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Full text of "Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins"

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I 


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ZEITSCHRIFT 


_7 


AACHENER  GESCHICHTSVEREINS. 


IM  AUFTRAG  DER  WISSENSCHAFTLICHEN  KOMMISSION 

HEBAVSOEGEBES 


UICHARD  PICK, 

ItCHlVAR  DER  yTAT>T  AACHEN'. 


ZEHNTER  BANP. 


AACHEN. 

KOMWSSIOXS-VERLAG  DEB  CltEMKR'SCHEN  BrCIIHAXDLUNG  [C.  ( 
1888. 


ÜNIVERSITY  OF.'^'^'r-  fTlARIES 


Die  verehrlichen  Herren  Mitarbeiter  werden  hüflichst  ersucht, 
in  ihren  für  den  Druck  bestimmten  Manuskripten  nur  eine  Seite 
der  Blätter  nicht  zu  eng  zu  beschreiben  und  davon  die  Hälfte 
noch  völlig  frei  zu  lassen.  Der  Redaktion  wie  dem  Setzer  und 
Korrektor  wird  dadurch  viel  Zeit  und  Miihe  erspart. 

Die  Manuskripte  sind  zu  senden  an  Professor  Loebsch  in 
Bonn  oder  an  Stadtarchivar  Pick  in  Aachen. 


Die  verehrlichen  Vereine,  Gesellschaften,  Anstalten  und 
Redaktionen,  mit  welchen  der  Aachener  Geschichtsverein  in 
Scliriftenaustäusch  steht,  bitten  wir,  uns  ihre  Veröffentlichungen, 
sofern  deren  Zusendung  nicht  direkt  durch  die  Post  erfolgt, 
durch  die  Oreuer'sche  Büchhandluno  in  Aachen  gefalligst 
zugeben  zu  lassen. 

Der  bereits  in  den  Druck  gegebene  Band  XI  der  Zeitschrift, 
dessen  Erscheinen  für  den  Monat  August  1889  in  Aussicht  steht, 
wird  u.  A.  enthalten : 

H.  BüCKBLER,  Die  Melodie  des  Aachener  Weihnachtslieds. 
H.  LoERscH,  Ein  Sühnegescheuk  für  das  Aachener  Münster. 
K.  NöRRENBERG,  Aachener  Gedichte  des  14.  Jahrhunderts. 
E.  VON  OiDTMAN,  Dic  Herren  von   Mileudonk  aus  dem 

Geschlecht  der  von  Mirlaer. 
R.  Pick,  Aachens  Befestigung  im  Mittelalter. 
S.  Planker,  Aus-  dem  Pfairarchiv  von  St.  Peter  in  Aachen. 
M.  Schollen,  Die   St.  Sebastianus-Schützen-Briiderscliaft 
in  Geilenkirchen. 

DER  VORSTAND. 


ZEITSCHRIFT 


AACHENER  GESCHICHTSVEREINS. 


IM  AUFTRAG  DER  WISSEXSC HAFTLICHES  KOMMISSION 

RERAV^MKEaEBEX 


RICHARD  PICK, 

ARCHIVAR  DER  STADT  AACHEN. 


ZEHNTER  BAND. 


AACHEN. 

KOMMISSION S- VERLA n  DER  CEEMER'SCHEN  BVCHHANDLUNO  IC.  CAZIN>. 

I8H8. 


A54 


Inhalt 

Zur  Erinnening  an  Alfred  von  Reumont.    Von  H.  Loersch      .    .        1 
Aachener  Prozesse  am  ReichskammergfericLt.    Von  R.  Qoeoke.     .      S2 
Ueber  ein  Verzeichniss  der  Einkünfte  der  KatharineukapoIIe  beim 
Aachener  Münster  aus  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts.    Von 

H.  Loersch 96 

|4.  Aachener  Volks-   und    Kinderlieder,    Spiellieder   und   Spiele.    Von 

M,  Schollen.    (Schluss.) IBH 

5.  Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft,  in.  Der  2.  März  1793  und  seine 

Folgen  für  Aachen.    Von  E.  Pauls 198 

6.  Kleinere  Mittheilungen: 

1.  Handschriften  und  Handschriftliches  aus  und  über  Aachen  in 

der  Amploniana  zu  Erfurt.    Von  H.  Loersch 220 

2.  Die  Aachener  Rathswahlen  in  den  Jahren   15H1   und   1582. 
Von  J.  Hansen 222 

3.  Ein  böhmisches  Adelsgeschlecht,  das  aus  Aachen  8tamm(*n  soll. 
Von  W.  Hieke 237 

4.  Der  Eid  des  Vicedominus  beim  Aachener  Marienstift.     Von 

St  Beissel  S.  J 244 

5.  Zur  Geschichte  der  Familie  Wildt.    Von  A.  Hcusch  .    .    .    245 
7.  Literatur: 

1.  K.  SchellhasB,  Das  Könignlager  vor  Aachen  und  vor  Frankfurt 
in   seiner   rechtsgeschichtlichen   Bedeutung.     Angezeigt    ytm 

H.  Loersch 248 

2.  H.  F.  Macco,  Beiträge  zur  Genealogie  rheinischer  Adel»'  and 
Patrizierfamilien.    Bd.  IL   Angezeigt  von  E.  von  Oidtroan    252 

3.  F.  J.  Kelleter,  Die  Landfriedensbünde   zwischen   Maas   und 
Rhein  im  14.  Jahrhundert    Angezeigt  von  H.  Loers^'h  .     .     256 

4.  K.  HöhlbanuL.  Mittheilungen  auh  dem  Htadtarchiv  von  KiCAu. 

Bd.  I--V-     Angezeigt  von  H.  Loersch 2^7 

5.  fi.  Schwenger,  Jahresbericht  über  das  Kai«^;r'iCarl»^)ymnai'Jum 
zu  Aachen  für  das  .Schuljahr  16%7;&8.    Hierbei:  Urkaii'iJi/;h'rt« 

zur  GfT^:hithi»i  d*fr  Anstalt     Angezeigt  von  H.  Loersch      .    2*J1 

6.  K.  Lampr*:;<bt  Skizzen  zur  Rheixiivrb'-D  Gevrhi'  bl*:.  Angez^^igt 

vo«  J.  Hangen 2*i2 

7.  De  :M44  Aken«     Aa<:bf:n   vor   250  J-^hrtfU.     Pb'y*'>»litb//«Ta|#bi* 

von  H.  lii^Ardt     An^-iz^igt  r*m  R.Pi'k 2*/i 

9.  An*  Zrrit-^,L.nft*rn-     \*m  H  Loersch  uiA  K,  Pi    k.     ,     -     -  2^ 

i  Fnz-M J'% 

$.  Ckr^.cJk  4-*  \^  Lf:Zi^r  G»r-^L:  Ll^v-rr*;-!.«  I^-T  »ij 27^ 

10-  V«^zr#.i;.-^  'i'T  M^v-r^'rr ^".1 


QUAUTT  CONTROL  MARK 


Zur  Erinnerung  an  Alfred  von  Renmont. 

Vortrag  grehalten  in  der  Generalversammlung 
des  Aachener  Gescliichtsvereins  am  10.  November  1887. 

Von  H.  Loersch. 

Am  3.  Mai  1883  vereinigten  sich  die  Vertreter  unserer 
Stadt  und  der  Regierungsbehörden  mit  den  Abgesandten  zahl- 
reicher wissenschaftlicher  Korporationen  und  Gesellschaften,  um 
dem  damaligen  Präsidenten  unseres  Vereins  ihre  Huldigungen 
darzubringen.  Es  galt  der  Feier  seines  fünfzigjährigen  Doktor- 
jubiläums. Mehr  noch  als  die  Vaterstadt,  welche  ihn  zum 
Ehrenbürger  ernannte,  nahmen  durch  zahllöse  Zeichen  der 
Anerkennung,  durch  glückwünschende  Zuschriften  und  Depeschen 
die  Fürstenhäuser  Deutschlands  und  der  Nachbarländer,  an  ihrer 
Spitze  der  Kaiser  und  die  Kaiserin  des  deutschen  Reiches,  die 
Universitäten  und  Akademien,  die  Vertreter  von  Kunst  und 
Wissenschaft  des  In-  und  Auslandes  Theil  an  diesem  Feste.  Mit 
vollster  Ueberzeugung  konnte  unser  Vorstand  dem  Manne,  dem 
dies  alles  entgegengebracht  wurde,  warmen  Dank  dafür  aus- 
sprechen, dass  er  dem  jungen  Verein  den  Glanz  seines  Namens 
geliehen,  und  mit  Stolz  darauf  hinweisen,  dass  seinem  Präsidenten 
für  alle  Zeiten  ein  hei^vorragender  Ehrenplatz  gesichert  sei  in 
der  Literatur  zweier  grossen  Nationen. 

Vier  Jahre  später  erneuten  sich  in  gleichem  Masse  die 
Kundgebungen  der  Theilnahnie,  aber  sie  waren  jetzt  anderer 
Art;  sie  galten  nunmehr  dem  Todten,  der  am  Schlüsse  eines 
langen  Lebens  voll  Arbeit  und  Erfolgen  in  die  heimathliche 
Erde  gebettet  wurde. 

Unser  Verein  erfüllt  nur  eine  Pflicht  der  Pietät,  wenn  er 
bei  dem  ersten  Anlass,  der  ihn  seit  jener  Begräbnissfeier  vereinigt, 
dieses  Leben,  in  seiner  Arbeit  wie  in  seinen  Erfolgen,  sich  zu 

1 


2  H.  Luersch 

vergegenwärtigen  sucht.  Ich  rechne  es  mir  zur  Ehre  an,  Ihnen 
in  kurzen  Zügen  die  Laufbahn  Ilires  ersten  Präsidenten  schiliiem 
zu  dürfen,  wnd  bitte  nur  um  Ihre  Naclisiclit  dafür,  dass  diese 
Schilderung,  wenn  auch  mit  warmem  Herzen  entworfen,  so  weit 
davon  entfernt  ist,  den  liohen  Vorzügen  Alfreds  von  Renniont 
gerecht  zu  werden. 

Ich  lege  meinem  Vortrag  vor  Allem  zu  Grunde  eine  von 
dem  Verstorbenen  hinterlassene  Schilderung  seiner  Jugendjahre, 
welche  voraussichtlich  bald  gedruckt  werden  wird,  sowie  die 
Nachrichten,  die  er  über  sein  eigenes  Leben  in  dem  Buche 
mitgetheilt  hat,  das  er  König  Friedrich  Wilhelm  IV,  widmete. 
Ich  benutze  dann  an  vielen  Stellen  das  ganz  vorzüglicli  gelungene 
Lebensbild,  das  mein  Freund,  Herr  Gelieimrath  Hermann  Hüffer, 
in  der  Münchener  .allgemeinen  Zeitung  veröffentliclit  hat,  und 
darf  mich  endlich  für  manche  Einzelheit  auf  die  zahlreichen 
Briefe  und  alle  die  Erinnerungen  stützen,  welche  aus  mehr  als 
zwanzigjährigem  Verkehr  mit  meinem  väterlichen  Freunde  mir 
als  tlieure  Andenken  geblieben  sind. 

