaft an den Zehnten
berechtigt, schliessen dies Geschäft ab. Zeugen sind Harper
Edelherr von Frenz, Caesarius der Kaplan, Reinhard von
Hobusch (Hompesch?) der Droste, Hermann von Winden, Gott-
fried von Kurmen, Heinrich von Gersdorf, wahrscheinlich lauter
Vasallen des Jülichschen Hauses*. Im Jahre 1265 bat Abt
Heinrich von Brauweiler den Grafen, er möge doch den Wald
Bylke nicht roden lassen^. War das etwa der Busch, welcher
zu einem Jülichschen Vogthof gehörte ? In späterer Zeit stehen
die Jülicher in keiner Verbindung mit Brauweiler mehr, nur
wegen eines Zehnten bei Oberaussem war im Jahre 1297 Zwist;
es wird wohl mehr eine Grenzstreitigkeit gewesen sein, in welcher
das Kloster obsiegte^. Nicht nur mit Brauweiler erhoben sich
Anstände in Bezug auf die Rottzehnten. Am 2. Februar 1288
bekundet Gräfin Rikarda als Wittwe, wie einst Wilhelm IV.,
ihr Gemahl, und Wilhelm, ihr ältester Sohn, dem deutschen
Haus zu Köln den Rottzehnten von 20 Morgen bei dem Ordens-
gut ten Berken überlassend Spätere Urkunden ergeben, dass
dieses Gut, wie auch Lacomblet vermuthete, wirklich der Birkhof
0 Lacomblet a. a. 0. 11, Nr. 261, 299.
^ Ebendas. 11, Nr. 500.
*) Vgl. Annalen des bist. Vereins f. d. Niederrhein XVn, S. 170.
*) Vgl. L acomblet a. a. 0. n, Nr. 209, Anm.
*) Staatsarchiv zu Düsseldorf (wird in . der Folge mit A. D. citirt),
Kommende Köln 71.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 105
bei Ltittenglehn ist. Damals war er wohl unter Jülichscher
Vogtei wegen der Herrschaft Liedberg.
Im Jahre 1237 hat der Graf dem Kloster auf dem Salvator-
berg bei Aachen für den Hof Schieiden Beholzungsrecht im
Ardennenwald verliehen, soweit dieser zu seiner Jurisdiktion,
Wildbann (der Grafschaft Molbach) genannt, gehörig war, und
dabei auf Steuern, Abgabe und Maihude zu Gunsten des Hofes
verzichtete Im Jahre 1238 wurden durch den Grafen die
Verhältnisse eines andern Waldes geordnet. Vermuthlich ist der
Heirathspfennig der Gräfin Mathilde, der Gemahlin Wilhelms DI.,
auf die Vogtei Conzen hypothezirt und lange nicht ausgezahlt
worden. Mathilde mag um 1237 gestorben sein und nun ver-
tnig sich ihr Sohn Wilhelm mit dem Oheim Walram von Limburg
über das Erbe zu Conzen, das, wie Redinghoven sagt, von
Mathildens und Walrams Mutter Kunigunde herkam, am 19.
Februar 1238^. Walram bekundet, dass Graf Wilhelm ihm
seine Vogtei Conzen erblich abgetreten, sich aber sein Recht
als Waldgraf (von Molbach) und eine Jahresrente von 6 Mark
aus dem Hofe daselbst vorbehalten habe. Unter den Zeugen
auf Seite Wilhelms sind der Marschall Gottfried und andere
Vasallen. Am 20. Februar des Jahres ^ wurde wegen der oben
erwähnten Waldrechte eine besondere Vereinbarung getroffen.
Graf Wilhelm und alle Einwohner von Nideggen behalten Holz-
recht im Conzener Walde für den eigenen Bedarf zum Bauen
und Brennen. Dann hat der Graf als Waldgraf auch Rechte
an dem Hof Conzen, welche der Forstmeister zu Lehn trägt.
Alle Gefalle am Forstgericht, Holzding, dort kommen ihm zu
einem Drittel zu und der Hof muss dem Waldgrafen 20 Förster,
ebensoviele Hufen imd 4 Forstknechte stellen, auch hat er den
Kirchenruf in Conzen. Unter dem alten Grafen von Jülich und
dem Herzog Heinrich von Limburg (f 1221) war ausgemacht
worden, dass die Hofesleute gegen eine Abgabe von 3 Mark
wegen infractio banni nicht weiter belästigt werden sollen.
Dies soll auch fortan so bleiben. Dann hatten Herzog Walram
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 69. Die Urkunde gehört nicht ins Jahr
1217, schon das Siegel Wilhelms IV., welches daran hängt, beweist dies,
zudem sind aus der Jahreszahl augenscheinlich zwei X wegradirt und ist
dort zwischen MCC und XVII jetzt eine Lücke.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 224.
') Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 225; es ist natürlich nicht 1237,
sondern 123^*.
106 W. Graf von Mirbach
und der Vater des Grafen Wilhelm sich dahin geeinigt, dass
der Busch Wisserscheid zum niedern Wald (Molbach ?) gehören
solle, dabei soll er auch bleiben. Der Hof Blens stellt dem
Waldgrafen einen Förster und eine Hufe. Auf dem Hof
Bütgenbach hält der Forstmeister drei Gedinge im Jahr; von
jedem Hause daselbst hat der Waldgraf jährlich einen Kölner
oder einen Metzer Denar, je nachdem sie auf der linken oder
rechten Seite der Walke liegen, und von den Brüchten den
dritten Theil. Der Waldgraf muss aber den Höfen Conzen,
Aachen und Düren die Roer freien von der Quelle bis da, wo
sie in die Maas fallt, damit die Fische ungehindert aufsteigen
können. Bei dieser Vereinbarung waren Zeugen der Abt Florenz
von Kornelimünster, Philipp Herr zu Wildenberg, Wilhelm von
Frenz, Heinrich von Dann, Wilhelm der Vogt von Aachen,
Gerhard Melkop der Forstmeister und mehrere Jülichsche
Ministerialen. Weitere Abmachungen und Weisthümer über
die Waldgrafschaft werden wir noch erwähnen. Der hier
genannte Walram von Limburg ist Stammvater der Herren zu
Montjoie und Valkenburg, welche in der Folge auch in dem
obem Walde die Mühle zu Eicherscheid von den Grafen zu
Jülich in Erbpacht nahmen, der hier keine Erwähnung geschieht.
Die Jtilichschen Gebrüder beauftragen am 7. Juli 1239 den
Vasallen Reinhard von Drove, in ihrem Namen den Verzicht der
Erben Gerhards von Köln auf die Vogtei Mondorf zu Gunsten
des Apostelstifts entgegenzunehmend In undatirter Urkunde*
erlaubt Graf Wilhelm um 1240, dass der Ritter Wilhelm von
der Stesse, sein Ministeriale, die Lehen in Auenheim dem Kloster
Camp verkaufe, nachdem er füi' den Verlust des Vasallenguts
entschädigt ist. Arnold von Gymnich, Johann Vogt zu Güsten,
Wilhelm, Sohn des Vogts von Jülich, und Andere sind Zeugen.
Im Juli 1240 verstattet der Graf dem Stift Maria im
Kapitol zu Köln den Zehnten bei der Livenmühle rechts vom
Wege zwischen Köln und Mülheim in Bezug auf die neue
Rottung von 72 Morgen, die der Bürger ApoUonius dort auf
seinem stiftlichen Leibgewinngut gemacht hatte ^ Graf Wilhelm
und sein Bruder Walram sind im Oktober 1244 bei der Aus-
einandersetzung zwischen den Herren Gerhard und Arnold von
0 Lacomblet a. a. 0. U, Nr. 241.
*) A. D. Camp. Die Urkunde war 1874 noch nicht mit einer Nr. versehen.
') A. D. Maria im Kapitol Nr. 6.
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'i A- D. K.;;Ar tvs Ht:tt>WT>r K. ti, Nr. uv<
'» LÄComblet a. m. 0, 11, Nr. i^liJ,
*) Kremer, Akademische B^Mtrt^rt^ U\, Nr. *^^^
*) Ennen und Eckert i, Quellen IK Nr, ä\>H, l vkwwd^^ ^O^Ut^ l^UMs^
•) Ennen und Eekerti ä, ä, K\ U, Nr aSiJ,
0 Bondam, Chart^rboek p» 48?*.
•) Ernst, Histoire du Limburg IV, p, 3a7i Kivlnuv, M\\\ I, 8 ü,>
108 W. Graf von Mirbach
Im Jahre 1253 ist unter den Bürgen des Grafen Dietrich
von Bar gegenüber dem Herzog von Brabant wegen 8000 Mark
Kölnisch auch der Graf von Jülich genannt*, der ebenfalls am
10. März 1254 mit seinem Bruder bei dem Vertrag zwischen
der Frau zu Montjoie und dem Grafen von Luxemburg wegen
des Schlosses Marville gegenwärtig war*. Als Vogt von
Holzweiler bekundet Wilhelm am 14. August 1254 zu Zier,
dass sein Dienstmann, Ritter Rütger von Eiminderode (Immerath)
genannt Kauel, und seine Frau alle ihre Gebäude, welche auf
dem Grund und Boden des Frohnhofs in Holzweiler standen,
für ihren Todesfall dem Stift Essen unter der Bedingung zuge-
wandt, dass sie, so lange die Äbtissin Bertha lebe, das Meier-
amt des Hofs behalten^.
Graf Wilhelm hat im Mai 1255 einen seiner Eigenleute
der Kölner Domkirche als wachszinsflichtig übergeben*; es ist
dies eines der spätesten Beispiele in hiesiger Gegend. Am
20. März 1258 besiegelt und garantirt er zu Löwen einen
Vertrag zwischen Brabant und Limburg ^
Im Winter 1258/59 ist der Graf vielfach in Köln, wo er
zwei Häuser (Donau und zum Thurm) von seinen Vorfahren
ererbt hatte, im Jahre 1272 ein drittes auf der Hohestrasse,
später Haus Jülich (Nr. 111) genannt, kaufte und es neu auf-
baute. Nach seinem Tode hatte Rikarda die Leibzucht daran ^.
Am 2. Februar 1259 ist er als Zeuge zugegen gewesen, da
das Kölner Domkapitel das Schultheissenamt zu Kirchherten
(in der Herrschaft Caster) der Wittwe und dem Sohn des
Ritters Gottfried Spies verlieh. Der Briefe sagt noch aus-
drücklich, dass das Kapitel den Schaden nicht verantworten
will, den etwa der Graf und die Seinigen dem Hof und den
Schultheissen thun möchten! Im Jahre 1258/59 ist Wilhelm auch
*) A. diMiranda, Ein Ftirstenleben S. 65, Anm. 4 a^s dem Chart, von
Brabant I, f. 97.
') Publications de la soc. pour la recherche et la conservation des mon.
bist, dans le Grand-Duch6 de Luxembourg XV, p. 68.
') A. D. Essen Nr. 38. Bertha lebte noch 1262. Die Urkunde hat das
Siegel des Grafen, das Keiflfenberg abgebildet hat. Umschrift: S. Wilh.
com. Juliac. et nemoris.
*) Ennen und Eckertz, Quellen II, Nr. 351.
^) Ernst, Hist. du Limbourg VI, p. 254.
ö) Fahne I, S. 210.
0 Lacomblet, Urkundenbuch II, Nr. 460.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jillich. 109
gegenwärtig bei der Zuwendung der Jutta von ReiflFerscheid an
Gerhard von Kempenich* und am 2. September 1259 zu
Köln bei dem Schiedsspruch zwischen den Grafen von Nassau
imd von Sayn wegen des Wildbanns in der Herrschaft Freus-
berg*. Am 14. November 1259 tritt er nebst dem Erzbischof von
Köln, dem Bischof von Utrecht, der Stadt Köln, den Grafen
von Berg, Geldern, Cleve und Sayn dem Landfrieden bei^.
Nachdem um diese Zeit von Seiten des Rellinghausener
Frohnhofs zu Froitzheim vielfache Klage gegen den dortigen
Schultheissen, Christian den Schenken von Nideggen, erhoben
worden, begab sich der (^raf als Vogt am 15. Juli 1260 in
Begleitung seiner Dienstmannen Winrich von Frangenheim und
Hermann von Distemich nach Froitzheim und liess auf dem Hof
neben der Kirche die Schöffen ihr Weisthum aussprechen über
die Rechte der Grundherrin und der Hofesleute, sowie nament-
lich über die Verpflichtungen des Schultheissen in Bezug auf
das Geleit der Pröpstin*.
Auf Bitte seines Vetters, des Herzogs von Limburg, als
Lehnsherrn der Vogtei Burtscheid weist der Graf im September
1261 das zwischen dem Kloster und dem Untervogt streitig
gewesene Recht des letztern ^ Diese Angelegenheit machte
auch den spätem Grafen noch zu schaffen.
Am 11. November 1264 genehmigen Erzbischof Engelbert II.
von Köln und der Graf Wilhelm als Mitherr zu Zülpich eine
Schenkung, welche der dortige Bürger Nikolaus dem Kloster
Füssenich gemacht hatte ®. Wilhelm bedachte auch am 20. März
1 265 die Stiftung seines Vaters in Siersdorf, woselbst die Brüder
des deutschen Ordens 3 Morgen bei ihrem Hof erhalten, welche
seit Alters die Benden hiessen; er erhielt dafür 3 Morgen bei
Widstock, welche dem Orden als Allodium zuständig gewesen '.
Jedenfalls lag doch dieses Widstock im Lande Jülich, ich vermag
den Ort aber nicht nachzuweisen. In demselben Jahre hat der
Graf den Verzicht des Gerhard von Luxemburg und Durbuy
^) Eltesterund Goerz, Mittelrh. Urkundenbuch III, Nr. 1473 und Anm.
») Ebendas. III, Nr. 1496; Philipp!, Siogener Urkundenbuch I, Nr. 28.
^) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 478.
*) Ebenda». II, Nr. 494.
*) Ebendas. IT, Nr. 506.
0) A. D. Füssenich Nr. 9.
^) Hennen, Urkundenbuch des deutschen Ordens II, Nr. 175.
110 W. Graf von Mirbach
auf die Grafschaft Namur zu Gunsten des Grafen von Flandern
mit seinem Siegel bekräftigt*, und ebenso 1267 den Vergleich
zwischen der Familie von Limburg an der Lahn und den Herren
von Blankenheim in Betreff der Güter, welche die Gräfin Agnes
von Blieskastel hinterlassen hatte*.
Aus dem Jahre 1266 erfahren wir, dass Jutta von Mohtjoie
dem Grafen Geld schuldete; nachdem sie aber ihrem Oheim,
dem Grafen von Luxemburg, ihre Leibzucht an Marville abge-
treten, musste dieser auch die Forderungen des Bischofs von
Lüttich, des Grafen von Jülich und des Herrn Seger von Bour-
scheidt im Gesammtbetrag von 400 Pfund übernehmend
Am 24. April 1269 ward dem Grafen Wilhelm eine Ent-
scheidung in der Streitsache zwischen Konrad von Schieiden
und der Abtei Steinfeld übertragen*, er fällte den Spruch zu
Gunsten letzterer am 24. März 1270 ^ Am 12. Januar 1270
bekunden er als Vogt und der Abt zu Kornelimünster, dass die
Ritterschaft und die Gemeinde des Ländchens von Kornelimünster
in dem Walde, der „das Gehölz*' hiess, dem Ritter Arnold von
Frankenburg Gerechtigkeit verliehen. Der Graf weist demselben
deshalb gewisse Bäume an^
Unter den Garanten des Friedenschlusses vom 29. August
1270 zwischen dem Herzog von Brabant und Herrn Friedrich
von Reifferscheid befindet sich auch der Graf von Jülich ', ebenso
als Zeuge bei dem Verkauf der Güter zu Trechtingshausen,
welche Graf Heinrich von Kessel Schulden halber dem Kloster
Eberbach am 22. Juli 1271 überlassen hat \ Dem Kloster Füssenich
gegenüber erklärten Wilhelm und seine Gattin im Jahre 1272, dass
sie kein Recht auf das Patronat der Kirche zu Bettenhoven
hätten ^ Der Graf hatte übrigens einen Hof in dem Orte.
Am 19. Oktober 1274 verleiht er von Köln aus dem Kom-
thur und den Brüdern zu Siersdorf Freiheit von Zoll und Burgeld
') Beiffenberg, Monumentä pour servir k Thistoire de Namnr I, p. 3.
•) Barsch, Eiflia illustrata I, 1, S. 240.
') Pablications de la soci^t^ poor la recherche et la conservation des
mon. hist dans le Grand-Dnch^ de Loxembonrg XV, p. 102.
<) Annalen des bist Vereins f. d. Niederrbein XXTTT, S. 178.
^ Lacomblet a. a. 0. IV, Nr. 671.
•) Qu ix, Gescbicbte des Karmeliten-Klosters zu Aacben S. 121.
0 Butkens, Tropb^es I, preuv. p. 104.
«) Picks Monatsscbrift n, S. 204.
•) Kremer a. a. 0. in, Nr. 115; Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 60, Aum.
Bwmii^ aa ■Ttiwmiiwe It-r-imitu '.''u 'mKo.
4 *
for all ihr Weinirwäi-hif im nüiciiwr Laiui hxii iwlua ^i\ulK;Ka
ZoUstatteiu wrbeliaitiicu «Ihs^ W-^eK^ltlts Sit^i-Mluri' liu'-U' -.a
jener Zeit unter Anilenn 4 MorirtfOi WeiabeiH tx'i /uJpich uüJ
Weingarten bei Vebina. Wi'Jit.Min^ :x»hii hat, aK^^v^ ItKuJi.k
am 2. Februar liiOS hestaciiCt;. Pie KoauucttUv^ Sici>»Juit w^ü
damals nicht eben bes^)üder> rvich dotitt, h.UU^ aWv ciuvu H'»!
zu Aldenhoren mit 17 il<)r<reu AckerUml Im .»ubiv \ li:i
miisste derselbe verkauft werden; mau l^^k»m i\\\' vUuk M».a<v\u
4V« Mark Kölnischen Pa^aments, also 17, U> M4ik .iv^U.iiivvv
Reichswährung an Silberwerth! l>t^r haudkiMuUuu* Uinlmv^ \^^\\
Looz, welcher den Hof ankaulto, wollto tlauül m^ {i\\\\M\t,\^i\\\\'\\s^
zu Aachen dotiren. Damals konnuou ViM» OnltMiöltriMliMii ^w hir.u
dorf vor: Gerhard von Runcheit, Kointhur, TiliimuM, IM.mmh *^m
Siersdorf, Johann von HeinHborK, l*ri<'HhM', WoIhrtiM v«»M MhIkmIm^iu*
(Mehlem), Reiner von Milien, A^k'^Hm« vmii KiilhiM, ImImmm» -mm
Eynenburg, Arnold von N*»u<;iirod<% (inrliitnl vom M»>nMit/l»^M ' Im*
Jahre 1290 sind die Brüder IMurkU vom Wwf^l^o 'mi/I A#M'.h»
von Bongart, die Prit-Mirr H^'nunttu mm^I JhU^thn y^-hnufA
Komthnre war^^n I2T0 0'/**fri'''J ^oo '\*h*)th^.th t/'ih ^.A'f.M*
von WeweIiL2^:- v*-:,. j ;>/ //; •,',;j,"j v',t^ </ ,v .v * < / / ^ '> "•'• -^'"'
von KerkeiL, j',.>y ^'^%, -^ ,ä- -^-^ - '.
Am ^» N '^'**u '»»"f , iTTT '^*'/ ** /' * '/ ** * ^' '*' ^^ ^^ **"*■ ' ■'*'••* '' "
rever»' d^ J* n*'!***!»*! * n o»** ^-vi^-^'n*/ /a '/«ut../* c-,/ /^/
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iMfUi*-/* ^•' : ; . -1 . . ' , • - .. .- ' *'.'
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-^Mitfi'
112 W. Graf von Mirbach
Revers mituntersiegelt hat^ Dieser erwirkte seinem Neffen
Wilhelm im Jahre 1226 auch das Privilegium von dem Reiche,
alle Juden, die sich in seinem Lande niederlassen möchten, zu
Lehn zu halten und Tribut von ihnen nach Gefallen zu nehmen *.
Am 9. Dezember 1227 machte der Graf unter Beirath
seines Drosten Silmann, seiner Amtleute und Vasallen zu Köln
im Gereonskloster an demselben Tage, als er die oben (S. 101)
berührte Urkunde für den Hof Wissersheim erliess, eine nicht
unwichtige Erwerbung. Das Stift von St. Gereon betraute ihn
nämlich mit der Vogtei und dem ins gladii in dem Frohnhof zu
Viersen und dem Distrikt und über die ünterthanen dort, wie
es dies alles durch alte kaiserliche Verleihung erlangt hatte.
Graf Wilhelm verspricht das Gut zu schützen, ohne weitere Dienste
und Abgaben zu fordern als nur 15 Mark, welche er jährlich am
St. Andreastag zu beziehen hat, und eine Mark, welche drei-
mal im Jahre bezahlt wird, wenn sein Vogt persönlich oder
durch einen Stellvertreter das ungebotene Gedinge hält. Von
diesem Gericht wurde dann an den Haupthof des Klosters
zu Junkersdorf (im Amt Bergheim) appellirt. Die Jagdgerechtig-
keit bleibt den Grundherren vorbehalten, der Graf wird aber
Wölfe, Füchse und sonstige ünthiere auf Kosten und unter
Beihülfe der ünterthanen kurz zu halten suchen. In kalten
Wintern kamen wohl noch bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts
Wölfe in das Jülicher Land, im Mittelalter müssen sie dort
nicht selten gewesen sein, spielt doch auch der Reineke Voss
der Thierfabel in einem Pfarrhaus des Jülicher Landes dem
Wolf einen argen Streich^! Die Herrlichkeit Viersen bestand aus
8 Hundschaften: Viersen-Hülsdonk, Rintgen, Hammer, Ummer,
Heimer, Beberich, Hoser-Bockert und Rahser*. Möglich, dass
die Herren von Wickrath, Rheydt und Andere in der Folge die
Vogtei Viersen nur als Jülichsche Vasallen inne hatten, 1350
war dieselbe aber Geldrisch.
Am 14. Februar 1234 belehnt Pfalzgraf Otto den Grafen
mit den pfölzischen Lehnsstücken, die dessen Vorfahr schon
an Wilhelm IV. verliehen hatte. Der Vasall muss jetzt aber
») Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 112.
*) Ebendas. II, Nr. 140; darauf läuft doch wohl das disponere de eisdem
hinaus.
») Vers 1451 fS.
*) Schröteler, Die Herrlichkeit und Stadt Viersen, Urk. 9, 12, 22.
Beitrfige zur (resehichte der itrafea voa JiÜiclL li:4
diese Objekte um 2(M) Mark vermehreiu bt^zw. duuh ein UuK
welches 20 Mark eintraf; ab* Sicherheit staud des UvutVu
AUod zu FlüTerich, Bürgen waren Wilhelm, Vo^rt zu Aachen,
und die Julichachen Ministerialen Christian der Si'heuk, Heinrich
Buff und Karsilius K
Zu den Lehnsstacken gehört zunächst die Vogtei Breisig
mit Gonnersdorf, Brohl, beiden Lntziugen und dem Thal vi>u
Rheineck. Ueber die Einkünfte dieser Vogtei im 13. Jahr-
hundert hat sieh eine Aufzeichnung erhalten*. Ausser der
Schätzung hatte der Oewaltherr den dritten Theil der Bröchteu,
aus dem Klosterhof zu Weihnachten und zu Johanni 12 Sester
Weizen, 4 Malter Hafer, 4 Urnen leichten Biers, 1 Ohm Wein,
ein Schwein, 5 Schillinge leichter Pfennige werth, ein audeivs
für 30 Denare und eines für 6, 2 Talente Wachs, 2 Talente
PfeflTer, 10 Hühner, 6 Denare pro lardo ad pullos assandum,
endlich eine neue Schüssel, zu deutsch „Gestulpit*', mit Eiern.
Diese patriarchalischen Verhältnisse werden wohl noch im 13.
Jahrhundert eine Aenderung erfahren haben. Schon Wilhelm IV.
verschreibt um 1250 seinem Vasallen Gerhard von Sinzig jähr-
lich 2 Mark aus den Breisiger Einkünften, welche Rente mit
20 Mark ablösbar sein soll'.
Die Vogtei Wesseling bei Bonn war ein zweites Lehn. Hier
war das französische KlosterMontfaucon (irundherr, um 1320
bildet Wesseling ein kleines Amt, L'nt<?rvogt war damals ein
gewisser Tilmann.
Die Vogtei Vilich, ebenfalls ein LchuHstUck, von den Sieg-
mündungen bis auf das Siebengebirge sich erstreckend, trat
Wilhelms Sohn an Kurköln ab.
Bleibender Jülichscher Besitz war die Vogtei über die
Komelimünstersche Herrschaft Bergheim (BergheimerdorO n»it
beiden Aussem, Glessen, Wiedenfeld, Holtrop, Bohlendorf, Ginster-
hof, Neuenhof, Lappenrath, Fuchsenhof, der Ililirte von Asper-
schlag (früher Asmundislo, Asnumdisheim, auch Asperslo, Aspens-
iegen genannt) und den jetzt verschwundeneu Orten PiinhauscMi
und Curmen. Pfalzgraf P^zzo und seine Familie hatten den
Bezirk inne gehabt und dem Kloster an der Indi^ im .lahre 1028
*) Lacomblet, ürkundenbuch II, Nr. 193.
*) von Ledebur, AUg. Archiv II, 812; Zoitachrift den Bcrginchen
Geschieht« Vereins XII, S. 194.
») Eltester und ^ Vh.ürkundcubu('hIlI,Nr.lü9l, ohne Datum.
8
114 W. Graf von Mirbach
geschenkt, die Vogtei blieb dann im Obereigenthum auch der
spätem Pfalzgrafen.
Die Vogtei Paffendorf lag nahe bei Bergheim, sie umfasste
auch das Dorf Glesch. Hier war das Stift Essen Gnindherr,
welches auch in mehrern andern Dörfern noch Zehntherr war.
Diese Dörfer Zieverich, Berrendorf, Grouven, Brockendorf, Thorr
und Etzweiler gehörten ehedem zur Pfan^ei Paffendorf, ob sie
aber 1234 noch dahin gerichtszwängig waren, kann ich nicht
sagen. Im 15. Jahrhundert gehörten sie ins Amt Bergheim,
Paffendorf aber zu Caster. Die Essenschen Güter lieferten dem
Vogt von Paffendorf jährlich 8 Paar Korn, 6 Summer Gerste,
38 Malter Hafer, 34 Hühner und seit dem 14. Jahrliundert 36
Tumosen an Geld. Zu Ostern und zu Johanni hatten die Amt-
leute beun Vogtgedinge Kost und Pferdefutter, sowie 24 Hüh-
ner. Die Mitfischerei in der Erft war dem Vogt gleichfalls
zuständig ^
Holzweiler war ein besonderes Lehnsstück, gleichfalls
Essensche Vogtei und der Besitz des Stifts datirt von 898 * ;
Immerath, Pesch, Spenrath, Lützerath und Eggerath gehörten
zum Gericht.
Ein siebentes pfalzisches Lehn war die Vogtei über das
Kloster Kornelimünster an der Inde, welches schon unter der
Schutzherrlichkeit des Pfalzgrafen Ezzo gewesen war ^ Ausser
dem Gericht daselbst gehörten noch zu der Vogtei die Herr-
lichkeiten Gressenich, 878 an Kornelimünster geschenkt, und
Niederkastenholz-Kirchheim ^. In der spätem Zeit behauptete
das Kloster dem Lande von Jülich gegenüber seine Keichs-
unmittelbarkeit. Schon 1478 sagt der Abt, dass er dem Herzog
von Jülich die Belehnung mit der Vogtei ertheilt habe, wie
dessen Vorfahren sie ehedem empfangen ^ Li den Lehnbriefen
der Pfalzgrafen bis ins 16. Jahrhundert figurirt aber noch immer
diese Vogtei.
Als Schutzherren der Essenschen Güter in Ripuarien waren
die Pfalzgrafen auch Vögte über die Güter des von Essen aus
*) Vgl. Lacomblet-Harless, Archiv VII, S. 7.
*) Lacomblet, ürkundenbuch I, Nr. 81.
>) Ebendas. I, Nr. 164.
*) A. D. Kornelimünster 26.
*) Chart, von Kornelimünster 82, S. 28.
BnirniiT* rar •j'-r-^fki- hte der Grafen von Jülith. U&
g^rnn«iecen Sofia R-Lliiiirbauson zii Froitzhoiiu und Türuiih,
Diese Vt/ürreien wiirleii gleichfalls den limllni von Jülich uU
Lehen zeireben. Za Fr 'itzheim gehörte FrAiigonhoim, m Tür-
nich Balkhaiweii. Wihr^^nJ die Deszendenten der llt»friöi'hult'
heiäse Toa Frür^fii^im n-ioliher den Fn)hnhof dos Stiftn jKit
aller ♦iereclitiu'fceit Li.iili' h an sich brachten, verpfilndeton diu
Julieher Herren Titrni.h im 14. Jahrhundert an die Untervügto,
Tergaben et* «ipäner :tl> I>hn und s>o entstand uns der Vi^gtui
eine Jalit'h^^fa** rarerherrsHrh ift.
Eia weiteren L^h.irt.-tuck war die Wahl grufsc halt, ciauilatu«
et ins nenuiris, die i«'Ii '^^ea (<. 105 f.) schon erwilhut habe,
Vt)a dea HrtOireiMu ä^MiL-a Lvhcn erhielt UrafWilhidni 1-*M4
nur die Gdter in Zilv x ELiiiivutlich die Marienkirche; iliü
übrigea hatte dt^r m.« a je"»^(ii-? Evvrh.uil von Hengelmch inne,
Xachilem letztef-r ^a.ie .i:.L..\\ le Erlvn gestorben war, ribw
Graf Willit-lni ^,r 11^} L- Lk\-:'^ aw sich.
Die »jriirrir »ler c£*n^*:iui .'. '.rJ um Zillpich bihleton einen
Gmai tu^t f-irrvi.u'-niU'ii •^V':.> rvi-.hvu Kurkidn und Jülich
wältfTfQiI [u»^iir'*r*r ^iA*n.v,\t>.^A, !,?.'..•-':; 'iih im IH. und H,
Die Yrr{i;ilniii:^r*e yi:*\v i/er liiA c..r\ ^trL^ \erwii'kelle und
naeb dem Tnüer ■« .r j*'r*ui:iMi y(AM7\u\ im t^ »urh kaum uio^-
liclu T^ll^wtajl.jT i.:i/ n U*r *^. lit cv s^l^:. Da \:\ der Koli;\>
hier, e'v*.* : t.lK••^^ üi.**i..e*r v.\ M-r*'U.
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116 W. Graf von Mirbach
letztem Gericht^, Floisdorf zum erstem, obschon es etwas
seitwärts nach Enzen zu von der oben gedachten Linie ablag.
Es gehörten auf den Schievelsberg die Dörfer Enzen, Schwerfen,
Wisskiichen, Dürscheven, Linzenich, Lövenich, Merzenich, Uel-
penich, Nemmenich, die nachher das Jülichsche Gericht Enzen
bildeten, ßövenich, Elvenich, Lüssem, Frauenberg, Jrresheini,
Oberwichterich, welche später theils an Kurköln kamen, theils
von Jülich verpföndet wurden. Vielleicht sind den 13 Hund-
schaften auch noch einige Dörfer zuzuzählen, da die Kemper-
heide nur 9 Hundschaften und mehr Ortschaften hatte, nämlich :
Bürvenich und Eppenich, zusammen eine Hundschaft, dann Flois-
dorf, Berg vor Floisdorf, Juntersdorf, Langendorf, Hausen (zum
Theil), Hergarten, Hoven, Floren, SoUer, JakobwüUesheim, Kelz,
später alle zusammen das Gericht Bürvenich bildend, dann
Hundschaft Bessenich-Sievernich-Weiler, Hundschaft Geich, Hund-
schaft Ftissenich, die meist nicht zu Jülich gehörten. In der Folge
erlangten in dem Bezirk verschiedene geistliche und weltliche
Herren ausgedehnte Rechte und grossen Grundbesitz, an welchen
Besitzungen dann allerlei niedere Gerichtsbarkeiten klebten, meist
nur hofrechtlicher Art, aber auch wohl in allen Civil-, später
hier und da sogar in Kriminalsachen. Die Herren aus dem
Hengebacher Stamm tmgen wohl schon sehr früh die pfalz-
gräflichen Gerichtsbarkeiten und Güter als Lehen; unter ihrer
Vogtei standen dann wieder die geistlichen Güter. Doch erbten
die Pfalz- oder Pellenzgüter nicht stets im Mannesstamm oder
in ältester Linie fort, wurden vielmehr häufig unter der Ver-
wandtschaft getheilt *, bis Graf Wilhelm IV. von Jülich sie wieder
vereinigte und alle zu Lehen erhielt, wenn er auch nicht den
ganzen Besitz faktisch sich erhalten konnte. Wie gesagt,
standen ihm und standen schon seinen Vorfahren die ver-
schiedensten andern Rechte gegenüber. So hatte innerhalb
einer Bannmeile um Zülpich der Erzbischof von Köln das Geleit
namentlich fiir die Kaufleute, die seinen freien Markt in der
Stadt besuchten, und ferner durfte innerhalb der Bannmeile keine
„Grut** sein als die seinige. Liblar, Weilerswist, Roitzheim, Satz-
fey. Call, Heimbach, Zercall, Kreuzau, JakobwüUesheim und
Blatzheim waren die Grenzpunkte dieses weiten Bezirks. In
') Bis 1279, vgl. Lacomblet, Urkundenbuch ü, Nr. 730.
») Belege dafür vielfach, z. B. hatte ja noch 1234 Everhard von Henge-
bach die Güter ausserhalb Zülpich, Wilhelm IV. die Güter in Zülpich.
Beiträge zur Geschichte der (rnif*;n r*m Juli^'b, 117
der Stadt selbt, bezw. vor ihren Thoren lagfm dr#^i Kir^b^fi,
Mütter anderer Pfarreien in ziemlichem L'mkreiM, f\Ut l'^tiTn-
kirche und die Marienkirche und endlich die Martifinkirclu' '
(Meersbure, Mersburden, Mertensburden). lA'tzifn? ward «Tit
1289 in die Stadt verlegt*. Sie dient jetzt pn>fanf*n Zwi^rkin,
seit dem Jahre 1801. Die Marienkirche int 1^75 wohl ^anz
abgetragen worden ; was man damals nrn-h w^lien konnt^% «tammUj
mindestens aus dem Anfang des 13. Jahrhundertn. K-i )n'ysU'hl Httmli
nur mehr die Peterskirche. Im Jahre 1 124 war nie elHMifallH tlU*
einzige Kirche in der Stadt', die Marienkirche ward also wohl
um 1200 hinein verlegt. Schon vor 1043 hatte der Hrzhimhof
einen Zoll in Zülpich^ und auch einen Pallaxt, ciu Z^dinii*
daselbst war schon vor 1050 dem (iraferi Sikko (von Ahrj aln
Benefizium verliehen und 10H4 heinigofallen. Zehnte und PallaMt
kamen 1064 bezw. 1124 durch Schenkung an die Abtei Sic^-
burg, und diese verwandelte letzt^'rn in eine Z<dle, H\Mor
Propstei, welcher auch die dabei gelegene Petemkirchc, Zehnfx'n
Mausen, Häuser u. s. w. von den Erzbiwrhöfen zugewandt wur-
den ^ Von Gerlach, einem der Mitvögte Siegburgs (10fJ4), leitet
von Ledebur die Herren von Hengebach und Jülich ab; der 1 140
genannte Vogt Dietrich, welcher einen an Siegburg verliehenen
Zehnten zu Heimbach (Hengebach) für Ländereien bei Uelpenich
wieder eingetauscht hat^ ist sicher Dietrich von Hengebach-
Gladbach, der auch 1138 erscheint, und 1166 ist Hermann
von Hengebach als Vogt zu Zülpich genannt, welcher für die
Propstei 50 erkaufte Morgen im Felde bei Zülpich in Empfang
nimmt. Diese Ländereien lagen im Bann des Grafen von Ahr ^.
Das Ahrsche Haus hatte also auch ein Gericht bei Zülpich. Es
war dies die Pfarrei Mersburden vor der Stadt oder die Hund-
schaft Bessenich mit Weiler und einem Theil von Sievernich \
ein Bezirk, der sich in der Hand eines weltlichen Herrn ganz
*) Vgl Broix, Tolbiacum S. 125 und 126; Merlo a. a. 0. XLIV. XLV,
S. 174 ff.
») Broix a. a. 0. S. 86; Merlo a. a. 0. XLIV. XLV, S. 177.
«) Vgl. Lacomblet, Urkundenbuch I, Nr. 299.
*) Vgl. Lacomblet a. a. 0. I, Nr. 179.
*) Vgl. Lacomblet a. a. 0. I, Nr. 202, 203, 299.
•) Lacomblet a. a. 0. I, Nr. 341.
^) Lacomblet a. a. 0. I, Nr. 420.
«) Vgl. Lacomblet, Archiv VII, S. 61 und I, S. 252; Merlo a. a. ().
XLIV. XLV, S. 181. Später kam Sievernich ganz an JtÜich.
118 W. Graf von Mirbach
von der Gerichtsfolge auf die Kemperheide frei machte. Die
Pfarrei schenkten die Grafen von Ahr ihrer Stiftung, dem
Kloster Steinfeld ^, und so ist später von einer Vogtei Mers-
burden die Rede, dieselbe, welche, vielleicht von der alten Lage
der Kirche ausserhalb der Stadt „auf dem Guden** genannt,
identisch sein kann mit dem 1394 erwähnten Gudengericht*.
Als 1246 die Grafschaften Ahr und Hochstaden an Kurköln
kamen, gelangte auch die Vogtei Mersburden an den Erz-
bischof' und war deshalb in der Folge viel Streit mit Jülich.
Hatten die Erzbischöfe auch ihren Pallast und Güter in und
ausserhalb Zülpich an Siegburg verschenkt, so besassen sie
da doch noch viele Güter, Rechte und Gerichte vor 1246*.
Nun waren im 13. Jahrhundert und später noch drei Pfarreien
und drei Gerichte in und bei Zülpich, St. Peters Kirchspiel
über geistliches Grundeigenthum und den ehemals Kölnischen
Pallast mit dem Vogteigericht der Herren von Hengebach,
St. Marienkirche mit den Gütern in Zülpich, die zur alten Pfalz
gehört hatten, und Mersburden.
Ausser der Bannmeile, die wir schon erwähnt, lief noch
ein dreifacher Kreis verschiedener Berechtigungen des Erz-
bischofs und der Kirche von Köln in und um Zülpich*.
Der innerste dieser Bezirke war der Burgfriede des ehe-
maligen erzbischöflichen Pallastes; er umfasste einen Theil der
Stadt und Hoven. Hier hatten der Schultheiss und die Schöffen
die Hofs- und Civil-Gerichtsbarkeit ; seit 1279 ist anerkannt,
dass die Eingesessenen nicht mehr auf dem Schievelsberg dem
*) Vgl. Annalen des bist. Vereins f. d. Niederrhein XXIII, S. 148.
*) Broix a. a. 0. S. 86.
•) Lacomblet, Archiv I, S. 245, und Mersburden blieb Kölnisch, bis
um 1308 eine Aeuderung eintrat, während die Grafschaft Hochstaden bei
Köln blieb. Das Weisthum bei Lacomblet, Archiv I, S. 245 braucht des-
halb nicht, wie der Herausgeber meint, vor 1261 zu fallen, weil darin gesagt
ist, dass ein Erzbischof von Köln auch Graf von Hochstaden sei, ich denke,
es ist zwischen 1279 und 1288 abgefasst, weil es Mersburden noch als
Kölnisch angibt und hinzufügt, der Erzbischof habe eine Urkunde vorge-
wiesen, dass die Vogtei zu Zülpich nur innerhalb der ersten vier Steine sein
sei; das ist jedenfalls das Pingsheimcr Friedensinstrument, Lacomblet
a. a. 0. II, Nr. 730, das bis 1288 Geltung behielt.
*) Lacomblet, ürkundenbuch II, Nr. 376 ist die Rede von des Erz-
bischofs Gütern zu Zülpich, wie sie die Erzbischöfe Engelbert und Heinrich
besessen.
*) Lacomblet, Archiv I, S. 245.
Beiträ4r^ züt <it*>cLicht<? *ler Grafen von Jiilirh. 119
Vogt von Hengebaeh (Jälich) zii folgren brauchen. Derselbe
hielt schon früher al>er besonders für sie drei Gedinire, \vol>ei
er ein Drittel der Gefalle hatte.
Ein zweiter Bezirk war der Burgbann. Die Bessenicher
Wegscheide, die Kirche zu Lüsseni, die Linde zu Xemmenich \
der Steg zu Lövenich, der Weiher zu Floren, der Langendorfer
Hof, die Wollersheimer Heide, die Mühle zu Füssonich und die
Hertenicher Mühle bezeichnen seine Grenzen. In diesen Limiten
geschieht Erbung und Enterbung vor den SchötTen von Zülpich,
unter welchem Gericht die Güter sonst auch liegen mögen,
was auf dem Gericht erdingt wird, daran hat der Vogt von
Hengebach (Jülich) den dritten Pfennig.
Umfangreicher ist der Beifang von Zülpich. Seine Grenzen
werden bezeichnet durch das Marienholz, die Brücke zu Wich-
terich, den Bollheimer Busch, den Wisskirchener Forst, Virnich,
den Schwerfener Busch, den Brunnen zv^ischen Eppenich und
Bürvenich, den Wollersheimer Forst, Kulipesch, den Vettweisser
Busch, den Kirchhof zu Dirlau, die Hälfte des Dorfes Sievernich.
Von kurkölnisclier Seite wird darauf bestanden, dass in
Bezug auf die kriminale Gerichtsbarkeit in diesem Beifang die
Kölner Strasse und deren imaginäre Fortsetzung so scheiden,
dass die Gefangenen entweder nach Zülpich oder nach Geich
ins Gefangniss geliefert werden, und zwar die, welche südlich
von dieser Linie etwas verbrochen hatten, nach Zülpich. Ur-
sprünglich sollte in der ganzen Bannmeile kein Geföngniss sein,
als das des Erzbischofs in dieser Stadt. Das zu Geich ist also
spätem Ursprungs und für die, welche auf der Kemperheide
gerichtet werden sollten. Sind die Gefangenen eingeliefert, so
soll der Bote auf Befehl des Schultheissen die Hunnen und das
Land (entweder die 9 oder die 13 Hundschaften) aufbieten, und
der Vogt von Hengebach soll die Verbrecher richten, wo sich das
gebührt (entweder auf Kemperheide oder auf dem Schievelsberg),
die SchöflFen von Zülpich und Geich haben den Hunnen nur als
Zeugen der That zu dienen, die Gerichtsverhandlungen gehen
im Uebrigen durch den Vogt von Hengebach, die Hunnen und
das Land, imd was der Vogt so erdingt, das gehört ihm allein.
Wenn er aber des Beifangs wegen zu Gericht sitzt, ohne dass
^) Lac om biet a. a. 0. I, S. 247 hat Norvenich, das kann nicht richtig
sein, man sehe nur die Landkarte ant Bei Grimm steht Noemenich, bei
Merlo Xymenich.
120 W. Graf von Mirbach
die Verbrecher, wie oben gesagt, eipgeliefert worden sind, so
thut er dem Erzbiscliof Unrecht.
Daran kehrten sich aber die Jülichschen Beamten nicht
und 1407 sagen die Hundschaften aus, dass schon sehr häufig*
Verbrecher gerichtet worden seien, ohne dass sie vorher zu
Zülpich oder Geich inhaftirt worden ^ Zugleich beklagen sie
sich, dass Geich, Bessenich (mit Weiler) und Füssenich nicht
mehr auf die Kemperheide kämen und sich zu den Kölnischen
Gerichten Mersburden und G^ich hielten.
Der Vogt von Hengebach (Jülich) richtete also, abgesehen
von diesen Orten im Beifang, nachher ohne Konkurrenz der
SchöflFen von Zülpich und Geich, wie er es vorher gethan, in
denjenigen der 22 Hundschaften, die nicht im Beifang lagen,
wie in Floisdorf, Berg, Hergarten, Hausen, Soller, Jakobwülles-
heim und Kelz und dem halben Dorf Sievernich. Das ganze
Dorf Sievernich aber ward unter Jülichsches Gericht gezogen,
wenn die Hälfte auch zur Hundschaft Bessenich gehört hatte.
Soviel über die Jülichschen Vogteirechte und Gerichte. Wie
es sich mit dem Pellenzgericht in Zülpich verhielt, ist weniger
leicht anzugeben; es umfasste den grössten Theil der Stadt
mit der Marienkirche und der Stätte, wo einst der Pallast des
Pfalzgrafen gestanden. Noch 1407 ist Streit zwischen Köln
und Jülich wegen der Weierpforte in Zülpich, welche der Erz-
bischof auf dem Grimde der Pellenz gebaut haben sollte.
Die Filialen der Marienkirche besetzten die Nachkommen
der Hengebach gleichfalls und gaben sie im 14. Jahrhundert
an das neu gegründete Kapitel zu Jülich. Zu Sievernich, Flois-
dorf, Berg, Hausen und Floren lagen Güter der Herren von
Hengebach und Hofsgerichte derselben, in Nemmenich sind
sie wahrscheinlich vor Alters Grundherren gewesen. Dann gehörte
zu den Hengebach sehen Lehen von der Pfalz ausserhalb Zül-
pich noch ein Wildbann zwischen Maas und Rhein über und
unter der Erde. Seine Grenzen kann ich nicht angeben, bei
Geich begann ein solcher Bann des Erzbischofs von Köln *. Was
den Hengebachschen betrifft, so gehörte dazu „unter der Erde*'
z. B. der Bleiberg bei Call, wo das Erzgraben schon im 13.
Jahrhundert dem freien Betrieb überlassen war gegen Abgabe
des zehnten, später des zwanzigsten Theils der Ausbeute. Dieser
") Lacomblet, Archiv VII, S. 60.
*) Bintcrim und Mooren, Erzdiözese Köln I, S. 164.
Beiträge zur Ocscbichtc der Grafen von Jülich. 121
Antheil ward durch die gräfliche Erzwage festgestellt; ein
Bergmeister mit den Berggeschworenen bildete das Gericht
dort. Die Bannmeile des Bleibergs wird als so weit angegeben,
als es von Call nach Zülpich ist ; in diesem Bezirk durfte Jeder-
mann schürfen, musste dann aber seine Muthung durch einen
Kreis oder Reifen kenntlich abgrenzen. Führte der Landesherr
Krieg als Herr zu Hengebach, so konnte er die Bergleute zu
Schanz- und andern Belagerungsarbeiten heranziehen. Dafür
hatten diese auch Holzrecht in dem Kermeterwald bei Henge-
bach ; gingen sie über dieses Recht hinaus, so verfielen sie nur
in eine geringe Strafe, und wenn sie sich nur 2^2 Fuss von
der Stelle der Uebertretupg entfernt hatten, durften die Förster
ihnen nichts mehr anhaben.
In der Nähe der Pellenzgüter ausserhalb Zülpich lag auch
das Dorf Vlatten. Ob es zu einer der Hundschaften der Kemper-
heide oder zum Gericht Nideggen gehörte, ist mir zweifelhaft.
Im Amt Nideggen lag es sicher, dahin gehörten aber, nach-
dem die Stadt Zülpich im 14. Jalir hundert an Kurköln gekommen
war, auch die Hundschaften des Schievelsbergs und der Kemper-
heide. Merkwürdigerweise erwähnen die Amtsrechnungen bei
Anführung der einzelnen Gerichte dieses Dorf gar nicht, und
doch hat dasselbe früher eine gewisse Bedeutung gehabt. Zuerst
als Königshof ^ dann als Siegburgischer, wahrscheinlich inzwischen
erzstiftlich Kölnischer Besitz und als Gericht der Vögte von
Vlatten. Müller hält dafür, diese Vögte seien, wie auch die
Grafen von Hochstaden, mit den Grafen von Jülich aus dem
Hause Hengebach eines Stammes gewesen und stützt sich bei
dieser Annahme auf folgende Thatsache: Gräfin Margaretha
von Hochstaden und ihre Söhne verkaufen dem Grafen Wil-
helm IV. im Jahre 1242 eine Sohlstatt auf dem Burgberg von
Hengebach mit allen Gerechtsamen, doch unbeschadet der Rechte
des Vogts Heinrich von Vlatten*. Es ist allerdings Müllers
Annahme nicht ohne Wahrscheinlichkeit, Heinrich könnte aber
doch auch ein Jülichscher Untervogt gewesen sein.
Im Juli 1237 bekunden Graf Wilhelm und sein Bruder,
dass Ritter Ingram von Bubenheim ihnen anstatt der an Heister-
bach verkauften Besitzungen in Flerzheim AUodialgüter zu
') Müller, Beiträge zur Geschichte des Herzogthums Jülich II, S. 51.
*) Lacomblet, Urkundenbuch II, Nr. 271.
122 W. Graf von Älirbach
Scheidweiler als Lehen gestellte Zeugen sind Walram von
Montjoie, Lysa, Frau von Hengebach, und von Ministerialen
Wirich von Gerzen, Wirich der Droste, Johann von Nideggen,
Heinrich Buse u. A. Ob dieser Eitter sich nach dem Haus
Bubenheim bei Düren schrieb? Wilhelm IV. hatte übrigens
schon Vasallen in weiter Entfernung von seinem Lande.
In der Osteroktav 1250 verzichtet zu seinen Händen Johann
genannt Bruia, Herr zu Linter, auf zwei^Theile des Allods in
Perntey, welche sein Sohn Arnold als Lehn von Jülich tragen
solP. Perntey ist wahrscheinlich Parentey bei Neerlinter un-
weit Tirlemont.
Am 12. September 1255 bekennt sich wieder ein nieder-
ländischer Dynast, Arnold Herr zu Steyn, als Jülichschen
Vasallen wegen des Hofs Kamp^. Am 23. April 1260 trägt
Heinrich Edelherr von Wylre sein Gericht Wylre dem Grafen
auf*. Ob darunter die spätere Unterherrschaft Weisweiler zu
verstehen ist? In diesem Falle ist das Gericht nachher den
Lehnsherren heimgefallen, und Weisweiler ist dann im 15. Jahr-
hundert einem natürlichen Sohne von Jülich verliehen worden,
der es den Herren von Palant verkaufte.
Um 1247 hatte der Schwager des Grafen, Heinrich von
Geldern, als Erwählter zu Lüttich Einkünfte zu Hurle und
Alke (?) an Jülich für 1000 Mark verpfändet; ausser deren
Genuss hatte Wilhelm im Jahre 1260 auch die Hauptsumme
erhalten und trägt deshalb dem nunmehrigen Bischof seine
allodialen Dörfer Siersdorf und Floverich zu Lehen auf ^
Am 26. Juni 1263 bekundet der Graf, dass Gottfried genannt
Brabant, Gerhardis, dessen Frau, und Luther, ihr Sohn, ihm
die Hälfte der Mühle und des Weihers zu Uppindorp verkauft
haben gegen eine Rente von 4 Denaren und die Mühlen-Reparatur-
pflicht, und es soll diese Mühle jetzt den Zwang haben in dem
*) Lacomblct a. a. 0. II, Nr. 217.
') A. D. Chartular der Grafcu von Jülich (künftig nur citirt „Chart.")
Nr. 79.
^ Wolters, Notice bist, sur les anciens seigneurs de Steyn et de
Pietersheim p. 85.
*) A. D. Chart. Nr. 57.
*) A. di Miranda, Ein FUrstenleben S. 72. Wie konnte der Graf sein
Allod Floverich auftragen, es stand ja bekanntlich dem Pfalzgrafen zum
Pfand für die Lehen der Pfalz? Ist vielleieht hier oder dort Loyerich
zu lesen?
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 123
Gericht, das der Graf von dem Ritter Gerhard, Burggrafen zu
Odenkirchen, erkauft hat^ Ich möchte dieses Uppindorp für
Oppendorf oberhalb Lipp halten und das Gericht für Pütz-Trois-
dorf, welches später mit Kirchherten vereinigt war. Die Oden-
kirchen haben Besitzungen in der Nähe gehabt. Seit langer
Zeit steht aber dort nur mehr eine Windmühle ; der kleine Bach,
der durch Oppendorf fliesst, hat sehr oft kein Wasser mehr,
eine Mühle konnte er wohl schon seit mehrern Jahrhunderten
nicht mehr treiben, im 13. Jahrhundert aber kann dies bei der
Anstauung des Wassers in einem Teiche noch sehr gut möglich
gewesen sein.
In Köln hat der Graf im Jahre 1265 den Parfusenhof an
der Ecke der alten Stadtmauer bei der Löwenpforte von Werner
Parfuse und dessen Gattin gekauft. Das Haus hatte einst dem
Grafen von Holland gehörte
Am 17. September 1268 wird AVilhelm von Elz wegen
eines Drittels der gleichnamigen Burg und eines Allods von
100 Mark Werth Jülichscher Vasall und Helfer gegen Jeden,
nur nicht gegen das Reich'. Man muss dieses Schloss nicht
etwa bei Düren suchen, wie es geschehen ist; es ist oflfenbar
die ehemalige Reichsburg Elz bei Münstermaifeld. Ein weiterer
oberländischer Herr ist Johann von Braunshom (Kreis St. Goar),
der für empfangene 150 Mark am 24. November 1268 sein
Schloss Beilstein bei Senheim dem Grafen Wilhelm aufgetragen*
und daraus Hülfe leisten will, nur nicht gegen die Kölnische
Kirche. Ludwig von Isenburg stellt im folgenden Jahre seine
Güter bei Ortenburg oder Ortenbach in der Wetterau zu Lehen,
bis er andere näher gelegene wird anweisen können ^ Er hatte
dafür 200 Mark von dem Grafen Wilhelm empfangen.
Johann von Seibach macht sein gleichnamiges im Nassau-
ischen gelegenes Gut am 25. März 1270 zum Lehn von Jülich«,
das in männlicher und weiblicher Linie vererblich sein soll.
*) A. D. Gereon Nr. 36; in der Rheinprovinz gibt es jetzt keinen Ort
üppendorf mehr, nur das eine Oppendorf, an Obbendorf ist doch wohl nicht
zu denken.
*) Ennen und Eckertz, Quellen II, Nr. 535.
') Lacomblet, Urkundenbuch II, Nr. 583.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 585.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 594 aus dem Chartular, wo am Bande
Ortenbach steht.
«) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 600.
124 W. Graf von Mirbach
An Lehngeld bekam er 150 Mark, die er wahrscheinlich zu
seiner beabsichtigten Pilgerfahrt ins heilige Land brauchte.
Am 10. März 1271 bekennt sich Ritter Wilhelm von Broich-
hausen als Jülichschen Vasallen flir empfangene 80 Mark wegen
der Mühle und eines Zolles zu Venela (Venlo?) und des Hofs
zu Blerick. Die Lehen sollen vererblich sein^
Am 7. Juni 1271 bescheinigt Wirich Edelherr von Frenz,
der Graf von Jülich habe ihm 150 Mark unter der Bedingung
gegeben, dass er in Frenzenrade residirender Burgmann werde
und dies Geld auf Allodien anweise; er stellt jetzt demnach
2 Hufen Ackerland als erbliches Lehn^. Lacomblet scheint
dieses Frenzenrade für Frenz bei Langerwehe zu halten, er
hat damit vielleicht Recht. Die Grafen von Jülich erlangten
allerdings den Besitz dieses Schlosses und Gerichts, doch ward
noch 1339 ein anderer Erbberechtigter, der Herr zu Dann, von
ihnen abgefunden^; 1361 löste Rikalt von Merode es zu seinen
Händen ein, auch seine Nachkommen wurden damit belehnt.
Frenz war dann eine Jülichsche Unterherrschaft.
Die Edelherren Konrad von Schieiden und Gerhard von
Wildenberg können wir wohl als Vasallen des Grafen Wilhelm
ansprechen, da sie 1271 bezw. 1272 dem Grafen von Luxem-
burg Hülfe versprechen nur nicht gegen Jülich, älterer Ver-
pflichtungen halber^. Dietrich Edelherr von Schinnen ist damals
wohl auch Lehnsträger von Jülich gewesen, und zwar wegen
Güter, die bei Rhöndorf in der Vogtei Vilich lagen ; als er Wein-
berge daselbst der Stadt Köln auftrug, genehmigte dies der
Graf am 10. Juli 1271 ^
Um diese Zeit löste Köln dem Grafen auch sein Bürger-
Rentenlehn von 100 Mark ab, und er gelobt, für die erhaltenen
1000 Mark ein entsprechendes Allod zwischen der Stadt und
der Ville als Lehn zu stellen. Das Versprechen erfolgt zu Köln
am 15. Juni 1271, ich glaube, dass die Erfüllung unterblieben
ist^, und sich daher die Streitigkeiten von 1289 zwischen seinem
Sohne und der Stadt schreiben.
>) A. D. Chart. Nr. 181.
*) Lacomblet, Urkundenbuch II, Nr. 612,
') A. D. Jülichsche Lehnsregister.
*) Publ. de la soc. pour la recherche et la conservation des mon. hisU
dans le Grand-Duch6 de Luxembourg XV, p. 128 und 144.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 614.
«) Lacomblet a. a. 0. 11, Nr. 613.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 125
Am 24. Februar 1272 quittirt Gerlach Herr zu Isenburg-
Arenfels dem Grafen über einen Theil des versprochenen Lehn-
gelds von 200 Mark, wofür ihm Jülichsche Besitzungen zu
Breisig obligirt sind^
Durch Revers, datirt vom Freitag vor Laetare (1. April)
1272* bekennt Ludwig Edelherr von Neuenahr, dass er die
Hälfte seines Schlosses Nürburg als feudum oblatum von Jülich
empfangen habe.
Eaugraf Konrad erklärt am 14. Juli 1273, dass er Namens des
Grafen Wilhelm von Jülich von seinem Schwager, dem Wildgrafen
Gottfried, 200 Mark empfangen habe, wofür er Lehnsstücke von
entsprechendem Werth anweisen werde ^. Am 11. September
dieses Jahres erklärt Werner der Alte von Beilersheim, durch
Auftragung des Hofes Lieh dem Grafen von Jülich mehr, als
dem Lehngeld gegenüber nöthig war, angewiesen zu haben,
und dass der Hof auf alle seine Erben übergehen könne*. Durch
den vorhin genannten Wildgrafen erwarb Wilhelm von Jülich im
Oberland auch den Herm von Bolanden als Vasallen, welcher am
11. November 1273 über 200 Mark Lehngeld quittirt ^ Eh ist
jedenfalls Werner von Bolanden, kaiserlicher Truchsess, und
Wilhelm war in dieser Zeit am Hoflager des Königs Rudolf zu Köln.
Hier macht er für empfangene 3000 Mark die Schlösser Lied-
berg, Caster und Worringen mit allem Zubehör zu Lehen des
Reiches, und erhält sie als Mann- und Weiberlehen zurück,
Liedberg speziell für seinen Sohn Wilhelm. Rudolf ver-
spricht innerhalb eines Jahres nach Weihnachten 1000 Mark,
den Rest aber im nächsten Jahre zu zahlen. Ob der Graf das
Geld wohl baar erhalten hat? Oder wurde vielleicht gar die
Sache rückgängig? Ich weiss von spätem Belehnungen nichts
zu melden. Liedberg war, wie wir unten erfahren, von den
Edelherren Ludwig von Randerath, Vater und Sohn, angekauft
worden. Diese Herrschaft war es nicht allein, die Wilhelm von
den Randerath erwarb. Im Roer- oder JüUchgau besassen die
0 Lacomhlet a. a. 0. IL Nr. 625. „ , ,. ,_.
«) Lacomhlet a. a. 0. n, Nr. 627. Es kommt darauf an, ob Ludwig
sich nach Kölnischem oder Trierischem Jahresanfang richtet; ^««^«^ »^^^^^^^^
der Fall, so ist der Tag nicht der 1. April 1272, sondern der 17. März 1273.
Neuenahr lag im Kölnischen, Nürburg im Trierischen bpreng .
») Lacomhlet a. a. 0. H, Nr. 633.
*) Lacomhlet a. a. 0, U, Nr. 635.
*) Lacomhlet a. a. 0. II, Nr. 642.
126 W. Graf von Mirbach
Herren von Eanderatli die Vogtei über die Güter der Kölnischen
Dompropstei ; diese lagen zu Aldenhoven, Pützdorf, Lohn, Pütz-
lohn, Erberich, Langendorf, Helrath, Eschweiler, ßöhe,
Altdorf, Inden, Frauenrath, und die Vogteigerichte erstreckten
sich noch über einige Häuser von Nothberg, Dürwiss, Stolberg.
Das hauptsächlichste Lehn der Propstei war im 14. Jahrhundert
die nahe gelegene Herrschaft Laurensberg mit Obermerz, Nieder-
merz, Langweiler und Lürken. Dieses nicht unbedeutende Vogtei-
gericht Aldenhoven lag auf eine unangenehme Art in der Graf-
schaft Jülich eingekeilt. Die Herren von Kanderath waren
erweislich oft in Geldnöthen, mussten manches Erbgut ver-
pfänden und verkaufen. Ich nehme als sicher an, dass Wil-
helm IV. schon Aldenhoven erwarb, und zwar einmal, weil er
1276 den Burggrafen von Hammerstein Geldgefälle dort als
Lehngeld anwies*, und dann, weil in einer Relation von 1322
gesagt ist, Gräfin Rikarda habe als regierende Gräfin zu Hel-
rath Schätzung erhoben*; sie selbst hatte Aldenhoven, das ein
Weistlium von 1352 als zu Jülich gehörig bezeichnet, wohl sicher
nicht gekauft, es war vielleicht noch vor 1273 an Jülich
gekommen, denn es lag doch zu einer Erwerbung viel günstiger
als Liedberg.
Am 13. Januar 1274 verbürgt sich Johann von Aremberg,
Burggraf zu Köln, bei seinem Schwiegervater, dem Grafen von
Jülich, dass Ritter Gerhard Hagen von Dinslaken demselben
binnen Jahresfrist, als Preis der Entlassung aus der Gefangen-
schaft, ein zwischen Jülich und Caster gelegenes Gut, das noch
erst gekauft werden musste, zu Lehn auftragen werde ^ Dieser
Gerhard war vielleicht als Kölnischer Vasall mit dem Erz-
bischof gefangen worden.
Ritter Konrad von Lynstein und sein Sohn Ruther reversiren
am 18. Mai 1275 über empfangene Belehnung mit den Gütern
zu Wiggeringhausen, Pfarrei Hörn, in Westfalen, welche dem
Grafen von Jülich als Erblehen aufgetragen worden*. Am
18. November des Jahres erklärt Wilhelm zu Köln, dem Ritter
Dietrich, Burggrafen von Rheineck, 150 Mark Aachener Denare
an Lehngeld zu schulden, wofür diesem die Vogtei Breisig als
>) Rediughoven VII, fol. 220.
*^) A. D. Amtsrechuungen von Jülich.
') Lacomblet, Urkundenbuch H, Nr. 650.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 669. Wiggeringhausen liegt bei Erwitte.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 127
Pfand gestellt ist; wenn er sicli daraus bezalilt gemacht, soll
er ein entsprechendes Gut stellen*; so oft 10 Mark der Schuld
empfangen sind, soll eine Mark an Einkünften aus Breisig ein-
gelöst sein. Demselben Burggrafen gibt Wilhelm am Katharinentag
(25. November) 1275 seine Güter zu Lcutesdort, woraus ihm jährlich
3 Karraten Wein auf Gefahr des Absenders nach Köln zu liefern
sind^ Am 24. April 1276 geloben Arnold, Johann und Ludwig
Burggrafen zu Hammerstein wegen der ihnen durch den Grafen
angewiesenen Gefalle zu Aldenhoven Güter im Werth von
70 bezw. 50 Mark als Lehen aufzutragen ^, und bekunden, dass
sie den Lehnseid schon geleistet. Am 30. April verspricht der
Graf zu Köln, sie zur Befestigung der Freundschaft in den
Rechten zu belassen, die sie und ihre Vorfahren zu Sinzig von
Kaiser und Reich gehabt, nämlich ein Drittel der dortigen Beden,
Gerichtsgefalle und Oblationen, ausgenommen aber das Recht
auf die Personen, Abgaben und Vermögen der Juden und
Cahorsiner, worüber er gemäss kaiserlicher Verleihung allein
zu disponiren habe^. Ueber Sinzig, Düren und die Rechte zu
Aachen, welche hier zu behandeln wären, habe ich schon früher
gesprochen •^.
Am 23. Juni 1277 quittirt Johann von Hafkesdale (Haasdael
bei Valkenburg?) dem Grafen über den Empfang des Manngelds
im Betrag von 100 Turnosen^
Graf Siegfried von Wittgenstein bekennt in einer Urkunde,
datirt vom Tage vor Palmsonntag 1277^, dass er seine Stadt
Laasphe dem Grafen Wilhelm von Jülich und dessen Erben
als vererbliches Lehn aufgetragen habe. Das Datum muss der
9. April 1278 sein, ob nun Siegfried nach Kölnischem oder nach
Trierischem Stil rechnete, denn im Jahre 1277 fiel der Trierische
Jahreswechsel nach dem Palmsonntag. Es war demnach, als
die Urkunde ausgestellt wurde, Wilhelm IV. schon todt. Wusste
Siegfried das noch nicht oder bekundet er früher Geschehenes P
Er scheint sich allerdings nicht an dieses Bekenntniss gekehrt
') Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 686.
«) von Lcdebur, AUg. Archiv II, S. 319.
ö) Redinghoven VII, fol. 220.
*) Günther, Cod. dipl. Rheno-MoseU. II, no. 274.
'^) Ein entsprechender Abschnitt liegt nicht vor. Red.
«) A. D. (Jhart. Nr. 135.
^) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 701.
128 W. Graf von Mirbach
ZU haben, also war vielleicht das Erstere der Fall und seine
Söhne trugen dann Laasphe an Kurköln auf.
Aus einer Urkunde vom 15. Juni 1276 erfahren wir, dass die
Gräfin Hadwig von Neuenahr und ihre Kinder vom Grafen
Wilhelm IV. den Hof Grevelo in Scheidt zu Lehn trugen. Lag
der Ort in der Grafschaft Neuenahr, so ist er untergegangen ^
Sonstige Vasallen und Ministerialen des Grafen habe ich
gelegentlich unter den Zeugen verschiedener Urkunden namhaft
gemacht.
m. Wilhelms IV. Gemahlin, Brüder und ältester Sohn.
Der zweite Sohn Wilhelms IIL, Walram Herr zu Berg-
heim, soll besonders behandelt werden. Nur ein einziges Mal,
1236, ist ein Dietrich als Bruder Wilhelms IV. genannt*. Er
steht als Zeuge nach Arnold von Diest und Emil von Au
(Burgau). Ist auch Arnold wahrscheinlich ein Edelherr, so
kann ich den Emil doch nur für einen Jülichschen Ministerialen
halten*, und wenn schon Burgau nachher als Unterherrschaft
dieselbe Stellung einnimmt wie Merode, so waren doch die
Herren von Merode im 13. Jahrhundert hohem Rangs als Emil
von Burgau. Nun steht 1271 Werner von Merode vor dem
erstgeborenen Sohne Wilhelms IV."*, einen Bruder des Grafen
aber, der nach dem Herrn von Burgau steht, möchte ich für
einen unechten Sprossen der Familie halten, besonders da er
sonst nie an Regierungsgeschäften, Familienverträgen u. s. w.
theilnimmt, wie es Walram schon vor 1236 that. Höchstens
wäre anzunehmen, dass er als echter Sohn Wilhelms rH. um
1217 geboren und um 1237 gestorben wäre. Sein Vorname
war ja im Hengebachschen Geschlecht häufig.
Von Schwestern Wilhelms IV. finde ich keine Spur.
Man gibt diesem Grafen vielfach zwei Frauen, Margare tha
von Geldern und Rikarda von Limburg. Mit ersterer verlobte
er sich 1236. Sie war die Tochter des Gerhard von Geldern und
der Margaretha von Brabant, die beide damals verstorben waren,
Schwester des Grafen Otto und Mündel des Herzogs Heinrich
von Brabant. Der Bruder hatte sie dem Dietrich von Valken-
») Günther 1. c. II, no. 275, p. 420.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 209.
*) Vgl. seine SteHung Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 225.
*) £nnen, Quellen III, Nr. 35.
Beiträge zur Geschichte der Onifen von Jälich. 129
bürg versprochen, der Vormund aber zo^r den mächtijren (irafen
von Jülich vor und schloss mit diesem zu Löwen die Pi*äliminarien
ab am Gregoriustag: 22. Dezember 1236 (nler 12. März 1237 *?
Wenn es gelingt, den Dietrich zum Rücktritt zu l)ewegen, so
will Graf Wilhelm, bei Strafe von 1000 Mark, die Margaretha
zur Gattin nehmen und zwar bis zum nächsten Pfingstfest, auch
mit dem Heirathsgut zufrieden sein, das der Herzog ihr an-
weist; die für den Verspruch obligirten 1000 Mark aber hat
der Graf von Geldern mit 100 Mark jährlich zu eutrichten,
was sie ausser den 1000 Mark bekommt, ist nach Rath des
Edelherm Arnold von Diest und Anderer in Geld zu entrichten.
Wilhelm will seiner künftigen Frau Jülich und dabei 400 Mark
jährlich anweisen aus seinen Gütern in Jülich. Das Eingebrachte
fallt zurück, wenn die Ehe kinderlos bleibt. Doch, obschon
der Valkenburger sich bald anderweitig vermählte, ist die
Ehe zwischen Wilhelm und Margaretha schwerlich zu Stande
gekommen. Der Graf, welcher 1278 schon einen erwachsenen
Enkel hat (den Grafen von Looz), muss um 1240 geheirathot
haben, im Jahre 1251 ist aber als seine Frau eine Rikarda
genannt in einer zu Nymwegen gegebenen Urkunde*. Wer
war nun diese Rikarda? War sie wirklich Herzog Heinrichs
von Limburg Tochter und also Geschwisterkind mit Wilhelm IV. P
Damals wäre es kaum möglich gewesen, für eine solche F^he
Dispens zu erlangen. Man hat bisher eine Urkunde ttbei-sehen,
welche Aufschlnss über Rikarda gibt \ Graf Gerhard, Wilhelms IV.