Alfred  Reumout  wurde  am  15.  August  1808  geboren.    Das 
Elternhaus,  die  Art,  wie  er  die  frühesten  Jugendjahre  verlebte, 
haben  von  vorn  herein  fördernd  und  die  zukünftfge  Entwicklung 
glücklich  bestimmend  auf  ihn  eingewirkt.     Der  erste   Unter- 
richt, den  er  genoss,  war  Privatunterricht,  welclier  auch  fort- 
gesetzt wurde,  naclidem  er  in  die  von  Vikar  Scheen  geleitete 
S(!hule  eingetreten  war,  und  sich  allmählich  auch  auf  Griechiscli, 
Engliscli,  Naturgescliiclite  und  Geograpiiie  erstreckte.    Gut  vor- 
bereitet,   trat  der  zw^Ölfeinhalbjährige  Knabe  zu  Ostern    1821 
in  die  Quarta  des  Aacliener  Gymnasiums  ein.     Diese  Anstalt, 
aus  einer  1805  im  Augustinerkloster  eiTicIiteten  französischen 
Sekundärschule  hervorgegangen,  war  in  jener  Zeit  noch  in  einem 
wenig  erfreulichen  Zustand,   der  sich  jedocii  bereits  durch  die 
Heranziehung  jüngerer  Kräfte  allmählich  zum  Bessern  wandte. 
Bis  zum  Herbste  1824  hatte  Reumont,  der  stets  mit  Dankbarkeit 
entlich  des  um  die  Aachener  Geschichte  ver- 
Quix  gedachte,    säinmtliche  Klassen  durch- 
iber  den  ci-st  Secliszehnjährigeu  nicht  wohl 
ulcn  konnte,  wurde  er  einstweilen  im  elter- 
ckbchalten.     Der  Vater,  Gcrlianl  Reumont, 
1  vorigen  Jahrhunderts  als  praktischer  Arzt 
mit  grossem  Erfolg  thätig,   hatte  während 


Zur  Erinuerung  an  Alfred  von  Reumont.  8 

der  schlimmsten  Jahre  der  französischen  Revohition  zuerst  in 
Paris,   dann   in   Edinburg  studirt,    zahlreiche   Verbindungen   in 
Frankreich  und  England  angeknüpft,  die  er  auch  in   spätem 
Jahren  aufrecht  erhielt.    So  wurde  sein  Haus  stets  von  Fremden 
aufgesucht,    für  die   Aachen   als  Badeort  nach  den  unruhigen 
Zeiten  der  politischen  Umwälzungen  wieder  die  alte  Anzieliungs- 
kraft  ausüben  konnte.    Angesehene,  hocligebildete,  zum  Theil 
hervorragende  Personen   aus  aller  Herren  Ländern  hat  Alfred 
hier  schon  als  Knabe  in  grosser  Zahl  kennen  gelernt.    Einer 
dieser  Freunde,    Frederick  North,    später  Graf  von  Giulford, 
wollte  den  jungen  Abiturienten  schon  im  Herbst  1824  mit  sich 
nach  Korfu  nehmen,  wo  er  eine  griechische  Universität  gegründet 
hatte.    Die  Unmöglichkeit,  den  nöthigen  Pass  rechtzeitig  von 
Berlin  za  erhalten,    vereitelte  diesen  Plan.    So  blieb  Reumont 
denn   zunächst  in  Aachen,    ohne   eigentliche   Leitung,    da  der 
Vater  zu  sehr  durch  seineu  Beruf  in  Anspruch  genommen  war, 
den   verschiedenartigsten  Studien,   vor  Allem  einer  sehr  viel- 
seitigen Lektüi'e  aufs  Eifrigste  sich  hingebend.    In  jener  Zeit 
hat  er  zu  der  ganz  ausserordentlichen  Kenntniss  deutscher  und 
ausländischer  Literatur,  welche  ihn  stets  auszeichnete,  den  ersten 
Grund   gelegt.*    In   dieser   Richtung   wirkte   aber   auch   noch 
Anderes  auf  ihn  ein.    Aachen  war  allmälilicli  in  bis  daliin  fast 
völlig   unbekannte   Beziehungen   zur   deutschen   Literatur   und 
Kunst  getreten.    Hier  vermittelten  das  am  15.  Mai  1825  eröffnete 
Theater,  das  im  selben  Jalire  zum  ersten  Mal  gefeierte  Musik- 
fest die  Beziehungen  zur  Aussenwelt,  wählend  einige  einlieimische 
Arbeiter  wie  Nolteu,  Ritz  und  Quix  auf  kunsthistorischem  und 
liistorischem  Gebiet  ihre  Thätigkeit  entfalteten.    Für  die  schöne 
Literatur  wurde  Reumont  gewonnen  durch  den  in   ihr  wohl- 
bewanderten   Arzt  Karl   Günther   und    den   jiuigen   Literaten 
Johann   Baptist   Rousseau,    unter    dessen    Leitung    seit    dem 
I.Januar  1825  die  Rheinische  Flora  in  Aachen  erschien.    Den 
Schicksalen  dieser  nur  etwa  zwei  Jahre  blühenden  Zeitsclirift, 
den  Verhältnissen,  unter  welchen  sie  erschien,  wie  den  Persön- 
Uehkeiten,  die  in  nähere  oder  fernere  Berührung  zu  ihr  und 
üirem  Leiter  traten,   hat  Reumont  in  unserer  Zeitschrift  eine 
liebenswürdige  Schilderung   gewidmet,    der   er   freilich   seinen 
Namen  nicht  beigesetzt  hat,  die  aber  in  unsern  Tagen  er  allein 
noch  liefern  komite.    Rousseau  hat  in  gutem  wie  im  schlimmen 
Sinne  auf  ihn  eingewirkt.  Ihm  vorzugsweise  dankte  er  zwar  die 

1* 


4  H.  Loersch 

Bekanntschaft  mit  der  vaterländischen  altern  und  neuem  Literatur 
und  nützliche  Anregung  zu  schriftlichen  Arbeiten;  —  schon  damals 
hat  er  zahlreiche  kleine  historische  und  kritische  Versuche, 
poetische  Uebersetzungen  aus  dem  Englischen  und  Französischen, 
Theaterkritiken  und  Aehnliches  verfasst  —  aber  er  gerieth  auch 
viel  zu  tief,  wie  er  selbst  sagt,  in  die  dramatische  Literatur 
jener  Tage  hinein,  verlor  viele  Zeit  für  Journalistik  und  Theater- 
wesen. Er  bezeichnet  jene  Periode  geradezu  als  die  bedenk- 
lichste seines  Lebens,  und  es  ist  ein  Glück  gewesen,  dass  er 
bald  in  neue  Verhältnisse  eintrat. 

Achtzehnjährig  bezog  er  im  Herbst  1826  die  Universität  Bonn, 
wo  er  die  nächsten  drei  Semester  immatrikulirt  blieb.  Er  selbst 
hatte  den  Wunsch  gehegt,  Geschichte  und  Philologie  zu  studiren, 
der  Vater  aber  wünschte,  in  ihm  sich  einen  Nachfolger  zu 
erziehen.  So  hörte  er  denn  vor  Allem  Vorlesungen  aus  dem 
Gebiete  der  Naturwissenschaften,  unterliess  es  aber  nicht,  der 
innersten  Neigung  folgend,  sich  mit  Geschichte  und  Literatur 
zu  beschäftigen.  Dabei  wurden  mit  Genossen  und  Freunden 
zahlreiche  Ausflüge  in  die  Thäler  des  Rheins  und  seiner  Neben- 
flüsse gemacht.  Die  Ferien  verbrachte  R^umont  in  Aachen ;  im 
Herbst  1827  wurde  ihm  hier  Gelegenheit  geboten,  mit  einem 
ebenso  tüchtigen  wie  liebenswürdigen  Schotten,  William  Craufurd, 
die  schon  vor  mehrern  Jaliren  begründete  Freundschaft  zu  er- 
neuern. Reumont  sagt  von  ihm,  dass  es  einen  Mann  von  gütigerm 
Herzen  und  reinerm  Wohlwollen  nie  gegeben  habe.  Bald  sollte 
dieser  Mann,  mehr  als  irgend  Jemand,  bestimmend  in  seine 
Geschicke  eingreifen. 

Während  der  Osterferien  1828  trat  der  jimge  Student  in 
freundschaftliche  Beziehungen  zu  dem  vorübergehend  in  Aachen 
anwesenden  Wilhelm  Bernhardi  und  zu  dem  bis  an  sein  Lebens- 
ende hier  verbliebenen  spätem  Redakteur  der  Aachener  Zeitung, 
Louis  Lax,  während  er  in  einer  Schrift  des  Vaters  über  die 
Aachener  Quellen  den  topographischen  Theil  bearbeitete. 

Das  Sommersemester  des  Jalires  1828  wurde  in  Heidelberg 
verbracht,  zugleich  mit  dem  Aachener  Albert  von  Thinius  und 
dem  Koblenzer  August  Reichensperger,  welche  durch  innige 
Freundschaft  verbimden  waren.  Empfehlungen  an  hervor- 
ragende Mediziner  öfi'neten  Reumont  weite  Kreise,  eine  solche 
an  Friedrich  Christoph  Schlosser  brachte  ihn  zu  diesem  hervor- 
ragenden Historiker  in  nahe  Beziehungen,  aus  welchen  die  alte 


Zur  Erinnerung  an  Alfred  von  Reumont  5 

Vorliebe  für  gescliichtliehe  Studien  neue  Nahrung  zog.  Auch 
nianclie  andere  geistig  fordernde  Verbindung  wurde  hier  geknüpft. 
Im  August  1828  kehrte  der  Student  wohlgemuth  heim;  auf  der 
Durchreise  in  Bonn  besuchte  er  ahnungslos  eine  ihm  bekannte 
Bucldiandlung  und  erfuhr  hier  den  Tod  seines  Vaters  —  der 
Brief,  der  ihm  Nachricht  von  dessen  Erki-ankung  bringen  sollte, 
liatte  ihn  nicht  erreicht. 

Die  Verhältnisse  der  Mutter,  welche  mit  sechs  Kindern 
zurückblieb,  gestatteten  eine  Fortsetzung  der  Studien  nicht. 
Notligedrungen  blieb  Alfred  in  Aachen ;  Ertheilen  von  Unterricht 
und  literarische  Thätigkeit  sollten  ihm  einigen  Erwerb  bringen. 
So  entstand  sein  erstes  Buch,  das  der  Vaterstadt  und  ihren 
Erinnenuigen  gewidmet  wurde :  Aachens  Liederkranz  und  Sagen- 
welt. Den  schwunghaften  Prolog  dichtete  J.  B.  Eousseau,  mancher 
Freund  hatte  dem  Verfasser  treue  Hülfe  und  einen  literarischen 
Beitrag  geleistet  —  von  ihnen  allen  lebt  unter  uns  nur  noch 
Wilhelm  Weitz,  den  die  Vorrede  anerkennend  nennt.  Als  Ein- 
leitung ist  vorausgeschickt:  Karls  des  Grossen  Leben  und 
Thaten  —  die  erste  geschichtliche  Arbeit  Reumonts,  welche 
ziun  Theil  sich  bereits  auf  den  ersten  Band  der  Monumenta 
Germaniae  stützen  konnte,  die  neueste  Literatur  gewissenhaft 
benutzt,  schon  vielfach  Zeugniss  ablegt  für  gute  Methode  und 
gesunde  Kritik.  Es  folgt  eine  chronologische  Uebersicht  der 
(lescliichte  Aachens,  dann  unter  der  Bezeichnung  „Liederkranz" 
eine  Zusammenstellung  von  auf  Aachen  bezüglichen  Gedichten, 
schliesslich  eine  Reihe  von  Gescliichten,  Sagen  und  Legenden. 
Der  Anhang  bringt  ein  auf  Aachen  bezügliches  Stück  aus  einem 
Briefe  Friedrichs  von  Schlegel,  Bemerkungen  über  die  Aachener 
Mundart  von  WiUielm  Weitz  und  eine  kleine  Sammlung  Aachener 
Sprichwörter.  So  ist  das  unscheinbare  Buch  beschaffen,  welchem 
so  bedeutende  Leistungen  folgen  sollten.  Auch  an  der  in  den 
drei  Sommermonaten  des  Jahres  1829  erscheinenden,  grössten- 
theils  von  seinen  Freunden  dem  Engländer  White  und  dem 
Referendar  von  Normann  geschriebenen  Lorgnette,  deren  Kritiken 
und  Nachrichten  vielfach  Aufsehen,  bisweilen  sogar  Anstoss  und 
Aergerniss  erregten,  hat  Reumont  sich  betheiligt.  Ln  Herbst 
dieses  Jahres  machte  er  einen  kurzen  Ausflug,  der  ihn  bis 
Frankfurt  führte.  Bei  der  Heimkehr  fand  er  einen  Brief  vor, 
der  über  seine  ganze  Zukunft  entschieden  hat :  die  Aufforderung, 
nach  Italien  zu    kommen.     John  Craufurd,    Schatzmeister   der 


6  H.  Loersch 

Jonisclien  Inseln,  der  einen  Theil  des  Jahres  in  Florenz  lebte, 
war  durch  seinen  bereits  genannten  jungern  Bruder  William  auf 
Reumonts  Lage  aufmerksam  gemacht  worden.  Er  lud  ihn  ein,  in 
sein  Haus  zu  kommen,  um  seinen  beiden  altern  Söhnen  Unterriclit 
zu  ertheilen,  bis  sich  irgend  eine  mehr  zusagende  und  fördernde 
Stellung  für  ihn  finden  würde.  William  Craufurd  unterstützte 
den  Vorschlag  durch  ein  von  London  abgesandtes  Schreiben-, 
dem  gleich  das  Reisegeld  beigefügt  war. 

„Mein  Entschluss"  —  so  schreibt  Reumont  in  der  erwäluiten 
Aufzeichnung  —  „war  bald  gefasst.  Es  schien,  als  sei  ich 
bestimmt,  nach  dem  Süden  zu  ziehen.  Mein  Universitätsleben 
war  seit  einem  Jahre  unterbrochen  luid  mir  fehlten  die  Mittel 
es  wiederzubeginnen ;  zum  Eintritt  in  die  ärztlich  militärische 
Oarriere,  die  mir  in  Aussicht  gestellt  ward,  fehlte  es  mir  an 
Gesundheit.** 

„Wenn  ich  damals  im  Vaterland  blieb,  wäre  ich  entweder 
in  einen  Stand  getreten,  zu  welchem  keine  Neigimg  mich  zog 
und  wofür  meine  körperlichen  Kräfte  nicht  ausgereicht  haben 
würden,  oder  ich  wäre  in  das  Literaturwesen  liineingezogen 
worden,  welches  noch  weniger  Heil  versprechen  konnte." 

„Mein  Abschied  von  der  Heimath  im  einundzwanzigsten 
Jalire  und  zunächst  fünfjährige  Abwesenheit  unter  Umständen, 
die  meine  Beziehungen  zu  derselben  nicht  nur  nicht  unterbrachen, 
sondern  neue,  unendlich  wichtigere  und  fruchtreichere  anknüpfen 
Hessen,  hat  meinem  Leben  die  bestimmende  Richtung  gegeben, 
mir  zum  Heil,  Anlass  zu  innigem  Dank  gegen  die  Vorsehung. 
Ich  hatte  Vieles  gelernt;  in  das  Leben  in  weiterem  und  rechtem 
Sinn  war  ich  aber  noch  nicht  eingetreten.  Es  sollte  unter 
Verhältnissen  geschehen,  wie  sie  nicht  allzu  Vielen  geboten  sind, 
auf  einem  Boden,  wie  er  nicht  günstiger  sein  konnte.** 

Reumont  hatte  am  17.  November  Aachen  verlassen;  in  den 
ersten  Tagen  des  Dezember  traf  er  in  Florenz  ein.  Nicht 
lange  dauerte  sein  Aufenthalt  im  Hause  des  gütigen  Mannes, 
der  ihm  Gastfreundschaft  geboten  hatte.  Schon  nach  wenigen 
Wochen  trat  er  als  Privatsekretär  in  den  Dienst  des  preussischen 
Gesandten  Friedrich  von  Martens,  dem  ein  ständiger  Legations- 
sekretär nicht  beigegeben  war  imd  der  ihn  statt  eines  solchen 
verwandte.    Mit   überraschender  Leichtigkeit  fand  er   sich    in  \ 

dieser  Stellung  unter  einem  in  den  Formen  äusserst  sichern  und 
gewandten  Vorgesetzten  zurecht.    Bis  zum  Frühjahr  1885  ist 

I 


Zur  EriiiS*rTLiLj  ia  Alfr^-i  v-  a  K*  rii^  su  T 

Reumont  dann  im  Süden  :reMiel>en.  im  Herh>t  1S;»2  boirloitoto 
er  Herrn  von  ilartens,  der  zum  Ge>;indteu  l*ei  der  hohen  Pforte 
ernannt  war,  nach  Ki»nstantinoi«el,  verliess  ihn  alK*r  im  Souuuer 
1833,  um  bei  dem  neuen  prenssixhen  Ge:^*haftstrairer  in  Florenz, 
dem  Legationsrat h  Graf  Karl  Schaffg»itsch,  wiederum  ilie  Sekretär- 
stelle einzunehmen. 

In  diesen  ersten  fünf  Jahren  ist  der  Gnmd  srelegt  worden 
zii  den  Studien,  denen  der  be<leutendste  Theil  des  Lehens  unseivs 
Landsmannes  in  Zukunft  gewidmet  sein  sollte,  zu  der  Stellung, 
welche  er  in  der  Wissenschaft  wie  in  der  Gesellschaft  einzu- 
nehmen bestimmt  war.  Eine  grosse  Zahl  der  hervorragendsten 
deutschen  Männer,  damals  in  frischer  Jugendknift,  aufl)lUhenden 
Studien  imd  mächtig  sich  entwickelnden  Bestrebungen  hingegeben, 
Historiker,  Philologen,  Archäologen,  Künstler  besuchten  in  jener 
Zeit  Italien  und  berührten  Florenz,  zum  Theil  in  längerm  Auf- 
enthalt. Mit  ihnen  allen  knüpfte  Reumont,  der  in  seiner  Stelhmg 
nmnchen  Dienst  leisten  konnte,  enge  Beziehungen  an,  die  bei 
Manchen  sich  das  ganze  Leben  hindurch  fortsetzen  sollten 
ich  nenne  nur  zwei  Namen:  Leopold  von  Ranke,  der  im  Jahre 
1830  mehrere  Monate  in  Florenz  war,  Karl  Witte,  <len  bedeutenden 
Dante  forscher.  Aber  auch  zu  den  Italienern,  vor  Allem  zu  (lino 
Capponi,  der  als  die  in  jeder  Richtung  hervorragendste  Persön- 
licldceit  seiner  Vaterstadt  den  Mittelpunkt  eines  weiten  Kreises 
von  Gelehrten  imd  Politikern  bildete,  zu  den  Mitarbeitern  der 
von  Vieusseux  begründeten  Antologia,  trat  er  in  enge  Beziehungen, 
die  ihn  in  die  italienische  Literatur  und  Kunst  einführten.  Unaus- 
gesetzt hat  er  neben  seinen  Berufsgeschäften  wissenKchaftüch 
gearbeitet;  schon  1880  übergab  er  der  Antologia  die  BeH[>rechung 
eines  Buches  —  das  P>ste,  was  von  ihm  in  italienischer  S|)racli(; 
gedruckt  worden  ist.  Am  3.  Mai  1H33  wurde  er  in  Kriangen 
zum  Doktor  der  Philosophie  promovirt,  im  Auffing  diesfH  .lalin-n 
hatte  bereits  die  ehrwürdige  historiwhe  GeM'llscIiaft  (!olurnburia 
zu  Florenz  ihn  zum  Mitglied  erwühlt. 

Im  Frühjahr  1835  kehrte  lU'umnut  für  ein  Jahr  narli 
Deutschland  zurück,  um  in  das  Ministerium  de«  Au-warti^/^n 
einzutreten.  Der  Aufenthalt  in  Berlin  i.'<"talt<'te  hir-h  ihm  durrh 
das  grosse  Wohlwollen  des  Mini^ter-  Kri'-drirh  \ut\\l,ti  x-i 
einem  ausserordentlich  nützlichen  und  fru'h'ban'u.  M-'-'li'- 
Italien  angeknüpfte  Bezieliiing'-n  wurd^-n  hi'r  Uf*-*,;.'*.  ■  - 
neuen  mehrten  sich  in  raschert^T  K'-;"-*     ^'n   10,  J. ;  .  '    >   " 


8  H.  Loersch 

wurde  er  von  dem  damaligen  Kronprinzen  Friedrich  Wilhelm 
in  Audienz  empfangen;  er  überreichte  zwei  nicht  lange  vorher 
von  ihm  herausgegebene  Schriften:  Andrea  del  Sarto  und  die 
Reisesohilderungen  mid  Umrisse  aus  südlichen  Gegenden;  sie 
boten  den  Stoff  der  Unterhaltung,  welche,  wie  Hüffer  treffend 
bemerkt,  somit  schon  Dinge  berührte,  die  in  spätem  Zeiten 
den  Lieblingsgegenstand  derselben  wesentlich  gebildet  haben. 
Zunächst  freilich  blieb  diese  erste  Begegnung  für  lange  Zeit 
auch  die  letzte. 

Schon  im  Sommer  1836  sandte  nämlich  der  Minister  des 
Auswärtigen  ßeumont  als  Geheimen  expedircnden  Sekretär  nach 
Italien  zurück.  Die  Eeise  führte  über  Aachen,  Brüssel  imd 
Paris;  hier  schloss  sich  ein  anderer  Aachener,  der  x\rzt  Klemens 
August  Alertz,  an,  der  nach  Rom  ging,  um  Papst  Gregor  XVI. 
zu  behandeln.  Auch  Reumont  begab  sich,  da  Graf  Schaffgotsch, 
der  Gesandte  in  Florenz,  beurlaubt  war,  nach  Rom.  Hier  wurde 
er  von  Josias  Bunsen  zu  den  Geschäften  herangezogen,  bis  dieser 
Ende  April  1837,  in  Folge  der  Wendung,  welche  die  Kölner 
Frage  herbeigeführt  hatte,  Rom  verliess.  Ueber  ein  Jahr  war 
Reumont  dann  in  Florenz  thätig;  im  Herbst  1839  wurde  er 
nochmals  der  römischen  Gesandtschaft  zugetheilt,  an  deren 
Spitze  nunmehr  der  Geschäftsträger  Herr  von  Buch  stand,  der 
in  den  zwanziger  Jahren  Regierungs- Referendar  in  Aachen 
gewesen  und  also  ein  alter  Bekannter  war.  Bis  1843  ist 
Reumont  in  der  Stellung  als  Legationssekretär  verblieben. 

In  diese  Zeit  fällt  bereits  eine  bedeutende  literarische 
Thätigkeit  und  der  Beginn  der  vermittelnden  Stellung,  welche 
er  zwischen  der  Wissenschaft  Deutschlands  imd  Italiens  einzu- 
nehmen bestimmt  war.  Zu  den  in  Florenz  und  Berlin  erworbenen 
Erfabrimgen  traten  in  Rom  neue  Anregungen,  neue  Beziehungen. 
Hier,  wo  ihm  die  beste  Gesellschaft,  die  vornehmsten  Kreise 
geöffnet  waren,  trat  er  mit  unzähligen  Gelehrten  und  Künstlern, 
Fürsten  und  Diplomaten  aus  allen  Ländern  in  Verkehr.  Noch 
im  Jahre  1836  hatte  der  Kronprinz  ilim  eine  Medaille  gesandt 
und  auf  Friedrich  Wilhelms  Anregung  begann  nun  seinerseits 
eine  Berichterstattung  über  literarische  und  künstlerische  Gegen- 
stände, die  sich  Jahre  lang  bis  zu  den  schweren  letzten  Zeiten 
des  Königs  fortgesponnen  hat.  Auf  Reumonts  Anregung  erschienen 
1838  und  1840  zwei  Bände  einer  Zeitschrift  „Italia",  zu  der 
eine  Anzahl  deutscher  Gelehrten  und  Dichter,   die  sich  in   der 


Zur  Erinnerung  an  Alfred  von  Reumont.  9 

Liebe  zu  Italien,  wie  es  in  der  Vorrede  heisst,  vereinigten, 
Beiträge  lieferte.  Eeumont  schrieb  seinerseits  zahlreiche  Auf- 
sätze in  italienischen  Blättern,  und  zu  der  glänzenden  Florentiner 
Gelehrtenversainmlung  des  Jahres  1841  veröffentlichte  er  in 
italienischer  Sprache  einen  grossen  Quartband  von  chronologischen 
Tabellen  zur  Geschichte  von  Florenz,  welche  auch  Literatur 
und  Kunst  eingehend  berücksichtigen.  Schon  im  vorliergehenden 
Jahre  hatte  er  anonym  zwei  Bände  ^Römische  Briefe  von  einem 
Florentiner"  erscheinen  lassen,  denen  1844  zwei  weitere  folgten. 

Alle  diese  Arbeiten  legten  Zeugniss  ab  von  reichem  Wissen, 
namentlich  auch  auf  dem  Gebiete  der  Kunst.  So  ist  es  nicht 
zu  verwundern,  dass  Reumont  die  Stelle  eines  Direktors  der 
Kunstsammhmgen  in  Weimar  angetragen  wurde.  Die  Neigung 
für  den  preussischen  Dienst  Hess  ihn  jedoch  schwankcui  und 
eine  Anfrage  nach  Berlin  richten.  Der  Minister  des  AeusHcrn, 
Freiherr  von  Werther,  beantwortete  dieselbe  durch  definitivem 
Anstellung  in  der  politischen  Abtheilung  des  MinistcTiums; 
gleichzeitig  aber  sollte  Reumont  im  Kabinet  de«  Königs  Ver- 
wendung finden,  der  den  Wunsch,  ihn  in  Keinem  Dienst  zu 
behalten,  in  der  huldvollsten  Weise  ausdrückte. 