Sohn, erklärt 1306, dass, als sein Oheim Heinrich, weiland Bischof
zu Lüttich und Herr zu Montfort, 1282 gestorben sei, seine
(Gerhards) Mutter, sein Bruder und er selbst Ansprüche an
Montfort zu haben geglaubt. Heinrich war nun ein Bruder
Ottos von Geldern, und die 1282 lebende Mutter ist also Rikarda,
Schwester dieser Gebrüder. Man wird doch nicht glauben,
Wilhelm IV. habe zwei Schwestern nach einander geheirathet,
das war damals ganz unstatthaft; also ist Rikarda aurh einzitro
Frau Wilhelms und, als Margaretha früh g(?storben, an ihrtT
Stelle mit dem Grafen von Jülich vermählt worden*. I>ii-^>
*) Butkens, Trophees I, preures p. 7t>,
*) Bondam, Charterboek p. 477.
') Nijhoff I, 81.
*) Im JölJchÄchen Haiwf' i^inj^en viele V.rlobnn««!
Wilhelm« IV. .Söhnen Walram fand G.rhanl fu drr ül,
Wilhelm, einer Urenkelin, und da. alle, zwi^^b -n I3M r
130 W. Graf von Mirbach
Rikarda wirklicli Mutter des Grafen Gerhard gewesen, ist viel-
fach konstatirt, Margaretha kommt nie mehr vor^ Nicht nur
passt der Vorname Rikarda sehr gut in das Geldrische Haus,
er kam nämlich von der väterlichen Grossmutter Rikarda von
Nassau, Gattin Ottos I. von Geldern, her, sondern auch die
Namen von Wilhelms IV. Kindern lassen auf eine Geldrische
Mutter schliessen.. Wir wollen diese Kinder später sämmtlich
anführen, Als Rikardas Urenkel Wilhelm von Jülich die Maria
von Geldern heirathete, war noch Dispens von der Verwandt-
schaft im vierten Grade nöthig — alles Beweise für die von
mir angeflilirte Abstammung der Rikarda. Was sie ihrem Gemahl
könnte zugebracht haben, darüber wage ich kaum eine Ver-
muthung. Am 7. Juli 1258 verkauften Wilhelm und seine
Gattin dem Grafen von Sponheim und Sayn ihre Leute im
Amt Nümbrecht ^ ; es wäre möglich, dass von der Nassauischen
Grossmutter her Rikarda dort Besitz hatte.
Wollte man noch zweifeln, ob, wie die andern Kinder, so
auch Wilhelm, ältester Sohn des Grafen Wilhelm IV., Sohn der
Rikarda gewesen, so gäbe ihre Erklärung vom 2. Februar 1288
Aufschluss, wo sie sagt, ihr Gemahl, i h r Sohn und dessen Frau
hätten einst den Rottzehnten von 20 Morgen beim Birkhof dem
deutschen Orden überlassen^. Er wird um 1241 geboren sein
und ist 1260 als zustimmend bei dem bekannten Rottzehnten-
verzicht des Vaters genannt*. Im Jahre 1268 wird auch ihm,
der sicherlich dem Vater in manchem Kriege kräftig zur Seite
gestanden, die Exkommunikation angedroht. Als Reinhard
von AVysse (Vettweiss) am 11. Oktober 1270 Bürger von Köln
wurde, hängt der junge Wilhelm sein Siegel an die darüber
aufgesetzte Urkunde ^ Dies Siegel stellt ihn dar zur Jagd
reitend mit dem Falken auf der Hand und hat die Umschrift:
*) Das Ohronicon ducnm Brabantie, das man als Beleg für die Heirath der
Margarctba anführt, sagt nur bei den Kindern des Grafen von Geldern : „et
filia quaedam, comitissa Juliacensis^. Das ist eben Rikarda.
^) Eltester und Goerz, Mittclrh. ürkundenbucb III, Nr. 1453.
^) A. D. Katharinen- Kommende Nr. 71. Einige glauben nämlich,
wenigstens Wilhelm sei der Margaretha Sohn, Rikarda sagt aber „senior
noster filius**, und da sie den Gemahl vorher nennt, konnte sie um so eher
den jungen Wilhelm nur dessen Sohn heissen, falls sie nicht die Mutter gewesen.
*) Lacomblet, Ürkundenbucb II, Nr. 500; freilich wird er hier
nicht mit Namen genannt
*) Ennen, Quellen III, Nr. 30.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 131
S. Wilhelmi filii comitis Juliacensis. Am 9. Juli 1271 leistet er
mit dem Vater, dem Propst zu St. Gereon, dem Werner von Merode
und den Edelherren von Blankenheim und Diest der Stadt Köln
Bürgschaft dafür, dass Albert von Herpen, Verwandter der
Garanten, genügende Urfehde schwören werdet Wilhelm IV.
und Werner von Merode nennen sich Ritter und stehen vor
den weltlichen Mitausstellern, somit ist auch der Platz des
Werner, eines ßeichsvasallen, vor dem des „Erstgeborenen" von
Jülich, was immerhin auflfällig erscheint und doch wohl nicht
statthaft gewesen wäre, wenn Merode nicht freier Abstammung
war. Wilhelm der Junge war also damals noch nicht Eitter,
hatte auch noch kein eigenes Gebiet, aber der Vater nennt ihn
doch seinen „Erben" ^ und auch das Prädikat „Erstgeborener",
bisher im Jülichschen Hause nicht bekannt, deutet darauf hin,
dass er als solcher das Recht der Nachfolge in der Grafschaft
haben sollte. Wie ich schon erwähnte, belehnte ihn König
Rudolf mit der vom Vater erworbenen Herrschaft Liedberg am
24. November 1273*. Jetzt hatte er also ein eigenes Territorium,
wenn auch kein sehr grosses. Das spätere Amt Liedberg kann
nicht mit der damaligen Herrschaft kongruent gewesen sein*,
man wird aber wohl nicht sehr fehl greifen, wenn man Glehn,
Lüttenglehn, Epsendorf, Btittgen, Kleinenbroich, Unterbroich
und Giesenkirchen zu ihr rechnet. Am 13. Mai 1275 ist Wilhelm,
Erstgeborener, Zeuge bei der Vergebung von Hesshausenwardt
an Dietrich Luf von Cleve*, und am 30. August 1276 erster
Schiedsrichter zwischen dem schon genannten ehemaligen Bischof
Heinrich von Geldern zu Montfort und dem Herrn zu Heins-
berg ^ Im selbigen Augustmonat aber nennt er sich auch
einen Herrn zu Liedberg, als er den zu seiner Herrschaft
gehörigen Hügel bei der Kirche von Glehn sammt dem Patronat
daselbst unter Zustimmung des Vaters dem Wilhelm von Heipen-
stein schenkte Am 4. August 1277 ist Wilhelmus de Juliaco
>) Ennen a. a. 0. HI, Nr. 48.
*) Saint-G6uoi8, Inventaire analytique des chartes des comtes de
Flandre p. 128.
•) Lacomblet, ürkundenbuch II, Nr. 646.
*) z. B. gehörten Garsdorf und Frimmersdorf zum Amt.
*) Lacomblet, ürkundenbuch II, Nr. 668.
•) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 694.
^ Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 695. Ein Hügel liegt doch nicht bei
der Kirche in Glehn I Der raons, wie es in der Urkunde heisst, muss nicht
9*
132 W. Graf von Mirbach
bei einem Revers Zeuge, den der obige Heinrich Herr zu
Montfort dem Grafen von Greldern wegen seines Schlosses gibt,
das später nach seinem Tode an Geldern kommen soll. Wilhelm
begab sich dadurch also seiner Ansprüche auf Montfort, welche
seine Mutter und Brüder nachher wieder erhoben habend Im
nämlichen Jahre trat er dem grossen Bündniss gegen Erzbischof
Siegfried bei und fand bekanntlich im folgenden am 16. März
zu Aachen seinen Tod.
Wilhelm hat vor dem Jahre 1266 geheirathet. Damals
bekennt sein Vater, er habe von dem Grafen Guido von Flandern
5000 Pfund oder die Hälfte des Heirathsguts empfangen, das
dieser seiner Tochter Maria ausgesetzt bei der Vermählung
mit Wilhelm, dem Erstgeborenen und Erben von Jülich*.
Wilhelm IV. quittirt abermals über 2000 Pfund am 8. März 1267
und stellt am 30. April desselben Jahres eine Generalquittung
über den ganzen Betrag der Mitgift (10 000 Pfund) aus^
Des Grafen Guido noch lebende Mutter Margaretha hatte
hauptsächlich diese Gelder gezahlt, denn sie war ja die eigent-
liche Erbin von Flandern und hatte sich, nachdem ihre erste
Ehe mit Bouchard von Avesnes getrennt worden, mit Wilhelm
von Dampierre vermählt. Dessen Sohn Guido ist dann Graf von
Flandern geworden und war verheirathet gewesen mit der schon
1251 verstorbenen Mathilde von Bethune zu Dendermonde,
Tochter Roberts und der Isabella von Morialm6. Maria, um 1250
geboren, war Guidos jüngste Tochter, sie gebar ihrem Gatten
Wilhelm von Jülich zwei Söhne, welche beide des Vaters Namen
trugen, und blieb nach 1278 noch vier Jahre langWittwe. Sie
verlobte sich aber dann 1282 mit Simon von Chateauvilain, Sohn
des Johann und der Johanna von Luzi, welche im Dezember
des Jahres, den Verspruch genehmigend, dem Simon 500 Pfund
Einkünfte aus ihren Herrschaften Courcelles, Bremur und Brice
anweisen, nachdem sie am 22. Oktober schon 3000 Pfund
Turnosen aus dem Heirathsgut der Maria empfangen*. Die
Braut wird damals „Gräfin" von Jülich, Tochter von Flandern
gross gewesen sein, in der ganzen Gegend ist kein Hügel ausser dem, worauf
Schloss Liedberg steht.
*) Bondam 1. c. p. 621.
') Saint-G6nois L c. p. 128.
*) Vre diu 8, Genealogia comitum Flandriac, probat. II, p. 34 sq.
*) Vredius 1. c. probat. II, p. 37.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 133
genannt, ein Titel, den ihr des verstorbenen Wilhelm Geschwister
wohl kaum zugestanden haben werden. Ueber ihre weitern
Schicksale weiss ich nichts zu melden, ihre Söhne dagegen
werden uns noch beschäftigen.
IV. Eikarda als Gräfin von Jülich 1278—1283.
Das unerwartete Ende Wilhelms IV., der in der Nacht vom
16. auf den 17. März 1278 bei dem Ueberfall der Stadt Aachen
mit seinem Erstgeborenen und zwei natürlichen Söhnen, sowie
einer ansehnlichen Schaar von Rittern * in mörderischem Strassen-
kampf von den Bürgern erschlagen worden, hatte die Grafschaft
Jülich um so empfindlicher treffen müssen, als nun auch die
Nachfolge in der Eegierung nicht gesichert war. Es konnten
wegen derselben manche thatsächliche und rechtliche Fragen
in Betracht kommen. War es festzustellen, ob Wilhelm der
Vater oder Wilhelm der Sohn zuerst gefallen? Was hatte der
Graf dem Guido von Flandern in Bezug auf die Nachfolge des
Sohnes etwa versprochen und war das Versprechen verbrieft
und gültig? Konnten die jungem Söhne es nicht anfechten?
Hatte es irgend einen Werth, falls der Erstgeborene vor dem
Vater erschlagen worden ? War für diesen Fall nicht eine gültige
Einigung vorher getroffen worden, so waren, weil nach Jülichschem
Recht ein Repräsentationsrecht der Enkel noch nicht bestand,
die kleinen Söhne Wilhelms des Erstgeborenen der Grafschaft
Jülich unbedingt verlustig. Aber wer sollte folgen, der ältere
Sohn des Grafen, der Propst Walram, oder der jüngere Gerhard?
Walram, der nicht Priester war, scheint eine Zeitlang sich als
Grafen betrachtet zu haben, als solchem gilt ihm der Lehns-
revers des Gerlach Herrn zu Dollendorf wegen eines Viertels
von Gladbach und einiger Güter zu Gowe (?), Waldorf und
Heymberg (?) vom 17. März 1279*. Nur dieses eine Mal finde
ich vor 1283 den Walram, vielleicht zur Zeit eines voreiligen
Versuchs, die Herrschaft an sich zu reissen, als Grafen von
Jülich genannt. Im Uebrigen scheinen die Brüder gleich nach
des Vaters Tod, angesichts der grossen Gefahren, in denen sich
0 Ein altes Stiftungsverzeichniss des Klosters Wenau nennt die Namen
Ton zwölf derselben; vgl. Beiträge zur Geschichte von Eschweiler und
Umgegend I, S. 296.
«) Lacorablct a. a. 0. II, Nr. 722.
134 W. Graf von Mirbach
das Land befand, die Successionsfrage unentschieden gelassen
zu haben. Einigkeit that Noth, dem Erzbischof gegenüber
schon, und weiter fürchtete man auch, dass der Graf von
Flandern den Versuch machen werde, die Grafschaft für seine
Enkel in Besitz zu nehmen. So wurde denn die Regierung
einstweilen im Namen der Gräfin Rikarda geführt. Erzbischof
Siegfried erhielt die Nachricht vom Tod des Grafen Wilhelm
zu Neuss; wie mag er gejubelt haben, als er seinen Haupt-
widersacher unschädlich gemacht wusste. Wie Levold von
Northof nach einer glaubwürdigen altern Quelle berichtet,
eilte der Erzbischof sofort nach Köln und celebrirte im
Dom ein feierliches Hochamt, die Messe vom h. Petrus mit
den Worten beginnend: „Nun weiss ich wahrhaftig, dass der
Herr seinen Engel gesandt und mich befreit hat aus dem
Rachen des Löwen." Diese Anekdote wird übrigens bei
ähnlichen Gelegenheiten von andern Kirchenfürsten erzählt,
wenn auch der Feind, über den sie triumphirten, nicht gerade
einen Löwen im Wappen führte. Jedenfalls fiel Siegfried mit
seinem Heer schleunigst in die Grafschaft Jülich ein, schlug
die wenigen Streiter, die sich ihm entgegen warfen, eroberte die
meisten festen Plätze und nahm nach kurzer Belagerung auch
die Stadt Jülicli selbst, wo er hohe Kontributionen ausschrieb
und das Schloss verbrannte. Nur Nideggen und Hengebach^
(Heimbach) widerstanden, während an Landesburgen, Lehen
und Oflfenhäusern vierundzwanzig gefallen sein sollen. Der
Erzbischof richtete schon eine Art provisorischer Regierung ein,
indem er die alten Amtleute verjagte und neue einsetzte*.
Am 4. April unterwarf sich Düren, doch nicht auf Gnade und
Ungnade, sondern vorbehaltlich späterer Genehmigung durch
einen Grafen von Jülich ^ Inzwischen waren mehrere der
mächtigsten Vasallen und Verwandten des Jülichschen Hauses
nach Nideggen geeilt, um von dieser ungebrochenen Feste aus
der Gräfin zu helfen, so die Grafen von Sponheim, Virneburg
und der Edelherr von Tomburg. Der letztere erbietet sich dort
am 7. April, die Jülichschen Lehen um 200 Mark zu vermehren,
*) Spätere QueUen haben Hambach, das Schloss bestand damals wahr-
scheinlich noch nicht.
') L. von Northof, Chronik der Grafen von der Mark, ed. Trosa,
S. 107 und Gelenii Farrag. XV, 77.
^) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 710.
Beiträge zur Gescbichte der Grafen von Jülich. 135
auch der Gräfin seine Schlösser Mühleuark und Tomburg zu
öflfnen^ Ein zweites Kölnisches Heer aber drang unterdessen
in die Jülichschen Nebenlande und eroberte Caster und etwas
später auch Bedburg, woran Graf Wilhelm ein Pfandrecht gehabt
hatte. Sinzig musste sich ebenfalls ergeben. Dass sich der
Erzbischof auf diese Weise der Reichslehen und Pfandschaften
bemächtigte, konnte König Rudolf nicht ungestraft hingehen
lassen, er veranlasste den Herzog von Brabant jetzt einzu-
schreiten. Während nun Siegfried von der Burg Zülpich aus,
die er stärker befestigte, das eroberte Land im Zaum zu halten
suchte, fiel der Graf von Arnsberg in seine westfälischen Lande
ein und zwang den Erzbischof, Streitkräfte dorthin zu entsenden.
Mit dem Herzog von Brabant rüsteten Graf Adolf von Berg,
Walram von Valkenburg, Graf Reinald von Geldern, Arnold von
Looz und Graf Heinrich von Luxemburg ^ Andere Vasallen
sorgten für Lebensmittel in Nideggen; Arnold von Blankenheim
lieferte Wein für die durstigen Krieger im April und Rikarda
versprach ihm, denselben im Mai zu bezahlen oder ihm auch
Zinsen dafür gutzuschreibend Johann von Brabant ergrifi" die
Gelegenheit, Aachen in seine Gewalt bringen zu können, wohl
sehr gem. Walram von Limburg sagte jetzt dem Erzbischof
auf, drang bis Zülpich vor und belagerte die Burg. Dem Erz-
bischof gelang es zwar, Entsatz zu erhalten und an den Befes-
tigungen weiter arbeiten zu lassen, aber das Land Jülich war
doch für ihn, hauptsächlich durch das siegreiche Vordringen des
Limburgers, bald wieder verloren. Ausser Zülpich leistete auch
Aachen erfolgreichen Widerstand. Die Herzoge von Limburg
und Brabant misstrauten einander ohnehin, eben der Stadt Aachen
wegen, im Limburgischen waren Brabantische Kaufleute beraubt
worden, die Belagerung Aachens zog sich sehr in die Länge,
den Brabantern fehlten die Lebensmittel und so gab der Herzog
das Unternehmen schliesslich auf^. Jetzt, im Herbst 1279, licss
sich an einen Frieden mit dem Erzbischof denken, welcher denn
») Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 709, wo das Datum falsch aufgelöst
ist. Also war der Herr von Tomburg wohl damals im vorübergehenden Besitz
von Mühlenark?
») Vgl. Ernst, Histoiro du Limbourg IV, p. 360.
5) Barsch, Eiflia illustrata I, 1, S. 250.
*) Freher, Rer. Germ, scriptores I, 474; Butkens, Troph6es I, preuves
no. III; Lüuig, Cod. dipl. U, U31 und Ernst 1. c.
136 W. Graf von Mirbach
auch am 14. Oktober zu Pingsheim bei Lechenich geschlossen
ward ^ Vermittler waren Herzog Walram von Limburg, Graf
Heinrich von Luxemburg und Graf Gottfried von Sayn; wie
die Bedingungen beweisen, war' die Lage der Gräfin von
Jülich doch noch eine ziemlich bedrängte. Auf die alte Henge-
bachsche Vogtei in Zülpich und ausserhalb der Stadt innerhalb
der nächsten vier Steine mussten sie und ihre Söhne zu Gunsten
des Erzbischofs verzichten, da diese Vogtei ursprünglich von
ihm, bezw. von Gütern des Erzstifts herkam, und die Bürger
der Stadt sollten auch künftig von der Folge auf den Schievels-
berg frei sein, die schon gewohnheitsmässig längst unterblieben
war*. Ferner erhält der Erzbischof die Zinsen und alle Güter
in der Stadt, die von der Pellenz herkommen, ausser der Kirchen-
gift von St. Marien, er kann nun das Schloss in Zülpich auf-
bauen und die Stadt befestigen, wie er will, nur soll er ohne
Urlaub keine Untersassen von Jülich oder Jülichscher Vasallen
in dieselbe aufnehmen. Dasselbe versprachen auch Gräfin Rikarda
und ihre Söhne in Bezug auf des Erzbischofs Leute und die
Jülichschen Festungen. Schloss und Herrschaft Liedberg, wie
sie einst der Herr von Randerath besessen, werden dem Erz-
stift abgetreten. Die „neue Stadt" an der öffentlichen Strasse (?)
muss zerstört, die Gräben müssen gefüllt werden, keiner der
Paciszenten darf sie wieder bauen; die Strasse soll wieder in
den frühem Stand kommen. Caster dagegen darf wieder auf-
gebaut werden. Weil Rödingen und Petternich einst wegen des
Leimgelds für Nideggen dem Jülichschen Hause verpfändet wurden
zu Zeiten des Erzbischofs Philipp, so sind sie Eigenthum des
Erzstifts und können für 1600 Mark eingelöst werden. Nid eggen
bleibt Kölnisches Lehn mit 24 Hufen. Wegen der Juden im
Lande Jülich hat sich der Graf von Sayn noch nicht vollständig
informiren können und will daher den Spruch darüber bis zu
Weihnachten fallen. In Bezug auf die Streitigkeiten der Bimdes-
genossen wird noch entschieden werden, namentlich wegen
Mühlenark. Der Herzog von Limburg muss von den Befes-
tigungen, die seine Amtleute am Kirchthurm von Dülken
gemacht haben, für iiimier abstehen und dem Kölnischen Bürger
*) Lacomblct, ürkundenbuch II, Nr. 730.
*) Ich glaube das wegen des Weisthums bei Lacomblet, Archiv I^
S. 245, welches diese Freiheit als hergebracht weist, das Besultat des Pings-
heimer Friedens aber S. 252 als Anhang hat.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 189
schiedeaen Terminen 15 000 Mark englisch-braban tischer Denare
als Busse, welche die Grafen von Luxemburg und Greldern in
der Stadt empfangen, zählen und dann versiegeln sollen; das
kann aber auch durch Mandatare geschehen und die so ver-
siegelten Säcke werden dann nach Berg (Bardenberg) zwischen
Aachen und Herzogenrath geliefert. Sind die Söhne Wilhelms
des Erstgeborenen zu den Unterscheidungsjahren gekommen, so
erhalten sie von obigem Geld eventuell 1000 Mark, die den
Aachenern zurückerstattet werden, falls die Kinder sich auf
nichts einlassen würden ; Walram von Bergheim soll zur Urfehde
durch Zahlung von 10 Pfund kleiner Turnosen vermocht werden,
nimmt er sie nicht an, so bekommt die Stadt sie zurück. Die
Aachener müssen auch auf ihre Kosten vier Sühnealtäre stiften
und jeden mit Einkünften von 10 Mark Sterlingen dotiren,
einen im Kloster der weissen Frauen zu Aachen, einen in dei
Abtei Burtscheid, zwei nach Bestimmung der Familie im Lande
von Jülich ; erstere zwei sollen die betreffenden Klöster, letztere
der zeitliche Graf von Jülich besetzen. Die 10 Mark Renten
können auch mit 100 Mark abgelöst und dann diese Gelder
irgendwo in einem Kloster sicher angelegt werden. In beson-
derer Urkunde vom gleichen Tage verpflichten sich noch speziell
die beiden Pröpste Walram und Otto von Jülich, ihre Neffen,
Wilhelms Kinder, zur Urfehde zu bewegen bei Strafe des Ein-
lagers in Mastricht*. Die zwei Altäre wurden ueinnächst zu
Nideggen gestiftet und schon am 3. Februar 1283 dem Johanniter-
orden, welcher inzwischen dem deutschen Orde/n im Besitz der
Pfarrei Nideggen gefolgt war, durch die gräflicjie Familie über-
tragen ^ Um diese Zeit entsteht auch das (Ordenshaus der
Johanniter dort. Li der Jakobstrasse zu Aachenvyrurde auf der
Stelle, wo Graf Wilhelm gefallen war, ein Monumend errichtet
Es bestand aus einer einfachen rechteckigen Basis, weTciiMi viel
Säulen und darüber eine Kuppel trug. Oben war ein eisernes
Kreuz angebracht und unter der Kuppel hing eine Lampe, die
Nachts angezündet wurde*. Als die Kuppel und zwei der
*) Qu ix, Cod. dipl. Aquensis no. 227.
») Kremer a. a. 0. III, 8. 74. Schorn, Eiflia sacra II, S. 259 gibt
irrig das Jahr 1282 an und folgert mit Unrecht aus der üebertragung, dass
die Johanniter damals in Nideggen bereits „ansässig** gewesen seien.
*) Vgl. Loersch in der Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins VI,
S. 245 f.
140 W. Oraf von Mirbach
Säulen eingestürzt waren, übertrug man die Lampe in das
Kloster der weissen Frauen. Noppius nennt das Denkmal,
wovon zwei Säulen noch bis ins 19. Jahrhundert standen,
„gantz heslich**. Seit dem Jahre 1872 bezeichnet eine am Hause
Jakobstrasse Nr. 26 angebrachte Gedenktafel die Stelle, \*^o
Graf Wilhelm sein Leben aushauchte. Leider hat die Tafel die
falsche Jahreszahl 1277. Die Dotirung der Altäre war noch
Ursache mancher Verhandlungen. Einige sagen, im Jahre 1280
seien auch die Rechte der Grafen von Jülich in Aachen über-
haupt neu festgestellt worden, namentlich sei ihnen wegen des
Geleits der Pilger, die zu den Heiligthümern zogen, der dritte
Tlicil der Opfer in der Marienkirche zuerkannt worden ^
Gräfin Rikarda bewahrte sich auch noch einige Jahre nach-
her die Regierung im Namen der Söhne. Am 5. Oktober 1279
hatte Rütger von Beck ihr seinen Sohn Reinhard zugesandt,
damit sie diesem die Lehen verleihe, die er von „ihren Söhnen*'
habe^. Am 25. Dezember 1283 bewilligt sie nebst den Söhnen
die Theilung des Speysbuschs bei dem Altenbergschen Hof
Isenkrath zwischen den umliegenden berechtigten Ortschaften.
Der Hof selbst hatte 64 Holzgewälde und musste von jeder
der Jftlichschen Familie bei der Theilung eine Mark zahlen^.
In demsc^lben Jahre 1283 tritt der Propst Walram als Graf von
Jülich auf;. Gerhard und Otto übernahmen, vielleicht nicht ganz
gern, die He^schaften Caster, bezw. Hengebach, Gräfin Rikarda
aber erscheintVn manchen Urkunden der Familie noch als mit-
handelnd und zVstimmend. So 1287 bei der Veräusserung der
Güter zu Worri^gen, des Patronats zu Kirchherten durch Ger-
hard von Jülich?^, bei der Erklärung zu Gunsten des Birkhofs
und dem Verkanif, den die Frau von Holte für die junge Mathilde
von Aremberg abschloss. Das St. Klarenkloster zu Köln ver-
ehrte jiie Rikarda als Stifterin, denn sie und ihre Söhne haben
tien Parfusenhof auf dem Berlich in der Kolumbapfarre dafür
hergegeben, eine Schenkung, die Graf Gerhard im August 1303
bestätigte und in dem betreffenden Schrein eintragen liess*.
*) Trithcraius, Chron. Hirsaug. II, p. 34; Leibnitz, Scriptores rer.
Brunsvic. II, 20; Sweertius, Rer. Belgic. annales p. 218; Magnum Chron.
Belg. ad a. 1278.
*) Lacomblct, ürkundenbuch II, Nr. 729.
') Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 785.
*) Kremer a. a. 0. III, Nr. 152 und 153; Ennen, Quellen III, Nr. 282.
^) A. D. St. Klara Xr. 2.
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1
Beiträge zur Oeschichte der Grafen von Jülich. 141
Dies ist das Haus, welches dem Werner Parfuse gehört hatte.
Unter den WitthumsgUtera der Gräfin sind uns das Haus „Jülich**
zu Köln * (Hohestrasse Nr. 111), und der Hof zu Titz im Amt Caster
bereits bekannt. Zu Pfingsten, am 25. Mai, 1292 erwarb das
Kloster Altenberg ein dahin gehöriges Hofesgut in Titz nebst dem
Recht „zu dinge ind zu ringe" von Gerhard Luceling,der dafür unter
Genehmigung der Gräfin vor Schultheis^ und Schöfi'en ein dortiges
anderes Gut in die Hofesgemeinschaft einweisen lässt^. Am
31. Januar 1293 ist die „venerabilis comitissa Juliacensis"
gegenwärtig, als Margaretha, Wittwe des Ritters Tilmann von
Jülich, dem Kloster Gnadenthal ihren Hof zu Broich vor der
Höferschaft von Pettemich, den Schöfl^en zu Jülich und dem
Graftn Walram überträgt \
Am 19. Juni 1293 besiegelt Rikarda einen Verkaufsakt,
worin Sibert von Meer eine Hofstatt, zu Meer gelegen, zinsbar
ihrem Hof in Titz, dem Kloster Altenberg überträgt ^ Dies ist
meines Wissens die letzte Urkunde, welche die Gräfin nennt.
Ihr gewöhnliches Siegel zeigt ihre stehende Figur, die rechte
Hand auf die Brust gelegt, auf der linken einen P'alken; Um-
schrift: Sigillum Richarde comitisse Juliace. Auch ein Reitcr-
siegel ist von ihr gebraucht worden, ich habe dasselbe aber stets
nur sehr verletzt vorgefunden ; das Gegensiegel zeigt ein Wappen
mit dem Löwen und die Legende: f 1*^^- ^^^- clavis. sigilli.
Icli kenne weder Jahr noch Tag ihres Todes; 1298 muss sie
nicht mehr am Leben gewesen sein, weil ihr Sohn Gerhard wohl
damals das Haus „Jülich'' in Köln besitzt*. Sie ist in der Kirche«
zu Nideggen neben ihrem Gemahl begraben. Das Grabmal scheint
etwas später, aber doch nicht nach 1350 angefertigt zu sein. Jetzt
ist^davon nur die Deckplatte übrig, welche, ebenfalls schon
sehr beschädigt, die Figuren der Verstorbenen zeigt. Der bart-
lose", pausbackige jugendliche Kopf Wilhelms IV. hat auf Porträt-
ähnlichkeit wohl nie Anspruch gemacht (falls nicht eme unge-
schickte Restauration noch manches daran verwischt hat) ; Rikardas
Gesicht ist sogar verschleiert. Das Kostüm und die Stilisirung des
*) Fahne, Salm I, 2, 44.
') A. D. Altenberg 174.
*) A. D. Kopiar von Gnadenthal 149.
*) A. D. Altenberg 177.
ö) Fahne, Salm I, 2, 44. -
^) Vgl. Organ flir christUche Kunst XVI, S- '^^ ^-
142 W. Graf von Mirbach
Wappens zur Seite des Grafen gehören noch dem 14. Jahr-
hundert und eher dessen erster Hälfte an ; die Inschrift, welche
auf ehernen Platten das Grabmal umgab, muss noch jünger
sein, da sie nicht einmal den Vornamen der Gräfin kennt, wenn
anders Brosii richtig gelesen hat^
Quis furor, o cives, decrevit perdere duces?
Stella rubens procerum, quem monstrant gesta procerum,
Moribus omatus super Herculeos trabeatus
Qui fuerat, comitem mactavit, Aquisque Quiritem,
Condita maiorum laus hac fuit urbe virorum,
His simul immissa foelix hie iacet comitissa
Irmgardis prona dominarum digna Corona^.
V. Die übrigen Kinder des Grafen Wilhelm IV.
Des Grafen zweiter Sohn war Walram, bei des Vaters Tode
Propst des Marienstifts zu Aachen. Als solcher erscheint er
schon am 30. Oktober 1273 als Zeuge von König Rudolfs
Privilegienbrief für die Stadt Kaiserswerth ^ Im Jahre 1283
ist er dem Vater als Graf in Jülich gefolgt und hat später
sein geistliches Amt niedergelegt. Ueber seine Regierung
weiter unten.
Gerhard, der dritte Sohn, erst Herr zu Caster, Graf von
Jülich 1297 — 1328, soll ebenfalls später behandelt werden.
Otto ist vielleicht nicht der jüngste Sohn gewesen, wenn
es richtig ist, dass er schon 1265 als Propst des Servatiusstifts
zu Mastricht in einem zu Paris befindlichen Kartular dieser
Kirche genannt ist*; im Jahre 1279 bekleidet er diese Würde
allerdings* und im Mai 1282 besiegelt er als Domherr und
Archidiakon von Lüttich einen Privilegienbrief seines Nefi'en
Arnold von Looz zu Gunsten des Klosters Münsterbilsen •. Auch
*) Brosii, Annales I, p. 43.
') Abbildung des Grabmals, soweit es noch vorhanden, sieh auf der
beigegebenen Tafel. Früher war es wohl eine erhabene Tumba und ein Stein
der Seitenverblendung mag der mit einer ritterlichen Figur gezierte sein,
welcher jetzt über dem Thurmeingang der Kirche angebracht ist
^) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 689.
*) Mittheilung des Herrn von Bormann zu Schalkhoven.
*^) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 730.
®) Wolters, Notice bist, sur Tancien chapitre de chanoinesses nobles
de Münsterbilsen p. 67.
L_
Beitrig« i«r G«*^hi'*hir- Äkt Grsf^-n Tt>B jQlicb« 143
war er bischöflicher Offizial ' um! jeilenfalls Priester, konnte
sonach auf die Xachfolirt* in Jnlich nirht rechnen. I)enncM*li
gelang- es ihm, aus der streitiin.n Erbschaft des Vaters die
Herrschaft Hengel>ach zu l>ek<jmmen. Als Herr da>elbst mischt
er sich am 8. Septenit)er 12^3 aurh in den Liniburerischen Erbfolge-
streit * und ist 14 Tag-e si>äter l>ei der Vendandungr Wassenl)ergs
an Kurköln unter den Verwandten des Grafen Reinald von (Feldern
genannt, welche die Burg eventuell einlr>sen können *. Etwa im
Jahre 1293 wird er gestört )en sein, und Hengebach ist der
Grafschaft Jnlich wie^ler zuirefallen.
Von Töchtern des Grafen Wilhelm IV. kenne ich folgende :
1. Mathilde, geboren um 1240, um 1258 vermählt mit
Johann, ältestem Sohn des Arnold, Grafen von Looz und
Chiny, Ritter. Regierende Gräfin ist sie wohl kaum geworden,
ich glaube, dass sie 1206 schon todt war, weil Johann sie in
seinen Urkunden von damals meines Wissens nie nennt. Er
hat sich nachher mit Elisabeth von Beloeil und Cond6 vermählt
und ist 1279, neun Jahre nach seinem Vater gestorben. Schon
1278 erscheint Arnold, sein ältester Sohn erster Ehe*. Derselbe
hatte wohl von seiner Mutter her Güter im Jülich sehen Land,
Tielleicht Pfandschaftea, und stiftet derselben am 30. März
(feria tertia ante ramos palmarum) 1316 ein Jahrgedächtuiss im
Kloster Hoven, wofür er unter Genehmigung seines Oheims, des
Grafen Gerhard, 10 Mark aus dem Bierpfennig in der Stadt
Jülich anweist ^
2. Margaretha, erscheint 1262 als Gattin des Grafen
Dietrich von Katzenellenbogen. Ihr scheint der Vater ver-
schiedene Ansprüche an die Stadt Köln als Mitgift angewiesen
zu haben, au denen auch Wilhelm, der Erstgeborene, mit-
berechtigt war. Am 13. Januar 1276 ist sie Wittw^e geworden •;
und am 10. April 1276 erklärt ihr Vater, seinen ältesten Solin
bestimmen zu wollen, dass er dem Vertrag der Margaretha mit
*) de Theux I, 323.
*) Ernst, Histoire du Limbourg VI, S. 447, wo statt Hengebach
„Beringbach" steht.
«) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 782.
*) Wolters, Cod. dipl. Lossensis an verschiedenen Stellen.
*) Elvenich, Zur Geschichte des Klosters Hoven (Programm des
Gymnasiums zu Düren 1865) S. 15, Nr. 4.
«) Dietrichs Grabstein im Museum zu Wiesbaden; vgl. A. vonCohausen,
Führer durch das Alterthums-Museura zu Wiesbaden S. 196.
144 W. Graf von Mirbach
der Stadt Köln beitrete ^ Eine im Schloss Rheinfels angebrachte
Gedenktafel über das traurige Ende ihres Vaters hat wohl
Margaretha fertigen lassen. Sie hat die Inschrift : Anno donüni
1278 obiit Wilhelmus conies Juliacensis et filius huius (eins?) et
raulti alii nobiles^ Die Gräfin starb am 12. Oktober 1292'.
3. Rikarda, vor 1265 mit dem Grafen Wilhelm von Salm
vermählt, der vorher eine Tochter Gerhards von Prouvy zur
Frau gehabt und 1297 gestorben ist. Ein direktes urkundliches
Zeugniss dafür, dass sie eine Tochter von Jülich gewesen, liegt
mir allerdings nicht vor. Rikarda und ihr Gemahl haben 1265
zu Gunsten der Abtei Hemmerode auf die Güter zu Briedel an
der Mosel verzichtet; Willielm IV. und Bischof Heinrich von
Lüttich besiegeln die Urkunde. Der Rikarda Siegel hat kein
Wappenbild, es ist ein Fusssiegel mit der Umschrift: S. Ricardis
comitisse Salm.* Graf Gerhard von Jülich nennt aber 1301
ihren Sohn Heinrich seinen Neffen^, was man allerdings nicht
wörtlich zu nehmen braucht. In vielen alten Stammtafeln ist
Rikarda Tochter Wilhelms IV. genannt. Dieses sind natürlich
sehr unsichere Quellen. So z. B. nennen solche auch Rikarda,
Gattin des Johann von Reifferscheid (f 1317), als Tochter
Wilhelms IV. Urkundlich aber heisst sie Nichte Gerhards von
Jülich ^ Da sie auch ausserdem Rikarda heisst, so glaube ich,
dass sie eine Enkelin Wilhelms IV. gewesen ist.
Ich will bei dieser Gelegenheit eine Sache berühren, welche,
streng genonunen, freilich nicht hierher gehört. A. Fahne hat
ein schätzbares Werk über die Herren von Reifferscheid,
Grafen und Fürsten von Salm verfasst^. Ich habe die zwei
Bände vielfach durchgesehen, es wird mir daraus aber nicht
klar, weshalb die Herren von Reifferscheid eigentlich die Graf-
») Enuen, Quellen III, Nr. 132.
«) A. di Miranda, Ein Fiirstenlebcn S. 120. Die Jahreszahl 1278
macht die Gleichzeitigkeit der Tafel vielleicht verdächtig, ich habe sie
selbst nicht gesehen.
») Cohn, Stammtafeln 211.
*) Fahne, Salm 11, S. 82.
^) Qu ix, Cod. dipl. Aquensis no. 256.
«) Fahne, Salm II, S. 88.
^) Das gesammte zugängliche Material aber hat er nicht benutzt, z. B.
A. D. Herrenstrunden ; soviel ich im Repertorium von Herrenstrunden gesehen,
heisst die Mutter Friedrichs von Reifferscheid 1225 Beatrix von Hunseit
Diese findet sich bei Fahne nicht.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. U5
Schaft Salm erbten. Auf S. 55 des ersten Bandes steht eine
Genealogie der Grafen von Salm. Da soll der letzte (iraf
Heinrich eine Schwester gehabt haben, welche Muttor des 1475
verstorbenen Johann von Reifferscheid gewesen. Auf S. 121
steht dann eine durch Urkunden belegte Stammtafel der Herren
von Reifferscheid, danach hatte Johanns Vater gar keine Salm
zur Frau, sondern der Sohn stammte von Jutta von Cuylenburg.
Sehen wir nun nochmals auf S. 55, so finden wir, dass (wenn
anders die Stammtafel richtig ist) im Jahre 1410 die Nachkommen
des Sohnes des Wilhelm Grafen von Salm und der Kikarda
Von Jülich in männlicher und weiblicher Linie erloschen waren.
Töchter Willielms sind nicht genannt. Wenn ich nun aniu^hme,
dass die Rikarda, welche Graf Gerhard von Jülich seine Nichte
nennt, die Frau von Reifferscheid nämlich, Q\n^^ Tochter des
Grafen Wilhelm von Salm gewesen, so waren ihre Nachkommen
die nächsten Blutsverwandten des 1416 verstorbenen (J raten
Heinrich und mussten in Salm succediren. Dass .Johann von
Reifferscheid, erster Graf von Salm, den Heinrich seinen Oheim
nennt, darf nicht befremden, es war zwischen dem altern Heinrich
und dem viel jungem Johann Verwandtschaft im 4. zum 5.
kanonischen Grade vorhanden, und dass sich solche Vt^rwandte
im Mittelalter noch Oheim, Neffe oder Vetter nennen, dalllr gibt
es viele Beispiele. Erbschaften oder Krbaussichten namentlich
schaffen ja heute noch „liebe Oheime**, selbst ohne Hluts-
verwandtschaft. — Man möge mir diese Konjektur hier v(^r'
zeihen; merkwürdig ist es, dass noch Niemand sich die Mllhc^
gegeben zu haben scheint, den Anfall der Grafschaft Salm zu
erklären.
4. Katharina, urkundlich Tochter Wilhelms IV., kennen
wir als Gattin des Johann von Aremberg, Burggrafen zu Köln *.
Am 22. November 1279 verkaufen sie und ihr Mann dem
Kloster Camp 14 Morgen Land bei Auenheim ^. Johann ist
vor 1287 gestorben, sein und seiner Gattin Memorie wurde
am 17. März in Gladbach gehalten ^ Katharina lebte 1287 als
Wittwe und Vormünderin ihrer kleinen Tochter Mathilde.
*) Lacomblet, Urkundenbuch II, Nr. 827.
») A. D. Camp, 1875 noch nicht repertorisirt. An i\vT Urkunde hängt
auch das Siegel der Katharina.
3) Böhmer, Fontes III, p. 358; Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins
II, S. 212.
10
146 W. Graf von Mirbach
5. Peronetta. Wie mag sie zu diesem Namen gekommen
sein? Sie wurde die Gemahlin des Ludwig von Arnsberg,
Sohnes jenes Grafen Gottfried, den wir als Freund und Waffen-
gefahrten Wilhelms IV. kennen gelernt haben. Ludwig nennt
sich schon vor 1281 Graf, also noch bei des Vaters Lebzeiten.
Im Jahre 1276 kommt zuerst seine Frau vor, die sich 1279
Gräfin schreibt. Ludwig verkauft 1278 als iunior comes mit
Bewilligung des Vaters seiner Gattin und seiner Söhne, sowie
des Bruders und der Arnsbergschen Ministerialen der Stadt
Soest seine Vogtei daselbst, ohne der Mitrechte des Hengebach-
Jülichschen Hauses zu erwähnen ^ Wir wissen ja, dass Wilhelm III.
diese noch hatte. Gehörten sie vielleicht jetzt der Peronetta?
Das Siegel der Gräfin, welche häufig als zustimmend in den
Urkunden ihres Gatten erscheint, zeigt ihre Figur stehend,
von dem Arnsberger und Jtilicher Wappen beseitet, und die
Legende: S. Pirouette comitisse de Arnesberg. Dies Siegel
besass sie schon 1276, als Ludwig noch keines hatte. Sie hat
ansehnliche Stiftungen im Kloster Wedinghausen für die Seelen-
ruhe ihres Vaters, sowie ihrer Brüder Wilhelm und Roland
gemacht, beschenkt 1296 auch das Stift Fröndenberg und
erscheint zuletzt am 22. Februar 1301 K Am 6. Januar 1304
(1305) hat Graf Ludwig dem Kloster Wedinghausen das Vogt-
geld zu'Grevel erlassen unter der Bedingung, dass es sein und
seiner in der Maria-Himmelfahrts-Oktav verstorbenen Gattin
Peronetta Jahrgedächtniss halte ^. Vielleicht ist sie die Gräfin von
Arnsberg, deren Memorie Wedinghausen nachher am 13. August
begingt, weil in der Festoktav keine Todtenmesse sein konnte.
Ihr Gatte starb am 2. Mai 1313.
6. Mathilde, nicht zu verwechseln mit der ältesten Schwester,
heisst 1287 nocli puella*^ und ist wahrscheinlich am 2. Mai
unvermälilt gestorben, wenigstens ist unter diesem Tage eine
Mechtildis nobilis de Juliaco im Nekrolog der Franziskanerinnen
zu Köln eingetragen^.
*) Kindlinger, Münsterische Beiträge III, 1, 216.
*) Seibertz, Quellen III, 484; Hüser, Repert. von Arnsberg I, 344;
Selbe rtz, Geschichte der Grafen von Arnsberg S. 207, 242, 252; Kindlinger
a. a. 0. III, 1, 270.
*) Strange, Beiträge zur Genealogie der adligen Geschlechter VII, S. 60.
*) Seibertz, Geschichte der Grafen von Arnsberg S. 254.
») Kremer, Akad. Beiträge III, Nr. 152.
«) Kremer a. a. 0. III, S. 61.
Bfiträfire zur <"i»r*<y rLte der «irAf-o Ton Jülich. HT
Es werden auch niwrh eine Hisabeth, eine Blanofli>s um!
eine Adelheid als Töchter W^lbelm^ IV. ansrefuhrt, urkundlich
finde ich sie nicht. Blancfli^, Blancheflus von Jülich nennt auch
Lehmann als Gattin des Grafen Heinrich von Sponheim-Starken-
bürg. Graf Walram von Jülich bezeichnet 1 283 einen Wilhelm
von Sponheim als seinen Verwandten*. Ich lasse die Sache
dahingestellt sein.
Von den natürlichen Söhnen Wilhelms IV, sind uns (Jerhard
und Roland bekannt. Beide fielen 1278 an der Seite ihres Vaters
im Strassenkampf zu Aachen ^ Roland scheint sich der schwester-
lichen Zuneigung der Grafin von Arnsberg erfreut zu haben.
Vielleicht gehört hierhin auch Wilhelm von Jülich, der um 1312
vier Hufen bei Riexen (?) von Brabant zu Lehn tnig*; ferner
Gerhard von Jülich, 1298 doctor decretorum und Johanniter-
komthur zu Hechelnd
VI. Walram I. Herr zu Bergheim.
Walram I. kommt, wie wir schon sahen, häufig neben seinem
Bruder, dem Grafen Wilhelm IV., vor, namentlich bei Schenkungen,
Verzichtleistungen und solchen Rechtshandlungen, welche die
Gegend von Bergheim betreflen. Genannt ist er zuerst am 1 . Oktober
1231, wo er und Wilhelm, mit Beirath der Limburgisdieu Oheime,
dem Kloster Dünwald den Rottzehnten von 18 Morgen unter
der Bedingung überlassen, dass dieses sie im Besitz des
sonstigen Zehntens zu Garsdorf niclit störe ^ Von .IttlichHchon
Vasallen sind dabei genannt Gottschalk von ('unter und Kvoiiiard
Droste von Diestemich, die andern Zeugen waren offenbar Limburg-
Bergische Unterthanen. Es scheint, drtss, als Willielm IV. die
alte Grafschaft Jülich übernahm, die Nebeiigüter noch oln(»
Reihe von Jahren ungethcilt in den Hllndon beider Hrüder
blieben. Der Graf baute bekanntlich \nA BerglM^Ini (\h)V\*)
eine Burg, welche 1239 zerstört worden ist. KInige .fahre
*) Kremer, Akademische Beiträge III, Nr. 148.
*) Vgl. Gesta abbat. Trudon., Mon. Germ. ÖS. X, p. 4()4i Ainmlp«
Floreff., Mon. Germ. SS. XVI, p. 628.
') Livre des feudataires de Jean IIL de Brabant, od. Galculoot , p. 200.
*) Lacomblet, Urkundenbuch II, Nr. 989.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 172; s. Korth in der ZoitHcbrlft dnn
Bergischen Geschichtsvereins XX, S. 66, Nr. 33.
10*
148 W. Graf von Mirbach
später hatte Walram in der Nähe Allodialgüter erworben, wahr-
scheinlich das spätere Gericht Bergheim, nämlich das Dorf
Thorr, einen Theil von Zieverich, mehrere Mühlen und ein paar
Häuser bei Bergheimerdorf. In der Nähe der Mühle hat dann
Walram sich ein neues Schloss gegründet, wo bald darauf das
Städtchen entstand ^ Nun erhielt er vom Bruder die schon
oben spezifizirte Vogtei Bergheim* als After- und Mannlehn,
ausserdem noch einige Vogteien in der Nähe, welche, mit den
genannten Gütern verbunden, die von Jülich lehnbare Herr-
schaft Bergheim bildeten, aus welcher im 14. Jahrhundert das
Amt Bergheim erwuchs. Zudem hat er vielleicht auch Antheil
an der Grafschaft Nörvenich bekommen. Zwischen Köln und
Bergheim war das Stift Maria im Kapitol zu Köln Grundherr
zu Eflfem, Stotzheim, Fischenich, Weiler, das Cäcilienstift zu
Stommeln, Ingendorf, Rath; zu Dormagen, Horrem, Rheinfeld
das Andreasstift, das Gereonstift zu Junkersdorf und Poulheim;
das Kloster Montfaucon zu Wesseling; das Ursulastift zu Büs-
dorf, zu Geyen das Domstift, zu Türnich das Kloster Relling-
hausen. Alle diese Vogteien gehörten später zum Jülichschen
Amt Bergheim und wohl sicher schon zu der Herrschaft des
Walram, welcher auch noch einige Schutzherrlichkeiten über
Güter der Klöster Camp, Brauweiler, Dünwald besass, die in
der Folge nicht bei Jülich geblieben sind.
Schon im Mai 1243 gelobt Walram, des Bischofs Robert
von Lüttich Vasall zu werden für 300 Mark und vor Weih-
nachten seine Güter zu Thorr und Giesendorf nebst drei Mühlen
in Bergheim als Lehen zu stellen, die eine Jahresrente von
30 Mark abwarfen. Erst in der Osterwoche 1246 quittirt er
über das empfangene Manngeld ^. Am D(mnerstag vor Martini
des Jahres 1245 ist Herr Walram zu Hamoir bei dem Vertrag
zwischen genanntem Bischof und seiner Tante Isabella von Bar,
Frau von Montjoie, gegenwärtig*.
Im April 1246 verzichtet Walram für 57 Mark auf den
Rottzehnten in den Brauweilerschen Waldungen Brahm und
*) Die Kirche in Bergheim, wie sie noch zum Theil steht, ward 1175
durch Erzbischof Philipp eingeweiht. Franquinet, Klosterrade p. 292.
*) Lacomblct a. a. 0. III, Nr. 163. Erklärung des Grafen Gerhard
Ton Jülich, welcher der Erzhischof von Köln wegen einer spätem Auftragung
des Schlosses Bergheim an sein Stift widersprach.
*) A. di Miranda, Ein Fttrstcnleben S. 46 und 65.
*) Ebenda«. S. 65.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 149
Hanepütz*; Zeugen sind die Bergheimer Vasallen Hermann
Sneda, Wilhelm von Laach, Werner von Asmundslo (Aspersclilag),
Dietrich von Milenheim der Droste und Hermann der Notar
des Walram.
Am 10. November 1248 steht der Herr von Bergheim auf Seite
des neuen Königs Wilhelm von Holland, der ihm, als seinem lieben
Getreuen, den Auftrag ertheilt, das im Gebiet des Reichsorts Duis-
burg gelegene Kloster Düssern zu beschützen^. Bereits am
18. Oktober ist Walram beim König zu Aachen ^ Im Jahre 1249
ist Walram, „Bruder des Grafen von Jülich", als Zeuge anwesend
gewesen, als Peter, Sohn des Marsil Galge von Königshoven,
30 Morgen Allodialland und eine Hofstatt daselbst für 24 Mark
Aachener Denare dem Kloster Reichenstein verkauft und sie gegen
einen Erbzins von 8 Malter Roggen und 4 Malter Weizen zurück-
erhalten hat. Zeugen sind ferner noch die Gebrüder Sibert und
Ingram von Königshoven, Johann von Eisdorp (?) (Elsdorf?),
Heinrich Verken, Heinrich Munt und Jakob von Elrehoven
(Alhoven) *.
Walram versprach sich bedeutenden Ländererwerb durch
seine Verlobung mit Mathilde von Mühlenark, welche das einzige
Kin(^ des Konrad und der Mathilde von Hochstaden war. Der
Hochstadensche Mannesstannn beruhte nämlich nur mehr auf
zwei Geistlichen, Brüdern der Mathilde, dem Erzbischof Konrad
von Köln und seinem Bruder „ex utroque parente** ^, dem Propst
Friedrich von Xanten. Gleich nachdem 1246 der weltliche
Bruder Graf Dietrich gestorben war, beredeten die Verwandten
der Wittwe Bertha von Montjoie, unter denen auch Walram
von Jülich ist, einen Vergleich mit Erzl)ischof Konrad wegen
des Witthums*^. Nachdem von den Schwestern einige auf das
Hochstadensche Erbe verzichtet hatten, übertrug am 16. April 1246
der Propst Friedrich, der sich verus heres in Hochst<iden nennt,
diese Grafschaft nebst der von Ahr und dem Schlosse Hardt
») Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 299.
*) Böhmer-Ficker, Regesta imp. 1198-1272, no. 4940; Lacomblet
a. a. 0. II, Nr. 326, Amn.
^) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 335; Böhmer-Fickcr 1. c. no. 4932.
*) A. I). Kopiar von Rcichenstein II, 1579.
*) A. D. Erzstift Köhi Nr. 36G.
®) Publ. de la soc. pour la recherche et la conservation des mon. bist,
dauö le (irand-Duche de Luxembourg XIV, p. 109.
150 W. Graf Ton Mirbach
dem Erzstift Köln ^ Der Bruder Konrad genehmigte die Schenkung-
als Hochstadenscher Erbe, als Erzbischof setzte er sich in Besitz.
Sehr viele zu Ahr und Hardt gehörige Güter waren Lehen der
Abtei Prüm, namentlich Rheinbach, Münstereifel, Alirweiler und
Wichterich. Der Erzbischof wusste, dass diese Besitzungen
nicht Mannlehen seien, also auf die nächsten Erben allemal
übergingen und so wären sie denn schliesslich sicher an die
junge Mathilde und deren Bräutigam Walram von Jülich
gefallen. Dem wollte er begegnen. Bei dem Abt von Prüm
sowohl als beim Papst setzte er es durch, dass die Abtei
auf das Obereigenthum verzichten wollte, wenn der Erz-
bischof ihr dafür reiche Pfarreien inkorporirte. Er versprach
ihr am 2. Juni 1247 seinen Schutz^. Jetzt sollte wie über
Allodien in Bezug auf diese Güter disponirt werden. Nachher
jedoch, vielleicht auf Betreiben Walrams, war die Abtei nicht
zu bewegen, das Geschäft perfekt zu machen. Denn Walram
beanspruchte, da die Mutter seiner Braut schon todt war und
keinen Verzicht geleistet hatte, auch die Prümschen Lehen imd
andere Güter der Grafen von Hochstaden, und die AUodifizirung
ersterer hätte doch mit Bewilligung der Agnaten geschehen
müssen. Im Januar 1249 versuchte Erzbischof Konrad einen
Vergleich mit Walram, der, weil es auch Güter des Stifts betraf,
die Genehmigung des Domkapitels, der Edelherren und Vasallen
von Köln erhielt^. Zunächst verpfändet der Erzbischof den
Brautleuten seine ehemals Hochstadenschen Gefälle zu Heerlen
für 500 Mark, weist ihnen in vier Terminen zu bezahlende
400 Mark an, überlässt ihnen die Forderung des Grafen von
Hochstaden an den von Geldern, 1000 Mark, die der Herzog
von Brabant schuldet, und Einkünfte von 100 Mark, die der
Herzog auf seine Allodien zu Heerlen und Güter zwischen Ahr
und Roer angewiesen hat (als Entschädigungsgelder für die
Grafschaft Dalheim). Wegen dieser Geldrente von 100 Mark
soll Walram von Jülich jetzt Brabantischer Vasall werden. Bis
zu der Zeit, dass die Brabantischen Gelder eingehen Averden,
sind dafür die erzbischöflichen Gefälle zu Richterich, Bardenberg
und Broich, geschätzt auf 90 Mark jährlich, von der Bede zu
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 297.
*) A. D. Erzstift Köhi Nr. 108; die Güter schon im Reg. bonorum
monasterii Prumiensis bei Beyer, Mittelrh. Urkundenbiich I, Nr. 135.
^) Lacomblet, Urkundenbucb II, Nr. 342.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 151
Zülpich 40 Mark, 25 Mausen zu Geich, Füssenich und Eilich (?),
jährlich 60 Mark liefernd, und die Bede daselbst mit 10 Mark
verpfändet. Die Lehen, welche die Grafen von Hochstaden von
Limburg trugen, kann Walram ansprechen, ebenso das Reichs-
geldlehn von 60 Mark zu Kaiserswerth. Die ehemals Prümschen
Lehen aber soll Walram nicht beanspruchen, bis die Frist ab-
gelaufen ist, in der er und seine Braut definitiv sich erklären
müssen, ob sie diesen Vertrag annehmen wollen: wenn die
Braut nämlich 12 Jahre alt und die Ehe vollzogen ist, sollen
alle weitern Reklamationen wegen der Hochstadenschen Güter
unstatthaft sein, falls sie nicht dann binnen Jahr und Tag
angebracht worden. Wird dieser Vertrag innerhalb der Frist
verworfen, so gilt er als nicht geschlossen und müssen die schon
angewiesenen Gelder, doch ohne die gehabte Nutzung, zuerst
restituirt werden und dann soll der Erzbischof den Eheleuten
binnen Jahr und Tag ohne Fristverlängerung gerecht werden,
ohne dass deshalb Krieg angefangen wird, sondern nach Schieds-
spruch. Stirbt Matliilde als Braut, so fallen die obigen Güter
dem Erzstift wieder zu, das dann nur Walrams Lehen um 500
Mark vermehrt, stirbt sie als Frau kinderlos, so hat Walram
nur die Leibzucht daran, dafür soll er Eigengüter zu Pfand
stellen. Wegen des Schlosses Münchhausen wird bestimmt, dass
es dem Erzbischof zurückgegeben wird, falls Walram nach der
Heirath diesen Vertrag annimmt, wo nicht, so bleibt es beim
jetzigen Besitzstand und darf inzwischen dem Erzstift daraus
kein Schaden geschehen ^
Walram bringt seiner Frau das Schloss Bergheim mit 200
Mark an Einkünften in die Ehe; als Bürgen stellt er den Herzog
von Limburg, die Grafen von Berg, Jülich und Kessel, die Herren
von Wassenberg, Blankenheim, Schieiden, Montjoie, Wiklenberg,
Reifferscheid, Diest, Dyck und Mühlenark, der Erzbischof stellt
ebenfalls die drei Erstgenannten und den Herrn von Schieiden,
ferner die Grafen von Vianden, Nassau, Neuenahr, die Herren
von Vianden, Fels, Heinsberg, Dollendorf, Wassenberg, Milen-
donk, Wickrath, Saffenburg und den Vogt von Köln.
Von den 200 Mark Rente, welche Walram der Mathilde als
Brautschatz geben sollte, wies er 100 auf seine Einkünfte zu
Stommeln und Poulheim an, sein Bruder aber, von dem diese
') Vgl. CardauüM, Konrad vou Hostaden, Erzbischof von Köln S. 61 ff.
152 W. Graf von Mirbach
Güter zu Lehen gingen, behielt sich am 2. Mai 1250 die Ein-
lösung für den Fall vor, dass Walram etwa sterben sollte ^ Der
Erzbischof seinerseits liess es sich gleichfalls angelegen sein,
dem für ihn so vortheilhaften Vertrag nachzukommen. Die oben-
genannten 400 Mark waren am 20. März 1250 bezahlt*, imd
am 3. Mai verspricht Walram zu Lüttich, wenn er die Haupt-
summe der Einkünfte von 100 Mark erhalten habe, binnea
Jahresfrist ein Gut von entsprechendem Werth als Lehn von
Brabant anzuweisen ^, das Mathilde und ihre Erben von Brabant
trügen und, wenn sie deren nicht erhalten sollte, an das Erz-
stift zurückfiele. Erzbischof Konrad und Graf Wilhelm besiegeln
dieses Gelöbniss^. Im Mai des folgenden Jahres 1251 quittirt
Walram zu Neuss über erhaltene 1000 Mark von der Braban-
tischen Schuld, wofür der Mathilde wiederum 100 Mark Gefölle
angewiesen werden sollen*.
Soweit schien nun Alles recht gut sich nach dem Provisorial-
vertrag zu ordnen. Aus dem Jahre 1249 ist noch eine unbedeutende
Sache, die Verlegung eines Weges, nachzutragen, welche der
Herr von Reifferscheid-Bedburg bei dem Campschen Hof Auen-
heim vorgenommen hatte und die Wali-am bestätigt^. Zeugen
sind Wilhelm Peps, Koen von Bohlendorf, Everwin Ulrich und
Koen von üoltrop, Heinrich und Gyse von Fliesteden, lauter
Vasallen von Bergheim, wie es scheint. Im folgenden Jahre
überlässt Walram dem Kloster Camp einen Rottzehnten von
50 Morgen im Grevenforst. Zeugen sind Ritter Gerhard von
Aachen und der Bergheimer Droste Kuno ^.
Im Juni 1250 erklärt Walram zu Köln unter Mitbesiegelung
seines Bruders, dass die Abtei Kornelimünster den Hof Olsheim
(Ousheim, x\us8cm?) aus seiner Pfandschaft gelöst und dass er
keine Rechte mehr daran habe *. Mit Bewilligung des Bnidei*s
als Lehnsherrn hat Walram am 11. September 1253 auf Bitten
^) Lacomblct a. a. 0. II, Nr. 359.
«) Günther, Cod. dipl. Rheno-MoseU. II, no. 133 und A. D. Erzstift
Köln 118.
») Günther 1. c. II, no. 138.
*) Vgl. auch Butkens, Trophöes I, preuves p. 91, A. D. Erzstift Köln
126, A. di Miranda a. a. 0. S. 65.
*) Vgl. A. D. Erzstift Köbi 126'.
«) A. D. Camp.
0 A. D. Camp.
*) A. D. Kornelimünster Nr. 10.
Beiträge zur Geschichte der Grafen von Jülich. 153
seines Verwandten, des Domthesaurars Philipp, gestattet, dass
von dem Walde bei Anstel, Havel genannt, 3 V2 Hufe gerodet
werde und die Domthesaurie gegen Bezahlung von 40 Mark
den Novalzehnten behaltet Im Jahre 1254 ist Wahram Zeuge
bei dem Vertrag zwischen der Jutta von Bedburg und Herrn
Gerhard von Kempenich ^ und am 20. März nebst seinem Bruder
bei der Theilung zwischen Elisabeth von Montjoie und dem
Grafen von Luxemburg zu Stablo gegenwärtig.^. Ein Haus
zu Köln erwirbt er 1255, es lag auf dem Altenmarkt und hatte
einem gewissen Buso zugehört '*.
In der Zwischenzeit aber, und wohl als er geheirathet, hatte
Walram dem Vertrag zuwider in der Hochstadenschen Erb-
angelegenheit zu den Waflfen gegriffen, ins Erzstift einen Ein-
fall gemacht und übel in dem Lande gehaust. Man vermuthete,
dass er es darauf abgesehen habe, den Erzbischof sogar beim
Papst anzuschwärzen und seine Schritte zu vertheidigen. Der
Kölnische Klerus wandte sich demnach (wann, steht leider noch
nicht fest ^) mit der Bitte an den Papst, dem Friedensstörer kein
Gehör zu schenken, indem der Vertrag von 1249 dessen Unrecht
erweise, für welchen die Bestätigung erbeten wird. Sie erfolgte
durch Innocenz IV. am 27. September 1254 und ward am
9. Februar 1255 durch den Nachfolger Alexander IV. wieder-
holt ^ Unterdessen hatte aber die Fehde fortgedauert und wahr-
scheinlich zum Nachtheil Walrams, der sich am 15. Oktober 1254
zu einem für ihn wenig günstigen Vergleich herbeilassen musste',
obgleich sein Bruder Wilhelm ihm Hülfe geleistet hatte. In Bezug
auf die Ansprüche der Eheleute Walram und Mathilde unterwerfen
die Jülicher sich gänzlich dem Erzbischof und erklären sich
für immer zufrieden mit dem, was er ihnen zugestehen werde;
beginnt Walram deshalb neuen Krieg, so sollen der Bruder und
dessen Helfer ihm nicht beistehen. Den bisherigen Kriegsschaden
•) A. D. Chart, des Domstifts f. 136.
*) Eltcster und Goerz a. a. 0. III, Nr. 1277.
') Publ. de la soc. pour la recherche et la coiiservation dos inoii. hist.
dans le Cirand-Duch^ de Luxembourg XV, p. 08. Ich kenne nur das Regest
und weis» daher nicht, ob die Urkunde vielleicht ins Jahr 1255 zu setzen ist.
*) Fahne, Gesch. der Kölnischen Geschlechter I, S. 210 und Salm
I, 2, 44.
*) Lacomblet a. a. O. II, Nr. 342, S. 181, Anm. 1.
«) A. D. Erzstift Köln 254.
^) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 404.
154 W. Graf von Mirbach
musste Graf Wilhelm ersetzen nach dem Spruch des Grafen
von Luxemburg und des Erstgeborenen von Cleve. Wichterich
ist dem Kitter Arnold wieder einzuräumen, Mühlenark aber
dem Schwiegervater Walrams. Der Friede ward im Lager bei
Blatzheim geschlossen. Neuer Streit brach aber im folgenden
Jahre aus, nachdem der Graf von Berg sowohl als Walram von
Jülich wieder verschiedene Kottzehnten in Anspruch genommen
hatten, die der Erzbischof ihnen nicht verstatten wollte. Papst
Alexander IV. beauftragte am 18. August 1255 den Scholaster
von Strassburg, die gedachten Herren zu mahnen, eventuell aber
mit Kirchenstrafen gegen sie einzuschreiten ^ und sie jedenfalls
zur Erstattung der Kriegsschulden anzuhalten ^. Walram scheint
nun, so lange Erzbischof Konrad lebte, nicht mehr viel erreicht
zu haben.
Im Dezember 1256 verzichtet er zu Gunsten des Klosters
Knechtsteden auf die in seinem Ländchen gelegenen, von diesem
angesprochenen Rottzehnten, wie es auch Graf Wilhelm gethan
hatte ^. Ausser einigen schon genannten Ministerialen von Berg-
heim sind Heinrich von Gersdorf (Garsdorf) und Winnemar von
Wiedenfeld hierbei Zeugen. Am 26. Dezember verspricht von
London aus Graf Richard von Cornwallis, nach seiner Erwählung
zum deutschen König dem Erzbischof von Köln alles das
bestätigen und ausführen zu wollen, was er gelobt habe, nur
in Bezug auf die Versöhnung Konrads mit dem Kardinal Caputius
hätten Walram von Jülich, Friedrich von Schieiden und der
Scholaster von Bonn die Vermittlung übernommen, den Termin
aber auf seine (Richards) Bitte bis zum 15. August verschoben^.
Graf Richard wurde bekanntlich am 13. Januar 1257 bei Frank-
furt wirklich zum König erwählt und am 17. Mai zu Aachen
gekrönt. Walram ist beim König zu Aachen am 22. und zu
Köln am 27. Mai^ Richard ernennt ihn zum Marschall des
königlichen Heeres und er befehligt als solcher am 15. Juli
im Lager zu Boppard^. Am 20. März 1258 war allerdings
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 418.
«) Lacomblet a. a. 0. IV, Nr. 667.
') Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 197, Aum.
*) Ebendas. II, Nr. 430; Böhmer- Ficker 1. c. no. 5289.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 438 und 441; Böhmcr-Ficker 1. c.
no. 5299 und 5304.
ö) Eltester und Goerz a. a. 0. III, Nr. 1406; Böhraer-Fickcr
1. c. no. 5314.
Beiträge zur Getn-hichte der (Jrafen von Jülich. 155
sein Verhältniss zum Erzbischof noch ein gespanntes, weil er
damals von der Sühne zwischen Konrad und der Stadt Köln
ausgeschlossen wird*. Da wir ihn aber sonst in Urkunden
während der ersten Anwesenheit Richards in Deutschland selten
finden, so ist wohl anzunehmen, er sei bis zum Winter auf 1259
bei dem König am Oberrhein gewesen, und dort wohl hat er
am 7. Juli 1258 bei einem Tauschgeschäft zwischen seinem
Bruder und dem Grafen von Sponheim und Sayn als Zeuge
fungirt*. Auch der Erzbischof ist dabei. Am 30. März 1259
ist er unter den Vasallen des Grafen von Luxemburg noch in
einer Angelegenheit des Oberlands thätig, nämlich bei dem
Vergleich zwischen der Abtei Himmerode und Kitter Dietrich,
dem Sohn des verstorbenen Propstes Dietrich von Bitburg'.
Im Februar 1259 hat er aber als Herr zu Bergheim der
Abtei (.'amp gestattet, alle Wohnstätten in dem Dorf (villa)
Volbrechtshoven, welche sie besitzt oder erw^erben würde,
abzubrechen, und den Platz in Ackerland zu verwandeln. Kr
erwähnt dabei des Konsenses seiner Gattin, seiner Erben, Vasallen
und Ministerialen, von denen Ensfried von Carmen, Konrad von
Aachen und der Droste Kuno ausdrücklich genannt sind*. Vol-
brechtshoven wird seit der Zeit verschwunden sein, es lag wohl
in der Nähe von Gumbrechtshoven ((iommershoven). Walram
und Mathilde verkaufen im April 1260 (vielleicht auch 1261) dem
Kloster Altenberg die Zehnten von 3 Hufen und 20 Morgen in der
Pfarrei Höningen. Zeugen sind von Bergheimer Vasallen und
Beamten Heinrich Spunc der Droste, Caesarius der Kaplan,
Werner von Höningen, Gottschalk der Vogt zu Stommeln und
Rütger Vogt zu Poulheim^ Das iSiegel Walrams ist verletzt,
das seiner Frau stellt sie dar zur Jagd reitend mit dem Falken
auf der Rechten; Legende: f »^- I^^^i 0) Meghildis uxsoris
fratris comi. Ju. f Walrams Reitersiegel, auf dem das Pferd
heraldisch rechtshin springt, hat die Umschrift: f S. Walravii
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 434; Enncn und Eckert z, Qucllon
II, Nr. 382. Zu der unrichtij^en Datirung der Urkunde bei Lacomblet vy:l.
C ar da uns in den Annalen des bist. Vereins f.d. Niederrhein XXI. XX II, S.273f.
») Eltester und Goerz a. a. 0. III, Nr. 1453.
«) Ebenda». III, Nr. 1481.
*) Lacomblet a. a. (). II, Nr. 462. Die Urkunde hat Ensverdus de
Cormene, Ensfridus nennt er sich 1258, als er wej?en zweier Hufen bei
Curnien Kölnischer VasaU wird (A. D. Erzstift Köln 171),
*) A. D. Altenberg 94.
156 W. Graf von Mirbach
fratris comitis Juliacensis. So hat er sich auch meist in
Urkunden genannt, seltener einen Herrn zu Bergheim. Den
Verkauf von 1260 (1261) hat Erzbischof Konrad bestätigt, das
Kloster hatte jedoch diesen Genehmigungsbrief verloren, weshalb
1276 Erzbischof Siegfried denselben erneuerte Am 26. Januar
1261 haben Walram von Jülich und Mathilde, seine Frau, auf die
ßottzehnten Brauweilers im Asp nicht niu-, sondern auch
im Brahm, Mersel, Wiedehau und Hanepütz verzichtet, eine
Konzession, welcher Graf Wilhelm nebst Familie zugestimmt
hat*. Der Graf wird hier venerabilis genannt, nicht weil er,
wie Lacomblet sagt, Propst zu Aachen gewesen, wovon ich nichts
weiss, vielmehr wird dieses Beiwort Hen-en und Rittern zuweilen
gegeben, auch der Gräfin Rikarda 1288; der Graf von Berg
führt es ebenfalls um diese Zeit, dieser vielleicht auch deshalb,
weil er dem Ordenshaus Herrenstrunden ehrenhalber adskribirt
war. Am 11. August 1261 bekunden Graf Wilhelm und sem
Bruder Walram, dass wegen der Zehnten und andern Güter
der Pröpstin zu Essen, die zu Kutzde lagen ^, ein Streit mit
dem Ritter Volkmar von der Stesse entstanden, dem dieser
jetzt, nachdem ihm 17 Mark versprochen worden, entsagt habe^
Zeugen sind verschiedene Jülichsche und Bergheimsche Vasallen
wie Reinhard von Drove, Johann von Winden, Eustachius
(Verken?) der Droste und Kuno von Mühlenark. Letztern
halte ich unbedingt für einen Vasallen Walrams. Wir erfahren
nämlich später, dass Mathilde von ihrem Vater, vorbehaltlich
seiner Leibzucht, das Schloss Mühlenark erhielt. Sie erlangte
nachher unter Erzbischof Konrads Nachfolger die Kölnische
Belehnung mit demselben, obzwar der Verwandte, Graf von
Sayn, das Obereigenthum mit noch mehr Recht beanspruchte.
Nachdem Mathilde verheirathet war, ist ihr Vater, sonst auch
Clevischer Burggraf und Vasall zu Tomburg, in eine zweite
Ehe mit der Tochter von Saffenburg getreten und hat noch
einen Sohn Hermann von Tomburg erzeugt, der in der Folge
Mühlenark dem Sohn Mathildens streitig machtet
») Ä. D. Altenberg 107.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 500.
^) Dorf, dann Hof, nachher verschwunden, in der Pfarrei Berrendorf auf
Desdorf zu, wo ein „Fussfall" noch vor nicht langer Zeit an einem Kreuzweg
stand. Jetzt heisst es dort „am Kutzder Fussfall".
*) A. D. Essen 44.
'') Vgl. Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 731.
Beiträge zur OeÄchichte der Grafen von Jülich. 157
Erzbischof Konrad starb am 28. September 1261 und nun fiel
Walram, wie schon oben erzählt worden ist, nebst andern Herren
in das Kölnische Gebiet ein, um sich während der Sedisvakanz
einen möglichst bedeutenden Antheil an dem Erbe der jetzt
gänzlich erloschenen Grafen von Hochstaden zu sichernd
Am 7. Mai 1263 ward Walram Edelbürger der Stadt Köln und
verpflichtete sich ihr unter ähnlichen Bedingungen wie sein
Bruder zu einer Hülfeleistung mit 9 Rittern und 15 Knappen*
gegen ein Lehngeld von 100 Mark jährlich.
Das Bündniss, welches am 9. Juni 1262 der Graf Adolf von
Berg mit der Stadt Köln einging, half Walram vermitteln, der
überhaupt bei ihren verschiedenen Streitigkeiten und Verträgen
mit dem neuen Erzbischof Engelbert von Valkenburg öfters
genannt ist in den Jahren 1263 und 1265*.
Der Herr zu Bergheim muss im Herbste 1261 doch
manchen Vortheil im Kriege errungen haben, denn der neue
Friede, welcher in Bezug auf das Hochstadensche Erbe 1262
geschlossen ward, ist für ihn bedeutend günstiger gewesen,
als der Vertrag von 1249. Zunächst glaube ich, dass er die
Gerichte Richterich, Bardenberg und Broich trotz der Verwerfung
dieses Vertrags behielt, denn die Orte bleiben in der Folge
bei Jülich. Den Frieden haben 1262 Otto Propst zu Aachen
und Dietrich von Valkenburg vermittelt^. Walram und seine
Gemahlin mussten allerdings auf die Gebiete von Hochstaden, Ahr
und Hardt nebst den zugehörigen alten Burglehen verzichten,
sie erhielten aber die neuem von Erzbischof Konrad verliehenen,
die pfälzischen sowie die Prümschen, und für die Abfindungs-
sunmie wegen des Verzichts auf Hochstaden sollen sie Güter
zu Kölnischen Lehen machen. Wegen Ahrweiler, Rheinbach und
anderer streitiger Orte wurden Ausgleichungen vorgesehen. —
Nun fordert am 6. Januar 1263 Papst Urban IV. den Abt zu Prüm
von CivitA Vecchia aus dringend auf, den Vergleich zu bestätigen,
gemäss welchem Walram und Mathilde ihr Prümsches Lehn (?)
der Kölnischen Kirche übertragen (aufgetragen?) habend Der
*) Vgl. Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 507.
*) Lacomblet a. a. (). II, Nr. 530, Anm.
») Lacomblet a. a. O. II, Nr. 515, 534, 550; Ennen und Eckertz,
QueUcn II, Nr. 462.
*) Lacomblet a. a. 0. II, Nr. 558, Anm.
*) A. D. Erzstift Köln 199.
158 W. Graf von Mirbach
Propst Otto und der Herr von Valkenburg erliessen dann einen
nicht erhaltenen Spruch wegen der übrigen streitigen Güter,
davon erhielt der Erzbischof freilich das Meiste zugetheilt, er
musste aber einige Stiftsgüter herausgeben, damit die Theilung
eine gleichmässigere sei. Dem Vergleich waren einige Bedingungen
und Kautelen beigefügt und über diese entstand ein neuer Streit,
weil Walram glaubte, der Erzbischof hielte den Vertrag nicht ein.
Es handelte sich noch um Einkünfte von 33 Mark, Fruchtrenten
zu Kesseling, den Rottzehnten auf der Widenhart, die Dörfer
und Häuser im Ahrthal diesseits der Rossbach, dann die Dörfer
Kreuzberg, Brück, Denn, Liers und Obliers, die der Herr zu
Bergheim verlangte und die der Erzbischof sich nicht schuldig
hielt abzutreten. Jetzt ist am 18. Dezember 1265 ein näherer
Vergleich zu Köln in Gegenwart der Edelherren von Isenburg,
Frenz, Mühlenark (Hermann) und Heusden und einiger Ministerialen
des Erzbischofs wie des Walram geschlossen worden K
Die im vorigen Schied dem Walram zugesprochenen Güter
behält er, diejenigen darunter aber, welche früher Kölnisch
gewesen, muss er vom Erzstift zu Lehen tragen, die sonst
von Prüm, Limburg und der Pfalz gehen, sind dort zu empfangen ;
ausser den früher ihm zugetheilten behält das Erzstift Walporz-
heim. Kann der Erzbischof binnen 6 Jahren den Abt von
Prüm bewegen, das Dominium directum der Lehen, die dem
Walram zugetheilt sind, dem Erzstift zu überlassen, so wird
Walram dem Kloster erklären, dass dies mit seinem Willen
geschehe und die Objekte künftig von Köln tragen. Die
Prümschen Leute zu Ahrweiler, Kesseling und Altenahr behält
das Erzstift und diejenigen, welche an andern dem Erzbischof
zugesprochenen Orten wohnen, mit dem Orte sollen sie aber
auch den Landesherrn wechseln. Schliesslich erhält Walram
vom Erzbischof 600 Mark und macht Einkünfte zu Vernich von
50 Mark zu Kölnischem Lehn. Auch über die Güter vergleicht
man sich, welche des Grafen Dietrich von Hochstaden Wittwe
Hertha noch inne hat; was davon Kölnisches Lehn, Allod oder
als Prümsches Lehn im Ahrthal und bei (iuxta) demselben
liegt, fällt dem Erzstift zu, das Uebrige dem Walram.
Was die Pi'ümschen Güter der Grafen von Hochstaden
betrifft, so führt deren Caesarius- eine ziemliche Anzahl auf,
*) Lacomblet a. a. 0. 11, Nr. 558.
2) Beyer, Mittekh. Urkundenbuch I, Nr. 135.
ohne dass er selbst an die Voll>r.ändi:rfceit seiner An^rtihen glaubt.
Auch das ehemals streitiire Mun«*hh:ia-*-a bei Rheinbarh, sjüter
Kölnisch, gehört daza und ferner IM ilalrer Weizen m Wiihrerich
bei Zülpich, einem Dorf, das später ein Zankapfel wurde, I/mden
und Hospelt mit 24 Mausen, nachher streitiire Cuterherr^chaft.
Die andern Lehen lagen jenseits der Ahr und sind nicht an
Jülich gekommen, hatten also wohl der Gräfin Bertha gehört.
Damit hatte nun der Erbfolgestreit im Grossen sein Bewenden,
der Abt zu Prüm verweigerte aber noch lange Zeit seine
Genehmigung zum Uebertrag der Lehen an Köln. Wegen
einzelner Ortschaften freilich, die Jülich sowohl als Köln an-
sprach, namentlich in der Gegend von Euskirchen, dauerten
die Meinungsverschiedenheiten über das Hochstadensche Erbe
so lange, bis die französische Republik beiden Staaten ein
Ende machte.
Im Jahre 1265 ist Walram von Bergheira in einem Vertrag
zwischen dem Herzog Friedrich von Lothringen und dem Grafen
von Luxemburg vom 26. Juli genannt. Wenn es nicht gelingen
sollte, die Hälfte des Schlosses Montclair von der Frau Isabella
daselbst zu erlangen, so sollen Gerhard von Luxemburg-Durbuy
und Walram Herr zu Bergheim den Thcil zu ihren Händen
nehmen und im Kriegsfall neutral erhalten, den früher der
Vicedom von Chälons gehabte Am 19. Dezember des Jaliros
verkauft Walram für seinen Thcil dem Stift Maria inj Kapitol
zu Köln den Rottzehnten zwischen LivcnmlUiln und VVarnnrw-
graben, welchen Graf Wilhelm von Jülich, wie wir ohon (M, KMI)
sahen, schon 1240 abgetreten hat, I>or damalig« Inh/ilMT dr«
72 Morgen umfassenden MansiiH, der Kölnlnch^^ }/\\)U'/,m(MN'
ApoUonius, war inzwischen gchtorben*,
Walram von Bergheim hat da* Jahr \W1 wohl u)fUiim'hr
erlebt, er ist demnach ni^:ht s^ehr alt. itj'WftttUtu Mr»/I, d« n «pHt
geheirathet hatte, v> war »tein r/thn ifln^htt 'mtutuA wifh
minderjährig. M;Athi!de l<^ti^ uhfU Un J^Uo* liJV^J, v/m^ ithtt
1279 todt
Der Aachener Domschatz und seine Schicksale
während der Fremdherrschaft.
Von J. Hansen.
In der Zeitschrift für preussische Gescliichte und Landes-
kunde (Jahrgang IX) hat im Jahre 1872 Eoger Wilmans aus
einem im Kgl. Staatsarchiv zu Münster aufbewahrten Akten-
stück^ bereits einige Mittheilungen über die Schicksale der
Reichskleinodien und des Kirchenschatzes des Aachener Krönungs-
stifts während der französischen Revolution veröffentlicht. Seine
Ausführungen lassen sich jedoch um manchen ftir die Leser
dieser Zeitschrift interessanten Zug bereichern, weil Wilmans
einmal sein Augenmerk in erster Linie auf die im Domschatz
befindlichen Krönungsinsignien richtete, und andererseits seine
Darlegung für ein grösseres Publikum berechnete, dem manche
Einzelheiten belanglos sind, die von lokalhistorischem Gesichts-
punkt gleichwohl bekannt gemacht zu werden verdienen. Es
sei somit gestattet, diesem Gegenstand noch einmal auf Grund
des erwähnten Aktenstücks näher zu treten.
Die erste kurze, vom 16. Dezember 1792 bis zum 2. März
1 793 dauernde Anwesenheit französischer Truppen in den Mauern
der alten Ki'önungsstadt hat, soviel wir feststellen können, keine
Veranlassung zu besondern Sicherheitsmaßregeln für die im
Aachener Münster aufbewahrten Schätze gegeben. In der That
hat denn ja auch das Verhalten der Franzosen in diesen Monaten
diese Sorglosigkeit nicht gestraft. Anders wurde die Stimmung
in Aachen, als die Kunde von dem Sieg der Franzosen bei
Fleurus (26. Juni 1794) in die Stadt gelangte, und damit die
Gefahr einer nochmaligen Besetzung nahe gerückt war. Bei
der Vertreibung dör französischen Truppen aus der Stadt am
*) Kriegs- und Domänenkammer zu Münster Nr. 58 (Archiv der neuem
Zeit, Regbz. Mtlnster).
Der Aachener Domschatz u. seine Schicksale während der Fremdherrschaft. 161
2. März 1793 hatte sich nämlich auch die Aachener Bürgerschaft
thätlich betheiligt; französischerselts wurde diese Betheiligung,
die in Wirklichkeit keinen bedeutenden Umfang gewonnen hatte,
vergrössert, und es verbreitete sich das Gerücht von einem
schrecklichen Strafgericht, das der Stadt drohet Die Bürger-
schaft bedauerte nunmehr lebhaft das übereilte Eingreifen in
die militärischen Vorgänge, viele Bürger verliessen die Stadt
und retteten ihr Vermögen und ihre Kostbarkeiten, und wenn
auch nach der in den Tagen vom 23. bis 25. September 1794
erfolgten erneuten Besitzergreifung Aachens, welche die Stadt
auf zwanzig Jahre unter die französische Herrschaft brachte,
das befürchtete schreckliche Schicksal sich nicht erfüllte, so
bewies doch schon bald die höchst drückende Besteuerung ^ und
die Verschleppung zahlreicher Kunstschätze nach Paris, dass
die Besorgnisse der Aachener nicht unbegründet waren.
Das Kapitel des Aachener Domstifts, in dessen Besitz oder
Verwahrung sich der kostbare Kirchenschatz und ein Theil der
deutschen Krönungsinsignien befand, hatte schon vor dem Ein-
rücken des französischen Heeres, und zwar im August 1794,
Sorge dafür getragen, dass diese Kostbarkeiten in Sicherheit
gebracht wurden. In 21 Kisten verpackt wurde der Schatz auf
die rechte Rheinseite nach Paderborn geflüchtet ' und im dortigen
Kapuzinerkloster * niedergelegt.
Die üebergabe an das Kloster vollzogen der Dechant Konrad
Hermann Kardoll und der Syndikus des Aachener Domstifts,
Nikolaus Joseph Schieffers, in Verbindung mit mehrern Kano-
nikern; in Paderborn bei den Schätzen verblieb der Kanonikus
Anton Joseph Blees. Auffallender Weise wurde bei der Üeber-
gabe weder eine Speciflkation der Kleinodien in Paderborn
zurückgelassen, noch wurde Blees mit einer schriftlichen Legi-
timation ausgerüstet, wodurch seine Stellung späterhin mehrmals
0 Vgl. Pauls in der Zeitschrift des Aach. Geschichtsvereins X, S. 201 flf.
*) Vgl. Milz im Aachener Gymnasialprogramm 1871/72, S. 9.
^) Dass, wie Wilmans a. a. 0. IX, S. 178 (und nach ihm Haagen,
Geschichte Achens II, S. 698) behauptet, der Schatz erst nach Belgien und
von dort nach Paderborn geflüchtet worden sei, ergibt sich aus dem Mtinster-
sehen Aktenstück nicht, und ist sachlich unwahrscheinlich, well Belgien nach
der Schlacht bei Fleurus von den Franzosen besetzt wurde. (Bei Haagcn
a. a. 0. ist „August 1794** statt „August 1799** zu lesen.)
*) Nicht im Kloster Abdinghof, wie Haagen a. a. 0. meint
/"
162 J. Hansen
I
eine zweifelhafte wurde. Er selbst betrachtete sich während
der ganzen Zeit als den Bevolbnächtigten des Aachener Stifts,
konnte sich dafür aber nicht auf eine schriftliche Instruktion,
sondern nur darauf berufen, „dass er im September 1795 durch
ein von Frankfurt aus von den daselbst sich aufgehaltenen
Herren Capitularen des kaiserlich königlichen Krönungsstiftes,
namentlich Xavier und Frans Blees, Guaita, du Paix und von
Milius (welch letzter sein Votum suspendirt und nach Aachen
zu gehen benöthiget worden) erhaltenes Schreiben bevollmächtig-t
und constituiret worden, mit den allhier [in Paderborn] befind-
lichen, gedachtem Capitul zustehenden Sachen bei Annäherung*
der Gallier* sich auf Erfurt zu begeben". Auf diese Erklärung-
hin — auf welche er zugleich seinen Anspruch gründete, für die
Zeit seines Paderborn er Aufenthalts vom Aachener Kapitel oder
aus dessen Besitz unterhalten zu werden — wurde er bis zum
Jahre 1801 auch von dem Guardian des Paderborner Kapuziner-
klosters, unter dessen Aufsicht der Schatz sich befand, als
Bevollmächtigter anerkannt^. Im September des Jahres 1802
klagte Blees jedoch: „Ohngeachtet der Pater Guardian der
Kapuziner bis 1801 mich als Legitimirten anerkannt und zugegeben
hat, das ich 7 Pfd. und 22 Loth Silber verkaufen konnte, hat
•mir derselbe nicht mehr das zu meinem Unterhalte Unentbehr-
lichste ferner wollen verabfolgen lassen.*'
Unter den Schätzen befand sich, wie schon angedeutet, ein
Theil der Reiclisinsignien, und zwar 1) das sog. Schwert Karls
des Grossen, 2) eine Kapsel mit Reliquien des h. Stephanus,
3) der zum Krönungsornat gehörige Gürtel, 4) ein kostbares
Evangeliar, auf welches der zu krönende König seinen Eid
ablegte ^. Diese Kleinodien waren selbstverständlich nicht Eigen-
thum des Domstifts, sondern des Reiches, und es ist somit leicht
erklärlich, dass der Kaiser Schritte that, lun in den immer un-
ruhigem Zeiten diesen Schatz möglichst weit aus dem Bereich
des französischen Heeres zu entfernen. Kurze Zeit nachdem
der in Nürnberg aufbewahrte andere Theil der Reichsinsignien
') Seit dem Februar 1795 waren Pläne Frankreichs gegen Hannover
bekannt geworden.
') Der später zu nennende Hofrath Wichmann behauptet einmal, „hin-
gegen ist der Kanonikus Blees, welcher nur zuföllig wie Emigrant in Pader-
born war, nicht bevollmächtigt, den Schatz und Insignia zu bewahren*'.
*) Vgl. Bock, Die Kleinodien des h. rOmischen Reichs.
Der Aachener Doraschatz u. seine Schicksale während der Fremdherrschaft. 163
nach Wien überführt worden war (Sommer 1796), erhielt der
kaiserliche Minister Reichsgraf von Westphalen-Fürstenberg den
Auftrag, die Aachener Krönungskleinodien gleichfalls an den
kaiserlichen Hof befördern zu lassen.
Auf Grund dieses Auftrags richtete der Minister nach
längerm Zögern, das wir nicht zu erklären vermögen, am 9.
November 1797 an das Geheime ßathskollegium, die oberste
Eegierungsbehörde des Bisthums Paderborn, zunächst das Er-
suchen, dem Guardian des Kapuzinerklosters anzubefehlen, „dass
ohne mein Vorwissen von dem in diesem Kloster aufbewahrten
Schatze des kaiserlichen Krönungsstifts von Aachen, bei welchem
sich zugleich die Reichskleinodien befinden, nichts weggebracht
werden könne". Erst am 20. September des folgenden Jahres
that er weitere Schritte. Er schrieb derselben Behörde: „Die
jetzige Lage der Umstände in Bezug auf das linke Rheinufer,
und besonders die von dem französischen Gouvernement in Rück-
sicht der geistlichen Korporationen getroffene Administrations-
maßregeln, unter welchen die aufgegebene Angabe des sämmt-
lichen Immobil- und Mobilarvermögens eine der vorzüglichsten
ist, lassen nicht ohne Grund besorgen, dass von dem in Aachen
zurückgebliebenen Stifte die Beibringung dieses Kirchenschatzes
verlangt werden dürfte, wodurch alsdann in Hinsicht auf eine
solche vielleicht von P^rankreich unterstützte Forderung für
Euer Hochwtirden, Hochwohl- und Wohlgebornen einige Ver-
legenheit entstehen dürfte. Diese Rücksicht sowohl, als auch
die mir vom allerhöchsten kaiserlichen Hofe auferlegte Pflicht,
für die Sicherheit der Kleinodien zu sorgen, veranlassen mich,
dieselbe von dem Kirchenschatze zu trennen und in unmittel-
bare Verwahrung zu nehmen, welches auf eine legale Art zu
bewirken ich dem Hofrath Wichmann aufgetragen habe.**
Die vom 10. September datirte Instruktion des Hofraths
Wichmann ermächtigte denselben insbesondere zu Schritten gegen
den „als Aufseher der Kleinodien sich gerirenden Herrn Kano-
nikus Blees". Derselbe könne die Herausgabe der Reichsinsignien
„um so weniger verweigern, da dieselbe nicht zum Schatze der
Kirche gehören, sondern diesem Stifte blos von Reichs wegen
in eine Verwahrung gegeben worden sind, welche dasselbe nicht
allein nicht UiM^ * *" sondern sogar für die Erhaltung der-
selben wirkli« rwecken muss". Sollte Blees sich
trotzdem weij ^ »ijin mit Gewalt vorgehen und
11*
164 J. Hansen
im Beisein eines Notars und zweier Zeugen die Reichsinsignien
aus den Eisten heraussuchen.
Der Minister Westphalen befand sich bei seinem Vorgehen
im Einverständniss mit dem damaligen Bischof von Paderborn *,
Franz Egon von Fürstehberg. Er richtete an denselben in
dieser Angelegenheit am 29. September 1798 das unten Nr. 1
abgedruckte Promemoria^. Daraufhin befahl der Bischof am
10. Oktober 1798 dem Geheimen Rath, dem Wunsche West-
phalens nachzukommen und ^auf des impetrirenden Theils Kosten
durch ein Regierungsmitglied ^ und den Hofrath Wichmann mit
Beiziehung eines dem kaiserlichen Krönungsstifte zu Achen
beyzuordnenden Mandatars * und zweenen Notarien die Eröfnung
des bey den Capuzinem in verschiedenen Verschlagen sich
befindenden Achner Kirchenschatzes und die Absonderung der
Reichsinsignien von selbigem und deren Verabfolgung an des
gedachten Herrn Reichsgrafen von Westphalen Bevollmächtigten,
Hofrath Wichmann, gegen einen von ihm auszustellenden Schein
zu bewirken*'. Schon am 15. Oktober wurde diesem Befehl
nachgekommen. Man hatte bereits eine der Kisten vergeblich
geöffnet, als einer der Kapuzinerpatres sich des Aeussern der-
jenigen Kiste entsann, in welcher sich die Insignien befanden,
und so konnte denn noch an demselben Tage Wichmann eine
') nnd Hildesheim.
•) Westphalen schickte diese Note am 30. September mit einem besondern
Schreiben an den Bischof, in welchem er demselben noch mittheilt, dass er
in den nächsten Tagen den in Hildesheim anwesenden Aachener Dompropst
Grafen von Belderbusch sprechen werde, „und werde ihn befragen, ob er sich
mit der Sache befangen wiU; ist dieses, so können wir ihn ja zuziehen**. Von
dem Eesultat seiner Besprechung mit Belderbusch gab er dem Bischof am
8. Oktober Eenntniss: „Er trägt Bedenken, sich in die Sache zu mischen,
theils seiner Verhältnisse wegen als Probst, mehr aber wegen seiner Familie,
welche fast das ganze Vermögen unter französischer Botmäßigkeit hat; er
glaubt, dass man auch das Kapitel in die gröste Verlegenheit sezzen würde,
wenn man sich an selbes wenden solte, da er alle ürsach zu vermuten habe,
dass die Franzosen von dem Schatz nichts wüsten, aUes mithin darauf
ankomme, die sache geheim zu halten.** Auch sonst tritt die Furcht vor
den Franzosen, für den Fall sie von der Angelegenheit erfahren soUten, mehr-
fach zu Tage.
*) Das wurde der Paderbomer Hofrath Everken (nicht Everkus, wie
Wilmans schreibt).
*) Als solcher fangirte der Assessor des Paderbomer Officialatgerichts
Dammers.
Der Aachener Domschatz u. seine Schicksale während der Fremdherrschaft. 165
Quittung über den Empfang des Schwertes, des Evangelienbuchs
und der Reliquienkapsel ausstellen. Nicht aufgefunden wurde
das Gehänge des Schwerts; an den Gürtel wurde nicht gedacht,
er wurde am 28. Oktober 1802 nachträglich nach Wien abgeliefert.
Am 22. Oktober 1798 stellte Graf Westphalen den endgültigen,
von Wilmans a. a. 0. S. 181 abgedruckten Revers über die an
ihn nach Hildesheim abgelieferten Kleinodien aus.
Der Kanonikus Blees hatte gegen die Entnahme der Reichs-
insignien protestirt, war aber bei der Eröffnung der Kisten
nicht erschienen; der zum Mandatar des Aachener üomstifts
bestellte Assessor Dammers gab die Erklärung ab, „dass er
zwar dieser auf höchsten Befehl verfugten Absonderung der
Keichsinsignien von den Kirchenschätzen und Abliefening der-
selben an den Bevollmächtigten Seiner Excellenz des Herrn
Reichsgrafen von Westphalen nicht habe im Wege seyn können,
jedoch wolle er dem königlichen Kollegiatstift zu Aachen an
seinen Gerechtsamen hiedurch nichts vergeben, sondern alle
Rechtszuständigkeiten vorbehalten haben*'.
Die Verhandlungen wegen der Rückgabe des in Paderborn
gebliebenen, dem Aachener Domstift gehörigen Theils des
Kirchenschatzes begannen erst einige Jahre später, im Sommer
1802, nachdem das Bisthum Paderborn seit dem Mai unter
preussische Verwaltung gekommen war. Wer den Anstoss
gegeben, kann aus den uns vorliegenden Schriftstücken mit
Sicherheit nicht geschlossen werden; wahrscheinlich war es aber
der Bischof Marc-Antoine Berdolet, der seit dem 30. Mai 1802
den am 29. November 1801 errichteten Aachener Bischofsstuhl
einnahm. Mit den erforderlichen Instruktionen versehen* kam
im September 1802 der schon genannte frühere Syndikus des
jetzt aufgehobenen Krönungsstifts, Nikolaus Joseph Schieffers,
nunmehr Syndikus der Stadt Aachen, nach Paderborn, um die
Rücklieferungsverhandlungen einzuleiten. Der Kanonikus Blees
hielt auch jetzt noch an seiner ablehnenden Haltung fest. Ob
er das nunmehrige bischöfliche Domkapitel nicht als Rechts-
nachfolger des frühern Domstifts anerkennen wollte, oder ob ein
anderer Grund ihn bestimmte, vermögen wir nicht anzugeben;
er Hess aber, weil er befürchtete, dass der Guardian des Kapu-
zinerklosters „vielleicht wieder ohne mein Vorwissen mehrere
•) Diese InKtniktir '-^ --ht erhalten.
166 J. Hansen
und vielleicht die sämtlichen Stiftssachen werde verabfolgen
lassen", durch das von Preussen eingesetzte Interiras-Officialat-
gericht zu Paderborn am 27. September 1802 Arrest auf den
Kirchenschatz legen. Während dessen wandte sich Schieffers
an das preussische Interims-GeheimerathskoUegium zu Paderborn,
mit der Bitte, ihm die Kleinodien auszuhändigen. Aber dieses
Kollegium hielt sich nicht für kompetent, wandte sich vielmehr
am 2. Oktober an die „Kgl. Preussische zur Verwaltung und
Organisation des Erbfürstenthums Paderborn verordnete Civil-
commission" um Verhaltungsmaßregeln. Auch diese wagte
keine Entscheidung, erbat sich vielmehr Spezialbefehl aus Berlin.
Schieffers, der das Ergebniss dieser Verhandlungen in Paderborn
nicht abwarten konnte, kehrte inzwischen wieder nach Aachen
zurück. Am 29. Oktober erhielt die Civilkommission im Auf-
trag König Friedrich Wilhelms III. die Mittheilung, die fran-
zösische Regierung sei durch den preussischen Gesandten in
Paris benachrichtigt worden, dass „wir bereit wären, die der
Kathedralkirche in Aachen gehörigen und in dem Kapuziner-
kloster zu Paderborn niedergelegten Kostbarkeiten dem Bischof
Berdolet verabfolgen zu lassen, wenn die erwähnte Regierung
selbst solches verlange und die Requisition des Bischofs bestätige".
Auch die preussische Regierung trug also Bedenken, dem
Bischof Berdolet ohne ausdrückliche Erklärung der französischen
Regierung das Verfügungsrecht über den Kirchenschatz zu-
zugestehen.
Von der Verfügung der preussischen Regierung wurde dem
„citoyen Scliieffers, homme de loi, ä Aachen" am 3. November
1802 Kenntniss gegeben, gleichzeitig der von Blees erwirkte
Arrest aufgehoben und ihm überlassen, seine Ansprüche und
Forderungen in Aachen anzumelden.
Die Erkläning der französischen Regiening liess nicht
lange auf sich warten; denn schon am 11. Januar 1803 liess
Friedrich Wilhelm III. seiner nunmehr den Namen „Special-
Organisations-Commission" führenden Paderborner Regieruugs-
behörde mittheilen: „Da nunmelir das französische Gouvernement
die Reclamation des Bischofs Bertholet .... förmlich bestätiget
hat und derselben beigetreten ist", so solle die Kommission die
Schätze dem Schieffers oder einem sonst gehörig Legitimirten
nunmehr aushändigen. Es meldete sich aber weder Schieffers,
noch sonst ' ' "^um Empfang an; Schieffers antwortete auf
I>er Aachener Domschatz u. seine Schicksale während der Fremdherrschaft 167
mehrere Anfragen nicht, und an das Domkapitel in Aachen sich
zu wenden, wurde der Kommission untersagt, ihr im Gegen theil
am 16. Februar 1803 befohlen, „dass Ihr nihig abzuwarten
habt, bis sich jemand wegen Abholung der dort befindlichen
Effecten meldet".
Fast ein Jahr ruhten nunmehr die Verhandlungen, ohne
dass ein Grund ersichtlich wäre. Von Aachen aus wurden keine
Schritte gethan, und auch die Paderborner Behörde führte wohl
mit dem Generalvikariat Verhandlungen wegen Translocirung des
Schatzes in ein anderes Gebäude ^ weil sie das Kapuzinerkloster
nicht für sicher genug hielt, aber auch sie machte keinen weitern
Versuch, eine schnellere Erledigung der Rückgabe anzubahnen.
In Fluss gebracht wurde die Angelegenheit wieder durch
die französische Regierung. Der französische Gesandte am
Berliner Hof, Laforest, erwirkte durch ein am 22. Januar 1 804
an den preussischen Minister Grafen Haugwitz gerichtetes
Schreiben, dass der Kriegs- und Domänenkammer zu Münster
am 23. Februar der Befehl zu Theil wurde, durch den Pader-
bomer Landrath Freiherrn von Elverfeld den Schatz dem sich
präsentirenden Bevollmächtigten des Bischofs Berdolet aushän-
digen zu lassen. Am 28. Mai ernannte der Bischof den Vice-
propst Johann Franz Smets und den nunmehrigen Friedensrichter
Nikolaus Joseph Schieffers zu seinen Bevollmächtigten*; diese
begaben sich gleich nach Paderborn, wo die Uebergabe-Verhand-
lungen am 7. und 8. Juni stattfanden. Die beiden brachten von
Aachen ein Inventar' mit, in Gegenwart des Landraths von
*) Die Sachen blieben jedoch an ihrem Orte; nur worden die Kinten
besser verschlosnen und beH^<^'rc Aufnirbt verKprocben.
*) Beilagen, Nr. 2.
*) Beilagen, Nr. 3. Der Abdruck f^rfolgt nai^h der Abschrift, welche
Smets und Schieffers von dem auH Aacb^n fcfrtig raitgj?brac;bten Inventar mit
ihrer Quittung vom 8. Juni in rad«jrborn zurücklieMscn. Das von ibnon wieder
nach Aachen mitgenommene Original wurde hier bei der Vcrbandlung vom
23. Juni 1804 benutzt und dem den Hchluss derselben bildenden Verzeichnins
zu Grunde gelegt, welches Haagen a. a. 0. 11, S. HH) ff. mitgetbeilt bat.
Dabei wurden die lateini-<-lj»'n Po'^ten mit geringen Veränderungen herüber-
genommen, die deut-i-hen alle ins Kranzosisebe iibc^rsetzt, aus«erdem trat an
die Stell«.* t*ebr eingebender Aufzei<bnung wied(;rholt eine »ebr summa ri^ he.
Der letztere rrfHtand und mebrfjiehe Abw«'iebungen in den Kinz'lbeiten
dürften den Al>^lrurk de- ursprUnglieh^n Verzei{;hni**«es an dieser St> lle re^'bt-
fertigen.
168 J. Hansen
Elverfeld und des Sekretärs Kuhfus wurden die einzelnen Kisten
geöffnet, ihr Inhalt mit dem Inventar verglichen, festgestellt,
dass keine weitem Krönungsinsignien sich unter den Schätzen
befanden, und das Vorhandene gegen Quittung von den Bevoll-
mächtigten in Empfang genommen, denen in Betreff der heraus-
genommenen Reichsinsignien eine beglaubigte Abschrift der am
15. Oktober 1798 vom Hofrath Wichmann ausgestellten Quittung
ertheilt wurde.
Der Schatz wurde dann wieder nach Aachen zurückgebracht;
am 23. Juni fand die Eröffnung^ imd am 7. September die
bekannte feierliche Besichtigung durch Napoleon I. statt*.
Beilagen.
1.
Promemoria.
An des Herrn Fürstbischoffen zu HUdesheim und Paderborn
Hochfürstliche Gnaden.
Unterzeichneter bat aus der demselben von dem zur üebemabme der
Eeicbsinsignien von ihm beauftragten Hofrath Wichmann mitgetheilten Eeso-
lution Ihrer Hochfürstlichen Gnaden vom 22. laufenden Monats sowohl Höchst-
dero Anstände bei Erfüllung seines Antrages, wie auch das gnädigste Ansinnen,
Höchstselbst mit einer Kequisition angegangen zu werden, zu ersehen die
Gnade gehabt
Indem Unterzeichneter sich verpflichtet hält, dießem Erwarten auch
ohne von dem Geheimen Kaths CoUegio hierüber eine Eröffnung erhalten zu
haben, sofort zu entsprechen, schmeichelt derselbe sich zugleich, daß Ihre
Hochfürstliche Gnaden sowohl seinen Teils in der Lage der politischen
Angelegenheiten, Teils in AUerhöchstkaiserlichen Befeien sich gründenden,
ihn zur Forderung der Extradition gedachter Insignien bestimmenden Motiven,
als auch dem von ihm eingeschlagenen Wege die verdiente Gerechtigkeit zu
leisten geruhen werden.
Seiner Hochfürstlichen Gnaden ist Höchstselbst das Verhältnis, in
welchem sich das ka^erliche Erönungsstift in Aachen in Hinsicht auf die
demselben zur Verwahrung anvertrauter Reichsinsignien befindet, nicht
unbekannt, welches demselben keine Rechte gewähret, sondern nur Pflichten
auferlegt, für das ihm anvertraute Gut zu sorgen. Ebenso ist es eine aU-
gemein anerkannte und bekannte Sache, daß die Verwahrung der Insignien,
als Kennzeichen der Reichsoberhäuptlichen Würde, eigentlich Ihrer kaiser-
*) Haagen a. a. 0. 11, S. 698.
«) Vgl Milz a. a. 0. S. 29.
Der AjidMaer Domschatz u. seine Schicksale w&bn^nd der Fromdherr^tohafl . \ «ft
licheB Ifajesuet zustehe, daß blos zur Vermeidung ver*ohii^cner !n<N^«ven?onreh
dieselbe la einem dritten Orte hinterlegt sind, und daß dabor bei eint^Monden
Umstisden, be^nders solchen, welche die Sicberbeit diese» Reiob-nrnto« kom-
promitüreii, Ihre kaiserliche Majestaet in gleichem (^rade benMbti»r< und
verpllichtet sind, das erwähnte Stift von seiner ()l>st>rge tu entbebt^n und
anderweitige zweckdienliche Maasregeln zu troffen.
Die bei dem ßeichs-Friedeus-Congresse in Hinsicht auf da.n linke Khein-
ttfer gepflogene Unterhandlungen sowie auch die auf letzterem von dem
französischen Gouvernement besonders in Bctref der goistliciieu (\>nM)nim
getroffenen bekannte Maasregelen bestättigen mehr als zu sehr, wie gegen-
wärtig dieser Fall eintrette, welcher eine solche SicherheiUs -Verfügung von
Seiten Direr kaiserlichen Majestaet notwendig mache, zu welcher Unterr.oich-
neter auch bereits seit geraumer Zeit beauftragt und bevollmächtigt ist.
Weit entfernt, der von Uirer Hochflirstlichen Gnaden bezieltcn Absiebt,
das erwähnte Stift auf irgend eine Art, wenigstens in der Person dessen
Probstes, des Herrn Grafen von Belderbusch, zuzuziehen, die ehrfurchtsvolle
Gerechtigkeit zu versagen, würde Unterzeichneter dießes selbst ge wünschet
haben, wenn die besondere Umstände und besonders der Aufenthalt des Stifts
unter französischer Hoheit hierüber eine Communication mit demselben erlaubt
hätten, ohne Gefahr zu laufen, den Zweck - möglichst geheime Sicherung
der Insignien — zu compromittiren, und ohne das Stift wegen seines dem
Feinde vielleicht noch unbekannten Schatzes in Verlegenheit zu sezzen; Rück-
sichten, welche auch in mancher Hinsicht in Hezug auf den Probsten selbst
eintretten, und welche es Unterzeichnetem überhaupt zur Pflicht gemacht,
gerade den von ihm eingeschlagenen W(tg zu wählen, ncmlich das fürstliche
Geheime Raths-CoUegium zu ersuchen, dem Kapu/inerkloster anzubefehlen,
der DröfTnung der Kisten zu Herausnahme der H«5ic,hsinsigni(in in Gc^genwart
eines Notars und zweier Zeugen kein Hindernis in WtM'g zu higen, denen
ein Mandatarius ex officio für das Ktift zugcsezt wenhin könnte, um di(;ße
Handlung lediglich als die sein ige in seinen Dienstverhältnissen zu
isoliren und dadurch Diro Hochfürstlichen Gnaden Höchstselbst sowie auch
den Herrn Probsten gegen Verlegt iih«'it jeder Art zu sichern.
Die Lage, in welcher sich der Canoniku« Blees in Paderborn befindet,
erlaubt freilich nicht, demselben die Quittung über die abgelieferten Reichs-
insignien einzuhaendigen ; es ist Unterzeichneter d(5r Meinung, dieselbe }m
dem Pater Guardian des Kapuziner-Klosters zu dt'poniren, welcher sie als-
dann, sobald der Kirchenschatz abgeholt werden sollte, mit abliefern könnte.
Unterzeichneter stellt es übrigens Seiner HcMjhfUrstlichen Gnaden Will-
kür anheim, auf welche Art Höchstdiesell)e die Ablieferung verfUgen zu
lassen und denselben zur Erledigung der ihm gewordenen Alh^rhöehstkaiser-
lichen Befeie in Stand zu sezzen geruhen wollen, wobei derselbe sich um «o
mehr beruhigen zu können glaubt, da er helfen darf, es werde Seiner Hoch-
fürstlichen G"«'''*- — ^"llig sein, in dieser das Anstehen und die Würde von
Kaiser ud*^" e interessirenden Angelegenheit die Höchstdenen-
170 J. Hansen
selben beiwohnende devoteste Gesinnungen gegen Ihro kaiserliche Majestaet
zu bethaetigen.
Unterzeichneter hat indessen die Ehre, Seiner Hochfürstlichen Gnaden
die Versicherung der vollkommenster Ehrerbietung zu wiederholen.
Liebenburg am 29. September 1798.
Westphalen zu Filrstenberg.
2.
Marc-Antoine Berdolet, par la misericorde divine et par la grftce du St. Siöge
apostolique, Ev^que d'Aix-la-Chapelle, 4 Monsieur Jean Fran^ois Smets, pretro
chanoine de notre Egliso Cathedrale, et Monsieur Nicolas Joseph Schieffers,
homme de Loi, ancien Syndic du chapitrc, maintenant Juge de paix d'une
des Sections de la ville d'Aix-la-Chapelle, Salut.
Vu le Rescrit adress^ du cabinet de Sa Majest6 le Roi de Prasse ä sa
Commission Royale s6ante k Paderborn en date du 29. Octobre 1802 et la
d^claration de eette ra§me Commission du 3. Novembre suivant faite 4 Tun
de Vous, lors de la premiöre dßmarche que nous lui fimes faire pour reclamer
les Effets pr6cieux de notre Eglise, qui ä Poccasion de la guerre ont 6t6
transferös et depos6s au couvent des Capucins de Paderborn, lesquels Rescrit
et D6claration nous ont donn6 la gracieuse assurance de recouvrer la dis-
position des dits Effets, des que le gouvemement fran^ais en approuveroit
la Reclamation:
Vu ensuite une lettre du Ministre de Tint^rieur de France adress6e a
Monsieur Mechin, Prüfet du Departement de la Rocr, datöe du 25. Nivose
dernier pour Tinformer que le Ministre des relations Exterieurs avoit 6t§
ecrit au Ministre P16nipotentiaire de France k Berlin, pourqu'il obtint du
Minist^re de Sa Majeste Prussienne Tordre de remettre les Effets par nous
r^clamös :
Vu enfin la lettre du Ministre de France prös Sa Majest6 le Roi de
Prusse, dat6c de Berlin du 20. Flor^al dernier et adress^e au meme Prüfet
du d6partement de la Roer, qui lui mande, que le cabinet vient d'autoriser,
du 7. Mai, Ic conseiller Provincial, Monsieur le Baron d^Elverfeld, ä faire
la reraise, que nous sollicitons, ä notre Procureur, ou fondö de pouvoirs de
notre part, nous ne doutons point que nos vocux ne soicnt reraplis, et que
Tautorisation doim6c 4 Monsieur le Baron d'Elverfeld n'opörc de suite la
remise de notre d6p6t. Et comrac vous en connoissez parfaitement le contenu,
et que vous pouvez reconnaitre les Erapreintes dont il a et6 marqu6, nous
vous Chargeons de T^tat d6tailie des caisses et des objets, ainsi que de
Tancien Sceau du Chapitrc, dont quelques pieces de cc d6pöt sont munies et
qui servira k la confrontation, et nous vous constituons par les presentes nos
Procureurs et fond^s de pouvoir 4 Teffet de vous rendrc 4 Paderborn, d'y
solliciter et effectuer la delivrance du d6p6t mentionn6 et faire 4 cet 6gard
tont ce que vous jugerez necessaire et convenable, pourqu'il seit promptement
Der Aachener Domachatz il ^ine Schicksale wahrend der Fremdherrschaft. 171
renda k notre Egiise cathMrale et aux voeux empresses de toute la ville
d'Aix-la-Chapelie, promettant d'aroir poor ajarreable tout ce que vons ferex
pour raison de ee qne dessus et pour rEflfet de notre pre:?ente procuration
Epiäcopale.
Donn^ & Aix-la-Chapelle, sous le äcean de notre office Pontifical, sous
notre seing et le contreseing de notre S^cretaire, le ringt hnit Mai, mil huit
cent qoatre.
t Marc Antoine Ereque d'Aix-la-Chapelle.
(L. S.)
Par le roverendissime Ev§que
Monpoint.
Vu pour la l^galisation de la Signatare de Monsieur Marc Antoine Ber-
doiet, Eveque d'Aix-la-Chapelle, et de Monsieur Monpoint, chanoine, son
s^retairc.
En notre hötel ä Aix-la-Chapelle le 8. Prairial an 12.
Le Prüfet du d<5partement de la Ro€r
(L. S.) AI. M6chin.
3.
luTentarium über die Parcelen des Kirchenschatzes zu Acben, welche in den
Kisten und Verschlagen, so im Jahre 1794 in dem Capuziner-Kloster zu
Paderborn deponirt und dato noch vorfindlich soyn müssen*.
I. 1. Simulacrum beatae Mariae Virginis.
2. Effigies Simeonis justi et beatae Mariae Virginis.
3. Effigies sancti Petri apostoli.
4. Pugio beati Caroli Magni.
5. Agnus Dei hierothecae inclusus.
6. Hierotheca, quam reverendissimus dominus decanus circumfert
in festo Ascensionis.
7. Quatuor candelabra argentea formae minimae*.
8. Cistella argentata et deaurata, continens lapillos ' et ostensoriorum
fragmenta etc. etc.
9. Oeto laminae et quinqne globuli deaurati. Brustschilder von
dem Kohrkappen.
II. 10. Caput divi Caroli Magni.
11. Ampulae maximae cum paropside.
12. Quatuor laminae auratae. Brustschildcr.
') Der Uebersichtlichkeit wegen sind die Kiston mit römischen, die einzelnem
Oeppnstllndo in denselben mit fortlaufenden arabischen Zahlen versehen worden. In
der Vorlage sind nur die Kisten mit arabischen Zahlen numerirt.
*) maximae, Haageu a. a. O, II, S. 700.
») capillos, Haagon a. a. O. TT. S. 700, sicher unrichtig.
Mutter Gottes
Kleider.
Mutter Gottes
Kleider.
172 J. Hansen
in. 13. Brachiom Caroli Magni.
14. Statua ex argento deaurata divae Virginis cum Corona.
15. Duo magna candelabra argen tea.
16. Quatuor parva candelabra argentea.
rV. 17. Ein roth Sammet mit Gt)ld brodirt
18. Ein weiss mit Gold brodirt
1 9. Ein braun Sammet mit Gold brodirt, vulgo Salm
20. Ein mit Gold, vulgo Schellart
21. Ein braun Sammet mit Gold verbremt
22. Ein goldenes Stück, Mariendahl
23. Ein sammctes, vulgo Guaita^
24. Ein weiss brodirtes, vulgo Brüssel
25. Ein goldenes Stück, vulgo Wispien
26. Ein blau silbernes, vulgo Mars
27. Ein -alt güldenes, vulgo Staubrock
28. Ein alt weisses mit einer diversen Leist
29. Ein weiss silbernes, vulgo Beelen
30. Ein licht blau mit silberne Blumen
31. Ein roth brodirtes, vulgo Joseph*
32. Ein Casul mit Leviten, blau mit silbernen Blumen, samt BehOr.
33. Vier weisse mit goldene und silberne Blumen Casulen samt
Zubehör.
34. Zwei spitzenc Hüllen für das Muttergottesbild, samt Zubehör.
35. Zwei Casulen, ein silbernes Stück, der andere Kand . . . , mit
Zubehör.
36. Schwartz sammetes Casul mit Leviten, mit Zubehör über die
Pult (?).
37. Zwei Casulen, Bierens und Guaita, samt Zubehör.
38. Acht Kugeleu* von die Chorkappen, Joseph und Isabella.
39. Zwei Casulen, von CoUenbach, der andere von Wylre, mit
Zubehör.
40. Noch zwei rothe Casulen mit silbernen Blumen, samt Zubehör.
41. Casul und Leviten samt Zubehör, von Joseph.
42. Casul und Leviten samt Zubehör, von Isabella.
43. Casul, Leviten mit Zubehör und über die Pult, von braun Sammet
44. Casul, Leviten und Zubehör, roth, von Collenbach.
45. Gardinen 6, über die Chorpultc, 6 Stück, von Joseph.
46. Drei Tapetten vom Choraltar, roth, weiss und schwartz.
47. Casul, Leviten und Zubehör von Karl V.
48. Noch ein Casul mit grün Kreutz.
«) Es steht da „öuiata".
«) Quindecim vestimenta B. M. V., Haagon a. ». O. IT, 8. 700, tUr Nr. 17—31.
*) Kogel ^ Kapiizze, Kragenstück, im Protokoll bei Haagen a. a. O. II, S. 701
mit „boules** (!) Übersetzt.
Der Aachener Domschatz o. seine Schicksale während der Fremdherrschaft. 173
49. Mutter-Gotteskleid von Isabella mit den Kleinen,
y. 50. Monstrantia com cingolo Domini.
51. Monstrantia com cingalo beatae Mariae Virginis.
52. Monstrantia com chorda Domini nostri Jesu Christi.
53. Crox anrea Lotharii imperatoris.
54. Imago beatae Mariae Virginis argentea parva, ante annos oblata.
55. Agnus Dei cum variis reliquiis et pede, totus argcnteus.
VI. 56. Ostensorium omatum cum Tariis lapidibus pretiosis.
VII. 57. Duae coronae aoreae in suis thecis.
VHr. 58. Turris argentea deaorata cum brachio sancti Oaroli Magni.
IX. 59. Turris argentea deaurata cum sudario Domini.
60. Comu Caroli cum mensura brachii.
61. Item sex globuli argen tei deaurati.
62. Item den silbernen Stab de cappa Leonis.
63. Item das Geheng vom Hom.
X. 64. Cappae quatuor Caroli quinti.
65. Cappae quatuor Isabellae.
66. Cappae quatuor Josephi.
67. Cappae quatuor, rothsammete cum tintinnabulis.
68. Dito quatuor, rothsammete novae.
69. Cappa Leonis papac.
70. Casula sancti Bernardi.
71. Octo velamina beatae Mariae Virginis, vulgo Hüllen, cum suis
necessariis.
72. Item balteus in duplo, novus cum antiquo.
73. Cappa nigra, imago beatae Mariae Virginis acu > picta, thronus
cum unionibus.
74. Duae vexillae.
75. Der silberne Vorhang.
76. Weihwassers Kessel.
77. Rauchfass.
78. Die silbernen Ruthen und Buh«.
79. Ein vergoldeter Knopf.
80. Ein Messbuch.
81. Das grosse silberne Kreutz.
82. Zwei silberne Crucifixer.
XI. 83. Cistula argentea cum reliquiis.
84. Cistula ebumea cum reliquiis.
«IT T^ r^ -1 ^v arsrcnto. Item pixis artrontea
85. Duae ampullae cum paropside cx ar*; r *^
hostiarum. ^ . . „, , ...
^« TV ^ .^ ^X4.^n mit unterschiedlichen Oblat^jn.
86. Duo canones. Item zwei Paquetten vai^
„ . .„ T. Aixn besten Kelch cum raU;na.
87. Zwei silberne Kronen. Item den oe»i^^
») Die Vorlage hat aut, das Richtige anfl H»«-»«»
174 J. Hansen
88. Eine silberne überguldete Krön vom Kindlein, Zepter, Weltkugel
samt Zepter vor. die Mutter Gottes, alles überguldet.
89. Liber reverendissimi domini cantoris; antiquum ciborium in forma
turris; noch ein Kelch mit Paten; ein silberner überguldeter
Becher; Libellus domini decani; noch ein Kelch mit Paten.
Xn. 90. Antipendia 2 ex choro et altari beatae Mariae Virginis, Josephi,
cum passello.
91. Antipendia 2 itidem Isabellae.
92. Den Umlauf vom Traghimmel ex omamento Josephi.
93. Vier Chorkappen von Fürstenberg; item zwei Levitenkleider
und ein Casul, dito; Antipendium divae Virginis, dito; die Cor-
tinen von Isabella; 13 albae mclioris notae.
94. Zwei grosse Küssen von Sammet; item einige neue seidene
Fragmenten von der Sacristie gehörend; noch ein Altarküssen
von Sammet.
95. Zwei Josephi Tapeten.
96. Ein Tapet vom Evangelii Stuhl.
Xin. 97. Ist mit Papieren, zum Archiv gehörig, ganzlich angefüllt.
XrV. 98. Desgleichen blos mit alten Rechnungsbüchern und sonstige
Papiere völlig angefüllt.
XV. 99. Die Reliquien Kasten aus dem Choraltar.
XVI. 100. Acht silberne grosse Altarlcuchter.
101. Zwei silberne Lavoirs.
102. Zwei kleine silberne Leuchters.
103. Vier silberne Messkännchen.
104. Ein Kelch mit Paten».
105. Acht Lamina vor den grossen Kasten in Nr. 15, mit der Einfassung.
106. Ein grosser silberner Stab für den Chorbischof.
107. Ein Reliquienkast vom Muttergottesaltar; item das Mutter-
gottesbild separat.
108. Item noch 15 Stücker, wovon drei mit Steinen gamirt, separat;
dabei noch ein silbernes übergoldetes Knöpfchen.
109. Eine silberne Hostiendose, inwendig vergoldet.
XVII. 110. Ist angefült mit ungewaschenen Alben und Leinwand aus der
Sakristey.
XVin. 111. Ein Gesangbuch mit helfenbeinem Umschlag, mit Silber eingefasst.
112. Drei silberne vergoldete Kelche mit Patens.
113. Ein silberner vergoldeter Kaste oder Reliquiarium.
114. Ein dito von Helfenbein.
*) Auf diesen Kelch bezieht sich der zum Text des Protokolls vom 2^. Juni lHü4
gehörige, von Haagen a. a. O. II, S. 7Ü2 in die Anmerkung verwiesene Satz: Un calice
ne s'y trouve pas, 11 a ^t^ laisse aux moines de Paderborn chez lesquels les reliquos et
autres objets precieux out ete depos68 et conserves.
i
Der Aaebeaer DuBSchiti o. s^ine S-:hkk>Aie «rÄhrend der Fremdhorrschaft. 175
115. Eiii iiiU-TBtrr Be«4ier.
116- Zwei >ii>ierat: Kr»<nfn-
117. Ein *iIUnj»-4 i ili..riaTi in der Form einer Monstranz.
118. Blin ?ilbemcr Ka>ttn in der Form einer t'apelle.
119. Ein M^b zu den Beliquienka^ten.
XIX- 120. Zwei hr.Iizem^ Altarbilder mit Silber platirt und versnddet.
121. Ein tr>-?<hrieU'nt-> Evanff^'Heiibuch mit einem starken rui>chlÄ$r»
^j mit nne«-bien Steinen einirefa-sst.
122. Einiire Verzierungen zum EvangelienstuhL so ganz von SiU>et
and ven^oldet waren.
XX. 123. I>t ein Kä-tcben, worin blo^serdings Reliquien auflKM^nbrt und
dtra Patri Guardiauo zur l>e>ondem Asservation zuge^ttelt sind *.
Der sub Nr. 7 besonders verzeiebnete «zum SiMretariaf
Ver^'hlag ist jetzt, da die Reiebj^insijxnien bereits im Jabre
179s daraus genommen sind, nocb mit den zum Stvn»tariat
gehörigen Brief scbaften und Papieren gSnzIicb angefUUt.
Die sub rubrika »Probstei* gezeichnete Kiste ist blos mit
den domprobäteilichen Protokollen angefüllt,
Jean Frau«;ois Smets, ehanoine de la catbedrale
(L. S.) d*Aix-la-Ohapello.
Nicolas Joseph Sehieffers, juge de paix.
Samtliche im vorstehenden Inventario bemerkte Parzelen sind unter-
zeichneten Bevollmächtigten in den darin beschriebenen uumerirten Ver-
schlagen nach vorgängiger im Protokolle bewilrkter Krofuung der Versehb1gt>
und geschehener Vergleichung der sämtlichen Pareeleu des Achener Kiri'hen-
schatzes mit dem Inventario dato richtig tiberliefert worden, welches bierdun^h
vermöge unserer eigenhändigen Unterschrift und beigedruckten Pettschaften
beurkundet wird.
Paderborn, den 8**;^ Juny 1804.
Jean Franfjois Smets, ehanoine de la cath6drale
(L. S.) d'Aix-la-ChapeUe.
Nicolas Joseph Schieffers, juge de paix.
') Nach einem ebendort
Kisten: 1. K. 150 Pfd.. 2. K. 156 Pf.
fol. öl befindlichen Verzeichniss wogen die J»n«»^J«'^"
.. .^ -. -. -~ Pfd, 3. K. IHO Pfd., 4. K. 466 Pfd., 5. K. IW Ud t. K.
50 Pfd., 7. K. (nach Herausnahme der Reichsiusignien) 192 Pfd., «. ^- ^ " , ,'
205 Pfd., 10. K. 477 Pfd.. 11. K. 2U Pfd., 12. K. 495 Pfd., 13. K. 300 PfiL, U- ,; "' '
15. K. 1100 Pfd., 16. K. 1100 Pfd., 17. K. 85 Pfd., 18. K. 166 Pfd., 19. K. '*^ * «d » «•* »
415 Pid., die Probsteikiste 200 Pfd.
Die Melodie des Aachener Weihnachtslieds.
Von H. Böckeier.
In einem dem Archiv des Stiftskapitels in Aachen zu-
gehörigen Directorium (oder Ordinatio) chori aus der Mitte des
14. Jahrhunderts findet sich zum h. Weihnachtsfest folgende
Stelle :
Sacerdos canonicus celebraturus primara missara indutus
veste sacerdotali in pulpeto solempni^ cum thuribulo et cero-
ferariis leget evangelium „Liber generationis", astantibus sibi
subdiacono et diacono. Quo finito cantabunt Nu seit unß
willekome hero Kerst. Deinde „Te Deum laudamus** cum
organis, quo finito inchoabitur prima missa a domino cantore,
quae celebrabitur in altare b. Mariae Virginis.
Dieses Direktorium stammt aus den Jahren zwischen 1339 und
1851, weil es die 1339 von einzelnen Kanonikern duplizirten und
triplizirten Feste als solche in ursprünglicher Schrift, die 1351 und
später duplizirten und triplizirten Feste als solche in nachträglicher
Verbesserung enthält. Auch die obige Stelle befindet sich auf
einem nachträglich an Stelle des abgenutzten Pergamentblatts
eingefügten und beigeschriebenen Papierblatt. In einer Abschrift
desselben Direktorium aus den Jahren 1449 — 1455^ heisst der
Anfang des Lieds: „Sytt willekome hero Kirst", ebenso lautet
er in zwei spätem noch vorhandenen Abschriften, Papierhand-
schriften, von denen die letzte unzweifelhaft bis ins vorige Jahr-
hundert reicht. Somit ist das Weihnachtslied sicher wenigstens
400 Jahre beim Officium der h. Nacht im Aachener Dom
gesungen worden. Dass es auch anderswo gesungen wurde,
hat W. Bäumker, der verdienstvolle Herausgeber des Werkes
„Das katholische deutsche Kirchenlied", nachgewiesen. Im
*) Wahrscheinlich ist hier der Ambo des Kaisers Heinrich 11. gemeint.
*) Dieselbe enthält fer. V hebd. sacrae wohl den 1449 geweihten St.
Anna- Altar, nicht aber den 1455 consekrirten Altar Simeonis iusti.
Die Melodie des Aachener Weilmach tslieds. 177
^ Kirchenmusikalischen Jahrbuch** von 1887 berichtet er, dass
anch in der ehemaligen fürstlichen Abtei Thom an der Maas
das Lied seitens der von dem naheliegenden Poll kommenden
Schiffer gesungen worden sei. Die Schiffer erhielten dafür von
der Äbtissin einen Imbiss und einen Krug Wein.
In einem handschriftlichen Bituale dieser Abtei aus dem
17. Jahrhundert (Kopie eines altern Buchs) heisst es: In vigilia
Nativitatis evangelio flnito nautae de Poll tenentur cantare:
^Nu siet willekom herro Kerst etc." ad minimum tres aut
quatuor versus ante altare sancti Georgii, quibus abbatissa tenetur
dare offam et amphoram vini.
Bäumker glaubt sogar in einem vlämischen Gesangbuch
des 17. Jahrhunderts die ganze Melodie gefunden zu haben
und theilt sie in dem genannten Jahrbuch S. 65 mit. Der
Titel dieses Gesangbuchs lautet: Het Paradys der Geestelijke
en Kerkelijke Lof-Sangen, Op de principaelste Feest-Dagen des
gheheelen Jaers. Geplant door Salomonem Theodotum, Licentiaet
in der H. Godtheyt. Den vijfden Druck, verbetert ende ver-
meerdet te Antwerpen, by Hendrick Aertsens 1648. (Das Lied
steht S. 16 ff.) Allerdings stimmen der Anfang des Textes und
der Melodie, sowie das Versmaß ziemlich überein, auch erinnert
der Schluss „Kyrieleis" an eine alte Leise, aber der Verfolg der
Melodie und des Textes sind wesentlich verschieden. Zur Ver-
gleichung möge es hier folgen:
i
k-lb ! ! ^rT~,=r:3=3F=33^^5^^
I I ■ I I
^^
izuL
1. Nu zyt wel-le-ko-me Je-Bu lie-Ten Heer. Ohykomt van
al-800 hooghe, van al-soo veer. Ka zyt wel-le-ko-me vanden
^=i-^i-^=^=^^^E:^^ä^LJ_l^
hooghen He-mel neer. Hier al in dit Aerdtryk zyt ghy ghesien
i
^^—^-zL: I J J-7&^3f
noytmeer. Ky-ri - e-leys.
2. Christe Eyrieleison laet ons singen hly,
Daer meed* oock onse Leysen heginnen yry:
Jesus is ghehopren op den Heylighen Kersnacht,
Van een' Maghet reyne, die hoogh moet zyn geacht. Eyrieleis.
12
178
H. Böck'eler
3. D^ Herders op den Velde hoorden eon nieuw liedt,
Dat Jesus was ghebooren, sy wisten't niet:
Gaet aen geender Straten, en ghy sult hem yinden klaer,
Bethlem is de stede, daer^t is geschiedt yoorwaer. Eyrieleis.
4. D' Heylige drie Coon^ghen uyt so verren lant
Sy sochten onsen Heere met Offerhant:
S* Offerden ootmoedelyck Myrrh' Wierooek ende Gout
T^eeren van dat Kinde, dat alle ding behoat Eyrieleis.
Von der Melodie des Aachener Lieds war bisheran nur ein
Bruchstück bekannt, welches sich in dem im Münsterschatz
aufbewahrten Evangelien-Kodex Ottos m. vorfindet, aber nicht
aus der Zeit Ottos stammt. Dieses Bruchstück ist angefügt
an das im Anhang vollständig in Noten ausgesetzte Evangelium
von der Abstammung Jesu Christi, welches der Kanonikus senior
am Weihnachtsfest feierlichst vor Beginn des ersten Hochamts
sang, und gehört seiner Schrift nach höchstens dem 14., wenn
nicht gar dem 15. Jahrhundert an. In moderne Notenschrift
übertragen lautet es:
i
E^3
±=t
:^^=gp^^
W ^ I ei <g ^ p
Syt wil - le - ko - men heir
rekirst, want du on-ser
$=
13
1
-a
al-re he-re bis.
Schon dass der Text nicht mit „Nu seit unß" u. s. w.
anfängt, lässt auf eine spätere Zeit als 1350 schliessen, da im
oben erwähnten Direktorium dieser Zeit der Text so beginnt.
Dennoch erinnert die Melodie in ihrer Struktur an Gesänge
sehr früher Zeit, deren einige ich zum Beweis hier anfüge:
1. In einer Sequentia des berühmten Notker Balbulus
(840 — 912, Dichter und Komponist des bekannten Media vita),
betitelt de s. Innocentibus, heisst die zweite und dritte Strophe:
i
nj I t}—j--i^ j j ^-W I j ji
^-sl-J J-Iil^
Quem coe - li - tus ju - bi - lat, su-per a- stra ma-nen-tis ple-bis
m
t
■&^-^
3^ '^ r\ ^
■a
%
^Tir~^
de-cus ar-mo-ni-ae. Quem ag-mi-na in-fan-ti-um so - no-
i
Z-.3ZI3— ^
sn
ri8 ym-nis col-lau-dat etc.
Die Melodie des Aachener Weihnachtslieds.
179
2. Eine Sequentia, zu singen in Nativitate Domini in
primo galli cantu, aus einer Handschrift des 13. Jahrhunderts ^,
welche sich im Archiv des Aachener Stiftskapitels befindet,
beginnt:
Jes-se vir • gam hn-mi • da-vit et in firuc-tam fe-cnn-
wih'
^
da - Vit rosmi-se-ri-cor-di
J^J JT^
ae.
3. Ein Weihnachtslied, Uebersetzung der sehr alten Anti-
phon am Feste Maria Verkündigung: Haec est dies, quam fecit
Dominus, hodie Dominus afflictionem populi sui respexit, welches
sich in dem Gesangbuch des Hecyrus (1581 Pastor in Caden)
findet*, lautet:
^^
rs:
9="-^^"--^g^55r.^T::^-^--^~ --: ^Ij
Das ist dertagjdenOottgmacht hat auss barmhertzigkeit und ge - nad,
Heuthatan-gsehenQott der Herr Bci-ncsvolckstrUbsalund be-schwor,
m
-^
W-
i
Und hat uns aufT er-den ge-sandt un-sern Er-lö-sor und Iloyland.
Wenn Hoffmann von Fallersleben ^ das fragliclio Lied dem
Ende des 11. Jahrhunderts zutheilt, so dürfte er nach ()bi^«»m
wohl in soweit Eecht haben, dass seine Melodie wonigHtonH
nicht später entstanden ist; auch dürfte die Aohnlichkoit dtn*
Textanlage mit den berülimten Leisen „Unsar trolitiii liat lar-
salt" (9. Jahrhundert) und „Christ kinado" (973) auf eine nohr
frühe Zeit schliessen lassen.
War bisheran, wie oben bemerkt, nur ein Bruclistück der
Melodie bekannt, so sind wir nunmehr aber so glücklich, die
') Das Bach, ein Gradaale, ist geschrieben von einem Kanonikus
Amoldas, denn oft findet sich die Ueberschrift: Orate pro Arnoldo, und in
dem Necrologiom der Stiftskirche ed. Qu ix p. 11, XTIII Kl. Martii hoisst
es: Commemoratio magistri Arnold! canonici, qui praeter alia dodit magnum
librom in choro sinistro.
*) Vgl. Bäumker, Das kath. deutsche Kirchenlied I, S. 285.
') Geschichte des deutscheu Kirchenliedes, 3. Aufl., S. 29.
12*
180
H. Bdckeler
ganze Melodie zu besitzen, wie sie am Ende des 14. Jahr-
hundertsgesungen wurde und durch Herrn Geheimrath Dr. Loersch
in einer mehr erwähnten Pergamenthandschrift der Amploniana
in Erfurt^ mit Eintragungen etwa aus dem Jahre 1394' wieder
aufgefunden worden ist. Ist sie schon an und für sich ein
werthYoUer Fund zu nennen, so kommt noch hinzu, dass
sie dort in einer dreistimmigen Bearbeitung erscheint,
welche für die Geschichte der Entwicklung der Harmonie von
aussergewöhnlicher Bedeutung ist. Die einzelnen Stimmen stehen
nach Art der damaligen Zeit hintereinander, zunächst die erste,
dann die zweite und zuletzt als dritte Stimme (sog. cantos
firmus) die alte Melodie des Weihnachtslieds.
In kombinirter modemer Schreibweise hat die Komposition
folgende Gestalt:
(I
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¥
2Ö
Sys wil
^ -Jzi^r^r^-^ -^
t—r
i
jOjl
USG
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s&-:?JiöL
le
ko
men heir - re
kerst)
1-
-tf^
-^r
t
^^
i I
fczgil:=^fff^^ _^^1i^lIL^^|^^^
'-J^^J.
>) Vgl. Bd. X, S. 99 und Bd. XI, S. 51 dieser Zeitschrift
*) Diese Eintraguigeii sind wahrsekeinlich gesdmebea ron Jokaui
BaHHL, Kapellan der Katharinenkapeüe in Aachen.
Die Melodie des Aachener Weihnachtslieds.
181
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ri - e - leys.
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— ,ffi.
■^--
n
Vergleichen wir die Melodie mit dem oben abgedruckten
Bruchstück, so fällt uns sofort deren Vereinfachung und theil-
weise Umänderung auf, welche sie wahrscheinlich durch die
Benutzung als cantus flimus im Interesse des harmonischen
Gebilde erfahren hat. Zur Orientirung stelle ich die beiden
Melodien hier zusammen:
^^^^^^:^jJJ-^.M
]
1
I^JZjZj^^^^^^^^
Da zweifellos diese Vereinfachung auch auf den zweiten
Theil ausgedehnt worden ist, so haben wir leider die Original-
melodie nicht mehr vollständig korrekt vor uns und wird
diese auch wohl kaum durch Konjekturen herzustellen sein.
Denn dass die zweite Melodie die ältere sein könnte, widerspricht
der ganzen Tradition ähnlicher Melodien. Es schliesst dies
aber nicht aus, dass man an der Hand der neu aufgefundenen
eine neue Fassung der Melodie herstellen kann, welche die
Wiedereinführung des Lieds ermöglicht, sobald der Text eine
entsprechende Umarbeitung durch kundige Hand erfahren hat,
was ich hiermit den Berufenen sehr empfehlen möchte.
Die Tonart der Melodie ist die dorische, denn die Tonika
ist d und die Dominante a; wenn ein b im Verlauf der Melodie
184 H. Böckeier, Die Melodie des Aachener Weihnaclitslieds.
Zahlen die vollkommenste, weil sie von der höchsten Dreieinig-
keit, welche die wahrste und höchste Vollkommenheit ist,
ihren Namen angenommen hat^** Johannes de Muris sagt:
„Die Musik nimmt ihren Ursprung in der Dreizahl, welche, mit
sich selbst multiplicirt, neun erzeugt, in der jede Zahl enthalten
ist^* Daher finden sich bis ins 14. Jahrhundert nur höchst
selten Beispiele von zweitheiligem Takt, wiewohl es zweitheilige
Notenwerthe gab. Ferner finden wir Terzen- und Sextengänge
(18., 20., 21., 26. — 34. Takt), die Dissonanzen nur im Durch-
gang oder als Nebennoten angewandt, die interessantesten
Gegenbewegungen, während das Organum noch seine alten
Rechte zu behaupten versucht (zumal im ersten Theil des Ton-
stücks) und sogar mit rücksichtsloser Freiheit über die ver-
minderte Quint wie über die reinen Quinten vei'fugt. Es dürfte
wohl kaum ein Aktenstück dieser Art aus damaliger Zeit ihm an
die Seite gestellt werden können, welches dem Musik- Archäologen
so interessante Partien zum Studium der Entwicklung der
Harmonie böte. Wenn beim Beginn die erste Stimme ein c hat, so
liegt der Gedanke an einen Schreibfehler nahe ; man glaubt, es
müsse d statt c gesungen werden, oder in der dritten Stimme
ein c statt d. Erstere Korrektur ist aber darum unstatthaft,
weil in damaliger Zeit niemals ein Tonstück mit einem Moll-
akkord anfing, und letztere KoiTektur scheint darum nicht statt-
haft, weil das Lied nie mit c begonnen hat. Es bleibt uns
nichts anders übrig, als anzunehmen, dass die Melodie später
mit f anfing, wie auch die von Bäumker oben mitgetheilte
holländische Bearbeitung desselben Lieds mit f anfangt.