So  ging  denn  Reumont  nach  Deutschland  zurück.  Anfan^^'K 
September  1843  war  er  in  Berlin  und  verblieb  dort  bis  IH47; 
öfter  wurde  freilich  der  Aufenthalt  durch  Iteiwn,  einmal  im 
Sommer  1846  durch  die  Vertretung  eines  Legationsratlis  Ix'i 
der  Gesandtschaft  in  London  unterbrochen.  Durcli  wfine  ami- 
liehe  Stellung  trat  er  in  enge  Beziehungen  zum  Könige;  er 
hatte  über  literarische  Angelegenheiten  und  eingcfMandt>e  Sc)irift<'M 
zu  berichten,  was  meist  Abends  geschah,  im  kleinht>*n  Kn'i-<' 
der  königlichen  Familie,  zu  deren  regelmässigen  (iüMou  <'r 
gehörte.  In  den  gebildeten  Kreisen  der  Hauptsta^It  wurd**  *'r 
namentlich  bekannt  durch  seine  Theilnahme  an  i\(*u  Vorlr;i;r<'n 
in  der  Singakademie;  für  die  Feste  des  Hof*'H  wurde  M'in 
dichterisches  Talent  vielfach  verwerthet  —  am  24.  Vchrunr  1810 
trug  er  die  von  ihm  selbst  verfasste  poetivthe  KrkUniw/  '/m 
den  glänzenden  lebenden  Bildern  vor,  welrhe  im  W<'i*-<'n  '*a;i!e 
aufgeführt  wurden.  Es  ist  das  erste  Hoffest  m'^t-^tu.  d*'."i, 
damals  sechszehn  Jahre  alt,  der  heutige  Kronprinz  d**  D"Mt- 
sehen  Reiches  beigewohnt  hat. 

Im  Jahre  1845  war  Reumont  im  (befolge  d«-«*  Ko;,;/-.  "-  * 
dieser  am  11.  August  hier  in  Aachen  die  K*fu\7M  Vik^'-ri»  ''  * 


10  H.  Loersch 

England  empfing;  im  Herbst  1847  begleitete  er,  unterdessen  in 
den  Adelstand  erhoben,  den  König  und  die  Königin  auf  einer 
kurzen  Reise  durch  Norditalien.  Beurlaubt,  brachte  er  den 
folgenden,  so  unruhigen  Winter  theils  in  Florenz  theils  in  Rom 
zu,  auch  in  nicht  amtlicher  Eigenschaft  Berichte  nach  Berlin 
sendend,  wo  er  erst  im  Juli  1848  wieder  eintraf,  nachdem  hier, 
wie  im  übrigen  Deutschland,  wie  auf  dem  ganzen  Kontinent, 
die  wichtigsten  Veränderungen  stattgefunden  hatten.  Schon 
im  folgenden  Oktober  kehrte  er,  als  Legationsrath  zur  Gesandt- 
schaft in  Rom  versetzt,  nach  Italien  zurück.  In  dieser  Stellung 
erlebte  er  die  bedeutsamen  Umwälzungen  jener  Tage.  Den 
grössten  Theil  des  Jahres  1849  und  die  ersten  Monate  des 
Jahres  1850  verbrachte  er  auf  ausdrücklichen  Befehl  des  Königs 
theils  in  Gaeta,  wohin  Pius  IX.  sich  bekanntlich  geflüchtet 
hatte,  in  dessen  Umgebung,  theils,  um  in  der  Nähe  des  Papstes  zu 
sein,  in  Neapel.  Der  lange  Aufenthalt  bot  reiche  Gelegenheit, 
den  Süden  Italiens  genau  kennen  zu  lernen,  imd  eine  Frucht 
desselben  ist  das  1851  erschienene  Werk:  Die  Carafa  von 
Maddaloni,  Neapel  unter  spanischer  Herrschaft. 

Einen  Tag  vor  dem  Papste  in  Rom  eingetroffen,  wohnte 
er  am  12.  April  1850  dessen  Einzug  bei  und  führte  dann  die 
Geschäfte  der  Gesandtschaft  statt  des  seit  Mitte  des  Jahres 
beurlaubten  Grafen  Usedom  bis  zum  Juli  1851.  Als  er  dann 
selbst  um  Urlaub  bat,  schrieb  ihm  der  König:  „Ihre  Geschäfts- 
führung, theuerster  Reumont,  war  meisterhaft.  Ich  habe  dieselbe 
mit  sehr  grosser  Befriedigung  beobachtet." 

Die  nächsten  Monate  verbrachte  Reumont  am  Hofe.  Im 
November  1851  erfolgte  seine  Ernennung  zum  Geschäftsträger 
für  Toskana,  Modena  und  Parma;  diese  Stellung  hat  er,  bald 
zum  Ministerresidenten  und  Geheimen  Legationsrath  befördert, 
inne  gehabt  bis  zum  April  1860,  In  Florenz  nahmen  ihn  der 
Grossherzog,  die  politischen  und  gelehrten  Kreise  als  einen  alten 
vertrauten  Bekannten  mit  Herzlichkeit  auf.  Als  im  Dezember 
1854  der  Tag  zum  fünfundzwanzigsten  Mal  wiederkehrte,  an 
dem  er  einst  unbekannt,  ohne  jede  Aussicht,  den  Weg  ins  Leben 
suchend,  die  Blumenstadt  am  Arno  betreten  hatte,  da  feierten 
nicht  nur  die  altern  Freunde  dieses  Jubiläum  durch  ein  von 
Gino  Capponi  veranstaltetes  Festmahl,  der  Grossherzog  sandte 
das  Komthurkreuz  seines  Ordens,  König  Friedrich  Wilhelm  IV. 
die  grossen  Medaillen  für  Wissenschaft  und  für  Kunst. 


Ziir  Eruinerung  an  Alfred  von  Reumont.  11 

Mehr  als  einmal  ist  aber  die  Amtsthätigkeit  in  Florenz 
unterbrochen  worden.  Im  Jahre  1855  war  Reumont  wieder  in 
der  Nähe  des  Königs,  der,  wie  seine  Gemahlin,  den  kenntniss- 
reichen, stets  Neues  und  Interessantes  bietenden  Begleiter  immer 
mehr  schätzen  lernte.  In  Köln  fand  die  Grundsteinlegung  für 
Brücke  und  Museum  statt,  die  hauptsächlichste  Veranlassung 
zu  einer  Rheinreise  des  Herrscherpaars,  welches  damals  zuletzt 
Aachen  besucht  hat.  Am  1.  Oktober  war  ein  glänzender  Empfang 
im  Präsidialgebäude.  Beim  Eintritt  in  den  Saal  überreichte 
der  König  dem  Solme  unserer  Stadt  den  Kammerherrnschlüssel, 
den  Werth  der  Anerkennung  durch  die  Wahl  des  Ortes  sinnig 
steigernd.  In  den  Jahren  1856  und  1857  begleitete  Reumont 
den  mehr  und  mehr  leidenden  König  nach  Marienbad  und  nach 
der  ersten  schweren  Erkrankung,  die  im  Juli  1857  auf  der 
Rückreise  von  Wien  eingetreten  war,  nach  Sanssouci.  Er 
reiste  dann  nach  Italien,  diesmal  um  auf  längere  Zeit  in  Rom 
den  beurlaubten  Gesandten  zu  vertreten.  Unterdessen  setzte  am 
6.  Oktober  1857  ein  Schlaganfall  der  Regierung  des  Königs  ein 
Ziel;  es  folgte  ein  langes  Kranksein,  so  schwer,  dass  der  vom 
Prinz-Regenten  sofort  ausgesprochene  Gedanke,  Reumont  in  die 
Gesellschaft  des  Monarchen  zu  berufen,  erst  im  Sommer  1858 
zur  Ausführung  kimuncn  konnte.  Am  20.  Juli  traf  er  beim 
Hoflager  in  Tegemsee  ein,  um  fast  em  Jahr  lang  sich  nicht 
mehr  von  seinem  königlichen  Gönner  zu  trennen.  Mit  unendlicher 
Hingabe  erfüllte  Reumont  seine  Pflichten.  Die  zunehmende  Ver- 
düsterung des  Gemüths,  die  ihm  selbst  deutlich  fühlbare  Abnahme 
von  Verständniss  und  Gedächtniss  hatte  für  den  König  qualvolle 
Zustände  zur  Folge,  in  welchen  der  einst  so  lebhafte  und  geist- 
volle Herrscher  die  Worte  verwechselte,  Orts-  und  Personen- 
namen nicht  zu  finden  vermochte.  Hier  war  Reumont  der  stets 
bereite  Helfer,  dessen  staunenswerthes  Gedächtniss,  dessen  aus- 
gebreitete Kenntnisse  Kombinationen  möglich  machten,  auf  die 
sonst  Niemand  verfollen  wäre.  Er  allein,  ausser  der  Königin 
Elisabeth,  konnte  die  Gedanken  des  Kranken  errathen,  sich  ihm 
verständlich  machen.  Ein  Besuch  von  Meran,  mehr  noch  ein 
längeres  Verweilen  in  Rom  und  Neapel  brachten  einzelne  bessere 
Tage,  keine  dauernd  günstige  Wendung  und  die  politisch(Mi 
Ereignisse  beendigten  den  Aufenthalt  des  Königs  in  Italien. 
Am  23.  April  1850  erklärte  Oesterreich  Sardinien  den  Krieg, 
wenige  Tage    später    war    die    grossherzogliche    Regierung    in 


12  H.  Loersch 

Toskana  gestürzt ;  während  ein  russisches  Kriegsschiff  den  König 
nach  Triest  führte,  blieb  Reumont  in  seiner  amtlichen  Eigenschaft 
in  Florenz,  wo  er  noch  ein  Jahr  lang  „Revolutionsstudien**  zu 
machen  Gelegenheit  liatte.  Nach  dem  Einzüge  Viktor  Emanuels 
im  April  1860  kehrte  er  nach  Deutschland  zurück.  In  Sanssouci 
sah  er  wiederholt  und  mit  tiefer  Betrübniss  den  kranken 
Fürsten,  dessen  körperliche  und  geistige  Kräfte  rasch  dahin- 
schwanden; als  er  sich  am  14.  Juni  von  ihm  verabschiedete, 
musste  er  daran  zweifeln,  ob  der  König  ihn  noch  verstanden 
habe.    Er  sollte  ihn  nicht  mehr  wiedersehen. 

Reumont  begab  sich  im  Herbst  nach  Rom,  wo  Herr  von 
Canitz  unterdessen  die  Gesandtschaft  übernommen  hatte.  Mit 
dem  1.  Januar  1861  wurde  er  zur  Disposition  gestellt.  Als  er 
den  König  nach  Italien  begleitet  hatte,  war  die  Verabredung 
getroffen  worden,  er  solle  nach  dessen  Heimkehr  den  Gesandt- 
schaftsposten in  Rom  einnehmen.  Aber  unendlich  viel  hatte 
sich  unterdessen  verändert  in  Italien  wie  in  Deutschland. 
Dem  Ministerium  Manteuffel  war  das  Ministerium  Hohenzollern 
gefolgt  —  Reumonts  politische  Ansichten  erschienen  zu  sehr 
Italiens  neuen  Verhältnissen  entgegengesetzt,  und  man  scheint 
auch  in  Berlin  Bedenken  getragen  zu  haben,  einem  Katholiken 
die  Vertretung  Preussens  beim  Papste  zu  übertragen.  So 
ist  es  unserm  Landsmanne  nicht  beschieden  gewesen,  die 
höchste  Stufe  der  praktischen  diplomatischen  Laufbahn  zu 
erreichen,  diese  hat  früher,  als  er  selbst  wohl  erwartet,  ein 
Ende  gefunden. 

Mit  Recht  hat  Hüffer  aber  hervorgehoben,  wie  diese  Wen- 
dung, wenn  man  seinen  Lebensweg  im  Ganzen  betrachtet,  nur 
als  ein  Vortheil  erseheinen  kann  —  jetzt  durfte  der  Diplomat 
dem  Gelehrten  den  Platz  einräumen. 

Auch  in  seiner  amtlichen  Stellung  ist  Reumont,  durch  viele 
günstige  Umstände  gefördert,  unausgesetzt  schriftstellerisch  thätig 
gewesen.  Einzelne  Werke  nannte  ich  bereits.  Von  1853—57 
erschienen  in  sechs  Bänden  die  Beiträge  zur  Italienischen 
Gescliichte  —  eine  Sammlung  von  Einzelarbeiten;  1854  die 
Jugend  Caterina's  de'  Medici,  1860  die  Gräfin  von  Albany. 
Bald  nach  dem  Eintritt  der  unfreiwilligen  Müsse  sanunelte  er 
noch  einmal  zerstreute  Arbeiten  und  schon  1862  erschienen 
die  Zeitgenossen,  eine  Reihe  von  biogi'aphischen  Bildern,  in 
zwei  Bänden. 