Mit diesen Bemerkungen, die nur in kurzen Umrissen auf
die hervorragende Bedeutung des vorliegenden Tonstücks hin-
weisen sollen, möge es seine Wanderung durch die musikalischen
Zeitschriften antreten. Ich hoffe, dass berufenere Männer, zumal
solche, welche die musikalische Archäologie mit Müsse als Spezial-
Studium betreiben können, es nach allen Seiten hin beleuchten
werden. Zu dem Ende wäre eine genaue Nachbildung der
Handschrift, vielleicht durch Photographie hergestellt, sehr
wünschenswerth.
*) Gerbert, Scriptores m, p. 4.
>) Gerbert 1. c. m, p. 298.
Die Melodie des Aachener Weihnachtslicds. 188
fahren hatten. Beispiele dieser Gesangweise finden wir mit-
getheilt in Bumey, Geschichte der Musik ü, Forkel, Musik-
geschichte n, S. 461, Gerbert, De cantu et musica sacra II,
p. 109 (nach einer Handschrift des Klosters St. Blasius aus
dem Jahre 1374), Revue musicale 1822 (altfranzösischer Chanson
für drei Stimmen von Adam de la Haie [f 1287] mitgetheilt
durch F. J. Fetis), Monatshefte für Musikgeschichte 1877 (mit-
getheilt durch E. Bohn), Cäcilia von Hermesdorff 1878 (eine
Reihe zweistimmiger Sätze über deutsche Kirchenlieder aus
einer Handschrift der Stadtbibliothek in Trier vom Jahre 1482 ^),
Cantiones Bohemicae (Leipzig 1886), Gregoriusblatt 1888, Nr. 6
(mitgetheilt durch P. Dreves). Nach Bellermann* war Franko
von Köln (f 1247 als Scholaster am Köhier Dom') der erste,
welcher die althergebrachte Lehre Hucbalds über die Quarten,
Quinten und Oktaven als einzige Konsonanzen verliess und, nach
dem Gehör urtheilend, die Terzen den Konsonanzen zu-
zählte. Marchettus von Padua (Ende des 13. Jahrh.) bespricht die
Auflösung der Dissonanzen, welche noch nicht vorbereitet
und gebunden, nur im Durchgang vorkommen, und Johannes de
Muris (t 1370) gibt endlich das Quinten- und Oktavenverbot.
In die Mitte dieser Bestrebungen fällt eine vierstimmige Messe,
welche von GuiUaume de Machaud (1340) komponirt und bei
der Krönung Karls V., Königs von Frankreich, im Jahre 1364
aufgeführt wurde*, sowie unser vorliegendes Tonstück, welch
letzteres unzweifelhaft viel klarer in der Fassung ist und
Passagen enthält, die anschliessend an sehr alte Traditionen
auf einen gewaltigen Fortschritt in der Harmoniebildung
schliessen lassen. Auffallend ist, dass, während die Melodie
zweizeitig ist, bei der Begleitung das dreitheilige Zeitmaß an-
gewandt worden. Die ältesten Mensuralisten hatten fast nur
dieses Zeitmaß, da die Zahl drei für sie eine hohe Bedeutung
hatte. Franko von Köln sagt: „Die Dreizahl ist unter allen
') Diese Sätze sind auch abgedruckt bei Bäum k er, Das kath. deutsche
Kirchenlied I, bei den betreffenden Liedern.
•) Festschrift zur dritten Säcularfeier des BerHn'schen Gymnasium
zum grauen Kloster. Berlin 1874.
*) Ueber dessen Lebenszeit und Lebensstellung war man früher im
ünUaren. Das Nähere s. Gregoriusblatt I, S. 42.
*) Ein Fragment des Gloria dieser Messe hat Chr. Kalkhie»
seiner Histoire de la musique mitgetheUt. '^
186 P. Giemen
ein fester Typus sich gebildet hat. Muthmaßlich gleichzeitig-
ist von allen Denkmälern des merowingischen Königshauses nur
der Grabstein der Fredegund in St. Denys *, fast gänzlich zer-
stört und in der Zeichnung des Kopfes nur in einer Miniatur
in der Karl IX. gewidmeten Handschrift der Histoire des rois de
France in der Bibliothfeque nationale zu Paris erhalten*. Aber
die Darstellungen der Könige : die des Klodwig auf einem Elfen-
beindiptychon in Amiens^, in der Kirche St. Geneviöve*, am
Portal von Notre Dame du Mans^, von St. Germain-des-Prfes *,
von Notre Dame zu Paris ^, am Portal der alten Kathedrale zu
Corbeil*, auf der Tapisserie von St. Remi zu Reims ^; die
Childeberts im Chor*® und im Refektorium** von St. Germain-
des-Prfes, in der Unterkirche von St. M6dard zu Soissons**, im
Chor von Notre Dame zu Paris *^, am Portal von St. Denys **,
von St. Germain l'Auxerrois *^, am Portal der Kathedrale von
') Eckhart, Commentarii de rebus Franciae orientalis I, p. 159;
Alb. Lenoir, Statistiqne monumentale de Paris. Atlas I, pl. V.
') F. de Vigne, Vademecum du peintre. Becueil de costumes du moyen
äge pour servir ä Thistoire de Belgique I, pL 44.
") Bigollot, Notice sur une feuiUe de diptyque d'ivoire repr6sentant
le bapt§me de Cloyis.
*) Alex. Lenoir, Description historique et chronologique des monu-
ments de sculpture au mus6e des monuments fran^ais I, p. 9; Alb. Lenoir,
Statistique monumentale de Paris I, pl. n.
^) Launay, Becherches arch^ologiques sur les oeuvres des statuaires
du moyen äge dans la viUe du Maus, contenant la description des portiques
de la cathMrale et de Notre Dame de la Couture. Dazu Annales arch^olo-
giques Xu, p. 405.
') Montfaucon, Monuments de la monarchie fran^aise I, pl. YII.
^) Montfaucon 1. c. I, pl. VIII, p. 56.
*) AI. Lenoir, Description bist, des mon. de sculpture II, p. 70;
Lacroix, Les arts au moyen äge p. S42.
®) A. Jubinal et L. Paris, Les tapisseries de Keims. Vgl. Annal.
arch^ol. XXIV, p. 350. Lacroix et Ser6, Le moyen äge IL La tapisserie.
*<>) Montfaucon 1. c. I, pl. XI, 1, p. 58; Alb. Lenoir, Stat. monum.
n, pl. m.
") Alb. Lenoir 1. c. n, pl. m.
»«) Montfaucon 1. c. I, pl. XI, 3, p. 59.
'^) Chouvet, Album des boisseries sculpt^es du choeur de Notre Dame
de Paris, pl. I.
") Montfaucon 1. c. I, pl. XV, 6, p. 192.
1^ Inventaire g6n6ral des richesses d'art de la France. Paris. Monuments
r61igieux I, p. 438.
Die PortritdjLrstelhngen K&iiä de« Groc^^n. 187
Boorges^; das Portr&t Dagoberts in der Handschrift der Tita
s. Aodomari in der Stadtbibliotbek zu St. Omer^ die drei
Darstellungen in St. Denys, die Fignr an der Pforte*, die
sitzende Figur im Chor*, das grosse Grabmal ^ die Reiter-
statue am Strassburger Munster *, die Darstellung im Tympanon
der Florentiuskirche zu Xiederhaslach ^ im Cod. 19 der Hamilton-
sammlung': das Bild Pippins in Fulda ^ auf einem Kapital der
XJnterkirehe von St. Denys ***, das Basrelief an der Fa^ade von
Sainte-Croii zu Bordeaux", das Portrat im Codex aureus des
Klosters Echtemach in der herzogl. Bibliothek zu Gotha ", das
Ghrabmal in St. Denys", das Bild in der Galerie des rois an
*) Willemin, Monuments fimn^ais in^ts I, pL 61.
*) Trois miniAtores repre^entant saint Vandrille et sa femme, Dagobert
et one tronpe dliommeä ann^s^ d'an manoscrit conteoant la vie de saint
VandiiUe, de la bibL comm. de Saint-Omer, in den M^moires de la $k>oi^t^
des antiqnaires de Picardie in, p. 325, pl. 8; Hefner, Trachten und
Geräthschaftcn des christliehen Mittelalters I», S. 27.
*) Beaunier et Bathier, Becueil des costumes fran^ain. rolKH:tion
des plus helles statues et figures firan^aiscs, pl. 16; H. de Viele astel»
CoUection des costumes, armes et meubles pour s»ervir 4 Phi»toirt> do Franeo
I, p. 22, no. 24; Lacroix, Les arts au moyen A^^ p. H5d.
*) Montfaucon L c. I, pl. XII, 5, p. U»ä; de (hillhormy» Momo-
graphie de T^^ise royale de Saint-Deuys. ToralM>awx et li>r«i^j* hinlovi^iioA,
Dazu AnnaL areh^ol. VII, p. 297—802.
*) Montfaucon Lei, pl. XIV, p. 164 (vgl. t\ \\ Hook U\ dou
Jahrbüchern des Vereins Ton Alterthumsftreundon im Uhoinlaiule V» S. i;I»
Anm. 20 und Piper, Mythologie der christlichen Kuunt l, S. üäH, Anm. Uh
ALLenoir, Descr. des mon.de sculpture II, p. 74; lUllardo«-SttUvin'n>\
Essais hlstoriques sur les moeurs des Francis IV, p. 02; de Ouilhermy
et Fichot, Monographie de T^glise royale do St. Denis; The arehaeolojjioftl
Journal V, p. 245; L'^glise impt^rialo de St. Denis et ses tombeaux.
*) F. X. Kraus, Kunst und Alterthum im üntorelsass S. 860, 4«l).
^) Kraus a. a. 0. S. 147.
•) Auf fol 4^ 18% 23*» mit Radegund. Vgl. Repertor. f. Kunstw. VII,
S. 800 und Katalog von K. Trübner, London 1889.
•) F. B. Schlereth, Beliefbildnisse von Karlmann und Pippinin Fulda,
in der Zeitschrift des Vereins für hessische Greschichte und Landeskunde III,
S. 368.
") AI. Lenoir, Mus^e des monuments fran^ais I, no. 514, p. 217.
") P. Venuti, Dissertations sur les anciens monuments de la ville de
Bordeaux p. 111.
") Fr. Wurth-Paquet, Liber aureus de Tabbaye d'Echtemach, in den
Publications de la soci6t6 des mon. bist, de Luxembourg XVI, p. 2.
»«) AI. Lenoir, Description bist I, p. 3, 11, p. 99; J. Babel, Les
antiquitez et singularitez de Paris (ed. O. Corrozet) p. 36; AI. Lenoir,
188 P. Giemen
Notre Dame zu Paris \ in St. Maria im Kapitol zu Köln *, am
Suitbertusschrein zu Kaiserswerth ', in einer Handschrift der
Bibliothek zu Wolfenbüttel*; endlich die Menge der Einzel-
flguren an den Portalen der französischen Kathedralen, zu
Paris, Reims, Chartres, Bourges, Corbeil, St. Denys, von Notre
Dame du Maus, St. Vincent zu Tours zeigen beim Längsschnitt
innerhalb der einzelnen Gruppen eine solche Verschiedenheit
der Porträts, beim Querschnitt in den Darstellungen verschie-
dener Personen, aber der gleichen Zeit, doch wieder eine solche
Uebereinstimmung dei'selben, die ein und dasselbe Herrscher-
ideal bei allen Königen wiederholen, dass von einer Entwick-
lung klarer Typen für die Einzelpersonen nicht die Bede
sein kann.
Bei der Betrjtchtung des Porträts Karls d. Gr. nimmt die
Untersuchung der spätem Darstellungen einen besondern Platz in
Anspruch. Bei keinem einzigen nämlich der vom Mittelalter
geschaffenen Typen ist der Einfluss der geistigen Eigenschaften
auf die Bezeichnung der Körperlichkeit, das greifbar fassliche
Gestalten des Helden so stark wie bei Karl d. Gr., bei keinem
auch 80 klar und deutlich nachzuweisen. Die Gründe liegen
nahe. Die von den Künstlern des Mittelalters vorzugsweise,
fast ausschliesslich dargestellten Gestalten gehören der kirch-
lichen Kunst, der heiligen Geschichte an. Eine Weiterbildung
der in der Bibel gegebenen Schilderung war nur in soweit
möglich, als die neugeschaffene Charakteristik nicht in bewussten
Gegensatz trat zu den Worten der Bibel, das dort offen Gelassene
nur ergänzte — und bei dem vorwiegend epischen oder didak-
tischen Charakter der jüdischen Literaturdenkmale ist Personal-
beschreibungen keine hervorragende Stellung angewiesen —
eine der Bibel widersprechende Darstellung ward verworfen.
Auch bei den Heiligen der Kirche war die freie Ausbildung
beschränkt durch das rasche Eintreten einer kanonischen Fixirung
Mas6e des monnments fran^is I, pl. 26, no. 12; de Vielcastel, CoUectioD
des costumes I, p. 28.
*) 1793 zerstört. Catli6drales cöUbres. Notre Dame de Paris p. 11.
^ H. Düntzer, Capitol, Marienkirche und alter Dom za Köln, in den
Jahrbüchern des Ver. v. Alterthumsfr. im Rheinlande XXXIX, S. 92.
') E. aus*m Weerth, Eunstdenkmäler des christlichen Mittelalters in
den Rheinlanden II, S. 44, Taf. XXX, 2.
*) von Heinemann, Handschriften der herzogl. Bibliothek zu Wolfen-
büttel I, S. 185.
Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen. 189
des legendarischen Stoffes. Anders bei Karl. Die gleichzeitige
authentische Schilderung Einhards hatte nicht denselben bin-
denden Charakter wie die Worte der Evangelien: wie die
Chroniken des Mittelalters von der historischen Kritik der Zeit-
genossen im Allgemeinen als gleichwerthig anerkannt wurden,
^ies man der Schilderung Turpins denselben Werth zu wie der
Einhards. Und dann: von all den Gestalten, die dadurch, dass
sie nicht dem Kreise der heiligen Greschichte angehören, den
Vorzug freiester Weiterbildung gemessen, ist die Karls die
weitaus am häufigsten dargestellte. Allerdings dankt er dies
nicht zum geringsten Theil seiner Erhebung zum Heiligen ; aber
schon vor der Kanonisation war die erste grosse Entwicklung
abgeschlossen.
Von dem Augenblick an, wo wir den Boden der gleich-
zeitigen Schilderung verlassen, ist nicht mehr die Frage zu
stellen, in wieweit die erhaltenen Darstellungen der Persönlich-
keit Karls entsprechen, sondern in wieweit literarische und
künstlerische Charakteristik übereinstimmen, welchen Abwand-
lungen beide unterworfen sind, und welche Ursachen diesen
Veränderungen zu Grunde liegen. Die Behandlung der Porträt-
darstellungen Karls unterliegt von diesem Zeitpunkt an denselben
Gesetzen und derselben Methode wie die Monographie irgend
eines andern Darstellungsgegenstands mittelalterlicher Kunst.
Die ikonographische Behandlung Karls hat noch den einen
besondem Vorzug vor der irgend einer der heiligen und legen-
dären Geschichte angehörenden Persönlichkeit, dass hier die
Ausbildung des Typus ein Verdienst der spätem Jahrhunderte
des Mittelalters ist, einer Zeit, in welche die übrigen Gestalten
des mittelalterlichen Darstellungskreises zum grossen Theil in
ihren Grundlagen gefestigt und in ihrem Darstellungsschema
abgerundet eintreten. So wird die Wandlung des Porträts
Karls auch von Wichtigkeit für die Entwicklungsgeschichte
der mittelalterlichen Typen als Pulsfühler für die schöpferische
Kraft der zweiten Hälfte des Mittelalters.
Die Wiedergabe der Züge verändert sich, weil die Vor-
stellung von der Persönlichkeit, von der jene nur eine Aus-
drucksform bilden, sich verändert, die physische Charakteristik
folgt der Entwicklung der psychischen Charakteristik. Einen
ganzen Kanon von äussern Eigenheiten als Ausdrucksmittel
für innere Eigenschaften hat das Mittelalter aufgestellt. Die
190 P. Clemen
äussere Persönlichkeit erscheint nur als ein Ausfluss innerer
Vorzüge und Fehler: einen hochfliegenden, edlen Geist kann
man sich nicht anders wohnend denken als in schönem Körper,
während der Verräther und Feigling seine Schande auch ausser-
lieh sichtbar trägt, dem sittlich Hässlichen entspricht das
körperlich Hässliche. So erscheinen im altfranzösischen Bolands-
lied die Verräther unter den Heiden von abschreckendem
Aeussem, schwarz wie lebendige Teufel, die Wackem schön,
mit hellem Antlitz wie die Franken.
Wie ist dies psychologisch zu erklären? Je niedriger die
Entwicklungsstufe der Kultur, um so mehr ist das äussere
Leben durch die körperlichen Fähigkeiten des Individuums
bedingt. In den Jahrhunderten deutschen Stammeslebens war
Macht und Ansehen gleichbedeutend mit Muth und Tapferkeit,
denn jene waren durch diese bedingt; strebte die Phantasie,
von einem Mächtigen im Volke sich ein Bild zu machen, so
fand sie dies in der Darstellung der Ursache des Ansehens, in
der Stärke — und das sichtbare Gefass der Stärke* ist ein
Körper von gewaltigen Gliedern. Als dann äussere Macht-
stellung nicht mehr identisch zu sein begann mit Tapferkeit,
jene sich mit andern Fähigkeiten verband, blieb doch das ein-
mal geschaffene Bild mit dem abstrakten Gedanken der Herr-
scherwürde unlösbar vereint. Unbewusst ist dem ganzen
Mittelalter eine Art umgekehrter Physiognomik eigen. Eine
rohe und unbehilfliche Technik beeinträchtigt in erster Linie
immer die feinere Durchbildung des künstlerisch die meisten
Schwierigkeiten bietenden Körpertheils, des Gesichts, lässt vor
Allem die Fähigkeit, Seelenstimmungen und geistige Eigen-
schaften im Gesicht zum Ausdruck zu bringen, nicht aufkommen.
Damit ist jede anfangende Kunst zunächst verwiesen auf äussere
Abzeichen und Beigaben, die den Charakter des gemeinsamen
Menschenschemas erst bestimmen, und ging sie einen Schritt
weiter: auf das gröbere Ausdrucksmittel des ganzen Körpers —
und eine Deutlichkeit des Ausdrucks ist hier nicht zu erreichen,
ohne dass nicht durch stillschweigende Uebereinkunft gewisse
äussere Eigenschaften bezeichnend werden für innere. Und
bewusstes Streben nach Deutlichkeit des Ausdrucks führt bei
jeder unentwickelten Kunst zur Uebertreibung.
Der erste Schritt zur künstlerischen Gestaltung einer in
der Phantasie lebenden Persönlichkeit geschah aber schon durch
Die Porträtdarstellangen Karls des Grossen. 191
den Dichter, der sich zwang, eine Beschreibung seines Helden
zu geben — so verdichtete die Dichtung eine Sammlung ver-
schiedener Eigenschaften zu einem Menschen von Fleisch und
Blut. Nicht die bildenden Künstler, sondern die Dichter der
Evangelienharmonien, die Verfasser der Legendarien und die
namenlosen Sänger der Volkssagen sind die ersten Schöpfer der
plastischen und malerischen Gestaltenwelt des Mittelalters,
soweit diese dem Mittelalter selbst angehört. Der zweite
Schritt erst geschah durch den bildenden Künstler, der die so
erzeugte Figur in die künstlerische Sprache übersetzte. Der
Augenblick, in dem ein Bildner zum ersten Mal es unternahm,
mit künstlerischen Ausdrucksmitteln sich ein Bild der durch
die Dichtung entweder neu- oder umgeschafFenen Persönlichkeit zu
machen, bedeutete wiederum eine grosse, eine schöpferische
künstlerische That. Denn bereits der nächste Nachfolger, der
dasselbe unternahm, hatte doch nicht dieselbe Freiheit mehr.
An das bereits Vorhandene ist von nun an die künstlerische
Phantaste gebunden. Was ein jeder Künstler bei der Schöpfung
seines Werkes anstrebt, ist, dass es kenntlich sei als das, was
es vorstellen soll — der BegriflF der Kenntlichkeit eines Gegen-
stands oder einer Gestalt beruht aber auf Erinnerung an früher
Geschautes. Also musste nothwendig der spätere Künstler das
bereits geschaffene Bild wiederholen, einfach aus dem Grunde,
damit die Betrachtenden sagen konnten: Ja, das ist Petrus,
das ist St. Michael, das ist Karl d. Gr. — und solche strenge
Wiederholung ist um so stärker, je schwächer die Freiheit der
künstlerischen Persönlichkeit sich zeigt.
Je mehr bei der Entwicklung und Mischung der Rassen
und Stämme einmal, sodann bei der zunehmenden Verschieden-
heit der Beschäftigung und der dadurch bedingten Lebensweise,
endlich bei den wachsenden Unterschieden der wirthschaftlichen
Stellung der Volksklassen und dem Drang, dieser Stellung
äusserlich Ausdruck zu geben, die Mannigfaltigkeit der Menschen-
typen innerhalb eines Volksganzen wächst, um so grösser muss
auch die Verschiedenheit derselben nach Landschaften werden,
die erst bei einem hohen Kulturzustand, bei dem die wirth-
schaftlichen Kräfte eines natürlich begrenzten Landes nicht
mehr eine gemeinsame Basis für die Lebensführung der In-
wohnenden abgeben, durch die Uniformität grösserer Gebiete
ausgeglichen zu werden pflegt. Würden wir einen stets gleich-
192 P. Giemen
massigen Faktor künstlerischer Kraft, sich dieser Menschentypen
darstellend zu bemächtigen, annehmen, so würde schon hieraus
eine stetig zunehmende Mannigfaltigkeit der künstlerischen
Erscheinungen sich ergeben.
Es kommt hinzu, dass dieser wachsenden Mannigfaltigkeit
der Typen parallel läuft die stetig zunehmende Fähigkeit, die
Aussenwelt zu beobachten und ihre Erscheinungen künstlerisch
darzustellen. Während im Anfang die Kunst zufrieden war,
die menschliche Gestalt in ihren rohen Umrissen als Gattungs-
wesen zu beherrschen, erlangt sie in organischem Wachsthum
zunächst die Fähigkeit, einzelne menschliche Typen zu schildern,
weiss Geschlechter und Lebensalter zu unterscheiden, lernt dann
die Eigenthümlichkeiten der einzelnen Stämme mit scharfem
Auge erfassen und es gelingt ihr endlich die Darstellung
des einzelnen Menschen als Individuum. Ausdrücklich sei
betont, dass hier nicht von dem Wollen, sondern von dem
Gelingen die Rede ist. Auch diese Entwicklung würde bei
stets gleichbleibendem Objekt eine schnelle Zunahme i€r Typen
ergeben. Stellen wir diese beiden Entwicklungen nebenein-
ander und berücksichtigen die Veränderung des Objekts sowohl
wie der künstlerischen Kraft, so ergibt sich für das Auge, das
die ihm gebotenen Erscheinungen an sich auffasst, ein merklich
gesteigertes und beschleunigtes Wachsthum der Typenwelt.
Beide Linien zeigen nicht dieselbe Steigung, und damit ist der
Unterschied der Endpunkte bei beiden Linien nicht miteinander
zu vergleichen. Während die Entwicklungslinie der Typen in
der Erscheinungswelt, um in Zahlen zu reden, etwa eine
Steigung von zwei Grad besitzt, beträgt die der Entwick-
lungslinie der künstlerischen Aufnahmefähigkeit im gleichen Zeit-
raum etwa zehn Grad, die Steigung der Entwicklungslinie der
Typen in der künstlerischen Erscheinungswelt aber danach etwa
zwanzig Grad.
Diese Linie ist nie eine gerade ansteigende, sondern
reich an Rückschritten und Abweichungen, ebenso wenig aber
wie diese Entwicklung bei irgend einem Volk der Erde in
gerader Linie verläuft, ebenso wenig schreitet sie auch in
Sprüngen, mit Auslassung dazwischenliegender Leitersprossen
vorwärts.
Nun beruht jede dichterische Ausschmückung und Charak-
teristik auf Gedankenassoziation. In Kaiser Karl sieht das
4Jie x'oixramarsüeuungeii iLans aes urossen. lya
ganze Mittelalter sein höchstes Herrscherideal — demnach stellt
jede Zeit den Kaiser dar, wie sie sich ihr Herrscherideal denken
'Würde. Wie aber hier jedes Jahrhundert auf eine oder die
andere Seite grössern Nachdruck legt — denn Mängel und Noth
wechseln und erfordern darum auch einen stets wechselnden
Heiland — und demnach dieses Herrscherideal in verschiedenen
zeitlichen Abschnitten verschieden gebildet sein muss, so ent-
steht auch zur gleichen Zeit in den einzelnen Landschaften, je
nachdem diese oder jene Seite des Volkscharakters mehr oder
weniger ausgeprägt ist, die politischen oder kirchlichen Bedürf-
nisse der Landschaft die Betonung einer bestimmten Eigenschaft
des Herrscherideals verlangen, ein verschiedenes Bild. Die
Züge, mit denen der Dichter eine von ihm gezeichnete Person
ausstattet, entnimmt er seiner Erinnerung, die sich naturgemäss
zunächst auf die Personen seiner Umgebung bezieht.
Mit der wachsenden Ausdrucksfähigkeit der Kunst für
feinere Unterschiede ergibt sich aber auch die wachsende Mannig-
faltigkeit der Stammestypen in der Schilderung irgend einer
Figur, eben weil der Künstler, der die menschlichen Einzelztige
den Personen seiner Umgebung entnimmt, diese jetzt nicht nur
als Menschen an sich, sondern als Menschen ganz bestimmter
Art, Beschäftigung und danach bestimmten Körperbaus, Gesichts-
ausdrucks zu beobachten gelernt hat. Nicht erst das 15. Jahr-
hundert ist es, das durch die völlig entwickelte Freiheit der
künstlerischen Persönlichkeit die Einheit einer ikonographischen
Entwicklung unterbricht, sondern der Augenblick, in dem der
Künstler gelernt hat, die Sondereigenthümlichkeiten seiner
nächsten Umgebung aufzufassen. Dies ist der Grund, aus dem
ich abweichend von der gewöhnlichen ikonographischen Methode
dem Versuch einer lokalen Gruppirung den Vorzug gegeben
habe vor der zeitlichen Anordnung. Wie der Gesammteindruck
zusammengesetzt ist aus einer Reihe von Einzeleindriicken, so
ist auch das jedesmalige Gesammtresultat der Ikonographie
einer Persönlichkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums nur
die Zusammenfassung einer Reihe von einzelnen Ikonographien :
jede solche Zusammenfassung bedingt aber eine Abrundung,
einen Ausgleich, und damit das Verwischen sämmtlicher lokaler
Eigenthümlichkeiten zu Gunsten eines gemeinsamen Resultats.
Und wie in einem kleinen Zeitraum, so ist auch eine ganze
Entwicklung durch mehrere Jahrhunderte die Zusammenfassung
13
194 P. Giemen
einer Reihe von Einzelentwicklungen, die, mit dem Boden ver-
wachsen, sich in engem Bezirk abspinnen.
Will man nicht bereits Äiit dem 13. Jahrhundert, das der
Kunst die Ausdrucksfähigkeit für Stamraestypen erwirbt, die
Entwicklung abschliessen, so ist kein Grund vorhanden, \^ill-
kürlich das Ende des 15. Jahrhunderts auch als Ende dieser
Ikonographie hinzustellen. Soweit die mittelalterlichen Typen
unverändert fortleben, soweit hat auch die Betrachtung einer
Ikonographie zu reichen : haben wir auf der einen Seite Werke
des 15. Jahrhunderts als völlig individuelle Schöpfungen aus-
zuscheiden, so sind auf der andern Seite noch Arbeiten aus dem
Beginn des 17. Jahrhunderts, die lediglich Wiederholung und
Nachbildung der alten Typen sind, unbedingt zur mittelalter-
lichen Entwicklung hinzuzurechnen. Denn bei jeder Ikonographie
ist der geistige Inhalt das Wesentliche, also auch für die
Gliederung der Perioden Maßgebende, während Stil und Form,
soweit sie nicht verändernd einwirken auf den Inhalt, erst in
zweiter Linie in Betracht kommen.
Der Gang unserer Abhandlung ergibt sich aus dem Gegen-
stand selbst. Wir haben zunächst das gleichzeitige literarische
und künstlerische Porträt einander gegenüberzustellen und gegen-
einander abzuwägen, sodann die Entwicklung der literarischen
Schilderung, nach Ländern geordnet, bis zum Ausgang des
Mittelalters durchzuführen und dem die Aufzählungen der Dar-
stellungen des Kaisers, soweit wie möglich in Gruppen geordnet,
anzureihen, worauf der Versuch zu machen ist, eine klare zeit-
liche Entwicklung aufzustellen, die bei derselben einwirkenden
Faktoren zu untersuchen und in ihrem Zusammenhang klar-
zulegen.
I. Das gleichzeitige literarische Porträt
Die älteste, ausführlichste und beste Beschreibung der
Person des grossen Kaisers gibt uns Einhard, der immittelbar
nach Karls Tod, als dessen Bild noch frisch und unverwispht
vor seinem Geiste stand, die Biographie seines väterlichen
Freunds niederschrieb ^ :
*) Einhardi vita Karoli cap. 22, Mon. Germ. SS. II, p. 455, 1. 41:
Corpore fuit amplo atquc robuste, statura eminenti, quae tarnen iustam non
excederet — nam Septem snomm pednm proceritatem eins constat haboisse
mensuram — apice capitis rotundo, oculis praegrandibus ac vegetis, naso
Die Porträtdarstellnngen Karls des Grossen. 195
^Karl war von breitem und kräftigem Körperbau, ausser-
ordentlicher Grösse, die jedoch das rechte Verhältniss nicht
überschritt — denn seine Länge betrug bekanntlich sieben
seiner Füsse — der obere Theil seines Kopfes war rund, die Augen
^waren sehr gross und lebhaft, die Nase überschritt ein wenig
das Mittelmaß; er hatte schöne weisse Haare und ein freund-
liches und heiteres Gesicht. Das alles verlieh seiner Gestalt,
er mochte stehen oder sitzen, eine hohe und imponirende Würde.
Wohl erschien sein Hals dick und zu kurz, sein Bauch etwas
herabhängend : aber das Ebenmaß der andern Glieder verdeckte
das. Er hatte einen festen Gang, eine durchaus männliche
Haltung des Körpers und eine helle Stimme, die jedoch zu der
ganzen Gestalt nicht recht passen wollte. Er besass eine gute
Gesundheit, nur dass er in den vier Jahren vor seinem Tode
häufig von Fiebern heimgesucht wurde und zuletzt auf einem
Fuss hinkte.* Obwohl gerade diese Schilderung am bedeutend-
sten als Suetonisches FHckwerk sich erweist^, so haben wir
paalnlom mediocritatem excedenti, canitie pulchra, facie laeta et hilari.
' Unde formae auctoritas ac dlgnitas tarn stanti quam sedenti plarima adqaire-
batur, qoamquam cervix obesa et brevior, venterque proiectior videretur:
tarnen haec ceterorum membromm celabat aequalitas. Incessu firmo, totaque
corporis habitndine virili, voce clara quidem, sed quae minas corporis formae
conveniret; valetadine prospera, praeter qnod, antequam decederet, per
qüattuor annos crebro febribus corripiebatur, ad extremum etiam ono pede
clandicaret. Dazu die Beschreibung des Po^ta Saxo, Mon. Germ. SS. I,
p. 273, V, 333 :
Corpore robosto foit ipse dccenter et amplo,
Incessu firmus, vividus atque agilis,
Egregie procerus, et hie moderamine iusto,
Septem namque suis longus erat pedibus.
Ipse rotundus apex capitis, cervix et obesa,
Naris plus paulo quem mediocris erat;
Laete fulgentes oculi, facies quoque laeta,
Et vox clara satis, pulchraque canities.
Usus vestitu patrio, semper peregrinum
Bespuerat, quamvis pulcher et ipse foret.
*) Sueton, Jul. 45: excelsa statura vegetisque oculis. Aug. 79: Forma
eximia, vultu sereno, oculos habuit claros. Tib. 68 : Corpore fuit amplo atque
robosto, statura eminenti, quae iustam excederet, ceteris membris aequalis et
congruens, facie cum praegrandibus oculis. Calig. 50: Statura fuit eminenti,
corpore enormi. Claud. 30: Auctoritas dignitasque formae non defuit Tel
stanti Tel sedenti ; nam prolixo corpore erat canitieque pulchra. Nero 51 :
Statura iusta, cerTice obesa, Tentre proiecto. Galba 21: Statura fuit iusta.
Viteilius 17: Venter obesus. Titus 8: Tentre paulo proiectiore. Domit 18:
13*
196 P. Giemen
bei der Art und Weise, wie der technisch ungeschulte Ostfranke
die Ausdrücke des formgewandten römischen Biographen an-
wendet, sie verschmilzt oder verändert, doch keinen Grund, an
der Ehrlichkeit der Beschreibung zu zweifeln.
Diesem werthvollen Denkmal tritt eine Reihe kurzer Schil-
derungen der Zeitgenossen bestätigend, ergänzend, erweiternd,
einzelne Züge besonders ausmalend zur Seite; insbesondere
sind es die lateinischen Poeten der kaiserlichen Akademie, die
nicht müde werden, immer und immer wieder neben der Macht-
fülle des Geistes, der Ueberlegenheit des Scharfblicks auch das
üeberwältigende seiner äussern Erscheinung hervorzuheben, die
ihnen nur der Ausfluss der geistigen Eigenschaften ist. Das
lebhafteste Bild des Kaisers, wie es dem Auge des Dichters
sich zeigte, gewähren des Theodulf geistreiche und äusserlich
vollendete Dichtungen. In dem schwungvollen Triumphgesang,
in welchem der eben abwesende ^ Dichter nach dem Avarensieg im
Jahre 796 Karls Hof preist, schildert er auch den Kaiser selbst:
„0 Antlitz, klarer denn lauteres Gold; glücklich, der dir
immer zugegen sein darf, der sehen darf deine Stirn geziert
mit 'dem Diadem, wie es kein zweites auf Erden gibt, das
herrliche Haupt, das Kinn, den mächtigen Nacken, die gold-
geschmückten Hände, vor denen die Armuth weicht, die Brust,
die Schenkel, die Füsse: Alles ist schön und herrlich an dir; —
und dann zu hören deiner Klugheit einsichtsvolle Eeden, in
denen du Alle übertriffst. Deine Weisheit kennt keine Grenzen;
breiter ist sie denn der Nil, grösser als die eisbedeckte Donau,
mächtiger denn der Euphrat, nicht geringer als der Ganges*."
Statura fuit procera, grandibos ocolis, deformis obesitate yentris. Calig. 33:
habitus virilis. Vgl. Fr. Schmidt, De Einhardo Snetonii imitatore, Programm
der kgl. Stadienanstalt Bayreuth 1879, S. 4, 16; M. Manitins, Einhards
Werke und ihr Stil, im Neuen Archiv der GeseUschaft für Ältere deutsche
Geschichtskunde VII, S. 517, XI, S. 43. Dazu Histor. Jahrbuch der Görres-
geseUschaft VII, S. 136.
0 Mon. Genn., Poetae latini acvi Carolini, ed. Dümmler I, p. 488,
V. 208.
«) Poet. lat. I, 483 (XXV), 13; Sirmond, Theodulphi opp. III, 1, 244.
Zu V. 13: Aen. Verg. Vm, 624 auroque recocto. Vita s. Mart. Venant
Fort Unat. I, 127 ter cocto ardentior auro.
29 Nomine reddis avurn Salomonem stemmate sensus,
Viribus et David, sive Joseph specie.
Das Gedicht wohl im Frühjahr 796 entstanden, als der junge Pippin,
der die Avarenringe gestürmt und die Burg des Kakans gebrochen, nach
Die Porträtdarstcllaxigen Karls dos ürousou. 19T
Weitere Gedichte auf Karl und seinen Hof, theilweise in
schwülstigen Bildern und gekünstelten Formen schwelgend,
zeigen weniger individuelle Züge, sondern geben nur die üblichen
höfischen Schmeicheleien wieder ^
Dem Theodulf zur Seite steht Angilbert, am Hofe zu
Aachen als Homer gepriesen: in seinem Epos „Carolus Magnus
et Leo papa" schildert er das Auftreten des Kaisers in all-
gemeinem, theilweise unbestimmten Worten, weniger die äussere
Erscheinung selbst scharf zeichnend, als vielmehr den Eindruck der-
selben bei den Umstehenden wiedergebend *. Seine Charakteristik
ist einförmig, seine Schilderung undurchsichtig und übertrieben,
mit antikem Flitterwerk aufgeputzt: übermäßig borgt er die
Farben von Vergil und Ovid, die antike Verkleidung deckt
seelenlose Körper^.
Die angeführten Stellen geben die allgemeinen Grundzüge
der Verherrlichung des Kaisers an, seine einzelnen hervor-
Aachen heimkehrte : Rzehulka, Theodulf von Orleans. Diss. S. 27 ; K. Liersch ,
Die Gedichte Theodulf». Diss. S. 33, Anm. 8; Pauli in den Forschungen
zur deutschen Geschichte XII, S. 162; Kbort, AUj?. (Josch. d. Litt. d.
Abendlandes II, S. 70, 79; Wattenbach, DoutHchlunds (Ji'«chicht8queUen,
5. Aufl. I, S. 144.
') Theodulfi c. ad regem XXXII, Poi't. iut. T, p. 523, XXXVI, I,
p. 527, I, p. 480 (Liersch a. a. 0. H. 15), I, p. 4m) (Liornch S. 47). Origo
et exordium gentis Francorum: PoiH. lat. II, p. 144, I, p. 54, 74, 154, 155.
2) Poet. lat. I, 366. (Für de» AngiMMTÜHrhcMi Ursprung Pertz, SS.
n, 391, Archiv d. Gesellschaft f. alt. d«MJtM('h« (U^HcMchtHk, VII, S. 363,
Manitius, Neues Archiv VIII, H. i), IX, H. 614. I)ug«'gen Ausfeld in
den Forschungen zur deutschon iU^HcUlfhU', XXIII, H. 609.)
22 Pace nitet laeta, parit4;r piotiito rHlundaris
Nescit habere pio lapHuruin lunilne caMum.
Vultu hilari ore nitct, M«aupor quoque fronte serena
Fulget et aeterno pi<'tatis lumine Phoebum
Vincit, ab occasu dit<i>erg<*uH nomen in ortum.
30 nie duces magno et coniit<;H inluHtrat amorc;
Blandus adest iusti«, hilan*m ne praebet ad omnes.
66 Pacificus, largus, 8oll(*rH hilarinquc vfuuHtus.
*) Gegen die hohe Schätzung der dicMUrMutn Fertigkeiten ihn Angilbert
bei Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter II, S. 529 und
Wattenbach a. a. 0. I, S. 168 wendet a'uU li. HiniHou, IJtbir «Iuk (it'di<'ht
von der Zusammenkunft Karls d. (ir. und Leos ill. in PiKlcrbont, in
den Forschungen zur deutschen Goscbirbte XII, S. 569, Aiigilbi-n und
Hibemicus exul, in den Forschungen XIV, S. 623. Günstiger Ebtrt a. u. O.
n, S. 58.
198 P. Giemen
ragenden Eigenschaften werden wiederholt einzeln gepriesen :
seine Leibeslänge, mit der er Alles überragt, wie die Sonne
auf der Höhe ihrer Bahn, rühmen Theodulf ^ und Angilbert *,
ebenso Hadrian', die Mächtigkeit seiner Glieder*, die über-
strömende Körperkraft, der er sich in jugendstarker Lebenslust
erfreute *, weitere Gedichte seine Tapferkeit im Kriege % ebenso
0 Theodulf: Poet. lat. I, 485, v. 67:
Ciicamdet polchrum proles carissima regem,
Omnibus emineat, sol ut in arce solet.
•) Angilbert: Poet lat. I, 367, v. 170:
Enitet eximio vnltu facieque cornscat;
Nobile namque caput pretioso amplectitor auro
Bex Carolas; conctos homeris sapereminet altis.
(Nach Aen. I, 501 : Fert omero gradiensque deas sapereminet omnes)
p. 376, V. 418: eqaitatas vertice toto
Exsuperat comites.
(Nach Aen. XI, 683: toto vertice saprast)
V. 491: et vertice toto
Altior est sociis, popalam sapereminet omnem.
') Poet. lat. I, 90 (nach Abel, Jahrbücher d. fr&ok. Reichs unter
Karl d. Gr. I, S. 137, Anm. 1 im Jahre 774 gedichtet): Altus, nobilis, nitens
regit diversa regna.
*) Pauli Di aconi versus de episcopis Mettensis civitatis (Bethmann
im Archiv X, S. 294), Poet. lat. I, 61, v. 58:
quo tempore maximus armis
Rex Carolus sensu, formaque, animoque decorus
Italiae accepit Christi de munere sceptrum.
») Poeta Saxo V, 317, SS. I, p. 272. Vgl v. 369, p. 278.
«) Angilbert: Poet. lat. I, 376, v. 417:
Armatas acies inter primosque coruscat
Ardaus, arma tenens. Carm. d. exord. gent. Franc. 95,
P. 1. n, 144.
Poet. lat. I, 380, v. 40:
Hanc Carolus princeps gentem fulgentibas armis
Fortiter adcinctus, galeis cristatus acutis
Arbitri aeterni mira virtute invatas
Per varios casas domoit.
(Nach Aen. n, 749 cingor fulgentibas armis.)
Die Verse des Schreibers Dagulf im Wiener Psalter (Theol. 652), Poet.
lat. I, 92: Aurea progenies, falvo lacidior auro,
Carle, iubar nostrum, plebis et altus amor,
Rex pie, dux sapiens, virtate insignis et armis,
Qaem decet omne decens quicquid in orbe placet.
Poet. lat. I, 93, v. 13: Salve, rex Carole armipotens vir magnc.
Ermoldas Nigellas in honorem glor. Pippini regis II, 159: Poet, lat
n, 90. Ebenso II, 13 (P. 1. II, 24).
II
Die Portratdarstellungen Kaiis des Grossen. 199
die milde und leutselige Freundlichkeit, die aus seinem
offenen Antlitz strahltet
Schon die Zeitgenossen waren recht wohl fähig, die Grösse
meiner Persönlichkeit zu würdigen, die alles Andere in den
Sobatten stellte; es ist mehr als bloss höfische Schmeichelei,
"w^nn Grodescalk von seinem Lob den Erdkreis erfüllt sein lasst *,
^wronn Nithard von ihm sagt: er hinterliess ganz Europa voll
des Segens, der von ihm ausging ^ und: so sehr überragte er
a.ls Kriegs- und Friedensfürst alle Zeitgenossen, dass er allen
Erdenbewohnem gleich schrecklich, liebenswerth und bewun-
derungswürdig erschien*. So hat ihm auch schon die nächste
Greneration zuerst den Namen des Weisen, dann den des Grossen
zuerkannt ^ Allzu gross, zu schwer fassbar ist seine Persönlich-
keit den Historikern, sie gestehen selbst ihr Unvermö^n ein
*) Angilben: Poet lat I, 366, y. 66:
Pacificus, la^os, sollers hikrisqae Tenustus.
Theodulf I, 483, v. 13.
Poet. lat. I, 293 aus Cod. lat Paris. 5577 BibL nat:
Et princeps Carolas vnltu speculatur aperto.
Ermoldi Nig. cann. in hon. Hlud. ü, 3 (Poet lat II, 24):
Namqne senex Carolas Caesar venerabilis orbL
•) Poet lat I, 94. (Piper, Karls d. Gr. Ealendariom und Ostertnfel
S. 36.) Dazu Ermoldi cann, I, 31, Poet, lat n, 6.
^ Nithardi histor. lib. I, c. 1, L 16, SS. U, 651 : omnem Europam omni
bonitate repletam reliquit.
*) Nithard L c: vir quippe omni sapientia et omni virtute humanum
genas suo in tempore adeo praecellens, ut omnibus orbem inbabitantibus terri-
bilis, amabilis, pariterque et admirabilis videretur; ac per hoc omne Imperium
omnibus modis, ut eunctis manifeste claruit, honestum et utile effecit. In der
Brüsseler Hs. 9368, foL 173 (Arndt, Reisebericht. Vitae Sanctorum in der
Burg. Bibl. zu Brüssel, im Neuen Archiv II, S. 242): De Pippino Karolus
Magnus, quo nemo ante eum vel post eum inter Francorum reges fuit maior,
de quo dubitari potest, fortior an felicior esset, potentior in republica an
religiosior in ecclesiastica disciplina. Carmen de exordio gentis Francorum
V. 88, Po6t lat. II, 144:
Hie vir, hie est nobis toto laudabilis aevo.
92 Aecclesiam Christi puro veneratus amore
Omavit, coluit semper, provexit et auxit.
Finibus a longis sophia te, Francia, compsit.
Belliger indomitas devincens undique gentes
Transtulit ad formam sanctae pietatis honestam.
*) Comment. Smaragdi abb. DI, 21 bei Mabil Ion, Veteraanalecta 1723,
p. 358. Aber schon bei Nithard (Eist lib. I, 1, SS. 11, p. 651) der Bei-
name des Grossen: Karolus bonae memoriae et merito Magnus Imperator ab
200 P. Giemen
ihr gerecht zu werdend So müssen wir es auch begreiflich
finden, wenn die meisten Schilderungen nicht den kühlen,
ruhigen Beobachter, sondern den leidenschaftlichen Verehrer
verrathen.
Völlig authentische Zeugnisse über die Leibesgestalt Karls
d. Gr. gewährt aber noch die Untersuchung seiner im Aachener
Münster bewahrten Gebeine. Der kostbare Reliquienschrein,
in dem dieselben seit den Tagen Friedrichs n. ruhen,
ward zuerst 1481 eröffnet auf Wunsch des Königs Lud-
wig XI. von Frankreich*, sodann 1843 unter dem Propst
Anton Ciaessen*, zuletzt am 27. Februar 1861*. Bei den
beiden letzten Eröffnungen ward ein vollständiges Skelett mit
Ausnahme des Schädels, des rechten Oberarms und des untern
Theils des Schienbeins gefunden, in zwei seidene Hüllen
arabischer Arbeit gewunden. Durch diese Untersuchung ward
zur Gewissheit erhoben, dass Karl in der That von ganz unge-
wöhnlicher Grösse und Stärke gewesen, die Schlüsselbeine sind
auffallend lang, der Brustkorb geräumig, die wiederholt durch
die Aerzte Dr. Monheim und Dr. Lauffs vorgenonmiene Ver-
um versis nationibus vocatus. Lambert! ann. Hersf. (0. Holder-Egger,
üeber die Vita Lulli und ihren Verfasser, im Neuen Archiv IX, S. 285):
Karolum imperatorem, cui ex virtute (et magnitudine rerum gestarum)
nomen accessit, ut Earolus Magnus diceretur (Sallnst, lug. 5).
*) Ermoldi Nigelli carm. ad Pipp. reg. IT, 165, Po6t. lat. n, 90:
Nostra nequit, fateor, gracilis nunc Musa referre
Inclita gesta viri, rus, polus, aequor, habent.
Pauli episcop. Mettens. gesta, SS. n, 265, 19: de quo viro nescias, utrum
virtutem in eo bellicam, an sapientiae claritatem omniumqne liberalium
artium magis admireris pcritiam.
*) F. Haagen, Karls des Grossen letzte Tage und Grab, Programm
der Realschule in Aachen S. 27. Die Urkunde abgedruckt bei Arendt,
Des recherches faites dans la cath6drale d'Aix-la-ChapeUe pour retrouyer
le tombeau de Charlemagne, im BuU. de Pacad. royale de Belgique, 86r. n,
tom. Xn, p. 20. Ein Theil des rechten Oberarms damals eingeschlossen in
einen silbernen ttbergoldeten Arm. F. Bock, Karls des Grossen PfalzkapeUe
in Aachen I, S. 109 ; F. Bock, Der Reliquienschatz S. 31; Kessel, Q^chichti.
Nachrichten über d. Heiligthümer d. Stiftskirche zu Aachen S. 59.
*) F. Bock, PfalzkapeUe I, S. 110; Bericht im Aachener Anzeiger vom
15. Febr. 1851; Käntzeler, Der die Gebeine Karls des Grossen enthaltende
Behälter S. 1.
*) F. Bock, Die Eröffnung des Karlsschreines, in der Aachener Zeitung
1861, Nr. 64. Dazu Echo der Gegenwart vom 1. und 2. März 1861; Kessel
0. S»52; Quix, Hist. Beschreibung der Münsterkirche in Aachen S. 74.
Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen. 201
messung* ergab die bedeutende Grösse von 1,92 Meter. Der
vom Skelett abgesondert in der Schatzkammer aufbewahrte
Schädel, in eine vergoldete Büste gefasst, zeigt grossen Um-
fang, stark ausgeprägte Stirnhöcker, die Stirn steigt fast senk-
recht empor, das os parietale zeigt hinter der sutura frontalis
zwei bedeutende Erhöhungen, die nach den squamae zu sich
v^erlaufen.
Haben wir aber hier wirklich die sterblichen Ueberreste
des grossen Kaisers vor unsP Die geschichtlichen Zeugnisse
sprechen dafür. Von Friedrich I. wird berichtet, dass er die
Gebeine Karls aus dem Sarkophag, in dem sie 352 Jahre
geruht, erhoben*, dass er sie erst in einem hölzernen Behälter
inmitten der Kirche, sodann in einem kostbaren goldenen Schrein
habe aufstellen lassend Wenn nun die weitverbreitete Sage,
dass Karl d. Gr. sitzend im vollen kaiserlichen Ornat begraben
sei, und dass Otto HI. das Grabgewölbe erbrochen und seinen
grossen Vorgänger aufgesucht, auf historischer Wahrheit beruhte,
so mtisste bei der erneuten Oeffnung unter dem Hohenstaufen
" derselbe Thatbestand vorgefunden worden sein wie unter Otto
in. Ausdrücklich aber berichtet der Chronist von Gebeinen
und einem marmornen Sarkophag. Dieser Sarkophag, in welchen
man die Leiche vermuthlich sofort nach dem Tode legte, ist
noch heute in Aachen aufbewahrt*: es ist der bekannte antike
*) Bericht von Savelsberg in den Jahrbüchern des Vereins von Alter-
thumsfreunden im Rheinl. XVI, S. 189; Bock, PfalzkapeUe I, S. 109.
Auch die Gebeine des Oger im Schatz von St. Pharon zu Meanx maßen
8 Fnss: Hist. g6n. de Meanx I, p. 77; Carlier, Hist. du duch6 de Valois
I, p. 178.
>) Annales Colon, max. ad ann. 1166, SS. XVII, p. 779, 1. 51: 4. Kai.
lan extulit de sarcophago ossa Karoli Magni imperatoris, ubi sepnltus qnie-
verat annis 300 quinqnaginta duobns, et quaedam regalia xenia in vasis
aoreis et palliis sericis tam Imperator quam regina eidem contulerunt
ecclesiae, additis 10 marcis annuatim. Dasselbe berichtet Monachus Pantal.
ad. ann. 1166, SS. XXII, p. 529. Vgl. E. aus'm Weerth, Kunstdenkmäler
d. Christi. Mittelalters in den Rheinlanden I, S. 66; Quix, Geschichte der
Stadt Aachen I, S. 65; Kessel a. a. 0. S. 59.
•) Sigeberti contin. Aquicinctina ad ann. 1164, SS. VI, p. 411, 12:
et corpus domni Karoli magni imperatoris, qul in basilica beate Marie semper
virginis quiescebat, de tumulo marmoreo levantes, in loccUo ligneo in medio
eiusdem basilice reposuemnt.
*) L. Urlichs, Der Raab d*» P»»»roina, in den Jahrbüchern d. Ver.
V. Alterthnmsfreunden imR' Käntzeler, ebendas. XXX,
S. 193—204; R. Forste -kehr der Proserpina
202 P. Giemen
Sarkophag mit der Darstellung des Eaubes der Proserpina.
Denn die Bestattung in den kostbaren Denkmälern des Alter-
thums war im Mittelalter durchaus nichts Seltenes. So ward
im Jahre 804 der Bischof Maurontius von Marseille in dem
Sarkophag mit dem Triumphzug des Bacchus und der Ariadne
im Museum von Marseille beigesetzt*, so Ludwig der Fromme
in dem jetzt im Museum von Metz aufbewahrten Sarkophag
mit der Darstellung des Durchgangs der Juden durch das rothe
Meer*, so endlich diente der berühmte Phädrasarkophag im
Campo Santo zu Pisa im Jahre 1076 zur Bestattung der Gräfin
Beatrice ^
Schon die Berichte über die Erhebung unter Friedrich I.
stehen in Widerspruch mit der landläufigen Sage im Chronicon
NovaUciense * und bei Ademar von Chabannes*. Aber auch
S. 173; Weicker, Annali deU' instit. di corrisp. archeoL V, p. 146; Tübinger
Knnstblatt 1844, S. 164; Quix, Hist-topogr. Beschreibung der Stadt Aachen
S. 30; AI. Lenoir, Description bist, des monoments de scolpture au mus6e
des monuments fran^is I, no. 428, p. 84; F. Bernd t, Der Sarg Karls des
Grossen, in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins m, S. 97; Robert,
Eine alte Zeichnung des Aachener Persephonesarkophages, in der West-
deutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst IV, S. 273 und 403.
>) Miliin, Voyage dans le midi de la France m, p. 158, pl. XXXVn, 2
und A. de Ruffi, Histoire de la viUe de MarseiUe n, p. 129.
*) F. X. Kraus, Kunst und Alterthum in Elsass-Lothringen in, 2,
S. 650; Ton Quast im Korrespondenzblatt des GJesammtvereins der deut-
schen Geschichte- und Alterthumsyereine XVilL, S. 82; Leblant, Les sarco-
phages chr^tiens de la Gaule p. 11, pl. DI.
») Seroux d'Agincourt, Scult. XXXTI, 1.
*) Chron. Novaliciense HI, 32, SS. m, p. 106.
^) Ademar n, 9. Zusatz zu den Annales Einhardi ad ann. 814, SS. I,
p. 201. An den Bericht, den der Interpolator des Ademar gibt, knüpft sich
eine Reihe weiterer Nachrichten. Eine freie üeberarbeitung, die aber in der
Aufzählung der bei den Obsequicn betheiligten Personen viel Eigenes bietet,
findet sich zunächst in Vincentius Bellovacensis, Speculum historiale,
lib. XXrV, 25 : Sepultus est igitur Aquisgrani in ecclesia rotunda, formosissima
toto Romanorum orbe capeUa honorificentissima Carolus, supra cuius tumulum
exstructus est arcus deauratus. Interfuerunt ibi Leo papa cum principibus
Romanis, duces etiam et comites et abbates et archiepiscopi et episcopi multi
aliique innumeri. Corpus dcfuncti induentes vestibus imperialibus quasi festive
auream capiti coronam imposuerunt: deinde super auream cathedram quasi
iudicem viventem sedere fecerunt. Catenulam quoque auream diademati
coniuuxcrunt et cathcdrae, super quam sedebat, ne caput defuncti deciderct,
affixerunt. Ac super eins genua textum quatuor evangelistarum aureis
literis scriptum coUocaverunt, ita quod manus dextra textum, sinistra Tero
Die Porträtdarstellangen Karls des Grossen. 208
die zeitgenössischen Historiker — denn der Novaleser Mönch
seeptnun tenebat aoreum. Sed et scatnm aareum, qnod ei Romani fecerunt,
ante faciem eins statneront, et arcum lapideuni) in qno sepoltus erat, pretiosis
replentes aromatibas monnmentom strenae sigillantes clauserunt. Wie sehr
diese Schilderung auf die Phantasie des Mittelalters beeinflussend einwirkte,
geht daraus hervor, dass sie in eine Beihe späterer Kompilationen aufgenommen
ward. Zunächst ist sie verarbeitet im Karl Meinet (cd. Keller, Bibl. d.
litt. Vereins zu Stuttgart XLV) S. 587, V. 61 :
euch sd hört ich it düden,
dat de h^ren, got it weit,
Karl den döden hadden gecleit
mit keiserlichen cleidem schdne
ind üf sin hoft en guldin cr6ne
ind satten en üp einen sezzel mede
als ein keiser in sinre mogenthede
ind stricten weder de cröne
eine guldin ketten, de was schöne,
inde weder den sezzel mede,
op dat dat hoft ind de lede
vaste sitzen mochten,
also als it endochte,
ind lachten eme üp sin knien
ein hoch, dar man inne mochte sien
de §wangeljä alle viere
geschreven in güder maniere.
Vgl. K. Bartsch, Ueber Karlmeinet. Ein Beitrag zur Karlssage S. 212.
Dem Vincenz von Beauvais folgte auch Philippe Mouskes in seiner
Chronik (ed. Reiffenberg) I, p. 458, v. 11918:
Bicement des rices conrois
Fu-il atom^s comme rois,
Et s'ot el cief rice couronne,
Si com drois et raisons li donne,
En si ot le sceptre et Tespöe
De rices orfrois envolep6e;
Com empörere et comme rois,
Fu atom^s de tous conrois.
Mais ainc kUI fust si accsm^s,
Fu tous ses cors enbausem6s:
En I rice vasciel de kesne
Le misent et Fran^ois et Sesne,
En si ot fait tel luminaire
Com il convint ä tel afaire.
Endlich gehört hierher noch der Bericht der Grandes chroniques de France,
Charlemaines, lib. VI, cap. Vni, ed. P. Paris II, p. 285 : A Aix-la-Chapelle
fu son Corps po86, en T^glyse Notre-Dame, qu'il avait fond^e; purgiö fu et
embasm^, et enoing et im^^J||^urs et de pr^cieuses espices. En un trosne
d'or fu assis, TespÄe ^ des 6vangiles entre ses mains. En
204 P. Giemen
im Thal von Susa schrieb erst gegen 1048 \ Ademar zwischen
1028 und 1034* — wissen nichts von dem märchenhaften
Besuch Ottos \ und Thietmar von Merseburg erzählt ausdrück-
lich*: Otto, in Zweifel, wo die kaiserlichen Gebeine ruhten,
liess heimlich das Pflaster aufbrechen und so lange graben, bis
sie im königlichen Sarg gefunden wurden. Ein goldenes Kreuz,
teUe maniöre, fn assis en son trosne, qa^il a ses espaules, par derri^rc, an
petit inclin^es, et la face honnestement dr^ci^ contre mont; dedens sa
coaronne, qni ä une chaine d'or est attachJ6 sar son chlef, est nne partie
du fast de la sainte croix. Vestu fu de garnemens imp^riaux, et la face
couverte d'un snalre par dessools. Son sceptre est un escrin d'or qne
Tapostole Lion sacra et nit devant Inj. Si est la s^pnltnre emplie de
trfesors et de richesses, et de diverses odeurs et de pr6cieuses espices.
£ine etwas andere Fassnng gibt eine bisher unbeachtete SteUe einer
Hs. der kgl. Bibl. zu Stockholm (Nr. 57, saec. XV, Prosachronik Ton Kaiser
Karl d. Gr. und seinen Kämpen 1408). Vgl. E. Zoller, Dan. Handschriften
auf d. kgL Bibl. v. Stockholm, beschr. v. C. Molbech im Serapeum X, S. 89:
Tha keyseren war dötth kam Turpin aercheviskop oc mange clerke meth
hannnm, och smorde hans krop meth balsom oc kledde hannom i kostelege
kledhe oc satthae hanum i kirken wndher alterit och lade hans swaerd
Bosne her hannom, oc satte en kröne pa hannnm, och offraede hannom syden
alzwoldig god i wold, som leffoer och styrer for wdhen aendhae.
1) Wattenbach, Geschichtsquellen, 5. Aofl. ü, S. 213. Nach V, 25
schon 1014 Mönch. Falsch Henschen, Acta SS. März U, 338.
•) Wattenbach a. a. 0. n, S. 187. Die Stelle SS. IV, p. 130, L 26:
Qoibos diebns . . . rührt Ton einem Interpolator zum Ademar her, der 100
Jahre später schrieb. (Lindner in den Preussischen Jahrbüchern XXXI,
S. 437 und Haagen, Karls d. Grossen letzte Tage S. 21 geben üebersetzung.)
*) Annales HildesheinL ad ann. 1000, SS. m, p. 92 : Quo tunc ammira-
tionis causa magni imperatoris Karoli ossa contra dlvine reUgionis ecclesiastica
effodere precepit; qua tunc in abdito sepolture mirificas rerum varietates
invenit. Annales Lambert! ad ann. 1000, SS. m, p. 91: Imperator ossa
Karoli magni Aquisgrani, a pluribus eo usque ignorata, invenit.
*) Thietmar. chron. IV, 29, SS. m, p. 781: Karoli cesaris ossa ubi
reqoiescerent cum dubitaret, rupto clam pavimento, ubi ea esse putavit,
f ödere quousque haec in solio inventa sunt regio, lussit Crucem aoream,
quae in coUo eins pependit, cum Tcstimentomm parte adhuc imputribiliom
sumens, caetera cum Teneratione magna reposuit. Es bedeutet in dieser Stelle
solium schlechthin Sarg, ebenso wie in der S. 201, Anm. 3 angeführten SteUe
des Sigebert tumulus. (Vgl Catal. abbat Fuldens., SS. XIIT, p. 272:
tumulum statuens auro argentoque pararit et corpus sancti Bonifacii ibi
requiescendum transtulit; p. 273 (899): tumulum auro probato et lapidibiu
pretiosissimis decenter omavit; Poet lat. II, 209 (I, 2), 239, 1, II, 115, 15;
Vita Leobac abbat. Biscofesheim., SS. XV, p. 130, 29; Vita s. Stoiai M^
SS. n, p. 375, 36 : super tumulum ipsius martyris perseverat; AmuiL 9ip
bulenses 881, SS. XIII, p. 42.) k
Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen. 205
das an seinem Halse hing, und ein Stück von den noch unver-
westen Gewändern nahm er zu sich, das Uebrige Hess er voll
Ehrfurcht wieder an seinen Ort legend Nach dem Bericht
Thietmars und des Kölner Annalisten sind in der That die
Gebeine aus dem Marmorsarkophag unversehrt in den goldenen
Keliquienschrein überführt worden, so dass, da über die Eröff-
nungen seit den Tagen Friedrichs I. urkundliche Beweise vor-
liegen, die Authentizität der Gebeine Karls vollständig beglau-
bigt und damit die volle Möglichkeit gewonnen ist, die aus
der Untersuchung der Gebeine sich ergebenden Resultate zur
Ergänzung des literarischen Porträts des Kaisers zu verwenden.
*) Die ganze Sage in der Fassung des Chron. Noval. jst als ein schlechter
Witz aufzufassen, den Graf Otto von Lomello, auf welchen sich der Schreiber
beruft, sich den leichtgläubigen Mönchen gegenüber erlaubt. Das Chron.
Noval. fasst überhaupt die Geschichte Karls d. Gr. schon ganz sagenhaft
auf. (Vgl. n, 4, in, 6, 10, 14, 15, 21, 25, 27.) Auf die Unechtheit der Erzählung
machte zuerst aufmerksam : Alfred Keumont, Della chiesa et del sepolcro di
Carlomagno in Aquisgrana (letto il 5. marzo 1863 neUa pontifica accademia romana
di archeologia) p. 11, dann stellte F. Ha a gen, Karls d. Grossen letzte Tage und
Grab a. a. 0., auch in seiner Geschichte Achens I, S. 83 das Material zusammen, end-
lich wies sie schlagend nach Th. Lindner, Die Sage von der Bestattung Karls des
Grossen, in den Preussischen Jahrbüchern XXXI, S. 431. Replik gegen Watten-
bach, Geschichtsquellen n ^, S. 182 und Giesebrecht, Gesch. der deutschen
Kaiserzeit I*, S. 864: Lindner, Zur Sage von der Bestattung Karls d. Gr.,
in den Forschungen zur deutschen Gesch. XIX, S. 181. Abel-Simson,
Jahrbücher d. fränk. Reichs unter Karl d. Gr. 11, S. 537. Streng gläubig
H. J. Fl OBS, Geschichtliche Nachrichten von den Aachener Heiligthümern
S. 24 und Gaston Paris, Histoire po^tique de Charlemagne p. 61. Gegen
Th. Lindners Ausführungen, dass kein ähnlicher FaU berichtet sei, wendet
sich E. aus*m Weerth in der Wartburg XIH, S. 32, Anm. 2: gerade in
Ravenna, das Karl so genau gekannt, sei in S. Nazaro e Celso GaUa Placidia
in gleicher Weise sitzend begraben worden (so zuerst Rubenus, Historia
Ravennatum; 0. Ricci, Ravenna U, p. 80). Vgl. auch Schaaffhausen in
den Jahrbüchern d. Ver. v. Alterthumsfr. XLIV, S. 92. Gegen die Zulässig-
keit der Sitte bei den Merowingem vgl. M. L. Charles, S^pultures m6ro-
vingiennes, im Bulletin monumental XLI, p. 40.
Ermoldus Nigellus m, 487, Po^t. lat. 11, 55 sagt ausdrücklich:
Corpora Francorum mandantur namque sepulchro
More pio, hymnis munere rite datis,
was sicher nicht auf AufsteUung des einbalsamirten Körpers weist, ebenso
wenig (weil tumulus = Sarg) Candidns de vita Aeigili XXIV, 16, Poöt.
lat. II, 115:
Exin more patrum fratres mox quippe cadaver
Exanimum templi orantes sub tecta ferebant.
Ia interque manus sibimet, quem fecerat ipse,
1 requiem, tumuli sub domate condunt.
206 P. Clemen
n. Das gleichzeitige künstlerische Porträt
A. Literarisch als gleichzeitig beglaubigte
Darstellungen.
1. Siegel und Münzen.
Gleichzeitige künstlerische Porträtdarstellungen bieten
erster Linie bei sämmtlichen Kaisern und Königen die Siegel
und Münzen. Die Merowinger führten Porträtsiegel, freilicli
Porträtsiegel der rohesten Art^: unbärtige Köpfe in Vorder-
ansicht mit länglichem Oval und scharfem Kinn, das Haar in
der Mitte gescheitelt und auf beiden Seiten in drei langen,
wulstigen Locken herabhängend, nur durch die Form des Ovals,
das Vorhandensein des Schnurrbarts bei Einzelnen, die Höhe
der Stirn sich ein wenig unterscheidend — Medaillonbilder von
geringem Durchmesser, zum grossen Theil als Siegelsteine mit
dem Ring verbunden, wie an dem berühmten Siegelring König
Childerichs I., der 1653 in des Königs Grab zu Tournai ent-
deckt ward^. Die Amulfinger dagegen bedienten sich antiker
Gemmen, theils in der ursprünglichen Form, theils überarbeitet,
mit neuer Legende versehen, theils auch roher Kopien nach
antiken Siegeln. Nicht nur Pippin, auch Karl d, Gr. und
seine Nachkommen hielten an diesem Gebrauch fest. „Wie einst
Augustus mit dem Bildnisse Alexanders des Grossen und erst
') Barraud, Des bagues ä toutes les 6poqaes, im BoUetin monumental
XXX, p. 501; Bordier, Les archives de Tempirep. 194—201; Douöt d*Arcq,
Inventaire de la coUection des sceaux des archives de Pempire p. 267.
Abbildungen: Tresor de numismatique et de glyptique: sceaux des rois et
reines de France, pl. 1; de Wailly, £l6ments de pal^ographie II, pl. A; \
Montfaucon, Monuments de la monarchie fran^aise I, pl. XY, 1—5, p. 191;
Kevue de la numismatique Beige I, pl. n. i
*) Chiflet, Anastasis Childerici; Cochet, Le tombeau de Childeric P' |
p. 347, 644; Hein ecc ins, De veteribus Germanorum sigiUis I, no. 4; Nouveau
trait6 de diplomatique IV, p. 101. Von Stumpf, Die Reichskanzler des
10.— 12. Jh. I, S. 90, Anm. 135 mit Unrecht die Echtheit bestritten.
Der Siegelring leider 1831 gestohlen. Einen verschiedenen (?) Bing mit dem
Bild des Königs, in einen Saphir geschnitten, ohne Legende, erwähnt
Mabillon, De re diplomatica p. 135. Einen goldenen Siegelring Klodwigs I.
bewahrt die Biblioth^que nationale zu Paris nach Bröquigny, Tables chrono-
logiques des diplomes, concemant Thistoire de France, ed. Pardessus et
Laboulay I, p. 244. Ueber den Ring der Königin Radegund vgl. Auber^
L^anneau de saintc Radegonde et ses reliques k Poitiers.
■^
Die Porträtdarstellongen Karls des Grossen. 207
später mit dem eigenen von Dioscurides geschnittenen Porträt,
dann mit seinem Porträt wieder mehrere Nachfolger gesiegelt
hatten, so begnügten sich gleichfalls die ersten Karolinger mit
Masken und Büsten auf alten Gemmen, die nur eventuell durch
die Beischrift des Namens zu ihren speciellen Siegeln gestempelt
wurden***. Und erst allmählich, unter den Nachfolgern Karls,
kommen Siegel auf, die sich zwar noch des antiken Vorbilds
bedienen, aber nichts weniger als blosse Kopien sind *. Wie der
Biograph Karls d. Gr. die einzelnen Bauglieder zu seiner
Charakteristik des Kaisers den antiken Schriftstellern entlehnte
und dabei doch ein individuelles Porträt zu schaffen verstand,
so benutzten die karolingischen Siegelschneider in ihrer tech-
nischen Ungeschicklichkeit einzelne Motive der antiken Gemmen,
die Profilzeichnung, den Schulteransatz, den Lorbeerkranz, um
mit Hülfe dieser fertigen Versatzstücke die erstrebte Porträt-
ähnlichkeit um so leichter zu erreichen.
Karls d. Gr. Siegel ^ haben für die Geschichte des karolingischen
Porträts nicht den Werth wie die seiner Nachfolger: der Kaiser
bediente sich nur antiker Gemmen, eines Intaglios mit der Büste
des Kaisers Kommodus, eines bärtigen nach rechts gewendeten
Kopfes mit schmucklosem Haupthaar*, früher allgemein für
Karls Porträt gehalten^, und eines zweiten mit der Büste des
Jupiter Serapis ^ nach der gewöhnlichen Darstellung, eines nach
links gewendeten bärtigen Kopfes.
») Th. Sickel, Die Urkunden der Karolinger I, S. 347.
*) Vgl. auch C. Piot, L^adoptation des types des sceaux des souverains
et des seigneurs sur leurs monnaies, in der Revue de la numismatique Beige
IV, p. 388.
*) Montfaucon 1. c. I, pl. XXI; Tresor de numismatique et de
gljrptique: sceaux, pl. IT; Tresor de la couronne de France I, pl. 21, 25, 28,
29; Römer-Büchner, Die Siegel der deutschen Kaiser; G. Demay, Les
sceaux de Charlemagne: £claircissement UI zu V^tault, Charlemagne
p. 504. In die von Stumpf (Die Reichskanzler I, S. 54, 109), der eine voU-
ständige Liste der Abbildungen gibt, durch die Vergleichung von mangel-
haften und abweichenden Abbildungen gestiftete Verwirrung brachte volle
Klarheit erst Th. Sickel a. a. 0. I, S. 849.
*) Abbildung: Wailly, £l6ments de pal6ographie, pl. A, no. 8. Die
Umschrift auf der Einfassung: f Christe protege Carolum regem Francorum.
Vgl auch C. Piot in der Revue de la num. Beige IV, p. 390, pl. IV, 1, 2.
*) So noch von Pertz seinen Ausgaben der vita Einhardi als Porträt
des Kaisers angefügt.
^ 4libJl^i^^®' Recueil du cabinet du roy II, p. 1; Arneth, Monu-
208
P. Giemen
Von grösserer Wichtigkeit ist eine bei Gelegenheit der
Kaiserkrönung Karls geschlagene Bleibulle, die sich im Cabinet
BleiboUe im Cabinet des antiques zu Paris.
des antiques zu Paris befindete Sie zeigt auf der Vorderseite
das Brustbild des Kaisers, nach vom gewendet, der Kopf von
massig langem Oval und starkem Kinn, mit deutlich erkenn-
barem Schnurrbart, die kurzen Haare bedeckt mit einer Helm-
haube (?), der Mantel auf der ^-echten Schulter mit einer Spange
befestigt, die linke Schulter verdeckt durch den kleinen Bund-
schild, über den die Speerspitze aufragt — zum ersten Mal
finden wir hier dies bei den spätem Karolingern häufig benutzte
Motiv. Eine andere, grössere Bleibulle der Pariser National-
bibliothek zeigt nur den gewöhnlichen, nach rechts gewendeten
bartlosen römischen Profilkopf, den uns die karolingischen
Münzen bieten*.
Die merowingische Münzgeschichte zeigt die allmähliche Ent-
stellung der antiken Vorbilder, die immer schlechter werdende
Wiedergabe der römischen ProfiJköpfe \ Ward im Anfang noch
mente d. k. k. Münzen- und Antikenkabinets zu Wien, Taf. Xm, Nr. 2.
Ein drittes Siegel zweifelhaft.
') Abbildung: V^tault, Charlemagne p. 458, fig. 66. Revers mit der
DarsteUung eines Tempels und der Unterschrift Borna, die Umschrift: Eeno-
yatio Bomanl imperii. Diese Inschrift aUein nicht genügend für die Zurück-
führung der Münze auf Karl, da sich derselben z. B. auch die Ottonen
bedienen: Dümge, Begesta Badensia, Anh. p. 95.
*) Zum ersten Mafpublizirt bei £. aus'm Weerth in den Jahrbüchern
des Ver. v. Alterthumsfreunden im Bheinlande LXXVin, 8. 149.
^) E. Cartier, Monnaics gauloises, in den Annales arch^logiques YI,
p. 21—25, 215—228, VII, p. 17—29, 70—79; Monnaies m6rovingiennes
de la coUection de feu M. Benault I, 2, 8, 9; C. Bob er t, Notes sur des
monnaies austrasiennes in§dites, vgl. die Haarbehandlung in Abb. 4; Bob er t,
Consid^rations sur la monnaie & T^poque Bomaine et description de quelques
monnaies m^rovingiennes, besonders pl. I, 2, 8, 5; A. Sencklcr, Uebersicht
der Münzgeschichte des Bheinlandes bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts, in
den Jahrbüchern des Ver. v. Alterthumsfir. i. Bheinlande XV, p. 143 — 172;
Bevue de la numismatique Beige I, pl. n, 1, 2, 3, 4; Ed. Vanderstraeten,
Die Porträtdarstellangen Karls des Grossen. 209
plarStisclie Wirkung angestrebt, so kommt mit der fortschreitenden
Umbildung der Vorlagen in das Barbarische die Zeichnung in
dicken, groben Linien auf, die unvermittelt und un verbunden
nebeneinander stehen \ Die Behandlung der Haare, des Lorbeer-
kranzes wird gänzlich missverstanden. Neben diesen verstüm-
melten Kopien zeigen sich aber, wie dies auf den westgothischen
Münzen Segel ist, Köpfe in Vorderansicht, wie die Siegel mit
^wallendem Lockenschmuck versehen, ein Zeugniss, dass die
Fälligkeit der Porträtbildung nicht mangelte*.
Unter Karl d. Gr. wird die erneute Anlehnung — nicht
das Streben nach Kopien — an gute antike Vorbilder deutlich
sichtbar: man beginnt wieder wirklich zu modelliren*. Und
wie die spätem karolingischen Siegel zeigen die Münzbilder bei
Nouvelles obsorvations sor. la monnaie m^rovingienne, in der Revue de la
nomismatiqne Beige, s6r. in, tom. U, p. 1, pL I mit sehr yerschiedenen Kopf typen ;
Ed. Lambert, Essai sor la numismatique gaoloise du nord-onest de la
France FV; B. Fillon et A. de Chasteigner, Recherches sur des tiers
de 8ol d^or m^roymgiens; Combrouse, Mon6taire des rois m^rovingiens;
Csnillemot, Catalogae des legendes des monnaies m^rovingiennes; Fr. Le-
normant, Monnaies et m^daüles p. 206—213.
») Vgl. AnnaL arch^ol. VL In Flächen pl. I, 15, 17, 21, ü, 27, 32,
in Linien pl. I, 20, 11, 25, 35.
s) Monnaies de la premi^re race, in Annal. arch^ol. Vlil, p. 194, 22, 23,
24 mit langen Locken, während der Kopf des Thuodibertus en face noch den
römischen Rundkopf zeigt. Vgl. Lenormant 1. c. fig. 92, p. 206.
*) Le Blanc, Dissertation historique sur quelques monnoyes de Char-
lemagne, de Louis le D6bonnaire, de Lothaire et de leurs successeurs, frap^es
dans Rome; Le Blanc, Trait6 historique des monnoyes de France p. 93—103;
B. Fillon, Consid^rations historiques et artistiques sur les monnaies
en France HI; E. Gariel, Les monnaies carolingiennes, in der Revue numis-
matique 1883, liyr. 2 und 3; R. Chalon, Attribution d^un denier carolingien
k Mens, in der Revue de la numismat Beige, s6r. II, tom. n, p. 1 34, pl. in,
l_3j dazu Lelewel, Numismatique du moyen äge I, p. 98; L. de Coster,
Restitution de quelques monnaies ä Oharlemagne, in der Revue de la num.
Beige, s^r. II, tom. II, p. 369; Lacroix, Moeurs, usages du moyen äge p. 331,
fig. 256—259, p. 838, fig. 263—265; A. de Barthölemy, Les mon-
naies de Charlemagne: ficlaircissement U zu V6tault, Charlemagne p.
488—501; E. Gariel, Les monnaies royales de France sous la race caro-
lingienne I, p. 22, 53—60, 92—161; M. Cerexhe, Les monnaies de
Charlemagne; besprochen von G. Carotti im Archivio storico lombardo, sßr.
II tom. IV (XrV), p. 377-385, mit neuen Beobachtungen ttber die italienischen
Münzen, ohne indessen die Abhandlung von Carlo Morbio über Karls in
Italien gesehlagene Mttnzen in der Rivista della numismatica antica e modema
n, 1-5 zu kennen. Vgl. A. Marignan, Le moyen ftge I, p. 18.
14
210 P. Cleaeii
Benatznng antiker Motive, insbesondere des römischen Lnpera-
torenkostoms, doch leise angedeutete individuelle Züge. Die
Porträtbilder sind mit Ausnahme eines in Lucca, der alten
Münzstätte der Langobardenkönige, geschlagenen Goldsolidus
mit der rohen Büste en face^ sänuntlich Profilköpfe, mit dem
durch ein Band zusammengehaltenen Lorbeerkranz in den kurzen
Locken, das Profil roh geschnitten, durchgeh^ds einen dicken
Kopf auf starkem, kurzem Halse zeigend ^
2. Das Grabmal in Aachen.
Die bestbeglaubigte unter den gleichzeitigen Porträtdar-
stellungen Karls befand sich auf dem goldenen Bogen über dem
Grab des Kaisers im Aachener Münster. So Einhard ' und mit
1) Cerexhe 1. c. p. 14, 116, no. 230. Kit der Umschrift D. N. Karins
rex. Vgl. Beme nnmismatiqae fran^aise 1841.
*) Cerexhe L c. p. 127, no. 242: Rechts gewendeter Profilkopf, Um-
schrift: Dn. Karins imp. ang. f. et L Revers: Xristiana religio mit TempeL
No. 243: Links gewendeter Profilkopf, Umschrift: Dn. Karins imp. ang. rex
f. et L Revers = 242. No. 244: R. gew. Prof. Karins imp. ang. Rev. = 242.
Vgl. Lenormant, Monnaies et m^dailles p. 212, fig. 100. No. 245 Variante.
No. 246: Silherdenar ans den Minen des Harz. R. gew. Prof. Karins imp.
ang. Rev.: metalL german. No. 247, 248: Zwei Denare mit r. gew. Prof., ans
Arles. Rev.: Arelato. VgL deCoster, NonveUes consid^rations snr les monnaies
restitu^es k Charlemagne, in der Revne de la nnm. Beige, s6r. n, tom. V, p. 1,
s^r. in, tom. I, p. 30. No. 249, 250: Zwei Denare ans Dnnrstede. Rev.: Dorestado.
Vgl. L. Piot, Recherches snr les ateliers mon^taires des M4rovingiens, Cario-
vingiens et emperenrs d'AUemagne en Belgique, in der Revne de la nnm.
Beige IV, p. 822, Snppl. VI, p. 366; de Coster, Monnaie in^dite de Char-
lemagne, in der Revne de la nnm. Beige, s^r. m, tom.V, p. 125 ; Ders. s6r. IQ,
tom. I, p. 30; Colson im Annuaire de la soci6t6 fran^ise de nnmismatique et
d*arch6ologie 1867. (Das einzige bekannte Original in der Sammlnng Colson.)
No. 251: Denar ans Lyon. No. 252: Denar ans Mailand, Cerexhe p. 131,
deLongp^rier im Catalogne Ronssean. No. 253: Ronen. No. 255: Venedig.
No. 254: Denar ans Trier. R. gew. Prof. Umschrift: Karins imp. ang.
"Bm,: Tempel mit Umschrift Treviris. Abbildnngen: 0. J&ger, Dentsche
Geschichte II, S. 84; E. ans'm Weerth in der Wartbnrg XII, S. 169.
Znr Vergleichnng der Kopf Grimoalds von Benevent: Le Blanc, Disser-
tation p. 71 nnd de Barth61emy 1. c. p. 498, ^, 92.
*) Einhardi vita Karoli c. 31, SS. 11, p. 459, L 23: Corpus more soUemni
lotnm et cnratnm, et maximo totins popnli Inctn ecdesiae inlatnm atqne
hnmatnm est. L. 28: In hac (basilica s. Virginis) sepnltns est, eadem die,
qua defunctns est, arcnsqne snpra tumulnm deanratus cum imagine et titnlo
oxstmctns. Titnlns ille hoc modo descriptus est: Snh hoc conditorio sitnm
^^rpns Karoli Magni atque orthodoxi imperatoris, qni regnnm Francomm
PDTtriSiijuatdlmgfa Kuk des Growea. ii
ihm alle andeni Htstoriographen ^ Wir haben uns di^ BiM-
siss entwed^ TOfrzostelleii ab ganze Fignr^ die Nische tMeuJL
oder als BrnstbOd in Medaillonfonn in der Mitte des Bo^c^^uss
nach der Art des segnenden Christus auf dem TriumphW^reu
der Basiliken, zur Bechten and zur Linken die Inschrü't^ IHe
nobiliter ami^Tit et per mboos XLVII felidter rexit. Dect^t ae^iM^^
narins anno Domini DCCCXTTn, indkrtione TU, Y. KaL Febr. Vgl «bun
Mabillon, De re diploinatiea IV, p. 259.
1) Die einzelnen Angaben sind Ton Wichtigkeit (tut den Ort^ an «km
das Grab zu suchen sein wOrde. Chronicon Moissiaoense ad aan. 8ia, i^ U,
p. 259, L 40: In illo anno obiit beatae memoriae Karohis imperator, ma^-
nos, paeificns, et sepelieront enm in Aqnisgrani palatio, senior« in «iclenu,
qnam ipse fiibricare insserat Ancb SS. I, p. Sil, L 66. (Ei'clt<itia Maiur
bedeutet nnr matrix ecciesia. YgL Mabillon, Yetera analecta lY, p. Ul .
eiosdem senioris eeclesiae saeerdotibos. Actus pontif. Lenomannii» in urbu
deg, c. XI, p. 157: in terra tanctae Mariae . . . senioris ecciesia«*. P. 191 : tniitriii
et Lenomannis ciTitatis senioris eeclesiae.) Annal. Lanri^s. min. ad aoAr '»U,
SS. I, p. 122, L 6. Thegani Tita Hhidowici cap. YII, SS. II p. ^im.
Beginonis ehroueon ad asn. 813, SH. I, p. 566: ei Aqnis in butixt^ <iuii:f.i
SalTatoris ei saactae Dei genitrids Manae bonoriftce ««poltiu <n»t. «(oimii
basilieam ipoe nirüeo opere a fondaaMnio aedlAcare fbcit. Erni'/l'it >.^iiii
carm. lib. II, 85—88, SS. IL p, Wk
Ttmyttt wm. anlv» «^tuirr mäUanu «t aoal*
Y**l^»« xx'.j^^M iiA^^f*', Tm«*/ »t^«.
Man war rv*rij*'Ii^*' ia. r*^ '^ , ., ..^ /,, ^ *^i .*^^i *^ •*'-; Lar krau-.
Yerfttgmn^ iK»?t.r»*flri r'/^i, r >, -i.«^,-* '• ^ /^. ^j^ *vt*,* j*^-^-x ir^^*^ urn
werdea. «Ii. ^ .- 1^*- ..-*• • '* - >^ . ', v / ., ^ ^ .^ y • ^ ,* N* ' ^ U4t
Gedndct ie !>• i* - • ■ », . ^ . ". . ^ > '.,,.-. ' , ' > . 1 ' < u . -*:
Histotre dt la'w^i" '*. ,y , . ^ . ^ y, ,, *. ^ *' ..< » ^^ i.-'iu 'ui
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/
212 P. Giemen
äussere Zier von Karls Grabmal schwand wohl schon, als 881
die Normannen Palast und Kirche zu Aachen verheerten*.
Seit einem Jahrhundert hat man in Aachen nach dem Grab-
gewölbe Karls gesucht. Der Schmuck des Grabmals ward nach
dem Bericht des Astronomen in der grössern Vita Hludowici*
von Ludwig besorgt, über die genaue Lage der Gruft erhalten
wir mit Ausnahme der allgemeinen Angabe „in der Basilika
der h. Maria" keine Auskunft^. Sie befand sich wahrscheinlich
^) Annal. Fnldenses ad ann. 881, SS. I, p. 894, L 84: yastavenmt et
Aquense palatiam, ubi in capella regia equis suis stabolam fecernnt. Heim.
Angiens. chron., SS. V, p. 99: Aqnisgrani in capella regis equos snos staba-
lant Lindprand, Antapod. ni, 47: thermas etiam Grani palatii atque
palatia combnssernnt. Dümmler, Geschichte des ostfr&nkischen Beiches II,
S. 157. Schwerlich ist anzonehmen, dass die Gebeine Karls d. Gr. mit den
Aachener BeUquien nach Stablo geflüchtet wurden, dass also bereits 881 eine
Eröffiiung des Sarges stattgefunden habe. Es wird ausdrücklich nur berichtet
von einer Uebertragung der pignora sanctorum — und die Eanonisation
Karls fand erst 300 Jahre später statt Vgl. die Urkunde, in der Karl der
Dicke 882 auf Bitten des Abts Anton von Stablo den Mönchen daselbst das
Reichsgut BlandoTium schenkt zum Dank für die Aufbewahrung der
Aachener Schätze. Martene et Durand, CoUectio ampliss. II, p. 81 und
Qu ix, Codex diplomaticus Aquensis no. 96: quo quibusdam fratribus sibi
commissi s ex monasterio, quod yocatur Stabulaus, qui ob dei amorem nostram-
que fidelitatem pignora sanctorum a praedecessorum nostrorum prudentia
Aquis recondita cum thesauro eiusdem fideliter reservaTerunt et ad nos abs-
que Ulla diminutione detulerunt. Von Stablo, das im selben Jahre zerstört
ward (Annal. Stabulenses ad ann. 881, SS. Xm, p. 42; Dümmler a. a. 0. I,
S. 158, Anm. 27), wurden die Aachener Schätze wohl mit dem Leib des h.
Bemaklus weiter geflüchtet. (Annal. Stabul. L c: Corpus agii BemagU
edncitur ex tumulo. Ausführlich in den Mirac. s. BemacU c. I — V, Acta
SS. Sept. I, 705—706.)
*) In diesem Sinne ist die Stelle Vita Hlud. cap. 22, SS. I, p. 618,
1. 42 zu fassen: Studiosis sepulturae gratias egit patemae, ac propinquis
luctus acerbitate confectis consolationis congruae contulit levamen. Sed et
quod deerat inferüs genitoris promtissime supplevit. Wir haben anzunehmen,
dass am Todestag die Leiche sofort in den antiken Marmorsarkophag gelegt
worden, der künstlerische Schmuck des Grabmals aber erst von Ludwig nach
seiner Heimkehr in Angriff genommen und ausgeführt worden ist Haagen,
Karls des Grossen Grab S. 25 vermuthet, dass der vergoldete Bogen bei der
Normannengefahr entfernt ward, um den Feinden das Grab zu verheimlichen.
Ueber den Leichenstein Karls in dem Bemhardinerkloster zu Marseille vgL
Miliin, Voyage dans le midi de la France m, p. 158; Dippoldt, Karl der
Grosse S. 222.
") Nur der Interpolator des Ademar gibt einen unbedeutenden Hinweis,
der aber keinen Glauben verdient. (Ademar bei Labbe, Novae bibliothecae
manuscriptorum librorum n, p. 169, SS. IV, p. 180: Corpus Caroli condltum
Die Porträtdarstellangen Karls des Grossen. 218
^der nördlich von der Kreuzkapelle in den im Jahre 1866
entdeckten Substruktionen ^, noch inmitten eines vor der Vorhalle
B^x^zunehmenden Paradieses*, wie aus'm Weerth auf Grund der
.j^^nalogfie im Grabmal König Pippins zu Verona wollte, sondern
\x^ einer der verschwundenen Seitenkapellen, auf deren Ober-
^eschoss die vermauerten Thüren im Umgang des Münsters
führten«. Eine Zeichnung auf fol. 236 des Cod. 263 biblioth.
est in dextro membro basilicae ipsius retro altare s. Joannis baptistae, et
oTypta aurea super iUud mirifica est fabricata.) Dazu die sagenhaften Angaben
l>ei Vincent. Beiloya c. spec. bist. XXIV, 25; Karl Meinet (ed. KeUer)
p. 587, V. 60; Philippe Mouskes (ed. Reiffenberg) p. 458, v. 11951.
*) Schon im Oktober 1794 fanden vergebliche Nachgrabungen durch die
^Franzosen statt, wiederholt 1843 unter dem damaligen Stiftspropst Anton
Ciaessen; 1861 in der Zeit vom 2. bis 19. Sept. ward unter dem General-
iLonseirator von Olfers im Osten des Oktogons die innere Mauer des
karolingischen Chors entdeckt (F. Jungbluth, Die Restauration des Aachener
Münsters 8. 58). Anfangs 1860 fand man unter Leitung des Bauraths Cremer
im Norden des Oktogons, nördlich von der im 15. Jh. erbauten Kreuzkapelle
(P. a Beeck, Aquisgranum p. 76) die Ueberreste zweier verschiedener Bau-
theile, die massiven Fundamente eines mächtigen Bauwerks von viereckiger
Anlage. In Uebereinstimmung mit Eäntzeler (Der angebliche Grabstein
Karls, in den Jahrbüchern des Ver. v. Alterthumsfreunden i. Rheinlande XLII,
S. 143) glaubte F. Bock (Die muthmaßlichen Ueberreste des Grabes Karls,
im Echo der Gegenwart 1866, Nr. 70) in den tieferliegenden Substruktionen
die Begräbnissstätte des Kaisers gefunden zu haben. Der am 26. Februar in
einer Kanalanlage östlich der Apsis der quadratischen Gruft entdeckte Bogen-
schlussstein mit flüchtig eingehauener Inschrift: In hoc sepulchro tumulata
ossa Caroli Magni Deo in aeterno gran . . s . . t erwies sich als Fälschung
(von Quast und Crem er in den Jahrbüchern d. Ver. v. Alterthumsfreunden
XLn, S. 157, 166; Echo der Gegenwart vom 10. März 1866; Jahrbücher
XLm, S. 223; Loersch, Das Grab Karls d. Gr., im Köhier Domblatt 1867,
Nr. 264).
*) E. aus*m Weerth, Das Grab König Pippins von Italien zu Verona,
m den Jahrbüchern d. Ver. v. Alterthumsfreunden L, S. 129. Der Verfasser
denkt sich den aus zwei Etagen bestehenden, Palast und Kirche verbindenden
Gang auf drei Seiten um die Vorhalle vor der Kirche herumgeführt. Die scharf-
sinnige Vermuthung ward glänzend bestätigt durch die Ausgrabungen des
Karlsvereins vom Jahre 1886, bei denen genau in der Axe des Haupteingangs
etwa 40 m entfernt alte Treppenreste entdeckt wurden. (Vgl. Korrespon-
denzbL d. Westdeutsch. Zeitschr. V, S. 14, 11.) Es beweist dies jedoch
durchaus nicht, dass in der Mitte eine Grabanlage sich gefunden habe.
')von Quast, Das Grab Karls des Grossen im Münster zu Aachen,
im Eorrespondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Alterthumsvereine
XIY, (4) S. 81, (11) S. 82. Die Anbauten müssen danach von Anfang an
bestanden haben. Auch in San Vitale zu Eavenna befanden sich neben der
Altarnische zwei Seitenkapellen, in der nördlichen war der Erbauer, Bischof
^
214 P. Giemen
regin. Christin, der Vatikana verdankt lediglich der Phantasie
des Künstlers ihren Ursprung*.
3. Die Wandgemälde im Eaiserpalast zu Aachen.
An das Bildniss über dem Grabmal im Münster reihen sich
die Porträts in den beiden grossen Cyklen profanen Inhalts,
welche unsere Quellen der Karolingerzeit zuweisen, in den
Wandgemälden der Pfalzen zu Aachen und Ingelheim.
Ausserordentlich beschränkt sind die Nachrichten über den
Bilderkreis zu Aachen. Nur in der falschen Chronik des Turpin *
und zwar in dem zweiten Theil, den der Mönch von St. Andreas
zu Vienne zwischen 1109 und 1119 geschrieben, hier freilich
schon in einer der ältesten Textredaktionen, aber nicht in allen
Ecclesios, begraben (yon Quast, Eayenna S. 28). Einen weitem Beweis
findet die Qoastsche Annahme dadurch, dass dem kanonisirten Karl gerade
die nördliche SeitenkapeUe gewidmet war. Die Annahme einer Beisetzung
innerhalb des Oktogons selbst (der unter dem hohenstaufischen Leuchter
ruhende Grabstein erst unter Bischof Berdolet 1804 gesetzt: Jahrbücher d.
Yer. y. Alterthumsfreunden XXXIX, S. 267) ausgeschlossen durch die gesetz-
lichen Bestimmungen Karls, die jederzeit bemüht waren, die Gräber yon den
Kirchen fem zu halten. Im Capitulare Aquisgranense ann. 813, Mon. G^rm.
LL. I, p. 187, Auszug aus den Canones der sechsten zu Arles gehaltenen
Klrchenyersammlung, p. 190, 20: üt mortui in ecolesia non sepeliantur, nisi
episcopi aut abbates yel fideles presbiteri (Cod. bibL nat Paris. Suppl. laU
75: fideles et boni presbiteri). Dass auch Ludwig d. Fr. desselben Sinnes,
beweist eine SteUe im 2. Buch der Kapitulariensammlung des Ansegis (IIb.
n, 46, De sepultura, Mon. Germ. LL. I, p. 299: Ut de sepeliendis in basi-
licis mortuis iUa constitutio seryetur, quae ab antiquis patribus constituta
est), die sich nach Baluze auf canon VI des concilium Nannetense bezieht,
in dem das Begraben innerhalb der Kirchen und in der Nähe des Altars
schlechthin untersagt, in der VorhaUe erlaubt war. Candidus, De yita Aeigili
XXTV, 16, Po^t. lat. n, p. 115, spricht dem Wortlaut nach dagegen, bezieht
sich wohl aber auch nur auf die VorhaUe. VgL auch Hincmari capitula
presbyteris data c. 12, in Migne, Patrologia CXXV, p. 775: üt nemo pres-
byterorum quemquam in ecclesia sepeliat sine consultu episcopi, excepUs
huiusmodi personis, quas singiUatim et priyatim in synodo signayimus.
') Abbildung yon Karls Grab und dem Aachener Münster saec. XIY:
Archiy d. Gesellschaft f. ältere deutsche Geschichtsk. XII, S. 272.
') Turpini historia Karoli Magnl c. 31: Beatae Mariae yirginis
basiUcam, quam ibi aedificayerat, auro et argento, cunctisque omatibus
ecdesiastids decenter adomayit, yeterisque et noyae legis historüs eam
depingi iussit, et palatium similiter, quod ipse iuxta eam aedificayerat.
BeUa namque, quae ipse in Hispania deyicit, et Septem liberales artes inter
caetera miro modo in ea depicta sunt.
Die Porträtdarstellongen Karls des Grossen. 2t 5
SLsLixdschrifteD, wird uns berichtet, dass Earl das Münster mit
Sonnen des alten und neuen Testaments, den Kaiserpalast mit
T>a.x"stellungen der sieben freien Künste und der Kämpfe in
Sps^nien habe ausschmücken lassen. Diese Nachricht, im Karolellus
öir^w^eitert, hat von Turpin der Cisterzienser Helinand aus
St. Maria de Frigido Monte* übernommen, aus dem sie in die
dxronik des Albericus Monachus Trium Fontium * und aus dieser
') Chronicon Helinandi monachi coenob. Cisterc. s. Mariae de Frigido
!BfIonte: Tissier, Bibl. Cisterciens. VII, p. 73.
*) Chronica Alberici Monachi, SS. XXIII, p. 718. Eine weitere
A^nsschmückiing des kurzen Berichts bei Turpin bietet der nach I. VII, c. 6,
V. 92 wohl gleichfalls um 1100 von dem Mönch von St. Andreas in Vienne
verfasste Karolellus (ed. Merzdorf; vgl. Michel, Chanson de Boland p. 244;
Altes Archiv Vn, S. 77) 1. V, c. 12, v. 297—346, p. 70:
Haud procul ipse domum regalem struxit; in ipsa
Hispanum beUum quod tandem yicit: et artes
Septem precipuas depingi fecit; easdem
Nominibus propriis distinxit et ordine certo:
Grammaticam primam posuit: quod previa mater
Artes preceUit reliquas; nam prima teneUis
Fundamenta iacit pueris, et reddit eosdem
Instructos prima lingua formare figuras . . .
Die folgende poetische Schilderung, die sich an Marcianus Capeila an-
schliesst, findet sich in Prosa in der Wiener Hs. der von einem Aachener Anonymus
unter Friedrich I. gefertigten Vita Caroli (Cod. bist. lat. 149), während sie
in der Münchener Hs., Cod. lat. 14279, fehlt Vgl. Vossius, De historicis
latinis II, 32. Sie fand dann auch Au&ahme in den Prosaturpin im Cod.
D. V. 15 der Universitäts-Bibliothek zu Basel. Mit scholastischer Gelehr-
samkeit aufgeputzt ward die Beschreibung erweitert in der Chronique de
Philippe Mousket (ed. Eeiffenberg I, p. 377) v. 9694:
Et droit en son palais de jouste,
Fist li rois paindre mainte jouste,
Castiaus, chit^s, viles et bors
Poignis, bataiUes et estours.
Et quan qu'il ot fait en sa vie. y.
Et les vn ars n'obUa mie.
V. 9794: Ces VII ars i fist Karies paindre
Et de coulors divierses taindre.
Et toutes lor fiUes apri^s.
Moult en fu b* mestres engri^s.
Si furent paint tot li estour
K'il venqui onques i nul jour.
Et les ti^res k'U ot conquises
Et les lois k^il i ot assises.
Tout i fist Karies paindre et metre
Celui ki s' en sot entremetre.
216 P. Giemen
wieder in eine Beihe anderer Kompilationen fiberging. Nachdem
durch Janitscheks Untersuchungen ^ sowohl die Ausschmfickung
des Aachener Mfinsters wie die Ausmalung der Ingelheimer
Pfalz auf eine spätere Zeit verlegt worden sind, ist auch die
Möglichkeit benommen, diesen Bildercyklus auf Karls Initiative
selbst zurfickzuführen. Es liegt kein innerer Grund vor, die
Nachricht des Mönches von St. Andreas oder seines Interpolators
ohne Weiteres zu den Todten zu werfen. Eine malerische Aus-
schmfickung haben die breiten Wandflächen im Festsaal der
Aachener Pfalz sicherlich aufzuweisen gehabt — und in der
Notiz des Turpin ist keinerlei innere ünwahrscheinlichkeit vor-
handen wie in der Mittheilung fiber die Ausmalung des Mfinsters.
Es liegt am nächsten, die Gemälde in die Zeit Ludwigs d. Fr. zu
setzen. Sofort ergibt sich die Parallele zwischen der Dar-
stellung der Maurenkriege zu Aachen, der Sachsenkriege zu
Ingelheim. Aber auch die Wiedergabe der sieben freien Kfinste
gehört schon dem Bilderkreis der frühesten karolingischen Zeit
an. Bekannt ist das Gedicht des grossen Kunstfreunds Theodulf
von Orleans*, der eine Darstellung der sieben freien Kfinste
>) Janitschek, Studien z. Gesch. derkaroling. Malerei n, S. 22, 24.
*) Theodulfi Carmen de septem liberalibus artibns in qoadam pictora
depictis, Poet. lat. I, 544: Discos erat tereti formatos imagine mondi.
Vgl. K. Liersch, Die Gedichte Theodolfs S. 64. Am besten wird man sich
unter discus eine grosse mnde Metallplatte yorsteUen, in ähnlicher Weise
wie die drei grossen silbernen und der eine goldene Tisch im Schatz Karls
mit Zeichnungen bedeckt. Der dritte silberne Tisch mit der DarsteUung der
Erde, der Planeten, der Fixsterne (Zeitschrift des Aachener Geschichts-
yereins m, S. 56), von Einhard, Vita Karoli c. 88 als mensa bezeichnet,
heisst an anderer SteUe discus (Prudentii Trecensis annales ad ann. 842,
SS. I, p. 438, 39 : disco etiam mirae magnitudinis ac pnlchritudinis argenteo).
Es ist nicht unmöglich, dass der Tisch mit der DarsteUung der sieben freien
Künste alsdann identisch ist mit dem letzten goldenen, dessen Schmuck
merkwürdigerweise yon Einhard nicht angegeben wird, während er den der
andern ausführlich schildert Als Tisch schon gefasst Abel-Simson, Jahr-
bücher n, S. 457, Anm. 3. Von dem Gedicht Theodulfs an lässt sich eine
ununterbrochene Beihe yon DarsteUnngen der sieben freien Künste bis in das
späte Mittelalter hinein nachweisen.
Giulio Ferrario, Storia ed analisi degli antichi romanzi di cayalleria
I, p. 79, not. behauptet mit Unrecht, die DarsteUung gehöre erst dem' 12.
Jahrb. an. Ausgeprägt wurde sie in des Neuplatonikers Marcianus Capeila
9 Büchern de nuptiis Philologiae et Mercurii, wo Phoebus die einzelnen
Mägde aus dem Hause seines Bruders Merkur yorführt, eben die sieben freien
Künste, yon denen ein kurzes symbolisch-aUegorisches Bild gegeben wird.
Die PoftritdTsteDmigen Kftris des Grossen. 217
auf einer runden Scheibe beschreibt — und in der Ausschmflckung
seiner Verse wie der Mauern seiner Kirchen bedient sich
Theodulf des allegorisch-symbolischen Stils mit Vorliebe —
des französischen Bischofs geistreiche Verse mttssen zunächst
herangezogen werden, um ein Bild der untergegangenen Schöpfung
herau&ubeschwören.
Einen zweiten Abriss botCassiodorasSenatorimS. Theil seiner Institnt iones
diyinanun et saecnlarinm lectionnm, betitelt : De artibus ac disciplinis liboralium
artium (Opp. ed. Garet II, 528). Insbesondere in der Zeit der karolingrischon
Knnst mehren sich die Yerarbeitangen : Alcuin führt die freien Künste als die
sieben Stufen znr Theologie auf, den sieben Säulen im Hause der Weisheit bei
Salomon gleichend (Sprüche Sal. IX, 1 : Die Weisheit baute ihr Haus und hieb
sieben Säulen). Babanus Maurus definirt die sieben Künste in „de clerlcorum
Institutionen m, c. 18 und in „de uniyerso'* im Anschluss an Isidors Ethy-
mologien. Theodulf gibt nicht nur die erwähnte grosse Beschreibung, andere
titnli yon ihm behandeln die verschiedenen Künste einzeln (Poöt. lat. I, p. 629),
wie er auch in dem Fragment des Kampfes mit den Lastern sieben Laster und
sieben Tugenden einander gegenübergestellt (Haur^an, Singularitös historiques
et litt^raires p. 48). Vgl. die epistula Gunzonis (Martene et Durand,
ColL ampl. 1, 308) und Honorius yon Autun III, 22. Ein titulus von Hibernicus
exul weist auf eine zweite grössere bildliche Darstellung hin. Der gelehrte
Ermenrich yon Ellwangen spricht die Absicht aus, König Ludwig eine
Schrift über die sieben Künste zu widmen (Dümmler, Ermenrich und seine
Schriften, in den Forschungen zur deutschen Qesch. XIII, S. 478). In der
KapeUe des h. Othmar zu St. GaUen liess Abt Harmotus 884 die Weisheit
mit ihren sieben Töchtern abmalen (Migne, Patrologia (^'XXII, p. 989). Die
erste bildliche Verkörperung im Cod. 855 saec. IX in der HtiftsblbL zu
St. Gallen, enthaltend Cassiodoms de Septem artibus in rohen Federzeichnungen
fol. 276, 305, sodann in dem für Karl den Kahlen geschriebenen (UA. H. L
lY, 12 zu Bamberg (Leitschnb, Der Bilderkreis der karoling, Malerei
S. 82). Dann kommentirte Bemi d*Aaxerre den Marciaons. Sein Werl^
enthalten im Cod« 71 (88) der BibL zu Anxerre (CataL des d^parteneot«
VI, 82), iUttstrirt io den Cod. ane. fonds lat. 8f)74 und Sim dfnr BibL tut,
zu Paris (J. E. F. Corpet, Portrait^ dm art» liUrraux d'apr^ ie« (rrivaäta
au moyen äge, in den AnnaL arch^iL XVII^ p. 89), harrt Doch dfm E4iujn.
Ekkehard der Jüngere ron 8t. Gallen wrfaildert wi«^ Alcuin die sieben KülA^t«
als Standbilder anf Scalen (Dttmmler in HjäOpt« Z». für d^fat^rh, Ait/frtna
XrV, 8. 30), wohl jfc^ii*e ptuXwtrlhfh^. Dar uti^i Jung, wi^ Herrn. Orima.
Beiterstandbiid de» Th^^MoryiU will, nt/utU^u uur ein (}t4jUik*^*^yM
(C. P. Bock in de« iairt/u^h'-r« d, V*t, r. Ait'.Ttbaiü^freojudes L fc- ^,
Anm. 2). Ib OiL L t, l*t, 4^ '^ ^^-*^, X d*f fOfMj, 0'^tJJuj^'WjLli»ni-
steinschen BibL zu Jlailjji*^*-«* V* f »*, » ^M »; r/i *,•'« K ^ i**i^ <^i. h^ht^y*^ Pf-CT-
d. Würzburger ^tÄdi^^iuoü^* \^>t\ > ^/#«i* f*/)»fM-piiwuw^»-ft,*A»^»»'^>ijt 'X#4-
199 saec. X zm H, OnJV* (*\*wr A/M^/y Xt. * 4^0 K/i^ im y^uÄ-iiiw« as
Marcianestotaad^a*^ i^itt^*4ß* i;* ^i*^-^ 4m /m *>« «« 1" ut^A nv* '•'^ OmJU-u *. ^*-««f
Arcbir V, H, ^Z7, hiu^i i^r'^nrAj* '//v^i 1*^ tftnr*AiiuuK,m g^k^ju ^»mt ^vb^
218 P. Giemen
4. Der Bilderkreis der Pfalz zu Ingelheim.
Von dem Bildercyklus in Ingelheim berichtet allein Ermoldus
Nigellus, der in überschwänglicher Weise den Palast Earls
feierte Der Poöta Saxo, der nach ihm die ausführlichste
Schilderung der Pfalz hinterlassen*, erwähnt nichts von dem
Bilderschmuck, und unter den Spätem erzählen Lambert' und
Eagewin* nur in den allgemeinsten Ausdrücken von der uner-
hörten Pracht der Ausstattung — „oeuvres merveilleuses et
cousteuses** heissen die Pfalzen noch in der sagenhaften Ueber-
lieferung der Grandes chroniques de France*.
Nachdem Ermoldus ausführlich die Malereien der Remigius-
kirche geschildert, zwölf Parallelscenen des alten und neuen
die Ulustrirteii Boethias-Handschriften, Cod. 216 der £cole de mMecine zu
Montpellier (Catal. I, 872), Cod. 12 der BibL pubL za Alen^n mit Versen
(vgl. Eavaisson, Eapports p. 404, 406), so auch noch in der Hs. des Jan
van Erickenborch, Cod. 1 n6erl. Paris, Bibl. nat. Die Beziehungen der sieben
Säulen auf die sieben Künste erst wieder im Mariale AlbertiMagni, quaest. 98,
Opera, tom. XX, p. n, 77. Vgl. Bock, (Preiburger) Christliche Kunstblätter
1869, S. 92; Anzeiger für Kunde d. deutsch. Vorzeit N. F. IV, S. 273,
808. Die sieben Künste auf einem Mosaikfnssboden zu Ivrea, jetzt im Priester-
seminar, ygl. E. aus^m Weerth, Der Mosaikfnssboden zu St Oereon S. 21;
Viollet-le-Due, Dictionnaire II, p. 1 0, VTII, p. 96 ; Annal. archöol. XVII, p. 89,
dazu sieben Epigramme saec. X bei Angelo Mai, Class. aut lib. V, p. 420.
*) Ermoldi Nigelli Carmen in honorem Hludowici, lib. IV, 181, Po€t.
lat n, 63:
Est locos iUe situs rapid! prope flumina Rheni,
Omatus yariis cultibus et dapibus,
Quo domus ampla patet centum perfixa columnis,
Quo reditus yarii tectaque multimoda,
MiUe aditus, reditus, miUenaque claustra domorum,
Acta magistrorum artificumgue manu.
Einhard, Vita Kar. c. 17 sagt nur: opera plurima ad regni deco-
rem et commoditatem pertinentia .... inchoayit et palatia operis egregii,
unum haud longe a Mogontiaco ciyitate, iuxta yillam cui yocabulum est
IngilenheiuL
*) Po6ta Saxo, lib. V, 429, SS. I, p. 274.
') Lamberti annales ad ann. 1046, SS. V, p. 154 berichten beiläufig
yon Nymwegen: Neumago domum regiam miri et incomparabiÜB operis
incendit.
*) Ragewin, Gesta Friderici imp. IV, 76, SS. XX, p. 490: Palatia
siquidem a Karolo Magno quondam pulcherrima fabricata et regias clarissimo
opere decoratas apud Noyiomagum, iuxta yillam Inglinheim, opera quidem
fortissima, sed iam tam neclectu quam yetustate fessa, decentissime reparayit.
^) Grandes chroniques de France ed. Paulin Paris II, p. 158.
i
Die Portritdantellimgeii Karls des Grossen. 219
Bandes, ein echikarolingisches Darstellongsschema, das uns in
einem Traktat des Alcuin * und in den libri Carolini ■ wiederholt
entgegentritt ', wendet er sich zu der Beschreibung der Gemälde
des grossen Festsaals ^, des Trichorums, das den sfidlichen
Abschluss des Saalbaus bildete. Wie in dem kirchlichen Bilder-
kreis das alte und neue Testament in das Verhältniss von
Verheissung und Erfüllung gebracht worden waren, so versuchte
der Maler oder vielmehr der gelehrte geistliche Leiter des
Cyklus auch hier, wo es galt, den Lauf der Weltgeschichte
von der Gründung des assyrischen Reichs bis zu den Tagen
Ludwigs d. Fr. in den grossen Wendepunkten zu schildern, die Ent-
wicklungsstufen des heidnischen und christlichen Herrscherthums
auf einer gleichen Anzahl von Felderabtheilungen einander
gegenüberzustellen. Dass er in der Idee und in der Wahl der
Stoffe dem Orosius folgte \ ist durch die Erörterungen C. P. Bocks
festgestellte Die Inschriften, mit denen das Werk sicherlich
versehen war, hat Ermold nur zum Theil in seine Arbeit auf-
genommen und so die Angaben verwirrt. Wir dürfen nach
dem ausgesprochenen Parallelismus seine Beschreibung ergänzen.
Im letzten Felde standen sich gegenüber die höchste Blüthe
') De comparatione novi et yeteris testamenti a denario nnmero usque
ad anam deque mystlco singulomm significatn: Pez, Thesaurus anecdotom
n, p. S.
«) Libri Carolini I, 20, U, 4, m, 25, IV, 18. Vgl. L. Lersch, Die geist-
lichen Malereien in der HofkapeUe Karls d. Gr. za Ingelheim und die biblischen
Parallelbilder des Mittelalters, in Dienngers Katholischer Zeitschrift für
Wissenschaft and Kunst II, S. 81 — 53. Verwandt die Anordnung in St. Gallen
(ygL die tituli: Po^. lat. II, 480; Leitschuh, Der Bilderkreis der karol.
Malerei S. 65), im 10. Jh. in Petershausen (Gas. mon. Petrishus. I, 22, SS.
XX, p. 632) und Mainz (Fr. Schneider, Der h. Bardo S. 187, Anhang 1).
«) Ermoldus Nigellus IV, 187—242.
*) V. 248: His est aula dei picturis arte referta,
Pleniter artifici rite polita manu.
Begia namque domus late persculpta nitescit,
Et canit ingenio maTrima gesta virum.
*) Die genaue GegenübersteUung ergibt : V. 247 — Orosius (ed. Haver-
camp et Bivarius bei Migne, Patrologia XXXI) I, 4; 250 — 11, 6; 252 —
n, 7; 260 — I, 20; 262 — II, 4; 264 — IV, 15; 266 — VI, 21; vgl.
auch Didron, Iconographie des ch&teaux, in den AnnaL arch^l. XVII,
p. 8—12.
«) C. P. Bock, Die Bildwerke in der Ffalz Ludwigs des Frommen
zu Ingelheim, in Lerschs Niederrheinischem Jahrbuch ftkr Gesebidi^ ud
Kunst n, d. 241, 267.
220 P. Giemen
des Griechen- und Eömerthums und der höchste Triumph des
fränkischen Kaiserthums : hier der Sieg Alexanders und der
Einzug des Augustus in Born, dort Karls Sachsensieg. Wie
in den vorhergehenden vier Felderpaaren auf jedem Felde je
zwei Scenen zur Darstellung gekommen waren, so dürfen wir
dies Verhältniss auch hier annehmen. Der Sieg Alexanders und
der Sieg Earls entsprechen sich bis in die Einzelheiten: dort
nach Orosius die Errichtung von Altären im Eiphäischen Gebirge,
hier die Umstürzung der heidnischen Altäre und der Irminsul
— was liegt da näher, als der Aufrichtung des römischen
Kaiserthums durch Augustus die Erneuerung desselben durch
den grössten Helden des fränkischen Stammes, durch Karl,
gegenüberzusetzen und mit der Darstellung von Karls Kaiser-
krönung dem Cyklus den würdigsten Abschluss zu verleihen?
Bei der unbestimmten Ausdrucksweise des Ermoldus kann man
doch aus den Worten :
Et Carolus sapiens vultus praetendit apertos,
Fertque coronatum stemmate rite caput;
Hinc Saxona cohors contra stat, proelia temptat,
nie ferit, domitat, ad sua iura trahit^
in der Schilderung Karls einen gewissen Gegensatz erkennen:
das erste Verspaar deutet auf eine ruhige, würdevolle Handlung,
das zweite auf eine wild bewegte Kampfesscene ; das erste
weist durch das „rite" noch dazu auf das Vorhandensein des feier-
lichen Krönungsomats hin — und bei keinem Akt in der ganzen
Lebensdauer Karls hätte dasselbe eine ähnliche Berechtigung
gehabt wie bei der Kaiserkrönung in Rom.
Dass nicht, wie Bock, gestützt auf V. 245, meint, Holz-
schnitzereien anzunehmen sind, hat schon Janitschek' gezeigt.
Der Bildercyklus bestand aus Wandgemälden oder musivischen
Arbeiten, die auf den beiden Obermauern der Säulenstellungen
in dem Trichorum angebracht waren, deren Vorhandensein durch
die Ausgrabungen, die ich 1888 und 1889 veranstaltet, nach-
gewiesen ist'. Die Annahme Bocks, die Bilder seien an der
*) Ermoldus Nigellus IV, 279.
*) Janitschek, Stadien zur Gesch. der karol. Malerei IL Strassborger
Festgruss S. 24, Anm. 18.
') Giemen, Der karolingische Kaiaerpalast zu Ingelheim, in der
Westdentschen Zeitschr. für Geschichte und Kunst 1890, 1; Ders., Der Palast
Karls des Grossen in Ingelheim, in der Allgemeinen Zeitung 1889, Beilage 269;
Die Portrfttdaistellimgen Karls des Grossen. 221
Decke angebracht gewesen, und von Cohausens, der sie auf der
westlichen Wandfläche aufgemalt sein Hess, so dass sie von
einer gegenfiberliegenden breiten Empore zu betrachten gewesen
wären, wird hiermit hinfällig.
Nur die ersten der lebenden Meister, die Zeitgenossen des
Maladulphus und Candidus konnten bei der Uebertragung der Aus-
führung in Betracht kommen. Der Name des Meisters ist uns nicht
genannt, ebenso wenig wie der Name des Architekten, der den Plan
zu der grossartigen Palastanlage ersonnen. Entstand der Cyklus auch
erst unter Ludwig d. Fr., so wuchs doch der Plan heraus aus dem
Gedankenkreis der Gelehrtenakademie Karls. Das byzantinische
Eaiserthum bildet das Verbindungsglied zwischen römischem
Weltreich und fränkischem Weltreich : ist es doch erst Frechulf
von Lisieux, der in seiner Weltchronik die bisher so ängstlich
festgehaltene Kontinuität des Römerreichs gänzlich aufgibt.
Bezeichnend ist, dass nur das von Karl so hoch geachtete
germanische Heidenthum in der Bilderfolge nicht zu Wort
kommt: es fügte sich weder als verbindendes Glied dem
Rahmen ein, noch entsprach es den Ansichten Ludwigs. Neben
der politischen Grundidee, die der Cyklus aussprechen sollte,
sie zum Theil unterstützend, tritt eine christliche Tendenz
als belehrendes Moment zu Tage : nach dem Worte des Salvianus
von Massilien : Dum semper gubernat Dens, semper et iudicat :
quia gubematio ipsa iudicium est^ erscheint das heidnische
Herrscherthum, dessen schwere Vergehen immer die Strafen
im Gefolge haben, in jeder Beziehung iem christlichen Herrscher-
thum unterlegen, ist das Ganze dem Gedanken von einer
göttlichen Gerechtigkeit und Weltregierung unterstellt.
Es ist das Eigenthttmliche einer jeden wahrhaft grossen
Zeit, dass sie kraft der ihr innewohnenden Ruhmesliebe gebie-
terisch eine künstlerische Verewigung ihrer Grossthaten fordert,
sei es durch Darstellung paralleler Vorgänge in der Welt ihrer
Götter und Heroen oder in zeitlich zurückliegenden Epochen
der eigenen Geschichte, sei es in der Schilderung der selbst-
erlebten, selbstdurchkämpften Zeit. Es ist der höchste Beweis
für die Monumentalität der karolingischen Kunst, dass ihr dieser
yon Cohaasen, Zwei Bestaarationsy ersuche d. FesthaUe i. d. Kaiserpfalz
zn Ingelheim, in den Jahrhüchem d. Ver. yon Alterthnmsfreunden XX, S. 140.
>) Salyiani presbyt. Mass. opera ed. St. Baluzim, 1. III, c. 4; Hist.
litt^r. de France II, p. 517.
222 P. Ckmem
Ansdraek der üeberzengimg tod der eigenen Grösse nicht
abgeht Der anf Born und Italien gerichtete Blick Karls konnte
nicht achtlos vorbeigehen an den anf Schritt nnd Tritt sich
aufdrängenden Verherrlichungen der eigenen Thaten in den
Werken der antiken Kunst. So findet der monumentale Charakter
der Yon der einen grossen Persönlichkeit Karls gewollten und
gezeugte Renaissance den bedeutsamsten Ausdruck in dem
Herrorrufen einer neuen profanen Wandmalerei. Denn wir
dfirfen nicht vergessen: es ist der erste grosse GremUdecyklus,
der gleichzeitige historische Vorgänge zum Gegenstand hat, seit
den Tagen der Langobardenkönigin Theudelinde, die ihren Palast
zu Monza mit Scenen aus der (beschichte des eigenen Volkes
ausschmfickte ^, und erst unter Heinrich I. fordert wieder die
Ruhmsucht des deutschen Volkes eine Verherrlichung seiner
Thaten in den Wandgemälden seines Palatiums zu Merseburg K
Und dieser Eindruck des monumentalen Charakters karolingischer
Hofkunst wird noch verstärkt durch den Nachweis von Ehren-
statuen, von freistehenden Rundbildern.
5. Die Statue im Klosterhof zu Lorsch.
Die Lorscher Annalen berichten, im Hof des Klosters zu
Lorsch an der Bergstrasse habe eine Statue gestanden', deren
Inschrift „Karolus Imperator iussit cubitum istum fleri iuxta
mensuram suam^ in versilberten Buchstaben sie als ein Porträt-
bildniss Karls beglaubigt, zugleich als ein Werk, das, der Liitia-
') Paulus Diaconus, Historia Langobardorum IV, c. 22, SS. rer.
Langob. p. 124: Ibi etiam praefata regioa (Theudelinda) sibi palatium
condidit, in quo aliquit et de Langobardorum gestis depingi fecit In qua
pictura manifeste ostenditur, quo modo Longobardi eo tempore comam capitis
tondebant, vel qualis illis yestitus qualis habitus erat. YgL Tiraboschi,
Storia della lett. itaL DI, n, c. 6, § 3; £m6ric-Dayid, Discours histori-
ques sur la peinture moderne p. 108.
*) Liutprandi antapodosis in, c. 31. YgL Springer, Die deutsche
Kunst im 10. Jh., in den Bildern a. d. neueren Eunstgesch. I, S. 116;
Janitschek, Gesch. d. deutschen Malerei S. 61.
') Kunstannalen des Klosters Lorsch an der Bergstrasse 814; Kirchen-
schmuck. Blätter des christlichen Kunstvereins der Diöcese Sekkau XI,
Heft 3, S. 14. Die Nachricht stammt aus verlorenen Lorscher Annalen, zuerst bei
Hei wich, Antiquitates Laurishaimenses seu chronologia mon. s. Nazarii
Laurishaimensis und Joannes, Res Moguntin. m, p. 36. Vgl. A. F. Falk,
Geschichte d. ehemaligen Klosters Lorsch S. 161, Anm. 43.
Die PorträtdarsteUnngeii Karls des Grossen. 223
tive des letztern seine Entstehung dankend, mit Gewissheit
der frühesten karolingischen Kunst selbst angehört. Die Bezie-
hungen des Klosters Lorsch zum Aachener Hof waren eng genug,
um eine derartige ausserordentliche Stiftung zu rechtfertigen.
Auch steht dieses Werk nicht allein in der Geschichte der
karolingischen Plastik, die von Werken in grösserm Maßstab
sonst wenig meldet. Es sind uns die Verse eines Zeitgenossen
auf die Zerstörung des Klosters Montglonne, des nachmaligen
Saint-Florent-le-Vieil, durch die Bretonen erhalten, von Dom
Pitra und Dflmmler aus dem Kodex der Bibliothek zu Chelten-
ham herausgegeben ^ Als Zeichen des Selbstvertrauens, als
Hohn fQr den machtlosen Karl den Kahlen lässt der Bretonen-
häuptling Nemenoius sein Bildniss aus weissem Stein* fertigen
und im Kloster selbst aufstellen'. Als drittes freistehendes
Rundbild der Karolingerzeit Hesse sich höchstens noch die
") Marchegay, Biblioth^ue de T^cole des chartes IV, 127.
•) Versus de eversione monasterii ölonnensis: Po6t. lat. II, 148, v. 26:
niias albo lapide scnlpta yisos imagine.
■) Dom Pitra, Archives des missions scientifiques IV, p. 180. Po6t.
lat. n, 148, V. 23:
Jnbet snam mox stataam efftgiari splendidam,
Quam ponerent pinnaculo ad Orientem patulo,
Signum quod esset Karolum se non timere dominunL
Constanünopel mit seinem Wald yon Statuen mochte lebhaft einwirken.
Den Hof der Hagia Sophia fiülten aUein 420 Bildsäulen. Vgl. die Auszüge
aus Banduri bei Heyne, Serioris artis opp. sub imp. Byzant. I: Comment.
societ. reg. sdent Gk)etting. XI, 44 und F. W. Unger, Quellen d. byzantin.
Kunstgeschichte. QueUenschriften XII, S. 184, 137, 151, 186. Ein Vertrag des
Theodahat beiProcopius, De hello (lothico 1. V, c. 7 setzt den Gebrauch
voraus, den gothischen Königen Bildsäulen zu errichten. Vgl. von Bumohr,
ItaL Forschungen I, S. 181. Die libri Carolini endlich erwähnen wiederholt
Kaiserbildnisse. L. CaroL m, c. 15: Migne, Patrologia XCVlU, p. 1142:
Si enim imperiales effigies et imagines emissas in ciyitates et provincias
obyiabunt populo . . . Imperatorum imagines in ciyitatibus et in plateis
adorantur. Und in der Denkschrift der Pariser Synode an den Papst Eugen
(erhalten in dem Entwurf eines officiellen Schreibens des Papstes an die
Griechen) ist die Bede Ton den Bildern in Kirchen und Palästen, die pro
amorispii memoria aufgestellt worden: Mansi, Collect, concil. XIV, p. 463;
He feie, Concillengeschichte IV, S. 45. Von freistehenden Bundbildem auf
deutscher Erde in yorkarolingischer Zeit melden Vita s. Sturmi c. 22, SS. II,
P. 876; Vita s. Lebuini, SS. II, p. 362; Batperti cas. s. Galli, SS. n, p. 61;
Vita 8.GaUi, SS. H, p. 7; Ermoldus Nifllaf Jl hUL Hlud. reg. IV, p. 42,
Po€t. lat. n, p. 60.
2S4 P. Ckmen
MzTJewsUtue in Metz anreihen, die Taotilo dort geschaffen ^ —
ein WeriLr Ton dem es unbestimmt ist, ob es in der That als
ToUiges Snndbfld zu denken ist '. Erhalten ist von allen Werken
der karoUngischen grossen Plastik nichts mit Ausnahme der
dtrftigen Skulpturen im Museum zu Narbonne und Arles, kurzer
dickk^ffiger Embryonen in rohgemeisselten Ornamenten', und
der Bftseüefe im Chor der Kapelle zu Hubinne bei Ciney.
6. Die Mosaik im Triklinium des Lateran.
In B(Hn hatte Leo m. in den Jahren 796 bis 799 dem
Lateranensischen Palast das prächtige, Ton weissen Marmor-
säulen getragene tricUnium malus hinzugefiLgt, das drei grosse
Tribünen mit musivischen Bildern enthielte Noch Nikolaus V.
bewirthete in dem Speisesaal den Kaiser Friedrich, dann ver-
fiel der Palast, und Sixtus Y. liess die Mauern des Lateran
niederlegen: nur die Tribüne des grossen Festsaals mit der
Hauptapsis blieb ^ Als unter Papst Klemens Vn. die Tribüne
') Ekkehardi IV. casus s. GaUi, SS. n, p. 100, 32: Taotilo vero com
apnd Metensinm urbem caelatnros satagaret, peregrini dno sanctae Mariae
imagmem caelanti asüterant .... imago ipsa sedens, qaasi yiya, adhue
hodie est yeneranda.
*) A. Schultz, Taotilo yon St. Gallen: Dohme, Kunst und Künstler I,
S. 28 redet nur yon einer ,,Altartafel*.
') Abbildung bei de Caumont, Documents sur P^tat .de Part aux
^poques m^royingienne et carloyingienne, in dem Bulletin monumental XXXIV,
p. 117. Das Fragment eines Frieses aus Ingelheim im Mainzer Museum
(Abb. bei Fr. Schneider im Korrespondenzbl. d. Qesammtyereins 1876,
S. 97), der Thürsturz in der Kirche zu Bierstatt bei Wiesbaden (Lotz,
Baudenkmäler d. Begierungsbez. Wiesbaden S. 82) und Beste der Skulp-
turen aus La Balme im Museum zu Lausanne, aus Layigny im Museum
zu Genf, endlich einige rohe Grabsteine in Wiesbaden, in St. Maria im Kapitol
und im Museum zu Köln (yon Quast, Mittelrheinische Sarkophage, in den
Jahrbüchern d. Ver. y. Alterthumsfreunden L, S. 108, Taf. V, 1, 11, VH, 23,
26) und in St. Denys (Planchet, Hist. de Bourgogne n, p. 520; VioUet-
le-Duc, Dictionnaire de Tarchit. fran^. IX, p. 23) wären hier anzureihen. Die
Metzer Madonna wie die Kreuzlinger Figuren im Bosgartenmuseum zu
Constanz kann ich nicht für karolingisch halten.
^) Bezeugt im Liber pontificalis. Anastasius bibliothecarius, De yitis
Bom. pontif.: Muratori, SS. rer. Italicar. HE, p. 207, no. 242, 844. Triclinium
malus super omnia triclinia nomine suae magnitudinis decoratum.
^) Dass schon yor Klemens XII. die Mosaiken zu Grunde gegangen,
Die Poni«d«5telto«ni K«rb des Grossen. Bäö
an eine andere Steüe versttzl werden sollte, gingen die Mosaiken
bis auf wemge Reste zu Grunde, und erst seinem NaelifolKor
Xututili im Triklinium dei LaKTU.
Benedikt XIV. gelang c^. iu den Jahr*-n 17-40— 17:><l mit
Benutzung der eihalteueü lii-.-U; utid alUr Z'-i'l)ii'ii.L"n die
Rcbeint uimduut^D U uriiti<rj I i. ll| |, y;.y ,,.,- y !■■■' .- d. ,. ...,
Leo bona« meuitiriüi' ti-r'iuy p..!,.. h i, „, ,,i . - ■ ' ■■■ ■■■- ■ - ■■.■-.
226 P. aemen
Lateranensische Tribüne gegenüber ihrem alten Standort bei
der Scala Santa in der freistehenden Nische an der Kapelle
S. Sanktorum von Neuem zu errichten ^ Wir würden in Bezug
auf die frühere Gestalt der Mosaiken auf blosse Vermuthungen
angewiesen sein, wenn nicht der kunstliebende Kardinal Fran-
zesco Barberini, der Neffe ürbans VIH., der im Jahre 1625 die
Mosaiken einer Ausbesserung unterzog *, den gelehrten Nicolaus
Alemannus zur Abfassuag einer Abhandlung über die Malereien
veranlasst hätte ^. Zu den Abbildungen, die dieser veröffent-
lichte, und die nach ihm imd nach den in der Vatikanischen
Bibliothek bewahi'ten Zeichnungen seine Nachfolger publizirten,
sowie zu den Abbildungen, die unter Klemens Xu. im Jahre 1730
beim Abbruch der Tribüne hergestellt wurden, müssen wir unsere
Zuflucht nehmen^.
menta, sive alimenta, quae inde deleta fuerant, noviter reparavit et ad asuin
pristiDom magnifice revocavit. Dagegen wendet sich vonBamohr, Italienische
Forschungen I, 199.
*) Platner und Bunsen, Beschreibung der Stadt Rom III, 1, S. 552.
•) Garrucci, Storia dell'artc christiana IV, p. 105 setzt auch die üeber-
tragung irrthümlicherweise erst in das Jahr 1625.
^) Nicolaus Alemannus, De lateranensibus parietinis. Abgedruckt
auch in J. Graevii et Burmänni thesaurus antiquitatum IV, p. IV.
*) Bei der heillosen Verwirrung, die Hennin, Les monuments de Thistoire
de France. Catalogue des productions de la sculpture, de la peinture et de
la gravure, relatives d, Thistoire de la France et des Frangais II angestiftet,
indem er ein und dasselbe Monument mehrere Mal — und jedes Mal als ein
neues — anführt, gebe ich ein voUständiges Verzeichniss der bedeutendsten
Abbildungen: Severano, Memorie sacre delle sette chiese di Roma p. 545;
Ciarapini, Monumcnta vetera, pl. XI, p. 127; Le Blanc, Dissertation
historique sur quelques monnoyes de Charlemagne p. 36; Montfaucon,
Monuments de la monarchie fran^aise I, pl. XXII, p. 275; Eckhart, Commen-
tarii de rebus Franciae orientalis et episcopatus Wirceburgensis I, p. 786,
fig. 1, 2; Daniel, Histoire de France II, p. 115; Beaunier et Rathier,
Recueil des costumes fran^ais, pl. 33; Knapp und Gutensohn, Denk-
mäler der christlichen Religion, Taf. 43; LuigiBossi, Istoria dltalia
Xm, pl. in, p. 63; Giulio Ferrario, Storia ed analisi degli antichi
romanzi di cayalleria, pl. III; Didron, Iconographie chr6tienne 59; fl.
de Vielcastel, CoUection des costumes, armes et meubles pour servir ä
rhistoire de France I, pl. 32, no. 36; du Sommerard, Les arts au moyen
äge. Album, s6r. VIII, pl. X, 1; F. de Guilhermy, Monuments fran^
d Rome, in den Annales arch6ologiques VIII, p. 257; L'ünivers. Le Bas,
Allemagne, pl. 46; K. F. Becker, Deutsche Geschichte HI, S. 474; Stacke,
Deutsche Geschichte; 0. Jäger, Deutsche Geschichte II, S. 74, Taf.;
A. Vetault, Charlemagne, pl. I.
Die PorträtdftrsteUimgen Kaiis des Grossen. 22
:iZi
Xur von den Mosaiken der Haupttribone haben wir Kunde.
In der Mitte der Apsis war auf einem Berggipfel Christus dar-
gestellt, mit erhobener Rechten die um ihn versammelten Jünger
l>elehrend, zur Rechten und zur Linken zwei Parallelscenen,
^welche die gemeinsame Regierung der Welt durch die beiden
Häupter des Papstthums und des Kaiserthums zum Ausdruck
bringen sollten. Zu den Grestalten Leos und Karls auf der
linken Seite, denen Petrus Stola und Banner überreicht, ergab
sicli von selbst die Parallele in Sylvester und Konstantin^,
denen Christus Schlüssel und Labarum übergibt. „Es war*^,
sagt Gregorovius, „eine That der damaligen Kunst, dass sie
die geschichtlichen Verhaltnisse der Zeit so klar auszusprechen
verstand, denn diese rohen Musive sind in Bezug auf den
Gedankeninhalt die höchste künstlerische Leistung in einer
Reihe von Jahrhunderten*.**
Auf Groldgrund thront in der Mitte erhöht St. Petrus, die
Schlüssel auf dem Schoß, in der Rechten das Pallium gesenkt
haltend, das der zur Linken knifende, nach rechts gewendete
Leo ergreift, der den vollen, rundlichen Kopf mit schwarzem,
kurzgeschorenem Haarkranz nach vorn wendet. Mit der Linken
reicht der Apostelfürst eine Fahne* dem rechts, nach links
gewendet knieenden Karl, der sie mit der Rechten ergreift,
während er die Linke auf die Brust legt. Das rundliche
Gesicht ist nach vom gekehrt und zeigt -ein weiches, breites
*) Unhaltbar ist die Angabe Assemannis (Excerpta de sacris imaginibus,
Anhang zur 2. Ausgabe d. Nicolans Alemannua, Rom 1756), dass hier Hadrian
und Karl dargesteUt seien.
>) Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter II, S. 447.
») Die Fahne ist dreizipfelig, grün, mit grossem rothen und kleinern
weissen Tupfen, und soU das Banner Roms als Zeichen der weltlichen Herr-
schaft darsteUen. Ob darin die Oriflamme zu sehen, wie Leon Gautier,
Chanson de Roland p. 270, ^. 1 will, ist kaum wahrscheinlich. Ueber das
Banner vgl. G. Desjardins, Recherche» sur les drapeaux franc^ais p. 1—8;
M. Sepet, Le drapeau de la France p. 19, 21; Revue des questions
historiques X, p. 156—163; V6tault, Charleraagne, ficlaircissement VI,
p. 543. Zuerst erwähnt Chanson de Roland CH.'LII, 3093 als rorie-flanibe.
Erst Ende des 11. Jahrhunderts von den Kapetingem in 8t. Denys wieder-
aufgenommen. Du Gange, Dissertation sur Toriflamme beiG6nin, Prefaoe
de la chanson de Roland. Vgl. La chanson des Saxons von Jean Bodel, od.
Fr. Michel I, p. 81. „L'oriflambe Karion anz ou chief premeraine.** In dou
Reali di Francia ist die Oriflamme übrigens im Besitz Fiovos, des S*>bne<
Konstantins.
i:»
\»
228 P. Giemen
Kinn, straffen, schwarzen Schnurrbart, lange, gerade Nase,
grosse offene Augen und kurzes, schwarzes Haar unter dem
Kronreif ^ Dass die Mosaiken in der That noch bei Lebzeiten
des Kaisers wie des Papstes gefertigt wurden, bezeugt* die
viereckige Form des Nimbus, der nur Lebenden zukamt
7. Die Mosaik in Santa Susanna zu Rom.
Auf dem Quirinal in der Basilika Santa Susanna entstanden
zur gleichen Zeit wie die Mosaiken des Lateran Porträtbilder
des Kaisers und Papstes in musivischer Arbeit, durch den vier-
eckigen Nimbus als bei Lebzeiten der abgebildeten Personen
hergestellt bezeugt. Wohl von derselben Künstlergruppe aus-
geführt wie die Darstellungen im Triklinium versinnbildlichen
sie denselben Gedanken, den Gedanken der zwei die Welt
regierenden Herrschergewalten, nur in einfacherer, weniger
0 Die offenbar nach dem alten Vorbild ausgewählten Farben des
1743 hergesteUten Bilds an der Scala Santa sind: Petras in weissem
Priestergewand, Leo in gelbem mit purpurfarbenen Linien, Karl in braun-
gelbem Mantel mit grünem Saum, auf der rechten Schulter durch eine
Spange gehalten, die Beinlinge gelbbraun mit schwarzgrünen Riemen um-
wunden. Farbige Abb. bei G. Ferrario 1. c, 0. Jäger a. a. 0., Stacke
a. a. 0., A. V^tault 1. c. Nach den gründlichen Untersuchungen von
Eugen Müntz, Notes sur les mosaiques chrötiennes de Tltalie: Revue arch6o-
logique 1884, VIII, Jan., vgl. Müntz, La legende de Charlemagne. Stades
iconographiques et arch^ologiques sur le moyen äge p. 103, dem sich
E. aus'm Weerth, Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden LXXVIII,
S. 151 anschliesst, unterliegt es keinem Zweifel, dass das jetzige Bild durchaus
neu ist. Dagegen nur von Rumohr, Ital. Forschungen I, S. 201, 240;
Schnaase, Kunstgeschichte III, S. 573. Vgl. E. aus'm Weerth a. a.*0.
S. 151, Anm. 5. Die altern Zeichnungen nebeneinander gcsteUt bei
R. Garrucci, Storia delParte christiana IV, pl. 282, 4, 283.
*) A. deCaumont, Le nimbe, im Bulletin monumental XII, p. 19 und Cours
d'antiquit^s monumentales IV, p. 207; Didron, Histoire de Dieu p. 41,
59; Grimouard de Saint-Laurent, Manuel de Tart chr^tien p. 105;
de Waal in Kraus, Realencyclopädie der christlichen Alterthümer II, S. 498.
Nach Crosnier, Iconographie chretienne p. 67 und BuU. monum. XTV,
67 gilt dies indessen nur für Italien, nicht für Deutschland oder Frankreich.
Von italienischen DarsteUungen als ParaUelen zu vergleichen das Mosaikbild
Gregors IV. in St. Marco zu Rom : D i d r o n, Iconographie chretienne, in den AnnaL
archöol. I, 8, fig. 5, die Porträts des rotulus bibl. Casanatens. ad s. Minervam
Romae: Mart. Gerbertus, Vetus liturgia alemannica I, 259, pl. VII, 2
and 3 und das Dedikationsbild einer Handschrift der Bibl. zu Montecassino
bei Kraus a. a. 0. II, S. 498, Fig. 328.
Die Porträtdarstellangen Karls des Grossen. 229
prunkhafter Form. Dem Bild des Papstes, der barhäuptig, in
Diakonentracht, auf den Armen das Gebäude der Basilika
tragend, dargestellt war, entsprach das Bildniss des Kaisers,
in bedeutend freierer und ungezwungenerer Haltiuig, nach vom
gewendet stehend, in am Gürtel gereffter kurzer Tunika, die
Beinlinge von Riemen umwunden, mit auf der rechten Schulter
zusammengehaltenem Mantel, die Linke auf die Brust gelegt,
die Eechte zur Seite streckend: auf dickem Hals der runde
Kopf mit breitem Kinn, langer Nase, schwarzem Schnurrbart,
kurzen Lockend Aber die Mosaik ist längst zu Grunde
gegangen, und nur die Abbildung bei Alemannus und eine in
der Bibliothek des Vatikans bewahrte kolorirte Zeichnung
vermögen uns über ihre Gestalt Kunde zu geben*.
B. Stilistisch als gleichzeitig beglaubigte
Darstellungen.