Zui"  Erinnerung  an  Alfred  von  Reumont.  13 

Da  wurde  ihm  im  Frühjahr  1863  durch  König  Maximilian 
von  Bayern  eine  geradezu  ungeheure  Aufgabe  gestellt.  Er  sollte 
eine  Geschichte  der  Stadt  Eom  für  einen  grossem  Leserkreis 
in  übersichtlicher  Darstellung  bearbeiten.  Den  durch  Fülle  und 
Grossartigkeit  geradezu  erdrückenden  Stoff  hat  Reumont  in  dem 
kurzen  Zeitraum  von  acht  Jahren  bewältigt:    von  1866 — 1870 
erschienen  die  vier  kolossalen  Bände  mit  mehr  als  3500  Seiten, 
in  welche  er  ihn  bannte.    Eine   staunenswerthe  Leistung,   zu 
der  kaum  ein  anderer  Bearbeiter,  der  so  gleichmässig  die  alte, 
die  mittlere  und  die  neuere  Zeit  beherrschte,   unter  den  Mit- 
lebenden hätte  gefunden  werden  können.  Während  der  Abfassung 
dieser  Arbeit  hat  Reumont  semen  Wohnsitz  mehrfach  gewechselt. 
Die  ersten  Jahre  nach  1861  hat  er,  vielfach  leidend,   theils  in 
Rom,  theils  in  Florenz,  theils  auf  Reisen  verbracht,  im  Früh- 
jahr 1865  sich  in  Aachen  häuslich  eingerichtet;  den  ereigniss- 
vollen Sommer  des  Jahres   1866  verlebte  er  bei  der  Königin 
Elisabeth  in  Sanssouci.    Im  folgenden  Jahre  reifte  allmählich 
der  Entschluss  der  Uebersiedlung  nach  Bonn  und  im  Oktober 
1868  zog  er  ein  in  sein  schönes  am  Hofgarten  gelegenes  Haus. 
Kurz  vorher  hatte  die  Bonner  philosophische  Fakultät  ihn  bei 
Gelegenheit  des  Universitätsjubiläums    zum  Doktor  promovirt, 
schon  1862  war  ihm  gleiche  Elu-e  von  Seiten  der  juristischen 
Fakultät  zu  Halle  widerfahren.  Zehn  Jahre  ungefähr  hat  Reu- 
mont in  Bonn  gewohnt  und  in  diese  Zeit  fällt  der  Höhepunkt 
seiner  wissenschaftlichen  Thätigkeit.  Kaum  war  1870  der  letzte 
Band  der  Geschichte  Roms  erschienen,  da  wandte  er  sich  mit 
fast  jugendlicher  Kraft  in  voller  Begeisterung  der  Stadt  am 
Arno  zu,  an  der  er  mit  berechtigter  Liebe  hing.    Es  entstand 
das  Buch  über  Lorenzo  de'  Medici,  das  nicht  bloss  die  einzelne 
PersönUchkeit,  sondern  das  Aufkommen   ihres  Geschlechts  und 
somit  die  Entwicklung  von  Verfassung,  Kunst  und  Wissenschaft 
in  Florenz  für  mehrere  Jahrhunderte  zeichnet.  Die  beiden  star- 
ken Bände  erschienen  1874;   kaum  hatten   sie  die  Presse  ver- 
lassen,  so  begann  der  unermüdUche  Gelehrte  ein  neues  Werk. 
Für  die  grosse,  früher  von  Heeren  und  Ukert,  jetzt  von  Giese- 
brecht  geleitete  Sammlung  übernahm  er  die  Geschichte  Toskanas 
seit  dem  sechszehnten  Jahrhundert.     Am  Schlüsse  des  Jahres 
1875  war  der  erste,    genau  ein  Jahr   später  der  zweite  Band 
fertig  gednickt.   Die  Vorarbeiten  eines  ganzen  Lebens  gelangten 
hier  zu  abschliessender  Verwerthung. 


14  H.  Loersch 

Neben  diesen  Leistungen  eines  staunenswerthen  Fleisses 
und  wunderbarer  Arbeitskraft  sind  nicht  nur  zahlreiche  kleinere 
Aufsätze,  Anzeigen  und  Kritiken  in  verschiedenen  Zeitschriften, 
sondern  auch  noch  einzelne  Bücher  erschienen,  wie  1872  die 
metrische  Uebersetzung  einer  Dichtung  des  fünften  Jahrhunderts, 
1877  die  Briefe  heiliger  und  gottesfürchtiger  Italiener. 

Im  April  1878  hat  Reumont  das  uns  allen  wohlbekannte 
Haus  bezogen,  das  er  sich  in  der  Vaterstadt  hatte  errichten 
lassen.  Er  folgte  dabei  den  Bitten  seiner  Verwandten,  nicht 
weniger  aber  auch  einer  innern  Neigung.  Ein  schöner  Zug 
seines  Charakters  ist  stets  die  ausgesprochene  Liebe  zur 
engem  Heimath  gewesen.  Zeugniss  legen  dafür  die  grossartigen 
Schenkungen  ab,  die  er  ihi*  in  seinen  letztwilligen  Verfügungen 
gewidmet  hat.  Er  hat  immer  und  überall  freudigen  Antheil 
genommen  an  Allem,  was  Aachen  betraf;  die  Stadt  wie  seine 
Aachener  Landsleute  —  ich  habe  das  mehr  als  einmal  dankbar 
empfunden  —  hat  er  gefordert,  wo  er  nur  konnte.  Dem  so 
lange  im  Auslande  lebenden  Manne  war  unser  Aachener  Deutsch 
stets  völlig  geläufig  geblieben;  in  heitern  Augenblicken  habe 
ich  klassische  Wendungen  von  ihm  gehört,  und  vom  Wesen 
unserer  Mundart  hat  er  eine  unübertreffliche  Schilderung  gegeben. 

Im  Jahre  1873  hatte  er  sein  kleines  Erstlingswerk  umge- 
arbeitet zu  einer  Aachener  Liederchronik,  die  manche  neue 
Gedichte,  nicht  wenige  von  ihm  selbst  verfasst,  enthält  und  der 
nun  als  einziger  Anhang  nur  eine  ausfülirlichere  Chronologie 
der  Geschichte  Aachens  beigegeben  wurde  —  eine  liebens- 
würdige Gabe  des  damals  mit  so  grossen  Vorwürfen  beschäf- 
tigten Gelehrten,  der  bald  nach  der  Rückkehi*  in  die  Heimath 
nun  auch  für  die  Förderung  der  lokalgeschichtlichen  Studien 
einzutreten  Gelegenheit  nahm.  Seine  Wünsche  begegneten  sich 
mit  denen  vieler  Aachener,  welche  es  schmerzlich  empfanden, 
dass  unsere  Stadt  im  Vergleich  zu  andern  weit  zurückgeblieben 
sei  in  der  Kenntniss  ihrer  grossen  Vergangenheit  und  der  Schick- 
sale ilirer  nächsten  Umgebung.  Als  den  Ausdruck  dieser  Gefühle 
und  der  Einsicht,  dass  hier  eine  Aenderung  zum  Bessern  statt- 
finden müsse,  ist  die  Gründung  unseres  Vereins  anzusehen. 
Dass  Reumont  an  dessen  Spitze  gestellt  wurde,  erschien  allen 
bei  der  Gründung  Betheiligten  nicht  nur  als  eine  selbstverständ- 
liche Huldigiuig,  sondern  auch  als  das  beste  Mittel,  die 
junge  Schöpfung  von   vorn  herein   auf  eine  höhere   Stufe  des 


Zur  Erinnening  an  Alfretl  von  Reunumt,  15 

Strebens  und  der  Wirksamkeit  zu  heben.    Was  Renmout  dorn 
Terein  gewesen,  ist  noch  zu  frisch  in  unserer  Erinnerung,   als 
dass  ich  darauf  einzugehen  hätte;  er  hat  Alles  gethan,  was  in 
seinen  Kräften  stand.    Dass  seine   Arbeit  vor  Allem  der  Zeit- 
schrift zugewandt  war,   liegt  in  der  Natur  der  Sache,    und  or 
hat  sie  mit  einer    langen    Reihe    von    grössern    und    kleinern 
Abhandlungen  geschmückt,    welche  sich  theils  auf  pei^iin liehen 
Erinnerungen  aufbauen,   theils  die  Beziehungen  hervorragender 
ausländischer,  namentlich  italienischer  Persönlichkeiten  zu  nnsoivr 
Stadt  betreffen,  theils  dem  Andenken  tüchtiger  Aachener  (Jelolir- 
ten  und   um  die  Stadt  verdienter  Personen  gewidnu>t  sin<l    So 
lange   es  ihm  seine  Gesundheit  erlaubte,    hat  Reunionl  unsere 
Versammlungen    geleitet,    mehr    als   einmal    auch   Vortrage    in 
denselben   gehalten.     Mehr    nach    dieser  Seite   hin    zu    leisten, 
hinderte  ihn    zunehmende  Kränklichkeit  und    die   NothwtMMJig- 
keit,    seine   seit   längerer  Zeit   schwächer   gewordene  SehkraH 
zu   schonen.     In   Bonn    schon    und   mehr    noch    in    AacIhMi    hat 
die    Rücksicht    auf    seine    Gesundheit    ihm    reg(»rn    gt^mdllKen 
Verkehr  untersagt.    Die  alten  in-  und  ausländischiMi  lli'/ii^liinigen 
hat  er  aber  aufrecht  erhalten  durcli  einen  überann  uinraiiKreicheii 
und  mit  grosser  Gewissenhaftigkeit  von   mMner  Seite  gopllopripn 
Briefwechsel,  nicht  am  wenigsten  aber  dundi  dit»  {{(•Ikimi,  dU»  »«r 
regelmässig  unternahm.     Bis  zum  Jahre   1H7IJ  ist  er  Ii/HjHk  «ler 
Gast  der  verwittweten  Königin  Elisabeth  gewem^n,  die  ihm  dank 
bare  Anhänglichkeit  ebenso  bewahrt  hat,  wi(j  dan  Kan/<«  kOhl« 
liehe  Haus.     Von  1866 — 1875   hat   er  jälirlicli    nadinTo  MonaM* 
in  Italien  verbracht,    meist  als  Gant   d<»H   Man'la'K«'  i'n\i\Hm\  In 
Florenz;  dieser  treue  Freund  starb   1870,  Mifd<Mu  wolinh«  Ken 
mont  auf  einem  Landsitz  der  Fainilie  Ki*Hpii/lio^i  Im'I  d<M' Mhidl, 
Ein  paar  Mal  suchte  er  auch  Fri'tw*Ut  in  Biarritz  tiuf.  haMJinI 
er  auch  1883  nach  seinem  Jubililum  ^Mbari,    Auf  tWr  l/i^khiH' 
von  dort  traf  ihn  in  Paris  ein  groHnen  lUr/Uak.    Am  2U.  Jmm), 
zu  derselben  Stunde,    in  der  Aachen   dan  h\u*  WitUr/^  uUi-n  tU  i 
Stadt,  die  Thürme  des  Rathhauses,  in  Stau»/   ntal  A.*'Im'  ^imPm» 
sah,  raubte  ein  plötzlicher  Bluterg-UBH  ihm,    i^'^   *f   <  */m*  mnmh 
befreundeten  Gelehrten  einen   Besuch   ab^t;»M/i>.     /jm-    -i|,h„fi 
des   rechten    Auges.      Unter    qualvollen    -or"//>o    l'*\nU     *' 
hierher    zurück    und,    nachdem     alle     Lind' r  .  /   ^  , .  ,. ,,.     , 
fruchtlos  ei-wiesen,   musste   im    Frühjahr    \^^i   '-^    >  ,/'    *  '- 
fernt  werden. 


16  H.  Loersch 

Eeumont  war  in  den  Jahren  des  Aachener  Aufentlialts  nicht 
weniger  tliätig  gewesen   als  in  Bonn,  auch  liier  war  fast  Jahr 
für  Jahr  ein  Buch  erschienen:    1878  die  Biographischen  Denk- 
mäler, 1880  die  Biographie  seines  edlen  Freundes  Gino  Capponi, 
1881  das  Leben  der  Vittoria  Colonna,  1883  die  zweite  Auflage 
des  Lorenzo   —   aber  eine  Aufgabe,   die  ihm  schon  lange  am 
Herzen  lag,   hatte  er  noch  nicht  erfüllt   —   die,    dem  Könige, 
dem  er  so  nahe  verbunden  und  für  so  Vieles  verpflichtet  war, 
ein  Denkmal  zu  setzen.  Er  hat  nicht  eine  Biographie  schreiben, 
nicht  die  politischen  Ereignisse  darstellen  wollen,  denen  er,  wie 
wir  gesehen  haben,  fern  geblieben  war.     „Seine  Absicht  war," 
sagt  Hüfi'er,  „den  Fürsten  zu  schildern,  der  ihm  sein  Vertrauen 
schenkte,  *acn  Beschützer  und  Pfleger  der  Wissenschaften  mid 
Künste,  inmitten  seiner  Familie,   seines  Hofes  und  der  ausge- 
zeichneten Männer,  die  sich  um  ilm  versammelt  hatten.   Er  wollte 
den  Menschen  schildern  in   den  Jahren  der  Hofl'nung  imd  des 
steigenden  Glanzes,  während  der  Prüfungen  einer  schweren  Zeit 
und  endlich  unter  dem  Druck  eines  Leidens,  für  dessen  Linderung 
der,  welcher  es  beschreiben  musste,  seine  besten  Kräfte  einge- 
setzt hatte."    Schon  1881  hat  er  mit  den  Vorarbeiten  zu  diesem 
Buche  begonnen,  der  Unglücksfall  des  Sommers  von   1888  hat 
die  Vollendung  verzögert,  aber  nicht  gehindert ;  trotz  der  körper- 
lichen Leiden,  die  auf  ihn  einstürmten,  konnte  er  es  Ende  1884 
der  Oeffentlichkeit  übergeben. 

Am  28.  Juni  1885  waren  dann  flinfzig  Jahre  verstrichen 
seit  Eeumonts  Eintritt  in  den  preussischen  Staatsdienst.  Er  bat 
nun  um  seine  formliche  Entlassung.  Der  Kaiser  benutzte  diese 
Gelegenheit,  seine  vielfachen  Verdienste  durch  die  Ernennung 
zum  Wirklichen  Geheimrath  zu  ehren.  Es  ist  mit  Recht  hervor- 
gehoben worden,  dass  dieser  Titel  für  einen  so  bedeutenden 
Schriftsteller  leicht  als  überflüssig  erscheinen  konnte,  dass  er 
aber  für  den  Staatsdiener  den  Abschluss  einer  ehrenvollen  Lauf- 
bahn und  eine  Art  Entschädigung  für  das  war,  was  ihm  vor 
fünfundzwanzig  Jahren  versagt  blieb. 

Selbst  in  dieser  letzten  Zeit  ist  Reumont  noch  wissenschaft- 
lich produktiv  geblieben.  Eine  Sammlung  von  Charakterbildern 
aus  der  neuern  Gescliichte  Italiens  erschien  1886  —  sie  enthält 
eine  Todtenschau,  und  zu  einer  solchen  fand  der  Greis  nun  mehr 
und  mehr  Anlass,  denn  die  Freunde  der  Jugendzeit  und  des 
Mannesalters   sanken   einer    nach    dem   andern   ins  Grab:    auf 


Zur  Erinnerung  an  Alfred  von  Reumont.  17 

Capponi  folgten  Witte,  Gachard,  endlich  Ranke,  der  älteste  von 
Allen.  Jedem  von  ihnen  hat  er  noch  in  biogfraphischen  Aufsätzen 
ein  Denkmal  pietätvoller  Erinnerung  gewidmet. 

Auch  für  ihn  nahte  das  Ende.  Der  plötzliche  Tod  der 
ältesten  Schwester  im  März  1885  hatte  ihn  tief  gebeugt,  die 
Kraft  der  Stimme  versagte,  die  Gebrechen  des  Alters  machten 
sich  mehr  und  mehr  geltend.  Im  vorigen  Jahre,  um  die  Mitte 
des  November,  erfolgte  ein  Schlaganfall,  der  die  rechte  Seite 
fast  völlig  lähmte.  Monate  hindurch  hat  der  gebrechliche  Kör- 
per noch  der  Auflösung  widerstanden,  Monate,  die  eine  Besserung 
nicht  mehr  bringen  konnten  und  dem  unverändert  klaren  und 
regen  Geiste  viele  Qual  bereitet  haben.  Mit  be^vundernswerthcr 
Energie  hat  auch  in  dieser  traurigen  Zeit  Eeumont  noch  kleine 
Abhandlungen  fertig  gestellt,  die  zum  Theil  erst  nach  seinem 
Tode  erschienen  sind,  Briefe  diktirt,  den  Arbeiten  Anderer  die 
liebevollste  Theilnahme  gewidmet.  Zwei  Tage  vor  seinem  Tode 
richteten  seine  kaum  verständlichen  Fragen  sich  nodi  auf  solche 
Dinge.  Erst  Ende  April  ist  er  von  seinen  Leiden  erlöst  worden. 
Seit  langen  Monaten  auf  den  Tod  gefasst,  durch  Haltung  und 
Geberde  dem  bei  ihm  betenden  Priester  volles  Verständniss  und 
Zustimmung  bekimdend,  ist  er  in  den  frühen  Morgenstunden 
des  27.  April  entschlafen. 

Ich  habe  nicht  viel  mehr  thun  können,  als  Ihnen  den  äuHsern 
Lebensgang  Reumonts  und  die  Fülle  seiner  wisw^nschaftliclMui 
Arbeiten  schildern.  Eine  eingehende  Würdigung  des  Manri(*H  und 
seiner  Werke  dürfen  Sie  in  dieser  kurzen  Stunde  nicht  erwarten. 
Seine  Persönlichkeit  verdient  unsere  höchste  Anerkennuni/.  Ein 
unvergleichliches  Gedächtniss,  unermüdlicher  Kleien,  eine  auH^*<*r- 
ordentliche  Willensstärke  haben  ihn  befalii^'l,  n^'ine  grot»H<fri 
Anlagen  in  hervorragender  Weise  zu  verwerth'-fL  Die  K/irgf'flltijr 
abgemessenen  Formen,  an  die  ihn  Beruf  und  SUtWnuir  frewöluil. 
hatten,  verdeckten  wohlthuende  Wärme  des  Herzi-n«,  aufriebt i^'c 
Theilnahme.  Er  ist  stets  bereit  gewesen  zu  helfen  und  zu 
fördern,  im  Leben  wie  in  der  Wissenschaft.  In  d^r  Form  win^r 
Darstellungen  zeigt  sich  immer  wohlthuendeMässiirur,^'  und  Mild/- 
—  aber  was  ihm  recht  und  richtig  erschien,  hat  <r  nie  u/,d 
nirgends  auszusprechen  und  zu  vertreten  sich  tr"-'!/'it,  M^ 
Offenheit  und  der  Freimuth  seines  Urtlieils  ^ind  )/•*  //i  w  i-,^  - 
Tode  an  höchster  Stelle  freundlich  aufgenomn:^n  u:A  *U\/  >'-' 
empfunden  worden. 


18  H.  Loersch 

Wenn  ich  schliesslich  ein  Wort  suclie,  das  Ihnen  ganz  und 
voll  das  Wesen  dieses  seltenen  Mannes  schildern  soll,  so  weiss 
ich  kein  zutreffenderes  zu  finden  als  dasjenige,  was  ihm  sein 
Jugendfreimd  Andreas  Fey,  der  fromme  und  erleuchtete  Priester, 
der  nun  auch  heimgegangen  ist,  gewidmet  hat:  „Kein  Ehren- 
titel, womit  die  Fürsten  ihre  treuen  Diener  bezeichnen,  fehlte 
ihm,  die  Sterne  aller  hervorragenden  Orden  schmückten  seine 
Brust,  fast  alle  gelelirten  Gesellschaften  imd  Akademien  rühm- 
ten sich,  ihn  zu  ihrem  Mitgliede  und  Elirenmitgliede  zu  zählen 
—  die  aber  das  Glück  hatten,  ihm  näher  zu  treten  und  tiefer  in 
sein  edles  Herz  zu  schauen,  die  sahen  ihn  mit  tiefer  Wehmuth 
scheiden,  denn  wahrer  Seelenadel  schmückte  ihn,  ein  Wissen  von 
seltenem  Umfang  imd  vor  Allem  bei  unerschütterlicher  Charakter- 
stärke, ein  reines,  stilles,  sinnig  gläubiges  Wesen." 


Anmerkungen. 

Zn  S.  2.  Hermann  Hü  ff  er,  Alfred  von  Reumont,  Allgemeine  Zeitung, 
Jahrgang  1887,  Beilagen  zu  Nr.  235  ff.  (auch  als  Sc  parat- Abdruck,  39  S.  8^ 
umfassend). 

Konstantin  von  Höfler,  Ein  Gedenkblatt  auf  das  Grab  Alfreds 
von  Rcumont  in  Grauert,  Historisches  Jahrbuch  der  Görresgcsellschaft, 
Bd.  IX,  S.  49  ff. 

*  Kurze  Nekrologe  von  C.  Paoli  im  Archivio  storicö  Italiano,  Quarta  serie, 
Bd.  XIX  (1887),  S.  461  und  Agenorc  Gelli  im  Archivio  della  real  societii 
Romana  di  storia  patria,  Bd.  X,  S.  331. 

Vgl.  auch  H.  Freimuth,  Aachens  Dichter  und  Prosaisten,  Bd.  III, 
S.  195  ff.  und  Marco  Tabarrini,  Alfredo  di  Reumont,  discorso  letto  alla 
societÄ  Colombaria  il  18.  Fcbbraio  1883  nel  cinquantesimo  anno  dalla  elezione 
di  lui  a  socio.  Firenze  1883,  20  S.  8^. 

Zu  S.  3.  Auf  Jugenderinnerungen  Reumonts  beruht  die  biographische 
Skizze:  Frederick  North  Graf  von  Guilford  in  seinen  Zeitgenossen,  Bd.  I, 
S.  175  ff. 

Ueber  Nolten  vgl.  neuerdings  J.  Becker  in  der  Zeitschrift  des  Aachener 
Geschichtsvereins,  Bd.  VIII,  S.  256  ff. 

Die  Rheinische  Flora.  Ein  Beitrag  zur  Literaturgeschichte.  Zeitschrift, 
Bd.  III,  S.  177,  vgl.  auch  Bd.  V,  S.  321. 

Zu  S.  6.  Aachens  Liederkranz  und  Sagenwelt.  Aachen  und  Leipzig, 
J.  A.  Mayer,  1829,  X  und  372   S.  kl.  8^ 


'  Zur  Erinnening  an  Alfred  von  Reumont.  19 

Eine  kurze  Bio^aphic  Wilhelms  von  Normann  findet  sich  in  den 
Bio^aphischen  Denkblättem  nach  persönlichen  Erinnerungen,  S.  127  ff.;  hier 
S.  13ß  auch  Einiges  über  White. 

Zu  S.  7.  Seinen  persönlichen  Beziehungen  zu  Leopold  von  Ranke 
widmete  Reumont  eine  ansprechende  Schilderung  im  Historischen  Jahrbuch 
der  Görresgesellschaft,  Bd.  VII,  S.  608  ff.  Einen  kurzen  Nekrolog  Rankes  ver- 
öffentlichte er  im  Archivio  storico  Italiano,  Quarta  serie,  Bd.  XIX  (1887),  S.  125  ff. 

Pem  Andenken  Wittes  ist  der  liebenswürdige  Aufsatz:  (.'arlo  Witte, 
ricordi  di  Alfredo  Reumont,*  im  Archivio  storico  Italiano,  Quarta  serie, 
Bd.  XVI,  S,  47  ff.  gewidmet. 

Zu  S.  8.  Andrea  del  Sarto.  Mit  einem  Grundriss  des  Vorhofs  der 
Servitenkirche  in  Florenz.  Leipzig,  Brockhaus,  1835,  XXVIII  und  231  S.  8*^ 
nebst  zwei  Tabellen. 

Reiseschilderungcn  und  Umrisse  aus  südlichen  Gegenden.  Stuttgart, 
Cotta,  1835,  VI  und  195  S.  8^ 

Italia.  Berlin,  A.  Duncker,  I.  Band,  1838,  298  S.  8°,  IL  Band,  1840, 
327  S.  8°.  Mit  Beiträgen  von  Barthold,  Gaudy,  Gaye,  E.  Geibel,  A.  Hagen, 
Gräfin  Hahn-Hahn,  A.  Kopisch,  Leo,  Rumohr,  Witte. 