1. Die Eeiterstatuette im Museum Carnavalet zu Paris.
Unter den nicht literarisch oder inschriftlich beglaubigten,
nach stilistischen Merkmalen aber als gleichzeitig anzusetzenden
Porträtbildern steht obenan die berühmte Reiterfigur aus dem
Mus6e Carnavalet in Paris, der Tradition gemäss als einziges
Porträt Karls d. Gr. gepriesen. An und für sich freilich spricht
noch nichts dafür, dass in der That Karl d. Gr. dargestellt
sei. Wir erblicken einen Reiter, der nach seinen Abzeichen
als Herrscher zu bezeichnen, und der nach dem allgemeinen
Stilcharakter der Zeit karolingischer Kunstübung zuzuschreiben
ist. Auf ruhig schreitendem, starkknochigem Ross, das den
linken Vorderfuss ausschreitend erhebt, den kleinen Kopf auf dem
besonders breiten Hals etwas nach links wendet, sitzt, bequem
in den Sattel zurückgelehnt, die Kniee an das Ross angepresst,
die Füsse weit abgestreckt, eine starkgebaute Gestalt von
mächtigen Gliedern, bedeutender Grösse im Verhältniss zu den
*) Nicolans Alemannas 1. c. p. 12; Montfaucon 1. c. I, pL 22;
Beaunier et Rathier, pl. 34; de Vielcastel I, p. 32, no. 87; BuUetin
polymatique du musöe dlnstruction publique de Bordeaux XVH, p. 271;
G. Ferrario 1. c. pl. III; L'ünivers. Le Bas, Allemagne, pl. 47.
') C. P. Bock, Karls des Grossen Grabmal S. 26 erwähnt eine Ab-
bildung in einer Handschrift der Vatikana, die wohl mit dem erwähnten
Einzelblatt identisch ist.
230 P. Clemen
Maßen des Pferds, breiten Schultern, hoher Brust. Der auf-
fallend kurze Hals trä^ einen dicken rundlichen Kopf, leicht
Hufgerichtet, mit überaus stark betontem Unterkinn, nur am
Kopf dur Reiterstatuette im Miuenin Carnavalet zn Puria.
Kinnbuckel fest und energisch modellirt, langer, aber nicht
übermäßig vorstehender Nase, gerade aufsteigender Stirn, hoch-
gewölbten Augenbrauen, unter denen nahe aneinander stehende
weitgeöffnete Augen lierrorblicken, starkem, herabgezogenem
Schnurrbart. Auf den kurzen, in omamental-symmetrisch ge-
zeichnete Locken gelegten Haaren ruht ein breiter, mit Edel-
steinen besetzter Kronreif, in drei dreigetheilte Blattomaraente
auslaufend. Die Linke hält den Reichsapfel, die Rechte führte
anstatt des schlecht ergänzten Schwerts ein
Oberkörper verdeckt ein faltiger Mantel, auf
hulter durch eine Spange geheftet, der auf der
ie eng anliegende Aermeltunika freilässt, während
ten Seite in einfachem, ungesuchtem Faltenwurf
herabfällt, der vordere Zipfel ist als Bausch von
nterarm über den Sattel gelegt. Die Haltung
bedeutend, das stolz-aufrechte und doch unge-
; bequeme Sitzen im Sattel ist wohlgelungen, der
eilweise bewunderungswürdig, überraschend die
Pferds mit der breiten Brust, dem starken,
.ochenbau. Dabei sind freilich die Mängel nicht
die Extremitäten sind zu gross und unbehUflich
[andgelenk schlecht geformt, der Körper besonders
iir mäßig unter dem Gewand angedeutet, dem
der trefflichen Cliarakteristik im Grossen, der
Haltung, der trotz der Zerstörung erkenntlichen
Zeichnung des Profils die richtige Modellirung der
Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen. 231
Wangen, ihr Absatz gegen den Hals, die Betonung der Joch»
beine, eine freie Behandlung der Haare.
Die Aufgabe ist, einmal aus der Ueberlieferung, sodann
aus der stilistischen und technischen Analyse der Figur heraus
die dargestellte Persönlichkeit zu ergründen^.
Die Ueberlieferung bezeichnet unsere Figur direkt als eine
Porträtdarstellung des gi'ossen Karl. Die Statue wird nebst
einer andern verlorenen Silberstatuette als im Schatz der Kathe-
drale zu St. Stephan in Metz befindlich zuerst im Jahre 1634
als Bildniss des kaiserlichen Gründers* erwähnt von dem
Lothringer Chronisten Meurisse*, sodann in einem von B6giu
veröffentlichten Schatzverzeichniss vom Jahre 1682*. Danach
*) Die grandlegende kritische Untersuchung der Statuette gab, nachdem
Tornow bereits das Material zusammengestellt (Vortrag am Winckelmannsfest
in Bonn 9. Dez. 1882), E. aus*m Weerth, Die Reiter-Statuette Karls des
Grossen aus dem Dome zu Metz, in den Jahrbüchern d. Ver. v. Alterthums-
freunden i. Rheinl. LXXVIII, S. 139. Dazu die Besprechungen Revue de
Part chr^tien N. S. III, p. 3; Gazette arch6ologique 1887, 1, 2. Die Figur
abgebildet bei AI. Lenoir, Monuments des arts lib^raux, raecaniques et
industriels en France, pl. IX, p. 13; Le Bas, L^Univers. Dictionnaire ency-
clop^dique, pl. 166; Bordier et Charten, Histoire de France; Gazette des
beaux-arts XIX, p. 427; Havard, L'art k travers les moeurs; Bulletin et
m^moires de la sociöt^ archöologique de la Moselle, s6r. IV, tom. IV, p. 268 ;
L'ünivers pittoresque 11, pl. 166; Vötault, Charlemagne, pl. n, p. 26, 544;
0. Jäger, Deutsche Geschichte II, S. 64, 65; Bouteiller, Bulletin et
m^moires de la soci6t6 de la Moselle VIII, p. 85, IX, p. 145; Didron,
Annales arch^logiques VIII, p. 256; Magasin pittoresque 1859; L.Stacke,
Deutsche Geschichte I, S. 192; Henne amRhyn, Kulturgeschichte des
deutschen Volkes I, S. 25. Die beste Abb. bei E. aus^m Weerth
a. a. 0. Taf. III. Nachbildungen im Aachener Suermondt-Museum und im
Dom zu Metz.
•) Meurisse, Eist, des evßques de Metz bei aus'm Weerth a. a. D.S. 140.
') Karl gilt als Neugründer der Kathedrale. Nach K Bögin, Histoire
et description pittoresque de la cathödrale de Metz I, p. 83, II, p. 297 hat Karl
kostbare Geschenke dem Dom vermacht. Zwei Thürme, les tours de Charle-
magne, am Chor schon 1497 und 1504 abgetragen. Vgl. Huguenin, Los
chroniques de la ville de Metz p. 621. Diese Nachricht schon bei Meurisse
1. c. p. 162, 348. Gegen eine Bethätigung Karls am Ausbau von St. Stephan
vgl. F. X. Kraus, Kunst und Alterthum in Elsass-Lothringen III, 2,
S. 458 zum J. 800.
*) Abgedruckt bei E. aus'm Weerth a. a. 0. S. 141; Kraus a. a. 0.
S. 564, Nr. 20: Une Statuette 6questre du m6me empereur (Nr. 19 ist die
silberne Statuette Karls) en bronze dor6, qu'on exposait ögalement sur le
lutrin depuis le 28. janvier, pendant l'office des morts, jusqu*au lendemain,
aprös la grande messe c<516br6e pour le repos de son &me. Quatre cierges
232 P. Giemen
befand sich die Bronzestatue bereits im Jahre 1634 als Porträt
Karls in Metz und wurde alljährlich am Todestag des Kaisers,
umgeben von vier brennenden Lichtem, auf dem Lettner auf-
gestellt. Im Jahre 1807 entdeckte sie Alexander Lenoir bei
einem Apotheker in Metz und kaufte sie an, nach seinem Tode
1839 wanderte sie durch verschiedene Hände, aber erst als sie
durch die Ausstellung der Madame Evans-Lombe auf der Pariser.
Weltausstellung ^ in weitern Kreisen bekannt geworden, erwarb
sie die Stadtgemeinde von Paris und stellte sie im Hotel de
Ville auf — im Jahre 1871 ward sie stark beschädigt^ unter
den verbrannten Trümmern des Hotel de ViUe entdeckt, seitdem
befindet sie sich im Mus6e Camavalet.
Die Hauptmerkmale für die Zuweisung der Statuette an
ihr traditionelles Vorbild geben die Eigenthümlichkeiten von
Tracht und Bewaffnung ab, die zu diesem Zweck eingehend
zu prüfen sind. Bei dem Mangel an genügenden Vorarbeiten'
erscheint es geboten, das vorliegende literarische und künst-
lerische Material auf die Möglichkeit einer Periodisirung der
brülant 36 heures ^clairaient cette figurine. Vgl. Calmet, Notice de la
Lorraine I, p. 834 und Les Bönedictins, Histoire de Metz I, p. 526.
*) Ch. Linas, Histoire du trayail ä Texposition universeUe p. 277;
A. Darcel, Histoire du travail et monuments historiques. Catalogue de
Texposition universeUe, no. 1670, p. 104.
*) Die Feinheiten sind zum grossen Theil zerstört, die Hände, die
Blätter der Krone verletzt, der Daumen der linken Hand zerdrückt, die
Nase von der Mitte des Rückens an abgeschliffen, doch so, dass, da die
Linie der Nasenwurzel voUständig erhalten, die Form der Nase ohne Weiteres
zu rekonstruiren ist. Von der Vergoldung ist nichts mehr erhalten. Erneuert
der Pferdeschweif, das Schwert. Es ist zu vermuthen, dass die Figur
ursprünglich nicht das Schwert, sondern als Gegenstück zum Apfel das
Scepter in der Rechten geführt, obgleich die verschwundene Süberstatuette
nach dem Liventar von 1682 das Schwert trug.
') Von H. Weiss, Kostümkunde IL Das Mittelalter S. 503 musste
ich in wesentlichen Punkten abweichen. R. Jacquemin, Iconographie
m^thodique du costume du IV * au XIX * siöcle; G. Demay, Le costume
au moyen äge d'apr^s les sceaux, besprochen im BuUetin monumental
XL VI, p. 278; Demay, Le costume militaire, in den M6moires de la soci^t^
des antiquaires de France XXXV, p. 120—171; Ders., Le costume &
l'öpoque carolingienne : Eclaircissement IV zu V6tault, Charlemagne p. 505;
Viollet-le-Duc, Dictionnaire du mobilier frangais III, p. 115, IV, p. 228;
H. de Vielcastel, Modes et costumes bei Lacroix et Ser6, Le moyen
äge III; F. von Löher, Die Sitte zur Karolingerzeit: Beil. z. Allgemein.
Zeitung 1889, 164, 2.
Die ForträtdarstellDiigeD Karb des OroBsen. SS3
Ent-w-icklungsgieschichte der Tracht hin zu prüfen. Es leuchtet
sofort ein: wenn sich die Möglichkeit ergibt, für das Ableben
Ller "bei der Metzer Statuette verwandten Tracht einen bestimmten
Zeitpunkt festzusetzen, so ist, da die Kunst des Mittelalters
mit Ausnahme weniger Typen der heiligen Geschichte niemals
und nirgendwo ein anderes Kostüm als das zeitgenössische io
-Anwendung gebracht hat, zugleich eine bestimmte Zeit für die
Entstehung der Figur und damit eine bestimmte Gruppe von
ICaisem für die Namengebung abgegrenzt.
Das Kostüm der Statuette Ist durchaus die altfränkisclie
Volkstracht, die sich seit dem 6. Jahrhundert ziemlich unver-
St. Piinl, Klosterbibliothek, Cod. 2.
ändert bis in die karolingische Zeit erlialten hat, das bis zur
JÜtte des Oberschenkels reichende Wams mit anliegenden
236 P. Giemen
Schon unter Karl bildete sich eine doppelte königliche
Tracht aus. Die eine war die alte Volkstracht, in all ihren
ein Tanfkleid. Vgl. Leidradi episcopi Lugdanensis liber de sacramento
baptismi: Mabillon, Vetera analecta m, 19, cap. 8 de vestimentis :
baptizati albis induuntor vestibns, ut ipso etiam habitu exterioris hominis
demonstrent innovationem et emundationem interioris Ebenso Gregor. Turon.
bist. Franc. III, 29.) Die einzige SteUe, in welcher weisse saga erwähnt
werden, in des Angilbert Klagelied nach der Schlacht bei Fontenai, Po€t.
lat. II, p. 139:
Karoli de parte vero, Hludowici pariter
Albent campi vestimentis mortuorum lineis,
Velut solent in antonmo albescere avibus.
Vgl. Meyer von Knonaa, Die historischen Volkslieder der Schweizer
S. 66. Die Neustrier trugen purpurfarbene kürzere Mäntel, die eine Zeit
lang auch in Karls Heer sich der Aufnahme erfreuten, wohl nur von gleicher
Länge wie die Tunika ; als aber die Friesen die kurzen Mäntel zu demselben
Preise verkaufen woUten, wie vordem die langen, da verbot sie Karl aus-
drücklich: „Wozu sind diese Lappen gut? Im Bett kann ich mich nicht mit
ihnen zudecken, zu Pferde können sie mich nicht schützen gegen Wind und
Regenwetter, und kommt mir ein Bedürfniss an, so verfrieren mir die
Beine.** So blieb das fränkische üniversalkleidungsstück noch eine gute
Zeit erhalten. (Mon. Sangall. I, c. 34, SS. n, p. 747, 1. 18.) Dieses sagum
in der einfachsten Form bei dem Bild Karls im Cod. 2 zu St. Paul, bei dem
Scolapius: Bastard III, pl. 106, besonders deutlich auf einem karolingLschen
Elfenbein im Louvre: Gazette arch6ologique Vin, pl. 19, Ivoires carolingiennes,
bei den Kriegern in der Unterredung Pauli in der Vivianusbibel, bei den
Kriegern (Grabeswächtem) auf dem Elfenbeindeckel des Cod. Paris. 9390
(Kraus, Kunst und Alterthum in Elsass-Lothringen III, 2, S. 576), bei
sämmtlichen Kriegern der Bibel von St. Paul zu R-om (Westwood, The
bible of the monastery of sanct Paul near Rome). In diesem Mantel erscheint
noch König Eadgar von England in der 966 geschriebenen Hs. Brit. Mus.
Cotton. Vesp. A. VIU (Palaeographical society III, pl. 47). Ebenso Herodes
im Cod. suppL lat. 641 d. Bibl. nat. zu Paris (Waagen, Kunstwerke i. Paris
S. 276; Labarte pl. 90). Etwas abweichend von der gewöhnlichen Tracht die
Abb. eines auf einem Felsen stehenden Kriegers im Cod. 855 saec. IX der
Stiftsbibliothek zu St. GaUen p. 350 mit eng anliegenden, bis zum Hand-
gelenk reichenden Aermeln und einem zweiten Paar weiter faltiger Aermel
bis zu den EUcnbogen. Die Tracht findet sich wieder bei den Bildern Cyri
und Salomonis in einer Pariser Hs. (Ms. de St. Germain): Bastard VII, pl. 227.
Denn die karolingische Kriegertracht fügte zur gewöhnlichen Volkstracht
nur Weniges hinzu. Die niedrigen Schuhe wurden ersetzt durch hohe, bis
in die Mitte der Waden reichende Stiefel, im Anfang mit, später (in der
Bibel von St. Paul und im Stuttgarter Psalter Bibl. fol. 23) ohne die
Schnürbänder, über die Tunika ward ein kurzes Lederkoller angelegt, der
Kopf war zumeist unbedeckt, das Hauptstück der Bewaffnung bildete der
lange Speer und der runde, gewölbte Schild mit mächtigem Buckel in der
Mitte (erhalten in einer Reihe von Exemplaren; ich nenne als besonders
Die Porträtdarstellongen Karls des Grossen. 237
lieilen auf das Kostbarste ausgeschmückt und verziert, die
'xinika golddurchwirkt, der Mantel durch eine goldene Haken-
t>ange zusammengehalten. „Die Schuhe waren aussen mit Gold ge-
ohmückt und mit Edelsteinen besetzt, und hatten drei Ellen lange
■Schnüre, scharlachene Binden umgaben die Beine. Ueber diese und
üe scharlachenen kunstreich gestickten Hosen erstreckten sich in
k^reuzweiser Windung, innen und aussen, vorn und hinten, jene
langen Schnürbänder ^.^ Die andere Tracht bildete das von Byzanz
tibernommene prunkende Kaiserkostüm *, ausgezeichnet durch
obarakteristisch Mainz, Centralmuseum 7474, Frankfurt a. M., Historisches
Maseam 8722, Worms, Paulus-Museum 9359, 60, 402, Speyer, Museum 9884.
Abb. im Sakramentar von GeUone Fonds lat. 163: Bastard II, pl. 55,
in der Bibel von St. Paul, Buch Josua und 2. Buch Samuelis: West wo od
I. c. und auf dem Elfenbein im Louvre : Gazette arch^ol. VIII, pl. 20),
gewöhnlich auf dem Rtlcken getragen (Ermoldus Nig. III, 597, Pofet. lat.
II, p. 58: Scuta gerunt dorso, manibusque hastilia portant. IV, 135: Huc
egomet acutum humeris ensemque revinctum). Die auserlesene Truppe der
kaiserlichen Leibgarde war ausgezeichnet durch den langem Panzerrock mit
Lederzaddeln und durch die eherne Helmhaube (Abb. mit Ausnahme der
bereits erwähnten in der Vivianusbibel auf dem Bild des psallirenden David,
in der Bibel von St. Paul: Westwood 1. c. und im Cod. aur. zu München,
Cimel. 55. Ganz entsprechend die braune Federzeichnung im Cod. 186
saec. IX der Stiftsbibl. zu St. Gallen, fol. 1', mit bis zu den Ellenbogen
reichenden Aermeln.) Der spitzen Helmhaube bediente sich auch Karl im
Felde: Angilbert, Poöt. lat. I, p. 380, v. 40:
Hanc Carolus princeps gentem fulgentibus armis
Fortiter accinctus, galeis cristatus acutis.
*) Einhardi vita Kar. c. 23, SS. II, p. 455: In festivitatibus veste
auro texta et calciamentis gemmatis, et fibula aurca sagum adstringente,
diademate quoque ex auro et gemmis ornatus incedebat; aliis autem diebus
habitus eins parum a communi et plebeio abhorrebat. Thegani vita Hludo-
wici imp. c 6, SS. II, p. 591, l. 34: In proxima die dominica ornavit (Karolus)
86 cultn regio, et coronam capiti suo imposuit; incedebat clare decoratus et
ornatus, sicut ei decuerat. Mon. Sangall. I, cap. 34, SS. II, p. 746: calciamenta
forinsecos aurata, corrigiis tricubitalibus insignita, fasciolae crurales vermi-
colatae, et subtus eas tibialia vel coxalia linea, quamvis ex eodem colore,
tarnen opere artificiosissimo variata. Super quae et fasciolas in crucis modum,
intrinsecus et extrinsecus, ante et retro, longissimae illae corrigiae tendeban-
tur. Deinde camisia clizana, post haec balteus spate colligatus. Quae spata
primom vagina, secundo corio qualicumque, tertio linteamine candidissimo
cera Incidissima roborato ita cingebatur, ut per medium cruciculis cminen-
tibus ad peremptionem gentilium duraretur. Dass der Autor hier die kaiser-
liche Tracht vor Augen hat, geht hervor aus p. 747, 1. 13: quo habitu vidi
capat Francorum (Ludwig den Deutschen).
*) VgL Weiss a. a. 0. II, S. 90 if. Ganz besonders auffallend erscheint
in dcH kleinem Nachbildungen die Ueberladung der Stoffe mit Steinen. Schon
238 P. Giemen
die Überladene Pracht, die steifen, schweren Stoffe, den über-
breiten, edelsteinbesetzten Saum, von Karl nur zweimal zu Rom
angelegt^. Ihr charakteristisches Abzeichen war im Gegensatz
zu der tunicella der Franken die longa tunica, das bis zu den
Knöcheln reichende Seidengewand und der gleichlange, gesäumte
Mantel. Unter Ludwig d. Fr., der nur bei grossen Festlich-
keiten in der Hoftracht von Byzanz erschien, wird das heimische
Kostüm reicher und reicher*, Lothar ist der erste, der den
bei den frühesten Kaiserbildern (ein Discns von 894: Annal. arch^olog. XXI,
809) sichtbar, erreicht diese Sitte im 10. Jh. den Höhepunkt. (Besonders Cod.
graec. 510 der Bibl. nat. zu Paris, Predigten des Gregor yon Nazianz,
geschrieben 867—886, fol. 2, 5, 20, 27, 36, 45; Waagen, Kunstwerke and
Künstler in Paris S. 202; H. Bordier, Description des peintures contenues dans
lesmss. grecsde la Bibl. nat. p. 62; Cod. graec. 189, Psaltereum, fol. 7 und 8,
endlich Johannes Chrysostomus, Cod. graec. 79, geschrieben 1080 für Nice-
phorus Botoniata, fol. 1 und 2.) Vgl den Deckel des Evangeliars von Besannen:
Gori, Thesaurus veterum diptychorum HI, tab. n, p. 9, die Elfenbeintafel
zu Cortina: Gori 1. c. HI, tab. XVIII, p. 134, die Hierothck in St.
Michaelis de Muriano: Gori III, tab. XIX, p. 137, die Tafel der BibL nat.
zu Paris: Annales arch6oL XVETI, p. 197, pl., das Etui de la vraie croix der
Sainte Chapelle zu Paris: Annal. arch^ol. V, pl. 6, p. 326, das Tri-
ptychon der Bibl. nat. zu Paris: (Arundel society) Digby Wyatt, Notices
of sculptnre in Ivory p. 35, das Reliquiar zu Tongres: Cahier, Nouveaux
m^langes I, p. 102, das Siegeskreuz des Constantinus Porphjrrogenitus und
Komanus zu Limburg: tou Quast und aus^m Weerth, bcspr. Korrespon-
denzbl. d. Gesammtver. d. deutschen Alterthumsver. XV, 2; von Quast,
Beiträge zur Geschichte der ältesten Arbeiten in Schnitzwerk in Deutschland,
in der Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst n, S. 253; Didron,
Annales XVII, p. 337, XVIII, p. 42, 124; Mitth. d. hist-arch. Ver. zu Trier
II, S. 94.
*) Einhardi vita Kar. c. 23, SS. n, p. 455: Peregrina vero indnmenta,
quamvis pulcherrima, respuebat, nee umquam eis indui patiebatur, excepto
quod Bomae semel, Adriano pontifice potente, et iterum Leone successore
eins supplicante, longa tunica et clamide amictus, calceis quoque Romano
more formatis induebatur. Die in St. Peter zu Bom noch heute aufbewahrte
Dalmatika Karls d. Gr. ist spätem Ursprungs (vgl. Sulp. Boisser^e,
lieber die Kaiserdalmatika in der St. Peterskirche zu Rom; Didron, La
dalmatique imperiale, in den Annal. arch6ol. I, p. 152, pl. V; Kirchenachmuck
ni, Heft 12, S. 81; H. Janitschek im Repertorium für Kunstwissenschaft
X, S. 510); ebenso die Dalmatika Ton St. Denys (Lacroix, Moeurs, usages
du mögen äge p. 157, fig. 887) und der Mantel im Schatz zu Metz (Bulletin
monumental XIV, p. 409; F. Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder II,
S. 292; Dommanget, Bulletin de la sociöt^ de la Moselle VUI, p. 45;
Hefner, Trachten und Geräthschaften I, Taf. XXII).
') Thegan nimmt den Mund etwas voll bei der Schilderung Vita Hlnd.
imp. c. 19, 88. II, p. 595: Numquam aurco rcsplenduit vcstimento, nisi
Die Porträtdarstellungen Karls des Grosseu. 239
[ig-en, schleppenden Mantel aufnimmt \ unter Karl dem Kahlen
i^winnt die byzantinische Tracht, die jetzt ausdrücklich als
raecae gloriae, als griechischer Prunk, bezeichnet wird, die
olle Herrschaft*, von jetzt an treten alle deutschen Könige
Li.ntuin in sommis festivitatibus, sicat patres eins solebant agere. Tone nihU
vk Ulis diebus se indnit praeter camisiam et femoralia nisi com auro texta,
ombo aureo, baltheo aureo praecinctus et ense auro fulgente, ocreas aureas
3t clainidem cum auro textam, et coronam auream in capite gestans, et
V>actiluin auream in manu tenens. Walafridi Strabi versus de imagihc
Tetrici v. 149, Po6t. lat. IT, p. 374; gemmis auroque decorum. Ermoldus
Nigellns IV, 375, Po^t. lat. U, p. 68:
Consertam clamidem gemmis seu murice rubre,
Aureus in gyro quam quoque limbus arat.
379 Anrea mox gemlnos constrlngunt vincla lacertos,
Foemora gemmatus balteus eins obit;
Et Caput insigui donatur rite Corona,
Perstringuntque pedes anrea plectra snos;
Aurea per dorsum respleudent tegmina latum,
Ornanturque manus tegmine candidulo.
Bass dies Kostüm, welches Ludwig dem Harald verleiht, das fremd -
l{lndische sei, wird ausdrückUch bezeugt durch den Gegensatz v. 897 :
Cetera namque cohors Francisco more paratur.
Es ist dasselbe Kostüm, welches Karl in seiner Metzer Statuette,
welches seine Bildnisse in den römischen Mosaiken führen, das nun auch
Ludwig in des Rabanus Maurus Werk De laudibus sanctae crucis (Migne,
Patrologia LVII, p. 142) trägt — die Tunika bis zu den Knieen reichend,
mit Gürtel und breitem Saum, der Mantel auf der Schulter geheftet und bis
zur Mitte der Unterschenkel herabfaUend (modemisirt im Cod. Mouacens. c.
pict. 7. lat. 8201, fol. 38»»).
*) In dem Widmungsbild seines Evangeliars in Paris (Bibl. nat. lat 266)
erscheint er in edler Schmucklosigkeit, der lange Mantel noch ohne Saum
und Stickerei, wogegen er auf dem Bild des Londoner Psalters- (Bibl. EUis
& White) und auf dem Widmungsbild der Handschrift der carmina Wandal-
berti in der Vatikana (Cod. bibl. regln. Christin, lat. 438), auf die mich
£. Dümmler aufmerksam machte und die Job. Ficker-Rom für mich
ZQ nntersQchen die Güte hatte, in dem altfränkischen kurzem Kriegs-
mantel erscheint. Ebenso der psallirende David in der Bibel von St. Paul
zu Rom und der fränkische Fürst im Metzer Messkanon (Bibl. nat. lat. 1141),
endlich König Nabuchodonosor im Cod. lat. 63 der Bibl. nat. zu Paris (Viollet-
le-Duc, Dictionnaire du mobilier fran^ais I, p. 110).
^ Annales Fuldenses ad ann. 876, SS. I, p. 389, 1. 33 : Karolus rex de
Italia in Galliam rediens, novos et insolitos habitus assumpsisse perhibetur;
n&m talari dalmatica indutus, et baltheo desuper accinctus pendente usque
ad pedes, nee non capite involuto serico velamine, ac diademate desuper
imposito, dominicis festisque diebus ad ecclesiam procedere « olebat. Omnem
enim consuetudinem regum Francorum contcmpnens, Graecas glorias optimas
240 P. Giemen
in der langen und schleppenden Dalmatika und dem bis auf
den Boden reichenden Mantel auf, der aber noch nach fränkischer
Sitte auf der rechten Schulter geheftet wird. Erscheint die
Krone der frühkarolingischen Zeit als einfacher mit Gk)ld und
Edelsteinen geschmückter Reif ^, vielleicht in Anlehnung an die
eiserne Krone zu Monza^, so hat sie schon auf der spätem
arbitrabatur, et ut inaiorem snae mentis elationem ostenderet, ablato regis
nomine, se imperatorem et angnstnm omnium regnm eis mare eonsistcntimn
appeUare praecepit. Von den bildlichen Darstellungen des Kaisers in erster
Linie das Dedikationsbild der Vivianusbibel und das Dedikationsbild des
Psalters zu Paris (Lab arte, Histoire des arts industriels. Album II, pl. 89),
bei beiden der überlange, die Füsse fast verhüllende Mantel deutlich erkennt-
lich. Im Codex aureus von St. Emmeram (München, Cimel. 55): Cahier et
Martin, Nouveaux m61anges d'arch6ologie. Curiosit6s mystßrieuses I, pl. 6,
p. 48, durch ein in der Bibel von St. Paul bei Karl dem Dicken wiederholtes
Motiv der Mantel über dem linken Knie kokett in die Höhe gezogen. Bis
auf die Füsse faUeud bei den Königsdarstellungen in der Bibel von St. Paul :
Pharao, Holofemes, Saul, Herodes, Antiochus (West wo od 1. c).
*) Mit diesem Reif geziert ist die Metzer Statuette, sind die Bildnisse
Karls zu Rom (die in den verschiedenen Abbildungen oft bis zur Unkennt-
lichkeit entstellten Kopfbedeckungen stellen nach der ältesten Wiedergabe
bei Alemaunus einen Reif mit gepolsterter Kopfhaube dar), das Bildniss
Karls im Cod. Fuldensis der Volksrechte (s. u.), das Ludwigs im Rabanns
Maurus.
*) Karl selbst freilich ist nicht mit ihr gekrönt worden, wie die spätem
Annalisten woUen, er ist überhaupt nicht zu Pavia gekrönt (so Muratori,
Anecdota ex Ambrosianae bibUothecae codicibus II, p. 267; Mabillon,
Annales II, p. 227), da im Gegentheil Paulus Diaconus (Historia
Laugobardorum VI, 55, SS. rer. Lang. p. 184) berichtet, dass die Thron-
erhebung bei den Langobarden nur durch üeberreichung eines Speers gefeiert
ward. Die Krone ist nicht, wie B. Simson, Jahrbücher des fränkischen
Reiches unter Karl d. Gr. I, S. 193 meint, um Jahrhunderte jünger: vgl.
Barbier de Montault, Le tr^sor de Monza, im Bulletin monumental 1883,
p. 2; Ders., Inveutaires de la basilique royale de Monza, im Bull. mon. 1880,
p. 18, 46, 60; J. Lab arte, Recherchcs sur la peinture en ^mail p. 11.
Publicirt Muratori, SS. rer. Ital. I, p. 460; Frisi, Memorie storiche di
Monza I, pl. VII; du Sommerard, Les arts au moyen &ge. Album,
s^r. X, pl. XIV; G. Fontanini, De Corona ferrea c. IV, p. 34; F. Bock,
Kleinodien des h. röm. Reiches deutscher Nation, Taf. XXXIII, S. 49,
157—164; B. Grueber, Das Stift des h. Johannes in Monza, Taf. VII, S. 40.
Die zwei unter dem Namen Karls gehenden Kronen zu Aachen und Wien
sind bekanntlich später entstanden, die zu Wien unter Konrad II., abgebildet
V6tault, Charlemagne, pl. in, p. 50; dazu Longp6rier bei V^tault
p. 544; J. Labarte, Recherches p. 33; Pottier bei Villemin, Monuments
fran^ais in^dits J, 13, II, pl. XIX. Vgl. A. Essen wein, Die Krönungs-
insignien im Mittelalter, im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1866,
Die PortrStdarstellangen Karls des Grossen. 241
Darstellung Lothars, sicherlich durch den Einfluss des byzan-
tinischen Ceremoniells, die Form eines verzierten Eeifen an-
genommen, an welchen sich nach beiden Seiten über den Ohren
mit Pflanzenomamenten bedeckte Seitenstücke anschliessen \ eine
Nachbildung der in Byzanz heimischen Form der Ohrgehänge,
wie sie sich zuerst in der Gestalt von Perlschnüren ^, dann als
feste Seitenstücke bis in das späte Mittelalter auf allen Kronen
byzantinischer Arbeit findend
Nun zeigt unsere Statuette sowohl die früheste Form der
Reifenkrone wie den saumlosen kürzern Kriegsmantel und die bis
zur Mitte des Oberschenkels reichende tunicella — welch letztere
beide wir mit vollständiger Sicherheit vor die Zeit Lothars
und Karls des Kahlen versetzen konnten. — Dies und die
völlige Schmucklosigkeit der Figur auch vor der Zerstörung
der Oberfläche durch den Brand im Jahre 1871 gibt uns das
Recht, die Zahl der für die Namengebung in Betracht kommenden
karolingischen Herrscher auf die ersten drei Karolinger einzu-
S. 113, 161; F. Bock, Die deutsche Kaiserkrone, in den Mittheilungen
der Centralcommission XIII; Cahier,' Caract^ristiques des Saints I, p. 266;
F. Bock, Kleinodien, Taf. I; Lacroix, Le moyen 4ge et la renaissance
III. Vie priv^e 6. Die Aachener Krone auf dem Haupt der Büste Karls
im Münsterschatz ist 1262 von Richard von Cornwallis geschenkt: Noppius,
Aacher Chronick 1632, Th. I, S. 47; 3Ieyer, Aachensche Geschichten I,
S. 288, 290. Die Urkunde bei Quix, Codex dipl. Aquensis no. 192. Vgl.
F.Bock, Kleinodien, Taf. IX, Fig. 11; Ders., Die deutsche Königskrone
im Schatze der ehemaligen Krönungskirche zu Aachen, in den Mittheilungen
der Centralcommission IV, S. 65. Vgl. auch A. di Miranda, Richard von
ComwaUis und sein Verhältniss zur Krönungsstadt Aachen, in den Annalen
d. hist. Ver. f. d. Niederrhein XXXV, S. 65. Ebenso wenig gehen auf Karl zurück
die Kronen im Schatz von St. Denys: F^libien, Histoire de Tabbaye
royale de Saint-Denys en France, pl. IV und im Schatz von Notre Dame zu
Paris: Beaunier et Rathier, Recueil des costumes frangais, pl. 48.
0 Etwas unverständlich zuerst auf den Bildern Lothars im Pariser
Evangeliar und Karls des Kahlen in der Vivianusbibel.
») So zuerst bei Justinian auf der bekannten Mosaik in der Tribuna
von San Vitale zu Ravenna: Revue arch6olog. VII, p. 351; G. Knight,
Ecclesiastical architectur I, pl. 92. Vgl. die weitere Entwicklung der Krone
in den Abbildungen bei Weiss a. a. 0. II, S. 92—95.
8) Zuletzt noch bei der heiligen Krone von Ungarn im Kronschatz im
Schloss zu Ofen: E. Bonz, Die belüge Krone von Ungarn, in Müv6szi. Ipar.
2, 1887; F. Bock, ReUquien, Taf. XVI, 23. Die Entwicklung der Formen
klar zu beobachten in den Kaiserbildern auf byzantinischen Münzen: Revue
de la num. Beige, sör. III, tom. II, pL VH— IX, XHI-XV, tom. lU, pl. X— XI.
16
242 P. Giemen
schränken, auf Karl d. Gr., Ludwig d. Fr. und Lothar I. in
seiner frühesten Regierungszeit.
Die Metzer Reiterfigur ist ein Gusswerk, aus zwei Theilen
zusammengesetzt, das benutzte Metall ist nach dem ürtheil
von F. Barbedienne eine Mischung von Kupfer und Zinn in
der Zusammensetzung der antiken Bronze ^ Recht wohl war
die Kunst unter Karl d. Gr. fähig, den Guss einer kleinen
Reiterstatue vorzunehmen. Ausser den erhaltenen Werken, der
Artischoke*, den Gittern und Thüren im Aachener Münster ^
werden eine Reihe grösserer und kleinerer Erzgüsse und
Goldschmiedearbeiten erwähnt, die goldenen und silbernen,
ehernen und eisernen Prunkgefässe im Schatz Karls d. Gr.*,
die in seinem Testament erwähnten goldenen und silbernen
Tischplatten^, die vergoldeten Erzthüren im Palast zu Ingel-
heim ^ Und neben der ersten und bedeutendsten Giesshütte
des Reiches zu Aachen, der Einhard und Ansegis vorstanden^,
und in der ausdrücklich ein weitberühmter Künstler erwähnt
wird®, blühte Kunstguss und Goldschmiedearbeit vor Allem zu
0 Bei E. aus*m Weerth a. a. 0. S. 160.
*) Eäntzeler, Der Pinienapfel neben dem Haapteingange der Aachener
Münsterkirche, in den Jahrbüchern d. Ver. v. Alterthomsfreonden XXVll,
S. 104, Anm., Taf. I; Barbier de Montault im Bulletin monamental XLm,
p. 428, fig. 429. Nach E. ans^m Weerth, Konstdenkmäler des christlichen
Mittelalters i. d. Rheinlanden, Taf. VIII, Text n, S. 70, 76 erst unter
Otto I. gegossen.
*) Mertens in Försters Wiener Banzeitong V; Gailhabaud, Bau-
kunst in hält sie noch fttr römischen Ursprungs; Schnaase, Kunstgeschichte
m, S. 626; aus'm Weerth, Kunstdenkmäler, Taf. XXXII, 1, 2, 3, 4, 1%
2% 3% 4*, 6, 6»— *, 7, 7»— ^ Text II, S. 71; Bock, Karls des Grossen
PfalzkapeUe S. 18, 20, 21, 22.
*) Einhardi vita Kar. c. 26, SS. II, p. 457, 1. 14: Sacromm vasomm ex
auro et argeuto . . . tantam copiam procuravit. C. 33, SS. U, p. 462, 1. 10: Ad
hanc tertiam totius sununae portionem, quae similiter ut ceterae ex auro et
argento constat, adiungi voluit omnia ex aere et ferro aliisque metallis
yasa atque utensilia. Mehr noch erwähnt im Chronicon Moissiacense 814,
SS. I, p. 310, 1. 42.
^) Einhard c. 33, SS. 11, 462, 23: ... praecipuae magnitadinis et
ponderis.
•)Ermoldi Nigelli carm. IV, 188. Nach einer Vermuthung Tom
aus'm Weerth in den Jahrb. d. Ver. v. Alterthumsfr. LXXVni, S. 156.
0 Einhards Beiname Beseleel — nach 2. Mos. 81, 2 — deutet auf
seine Fertigkeit in kunstvoller Metallarbeit.
*) Mon. SangaU. I, c. 29, SS. 11, p. 744, L 31 : Erat ibidem alius opifez,
in omni opere aeris et vitri cunctis excellentior. Es ist nicht unaiöglich.
Die Portr&tdarsteUimgeii Karls des Grossen. 243
St. Wandrille, wo schon nnter Abt Wido * kunstvolle Aquama-
nilien, unter Abt Gervold * während der Regierung Karls d. Gr.
eine ganze Fülle yon G^fassen und Reliquienbehältern erwähnt
werden, zu Fulda, wo unter Stunni^, sodann unter Rabanus
eine Anzahl reich geschmückter Laden und Antependien ent-
stand, wo der gerühmte Isanbertus arbeitete^, zu Tours unter
dass dies jener Cuicmnus war, den ein Gedicht des Aedilmlfas so hoch rühmt :
Po€t. lat I, p. 590:
Miriicis fratrem liceat memorare loqnellis,
Ferrea qni domitans potnit formare metaUa,
Diversisque modis sapiens inende snbactnm
MaUens in femun peditat stridente Camino
Cnicninns hie fnerat genitoris cnra vocatos.
') Gesta abb. FontanelL, SS. II, p. 290, L 36 : nrceos cum aqaamanilibos.
*) Ibidem 11, p. 292, 1. 5, p. 295, 1. 6: aqnamanile et nrcens mirabili
opere. 15 — 46. Ein Antependinm, mit figürlichem Schmnck bedeckt, erwähnt
1. 7: Altare in honore perpetnae yirginis Mariae decoravit tabola llgnea,
quam imaginibos argenteis diversis cooperait. Karls Capitnlare de TÜlis
forderte in jeder Pfalz das Vorhandensein tüchtiger nnd geschulter Metall-
künstler. Passns 45: üt nnnsqnisque index in sno ministerio bonos habeat
artifices. Vgl. von Heister, Das Capitularede villis, in der (Westfälischen)
Zeitschrift für vaterländische Gesch. nnd Alterthnmsknnde XVII, S. 323—331;
Gnärard, Explication du capitnlaire de villis, in den M^moires de Tacad^mie
des inscriptions et belles-lettres XXI, I, p. 165. Viele der hier genannten
Künstler finden sich in der Lex Salica ed. Merkel XI, 6, in der Lex Alaman-
norum ed. Merkel, LL. m, LXXIX, 7, in den Statuten des Adalard von
Corbie c. 20, LL, I, p. 179.
*) Vita 8. Stnrmi c. 20, SS. 11, p. 875, 1. 34: Snper sepnlcmm vero
beati martyris Bonifacii auro argentoqne compositam statuit arcam, qnam
nos solemns requiem appellare; quam — nt tunc mos erat — pulcro opere
condidit ; qnae usqne hodie snper tnmulom ipsins Christi martyris cum altari
aureo perseverat Ueber frtlhere Arbeiten vgl. ep. Bonifac. 16, 68; S. Günthner,
Gesch. d. litt. Anstalten in Bayern S. 125.
*) Catalogns abbatum Fuldensium, SS. XIII, p. 273: Rhabanus fecit
arcam arcae Mosaicae instar cum circulis et vectibus ex omni parte auratam,
propitiatorium, cherubim gloriae, candelabmm dnctile ex toto auratum
fecit et sacrarium, qnod sacris vasis aureis et argenteis mira arte fabricatis
pene replicuit. unter arca entweder zu verstehen altare portatile oder
tabulatum pone malus sdtare, eine Art Antependinm, oder endlich wie
Po6t. lat. n, p. 226 capsa. Vielleicht bezieht sich auf diese arca Poöt. lat.
n, p. 219. Versus in tumulo sancti Sergii:
Hanc thecam tibimet, Sergi, sanctissime martjrr,
Hrabanns fecit, servulus ipse dei.
Cherubim gloriae neben propitiatorium stehend auch Catal. abbat.
Floriacens. L i. Balnzii misceU.: Cherubim gloriae, olumbrantia propitia-
16*
244 P. Giemen
Alcuin \ zu Köln, wo Hildebald auf Karls Geheiss einen Altar in
getriebener Arbeit hatte anfertigen lassen *. Im Gegensatz zu diesen
sich häufenden Nachrichten über die Blüthezeit unter den ersten
Karolingern hören wir von der Mitte des 9. bis zum Ausgang des
10. Jahrhunderts nichts mehr von Erzarbeiten, einzig und allein
in St. Gallen scheint sich eine Tradition auch über diese Zeit
hinaus erhalten zu haben *, und erst Ende des 10. Jahrhunderts
torinin super altare ipsias artificiosissimo magisterio expressom. Vgl. Du
Gange, Glossarinm med. et inf. latin. (Paris 1845) V, p. 479, 3.
Vita b. Hrabani archlep., Mabillon, Acta SS. ord. s. Bened. VI, p. 3:
ecclesiam ex diverso metaUorom pretiosaramqae yestium genere polcra y&iie-
tate decoravit. P. 8: Reliqaorom sanctorum ossa in arca, quam ad instar
arcae foederis Dei ex ligno fabricatam atque deaaratam cum cherubim
condidit. P. 16: Ligneam tumbam auro paravit et argento. Titulum litteris
deauratis in circuitu conscripsit. P. 17: turrem lapideam . . . super quam
culmen ligneum columnis quattuor sustentatum erigens, auro omavit et
argento: intra quod arcam oblongam qaadrangulo schemate factam posnit,
quam etiam auro et argento, atque lapidibus ornans, singulorum sanc-
torum imaginibus decenter expressis decoravit, versusque quasi ex persona
eiusdem arcae prolatos in circuitu conscripsit. Vgl. Fiorillo, Geschichte
der zeichnenden Künste in Deutschland I, S. 48.
Versus Hrabani de capsa, quam Isanbertus monachus fecit: „En arca
haec". Poet. lat. II, p. 226.
*) Poöt. lat. I, p. 308, LXXXVIIl. In ecclesia sancti Vedasti in pariete
scribendum (von Alcuin nach dem Brief Mon. Alcuin., Jaff6, BibL VI,
p. 729). Der V. 8 genannte Eado Abt von St. Martin in Tours. V. 5:
Cancellos, aras voluit vestire metallis,
Vedasti fabricans sacrofagumqne patris.
Ebenso 809, III, 8.
') Du Chesne, Histor. Francor. SS. II, p. 691; von Rumohr, Ital.
Forschungen I, S. 222 ; Po6t. lat. I, p. 333. Alcuini versus CVII :
Hex Oarolns Cbristi magno devotus amore
lusserat hanc aram sacris vestire metallis
Ad decus ecclesiae propriam sibimetque salutem.
Hoc opus antistes rege mandante peregit
Hildibaldus ovans Agrippina praesul in urbe.
Ebenso CVIII: lusserat hanc arcam pulchris omare metallis
Hildebaldus ovans.
') Ratperti casus s. Galli 854, SS. 11, p. 70, 1. 4: Praeterea Corona
argenteis aliisque diversis luminaribus pariter cum multimodis variorum
ornamentorum splendoribus ipsam magnopere studuit insignire basilicam. 864,
SS. II, p. 71, 1. 7: Collocatum est autem corpus sancti Otmari in ecclesia
sancti Galli iuxta altarium sancti lohannis Baptistae .... tumbaque argento
et auro sibi parata . . . tumba videlicet et altari plenius decoratis. Ekke-
hardi IV. casus s. Galli 887, SS. n, p. 82, 1. 35: Erat munus iUud capsa
solide aurea, gemmis regaliter inclita, reliquiis summis referta, in formam
Die Porträtdarstellongen Karls des Grossen. 245
tauchen wieder grössere Erzgttsse zu Mainz, zu Corvey, end-
lich zu Hildesheim auf ^ Die gleiche künstlerische Unfertigkeit
herrscht nach dem Absterben der karolingischen Renaissance,
wie vor ihrer Geburt — so dass auch hier die grösste Wahr-
scheinlichkeit dafür spricht, dass unsere Statuette unter den
ersten Karolingern entstanden sei. Eine grössere Reiterflgur
würde die Anfertigung in einer andern als einer der grossen
Giesshtttten der Karolinger ausschliessen — und das war auf
deutschem Boden einzig Aachen — die geringe Höhe unserer
Figur lässt eine derartige lokale Fixirung nicht zu. Auch
mit keinem erhaltenen Werke können wir sie in Verbindung
bringen — die einzige erhaltene* Sitzflgur des karolingischen
Zeitalters, die der Sainte Foy im Schatze zu Conques', mit
capellae creata, cui simile quidem nihil nnquam vidimas. 84, 8: inter de-
licias potationom, com mirarentor artificia vasonun, aori argentique, maxlme
autem vitreonim. 917, SS. n, p. 88, 1. 28: üt in cantoro quodam, quo Salo-
mon ntebator, gemmato gravissimi ponderis aureo. 88, 43 : sarchophagnm
iUad magnificum, quod hodie miramar, ex aoro et gemmis electis compegit.
Cracem aetiam iUam honorandam sanctae Mariae, Tuotilone nostro anaglifas
parante, ex eodem auro et gemmis mirificavit. Altare vero sanctae Mariae
et analogiam enangelicum eiasdem fratris nostri artificio in locis congrnis
deaurata, Hattonis sui de scriniis vestivit argento, et dyptivit, nt videre est,
ex aoro electo. 89, 33: (Hatto) . . mirator opus tan tum tam brevi peractum,
miratar et crucem lapidibus christallinis circnmclusum. Mabillon, Iter
Qermanicom p. 52, 54 erwähnt in Begensburg einen Tragaltar Arnulfs:
parrum altare mobile aureis laminis opertom, quadratae figurae (jetzt in der
Schatzkammer zu München befindlich).
*) Der Ton aus^m Weerth genannte Folkardbrunnen in St. Maximin
zu Trier gehört freilich entschieden nicht dem 10. Jh. an, sondern entstand
erst unter Folkmar IIL nach 1101. A. Wiltheim setzt ihn in seinen
Annales San-Maximianae sogar noch in die Zeit des ersten Abts Folkard
814—822. Vgl. F. X. Kraus, Der Brunnen des Folcardus in S. Maximin
bei Trier, in den Jahrbüchern des Yer. von Alterthumsfreunden XLIX, S. 94.
') Das Rezept, das Ludwig dem Herold ertheilt, ward wohl nur allzu
gut auch in der folgenden Kriegszeit bei karolingischen Schöpfungen befolgt :
Ermoldus IV, 445, Poöt. lat. ü, p. 70:
Ferque fabrita focis auri argentique metalla.
Et tibi sive tuis inde paretur bonos.
453 De love fac oUas nigras furvosque lebetes,
Ignem semper ament, auctor ut ipse suus.
Neptuno fabricetur aquae gerulus tibi iure
Urceus, et laticum semper habebit bonos.
') A. Darcel, Tr6sor de Conques, in den Annal. arch^ol. XXI, p. 89
(XVI, p. 77, 277, XX, p. 215, 264, 827), p. 48, pl., p. 113, pl.: Kopf in natür-
licher Griisse «••« ^rnüi Die Höhe der Statuette beträgt 85 cm.
246 P. Ckmm
ihrer steifen Haltong nod erstarrteo Gesichtsbildiing« ist
weit geringere Arbeit — einzig in der Mtakarolingtsdien Kosst
steht die Beiterstatoette des Mos^ Camavalet da.
Durch zwei gewichtige Grande ist die Mö^chkeit einer
Datirong der Statuette auf die Begienmgszdt Karls d. Gr. mid
Ludwigs d. Fr. eingeengt. Die individuellen Züge derselben
— und ihre starke Ausprägung lässt die Vermuthung, dass wir
es nur mit einem Herrschertypus zu thun haben^ nicht ziu
stimmen endlich sammtlich nberein mit der Schilderung, die
Einhard von Karl d. Gr. gibt, und selbst für den nüchtemstea
und kritischsten Blick auflfiallend genug. Der Kaiser überrag
das Boss stehend fast um Kopfeslänge, die wohlbeleibte Gestalt^
der gedrechselte runde Kopf mit dem tief herabhängenden weichen
Kinn, insbesondere der charakteristische kurze Stiemacken
und der um den Hals geschlungene Mantel macht dessen
gedrungene Kurze nur noch auffalliger — erlautem nur das
Bild, das Einhard von seinem Helden gibt: apex capitis
rotundus, cervix obesa et brerior, venter proiectior : tamen haec
ceterorum membrorum celabat aequalitas.
Mit völliger und unanfechtbarer Sicherheit wird es nie
festzustellen möglich sein, ob unsere Beiterfigur Karl d. Gr.
vorzustellen habe: es spricht nichts dagegen und sehr viel
dafür. Mit Gewissheit ist nur zu sagen, dass wir die Portrat-
statue eines der ersten Karolinger hier vor Augen haben *. Der
ausserordentliche Werth der Figur für die Grescbichte der karo-
lingischen Kunst wird dadurch um nichts gemindert.
Die Haltung entspricht am ehesten der der römischen
Equesterstatuen : möglich, dass das Beiterbild des Mark Aurel
auf dem Kapitol das Vorbild abgegeben*. Das durch Karl von
Bavenna nach Aachen entführte Eeiterstandbild des Theodorich ',
') Nur W. Lfibke, Geschichte der deutschen Ennst 8. 45, Anm. 2
spricht ohne Angabe der Gründe die Statuette der karollngischen Zeit ab.
') Vgl. Der Marc Aurel des Kapitels und die Dioscuren des Monte
CavaUo, in der Wissenschaftlichen Beilage zur Leipziger Zeitung 1S86, Nr. 61.
') Dass das Beiterbild wie die Marmorbilder und Mosaiken von 8. Vitale
(Einhard, Vita Kar. c. 26, SS. ü, p. 457, 1. 9; vgL auch das Schreiben
des Papstes Hadrian I. an Karl: Jaff6, Monnm. CaroL Bibl. rer. Germ. IV,
p. 268, no. 89) zur Verschönerung der Aachener Pfalzbanten von Bayeima
entführt, bezeugt unzweifelhaft Agnellus im Liber pontificalis ecclesiae
Ravennatis, SS. rer. Langobard« et Ital. p. 338, c. 94 : Desuper autem eqina
^ fulvo perfuHus, ascensorque eins Theodoricus rex scutum siniiM
/
^
yv-elches die Aacbaer Eönstkr tisli<!fa. vor Aosai bataaL jmmB
»chverlich ia mehr ab der allraiKiB«i I>irciibiliiime' <i^ Fictutn
X^orbild sein — TieUeicbt ist die 3>wmi*ciiende Bdundliiiuc ins
T*ferd3 in der Pariser Fiew daraif zaruirafThnii — tean.
i.ni G-e^nsatz za der rohizen Gaoeart in Pfe^rb. ^^ -rmeäm
gerebat bmneio, desbv rero bncduo enm> '.
Tero eqni p&tnlis et tue ToimoKa enlwnt ia tl- i-^ae -i
Quis enim Uletn vide/e potoit. ittaiia uIk i* yrü >.£ ■
iter, eam upicist. 338, IT: Et BitiK; p<>iie uaü !^ ?a £sr- .-^ r:z FmenrsK
omnia snbingasset regn* M Biiwiwiriini p^rri^i^'^ m Ln-nr HL im« m^>tr-
iam, pQBtquun ad eoipas beati Petri wi i ihm iii ii pr»^=r_ iwgtgte- Fnosikm.
BaTenna ingresn«, ndeaa paWrhaaai iiMei»^«. (bix KSMtBaa ■»'•'»
ut ip»e testalM est, ridii, fn»dam i'^.nwe fcr.i ».-^tk a ni-. «kk izmmtt
palatio qni Äquisgraaü Toeaior. l . P. B . r k 3 i« .'mj-.d-a^st 4. T*t. »jb
AlterthiunsfrenDd«n im Rheinlaed« V. i. 1— )7j »-»-»; mm Vti^-tm aa,
dass das BaveimaliKbe Bild Bit 4fa n Aa«^>a äarJi Wkl*frij Stnbm
enrihntAD ideatuch aei (Teno! ia Afai^znai palaüd edhi i« inaeiii« Tetrici
ed.Damialer, HanpU Zeit^hrift für dtvuri«! AlUfisB Xn. S. 441, Po»,
lat. n, p. 370. Zaent bmnlxt bei toi TheB*B. Leba des b(ilig«ti Karoli
Hagni S. 57 und Lebenf, B«CD«i] de dirm icnu fiaz senii d'^cUircisiie-
menB ä lltistoire de Fraitee n, p. 13(. di« die Sunie ftti ein Bild des
Tjraimen Telriku bielt«ai, iboen foi^ntd Kejer. Aacben^be Geschichten I,
S. 8S aad LadoDcette. AnliqiiitjH d'Aü-la-Chapelle, in den H£moires de
Ia vtcititt rojale des antiqnaires de FnuKC xrt, p. so). U. Orimm, Das
R«iteTsiaadbild des Tbeodoricb zu Aachen nnd du ü«dicht des WaUfrid
darauf nnd G. Dehio, Die angebliche Theodorich.<»tatue in Aachen, io ZnhtM
JahrbQcbeni för KoMtwiasenscIiaft V. S. 17« leugnen saf Gnmd einer Ravni-
oatiBcbeii Kompilation (bei Uaratorl, SS. rer. IUI. I, i, p. 576: Per biici'
tempora, qnibiu Theodorieiu Bei Gothonun regebat in Italia, ip"e f''<'i<
constrai egiegia opera maxime in RaTenni, scilicet Ecciesiam Gutliicum . . .
et eqaom cnin eqoite aereo-aaratmiL, quem post«a Carolus HngnuR Riivi'iniii
abstniit, nt reren« Franciun deportaret, sed in iünere Caroli pcmleii l'ii|''""
remansit; ebenso p. 577) die Identität nnd bebanpten, die StnUin ni'i In
PaTia enrflekgeblieben, wo sie bis an das Ende des vorigen Julirbiiriilnrt«
unter dem Namen des Begisol gestanden habe. (0. Flamma linl liliilliil,
Memorie di Milano VII, p. 188; Similiter et Idolum RegiBoH, 1|ihmI riinilii-
Uagnns Papiam detolit. Bogatti, Memorie storico-crillch« liitDrini n
8. Celso Martire c. XIX, p. 133: hoc simnlacrum fabrinari fwlL Hr« Iliillu
Theodoricns »pnd Ravennam. Carolus re* Francorum nt Itutnuiinniiii Aiiuiixliin
inde enin snstnlit, nt transferret in Franciam. Qualllor t"tii l'a|iln >lii|iiliiin
fueiit, diTeree narratur. Weiteres Orimm a. a. 0.) Ui'Kun «Irliiim ■rbni
BoiJk in den Jahrbüchern L, 8. 1—52 in einem «welUm Auf«iit«, endllili
W. Schmidt, Das EeitersUndbild des ostgotbUcheu KUulgi Tlm.id..rl.ili In
BaTenna und Aachen, in Zahns Jahrböchem VI, H. 1 ab».hli..M..ii,l. Mb
gnt beseogte Identität des Aachener und BaTtnnati.chen Ulld. (Iwl Abu..II»i,i
gegenüber den apitem schlechtem Nachrichten ui
248 P. Giemen
gelassenen Haltung des Reiters in Paris sass Theodorich im
flatternden Pelzmantel, der auszeichnenden Tracht der gothischen
Magnaten, am linken Arm den Schild, in der Rechten den kurzen
Speer schwingend — auf einem schnaubenden Thier mit geschwell-
ten Nüstern, das Walafrid Strabus mit dem anstürmenden Boss
im Buch Hieb vergleicht ^ zügellos, über Steine und Erz
sprengend, von einer zweiten Figur aus dunkler Bronze geleitet.
Wohl aber ist das Reiterbild des Theodorich erst jüngst in
Zusammenhang gebracht worden mit einem der Elfenbeinreliefs
an dem von Heinrich n. gestifteten Ambo im Münster zu Aachen *,
so zwar, dass die Ravennatische Reiterstatue als das direkte
Vorbild für die am Ambo befindliche Reiterfigur angesprochen
worden ist. Diese Vermuthung K. Friedrichs^ bekämpfen E.
aus'm Weerth* und Ed. Dobbert^: es widerspricht ihr vor Allem
die gesenkte Lanze des Reiters. Wenn wir nach einem Vorbild
des Reliefs suchen wollen, so finden wir dies am ehesten in
recht zu erhalten. Ein Holzschnitt des Regisol zu Pavia (in J. Gualla,
Papie sanctuarium ; Schmidt a. a. 0. S. 25) stimmt nicht mit der Beschreibung^
des Aguellus überein. Ich halte daran fest, dass das Ravennatische Bild
thatsächlich über die Alpen geführt und zu Aachen aufgesteUt worden, wo
es vermuthlich schon 881 bei dem Normanneneinfall zu Grunde gegangen
ist. Doch lebt es wahrscheinlich noch fort in der Wilkunasage (von der
Hagen, Nordische Heldenromane. Wilkuna-Sage HI, S. 161; vgl. auch
Müllenhoff in Haupts Zeitschrift XII, S. 319). Zu Walafrid s. Ebert, Die
Litt. d. Abendlandes II, S. 146; Ders., Zur Lebensgeschichte Wal. Strab.,
in den Sitzungsberichten d. kgl. sächs. Akad. d. Wiss. 1878, S. 100. Vgl.
Abel-Simson, Jahrbücher d. fränk. Reiches unter Karl d. Gr. II, S. 253,
Anm. 4; Simsen, Jahrbücher unter Ludwig d. Fr. I, S. 320, Anm. 8.
*) Hiob 39, V. 21—24. Es strampfet auf den Boden und ist freudig
mit Kraft und ziehet aus den Geharnischten entgegen. Es zittert und tobet
und scharret die Erde und achtet nicht der Trompeten HaU.
*) Abbildungen: Bock, Karls Pfalzkapelle und ihre Kunstschätze I,
S. 72, 73; aus'm Weerth, Kunstdenkmäler 11, S. 83—89, Taf. XXXU, 3,
3*, 4—9; Bock, Kleinodien des h. röm. Reiches, Anhang S. 42; Rohault de
Fleury, La messe III, pl. 188; E. Förster, Denkmale deutscher Kunst
I. Bildnerei, Taf. 2. Abgüsse von M. Fischer- Aachen. Gute Nachbildung im
Centralmuseum in Mainz.
') K. Friedrich, Die Elfenbeinreliefs an der Kanzel des Domes zu
Aachen. Eine Nachbildung der Theodorichsstatue in Ravenna und Aachen.
*) E. aus'm Weerth in den Jahrbüchern d. V. von Alterthumsfreundcn
LXXVin, S. 159; Die Elfenbeinreliefs an der Kanzel im Münster zu Aachen,
in der Wartburg XII, Nr. 6, 8, 12, XIII, Nr. 3, bespr. Repertorium X, S. 197.
^) Ed. Dobbert, Zur Geschichte der Elfenbeinskulptur, im Repertoriam
Vm, S. 162.
Die Porträtdarstellangen Karls des Grossen. 249
altern Elfenbeinarbeiten, wie dem Diptychon des Konstantins
im Museo Barbarini K In dem Reiter des Ambe nun sieht aus*m
Weerth ^ wie in der das Gegenstück bildenden stehenden Figur
eine Darstellung Karls, hier in der friedlichen Beschäftigung
als Waidmann, zu Boss, jagend, dort in der kriegerischen als
TJeberwinder der Feinde, durch den niedergetretenen Vogel
symboUsirt.
Noch ist keine Einheit in der Deutung der sechs Reliefs
erzielt. Hatte man zuerst alle Arbeiten als gleichzeitig ange-
sehen und sie in die spätrömische ', karolingische oder die Zeit
Heinrichs 11.* zu versetzen gesucht, so unterliegt es heute
keinem Zweifel mehr, dass die drei technisch und stilistisch
vollendetsten Reliefs, die beiden Bacchusfiguren und die Isis*,
*) Gori, Thesaurus veterum diptychorum II, pl. L, p. 163. Bezeichnend
besonders die Wendung des Pferdekopfs. So schon aus^m Weerth in der
Wartburg XII, S. 166, Auhl 2 und Dobbert a. a. 0. S. 176.
*) E. au3*m Weerth in der Wartburg XII, a. a. 0., nachdem er früher
(Kunstdenkmäler II, S. 88) im Reiter Heinrich n., in der stehenden Figur St.
Michael zu sehen geglaubt und Jahrbücher LXXVin, S. 159 zunächst nur den
Reiter als eine Darstellung Karls angesehen hatte. So auch Weingärtner im
Deutschen Museum 1852, Nr. 52. Friedrich a. a. 0. sieht in dem Reiter
den Ostgothen Theodorich, in dem stehenden Herrscher Julianus Apostata.
Dagegen Wartburg XII, S. 170. Auch nicht als Karl zu fassen, den die
Aachener Quellen bewachenden Drachen tödtcnd (Mon. Sangall. II, 14 für
Pippin. Die Sage lebt in Aachen fort: 1375 wird das Karlsbad geschlossen,
weil ein in ihm weilendes Gespenst zwei Menschen ertränkt: Meyer,
Aachensche Geschichten I, S. 344; C. P. Bock in den Jahrbüchern d. Ver.
von Alterthumsfreunden L, S. 12, Anm. 8).
*) Labarte, Histoire des arts industriels I, p. 194. Vgl. H. Ott es
Besprechung in Zahns Jahrbüchern für Kunstwissenschaft m, S. 294. R.
Garrucci, Ivoires A sujets profanes dans T^glise d*Aix-la-Chapelle, in den
M61anges d'arch^ologie IV, p. 282, pl. XXXIV, 1, 2.
*) So früher aus*m Weerth, Kunstdenkmäler II, S. 84, die Reliefs als
Darstellungen von sechs Hauptsünden fassend (vgl. auch P. St. Käntzeler,
Histoire des reliques d'Aix-la-ChapcUe p. 54) K. Friedrich a. a. 0. Für
beide war maßgebend die Widmungsinschrift in Iconinischen Versen am obern
und untern Rand des Ambo, die jedoch nur auf die Zusammenfügung der
alten Stücke weist:
Hoc opus ambonis auro gemmisque micantis
Rex pius Henricus, celestis honoris anhelus,
Dapsilis ex proprio tibi dat, sanctissima virgo.
Quo prece summa tua sibi merces fiat usia.
*) Für Isis zuerst L. L er seh, Isis und ihr heiliges Schiff, in den Jahr-
büchern d. Ver. von Alterthumsfreunden IX, 8. 100, X, S. 80, Tat VII;
Garrucci 1. c.
250 P. Giemen
als gute spätrömische Schöpfungen \ der Nereidenzug als wenig-
spätere stümperhafte und barbarische Arbeit*, und die beiden
letzten als entstanden in der Zeit des 7. und 8. Jahrhunderts
anzusehen sind. Auf diese Periode weisen die Kostüme der
dargestellten Personen, die ganz sicher nicht karolin^iscli
sind*. An eine religiöse Deutung zu denken, wie sie von
Förster, Lersch, aus'm Weerth versucht worden, erscheint schwer
möglich * — und als erster Schritt zu der Annahme einer Portrat-
darstellung Karls wäre der Beweis nöthig, dass die beiden
Reliefs überhaupt karolingischer Kunstübung den Ursprung
verdankten. Dagegen spricht aber nicht niu», wie erwähnt, die
Art des Kostüms, sondern auch der Umstand, dass keine einzige
der allgemein als karolingisch anerkannten Elfenbeinarbeiten
stilistisch irgendwie mit den Kanzelreliefs übereinstimmt.
Auch äussere Gründe sprechen dagegen. Die Reliefs waren
wahrscheinlich schon in vorkarolingischer Zeit vereinigt zum
Schmuck eines Thronsessels *, derart, dass sie mit den innem, abge-
*) Den spätrömJschen ürsprmig machen besonders einige stilistische
Merkmale deutUch, die aUerdings nicht an den schlechten Abbildungen, son-
dern nur an den Originalen oder den Nachbildungen in Mainz zu studiren
sind. Vor Allem die weiche, glatte Behandlung des Nackten, ohne jede
Angabe von Flächen, mit den weiblichen, überquellenden Formen in Hüften
und Weichen, dann die Zeichnung der Gesichter, besonders der Augen und
des Munds, die wulstige Modefrisur, die durchaus den spätrömischen Schul-
typus zeigt (zum Vergleich bes. der Kopf der Daphne in dem Ravennatischen
Elfenbeinrelief heranzuziehen: K. Dilthey in den Jahrbüchern d. Ver. v,
Alterthumsfreunden L, S. 49, Taf. 11), dann insbesondere das Motiv des
übergeschlagenen Beins bei den Bacchusfiguren mit der dadurch stark
betonten Hüfte (vgl. das antike Elfenbeinrelief zu Trier in den Jahrbüchern
d. Ver. V. Alterthumsfreunden LX, S. 99, Taf. III; Overbeck, Kunst-
mythologie. Apollon. Atlas, Taf. XXVI, 15 und das Diptychon Quirinianum:
Gori, Thesaurus IV, tab. XVH, Fr. Wieseler, Das Diptychon Quirinianum,
Taf. I, n. Vgl. Wiesel er in Schneidewins Philologus VI, 2, S. 383).
") Vgl. auch Jahrbücher d. Ver. v. Alterthumsfreunden XI, Taf. V,
Fig. 2.
") Die Panzerung und Zaddeltracht ist auf keinem einzigen karolingischeu
Denkmal nachzuweisen. Die DarsteUungen der kaiserlichen Leibgarde (ViviaDUS-
bibel, Lotharevangeliar, Bibel von St. Paul) zeigen noch grosse Verschieden-
heiten. Vgl. auch Weiss, Kostümkunde II, S. 53.
*) Dagegen auch Ed. Dobbert a. a. 0. S. 175.
») E. aus'm Weerth in der Wartburg XIU, S. 26; Artikel „Elfen-
bein** in Kraus, Eealencyclopädie I, S. 401. Weingärtner in den Mit-
theilungen der Centralcommission V, S. 122 nahm schon an, die Aushöhlung
der Eückseite lasse eine Säule vermuthen.
Die PorträtdarsteUangen Karls des Grossen. 251
rundeten Flächen an dessen Pfosten angeheftet waren, wie
dies der Elfenbeinstuhl des Bischofs Maxirain zu Ravenna, die
Cathedra Petri in Rom, die Cathedra des h. Markus im
Domschatz zu Venedig zeigen. Wie die beiden Bacchusfiguren,
die Isis und die sicher dazu gehörige Bacchantin im Museum
Clany^ einander entsprachen, so wurden ftir den besondern
Zweck noch zwei weitere sich entsprechende Tafeln angefertigt.
An einem Sessel Karls d. Gr. des Kaisers Bild anzunehmen^ ist
an sich unwahrscheinlich, noch unwahrscheinlicher, es an unter-
geordneter Stelle in Gesellschaft von römischen Göttern lu
denken.
Ebenso wenig wie auf der Kamee vom Deckel des Adacodex
zu Trier* und auf dem Numisma Caroli im Schatz zu Corbie^
ist auf dem Elfenbeinrelief der Heinrichskanzel zu Aachen eine
Porträtdarstellung des Kaisers anzunehmen.
2. Die Bildnisse
in den Handschriften der Leges Barbarorum.
Eine ganze Reihe von Porträts Karls in Verbindung mit
den Bildnissen anderer Herrscher bietet die kunstgeschichtlich
bisher noch unbeachtete Gruppe der Handschriften der Volks-
rechte, über die unten im Exkurs ausfuhrlich gehandelt werden soll.
Nächst dem Bildniss des Kaisers als patricius in einer ver-
lorenen und zeitlich nicht näher zu bestimmenden Pariser Hand-
schrift, das ihn mit kurzem, doppelspitzigem Bart darstellt,
eine Reifenkrone im Haar, das Gewand wie üblich mit einer
Spange geheftet — ist das älteste das im Cod. 2 der Kloster-
bibliothek von St. Paul in Käinthen. Karl erscheint hier in
der Volkstracht, in riemenumwundenen Beinlingen, kurzer Tunika
^) Catalogue du mus^e Clany no. 1082, p. 75. Gute Abbiidaug bei
Lacroix et Ser6, Le moyen ftge et la renaissance V, pl. II, Bcnlpture;
du Sommerard, Les arts au moyen &ge. Albam, chap. XI, pl. 1, Text I,
p. 405.
*) So Martene et Durand (Voyage litt6raire de deux b6u6dictins
p. 290, Magasin pittoresque 1845, p. 297) and Eckhart (Conunentarii de
rebus Franciae orientalis^ I, p. 597). Seit A. Mongez (bei Visconti^ Icono-
graphle Bomaine II, p. 217) ist der Irrthum beseitigt. Abbildung: L. Palustre
et Barbier de Montault, Le tr6sor de Tröves, pl. XXVI, XXVU, p. 53;
Hettner: Die Trierer Ada-Handschrift, Taf. n, S. 116 ff.