Zn  S.  9.  Tavole  cronologiche  e  sincrone  dclla  storia  Fiorentina.  Firenze, 
Vieusseux,  1841,  gr.  4^  Ein  Supplementheft  über  die  Geschichte  der  letzten 
Jahre  des  G rossherzogt hums,  1841 — 1860,  erschien  1875  auf  16  S.  4^ 

Römische  Briefe  von  einem  Florentiner.  Leipzig,  Brockhaus,  1840  —  1844, 
IV  Bände,  XXII  und  451,  481,  XXIX  und  504,  547  S.  8^. 

Zu  S.  10.  Die  Carafa  von  Maddaloni.  Neapel  unter  spanischer  Herr- 
schaft. Berlin,  R.  v.  Decker,  1851,  II  Bände,  XV  und  420,  375  S.  8^  Eine 
englische  Uebersetzung  erschien  1854  in  London  bei  H.  G.  Bohn. 

Zu  S.  12.  Beiträge  zur  Italienischen  Geschichte.  Berlin,  R.  v.  Decker. 
Band  I  und  II,  1853,  IX  und  518,  450  S.  Band  III  und  IV,  1855,  495, 
497  S.     Band  V  und  VI,  1857,  477,  544  S. 

Die  Jugend  Caterina's  de'  Medici.  Berlin,  R.  v.  Decker,  1854,  XVI 
und  221  S.  8*^.  Eine  zweite  umgearbeitete  Auflage  erschien  im  selben  Ver- 
lag 1856,  XVI  und  360  S.  12^  Italienische  Uebersetzung  von  St.  Bianciardi, 
Florenz,  Lemonnier,  1858;  eine  französische  mit  zahlreichen  Zusätzen  von 
Armand   Baschet,   Paris,  Plön,  1864. 

Die  Gräfin  von  Albany.  Berlin,  R.  v.  Decker,  1860,  II  Bände,  445, 
422  S.  8°.  Ein  Auszug  von  Saint-Ren6  Taillandier  erschien  zuerst  in 
der  Revue  des  deux  mondes,  dann  im  Sonderabdruck,  Paris  1862,  eine  ita- 
lienische Uebersetzung  von  A.  di  Cossilla,  Genua  1868. 

Zeitgenossen.  Biographien  und  Charakteristiken.  Berlin,  R.  v.  Decker, 
1862,  II  Bände,  394,  356  S.  8«. 

Zu  S.  13.  Geschichte  der  Stadt  Rom.  Berlin,  R.  v.  Decker,  1867  -1870. 
Band  I.  Von  der  Gründung  der  Stadt  bis  zum  Ende  des  Westreichs.  Mit 
zwei  Plänen.  XVII  und  968  S.     Baud  II.  Von   der   Herrschaft   germanischer 

2* 


20  H.  Loersch 

Völker  bis  zum  Ende  des  grossen  Schisma.  XIII  und  1254  S.  Band  III. 
Von  der  Rückverlegung  des  heiligen  Stuhls  bis  zur  Gegenwart.  Abtheilung  1 . 
Die  Restauration.  Mit  zwei  Plänen.  IX  und  574  S.  Abtheilung  2.  Das 
moderne  Rom.    Mit  zwei  Plänen.    X  und  950  S.  8°. 

Lorenzo  de'  Medici  il  Magnifico.  Leipzig,  Duncker  und  Humblot,  1874, 
II  Bände,  XXIII  und  606,  XVIII  und  604  S.  8^.  Zweite,  vielfach  veränderte 
Auflage,  das.  1883,  II  Bände,  VIII  und  437,  VI  und  499  S.  8<>. 

Geschichte  Toscana's  seit  dem  Ende  des  florentinischen  Freistaats.  Gotha, 
F.  A.  Perthes,  1876—1877.  Band  I.  Die  Medici  1530—1737,  XVIH  und 
654  S.  Band  IL  Haus  Lothringen-Habsburg  1737—1859,  XX,  681  und 
74  S.  8^  Bildet  einen  Theil  der  von  Heeren,  Ukert  und  Gicscbrecht  heraus- 
gegebenen Geschichte  der  europäischen  Staaten. 

Zu  S.  14.  Des  Claudius  Rutilius  Namatianus  Heimkehr  tibersetzt  und 
erläutert  von  Itasius  Lemniacus.  Mit  zwei  Plänen  und  fünf  in  den  Text 
gedruckten  Abbildungen.  Berlin  1872,  R.  v.  Decker,  207  S.  8<*.  Den  Namen 
Itasius  Lemniacus  hat  die  römische  Akademie  der  Arcadia  Alfred  Reumont 
bei  seiner  Wahl  im  Jahre  1843  beigelegt. 

Briefe  heiliger  und  gottesfürchtiger  Italiener  gesammelt  und  erläutert. 
Freiburg,  Herder,  1877,  XXXIII  und  303  S.  8°. 

Aachener  Liederchronik.  Mit  einer  Chronologie  der  Geschichte  Aachens. 
Aachen,  J.  A.  Mayer,  1873,  235  S.  8^ 

Zu  S.  16.  Biographische  Denkblätter  nach  persönlichen  Erinnerungen. 
Leipzig,  Duncker  und  Humblot,  1878,  450  S.  8<>. 

Gino  Capponi.  Ein  Zeit-  und  Lebensbild  1792—1876.  Gotha,  F.  A.  Perthes, 
1880,  XVI  und  458  Ö.  8«. 

Vittoria  Colonna.  Leben,  Dichten,  Glauben  im  XVI.  Jahrhundert.  Frei- 
burg, Herder,  1881,  XVI  und  288  S.  S^,  Eine  italienische  üebersetzung  von 
Müller  und  Ferrero  erschien  1883  in  Turin. 

Aus  König  Friedrich  Wilhelms  IV.  gesunden  und  kranken  Tagen.  Leip- 
zig, Duncker  und  Humblot,  1885,  XII  und  579  S.  8^  Eine  zweite  unver- 
änderte Auflage  erschien  noch  im  selben  Jahre. 

Zu  S.  17.  Charakterbilder  aus  der  neueren  Geschichte  Italiens.  Leipzig, 
Duncker  und  Humblot,  1886,  VIII  und  295  S.  12^. 

L.  P.  Gachard  im  Historischen  Jahrbuch  der  Görrcsgesellschaft,  Bd.  VII, 
S.  238  ff. 

Die  Nekrologe  von  Ranke  und  Witte  sind  oben  zu  S.  7  erwähnt. 


Ich  will  nicht  unterlassen,  hier  die  Arbeiten  zusammenzustellen,  welche 
A.  von  Reumont  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts Vereins  veröffent- 
licht hat. 


Zur  Erinnerung  an  Alfred  von  Reuraont.  21 

Band  I.  Analekten  zur  Geschichte  Aachens,  a.  Cardinal  Pietro  Capocci. 
b.  Francesco  Petrarca  in  Aachen,  c.  Kaiser  Karl  V.  in  Aachen  und  Umgebung. 
d.  Mathias  Joseph  Wildt. 

Zur  Erinnerung  an  Professor  Dr.  Savelsberg. 

Band  IL  König  Gustav  III.  von  Schweden  in  Aachen  in  den  Jahren 
1780  und  1791.    (AViederholt  in  Kleine  historische  Schriften  S.  283  ff.) 

Friedrich  Haagen.    (Nekrolog.) 

Band  III.  Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins  für  die  Jahre  1879—80. 

Die  ungarischen  Metallwerke  im  Aachener  Münsterschatz. 

Die  Rheinische  Flora.    Ein  Beitrag  zur  Literaturgeschichte. 

Band  IV.   P.  P.  A.  Pocholle.  Eine  Erinnerung  an  die  Napoleonische  Aera. 

Aus  der  Geschichte  Aachens  im  XV.  Jahrhundert. 

Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins   für  die  Jahre  1881  und  1882. 

Band  V.   Monsignor  Agostino  Franciotti  und  der  Aachener  Friede  von  1668. 

Cornel  Peter  Bock.  (Dem  Andenken  dieses  bedeutenden  Aachener 
Gelehrten  hatte  Reumont  schon  die  „Notice  sur  Corneille-Pierre  Bock**  im 
Annnaire  de  TAcadi^mie  royale  de  Belgique  von  1872  gewidmet.) 

Die  Denkmünze  auf  den  Aachener  Friedcnsschluss  von  1668. 

G.  A.  Königsfeld.    (Nekrolog.) 

Besprechung  von  Aachens  Dichter  und  Prosaisten. 

Band  VI.    Friedrich  von  der  Trenck  in  Aachen  1765—1780. 

Kaiser  Karls  V.  Krönung  in  Aachen. 

Zu  dem  Aufsatz:  Friedrich  von  der  Trenck  in  Aachen. 

Lied  auf  Karl  den  Grossen. 

Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins  1883/84. 

Band  Vü .  Fabio  Chigi  —Papst  AlexandcrVII. — in  Deutschland  1639—1651. 

Die  Krönung  Karls  V.  in  Aachen. 

Band  VIII.    Die  Grafen  von  Harscamp. 

Die  Porphyrsäuleu  am  Hochaltar  des  Aachener  Münsters. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskammergericht. 

Von  R.  Goecke. 

Vorbemerkung. 

Im  März  1886,  nur  wenige  Monate  vor  seinem  Tode,  hat 
Staatsarcliivar  Dr.  Eiulolf  Goecke  mir  für  die  Zeitschrift  des 
Aachener  Geschichtsvereins  diese  Regesten  nebst  der  kurzen 
vorausgeschickten  Einleitung  übergeben,  nachdem  über  deren 
Herstellung  und  Veröffentlichung  seit  Oktober  1885  mehrfach 
zwischen  uns  verhandelt  worden  war.  Im  achten  und  neunten 
Bande  haben  sie  nicht  ersclieinen  können :  der  Inhalt  des  erstem 
stand  beim  Eintreffen  des  Manuskiipts  schon  fest,  der  letztere 
musste  in  seinem  Umfange  aufs  Aeusserste  beschränkt  werden. 
Der  unerwünscht  verzögerte  Abdruck  erfolgt  nunmelir  in  dank- 
barer Erinnerung  an  den  fleissigen  und  gewissenhaften  Verfasser, 
der  leider  seiner  erfolgreichen  und  vielversprechenden  Berufs- 
thätigkeit  wie  den  rheinischen  Geschichtsstudien,  welche  er  durch 
so  manche  gediegene  Arbeit  forderte,  am  23.  Juni  1886  nur  zu 
früh  entrissen  w^orden  ist. 

Bei  Durchsicht  der  Regesten  sind  an  mehrern  Stellen  Zweifel 
aufgetaucht  über  gewisse  Namensformen,  in  einer  grössern  Zahl 
von  Nummern  war  es  für  die  lokalgeschichtliche  Forschung 
von  nicht  geringem  Werth,  die  Namen  und  die  Lage  der  im 
Regest  erwähnten  Häuser  und  Grundstücke  angeben  zu  können, 
hier  und  da  erscliien  auch  noch  die  Auf  klärimg  anderer  kleiner 
Einzelheiten  nötliig.  Der  Nachfolger  Goeckes  in  der  Leitung 
des  Staatsarcliivs  zu  Wetzlar,  Herr  Archivrath  Dr.  Veltman, 
hat  die  Freundlichkeit  gehabt,  die  zur  Verbesserung  und  Ver- 
vollständigung von  mehr  als  vierzig  Nummern  an  ilin  gerichteten 
Fragen  zu  beantworten  und  dadurch  die  Brauchbarkeit  der 
Regesteu  wesentlich  zu  erhöhen.  Es  sei  ihm  auch  an  dieser 
Stelle  dafür  der  Dank  (Icn  Vereins  ausgesprochen. 


Aachener  ProzegHC  am  Reichskaiiimcrgericlit.  23 

Die  einzelnen  Regesten  beigefügten  Anmerkungen  rühren 
sämnitlich  von  der  Kedaktion  dieser  Zeitschrift  her. 

Bezüglich  des  am  Schluss  der  P]inleitung  erwähnten,  im 
Jahre  1822  gedruckten  Verzeichnisses  hatte  Herr  Oberstaats- 
anwalt Hamm  zu  Köln  die  grosse  Güte,  auf  meine  Anfrage 
mitzutheilen,  dass  dieses  Verzeichniss  seiner  Zeit  auf  Veranlassung 
des  Königlichen  Generalprokurators  durch  Vermittlung  der  König- 
lichen Regierung  zu  Köln  hergestellt  worden  sei.  Von  zwei 
noch  unter  der  zum  Verkauf  bestimmten  Makulatur  aufgefun- 
denen Exemplaren,  welche  Herr  Hamm  dem  Aachener  Geschichts- 
verein freundlichst  zur  Verfügung  stellte,  hat  dieser  das  eine 
der  Handbibliothek  des  Aachener  Stadtarchivs,  das  andere  der 
Königlichen  Universitätsbibliothek  in  Bonn  überwiesen. 