•) Riant, Exuviae sacrae Constantinopolitanae I, p. CV, CX, CXI.
und kurzem Mantel, mit dickem, rundein Kopf, kurzen ZTaAreo.
grossen Augen, leicht angedeutetem Schnni-rbart, in der Tjinketi
einen Stab haltend, mit der Becht«n nach dem zweiten Bogen
Modena, Archiv des Domkapitels, Cod. Ord. 1. 2.
hinweisend, unter dem seine Gemahlin erscheint, in laogeni,
Die Porträtdarstellnngen Karls des Grossen. 253
faltenlosem Gewand, mit einem Diadem geschmückt, die Hände
mit einer Bewegung des Erstaunens halb erhoben. Die Porträts
des Kaisers im Cod. lat. 9654 der Nationalbibliothek zu
Paris und im Cod. Add. of Ayscough 5411 des Britischen
Museums zeigen wie die zuerst erwähnte Pariser Handschrift
schon das spätere Darstellungsschema. In der Pariser Hand-
schrift sitzt Karl auf erhöhtem Kissenthron in langer Tunika
und langem Mantel, in steifer Haltung, in der Linken das Scepter,
die Rechte leicht erhoben, der kleine Kopf unter der dreieckigen
Krone mit starkem Schnurrbart geziert. Die Londoner Handschrift
setzt dem in der gleichen Haltung thronenden Kaiser noch zwei
Waffenträger zur Seite, den einen mit Schild und Lanze, den
andern mit dem Schwert.
In den Jahren 829 — 832 ward in der Schreibstube zu Fulda
von den kunstfertigen Händen des Lupus eine grosse Sammlung
der Volksrechte mit Bildern verziert. Das Bild Karls ist er-
halten in den beiden Kopien, im Cod. Ord. 1. 2 des Domkapitel-
Archivs zu Modena und im Cod. 84 der herzoglichen Bibliothek
zu Gotha. In der Modeneser Handschrift sitzt Karl nach rechts
gewendet auf erhabenem Thron, die Linke auf das hohe Scepter
gestützt, in riemenumwundenen Beinlingen und kurzer, eng-
anliegender Tunika von der Farbe der reifen Pomeranzen mit
schmutzig grünem Saum; das Haupt trägt eine auf beiden
Seiten herabfallende Binde, von einem Kronreif umwunden. Zur
Rechten sitzt Pippin auf einem niedrigem Thronsessel, die
Füsse verschränkt, in der Linken den Stab, die Rechte mit einer
achselzuckenden Bewegung, halb geöffnet, seitwärts streckend,
während Karl mit der erhobenen Rechten ihm etwas ausein-
anderzusetzen scheint — ein feines, gutempfundenes Motiv, das
sicher auf Lupus zurückgeht. Unter beiden der Schreiber, den
Kopf nach oben gewandt, auf das Diktat wartend. Karl hat
ein etwas längliches Gesicht, der Schnurrbart ist durch starke
Striche angegeben, das Kinn ist dunkel gefärbt, was ebenso wohl
den Schatten wie den Bart andeuten kann. Genauer ist die
Kopie nach dem Vorbild des Lupus in der Gothaer Handschrift :
Karl erscheint hier unbärtig mit rundem, von einer Reifenkrone
geschmücktem Kopf. Auf Blatt 2 ^ fügte der Abschreiber noch
ein zweites Bild des Kaisers hinzu: Unter einem säulenge-
tragenen Bogen thront auf einem Faltestuhl, die Kniee ausein-
andergebogen, die Rechte mit dem Gesetzbuch fest auf den
254 P. Giemen
•
Schenkel gestemmt, in der Linken das lange Scepter haltend,
Kaiser Karl d. Gr., in langer Tunika und langem, reich verziertem,
auf der rechten Schulter geheftetem Mantel, zur Rechten und
zur Linken je ein Geistlicher mit einem Buch in der Linken.
Karl trägt eine einfache Reifenkrone, das mit Sorgfalt gezeich-
nete Gesicht zeigt einen am Kinn etwas eingezogenen dünnen
Vollbart, unter der breiten Nase einen breiten Schnurrbart.
Wir fassen noch einmal zusammen, was sich für die Ikonor
graphie Karls aus den Illustrationen der Rechtshandschriften
ergibt.
Die ältesten Darstellungen, die zu St. Paul und zu Fulda,
wie wenigstens die Kopie zu Gotha mit Sicherheit ausweist,
zeigen das authentische Porträt des grossen Kaisers, den runden
Kopf mit dem glatten Kinn und dem Schnurrbart. Freilich ist
es nichts weiter als die allgemeinste und äusserlichste Vor-
stellung, die diese Bilder wiedergeben. Der Zeichner des lango-
bardischen Codex in dem Kämthner Kloster wusste wohl, dass zu
Karls Eigenthümlichkeiten ein runder, dicker Kopf gehörte, dass
seine Oberlippe ein Schnurrbart zierte — das getraute er sich
auch anzudeuten. Ganze Reihen von Porträts hintereinander
reizen aber mehr als jede Einzeldarstellung zum Schematisiren.
Unter dem Einfluss der überlieferten Porträts der bärtigen f
Langobardenherrscher that man bald auch dem authentischen
Bildniss Karls Gewalt an: schon in der ersten Hälfte des 10.
Jahrhunderts taucht, zuerst in der Pariser Handschrift, der
Kaiser mit einem langen Vollbart auf. Der Bilderkreis der
Leges Barbarorum hat uns aber bereits in eine Zeit geführt, in
der, parallel der Entwicklung der karolingischen Sage, die Vor-
stellung von Karl d. Gr. einer durchgreifenden Aenderung unter-
zogen ward.
Exkurs.
Der Bilderschmuck der Leges Barbarorum.
Schon früh wurden die im ganzen Umfang des karolingischen
Reichs geltenden einzelnen Volksrechte in umfangreiche Sammel-
bände vereinigt, die bei dem hohen Werth, welche eine solche
Handschrift für den Besitzer hatte, auch eine der Vornehmheit
des Inhalts angemessene Ausschmückung erhielten. Zu der
glänzenden, sorgsamen Schrift traten reicher Initialenschmuck,
i
Die Porträtdarstellimgen Karls des Grossen. 255
endlich grosse Vollbilder, welche die einzelnen Gesetzgeber
klarzustellen die Aufgabe hatten. Und nicht nur in steifen,
feierlichen Repräsentationsbildem, auf dem Thron sitzend, umgeben
^on den Hofbeamten, sondern auch, was wir bei keinem der
Dedikationsbilder in karolingischen Prachthandschriften finden,
in lebhafter Handlung, stark bewegt, meist zu einzelnen Gruppen
zusammengestellt. So haben wir hier nicht nur eine Reihe
authentischer Porträts und Trachtenbilder vor uns, sondern
zugleich die Anfänge einer durchaus profanen nationalen Malerei.
Bei all ihrer technischen Vollkommenheit hat die deutsche Kunst
im ganzen 9. und 10. Jahrhundert keine Bewältigung eines
ähnlichen profanen Stoflfs aufzuweisen, und erst Ende des 10.
Jahrhunderts zeigt die westgothische Miniaturmalerei in den
beiden Prunkstücken des Escurial, im Codex Erailianus^ und
Codex Vigilanus*, ein inhaltlich gleiches Werk in den Dar-
stellungen der westgothischen Könige und den Schilderungen des
Toletanischen Konzils. Profan wie der Stoflf war in den meisten
Fällen auch der Ursprung : die Handschriften wurden zum grossen
Theil nicht in den Mittelpunkten karolingischer Hofkunst, in
den schreibgewandten Klosterschulen Deutschlands und Frank-
reichs gefertigt, sondern allenthalben und wohl auch von
ungeübten Laienhänden abgeschrieben und kopirt: daher die
Rohheit der Wiedergabe, die den Provinzialkünstler verräth.
Dem entsprechend herrscht auch die charakteristische Technik
der Provinzialkunst, die Federzeichnung.
Nur mit Initialen geschmückt sind Cod. 730 der Stadt-
bibliothek von St. Gallen^, der Cod. der Staatsbibliothek zu
^) Ans San MiUas de la Coijolla, geschrieben zwischen 992 und 1080.
Neues Archiv VI, S. 225. Jetzt D. I, 1. Vgl. Cotejos hechos en la libreria
de Escorial para rectificar la cronologia de Espana, in den Memorias de la
real academia de la historia 11, p. 554.
«) Von Vigila mit seinem Genossen Sarracinus und seinem Schüler
(>arsea zwischen 976 und 1014 im Kloster sancti Martini zu Albelda
geschrieben. Archiv VIII, S. 184; Neues Archiv VI, S. 288. Vgl. Je »6
Amador de los Rios, Las cantigas del rcy Sabio. Ensayo artistico-
arqueolögico I. Abbild, bei Jos6 Fernandez Montana, El codico Albel-
dense 6 Vigilano in museo espanol de antiguödades III, 4, 18, 509. Mit
2 Tafeln.
«) Archiv IV, S. 371, V, S. 327, VI, S. 481, VII, S. 766. Proben:
Baudi a Vesme, Edicta regum Langobardorum (Monum. bist, patr.)
p. XVI.
256 P. Giemen
München^, Cod. 188 des Domkapitel- Archivs zu Vercelli* und
Cod. 33 des Domkapitel- Archivs zu Ivrea *. Von den mit Bildern
versehenen Handschriften ist an der Spitze zu nennen ein ver-
schollener Codex, aus welchem Paulus Petavius und nach ihm
Chiflet^, Mabillon^, Freher^, Montfaucon^, Eckhart® eine der
Miniaturen veröffentlichten. Sie stellt Karl d. Gr. als patricius
dar, sitzend auf lehnenlosem Kissenthron, die Beine gespreizt, die
Linke auf den Oberschenkel gestützt, mit der Rechten den Mantel
erhebend, umgeben von zwei Beamten, die in lebhafter Gestiku-
lation auf den König einreden.
Den Schmuck des Cod. 2 der Klosterbibliothek von St. Paul
in Kärnthen ® — aus dem Besitz des Raths Kruft in die Stifts-
bibliothek von St. Blasien im Schwarzwald, nach der Säkulari-
sation nach St. Paul gelangt, geschrieben zwischen 817 und 823
— bilden zwei Darstellungen auf Blatt 1*" und 2*, deren Kennt-
niss ich Ernst Dümmler verdanke ^^ Unter zwei auf Säulen
ruhenden, mit Flechtwerk gefüllten Bogen sind auf dem ersten
Blatt zwei Figuren dargestellt, zur Linken ein Mann, auf einen
*) Archiv XI, S. 554. Derselbe, den Cahier, Nouveaux m^langes
d^arch^ologie. Biblioth^qaes p. 127 als in Ingolstadt befindlich envähnt, wohin
er aus dem Besitz des Archivars Gervold gekommen (1621).
*) Archiv IV, S. 371, V, S. 230; Andres, Lettera sopra alconi codicl
deUe biblioteche capitolari di Novara e VerceUi p. 99.
*) Archiv XI, S. 533; A. Peyron, Notizia deU' archivio del rev.
capitolo d* Jvrea p. 20; Memorie delle r. acad. della scienze di Torino,
86r. II, tom. Vm, p. 129.
*) J. Chifflet, Anastasis Childerici p. 130.
*) Mab i Hon, Annales II, p. 228; De re diplom. Suppl. p. 40.
") Fr eher, Antiquitates Palatinae.
^ Montfaucon, Monuments de la monarchie frangalse I, pL 21, no. 5.
*) Eckhart, Commentarii de rebus Franciae orientalis I, p. 628.
Danach auch H. de Yielcastel 1. c. I, no. 35.
•) Pardessus, Loi Salique LXIY, no. 59; P. de Chigniac, Avis au
public p. 20, Okt. 1778; Affiches, annonces et avis divers, 1780, April 5,
p. 56; Hamburger Correspondent 1779, März 2, BeiL 35; Tttrk, Forschungen
auf dem Gebiete der Geschichte HI, S. 162; Haenel, Lex Komana Visigo-
thorum LXXVIII; Mon. Germ. LL. I, XXII, tab. II, no. 1; Archiv UI,
S. 77, 174, 623, IV, S. 225, V, S. 219, VII, S. 748, 751, 763, XI, S. 574;
P. A. Budik, Die Stiftsbibliothek von St. Paul, im Serapeum Xn, S. 104;
Wiener Kirchenzeitung 1857, Nr. 2, 4, 7; A. Boret ins. Die Capitularien
im Langobardenreiche S. 29.
*®) Eine farbige Nachbildung von Prof. Scheuchenberger befindet sich
im Archiv der Monumenta Germaniae. Vgl. Abbildung S. 233.
Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen. 257
Stab gestützt, mit der Rechten nach dem zweiten Bogen hinüber-
^weisend, unter dem eine etwas kleinere Frauengestalt steht.
Das Bild stellt, wie schon Pertz nachgewiesen ^, Karl und seine
Gemahlin dar. Die Zeichnung ist grob mit schwarzbrauner
Farbe ausgeführt und grell mit gelben und rothen Tönen kolorirt.
In der Zeichnung des Faltenwurfs hat der Künstler ziemlich
Alles miss verstanden. Bilder und Ornamente weisen auf einen
langobardischen Künstler, der, wie das Flechtwerk der Bogen-
füUung beweist, stark unter irischem Einfluss stand; die eigen-
thümliche Verzierungsweise zumal des 2. Blatts, das unter
einem von Flechtwerk geflillten Rundbogen ein grosses orna-
mentenüberwuchertes Kreuz zeigt, findet eine Analogie in zwei
langobardischen Handschriften zu Paris, Cod. lat. 213 und 216
der Nationalbibliothek*; die Verwendung desselben Motivs findet
sich gleichzeitig in Cod. Cotton. Claudius A. HI des Britischen
Museums ^ in Cod. lat. Q. 5. 7 der Bibliothek zu Valenciennes *
und in Cod. lat. 738 der Nationalbibliothek zu Paris ^ Mit
den künstlerischen Merkmalen stimmen überein die paläogra-
») Pertz, Archiv HI, S. 78, 623.
*) Die Fttsse der Säulen zeigen denselben Aufbau, die Fleehtwerkfüllung
ist die gleiche in gelben, rothen, grünen Tönen auf schwarzem Grund.
Bastard, Peintures et omements II, pl. 6.'), 66, 67. Vgl. auch die langobard.
Canonessammlung 3836 anc. fonds lat.: Bastard II, pl. 62—64. Die ganze
Klasse dieser langobardischen Handschriften gleicht in der Vorliebe für
Flechtwerk und starke gelbe und rothe Töne einer Gruppe gleichzeitiger
und älterer merowingisch-karolingiseher Handschriften, vertreten durch den
Cod. suppl. lat. 695 Paris, Hieron. chron.; Cod. lat. 2706 Paris, Comment.
August. (Bastard I, pl. 14, 15); Cod. lat. 423 Laon, Isidorus de natura
rerum (ed. Fleury, Les manuscrits ä miniatures de la bibl. de Laon, pl. 3);
Cod. suppl. lat. 626 Paris, Dioscorides (Bastard II, pl. 39, 40—44). Die
mit Fiechtwerk überzogenen Rundbogen finden sich übrigens auch schon in
der Ende des 7. Jh. entstandenen Hs. der Regula pastoralis Gregorii, die die
Anfänge der merowingischen Kursive zeigt, im Domkapitel-Archiv zu Ivrea,
ähnlich im Gregor der Bibliothek zu Cambrai und in den beiden aus Petaus
Besitz nach Rom gelangten Sakraraentaren, Vaticana, Cod. regln. Christin. 316
und 317. (Vgl. L. Delisle, Memoire sur d'anciens sacramentaires, in M6m.
de Tacad. des inscriptions XXXII, p. 66. Proben bei Muratori, Liturgia
Romana I, p. 51; Nouveau trait6 de diplomatique III, p. 67, pl. 36.)
^ J. Taliban, Les biblioth^ques espagnoles du haut moyen äge, bei
Cahier, Nouveaux m^langes. Biblioth^ues p. 217, 252. Danach bei £. Frantz,
Gesch. der christl. Malerei, Taf. zu S. 337.
*) Archiv XI, S. 518.
'^) Bastard 1. c. I, pl. 27—29.
17
258 P. Giemen
phischen Anzeichen und die Zusammensetzung des Textes \ di*^
auf das nördliche Italien weisen.
Dem Anfang des 9. Jahrhunderts entstammt noch Cod.
bibl. nat. lat. 4404 zu Paris * mit reichem Schmuck, die Anfange
von Bogen umspannt, die nach Art der Canonesbogen mit
Löwenköpfen, Blumen, Pfauen und allerlei andern Vögeln ver-
ziert sind. Neben einer zwei Seiten füllenden Darstellung des
Theodosius und römischer Juristen enthält die Handschrift ein
grosses Gruppenbild: Lodhanri rex dux alamannorum, mit einem
Bischof, einem Herzog und einem Grafen. Mehr hat der Künstler
auf seinem beschränkten Raum nicht untergebracht: „cetere
vulgo multitudo magna, hos lege tu, lector", hat er dazuge-
schrieben. Ein Bild Karls aus dem Beginn des 10. Jahrhunderte
enthält dagegen Cod. lat. 9654 der Nationalbibliothek*, waJir-
scheinlich aus der Kirche St. Vincent zu Metz stammend, von
wo er in das CoUegium Claromontanum der Jesuiten zu Paris
gelangte. Das Bild des thronenden Karl auf Blatt 1** ist nach
einer gütigen Mittheilung von Leopold Delisle identisch mit der
von Baluze* und Montfaucon* gegebenen Abbildung.
Eine Handsclirift der Leges Langobardorum im Britischen
Museum (Add. of Ayscough 5411) gehört bereits dem 11. Jahr-
hundert an: eine grosse Zeichnung auf Blatt 116 fährt den thro-
nenden Karl vor, das Scepter in der Linken, die Rechte erhoben,
ihm zur Seite die königlichen Waifenträger, unbedeckten Hauptes *.
Aus dem 12. Jahrhundert endlich stammt die Handschrift
der Lex Alamannorum in Wien (Cod. lat. 288)^; aber der auf
Blatt 1 dargestellte König will schwerlich noch als Porträt gelten,
*) Es hat eine Anzahl ansschliesslich ital. Kapitularien Aufnahme
gefunden, darunter, wie Baudi a Vesrae p. 444 nachweist, selbst Verord-
nungen Liutprands. Boret ins a. a. 0. S. 30, 187.
*) Pertz, Die Handschriften der Lex Salica, im Archiv HI, S. 733.
») Archiv XI, S. 589; Pardessus, Lei Salique XXVI, no. 23; Mon.
Germ. LL. I, p. XXXI, 268.
*) Baluze, Capitularia regum Francorum 1677, II, 207.
*) Montfaucon, Monuments I, pl. XXI, &g, 1, p. 273. Beide ohne
Angabe, woher entnommen. Danach L*ünivers. Le Bas, Allemagne, pL 38.
Keine der Abbildungen gibt aber die geistreich entworfene Umrahmung mit
dem flott gezeichneten Vorhang wieder.
«) Archiv VII, S. 799. Identisch mit der Archiv V, S. 295 beschriebenen
ehemals Venetianer Handschrift.
0 Archiv III, S. 505.
Die Porträtdarstellnngen Karls des Grossen. 259
sondern nur als Herrschertypus, in gleicher Weise wie die Ein-
fassung die Brustbilder der Vertreter der weltlichen und geist-
lichen Stände enthält.
Von grösserer Wichtigkeit sind nun zwei Paare von Hand-
schriften, um die Wende des ersten Jahrtausends entstanden,
die beide in ihrem Bilderschrauck auf die karolingische Zeit
theilweise zurückgehen, zugleich die am reichsten illustrirten
der ganzen Gruppe.
Das erste Paar wird vertreten durch die Handschrift des
Klosters Trinitä della Cava im Fürstenthum Salerno und Cod.
D. 117 der königl. Bibliothek zu Madrid. Die zuletztgenannte
Handschrift^, deren letzte Quaternionen sich im Cod. F. IV. 75
der Bibliothek Chigi zu Rom ^ finden, enthält 4 grössere Bilder.
Zunächst das des Königs Rotharis, das ausführlichste von allen.
Unter einem grossen Bogen thront, nach vorn gewendet, der
König, mit der Krone geschmückt, neben ihm zwei geflügelte
Halbfiguren. Unter ihm zwei Schreiber. Der untere Raum ist
durch zwei Rundbogen eingefasst, die zunächst die Brustbilder
eines weltlichen und eines geistlichen Grossen einschliessen,
unter ihnen — die beiden getrennten Scenen gehören offenbar
zusammen — ist ein gerichtlicher Zweikampf dargestellt, dem
der in steifer Haltung folgende Richter beiwohnt; der Umstand
ist nur durch eine Reihe symmetrisch gezeichneter Köpfe an-
gedeutet. Sodann König Rachis, stehend, mit der erhobenen
Rechten dem zur Seite dargestellten kleinern Kläger, der flehend
die Hände erhebt. Recht ertheilend, über ihm eine geflügelte
Figur. König Aistulf thront unter einem mächtigen Bogen,
umgeben von den beiden Engeln, unter ihm die Brustbilder
dreier Vertreter geistlicher Würden, zuunterst die zweier Hof-
beamten. Endlich Herzog Arechis, auf erhöhtem Thron, umgeben
von einem Bischof und einem weltlichen Grossen^. Die Bilder
sind in feiner Federzeichnung angelegt. Von einem Verständ-
niss der Formen ist keine Rede, der Faltenwurf ist fast tiberall
0 Archiv VH, S. 771 und X, S. 358. Entdeckt von Haenel, Catalogi
Ubrorom manuscriptorum p. 971.
*) Beschrieben Archiv V, S. 309. Boretius, Die Capitularien im
Langobardenreiche S. 50. Gegen den Zusammenhang mit Cod. Madr. bibl.
reg. D. 117 Anschütz, Kritische üeberschau.
') Die Bilder auf fol. 5, 141, 148, 157. Farbige Abbildungen bei Baudi
a Vesme, Edicta regum Langobardorum (Monum. bist, patr.), tab. p. 21,
153, 165, 201.
17*
262 P. Giemen
Jahrtausends entstanden. Sie gehen beide zurück auf die Gesetz-
sammlung, die Lupus, ohne die chronologische Ordnung zu
wahren, für den Grafen Eberhard von Rätien und Friaul anlegte ^
denselben, dem auch Raban sein Werk De laude sanctae crucis *,
Hartgarius von Lüttich den Vegetius übersandte. Es ist wahr-
scheinlich derselbe Lupus, der unter Raban zu Fulda gebildet
war und 842 Abt zu Ferneres wurde. Das in Fulda geschriebene
Original, das sein Besitzer durch Testamentsverfügung seinem
Sohn Unroch vermachte^ — dass der Graf die Handschrift
ausdrücklich erwähnt, ist ein Beweis dafür, wie kostbar sie ihm
war — ist verschollen, doch ist eine genaue Kopie von ihm
erhalten im Modeneser Kodex *. Die Handschrift enthält fünf grosse
Bilder, die nach der Beschreibung in den Versen des Lupus*,
welche der Modeneser Schreiber wiedergibt, bereits in der Fuldaer
Handschrift enthalten und mit dieser in den Jahren 829 bis 832
») Ausführlich handelt über ihn E. Dümmler, Fünf Gedichte des
Sedulius Scotus an Markgraf Eberhard von Friaul, im Jahrbuch für vater-
ländische Geschichte 1861, S. 171.
*) Mon. Genn. LL. III, 4, not 14; Baluze, Epist. Lupi abb. Ferrariensis
p. 328, 79.
*) Eberhard vermacht Unroch librura de lege Francorum et Ripuarionun
et Langobardorum et Alamannorum et Bajovariorum: Miraeas, Opp.
diplomat. I, c. 15, p. 19.
*) Archiv V, S. 262, X, S. 356, 408, XI, S. 600; Zaccaria, Bibl. di
storia litter. II, p. 377; Muratori, Anecdota. II, p. 204; Rer. Italic. SS. I,
pars II, p. 8, 10; Mon. Germ. LL. III, 4; Baudi a Vesme 1. c. XLII.
') Carmen heroicum de totius speculatione huius praeclarl voluminis.
Hunc heros librum legum conscribere fecit,
Evrardus prudens prudentibus omnia vexit.
Quisquis amat cunctas legum cognoscere causas
Arbiter et clarus vult omnibus ipse videri,
Hunc avidus cupiens oculis animoque requirat.
Depictos Salicos Francos in fronte videbit,
Post legem quorum conscriptam cemet et ipsam;
Cognoscet libro Ribuenses tamque sequenti
Consequitur quorum lex crimina multa perartans
Effigies iam Langobardorum tercius ornat,
Collectum legem cemes mirabile visu.
Post pictos multos Alaraannos ipse videbis
Et legem, quorum cemes iam iamque sequeutem^
Ast Baioaria lex quintum tenet ipsa libellum
Quam pulchras poteris si velis forte videri
Effigies lector Francorum scema per ?vum
En Carolus cum Pippino quam fulget in vultu
Die Porträtdarstellongen Karls des Grossen. 263
nach Boretius' genauer Feststellung* entstanden waren. Der
haarsträubenden technischen Ungeschicklichkeit des Zeichners
gelang es bei aller Unfähigkeit in der Wiedergabe der
Formen doch nicht, die treflFlichen Bewegungsmotive der Figuren
zu verderben. Auch hier keine steifen Einzelbilder, sondern
überaus lebhafte Aktionen. Gleich das erste Bild zeigt die vier
„Könige*' Wisegast, Aregast, Salegast, Bedegast, die Autoren der
Lex Salica, mit Scepter, Schwert und Lanze, bartlos, auf einer
hohen Lehnbank sitzend, paarweise zu eifrigem Gespräch ver-
einigt, lebendig gestikulirend, unter ihnen der Schreiber. Zeigt
das Bild des Königs Eddanan vor der Lex Ripuaria nur den
gewöhnlichen Typus der Repräsentationsbilder, zur Seite des
Königsthrons zwei Hofbeamten, darunter den Schreiber, so geht
der Lex Langobardorum wiederum ein Gruppenbild voran : Rachis
und Aistulf sitzen auf einer erhöhten Thronbank nebeneinander,
beide in bunten Gewändern, mit breiten Schwertern umgürtet,
mit länglichen, grossen Köpfen, Aistulf jugendlich und mit glatter
Wange im Gegensatz zu dem grämlichen und bärtigen Rachis.
Die drei Seiten umfassende Zeichnung des cunctus populus zur
Lex Alamannorum zeigt eine Darstellung, wie wir sie nur noch
im Cod. Madrid, bibl. reg. D. 11 7 gefunden : das Volk ist durch Reihen
ganz symmetrischer bartloser Köpfe ohne Körper dargestellt, die
in roher Zeichnung ohne alle Unterschiede nebeneinander aufge-
stellt sind. Den Schluss bildet das Bildniss Karls d. Gr. mit seinem
Sohn Pippin ^ Von dem alten Bilderschmuck des Lupus hat die
En Hludowicus cesar quamque Hlotharius heros
Ipsoram quantum et Icges per cancta tonantcs
Nunc fulgent fulgebunt quod Deus addat et ultra.
Lupns nennt sich in dem cannen eleycum (Merkel, LL. III, 4;
Baudi a Vesme 1. c. p. 41):
Hos tibi versiculos prudens Evrarde benivolos
Descripsi paucis infimus ecce Lupus.
') Boretius a. a. 0. S. 86. Vgl. Archivio storico, append. HI, p. 784.
Vorher von Muratori (Rer. Ital. SS. I, II, p. 9) um 840, von Merkel (Archiv
XI, S. 600) zwischen 817 und 840 angesetzt.
*) Die Bilder auf Blatt 11, 81, 43, 112, 166. Die Inschriften auf dem
letztgenannten Bild lauten: Isti sunt qui constituerunt capitula congruentia
omnium legum. Karolus christianissimus imperator auguHtus. Pipinus gloriosus
rex filius eins. Fol. 167 ist ausgeschnitten: es enthielt zweifellos auf der
Vorderseite die Bilder Ludwigs d. Fr. und Lothars, auf welche die Verse
des Lapus hinweisen, auf der Kehrseite den Anfang der Capitula in legem
Salicam. Fol. 156 «» A>»>»;i/inng 3. 252 wicdergngeben.
Gothaer Handschrift > nur eine einzige Darstellung bewahrt,
das Bild Karls und Pippins, das in rother Federzeichnung sict
Gotha, Herzogliche Bibliothek, Cod. B4.
auf Blatt 148 befindet*. Während Karl, der hier unbärtig, mit
■) G. Rsthgeber, Beschreibung der herzog). Qemfildegallerie in Gotha
S.80; E. 3. Cjprian, C&tal. codic. mscr. bibl. Oothan. p. 13; D. Ritter, Cod.
Theodosianos, tom. U, praef.; Eceard, Leges Francomni, praef . 4;Parde33as,
Loi Saliguep. XLUI, 321; Türk, Forschungen auf dem Gebiete der Gesebiehte
in, S. 149; Haenel, Lex Romaoa Tisigothonun p. XLTl, 7; Fr. Orttoff,
VoD den Handschrifteo nod Ausgaben des salischen Gesetzes S. 15; Archir
Tl, S. 8!, X, S. 360, SI, S. 604.
') Hitgetbeilt im ChroDiuon Goliriceuse. Annaleä monasterii GotiHe^nsU
oidiui« s. Benedict! I, p. 47. Seronx d'AgiDconrt, Histoire de Tart V.
pL 47, fig. 3, p. 53 als die Porträts Üttos I. und II. Dies wird widerlcf^
duicb die Uebereinstimmnug mit dem Bild des Modeneser Cod., aber anck
achoD durch den Ort, an dem sich daa Bild befindet: toL 14T* schlie^sen die
snccessiones impeistoram mit Karl und Ludwig ab, 149^ begionea di«
titoli legis Salicae. Hüglich, dass die CuAhnlicbkeit des iweiten Königs nit
dem Modeneser Bildniss sich dadurch erklSrt, dass man, entsprechend iem
Schlu&s der soccessiones ans der iweitCD Sccne, Ludwig und Lothar nmCasaebd,
Die Porträtdarstellungen Karls des Grotiseu. 265
einer Reifenkrone erscheint, in den Motiven der Bewegung genau
kopirt ist, seheint für Pippin ein anderes Vorbild vorgelegen
zu haben. Der neben Karl sitzende vollbärtige König hält in
der erhobenen Rechten einen Ring, nach dem Karl die Hand
ausstreckt ^ Die kunsthistorische Betrachtung kommt hier der
Quellenkritik zu Hälfe, indem sie die Bestätigung gibt, dass
dem Schreiber der Gothaer Sammlung eine gleiche Handschrift vor-
lag wie dem der Modeneser. Wir dürfen schwerlich annehmen, dass
der erste Schreiber auch nach dem an Eberhard gesandten Codex
Lupi kopirt. Die Gothaer Handschrift stammt aus der Biblio-
thek der Martinskirche zu Mainz*, deren Handschriften fast
— die in jener Hs. ausgeschnitten — die Gestalt Ludwigs genommen und
an die Stelle Pippins gesetzt hat. Fol. 224* steht: liber primus de consti-
tutionibus principum et edictis. Incipit liber Theodosiani imp. Das Blatt
ist tiefer gebrftunt als die andern: es diente frtlher als fol. 1, der Codex
gelbst ist demnach wahrscheinlich aus mehrem Lagen erst später zusammen-
gefügt. Vgl. Abbildung S. 264.
') Merkel im Archiv XI, S. 604 bezeichnet den Ring in der Hand
des zweiten Königs irrthümlich als denarius, den Stab als festuca, d. h. als
Traditionssymbol. So schon Lex Salica, tit. 49. Vgl. Du Cange, Glossarium
in, p. 247; J. Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer S. 121. Ich sehe in der
festuca nur das lange karolingische Scepter, mit dem Karl auch in der
Modeneser Hs. erscheint, Lothar im Londoner Psalter und Pariser Evangeliar.
Es war dies ein schmuckloser Stab von etwa 1,90 m Länge. Vgl. Monach.
SangaU. I, c. 17, SS. II, p. 738, L 4: virga aurea incomparabilis Karoli,
quam ad statum suum fieri iussit, diebus feriatis vice baculi ferendum. Im
Kap. 19 wiU ein Bischof des Kaisers Stab zum Bischofsstab benutzen — auch
hieraus folgt die ungewöhnliche Länge. Vgl. A. Martin, Le b&ton pastoral
dans ses formes successives, in M61anges d*arch6ologie IV, p. 160, 167. Abb.
bei Roch, Church of our fathers II, p. 24. Der im Osnabrticker Domschatz
bewahrte EUfenbeinstab von 1,60 m Länge, aus 11 Cy lindern bestehend, dürfte,
wenn auch nicht aus Karls Besitz stammend, doch auf die karolingische Zeit
zurückgehen. Vgl. Mithoff, Kunstdenkmäler VI, S. 114. Ein Sccpter Karls
befand sich früher im Besitz des Doms zu Mainz nach Cod. 172* der Seminar-
bibliothek daselbst. Vgl. Fr. Schneider im Korrespondenzbl. d. Gesammt-
vereins der deutschen Geschieht«- und Alterthumsvereine XXIII, S. 6.
Das Scepter Karls im Louvro (Abb. F61ibien, Histoire de Tabbaye royale
de Saint-Denys, pl. IV; Billardon-Sauvigoy, Essais historiqucs sur les
moeurs des Fran^ais IV, p. 3) ist ebenso wenig karoli ngischen Ursprungs
wie das andere Scepter aus St. Denys (Montfaucon, Monuments I, § V,
p. XXXV des Discours pr^liminaire).
*) Bemerkung auf fol. 1 : Iste liber pertinet ad librariam s. Martini
ecclesiae Moguntinensis. M. Sindicus imp. anno 1479. VgL Haenel, Cod.
Theodos. praef. XXVn, not. 157.
sämmtlich aaf Fulda zurückgehen. Jedenfalls existirte in Fulda
eine weitere Handschrift der Leges, vielleicht gleichfalls von
der Hand des Lupus, der in dem carmen eleycum eine weitere
Gotba, Herzogliche Bibliothek, Cod. 81.
Arbeit in Aussicht stellt '. In der Schreibschule zu Fulda ward
>) Baadi a Vesmc I. c p. 4t, t. 3:
Si dens aetemuB Tim.' ?u|ipjradderit annoü,
Nunc maioro, reor, d.gi.ius pse canam.
3
Die Porträtdarstellungen Karls des Grossen. 267
dann auch die Gothaer Handschrift kopirt^ Dabei fügte nun
der Schreiber, dem für sein Folioformat die Bilder der Quart-
liandschrift des Lupus nicht mehr gross genug waren, auf Blatt
2** eine ganzseitige Federzeichnung ein, in braunen Umrissen,
zum Theil später schwarz nachgezogen, nur einzelne Ornamente
mit der Paeder leicht roth angetuscht, den thronenden Karl
mit dem Gesetzbuch darstellend, umgeben von zwei Geistlichen ^
Durch ganz Mitteleuropa verbreitet ist das Motiv des
sitzenden Herrschers en face, mit den charakteristisch gespreizten
Knieen, den nebeneinander gestellten Füssen, der eine Arm
gewöhnlich auf den Schenkel aufgestützt, der andere auf das
Scepter, wie es am edelsten ausgeprägt die Dedikationsbilder
der karolingi sehen Prachthandschriften zeigen. Aus der oben-
stehenden Betrachtung geht hervor, dass diese Porträtbilder
schon vor allen bekannten Prachthandschriften üblich gewesen,
da zum mindesten die Sammlung des Lupus schon Jahrzehnte
vor jenen anzusetzen ist. Aber auch den Illustratoren der
Eechtshandschriften gebührt nicht das Verdienst der Erfindung
dieses Motivs. Es zeigt sich schon auf den ältesten römischen
Konsulardiptychen, schon vollkommen ausgebildet auf dem des
Rufus Probianus vom Jahre 322, um dann auf die christlichen
Diptychen überzugehen, wo es zuerst auf dem des Konsuls
Asturius vom Jahre 449 anzutreffen ist. Und nur wenige Jahre
nach dem erstgenannten Diptychon finden wir das Motiv malerisch
verwandt und in einer Formvollendung abgerundet und dem
vorhandenen Raum angepasst, die bei den besten karolingi sehen
Arbeiten nicht überschritten werden konnte, in dem römischen
Staatskalender vom Jahre 354*. Eine Variirung zeigt das
') Die Handschrift, nach der B. J. Herold (Originum ac Germanicarum
antiquitatnm libri) die Volicsrechte abgedruckt, wird meist ohne Weiteres
als die Fuldaische bezeichnet, obwohl Herold in seiner Vorrede (abgedruckt
bei Goldast, Imperat. et reg. Rom. imp. rccessus III, prol.) nur sagt, dass
er die Handschrift von Ftirstabt Wolfgang von Fulda erhalten. Fr. Ortloff,
Von den Handschriften und Ausgaben des salischen Gesetzes S.5; E. Th. Gaupp,
Recht und Verfassung der alten Sachsen S. 76. Das Heroldsche Manuskript
ist jedoch nicht identisch mit der Vorlage, die der Gothaer Schreiber kopirt,
da die Heroldsche Ausgabe eine andere Textredaktion zeigt.
«) Vgl. Abbildung S. 266.
') J. Strzygowski, Die Kalenderbilder des Chronogra^i« Tim Jahre
354: Jahrb. d. kaiserlich deutschen Instituts I. ErgänzuB|g|j||f«iiifcifct 84.
Nach der Kopie von Peiresc in der Barberiua zu Rom.
268 P. Clemen
Motiv bereits in den Handschriften der Notitia dignitatnm
atriasqae imperii^
Aach die beiden WaflFenträger, die eng an den Thron
gedrängt, den Herrscher umgeben, haben ihr Vorbild bereits
auf den Eonsulardiptychen in den beiden Schreibern oder Unter-
beamten, die hinter dem Stuhl des Konsuls stehen, oft nur mit
den Köpfen über die Lehne hinausragend. Sie finden sich
Konstantins II. gleicht sowohl in den Motiven der Bewegung wie in der
ornamentalen und architektonischen Umrahmung — von Säulen getragener
Giebel, zurückgeschlagene Vorhänge auf beiden Seiten — so vollständig den
karolingischen und ottonischen Dedikationsbildem, dass wir hierin das direkte
Vorbild für jene spätem DarsteUungen suchen dürfen. Die Bewegung der
rechten Hand brauchte nur um ein Weniges verändert zu werden. Ueber
Beziehungen zur Metzer Schule (?) vgl. Janitschek: Die Trierer Ada-Hand-
schrift S. 70, Anm. 4. Das Diptychon des Rufus Probianus bei West wo od,
Joum. arch. inst. XVI, p. 270. Westwood, Cat of the fictile ivories in
the South Kensington Museum p. 13. Als nächste DarsteUung dann der 1847
in Estremadura gefundene Discus des Theodosius im Kabinet d. Akad. zu
Madrid. Pnblicirt von A. Delgado. AnnaL arch^oL XXI, p. 311; Nouveaux
m^langes d*arch6ol. Curios. myst^r. p. 65, pL VII. Schon Johannes Chrysosto-
mus erwähnt als Lieblingsmotiv die Darstellung des sitzenden Kaisers (HomiL
de psalm. 50: Pictorcs faciunt et sedem regalem et imperatorem sedentem).
Die Pariser Synode unter Ludwig d. Fr. beruft sich ausdrücklich hierauf
(Migne, Patrologia XCVIII, p. 1304).
') Die von der kunsthistorischen Forschung bisher noch gar nicht berück-
sichtigte Handschriftengruppe der Notitia dignitatum ist an künstlerischem
Werth den Handschriften des Chronographen von 354 nicht gleichzustellen,
übertrifft diese aber an Wichtigkeit für Kostümgeschichte und Privat-
alterthümer. Der älteste Speierer Codex ist leider verschollen. Wir besitzen
jedoch eine Reihe von Kopien. In Speier selbst befindet sich eine Abschrift
von 1484, Cod. suppl. lat. 671 der Bibl. nat zu Paris (vgl. Göttinger Gelehrte
Anzeigen 1835, S. 53) und Cod. lat. 331 (ol. Salisb. 18»») der Hofbibliothek
zu Wien (vgl. Endlicher, Catal. cod. philolog. bibl. Palat. V'indobon. p. 231)
von 1529 gehen gleichfalls auf ihn zurück. Die für den Bilderschmuck
wichtigsten Kopien sind Cod. lat. 794 und 10291 der Staatsbibliothek zu
München. Der zweite Codex ist keine Kopie des ersten, wie Boecking
(Ueber die notitia dignitatum utriusque imperii S. 11, 26; widerlegt von
H. Foeringer in den Bayrischen Annalen für Litteratur 1835, S. 501)
annimmt, sondern gleichfalls nach dem Speierer Original kopirt. Im Cod. 10291
die Bilderreihe zweimal gegeben, das zweite Mal ausdrücklich als strenge Kopien
wiederholt. Die für unser Motiv in Betracht kommenden Bilder auf Blatt
78, 81, 176 und 177 fehlen in der Ausgabe von Boecking. Vgl. auch Maillot
in von Aretins Beiträgen zur Gesch. u. Litt, n, S. 81. Von den übrigen
Handschriften heranzuziehen Cod. Barberin. 809 (vgl. Boeckinga.a. 0. S. 18;
Blume, Bibl. libr. manuscript. Italiae p. 153) und Cod. lat. 3715 der
Vaticana. Ueber die Hs, zu Parma vgl. Blume 1. c. p. 235, über die Hs.
Die PortrStdarstellimgeii Karls des Grossen. 2dd
l^eispielsweise schon auf dem Diptychon Meleretense *, auf dem
Diptychon Leodiense*, auf dem Diptychon des Areobindus zu
Zürich'. Beide Motive vereint oder das erste allein findet
man schon in der Blüthezeit karolingischer Kunst nicht nur
für die Dedikationsbilder verwendet, sondern für jede vor-
kommende Herrscherdarstellung, so im Cod. lat. 309 der Bib-
liothek zu Cambrai*, auf einer Reihe von Blättern der Bibel
von St. Paul*, im Stuttgarter Psalter (Bibl. fol. 23)«, im
Cod. lat. 16 (ol. 92) der Universitätsbibliothek zu Gent', im
Cod. lat. 1298, 7013, 8301, 8307 der Bibl. nat. zu Paris«, im
Cod. Cotton Claud. B. IV des Britischen Museums*, im Cod. 302
der Vadianischen Bibliothek zu St. Gallen*®, in der Boethius-
handschrift des Stifts Melk", in der Handschrift der Kirche
von St. Marco in Venedig 8. Morelli, Bibl. reg. Venet. mannscr. graec. et
lat. I, p. 389. Cod. lat 332 zu Wien ist nur eine Abschrift von Cod. 331.
Unter den karolingischen Handschriften zeigt das Motiv des Herrschers ohne
Begleiter am besten Cod. Phys. et Hist. Nat. fol. 10 der Landesbibi. zu
Cassel, Apuieins saec. IX in., auf dem vorletzten Blatt in der Darstellung
des Apollo. Der von Säulen getragene Giebel als Einrahmung findet sich
übrigens auch in den illustrirten Terenzhandschriften, vgl. ('od. lat. bibl.
nat. 7899 zu Paris.
*) Gori, Thesaurus vetcrura diptjchomm I, p. 203, tab. V, flg. 2.
•) Gori 1. c. I, p. Ö7, tab. III. Jetzt in Darmstadt. Nachbildung
Karlsruhe, Alterthtlmersammlung C. 862.
*) S. Voegelin, Das zürchorischo Diptychon, in den Mitth. d. anti-
quarischen Gesellschaft zu Zürich XI, Heft 4; Benndorf, Die Antiken
von Zürich, in den Mittheilungen XVII, Heft 7, S. 16. Weitere hier in Betracht
kommende zusammengestellt bei Cahler et Martin, M61anges d*arch<5ologie I,
pl. XXIX. Vgl. noch Lenormant, Tr^^sor numismatiquo, livr. 149, pl. XII;
Digby Wyatt, Notices of sculpturc in Ivory p. 85.
*) A. Durieux, Les miniaturcs des manuscrits de la bIbIioth6que de
Cambrai, pl. n, 1.
*) Westwood, The bible of tbe raonastery of «anct Paul near Borne.
•) Auf fol. 32^ 66», 129% 184% l.'ift''.
^) Auf foL 138% 168», 207», 23 1^
•) Montfaucon, Monuments de la monun'bl*' ffMK^l^i' I, pl l^% no. 2;
Willemin, Mon. fran^ais In^MlItH I, 4.
•) The archaeologirftl Journal T, p. 28, fol. -»''*''
'<•) Fol. 163^
") Bucher, GoHi. d. technischen Künste 1, H 207; ^ v. Haitkm,
Jahrbuch d. Centralc<,mmlM.lon II. Kunstdenkmal« d, Mltt«UlUr« Uu Kr/.
herzo|;thum Niedoröster reich 8. 18ö.
270
P. Giemen
ZU Polirone beiMantua^, im Cod. Bibl. fol. 57*, Hist. fol. 41^-
der königlichen Bibliothek zu Stuttgart, im Cod. lat. 1571^-
15903^ 3900«, 2640^ 13002», 17403» der Staatsbiblioth^.
zu München, im Cod. Epternacensis zu Gotha*®, im Cod. B. i
der Universitätsbibliothek zu BaseP\ im Cod. 58 der MinisterbJ-
bibliothek zu Schaflfhausen *^ im Cod. lat. 3897** und 100^6=*
der königlichen Bibliothek zu Brüssel. Daneben in der Mos»^
von St. Gereon zu Köln *^, in St. Maria Maggiore zu Vercelli*.
in St. Bertin zu St. Omer", in St. Michele zu Pavia*®, auf d«-
Tapisserie zu Bayeux **, auf dem Klosterneuburger Antependium*
auf einem Fenster im Dom zu Halberstadt**, auf einem Wand-
gemälde in Ditchingham Church, Norfolk ^*, auf dem Reliquiar dfö
*) Carlo d^Arco, DeUa arte e degli artefici di Mantova.
«) Pol. 15*» und 41^
») Fol. 56V
*) Cimel. 179, fol. 40» = Cimel. 58, fol. 23».
») Cod. cum pict. 52, fol. 7% 55», 80V
•) Cod. c. p. 61, fol. 2^ 5^ 6% 6V
0 Cod. c. p. 75, fol. 6».
») Fol. 8»>.
•) Cod. c. p. 7*, fol. 6*. Eine gleiche Darstellung aus einer (nicht mehr
vorhandenen) Hs. der Abtei St. Peter zu Salzburg im Chronicon Gotwicense
I, p. 52.
»0) Fol. 18V
") Fol. 18V
>«) Fol. 28*».
**) Fol. OS*". Catalogue des man. de la bibL de Bourgogne II, pl. zu
p. 85; Annuaire de la bibL royale de Belgique V, p. 99, XII, p. 41.
") Fol. 137* und 144V
")E. aus'mWeerth, Der Mosaikfussboden in St. Gereon zu Köln,
Taf. I, n.
^^) Delle antichita della chiesa maggiore di Santa Maria di VercellL
E. aus'm Weerth a. a. 0. S. 6; Annales arch^ologiques XX, p. 57, 228.
") Wallet, Description d*une crypte et d*un pav6 mosaique de Pancieune
^glise de St. Omer.
»•) E. aus»m Weerth a. a. 0. Taf. IV.
") J. Comte, La tapisserie de Bayeux I, pl. 10, 27, 30, 31, 86.
*^) Heider, Mittheilungen des Wiener Alterthumsvereins IV, Taf. VT,
Nr. XII.
»*) Th. H. King, Study-Book of mediaeval architecture and art 11, p. 1.
•*) The archaeological Journal V, p. 71.
Die Porträtdarstellaugen Karls des Grossen. 271
\,\^'x. Oswald in Hildesheim^ auf dem Schlussstein des Baseler
■ "^ ^ Münsterchors *.
^r N.V
f. j ;<: ™ 1) xh. H. King L c. ü, p. 8.
>*i .V' } *) ^^^^ Heinrichs ü. Abguss: Mitteialt. Samml. XV, 6. Das Motiv
iBveitergebildet für die Gestalt des Weltenkönigs am Portal der Kathedrale
zu Chartres, an der Kirche zn Til-Chätel, zu ChätiUon-sur-Indre, zu Shobdon
(Herefordshire), zu Reichenbach (Bayern), am Altar zu Avenas, im Mittelfeld.
e z: der Pala d'oro zu Venedig. Weitere Beispiele bei deCaumont, Hist. de
P;j7- ' Parch. röligieuse au moyen ftge p. 183, 188, 193. Vgl. die Elfenbeinarbeiten
, , Kr. 31 und 356 zu Sigmaringen, Nr. 44 zu Darmstadt.
! i
Die römische Wasserleitung von Burtscheid nach
Aachen.
Von R. Pick und G. A. Siedamgrotzky.
I.
Die von Burtscheid nach Aachen führende römische Wasser-
leitung trat im Laufe dieses Jahrhunderts mehrfach zu Tage,
zuerst im Sommer 1835, wie man aus C. P. Bocks Abhandlung
über „die Parkanlagen beim Pallaste Karls d. Gr/ ersieht ^ Im
folgenden Jahre (1836) wurde diese Leitung, was bisher un-
bekannt geblieben, wiederum aufgedeckt, wenigstens schreibt
am 26. Mai dieses Jahres der Stadtbibliothekar Christ. Quix
an den Oberbürgermeister der Stadt Aachen, Herrn Emundts • :
„Vor einem Paar Tagen wurde ich benachrichtigt von einer
vor der Stadt (aufgefundenen) unterirdischen alten Mauer. Ich
begab mich dahin und fand, dass diese eine römische Wasser-
leitung und die Mauer ist, die mir in Urkunden mehr als einmal
vorgekommen, an deren Entdeckung ich aber zweifelte. Es wäre
wohl interessant, ein Paar von den kandelähnlichen Ziegeln der
Wasserleitung sich zu verschaffen und sie mit den Fragmenten
der in der Eselsgasse vor einigen Jahren zu Tage geförderten
römischen Sachen zu vereinigen. Wir haben so weniges für das
Dasein der Römer hier aufzuweisen." Leider erfilhrt man aus
diesen Zeilen ebenso wenig die genaue Fundstelle, wie für das
voraufgehende Jahr aus der Angabe des Prof. Bock. Nach
anderweitigen Mittheilungen scheint in beiden Fällen das jetzt
meist mit Bauten bedeckte Gasthausfeld die Fundstätte gewesen
zu sein. Unter dem Quixschen Schreiben vermerkt der Ober-
bürgermeister Emundts, dass „ein Stück aus den Wasserleitungen
*) J. J. Kreutzer, Beschreibung und Geschichte der ehemal. Stifts-,
jetzigen Pfarrkirche zum h. Adalbert in Aachen S. 77.
') Akten der städtischen Registratur 7/1 S. 24.
Die römisdie Wasserlei tong von Bartscheid nach Aaclh^a. :^T.^
bei den im Rathhaose autbewahrten Antiquitäten asü^ervirf wotxUmi
sei**; es war nach einer beigefügten Notiz des SudtArvhiN-^^r^
J. F. Krämer ^ wie man vermuthen darf, ein Rinnenstoin ma
liegionsstempel, der sich jetzt wohl bei den Resten dos Kcsmor-
bads in dem Badehaus zur Königin von Ungarn boflndo« x^ini.
Von einer weitem Auffindung der Wasserleitung im VVU\<*
jenseits des sog. Verbindungswegs (jetzt Willielmstrasso> in dor
Richtung nach Frankenberg hin berichtet Quix Kum Jahro 1x^:^8
in seiner „Greschichte der Stadt Aachen *" *. Ob freilich hior nicht
die Jahreszahl 1838 statt 1836 verdruckt ist, mler ob in btndon
Jahren der Kanal zum Vorschein kam, dürfte schwer ru sä^vu soiu.
Grössere Stücke der Wasserleitung wunlon im FriUyj^hr
1861 im Hof der damals neu angelegten Burtschoidor iirtsfjvbrik
in der Warmweiherstrasse und 15 Jahre si>üter, im Son\n\or
1876, auf demselben Terrain und im Burtsdioidor Kuvu^^rton
aufgefunden. Kanonikus Kessel hat im letÄtgonanntou Juluv
diese Funde unter Zusammenstellung der bis dahin ttbor diM^
Kanal bekannten Nachrichten ausftthrlicli boschriobon "* und t\lHM^
zeugend, wie mir scheint, dargethan, dass die Loituu^ uUUt
warmes Wasser, wie man mehrfach vermuthot. hntto, sondoru
kaltes aus dem obem Theil von Burtsdieid, wuhiwhoinlirh «us
dem sog. kalten Bach, dem Römorbad in Anohou Ä\U'ttluio.
Nach den von Herrn Kessel beigebrachten /on^ninHOU i\\\\i\\'^
es ausser Zweifel stehen, dass der Kanal, von dor noob^ton
siegreichen Legion in den Jahren 70 120 n. V\\\\ ovlvaul, j*i\h
von Burtscheid her an den westlichen AbhAn^on dos Wurmt hals
in vielfachen Krümmungen hinzog und nngolrthr in dor Mitto
zwischen Viadukt und Adalbertsthor in dorUogond ilor IumuIk^u
Lothringerstrasse nach dem vonnaligon Windmühl(>nthurn\ (Sohlld-
*) Wörtlich: „P. M. Man hatte den Wunsch KoüUMsort, dun »rt^l^uulo««»
Exemplar za reinigen, dies wäre aber gefährlich, weil dai« MatoriH) hiori\n
viel weicher ist als das in der EsolsgasHo gefundene, Uberdien die rUminche
Inschrift an jenem durch Reinigen nicht lesbarer worden kann aU sie int.
Vielmehr wäre rathsam, ein Qlasstreifchen darüber zu schieben, damit durch
Reiben mit den Fingern nichts verwischt worden könne.*
») I, S. 3.
») Bonner Jahrbücher LX, S. 12—28. Vgl. auch Rhoen in dor Aachener
Zeitung 1889, Nr. 167. Ueber die an letzterer Stelle erwähnte Auffindung
des Kanab im Jahre 1855 ist meines Wissens bisher nichts bekannt geworden.
Einen kurzen Bericht über den Fund auf dem Grundstück der Burtschoider
Gasfabrik im Jahre 1861 veröflfentlichte der Regicrungs- und Baurath Kraf f t
in den Bonner Jahrbüchern XXXIII. XXXTV, S. 275 flf.
274 R. Pick und G. A. Siedamgrotzky
thurm) in der Eichtung auf das ehemalige Neuthor * (Hochstrasse)
hinlief, um von hier aus für das Kanal wasser das zur Erreichung
des bei der heutigen Kaiserquelle gelegenen römischen Bads
erforderliche GeßlUe zu gewinnen. Von der sechsten Legrion
wurde nach aufgefundenen Ziegelstempeln auch zwischen 71
und 91 n. Chr., wie Lersch annimmt^, dieses Bad erbaut.
Seitdem kam die Wasserleitung noch in der Wilhelmstrasse
in der Gegend des Hauses Nr. 69, sowie bei einer Kanalanlage
im Sommer 1885 vor dem Haus Nr. 11 in der Lothringer-
strasse 0,850 m unter der Pflasterkrone zum Vorschein und
wurde hier von Ignaz Beissel mit gewohnter Sorgfalt unter-
sucht. „Das unten 0,165, oben 0,190 m im Lichten messende,
von einem Hohlziegel gebildete Gerinne lag auf einer Schicht
Letten mit zerkleinerten Ziegelstücken, zu beiden Seiten ein-
gefasst von einer Schicht Kalkmörtel, ebenfalls mit geklopften
Ziegelstücken, woran sich eine weitere Schicht Kalkmörtel mit Ki^
und verschiedenartigen Gesteinbrocken (Kalkstein, Grauwacke)
im Ganzen, das Gerinne und die es zunächst umfassende Kalk-
mörtelschicht eingerechnet, bis zu einem Durchmesser von 1,25 m
anschloss. Die Decke des Gerinnes fehlte, während das Innere
desselben mit Schlamm und Gesteinbrocken, meist zerschlagenen
Ziegeln, ausgefüllt war. Die Seitenwände waren mit Sinter-
krusten von 3 — 5 mm bedeckt, die jedoch nicht sehr fest waren
und sich den losen dendritischen Sinterkrusten der Thermalwasser
im Kanal des Rosenbads zu Burtscheid näherten. Auch in dem
beim Aussieben ausgeschlemmten Material fanden sich Sinter-
stückchen, bis 5 und 6 mm dick, lose von Struktur, dendritisch
aus aneinanderstossenden Krystallen zusammengefügt, mit kaum
angedeuteter Schichtung parallel der Ansatzfläche *.**
Endlich wurde im Dezember 1888 auf der frühern Fund-
stätte, dem Hof der Burtscheider Gasfabrik, wiederum ein Stück
der Wasserleitung aufgegraben, das genau in der Verlängerung
*) Ob mit der Wasserleitung vielleicht die Menge römischer Ziegelreste
zusammenhängt, welche nach Qu ix (Geschichte der Stadt Aachen I, 8. 4)
vor 1840 „bei der Anlage der Gärten hinter den in der Neustrasse vor der Stadt
links gelegenen Häusern ausgegraben wurde"? Vgl. Lersch, Geschichte
des Bades Aachen S. 8.
') Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins VII, S. 172.
') Brief J. Beissels an Herrn Dr. Wings zu Aachen vom 3. September 1885,
mit F&rbenzeichnung. Vgl. auch Lersch in der Zeitschrift des Aachener
•eins VII, S. 160 und Echo der Gegenwart 1885, Nr. 202, Bl. L
Die römische Wasserleitung von Burtscheid nach Aachen. 275
des 1876 blossgelegten lag. Ueber diesen letztern Fund gibt
genauen Aufschluss der unten folgende, an die Stadtverwaltung
zu Aachen gerichtete Bericht des Direktors des städtischen
Wasserwerks, Herrn G. A. Siedamgrotzky, den nebst den zu-
gehörigen Zeichnungen Herr Oberbürgermeister Pelzer mit an-
erkennenswerther Bereitwilligkeit der Redaktion dieser Zeit-
schrift zur Verfügung stellte. Ihm sei dafür auch an dieser
Stelle nochmals verbindlichster Dank gesagt. Auf die Anregung
des Unterzeichneten liess die städtische Verwaltung ein 1,80 m
langes Stück der Wasserleitung auf dem Terrain der Burtscheider
Gasfabrik ausheben und imHof desSuermondt-Museums aufstellen.
Zwar gelang es bei der gewaltigen Last nicht, die Rinnensteine
bei der üeberführung unversehrt zu erhalten, immerhin bietet
aber doch das so vor dem Untergang geschützte Stück ein
anschauliches und interessantes Bild des römischen Kanalbaus
in unserer Gegend.
Auch nochmals später, im Sommer 1889, wurde die Wasser-
leitung auf dem Terrain des sog. Gasthausfelds in der Nähe
des Hauses Nr. 50 der Lothringerstrasse, südöstlich von der
Stelle, wo der Kanal im Jahre 1885 blossgelegt worden war
(s. oben), bei Erdarbeiten zu einem Neubau aufgedeckt. Der
Fund brachte indessen nichts Neues, nur zeigte er, dass die
Leitung hier in einer Krümmung oder wenigstens in schräger
Linie in die heutige Lothringerstrasse einbogt
Das 1861 in der Warmweiherstrasse aufgefundene Stück
Wasserleitung ist in den Rappardschen Plan von Aachen auf-
genommen worden. Es bleibt eine dankenswerthe Aufgabe des
Geschichtsvereins, demnächst einen Plan der Städte Aachen
und Burtscheid, oder, was sich noch mehr empfehlen würde, eine
Karte des ehemaligen Aachener Reichs herauszugeben, in welche
alle bisher gemachten Alterthumsfunde aus römischer wie vor-
römischer Zeit mit möglichster Genauigkeit eingetragen wären.
Pick.
n.
■ (Mit Tafel.)
Beim Abbruch der Gasanstalt in der Warmweiherstrasse
zu Burtscheid im Herbst 1888 ist ein zusammenhängendes Stück
Römerkanal von 13,70 m Länge blossgelegt worden. Seine Lage
^) Gef. Mittheilung des Herrn Dr. Wings zu Aachen.
18*
276 E. Pick und G. A. Siedamgrotzky
ist in beiliegendem Plan bezeichnet. Es besteht aus 22 üförmig-en
Rinnenstücken von 0,55 bis 0,65 m Länge mit übergreifenden
Falzen, deren Abdichtung zwischen den Fugen durch blauen
Thon bewirkt ist. In dem 5., 17. und 21. Rinnenstück wurden
in der Sohle deutlich die römischen Legionsstempel aufgedrückt
gefunden, enthaltend die Buchstaben LEGVIVICPF, wovon
ein Faksimile nach dem Abdruck im beiliegenden Plan in halber
natürlicher Grösse dargestellt ist. Der Stempel hatte demnach
eine Länge von 110 und eine Breite von 26 mm. Sämmtliche
Rinnenstücke waren wohl erhalten, nur einzelne enthielten kleine
Längsrisse.
Das angestellte Nivellement ergab ein Gefälle von 0,035 m
oder 2,5 mm pro Meter auf die angegebene Länge, und zwar von
Burtscheid nach Aachen hin, indem der Anfang des Kanals auf
167,315, das Ende auf 167,280 m über dem Amsterdamer Pegel
liegend gefunden wurde. Der Kanal führte somit das Wasser
ab von Burtscheid nach Aachen. Dies wird noch dadurch be-
stätigt, dass nach der gleichzeitig vorgenommenen Ermittlung
die Sohle des im Burtscheider Kurgarten — 1,6 m von der
Futtermauer der Parkstrasse entfernt liegenden — früher auf-
gefundenen Römerkanals auf 168,035 m über dem Amsterdamer
Pegel, also 720 mm höher liegend befunden wurde. Die Ent-
fernung zwischen dem dortigen Endpunkt des Römerkanals bis
zum obeni Anfangspunkt des Stücks in dem Terrain der Gas-
anstalt beträgt, dem Gehänge folgend, 280 m, der Kanal würde
daher in diesem fehlenden Zwischenstück ein Gefälle von 2,57 mm
pro Meter^ also beinahe übereinstimmend mit dem aufgefundenen
Theil in der Gasanstalt gehabt haben. Zum Vergleich für eine
etwaige weitere Auffindung einer Fortsetzung des Kanals auf-
wärts dienen noch folgende Höhenermittlungen:
Rosenbad, Thoreinfahrt 167,700 m
Dammstrasse, Einmündung der Hauptstrasse . . 169,445 „
Trinkquelle vor dem Schwertbad- Auslauf . . . . 169,385 „
Sohle des kalten Bachs, Mitte der Altdorfstrasse . 175,025 „
Die Rinnen waren völlig glatt und hatten nur an einzelnen
Punkten sehr geringfügige Ansätze von etwas Kalksinter, so dass
wahrscheinlich nur ein ganz weiches Wasser, also kein Thermal-
wasser durch sie geflossen ist.
Im Auftrag der Stadt Aachen ist ein 1,80 m langes (auf
dem beiliegenden Plan mit schrägen Strichen bezeichnetes) Stück
Die römische Waaserleilang von Burtschoid nach Aachen. 277
des Kanals, enthaltend die Rinnenstäclce 16, 17 und 18, auf
der mittlem Platte der Legionsstempel, ausgehauen und in
den Hof des Suermondt-Museums zu Aachen transportirt worden. '
Durch diese Arbeit ist die Art der Herstellung des Kanals, wie
ilin die BCmer ausgeführt haben, klargestellt. Die Verhältnisse
sind durch das in der Zeichnung befindliche Querprofil erläutert.
Das ganze Terrain ist 0,94 bis 1,00 m hoch durch jüngere
Aufschüttung überdeckt, in welcher Tiefe der frühere Humus
deutlich zu erkennen ist. Unter ihm befinden sich lehmig-thonige
Massen, ein Zersetzungsprodukt der Köpfe des Verueuil-Schiefers.
In diesen Massen wurde von den Eömern ein 2,25 m breiter
und 0,86 m tiefer Graben ausgeworfen und in diesem zwei
0,48 m entfernt parallel laufende Mauern von 0,65 m Höhe und
0,50 m Dicke aus Bruchsteinen, meistens Kalk, angelegt. Zwischen
die Mauern wurde 16 cm hoch Thon eingestampft und hierin
das ans Thon gebackene Rinnenstück eingedrückt. Dieses 220 nun
hohe Rinnenstück hat eine lichte Weite von 210 nun, 55 mm
Wandstärke, füllte demnach den 480 mm breiten Raum zwischen
den beiden Mauern nicht aus; es wurde deshalb der 80 mm
breite Zwischenraum mit Beton ausgefüllt, der 70 mm über den
obem Rand des Rinnenstücks hinausgeht, aber 135 mm unter
der Oberkante des Seiten mauerwerks zurückbleibt. Deckplatten
wurden über dem Kanal nicht gefunden, es ist jedoch anzunehmen,
dass solche vorhanden gewesen, da, abgesehen von andern Gründen,
sonst die obem Ränder des Mauerwerks, des Betons und des
Rinnenstticks Beschädigungen und namentlich Frosteinwirknngen
gezeigt haben würden, die nicht zu bemerken waren. Es muss
also wohl angenommen werden, dass zwischen den Seitenmauem
anf dem Beton auflagernd Platten eingelegt wurden, die demnach
nur eine Erdüberdeckung von 360 mm hatten.
Der ausserhalb der Mauern verbleibende Theil des Grabens
ist w
mit I
ähnli
wurd
Kleinere Mittheilungen,
1. Römische Münzen aus der Umgebung von Aachen.
Römische Münzen werden in Aachen und seiner nächsten Umgegend
verhältnissmäßig selten gefunden. Das mag es rechtfertigen, wenn ich nach-
stehend mehrere solche Münzen verzeichne, welche an verschiedenen Orten
in der Umgehung Aachens, zwei im Frühjahr 1889, die andern schon vor
längerer Zeit, zum Vorschein kamen. Sie hefinden sich sämmtlich in der
Alterthümer-Sammlung des Herrn Gutsbesitzers G. Cornely zu Elchenrath
(Bürgermeisterei Würselen), der sie mir zum Zwecke der Bekanntmachung
freundlichst zur Verfügung stellte.
1. Hadrian (117—138).
Gold. Gew. 10 gr. Vorderseite: Kopf rechtshin, Umschrift: HADRIANVS
AVG COS m PP. Rückseite: Stehende weibliche Figur linkshin, in der
rechten Hand eine Marke (tessera), im linken Arm ein Füllhorn haltend,
Umschrift: LIBERALITAS AVG Vn. Die Münze ist über dem Kopf
des Kaisers durchlöchert und wurde so nach der Versicherung des
Herrn Cornely aufgefunden. F. Stollwerck (Die celtubisch-römische
Niederlassung Gelduba S. 121, Nr. 125) verzeichnet auch aus Gellep
eine Silbermünze Hadrians, welche in gleicher Weise durchbohrt ist, so
dass es scheint, als habe man bereits im Alterthum wie heute Münzen
zur Zierrath oder sonstwie getragen. Die Goldmünze kam im Frühjahr
1859 beim Ziegeln in einer Wiese des Wirths Klinkenberg zu Haaren,
5 Minuten südlich von diesem Dorfe, in der Nähe der sog. Welsche-
Mühle, in der Tiefe von 1 m zu Tage. An derselben Stelle fand man
damals eine Menge Rund- und Plattenziegel, letztere „von der Breite
einer Handlänge und mit einer */4Zölligen Erhöhung an beiden Rändern*,
alle ohne Stempel. Vgl. Echo der Gegenwart vom 26. Juni 1859.
2. Galba (68—69).
Silber. Vorderseite: Kopf mit Lorbeer rechtshin, Umschrift: SER
GALBA IMP CAESAR AVG PM TR P. Rückseite: Stehende weib-
liche Figur, in der rechten Hand einen Zweig, im linken Arm ein FüD-
hom haltend, Umschrift: CONCORDLi PROVINCIARVM. Gefunden vor
etwa 30 Jahren in der Nähe des zwischen Würselen und Neuhaus auf
Scherberg zu gehenden Wegs an der sog. Judenstatt.
Kleinere 3Iittheilangeii. 279
3. Kaligula (37—41).
Grosserz. Durchmesser 34 mm. Vorderseite: Kopf linkshin, Umschrift:
C CAESAR DIVI AVG PRON AVG PM TR P III PP. Rückseite: An-
sprache des Kaisers an die Leibgarde; oben ADLOCVT, unten COH,
seitlich S C. Gefunden im Frühjahr 1889 im Felde zwischen Dobach
und St. Jobs, etwa 300 Schritt von dem sog. grünen Weg, der onfern
der Fundstelle in der Tiefe vorbeiführt. Grosserz von Kaligula ist selten,
der Revers gehört zu den bessern.
4. Faustina die Aeltere (?) (f 141).
Mittelerz. Sehr beschädigt. Vorderseite: Kopf rechtshin, Umschrift nicht
mehr erkennbar. Rückseite: Stehende weibliche Figur linkshin, seitlich
S C, das Uebrige zerstört. Gefunden im Frühjahr 1889 beim Pflügen in
der Flur am Hermannspfad, etwa 3 Minuten von Elchenrath. Von der
Fundstelle 20—25 Schritt entfernt befinden sieh, ebenfalls am Hermanns-
pfad, in der Erde die Reste einer römischen Ziegelei. Zahlreiche Ziegel-
stücke, darunter eines mit dem Abdruck einer Pfote, und vereinzelte
Topfscherben kamen früher hier zum Vorschein, manche werden auch
noch jetzt daselbst gefunden.
5. Konstantin der Grosse (306—337).
Kleinerz. Vorderseite: Kopf mit Diadem rechtshin, Umschrift:
CONSTANTINVS AVG. Rückseite: Prätorianisches Lager mit 4 Thürm-
chen, darüber ein Stern. Umschrift: VIRTVS AVGG, unten etwas un-
deutlich die Buchstaben: SAwRL (?). Gefunden vor etwa 25 Jahren in
der Flur auf der Bissen unweit des Bahnhofs zu Wtlrselen.
6. Valentinian L (364—375).
Kleinerz. Vorderseite: Kopf mit Diadem und Mantel rechtshin, Um-
schrift: DN VALENTINIANVS PF AVG. Rückseite: Kaiser in Panzer
und Mantel rechtshin, im rechten Arm das Labarum, auf der linken
Hand eine Victoria haltend, Umschrift: RESTITVTOR REIP. Die nur
zum Theil vorhandenen Buchstaben unten sind unleserlich. Gefunden vor
ungefähr 30 Jahren im Klingelbeutel in der Pfarrkirche zu Würselen.
Erwähnt seien noch drei weitere römische Münzen, welche nebst mehrern
andern Alterthümem (Schalen, darunter eine mit dem Töpferstempel GIA-
MATVS F, Glasgefäss, Thonkrug u. s. w.) im Sommer 1862 bei dem Hof
Mittel-Frohnrath unweit Horbach beim Kiesgraben in einer Wiese zum
Vorschein kamen. Sie gehörten den Kaisem Hadrian und Mark Aurel (161—180)
an. P. St. Käntzeler hat den Fund im Echo der Gegenwart vom 3. Juli
1862 und später etwas abweichend in den Bonner Jahrbüchern XXXIII.
XXXIV, S. 277—279 beschrieben, worauf hier verwiesen sein mag.
Aachen, E, Pick,
280 Kleinere Mittheilaiigen.
2. Römischer Fund zu Lucherberg.
Im Mai 1889 wurde zwischen dem Dorf Lucherberg (Kreis Düren) und
der nahebei gelegenen Wagemühle, westlich von dem an beiden vorbei nach
Langerwehe führenden Wege auf einer zum Lncherberger Hof gehöri^n
Ackerparzelle beim Pflügen eine beschädigte römische Ziegelplatte gefunden.
Sie misst in der Länge 44 cm, in der Breite einschliesslich der Randleisten
oben 86, unten 82 cm und zeigt auf der obern Seite eine Figur ähnlich der
Zahl 6. Viele Reste römischer Ziegel kamen ebenfalls auf den mehr nach
der Wagemühle hin gelegenen Grundstücken des Ackerwirths Bodden zu
Tage. Diese Nachrichten verdanke ich der Güte des Ortsvorstehers Herrn
J. J. Butt gen zu Lucherberg, der mir auch die Ziegelplatte zubrachte.
Bei Lucherberg wurden schon vor vielen Jahren mannigfache Alterthümer
aufgefunden. Bonn, Rumpel und Fischbach berichten darüber in dem
ersten 1835 erschienenen Hefte ihrer „Sammlung von Materialien zur Geschichte
Dürens und seiner nächsten Umgegend** S. 8 : „Zu Lucherberg fanden Arbeiter
bei Grabung einer Braunkohlengrube mehrere steinerne Särge, auf deren
einem eine menschliche Figur ganz rauh erhoben gearbeitet war. In den
Särgen selbst lagen nur Knochen; femer fanden dieselben Urnen verschiedener
Grösse, bald künstlich, bald rauh geformt, mit einigen Münzen. Schade, dass
diese Alterthümer zerschlagen und verschleudert sind.** (Vgl. auch Kalten-
bach, Der Regierungsbezirk Aachen S. 227.) Alle diese Fundgegenstände,
namentlich aber die zahlreichen Ziegelreste machen die Annahme nicht un-
wahrscheinlich, dass zu römischer Zeit bei Lucherberg eine Ansiedlung
(Villa) bestand, deren Entstehung mit der römischen Verbindungsstrasse in
Zusanmienhang zu bringen sein dürfte, die von Pier über Lucherberg nach
Langerwehe führte. Eine genauere Untersuchung wäre erwünscht
Aachen. B. Piek,
3. Der Aachener Strassenname Krakau.
Krakau, der bekannte Aachener Strassenname, ist abzutheilen in Krä
und Kau, Kou, d. h. Krähenkobel, Krähenheerd, Krähensammelplatz. In
Aachen spricht man KrU. Kau ist eine ganz gewöhnliche Benennung für
Hühnerkäfig in Honderkau daselbst. Jede andere Ableitung taugt nicht. Was
soll Krak und das vorherrschend oberländische Au, Aue seini Ein ^Gau*
vollends hereinzubringen ist unmöglich. Kau ist oberdeutsch unbekannt, da
gibt es Kobel dafür. Den fränkischen, friesischen Charakter, besonders letztem,
bezeugt Dornkaat in seinem Ostfriesischen Wörterbuch. Kau, Kaue und
(selten) Kave, Kawe, Kaven, Kawen, bezw. Kafe, Kafen = eingefriedigter,
abgeschlossener Raum, und zwar sowohl im Freien als im Hause; daher
Pferch, Hürde, Koben, Stall, Geföngniss. Mittelniederd. Koven, Kaven = Ver-
schlag, Hülle, Häuschen, namentlich für Kleinvieh. MittelniederL Kauwe,
KoiTwe = cavea. Wir haben die Aachener OertUchkeit, von der die Strasse den
Namen bekommen hat, wahrscheinlich urkundlich nirgends verzeichnet: es
Kleinere Mitiheilniigeii. 281
i¥ar ja nur Flurname. Wenn er aber einmal in einer Markenbeschreibung
künftig betroffen würde, kann er nur Krakauwe, Bjrackouwe, Krackowe lauten.
Zwischen Aachen und dem Rhein dürften sicherlich noch viele Beispiele zu
treffen sein. Hochdeutsch würden wir einen Platz mit Bäumen, worauf
massenhaft viele Krähennester sich fanden und am Niederrhein heute noch
sich finden, Krähenhorst heissen. Vgl. die Beiherhorste. Nun aber könnte
man einwenden : die mit „Krähe" zusanmiengesetzten Namen haben alle „n" :
Creienfeld, Krefeld; Craiunwinkila, Krähwinkel bei Werden. Allein neben
diesen sog. schwachen Formen gehen schon sehr frühe die starken her:
Creyvelt; in Aachen selbst der Hof Krahbom beim Königsthor, 1423 up gen
Kraborn ^ Die Familiennamen Krähus, Krähorst will ich auch dazu stellen.
Ich sagte schon, wir hätten keine urkundliche Form für das Aachensche
Krakau, wir müssen uns Krakau, den alten Krefelder Burgnamen, zur Er-
klärung leihen. In einer Urkunde von 1372 ist der Name vorausgesetzt und
heisst es schlechthin „sloss**. In einem Scböffenweisthum von 1406 heisst es:
dat dat nuwe huyss zo Kraikouwen gelacht wer ind lege up badem des
lantz van Kempen. Hier wird Krakau zuerst genannt. Dieselbe Form bietet
ein Dokument von 1417. Im Jahre 1437 kommt ein Derick von Moers gen.
Krakaw, Bastard, als Drost zu Moers vor; 1473 heisst es in einer auf den
Burgundischen Krieg bezüglichen Schadenrechnung: zo Crackouwen op ter
borch, und daneben im gleichen Dokument Crackauen, Craickowe, Craykau;
1480 lautet die Form Kraickauwe, später Crackowe. Vom 16. Jahrhundert
an ist die stehende Form Crackau, Krackaw.
Ich habe mit dem Historiker der Stadt Krefeld, mit Dr. Keussen, dem
Vater, der mir obige Stellen mittheilte, schon mehrmals in der gegenwärtigen
etymologischen Frage mich auseinanderzusetzen Gelegenheit gehabt und
glaubte ihn vollkommen überzeugt zu haben. — Da plötzlich taucht in
seinem schönen Vortrag über Krefeld vom letzten Winter * wieder seine alte
Lieblingsannahme auf, es beziehe sich „Krakau** auf Polen. Ein polnischer
Edelmann, des Grafen Dietrich von Moers Begleiter in den Kämpfen um
Preussen 1370, sei an den Rhein gekommen und habe das Schloss gebaut
gerade zu der Zeit, da Krefeld zur Stadt erhoben ward. Das ist eine ge-
machte Sage.
Es wäre zu wünschen, dass die Leser dieser Zeitschrift in ihrer
Heimath nach dem Flurnamen Krakau sich umsähen und hier MittheUung
machten. Ein Hof Krakau liegt auch im Kreise Eupen, offiziell bei Axer
„Krakauw** geschrieben. Bitter hat fünf Dörfer dieses Namens. Die zahl-
reichen mit „Krähe" gebildeten Flurnamen im Rheinland beweisen für unsere
Deutung die Richtigkeit*.
Bonn, A, Birlinger,
<) YgL Haagen, Oeschiohte Aoheni n, S. 61.
*) Abgedruckt in der Krefelder
•) Eine andere Ableitung d^ MMriHlhAV Wort Kral, Krähe u. s. w. ent-
haltenden Ortsnamen in der Sohwili'j^^HI^HfeBdttetter im Oe8ohioht«£reuncl
282 Kleinere Mittheilungen.
4. Drei Urkunden zur Geschichte der Stadt Eschweiler.
Ungeachtet der fleissigen Forschungen, welche in den letzten Jahren,
namentlich von H. H. Koch, über die Geschichte der Stadt Eschweiler ver-
öffentlicht worden sind, bleibt noch manche Lücke in Bezug auf die Vergangen-
heit dieses Orts auszufüllen. Von diesem Gesichtspunkt aus dürfte die
Mittheilung der nachfolgenden drei Urkunden nicht unwillkommen sein. Ich
schrieb sie vor mehrem Jahrzehnten im Königlichen Staatsarchiv zu Düsseldorf
ab, Herr Geheimrath Dr. Harless daselbst hatte die Güte, die Abschriften
neuerdings mit den Vorlagen nochmals vergleichen zu lassen. Die drei
Urkunden haben für die Geschichte Eschweilers ein besonderes Interesse.
Aus der ersten von ihnen ersieht man, dass die Familie von Birgel (von
dem gleichnamigen Rittersitz bei Düren) schon lange vor dem Ausstellungsjabr
der Urkunde, 1419, den Jülichschen Besitz im Dingmal und Kirchspiel Esch-
weiler, darunter auch den dortigen Kohlberg, pfandweise innehatte. Letzterer
war 1394 vom Herzog Wilhelm von Geldern und Jülich seiner Mutter,
der Herzogin Maria von Jülich, als Witthum ausgesetzt worden'. Die
zweite Urkunde betrifft die Ablösung einer Rente, welche zu Gunsten des
Simon von Birgel und seiner Gattin Fritza von Turre auf dem Mai- und
Herbstschatz in dem Kirchspiel Eschweiler lastete. Das Datum der Urkunde
(1424) erweist die Angabe Fahnes', wonach „Friderica von Thoren 1420
imp. gestorben** sein soll, als unrichtig. Aus der dritten Urkunde endlich
erfahren wir, dass am Ende des 15. Jahrhunderts das Kirchspiel Eschweiler
sich eine Zeitlang im Pfandbesitz des Landdrosten Wilhelm von Nesselrode,
Sohn zum Stein, befand, der auf dem benachbarten Bovenberg seinen Sitz
hatte. Ihm war durch Heirath der Elisabeth von Birgel, einer Tochter des
Erbmarschalls Engelbrecht Nyt von Birgel, nach des letztem Tode 1480 dieses
Ritterg^it, sowie das Pfandrecht an dem Hof Schönforst zu Aachen und der
Meyerei daselbst zugefallen^. Mit der Verpfändung Eschweilers, welche
schon am 80. April 1478, als Wilhelm von Nesselrode noch im Brautstand
war, erfolgte*, weil die der Elisabeth von Birgel als Mitgift bestimmten
11000 rheinischen Gulden dem Herzog Wilhelm von Jülich-Berg zu Darlehn
gegeben und auf diese Weise, dem geltenden Rechte gemäß, sicher angelegt
worden, war selbstverständlich auch die Strafgerichtsbarkeit daselbst in die
Hände des Landdrosten gekommen. Der Herzog Wilhelm gestattete ihm
XLIY, S. 247 ff.; er bringt sie ziemlich zuversichtlich mit dem dialektischen Krai = Schrei,
Buf (krayen, identisch mit dem mhd. krsejen = krähen, schreien wie eine Krähe,
dialektisch mit der verallgemeinerten Bedentnng von schreien, rufen überhaupt) in
Verbindung und erblickt in den betreffenden Orten nPimkte, von wo aus wichtige
Nachrichten durch Rufe oder Schreien mit Instrumenten der Nachbarschaft mit^theüt
wurden". D. Bed.
*) Lacomblet, Urkundenbuch III, Nr. 1000.
*) Fahne, Geschichte der Kölnischen, JtUichschen und Bergischen Geschlechter
I, S. 35.
*) Strange, Beiträge zur Genealogie der adligen Geschlechter YIU, S. 11 und 77.
*) Strange a, a. 0. Vm, S. 12.
Kleinere Mittheilungen. 288
1 497 durch die vorliegende Urkunde, da es in Eschweiler kein eigenes Gefäng-
niss gebe, während der Dauer der Pfandschaft die Untersuchungs- und Straf-
gefangenen nach dem Haus Bovenberg abführen und dort einsperren zu lassen.
1. Die Gebfüder Frambach, Simon und Balduin von Birgel reversiren
einen mit Johann von Loen, Herrn zu Heinsberg, Löwenberg und Gennep, und
dessen drei Söhnen abgeschlossenen Vertrag, wonach diese sie als Dienstmannen
annehmen und ihnen für den Fall einer Erwerbung des Herzogthums Jülich
oder des Bisthums Lüttich die Aufrechterhaltung aller ihrer Ansprüche und
Rechte in dem Dingmal und Kirchspiel Eschweiler, an dem dortigen Kohlberg,
in dem Amte Nideggeti und Heimbach sowie zu Dahlen geloben, — 1419,
Wir Frambach, Symon ind Baldwin van Birgel, gebroedere, bekennen
mit dysme breive, dat wir overdragen sin mit onsem lieven genedigen heren
ind juncheren hemae geschreven, so wie dys breyf van worde zu worde hemae
geschreven steit. Wir Johan van Loen, here zu Heintzberch, zu Lewenberch
ind zu Genpe, ind wir Johan van Loen, eiste son zu Heintzberch, Wilhelm van
Loen, greve zu Blanckenheim, ind Johan van Loen, proest zu Achen, gebroedere,
elige soene ons lieven heren ind vaders hören Johantz van Loen, heren zu
Heintzberch, zu Lewenberch ind zu Genpe vurschreven, bekennen, dat wir
angesein hau redelicheit, deinst, truwe ind vruntschaf, die ons Frambach
ind Symon ind Baldwin van Birgel, gebroedere, gedaen hant ind dat sy ons
dat euch naemacltz truwelichen doen sullen, so wae sy mit eren mugen,
ind sin darumb mit yn overdragen, dat wir sy zu onsen dyeneren ontfancgen
han ind sullen in nu vortan goede getruwe heirschaf syn ind sy ind ere
Sachen truwelich vurderen, wae wir kunnen, ind sullen sy ouch mit ganzen
truwen verantwerden ind verdengen, so wes sy gaentz hant of krigen mugen,
des sy rechtz ind bescheitz by ons bliven woelden, dae wir dat mit eren
doen mugen, gelijch of geinge ons dat selver an, ind sunderlingen dat sy
an onsen genedigen heren van Lütge, van Brabant ind van Gulche ind van
Gelre synre huysvrauwen onser swegereu ind vrauwen nu is, herworven
hant of herwerven mugen, dae sy ere breive of sigel hant of krigen mugen,
des en sullen wir in gein wys widder sin, dan wir sullen in truwelich darzu
helpen ind raeden dat zu behalden. Ind ouch bekennen wir, of onser einger
vurschreven umer zu den lande van Gulche kommen künde nae ons genedigen
heren dode nu is, of zu deme buschdum van Lütge, dae disse vurschreven
gebroedere ouch truwelich zu helpen ind raeden sullen, dae sy dat mit eren
ind bescheide doen mugen, so bekennen wir, dat wir bevondcn ind in alden
breiven wale gesein han, dat herzogen ind greven zu Gulche onse alderen
selich vurzyden versat ind verpant hatten allet, dat sy in dorne dinkmaele
ind kirspel van Eschwylre haven moghten mit den koelbergen, hoe ind
nydder, deyf ind dreige, so wie man dat nennen moghte, neit usgescheiden,
vur vunfdusent mark Coeltz eintz zu bezalen, ind daeby proeven wir wale,
dat Frambachs vurschreven vurwaren van den onsen vurschreven vyl dae
I
284 Kleinere Mitliieilimgen.
rerkortmoys sin, ind daromb geiven wir tut ons ind tut onse erven Fntmbad!
ind sinen erren dan widder ons zu gelden ind zu beschadden allet, d&t wir
of onser einge in deme yurschreyen dinkmaele ind kirspel van BschTrylre
krigen of haven mngen, neyt nsgescheiden, dat man noemen mach, ind tut
die Turdchreven snmma van vnnfdnsent Coeltzen marken vurscbxeyen eintz
zu bezalen, ind wanne die bezalnnge ons of onser eingene, deme dat ^e-
bürde, geboeden wurde, so sullon wir sy neymen ind as vort latterljrcliea
yerzyen up Eschwylre mit al syme zubehoir, so wie dat vur genoympt steit,
ind erven Frambach of sine erven zu ewigen dagen daran, also as sych dat
mit rechte geboeren sali, dat sy des wale verwart sin. Ind were sache dat
Frambach mit onsme lieven oemen ind genedigen heren van Qulche na js,
overquerae ind yme darumb gelt of goet geive, des me were dan disse vur-
schreven vunfdusent mark, wat des were, also vyl sullen wir Frambach
dan zu der stunt, als dat gescheit were, widdergeiven ind dat gelt sali bie
as vort beieigen of up dat sin zu redelicheit bewysen, also dat wir der
jaerrenten gebruchen mugen als lauge, as onse oeme ind here vnrschreTen j
leyft ind darachter sali sy an Frambach ind synen erven bliven, sunder alle
argelyst of einge inzuge. Ouch sullen wir deme dat gehurt, Frambach vnr-
schreven sin leiven lank an deme ampte van Ny decken laessen, gelych dat
deme marschalk nu ys up sin lyf verschreven is, ind sullen Symon ouch
Henbach in amptz gewijse sin leven verschreven ind laessen mit redelichen
amptgelde, als dat gewoenlich is. Ouch so sullen wir of onser ein, die an
dat lant van Gulche kumpt, Symon ind sin wyf by sulger heirlicheit, renten
ind gülden, as sine vurwaren zu Dalben plagen zu han, laessen, so wie die
scheffen zu Dalben sinen vurwaren dae bekant hant ind des einen scheffen-
breif gegeven hant, it en were dan sache dat wir bewysen künden, dat
Symons vurwaren van der heirlicheit gegulden of mynlich gewyst weren
daeby dat Symon ind sin wyf ys billich untbeiren soelden. Ind alle vur-
schreven punten ind eyder besunder geloeven wir Johan ind Johan ind
Wilhelm ind Johan vurgeschreven, semenklich ind onser eyder besunder, in
goeden truwen ind by onser eren vast, stede ind onverbruchlich zu halden,
sunder alle argelyst. Ind han ons des zu overzugen onser eiklich sin sigel
an disse geinwerdigen breyf doen hangen, die gegeven wart doe man schreyf
dusent veirhundert ind nuyntzein jaer. Ind alle vurschreven punten van ons
gebroederen vurschreven geschreven geloeven wir semenklich ind eyder beaunder
onsen genedigen heren ind juncheren vurschreven by onsen truwen ind eren
vast ind stede zu halden, sunder alle argelyst, ind ons dys zu overzugen
onser eiklich sin segel an dissen geinwerdigen breif doen hancgen, die ge-
geven wart doe man schreyf dusent veirhundert ind nuynzein jaer".
Au3 dem Original im Staatsarchiv zu Düaaddorf, Von den angehängten
vier Siegdn ist eins abgerissen, zwei sind sehr beschädigt, das vierte zeigt einen
Querbalken mit drei (2,1) Löwen und die Umschrift: s. frambach va. birgel.
*) Durch Urkunde vom 15. Juni (up sent Vitus dach) 1425 verpflichtete sieb Johann
von Loen, Herr sa Jülich, Heinsberg und Löwenberg, dem Frambach von Bir^,
Kleinere Mittheilangen. 285
2, Simon van Birgtl und seine Gemahlin Friiza von Turre beurkunden,
Johann von Loen, Herr zu JOlich, Heinsberg und Löwenberg, die Jahr-
T^^nte von 60 rheinischen Gulden, wdehe ihnen aus dem Mai- und Herbstschatz
cf e8 Kirchspiels Eschtoeiler verschrieben sei, jederzeit mit 600 rheinischen Gulden
€eölÖ8en könne, — 1424, März SO,
Wir Symon van Birgell ind Fritze van Turre, sin elige huisfrauwe,
lt>ekennen ind zngen overmitz diessen offenen bricf vur uns ind vur unse
erven, also as die hoegeboeren unse lieve genedige here her Johan van
X«oin, here zo Guilghe, zo Heintzberg ind zo Lewenberch, uns bewyst heft
alle jaere zo meye dryssich Rynsche gülden ind zo herwest dryssich Rynsche
g^den zo voeren uys synen renten ind schetzoncgen, die he heeft ind eme
Tallen in den kirsspel van Eschwilre na uyswysoncgen alsulcher briefe, as
wyr darup sprechende han, so bekennen wir, dat die hoegeboeren unse lieve
genedige here vurschreven, syn erven ind nakoemelincge die vurschreven ses-
zich Kynsche gülden all jair ind all zyt, wannen sij willen, van ons ind
van onsen erven of van helder der vurgeroirten briefe mit unsen willen
Widder loesen moigen mit sesshundert gülden swaere overlentscher Rynscher
gülden ind mit verlouffe der seeszich Rynschen gülden na der zyt dat die
loese geschiede, sonder argelyst. Ind zo eynen reichte gezuge der wairheit
han wir Symon ind Fritza van Turre vurschreven vur uns ind unse erven
ind vur helder der briefe as vurschreven is unse siegel an diessen brief ge-
hancgen. Qegeven in den jaeren uns heren, doe man schreif dusent vierhundert
ind vierindzwentzich, des neisten donresdages na uns vrauwen dage annun-
ciacionis.
Aus dem Original im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Die beiden Siegel
fehlen,
3, Wilhelm von Nesselrode, Sohn zum Stein, bekennt, dass der Herzog
Wilhelm von Jülich-Berg ihm, so lange er das Kirchspiel Eschweiler pfandweise
innehabe, wegen Mangels eines Gefängnisses an diesem Orte gestattet habe, die
Gefangenen auf dem Hause Bovenberg unterzubringen, — 1497, November 22,
Ich Wilhem van Neaselraide, son zom Steyne, lantdroisten des lantz
van den Berge, dein kunt, so as ich dat dorp Eschwylre mit syme zobehore
van deme durchluchtigen hoegebomen fursten ind heren heren Wilhem her-
zougen zo Guyige, zo dem Berge ind greven zo Ravensberg etc., myn gnedigen
ahreliefsten heren, innehain luyde synre furstliger gnaiden verschryvonge
davan meldende, ind so syne fnrstligen gnaden bynnen Eschwilre geyn ge-
fenkniss haven, bekennen ich öffentlich mit desem brieve vur mich ind myne
erven, dat der genante myn gnedige here van genaiden mir vergont halt.
Erbmarscball zu Jülich, und G^hard "900. Hoemen, Burggrafen zu OdenkircheUf fUr
„alsulch gelt, as ay up des Hersoo^ ^"^^If ^^'^ IQme zubehoere hasnaf, au&ukommen
imd speziell den Frambacb von TWm^ ■■" "Rorderung auf seine Beuten und
Gefillle zu Esohweiler anzuweiMo. Itf ^biv zu Düsseldorf.
286 Kleinere Mittheilungen.
dat ich ind myne erven, dewyle wir Eschwylre van synre furstliger gr^^naidoL
synre gnaiden erven ind nakomlingen we vurschreven innehain, de g-eüang-ei.
so zp Eschwylre oeder in synre gnaiden zobehoere daselfs angegriffen werde»,
in myn huyss zn Boevcnberg doin foeren ind alda damit doin ind handelet
mögen gelich ind in alremaissen of yre furstligen gnaiden gefenkniss hyunec
Eschwylre hedden, ind asbalde myn gnedigen alreliefsten here vurschreTec
oeder synre furstliger gnaiden erven ind nakomlingen Eschwylre weder zo
yre gnaiden henden krygen werden, asdan so en sali dat gefenkniss ind
unthalt zo Boevenberg wo vurschreven ouch vurbass nyt me geschien ind
sulchen vurschreven unse gnedige zolaiss ind verwilligonge en sali synre
gnaiden, synre gnaiden erven ind nakomlingen an yre furstliger g^iades
gerechticheit nu noch in zokoemen zyden geyn afbruych brengen noch hinder-
lich oeder letzlich syn, sonder alle argelist. In Urkunde der wairheit hain
ich Wilhem van Nesselraide, son zom Steyn, lantdroisten etc. vurschreven,
myn siege! vur mich ind myne erven an desen brief gehangen. Der gemalte
myn gnedige alreliefsten here halt mir nu up deselve maisse vurschreven
weder eynen brief, darin syn furstligen gnaiden des gnedigen zolaiss ind
verwilligonge we vurschreven bekennen doin, oevergeven. Gegeven in den
jairen uns heren dusent vierhundert ind seven ind nuynzich uf sent
Cecilien dach der hilligen jonferen.
Au8 dem Original im Staatsarchiv zu Düsseldorf, Das Siegel sehr be-
schädigt,
Aachen, R, Pick,
5. Johann von Aachen.
Johann von Aachen (1552 ? — 1615) hat seinen Namen von der Stadt
Aachen, wo sein Vater geboren ward. Köln war Johanns QeburtsstÄtte.
J. SvÄtek in Prag hat kulturgeschichtliche Bilder Böhmens 1879 herausgegeben
(Wien, Braunmüller), die grosses allgemeines Interesse haben, wie z. B. die Ab-
handlungen „Schiller in Böhmen**, „Die Rudolfsche Kunstkammer in Prag". Im
letztern Aufsatz kommt der Verf. auf unsern Johann von Aachen. Während der
notorische Betrüger Kelley, von Rudolf II. geadelt, mit Glücksgütem überhäuft
ward, hatte Johann von Aachen erst nach vielen Jahren einen monatlichen
Gehalt von 25 Gulden, und doch gehörte er neben dem Maler Bartholomäus
Spranger zu den Lieblingen Rudolfs, so dass er oft seine Staffelei in der Nähe
der kaiserlichen Gemächer aufstellen musste oder in seiner Wohnung vom
Kaiser aufgesucht wurde. Diesem Künstler allein ist es zu danken, dass die
Sammlungen Rudolfs eine solche Anzahl von echten antiken und modernen
Kunstwerken aufzuweisen hatten; denn auf seinen beiden Reisen nach Italien,
die er im Auftrag des Kaisers unternommen, erwarb er Meisterwerke, die
heute noch die Bewunderung der gebildeten Welt erregen. Unter ihnen befand
sich auch die berühmte Statue des Niobiden Ilioneus, die gegenwärtig zn den
ersten Zierden der Münchener Glyptothek zählt. Johann von Aachen erspähte
Kleinere Mittheilangen. 287
dieses ausgezeichnete Kunstwerk des Griechen Skopas im Laden eines
Jüdischen Antiquars zu Rom, der dessen hohen Werth jedenfalls zu schätzen
^wTLSste, denn der Agent des Kaisers musste es mit 22000 (nach andern
34000) Dukaten erkaufen. Damals war das Bildwerk noch kein Torso wie
jetzt; wahrscheinlich wurde es in Prag verstümmelt. Durch Johann von
Aachen gelangten die meisten Titians, Rafaels, Correggios auf den Hradschin.
Der Kaiser gewährte ihm unbeschränkten Kredit.
Soviel aus einem Buche, das unsere Leser nicht nach Belieben nach-
schlagen können. Ob das Obige auch sonst bekannt ist, weiss ich nicht, ist
mir auch gleichgültig. Ich wollte beim Lesen des Schiller-Artikels aus dem
folgenden Aufsatz Einiges für weitere Kreise ausztiglich mittheilen.
Bonn. A. Birlinger,
6. Der Grabstein Stephans von Werth, eines Bruders
des Feldmarschalls Jan von Werth.
An den Wänden des Kreuzgangs der frühern Abtei, des jetzigen Jagd-
schlosses Bebenhausen bei Tübingen, sind die Grabsteine, welche früher den
Boden des Kreuzgangs deckten, seit Wiederherstellung der alten Kloster-
räume pietätvoll aufgerichtet und dadurch für die Nachwelt gerettet worden.
Unter ihnen befindet sich auch der Grabstein des kurbaierischen Rittmeisters
Stephan von Werth, Bruders des berühmten Reitergenerals. Stephan hatte
am 30. Januar 1643 bei einem Ueberfall in der Nähe von Heppach im
Baierischen sein Leben verloren und wurde in Bebenhausen beigesetzt.
Der gut erhaltene Grabstein zeigt oben das Werthsche Stammwappen,
nämlich in einem damascirten Schild einen Mühlstein, in den Ecken des
Schilds von je einem Mühleisen (Hausanker) begleitet. Der gekrönte Helm
trägt eine Mohrenfigur ohne Arme mit abiliegendem Stirnband, zwischen
offenem Flug. Letzterer zeigt Mühlstein und Mühleisen wie der Schild.
Die Inschrift des Steins lautet: „Anno 1643 den 30. Januarii als der Rom.
Kais. Maj. auch churfuerst. Durchleucht in Bayern gen. veltmarschallieutenant
Johan Freiherr von Wehrt dem Feindt zu Imdesslbach eingefallen ist . . .*
vielgeliebter Herr Bruder, der wohledle und gestrenge Herr Stephan v. Wehrt
Rittmeister .... an zween Schüssen .... todt bliben und .... begraben.**
Dieser Grabstein ist von grosser Wichtigkeit, weil er das Familien-
wappen der von Werth nachweist. Es findet sich auch in Verbindung mit
dem Wappen der Familie Römer auf einem Grabstein in der Kirche zu
Aldenhoven bei Jülich. Peter von Werth, Johanns und der Sibilla von
Qressenich Sohn, kaiserlicher Oberstlieutenant, war nämlich seit 1614 mit
Christina Römer, Tochter des Peter Römer, Schultheissen von Aldenhoven,
vermählt und hatte zwei Söhne, Peter und Hans Adam von Werth, welcher
') Die punktirten Stellen zeigen onleserliclie Buchstaben.
28B Kleinere Mittheilangen.
letztere kaiserlicher Oberstlieutenant war. Das Werthsche Stammi^appei
mit etwas veränderter Helmzier bildet auch im Wappen des Reichsfreihem-
Diploms Johanns von Werth das 1. bezw. 4. Feld des gevierteten Schilik
jedoch ist aus dem Mühlrad ein Bing geworden. Im Reichsfreihemi-I>iplGE
der Eaitz von Frentz wird fölschlich der Herzschild des freiherrlich t®
Werthschen Wappens, welcher einen Löwen zeigt, als Stammwappen de
Werth bezeichnet. Durch diesen Irrthum der kaiserlichen Kanzlei ist di»
alte Werthsche Stammwappen nicht in das freiherrlich von Frentzsch^
Wappen übergegangen.
Die Familie des Beitergenerals stammte aus dem Jülichscheu Amt
Aldenhoven und war in Puffendorf längere Zeit angesessen. Ein Original-
verzeichniss der Lehen und Freigüter des Amts Aldenhoven aus dem Ende
des 16. Jahrhunderts' enthält folgende Eintragung: „Item Bütger von Wiertfc
sambt seinen miterben haben ein frei gut zu Puffendorf, welches ihre vur-
alderen mit pferdt und harnisch jederzeit bedient, und seind gemeldter
Bütger und seine miterben desselbige uf ersuchen mit pferdt und hämisch
zu bedienen gutwillig." Dieser Bütger von Wierth wird der Bruder des
Generals gewesen sein, der, wie Ennen nachgewiesen hat', auch Werth
von Puffendorf hiess. Vielleicht gehört auch der Johann van Werde, welcher
1449 für seine, seiner Frau und ihrer beiderseitigen Vorfahren Seelenruhe
eine Messestiftung in der Kirche zu Dürwiss mit Zustimmung seines Neffen
Damian. von Broich und seines Schwagers Gerhard von Gevenich machte ^
der Familie des Generals an, da Dürwiss unweit Aldenhoven und Paffen-
dorf liegt.
Ein Buch des 17. Jahrhunderts im Archiv zu Harff enthält auf der Innern
Seite des Einbanddeckels das Chroniken: pVer loannes De Werth natVs
seXta Mensis aprILIs Vesperl. Ob sich diese das Jahr 1590 ergebende
Inschrift auf den berühmten Jan bezieht? Man möchte es fast annehmen.
Coblenz, E, von Oidtman,
7. Zum Leben des Aachener Geschichtschreibers
Karl Franz Meyer des Aeltern.
Der früher in der hiesigen Stadtbibliothek, jetzt im städtischen Archiv
aufbewahrten Handschrift des 1781 gedruckten ersten Bands der „Aacheoschen
Geschichten** von Karl Franz Meyer (dem Aeltern), einem mächtigen Folio-
band von 1959 Seiten, hat der Sohn und Amtsnachfolger des Verfassers, der
Aachener Stadtarchivar Karl Franz Meyer der Jüngere (t 1821), auf einem
Vorsatzblatt eine kurze Biographie seines Vaters beigefügt, welche die bisher
*) Im Archiv eu Harff.
^ Belletristische Beilagen zu den Kölnischen Blättern 1867 und Kölner Nach-
riohten, Jahrg. 1872 und 1878.
*) Urkunde abgedruckt in den Beiträgen cur Qesoh. von Eschweiler und Um*
gegend I, S. 81 f.
Kleinere Mittheilungen. 289
l>ekaimten Nachrichten über das Leben dieses Mannes (vgl. Fr. Haagen in
der Allgemeinen Deutschen Biognraphie XXI, S. 605 ff.) erheblich vermehrt
und insbesondere auch über seine Jugendjahre interessanten Aufschluss gibt.
A.ls Motto sind diesen Aufzeichnungen die Worte des Justus Lipsius (in vit.
Senec.) ^ Virorum illustrium vitam prodere vetus institutum est* übergeschrieben
ujid zu Ende am Rande die auf den Schreiber der Biographie bezügliche
^otiz „Vi clementissimi diplomatis de 28. Novembris 1817 regia maiestas
Sorussiae praedicatum cousiliarii aulici mihi gratiosissime largirl dlgnata est**
zugesetzt, üeber die literarische Thätigkeit des altem Meyer hat Haagen
a. a. 0. ausführlich, wenn auch nicht in allen Punkten richtig gehandelt.
Hingewiesen sei hier nur noch auf eine Nachricht Ph. W. Gerekens
(Keisen durch Schwaben u. s. w. III, S. 243), der bei seiner Anwesenheit
in Aachen ums Jahr 1780 auch Meyer besuchte und von seinen Arbeiten
[Einsicht nahm. Die erwähnte Biographie lautet:
Carolus Franciscus Meyer natus Aquisgrani vigesima sexta Mail, anno
millesimo septingentesimo vigesimo octayo, filius Romano-catholicorum paren-
tum ac coniugum Joannis Meyer et Mariae Agnetis Körver. Postquam
inferiora et Studium philosophiae in gymnasio Aquisgranensi absolverat,
ordlnem reyerendorum patrum de monte Carmelo 1746 Coloniae ingreditur;
sed a patre magistro novitiorum istius ordinis sub yelamento obedientiae
et quidem monachorum more dure tractatus, currente adhuc novitiatus anno,
ad familiam suam Aquisgranum rediit. Deinde se praxi notariatus nee non
legibus Bomanis et statutis patriae impendens in notarium caesareum et
procuratorem senatus Aquisgranensis promotus ' cum Joanna Maria Faucken,
lanae et vini mercatoris Aquisgranensis filia, matrimonium contraxit. Anno
1780 a senatu Aquisgranensi qua archivarius' et 1782 qua secretarius'
*) Seine erste geriohtliohe Thätigkeit in Aachen entfaltete Meyer, wie es scheint,
am Lehngerioht des sog- Schleidener Lehns. Das im Stadtarchiv aufbewahrte „MUhlen-
register" von 1754 vermerkt nämlich S. 18 : „1755, den 29. Octobris juraverunt magistri
Franoisons Pedder et Carolus Franciscus Meyer qua procuratores htgus ouriae feu-
dalis ad manus des herm lehenverwalters.**
«) Nach den Eathsprotokollen der Stadt Aachen, Bd. XXXn, Bl. 290 v. wurde
Meyer am 10. November 1780 das Prädikat „eines Archivarii dieser Stadt" (Arohivarius
titolaris), jedoch ohne Besoldung beigelegt.
>) Das im Stadtarchiv zu Aachen befindliche „Juramentorum oder Aydt protho-
collum" vermerkt unter dem „Copysten aydt" fol. 5: „1782 den Sten Decembris juravit
herr secretarius Carl Franz Meyer obigen aydt ad manus herren burgermeister Dauven
sub dispensatione quoad horam et tempus." Der Eid hatte folgenden Wortlaut: „Ihr
solt globen und schweren einen aydt zu godt und seinen lieben heyligen, den herren
burgermeisteren und rahtt dießer stadt getreu und gehorsamb zu sein, ihr bestes zu
forderen und ärgst zu warnen, den mündlichen verhoers-secretarial-dienst mit proto-
colliren, schreiben, ingroßiren und copyren, und was demselben femer obligt mit ganzen
fleiB und nach euerem besten vermögen getreulich verwalten, die ahn ihre kayßerliche
mayestät, ohurfursten und stände deß heyligen reichß und waß sonsten von einem ehr-
baren rahtt einiger weiß tmter der stadt insiegell vor schreiben anßgefertiget werden,
forderlich in daß missival oop3rren und ediotal-buch unverändert einschreiben, auch
nichts ohne erlaubnuß der herren burgermeisteren oder zum wenigsten mit votmi$eai
eines rahts syndici oder seoretcuij mit euch von der canzleyen nach
schreiben noch iomandt mittheileu oder mundtlich eröffiaen, und
290 Kleinere Mittheilnngen.
electns. Hie vir eruditns et praesertim in studio diplomatico insignis <
anthor Historiae Aqnisgranensis anno 1781 Mulhemii ad Rhenlun in fo])«
impressae \ cui immenso labori solus per viginti quinqne annos ex proprio nKrti
et vero amore patriae insudavit. Praeterea doetissimas dissertationes tu
inris pnblici Aquisgranensis quam locorum adiacentinm confedt. PostioK-
studendo et variis morbomm accidentiis valde debilitatns, appropinquante U
urbem Aquisgranensem exercitu Gallico, anno 1794 ad periUnstrem et
celeberrimam sacri Romani imperii abbatiam Werdinensem ad Raram etii-
gravit. Ibidem optime receptas et per septem menses morbo cohübw
detentas tandem apoplexia tactns et sacrosanetae ecclesiae sacramentb
saepias praemunitus septima Aprilis, anno millesimo septingentesimo nona-
gesimo qninto, oxore sua memorata, matre mea dilectissima, et qnatner
prolibns relictis, anno aetatis sexagesimo septimo animam creatori sb«
reddidit et in ecclesia praelaudatae abbatiae sepultus '. Praesentes pIuriniiiBi
venerandi patris sui cineribus dedicavit et posteritati tradidit Aquisgrani
hac prima Julii 1803 filius unicns et devotns
Carolus Franciscus Meyer,
archivarius urbis Aqnisgranensis.
Attchen, B, Pick,
lierren burgermeistere und rahtt befehlen, alßpaldt inß werk richten, su somxnersBexteii
deß moi^ens um 8, im winter zu 9 obren und daß ganze jähr auf den naohmitta^ nmb
die 2 nhren euch auf der canzleyen einstellen und waß ihr auf der canzleyen and
rabtthauß von geheimen Sachen erfahren und vernehmen möget, daßelbe versch^ireig«t
und in geheimb haltet, ohne argelist."*
*) Der Aachener Magistrat scheint die Druckkosten dieses Werks bestritten so
haben, da es, worauf Herr Apotheker Pauls zu Bedburg mich gütigst aufmerksam
machte, in den 1786 zu Amsterdam erschienenen „Lettres sur la ville et las e«ox
d'Aix-la-ChapeUe" p. 6 heisst: „Lliistoire de la ville a 6t6 trait^e en Allemand, en. deox
volumes in-folio, par M. Charles-Francois Meyer, conseiller-söcretaire et arohiviste de
la ville. Messieurs les magistrats s'6tant charg^ de l'impression, cette faveur atteste
la bontö de Touvrage."
s) Yermutblioh wurde Meyer zur Wahl seines Aufenthalts in Werden bewogen,
weü hier ein Verwandter, wie es scheint, Franz Karl Ludwig Meyer, Mitglied der
Abtei war. Letzterer gab im Jahre 1818 (bei G. D. Bädeker in Essen) einen fast ver>
schoUenen Führer durch ^Aachen und seine Umgebungen" (63 SS. kL SP) mit ein«r
topographischen Karte und 1836 (zu Düsseldorf gedruckt bei J. Wolf) eine grössere
Schrift „Werden und Helmsttttit ehemaligen Kaiserlichen, freien und unmittelbar
exempten Abteien" (126 SS. 8P) mit dem Büdniss Karls d. Gr. heraus. Gleichzeitig mit
dem letzten Abt von Werden, Beda, oder, wie er mit seinem weltlichen Namen hie«s,
Komelius Savels, einem geborenen Aachener, hatte er am 8. Juni 1774 das Ordenskleid
angelegt. Ein bis in die letzten Zeiten im Besitz der Abtei Werden befindliches lebens-
grosses Bild Karls d. Gr., das. eine alte Sage Titian zuschreibt, steigerte er an und
schenkte es nach Aachen, wo es zunächst in dem Kabinet des Hofraths K. F. Meyer
Aufstellung fand und später an die Stadt aufs Rathhaus gelangte. (F. K. L. Meyer,
Werden und Helmstädt S. 6 und 108; Aachen und seine Umgebungen S. 7.) Ob der
Archivar Meyer in der Abteikirche zu Werden ein Grabdenkmal erhielt, war bisher
nicht zu ermitteln. Unter den jetzt an den Wänden dieser Kirche angebrachten
Leichensteinen befindet sich, wie Herr Pfarrer Gisbertz zu Werden mir firenndlichgt
mittheüte, keiner, der seinen Namen trägt
Chronik des Aachener Geschichtsvereins 1888/89.
Die erste Monatsversammlung nach Veröfifentlichung des letzten Berichts
über die Vereinsangelegenheiten (vgl. diese Zeitschrift X, S. 270 ff.) fand statt
am 21. Dezember 1888 anter der Leitung des Herrn Stadtarchivars Pick, welcher
zunächst auf die kurz vorher erfolgte Blosslegung eines Stückes römischer
Wasserleitung im Hof der Burtscheider Gasanstalt und auf den Zusammen-
hang dieses Fundes mit altem hinwies. Seinem Vorschlag entsprechend,
wurde aus den Herren Dr. Kelleter, Kaplan Schnock, Dr. Wieth und Dr.
Wings eine Kommission gebildet, um die genauere Untersuchung in die Hand
zu nehmen. Herr Pick legte sodann mehrere Abdrücke von Aachener Stadt-
siegeln vor, unter andern das sehr schön ausgeführte, welches Napoleon durch
Urkunde vom 6. Juni 1811 von St. Cloud aus der zu den „bonnes villes**
gehörenden Stadt Aachen verlieh. Zwei in der Komeliusstrasse gefundene
Töpfchen des 16. Jahrhunderts wurden gezeigt und besprochen. Anknüpfend
an ein von Wackemagel veröffentlichtes, den Kaiser Maximilian zum Kampf
gegen die Türken aufforderndes Gedicht, entwickelte Herr Realgymnasiallehrer
Dr. Greve das im Anfang des 15. Jahrhunderts aufgekommene Quatemionen-
System des heiligen römischen Kelchs deutscher Nation, in welchem Aachen
als erste der „vier Städte** figurirt. Herr Kaplan Schnock besprach die
Aachener Junkheitsmünzen und eine Schönforstcr Münze, Herr Dr. Kelleter,
mit Benutzung eines Schriftstücks von 1608, die Glocken der Burtscheider
St. Michaelskirche. Eine dieser Glocken ist durch Gregorius von Trier
gegossen. Dieser Umstand veranlasste Herrn Stadtarchivar Pick zu ein-
gehenden, meist bisher unbenutzten Archivalien entnommeneu Mittheilungen
über die bekannte Giesserfamilie, der auch jener Meister angehört. Herr
Kaplan Schnock erörterte noch die Verhält Disse der Burtscheider Pannhäuser
und schliesslich machte Herr Pick aufmerksam auf die Aachener Sage, wonach
ein gegen das Sanctissimum unehrerbietig handelnder vornehmer Mann mit
seiner Kutsche in der Aldegundisstrasse (jetzt Ursulinerstrasse) von dem
sich öffnenden Boden verschlungen wurde. Dieselbe Erzählung kommt auch
in rheinischen und in holländischen Städten vor.
In der zweiten, unter dem Vorsitz des Herrn Stadtdechanten Planker am
18. Januar 1889 abgehaltenen Versammlung erstattete Herr Gymnasiallehrer
Dr. Wieth Bericht über die Thätigkeit der am 21. Dezember eingesetzten
Kommission, welche unterdessen Feststellungen über die in der Burtscheider
Gasanstalt gefundene römische Wasserleitung, insbesondere die nöthigen
19*
J
292 Chronik des Aachener Greschichtsvereins 1888/89.
Messungen vorgenommen und photographische Aufnahmen veranlasst ham.
Herr Stadtarchivar Pick ergänzte diesen Bericht noch durch Mi^theiliiBgea
über die im Ganzen glücklich gelungene Aushebung eines fast zwei Meus
langen, mit dem zugehörigen Mauerwerk 50—60 Centner wiegenden Tbcsb
der Leitung und dessen Ueberführung in das Suermondt-Musenm. Dem vn
der Versammlung geäusserten Wunsch, dass die Nachrichten über diese
Wasserleitung in die Vereinszeitschrift aufgenommen werden möchten, is
durch den Abdruck einer Abhandlung des Herrn Pick und des auf einei
Plan gestützten Berichts des Herrn Direktor Siedamgrotzky auf Seite 272 tL
dieses Bands entsprochen worden. Herr cand. phil. Kelleter hielt ein»
Vortrag über Aachener Dialektforschung, in welchem er, nach Aa&ählnn^
der wichtigsten zur Verfügung stehenden Sammlungen einheimischer Spradi-
denkmäler und Hervorhebung der grossen durch eine anscheinend ganz
verworrene Schreibweise verursachten Schwierigkeiten, den Vokalismas der
Aachener Mundart schilderte, der von der Neigung beherrscht sei, aUe
Vokale und Diphthonge zu verdunkeln. Im Verlauf seiner durch reiche
Beispiele erläuterten Darlegung machte Herr Kelleter darauf aufmerksam, dass
noch bis Ende des vorigen Jahrhunderts das Aachener Plattdeutsch genau
so ausgesprochen wurde, wie im 15. und 16. Jahrhundert, und legte die
Gründe dieser Erscheinung dar. Es folgten noch Mittheilungen des Herni
Pick über alte Namen von Aachener Häusern, sowie eine lebhafte Verhandlung
über die Entstehung des Strassennamens „Karlsgraben** und über die durch
wiederholte Auffindung grösserer Knochenmassen anscheinend nahegelegte
Benutzung eines Theüs des L5hergrabens als Schindanger.
Die durch den Vorsitzenden des Vereins geleitete Versammlung vom
14. März 1889 eröffnete Herr Pschmadt, Lehrer an der Vorschule des Real-
gymnasiums, durch einen eingehenden Vortrag über die Aachener Revolution
vom Jahre 1880, welcher unterdessen in dem Aachener St. Josephs-Kalender
für 1890 erschienen ist. Herr cand. phil. Kelleter setzte seine Mittheilungen
über Aachener Dialektverhältnisse fort und erklärte unter Anführung zahl-
reicher Beispiele viele lautliche Erscheinungen, welche sonst meist als Diphthon-
girungen angesehen werden, für Vokaldehnungen. Herr GFeheimrath Loerscb
gab einige Nachrichten über das nach der Stadt Brüssel benannte Haus,
welches seit dem 14. Jahrhundert, vielleicht schon länger, den Aachener
Schöffen als Versammlungshaus für gewisse amtliche, mehr aber noch für
korporative und gesellige Zwecke diente, über dessen Schicksal seit dem
15. Jahrhundert Nachrichten fehlen und dessen Lage noch völlig un-
sicher ist.
Seit dem 1. Dezember 1888 ist die Zahl der Mitglieder des Aachener
Geschichtsvereins wiederum gewachsen. Von 636, welche der Verein an
jenem Tage zählte, sind bis zum 1. Dezember 1889 4 gestorben und 18
ausgetreten; bis zum letztgedachten Tage sind aber neu beigetreten 88, so
dass die Gesammtzahl nunmehr 652 beträgt. Postkarten mit kurzen Angaben
über den Zweck des Vereins und Aufforderung zum Beitritt stehen, wie
Chronik des Aachener Geschichtsvereind 1888/89. 293
bisher, jedem Vereinsmitglied, das sich für die dringend noth wendige Yer-
mehmng der Mitgliederzahl bemühen will, beim Vorstand zur Verfügung.
Auch die Zahl der Vereine, Gesellschaften, Institute und Bedaktionen,
gegen deren Publikationen der Verein die seinigen austauscht, hat sich
vergrössert und beträgt nunmehr 160. Seit dem Druck des letzten Jahres-
berichts sind diesem Tauschverkehr neu beigetreten:
1. Soci6t6 d'archöologie in Brüssel.
2. Litterarische Gesellschaft in Fellin.
8. Geographische Gesellschaft in Greifswald.
4. Musealverein für Krain in Laibach.
5. Friesch Genootschap van Geschied-, Oudheid- en Taalkunde in
Leeuwarden.
6. Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde in
Metz.
7. Münchener Alterthumsverein in München.
8. Bedaktion des Polybiblion in Paris.
9. American Philosophical Society in Philadelphia.
10. Altmärkischer Verein für vaterländische Geschichte und Industrio
in SalzwedeL
11. Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde in
Stettin.
12. Nordisches Museum in Stockholm.
18. Smithsonian Institution in Washington.
Den Satzungen entsprechend sind der Stadtbibliothek und der Hand-
bibliothek des Stadtarchivs die durch Tausch an den Verein gelangten zahl-
reichen und werthvoUen Bücher und Zeitschriften überwiesen worden.
Dem hochverdienten Präsidenten des Vereins von Alterthumsfireunden
im Bheinlande, Herrn Geheimen Medizinalrath Professor Dr. Hermann Schaaff-
hausen zu Bonn, welcher am 31. August 1889 sein fünfzigjähriges Doktor-
jubiiäum feierte, hat der Vorstand an diesem Tage durch ein Schreiben
aufrichtige und warme Glückwünsche dargebracht.
Die jährliche Generalversammlung ist am 14. Oktober 1889, Abends
6 Uhr, im städtischen Kurhaus abgehalten worden. Der Vorsitzende, Herr
(Geheimer Justizrath Professor Dr. Loersch, rief zunächst die Thatsache in
die Erinnerung der Anwesenden zurück, dass am 27. Mai 1879 die Versamm-
lung stattgefunden habe, in welcher der Verein sich konstituirte, die ersten
Statuten festsetzte und den ersten Vorstand wählte, dass somit der Aachener
Geschieh ts verein die ersten zehn Jahre seiner Thätigkeit zurückgelegt und
damit den Beweis seiner Lebensfähigkeit wie der Berechtigung seiner Existenz
erbracht habe. Der kurze Bückblick auf die Entwicklung und Wirksamkeit
des- Vereins, der sich diesem Hinweis anschloss, möge auch hier eine Stelle
finden.
Unter den glücklichsten Umständen ist der Verein ins Leben getreten.
Er hat Alfred von Beumont Jahre lang als ersten Präsidenten an seiner
294 Chronik des Aachener Geschiohtsyereiiis 1888/89.
Spitze gesehen, einen Gelehrten von europäischem Buf, der die wissenaehrnft-
liehe Haitang der neuen Vereinigung von vornherein bestimmte nnd ihr
Ansehen weithin begründete. Die Zahl der Mitglieder war von AnfMig an
eine überraschend grosse, und überstieg die der Mehrzahl aller Shnlicha
Vereine. Es war vorauszusehen, dass sie zunächst nicht auf gleicher Höhe
erhalten bleiben könne, und so ist sie denn auch allmählieh von 782 im Jahre
1879 auf 640 gesunken. Vom Anfang des Jahres 1886 an ist es aber den
energischen Bemühungen des Vorstands und mancher eifrigen Mit^eder
gelungen, wieder ein stetiges Wachsen, das jetzt noch fortdauert, herbei-
zuführen.
Die Erfahrungen der ersten sieben Jahre brachten Belehrung über
gewisse Mängel der ursprünglichen Verfassung und Organisation des Vereins,
welche seiner Thätigkeit wie der Lösung einzelner in seinen Bereich fallenden
Aufgaben mehrfach hemmend entgegentraten. Das veranlasste einen durch
Herrn Stadtarchivar Pick in der Generalversammlung vom 18. Oktober 1886
gestellten und von der Versammlung angenommenen Antrag auf Einsetzong
einer Kommission zur Prüfung der Statuten (vgl. diese Zeitschrift VUL,
S. 322). Die Kommission unterzog, dem ihr gewordenen Auftrag entsprechend,
die Statuten einer durchgreifenden Aenderung und Ergänzung; der von ihr
ausgearbeitete Entwurf wurde in der Generalversammlung vom 10. November
1887 durch Zuruf angenommen (vgl. diese Zeitschrift IX, S. 232). Die seit
dem 1. Oktober 1888 in Kraft getretenen neuen Satzungen, welche in dieser
Zeitschrift IX, S. 241 ff. und auf den seit demselben Zeitpunkt eingeführten
Mitgliedskarten abgedruckt sind, haben sich bis jetzt vollkommen bewährt.
Mit Dankbarkeit ist anzuerkennen, dass dem Verein von allen Behörden
Vertrauen und Unterstützung entgegengebracht werden. Insbesondere haben
die staatlichen wie die kommunalen Archiv- und Bibliothekverwaltungen,
auf deren Hülfe die wissenschaftliche Forschung vor Allem angewiesen ist,
mit grösster Liberalität diese Htllfe geleistet. Der Verein übersendet des-
halb auch in dankbarer Anerkennung seine Zeitschrift den Staatsarchiven
zu Düsseldorf, Coblenz, Münster und Wetzlar sowie den Stadtarchiven zu
Köln und Aachen als Geschenk. Besondem Anlass zum Dank hat der Verein
gegenüber den städtischen Behörden von Aachen und Burtscheid. Die Häupter
der Verwaltungen dieser Städte haben ihm von Anfang an die Ehre erwiesen,
die auf sie gefallene Wahl als Vorstandsmitglieder anzunehmen und der
Vorstand des Vereins ist mehrfach da, wo es sich um geschichtliche, archäolo-
gische und wissenschaftliche Angelegenheiten handelte, um seine Meinung
befragt, diese freundlich gewürdigt worden. Seit mehrem Jahren gewährt
die Stadt Aachen dem Verein einen Zuschuss von jährlich 150 Mark.
Eine nicht geringe Summe konnte im Laufe des ersten Jahrzehnts für
wissenschaftliche Zwecke verwendet werden. Die Geldmittel des Vereins
sind während dieses ganzen Zeitraums durch den vortrefflichen Schatzmeister^^
Herrn Dr. Wings, verwaltet worden, dessen umsichtige nnd sorgfältigeCr
^'«(senführung, wenn sie auch hier und da durch ihre Strenge demVors<
Chronik des Aachener Oeschiehtsrereins 1888/89. 295
ftüübar wird, aneingeschrftnktes Lob verdient Binnen zehn Jahren hat der
Verein weit über 26000 Mark auf die Herstellung seiner Zeitschrift, welche
ihren Mitarbeitern ein nicht nnbedentendes Honorar gewährt, verwendet. Er
hat in Bezug auf sie seine Pflichten gegen die Mitglieder, die den sehr
mäßigen Beitrag von nur 4 Mark entrichten, da der sehnte Band schon im
November 1888 erschien, nicht nnr rechtzeitig und aasreichend, sondern
geradezu glänzend erfüllt, indem er ihnen während eines zehnjährigen Zeit-
raums Aber 225 Bogen Text und 18 Abbildungen, Karten, Pläne u. s. w.
lieferte. In diese Bogenzahl einbegriffen ist das von Dr. Keussen verfasste
Register, welches den reichen Inhalt der ersten sieben Bände erschliesst.
Kein Verein in Deutschland hat so früh und in so ausgezeichneter Weise
den Anforderungen der wissenschaftlichen Benutzer seiner Zeitschrift Rech-
nung getragen. Der zeitige Vorsitzende des Vereins ist selbstverständlich
nicht berufen, den innem Werth der Zeitschrift zu beleuchten. Er würde
aber eine Pflicht der Dankbarkeit unerfüllt lassen, wenn er nicht des Mannes
gedächte, der nun schon seit einer Reihe von Jahren alle Lasten und Mühen
der Redaktion, häufig unter den schwiiBrigsten Verhältnissen, getragen hat.
Die Redaktion der ersten Bände hat der unvergessliche erste Präsident selbst
besorgt, mit einer Aufopferung von Zeit und Kraft, welche nur zu würdigen
vermag, wer sich Reumonts sonstige umfassende literarische Thätigkeit, wie die
Schwäche seiner Gesundheit und namentlich seiner Augen vergegenwärtigt.
Erst im Jahre 1883 fand er eine ausreichende Unterstützung an Herrn
Richard Pick, der zunächst die Drucklegung der Zeitschrift, sehr bald aber
auch ihre vollständige Redaktion auf sich genommen und bis jetzt in muster-
hafter Weise durchgeführt hat. Der Vorstand hat nur eine durch die neuen
Satzungen bestätigte Pflicht der Qerechtigkeit erfüllt, als er im Jahre 1886
den Beschluss fasste, den Namen des unermüdlichen Heransgebers auf das
Titelblatt der Zeitschrift zu bringen.
Dem Verein ist es hauptsächlich durch die Bemühungen des Herrn
Stadtarchivars Pick gelungen, einen sehr umfassenden Tauschverkehr mit
wissenschaftlichen Vereinen, Instituten und Zeitschriften anzubahnen. Er
hat auf diesem Wege eine sehr bedeutende und werthvolle Reihe von
periodischen Veröffentlichungen und andern Werken erworben. Wenn er diese
von Anfang an der Aachener Stadtbibliothek und der Handbibliothek des
Archivs überwies, so hat er sich damit um zwei wichtige öffentliche wissen-
schaftliche Institute verdient gemacht und zugleich die beste Aufbewahrung
und Verwendung der erworbenen Bücher für alle Zeiten gesichert Mit Recht
haben die neuen Statuten dieses Vorgehen bestätigt. Es bedarf nicht der
Hervorhebung, dass Entleihung und Benutzung den Vereinsmitgliedern dadurch
leichter gemacht ist als durch die an der Unmöglichkeit der Beschaffung
von sichern Räumen schliesslich fast stets scheiternde Einrichtung einer
besondem Vereinsbibliothdt.
Es sei endüflii M^^fK seit einigen Jahren eingerichteten Monatsver-
sammlungen geteUft?'^^^^ "^gliedern viele interessante und lehrreiche
296 Chronik des Aachener Geschichtsvereins 1888/89.
Vorträge und Mittheilnngen, willkommene Gelegenheit zum Austausch ihrer
Kenntnisse and Ansichten, Anregungen aller Art geboten haben.
Die Pflicht gewissenhafter Berichterstattung erheischt das offene Ge-
ständnisse dass der Verein einerseits noch nicht genug bestrebt war, eine
grössere Mitgliederzahl und damit die Mittel zur VerOfifentlichong umfang-
reicherer Arbeiten zu gewinnen, und dass er andrerseits eine ihm obliegende
ebenso schöne als wichtige Aufgabe noch lange nicht ausreichend gefordert
hat, wenn er auch die Nothwendigkeit ihrer Lösung schon vor einer Beihe
von Jahren anerkannte und aussprach. Ein den berechtigten Anforderung^
der heutigen Wissenschaft entsprechendes Urkundenbuch der Städte Aachen
und Burtscheid und des Aachener Reichs ist, wie jede Untersuchung auf
jedem Gebiet stets aufs Neue zeigt, geradezu schreiendes Bedttrfhiss. Die
Verhältnisse am Aachener Archiv sind, sobald das stattliche Gebäude, welches
die Stadt mit einsichtigem Wohlwollen den Zeugnissen ihrer grossen Ver-
gangenheit errichtete, bezogen sein wird, kein Hindemiss mehr, die geeigneten
Kräfte sind vorhanden, das zweite Jahrzehnt des Aachener Geschichtsyereins
muss der Förderung und Vollendung dieses Werkes als einer Ehrenpflicht
gewidmet sein.
Uebergehend zur Berichterstattung über das seit der letzten General-
versammlung verflossene Jahr widmete der Vorsitzende zunächst Worte der
Erinnerung den vier verstorbenen Mitgliedern Landgerichtsrath Freiherr
von Fürth, Arresthauspfarrer Schulz, Oberregierungsrath Jungbluth und
Amtsgerichtsrath Moulenbergh, deren Andenken die Versanmilung durch
Erheben von den Sitzen ehrte; dann schilderte er Lage und Thätigkeit
des Vereins. Hierauf trug der Schatzmeister, Herr Dr. Wings, die Rech-
nung des Jahres 1888 vor.
Die Einnahmen umfassten
1. den Kassenbestand aus dem Vorjahr 1202 M. 77 Pf.
2. den Beitrag der Stadt Aachen 150 „ — ^
3. die Beiträge der Mitglieder 2452 „ — ,
4. den Ertrag aus abgesetzten Exemplaren der Zeit-
schrift 40 „ 50 „
5. rückständige Beiträge aus 1887 8 „ — „
6. ein zurückgegebenes Honorar 4„27
7. die Zinsen der Sparkasse 41 „ 75
zusammen . . 8899 M. 29 Pf.
Die Ausgaben betrugen . . 2177 „ 65 ^
Es verblieb ein Kassenbestand von . . 1721 M. 64 Pf.
Das Vereinsvermögen, welches Ende 1888 1202 M. 77 Pf. betrug, hat
sich also im Laufe des Jahres 1889 um 518 M. 87 Pf. vermehrt.
Die am 11. Oktober 1888 gewählten Bevisoren haben die Kassenver*
waltung für das Jahr 1888 am 8. Oktober 1889 geprüft. Die Versammlung
Chronik des Aachener Geschichtsvereins 1888/89. 297
drttckte ihnen, sowie dem Schatzmeister ihren Dank ans und wählte die
Herren Dr. med. Ignaz Beissel und Tnchfabrikant Gustay Kesselkaol Wiedcmm
als Revisoren für das Jahr 1889.
Der Vorsitzende gab der Versammlung Kenntniss von folgenden £e-
*
schlüssln, welche der Vorstand in seiner Sitzong vom 11. Oktober, auf Grund
von Anträgen des Herrn Stadtarchivars Pick und nach eingehender Begründung
seitens des Antragstellers, gefasst hat
1. Der Verein wird mit Rücksicht auf den grossen materiellen WerUi
seiner Zuwendungen an städtische Institute und im Hinblick auf die bedeu-
tenden Kosten, welche die Vorarbeiten zum ürkundenbuch verursachen, die
Stadt Aachen um eine namhafte Erhöhung des ihm bisher gewährten Zu-
schusses vom Etatsjahr 1890/91 an bitten.
2. An dem Geburtshaus des 1887 verstorbenen Malers Kaspar Scheuren
in der Franzstrasse zu Aachen soll eine Gedenktafel auf Kosten des Vereins
angebracht werden.
3. Der Verein wird die Aufrichtung des in der Pfarrkirche zu Nideggen
in einer Ecke am Boden liegenden und der 2>erstörung preisgegebenen Grab-
steins des Grafen Wilhelm IV. von Jülich und seiner Gemahlin Rikardis und
dessen Versetzung an die Kirchenwand von der zuständigen Stelle erbitten,
sich auch erforderlichen Falls mit einem Beitrag zu den Kosten betheiligen, um
das durch sein Alter und als Grabstein von Vorfahren unseres Königshauses
besonders merkwürdige Denkmal vor dem Untergang zu retten.
4. Zur Vorbereitung der Herausgabe eines ürkundenbuchs der Städte
Aachen und Burtscheid und des Aachener Reichs wird eine Kommission von
drei Mitgliedern ernannt, welche die Vorarbeiten und die Beschaffung der
nothwendigen Geldmittel übernimmt. Der Verein bewilligt dem Unternehmen
selbst vom 1. Januar 1890 an einen jährlichen Zuschuss von 300 Mark aus
der Vereinskasse.
5. Aus einheimischen und auswärtigen Vereinsmitgliedem werden neun
Kommissionen mit dem Recht der Zuwahl gebildet, welche sich die Erforschung
der einzelnen, der Wirksamkeit des Vereins unterstehenden Gebiete besonders
angelegen sein lassen und alljährlich in der Generalversammlung oder in
kurzem Zeitabschnitten (in den Monatsversammlungen) über das Ergebniss
ihrer Thätigkeit, welche sich auch auf Ertheilung von Auskünften und Beant-
wortung von Fragen erstrecken kann, Bericht erstatten.
Die Versanmilung nahm alle diese Beschlüsse beifällig auf.
Nach Abschluss des geschäftlichen Theils hielt Herr Stadtarchivar Pick
einen Vortrag über die im Wisperthal, gegenüber der Burg Rheinberg
gelegene „Aachener Schanze", welche, wie die Sage erzählt, von Aachener
Kaufleuten erbaut sei, um den Transport ihrer Tuchwaaren zur Frankfurter
Messe zu sichern. Der Redner glaubt den Bau auf die in Loceh vormals
zahlreich wohnenden Tuchweber, welche dem Erzbischol WiBM^M^fHainz
1279 bei der Belagerung der Burg Rheinberg Hülfe
298 . Chronik des Aachener Geschichtsvereins 1888/89.
zu sollen und nimmt an, dass deren Gewerbe von Aachen aus, wo man nrndi-
weisbar ächon zu Anfang des 12. Jahrhunderts die Zeogmanufaktor lebhaft
betrieb, nach Lorch verbreitet wurde.
Mit Bücksicht auf die Anerkennung, H'elche die Kaiserin Augasta stets
dem Wirken des Malers Kaspar Scheuren gezollt hat, wurde durch den Vor-
sitzenden nach der GU^neralversammlung Ihrer Majestät angezeigt dass der
Geschichtsverein an Scheurens Geburtshaus eine Gedenktafel anzubringen
beabsichtige. Diese Mittheilung hat, ohne dass irgend eine Bitte ausge-
sprochen worden wäre, zu einer überaus gnädigen Spende der Kaiserin für
die Kosten der Tafel Anlass gegeben. Die bezügliche von der Summe von
100 Mark begleitete Zuschrift an den Vorsitzenden, die zugleich den Verein in
hohem Maße ehrt, möge hier mitgetheilt werden.
„Coblenz, den 5. November 1889.
Dire Majestät die Kaiserin Königin Augusta haben mit lebhafter An-
erkennung die MittheUung entgegen zu nehmen geruht, dass der Aachener
Geschichtsverein dem verstorbenen Maler Kaspar Scheuren zu Ehren eine
Gedenktafel an seinem Geburtshause anzubringen gedenkt. Bei den lang-
jährigen Beziehungen des Aachener Künstlers zu Ihrer Majestät und bei dem
ehrenvollen Andenken, welches Allerhöchstdieselbe dem Professor Kaspar
Scheuren bewahren, würde es Ihrer Majestät erwünscht sein, Allerhöchst Sich
durch beifolgenden Beitrag an den Kosten dieser Gedenktafel betheiligen
zu können.
Im Allerhöchsten Auftrage
der Kabinets-Rath
von dem Knesebeck."
Der ehrfurchtsvolle Dank des Vereins ist Ihrer Majestät durch den
Vorsitzenden dargebracht worden.
Der Vorstand hat zu Mitgliedern der Kommission für die Vorbereitung
des Urkundenbuchs die Herren Geheimrath Loersch, Landgerichtspräsident
Oppenhoff und Stadtarchivar Pick bestimmt.
Die oben erwähnten Kommissionen sind zunächst durch Wahl seitens
des Vorstands in folgender Weise gebildet worden:
1. Kommission fttr römische und mittelalterliche Alterthümer: Stadt-
archivar Pick, Vorsitzender, Hauptmann a. D. Bemdt, Kaplan Schnock,
Gymnasiallehrer Dr. Wieth, Pfarrer Becker-Hallschlag, Deservitor Frantzen-
Eller, Professor Dr. Schneider-Düsseldorf.
2. Kommission für Kulturgeschichte, Volksleben (Sagen, Märchen, Lieder,
Sprichwörter), Unterrichts- und Bücherwesen: Landgerichtspräsident Oppen-
hoflf, Vorsitzender, Stadtbibliothekar Dr. Fromm, Realgymnasiallehrer Dr. Greve.
Stadtverordneter Kremer, Realgymnasialdirektor Dr. Neuss, Staatsanwalt-
schafts-Sekretär Schollen, Gymnasialdirektor Dr. Schwenger, Gymnasiallehrer
Dr. Wacker, Apotheker Eckerts-Randerath, Rektor Lückerath-Heinsberg,
Apotheker Pauls-Bedburg.
Chronik des Aachener Geschichtsvereins 1888/89. 299
8. Kommission fttr Bechts- und Verfassungsgeschichte: Geheimrath
Professor Dr. Loersch, Vorsitzender, Landrath Dr. Freiherr von Coels, Stadt-
archivar Pick, Geheimer Archivrath Dr. Harless-Düsseldorf, Stadtarchivar
Professor Dr. Höhlbaum-Köln.
4. »Kommission für ältere Topographie: Stadtarchivar Pick, Vorsitzender,
Geheimrath Loersch, Fabrikant Menghius, Stadtdechant Planker, Architekt
Bhoen, Gymnasiallehrer Dr. Wieth, Bürgermeister a. D. Zimmermann, Staats-
archivar Habets-Maastricht.
5. Kommission für Kunstarchäologie: Professor Frentzen, Vorsitzender,
Gymnasiallehrer Dr. Curtius, Professor Dr. Degen, Major Sartorins, Kaplan
Schnock, Arzt Dr. Straeter, Rentner Dr. Wings, Architekt von Fisenne-
Meerssen, Appellationsgerichtsrath a. D. Dr. Reichensperger-Köln.
6. Kommission für Münz-, Siegel- und Wappenkunde und Genealogie:
Stadtarchivar Pick, Vorsitzender, cand. iur. et cam. Heusch, Fabrikant Macco,
Rentner von Claer-Bonn, Hauptmann von Oidtman-Coblenz, Apotheker Pauls-
Bedburg.
7. Kommission für Wirthschaftsgeschichte, Zunftwesen, Industrie und
Handel: Geheimrath Professor Dr. Loersch, Vorsitzender, Stadtverordneter Kuet-
gens, Gymnasiallehrer Oppenhoff, Stadtarchivar Pick, Professor Dr. Lamprecht -
Bonn, Apotheker Pauls-Bedburg.
8. Kommission für Dialektforschung: Realgymnasial-Oberlehrer Marjan,
Vorsitzender, cand. phil. Kelleter, Gymnasiallehrer Oppenhoff, Lehrer Pschmadt,
Gymnasialdirektor Dr. Fuss-Strassburg i. E., Arzt Dr. Hecking-St. Vith,
Oberpfarrer Dr. Pauly-Montjoie.
9. Kommission für die Sammlung von Flurnamen : Landrath Dr. Freiherr
von Coels, Vorsitzender, Realgymnasiallehrer Dr. Greve, Kaufmann Math6e,
Bürgermeister Middeldorf, Lehrer Pschmadt, Staatsanwaltschafts-Sekretär
Schollen.
Druck von Herrn. Kaatzer in Aachen.
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