H,  Loersch, 


Einleitung. 

Den  nachfolgend  mitgetheilten  Regesten  liegen  Auszüge  aus 
dem  General -Repertorium  des  Königlichen  Staatsarchivs  zu 
Wetzlar  zu  Grunde.  Dieses  Repertorium  ist  während  der  Jalire 
1846 — 52  in  der  Hauptsache  vom  Landgerichtsrath  Joseph  Larenz 
angefertigt,  welcher  dem  Justizsenat  zu  Ehrenbreitstein  ange- 
hörte und  kommissarisch  während  dieses  Zeitraums  mit  der 
Ordnung  des  ehemaligen  Reichskammergerichts- Archivs  zu  Wetz- 
lar beauftragt  war.  Das  Repertorium  umfasst  38  Grossfolio- 
Bände,  welche  34634  in  Wetzlar  verbliebene  Spezialprozesse, 
nach  den  Namen  der  Kläger  alphabetisch  geordnet,  verzeichnen, 
eine  Arbeit,  welche  eine  Summe  wissenschaftlichen  Fleisses  dar- 
stellt, wie  sie  wohl  selten  irgendwo  in  dieser  Stille  und  Anspruchs- 
losigkeit verrichtet  worden  ist.  Es  gereicht  mir  darum  zu 
besonderer  Freude,  das  Verdienst  dieses  Mannes,  welcher  in 
seiner  richterlichen  Laufbahn  1852  zum  Appellationsgerichtsrath 
in  Greifswald  befördert  wurde,  inzwischen  aber  verstorben  ist, 
in  das  ihm  gebührende  Licht  heben  zu  diüfen  K  Wäre  (Ue  von 
ihm  geleistete  Arbeit  nicht  geschehen,  so  würde  es  schwer 
gewesen  sein,  die  einzelnen  Prozesse,  welche  für  die  vorliegenden 

»)  Gustav  Joseph  Larenz  war,  nach  einer  getaUigen  MittheUung  aus 
dem  Justiz-Ministerium,  geboren  am  1.  Februar  1807,  und  ist  gestorben  1859 
in  Ehrenbreitstein,  wohin  er  seit  180(J  zurückversetzt  war. 


24  R.  Goecke 

Regesten  in  Betracht  kamen,  herauszufinden;  sie  sind  freilich, 
der  Anlage  des  General-Repertoriums  entsprechend,  durch  dessen 
sämmtliche  Bände  zerstreut.  Aber  auch  die  Fassung  der  von 
Larenz  gefertigten  Regesten  selbst,  die  sich  offenbar  dem  Sprach- 
gebrauch der  Akten  aufs  Engste  anschliesst,  ist  für  unsere  Arbeit 
vielfach  nicht  geändert  worden;  sie  ist  nur  revidirt  und  liier 
und  da,  besonders  bei  denjenigen  Sachen,  welche  im  Archiv 
mit  dem  Buchstaben  B  bezeichnet  sind,  mit  Zusätzen  bezw. 
Berichtigungen  versehen  worden. 

Für  die  Reihenfolge  ist  das  Jalir  der  Einführung  des  Pro- 
zesses beim  Reichskammergericht  als  massgebend  angenommen. 
Dieses  Jahr  ist  denn  auch  dem  einzelnen  Regest  vorangestellt. 
Innerhalb  eines  bestimmten  Jalires  bin  ich  der  ursprünglichen 
alphabetischen  Ordnung  der  Prozesse  gefolgt,  deren  Archiv- 
Nummern  in  Klammern  am  Schlüsse  des  Regests  mitgetheilt 
sind.  Jedem  Regest  ist  eine  fortlaufende  Nummer  in  fetter 
Schrift  beigefügt. 

Die  gesammelten  Regesten  sind  als  ein  Spezial-Repertorium 
zur  Geschichte  der  Stadt  Aachen  zu  betrachten,  welches  zunächst 
für  dienstliche  Zwecke  im  Königlichen  Staatsarchiv  zu  Wetzlar 
aufgestellt  worden  ist;  die  Königliche  Archiwerwaltung  hat 
sodann  dem  Aachener  Geschichtsverein  auf  dessen  Ansuchen 
den  Abdruck  in  seiner  Zeitschrift  gestattet. 

Zu  der  Anlage  der  Regesten  ist  noch  Folgendes  zu 
bemerken: 

Unter  der  als  Kläger  bezeichneten  Partei  sind  die  Appellan- 
ten mit  einbegriffen,  unter  der  Partei  der  Verklagten  ebenso 
die  Appellaten.  Formell  betrachtet  handelt  es  sich  bei  manchen 
Prozessen  nur  um  eine  Citation,  ein  Mandat  an  die  Verklagten 
oder  Appellaten.  Urtheile  sind  in  vielen  Fällen  nicht  ergangen, 
in  andern  Fällen  nicht  mehr  erhalten.  Das  Reichskammer- 
gericht war  im  Allgemeinen  nur  in  Civilsachen  Appellinstanz,  in 
Strafsachen  konnte  aber  eine  Wiederaufnahme  der  Verhandlungen 
durch  dasselbe  angeordnet  werden.  Ueber  das  Prozessverfahren 
beim  Reichskammergericht  hat  Häberlin,  Deutsches  Staats- 
recht II,  S.  304 — 377  meines  Erachtens  am  Besten  gehandelt. 
Unsere  Regesten  sollen  nicht  der  Geschichte  dieses  Verfahrens 
dienen,  sondern  zur  politischen,  kirchlichen,  Rechts-  und  Wirth- 
schaftsgeschichte  der  Stadt  Aachen  und  ihres  Reichs  Beiträge 
liefern.    Darum  ist  auch  im  einzelnen  Falle   angemerkt,   und 


Aachener  Prozesse  am  Reichskammergericht  25 

ZWQ.Y  am  Schlüsse  des  Regests  und  von  diesem  durch  einen 
Gedankenstrich  getrennt,  wenn  schon  in  erster  bezw.  zweiter 
Instanz  in  einer  Sache  vor  einer  Aachener  oder  hier  und  da 
auch  vor  einer  andern  Behörde  verhandelt  worden  ist.  Wo  die 
bezüglichen  Akten  im  Staatsarcliiv  zu  Wetzlar  heute  fehlen, 
ist  ein  f.  hinzugesetzt.  Auf  die  Bezeiclmung  der  Parteiver- 
Mltnisse  in  erster  Instanz  ist  absichtlich  nicht  eingegangen, 
um  nicht  mit  juristischen  Begriffen  zu  verwirren.  Eine  kleine 
Zahl  von  Prozessen  ist  ausnahmsweise  beim  Reichskammerge- 
richt in  lateinischer  Sprache  verhandelt  worden,  für  diese  ist 
das  Regest  im  Larenzschen  Repertorium  jedesmal  auch  lateinisch 
abgefasst.  Um  der  vorliegenden  Arbeit  einen  einheitlichen 
Charakter  zu  wahren,  sind  diese  Regesten  hier  übersetzt,  aber 
am  Schlüsse  mit  L.  bezeichnet  worden.  Ueber  die  äussere 
Beschaffenheit  und  den  Umfang  der  Akten  und  Urkunden  eines 
einzelnen  Prozesses  ist  nur  ganz  ausnahmsweise  etwas  ange- 
merkt worden,  weil  nach  meinem  Ermessen  solche  Angaben 
keinen  Rückschluss  auf  deren  inhaltlichen  Werth  und  historische 
Bedeutung  gestatten,  der  Charakter  der  Originalität  und  Authen- 
tizität den  amtlichen  Schriftstücken  aber  von  selbst  anhaftet. 
Nur  soviel  sei  im  Allgemeinen  erwähnt,  dass  der  Umfang  der 
einzelnen  Prozesse  zwischen  Konvoluten  von  einem  Centimeter 
bis  zu  drei  Meter  Höhe  schwankt.  Die  äussere  Beschaffenheit 
ist,  Dank  der  sorgfältigen  Aufbewahrung,  welche  die  Archivalien 
des  Reichskammergerichts  in  preussischer  Zeit  erfahren  haben, 
im  Ganzen  und  Grossen  eine  vorzügliche ;  leider  fehlen  hingegen 
hier  und  da  wohl  einzelne  Stücke  aus  den  Prozessakten.  Letztere 
sind,  noch  während  des  Laufes  des  Rechtsstreits,  jeder  Prozess 
füi-  sich,  in  sorgsamer  Weise  in  der  Kanzlei  des  Reichskammer- 
gerichts zu  Aktenbündeln  zusammengelegt,  die  einzelnen  Schrift- 
stücke mit  Nummern  auf  der  Rückseite  versehen,  und  es  ist 
stets  dazu  ein  Rotulus  angefertigt  worden,  welcher  noch  heute 
den  Akten  beiliegt.  Die  Akten  der  ersten  Instanz  sind  viel- 
fach nur  in  Abschrift  vorhanden,  welche  in  geheftete  Papier- 
bände im  Zusammenhang  eingetragen  und  beglaubigt  sind.  Als 
ein  Uebelstand  der  ehemaligen  Aufbewahrung  muss  es  bezeich- 
net werden,  dass  mitten  zwischen  die  Prozessakten  auch  ältere 
Pergamenturkunden  mit  anhängenden  Siegeln  als  Beweisstücke 
eingelegt  worden  sind.  Solche  sind  auch  von  Aachen  vorhanden, 
hier  aber  nicht  berücksiclitigt  worden,  da  sie  einen  besondern 


26  R.  Goecke 

Bestand   für   sich    im    Staatsarchiv   zu   Wetzlar    auszumaclien 
bestimmt  sind. 

In  unsern  Ref^esten  sind  nur  Spezialprozesse  zwischen  zwei 
Parteien,  welche  den  „rechtlichen  Krieg"  vor  dem  Eeichskammer- 
gericht  begannen,  und  wovon  die  eine  Partei  immer  der  Stadt 
Aachen  angehört,  berücksichtigt  worden.  Nicht  berücksichtigt 
ist  daher  ein  „Antrag  der  Stadt  Aachen  auf  Transsumtion  und 
Vidimation  eines  von  Kaiser  Karl  V.  der  Stadt  im  Jahre  1521 
ertheilten  Sicherheits-  und  Geleitsbriefs  durch  das  ganze  Reich, 
und  deshalb  erfolgte  ediktmässige  Ladung  durch  das  Reichs- 
kammergericht" vom  Jahre  1538,  well  hier  eine  zweite  Partei 
fehlt.  Es  ist  dieses  übrigens  der  einzigste  Fall  dieser  Art  im 
Archiv  zu  Wetzlar;  bei  dem  Landgericht  zu  Aachen  sind  hin- 
gegen, nach  Ausweis  der  amtliehen  Korrespondenz,  welche  mir 
hierüber  vorliegt,  zwei  am  21.  Oktober  1821  nach  dorthin 
ausgeliehene  Aktenfaszikel  des  Reichskammergerichts-Archivs, 
kaiserliche  und  Aachensche  Privilegien  betreffend  aus  den  Jahren 
1557  und  1G62,  auf  eine  am  25.  Mai  1856  von  der  Archivver- 
waltung zu  Wetzlar  dorthin  gerichtete  Anfrage  „bisher  nicht 
wieder  aufzufinden  gewesen",  also  vermuthlich  verloren  gegangen. 

Es  erübrigt  noch  zu  bemerken,  dass  ein  im  Jahre  1822 
bei  Th.  F.  Thiriart  in  Köln  im  Druck  erschienenes  „Verzeich- 
niss  der  Aktiv-  und  Passiv-Prozesse,  welche  bei  dem  ehemaligen 
Reichskammergerichte  zu  Wetzlar  geschwebt  haben,  und  zum 
Bereich  des  Königlichen  Appellations-Gerichtshofes  zu  Köln 
gehören"  (100  SS.  4^),  die  Rubra  eines  Theils  der  Aachener 
Prozesse  an  verschiedenen  Stellen  mittheilt.  Dieses  Verzeichniss 
ist  ein  Auszug  aus  dem  in  21  Bänden  bestehenden,  auf  Veran- 
lassung des  Fürsten  Primas  während  der  Jahre  1806 — 10  ange- 
fertigten und  noch  beim  Staatsarchiv  zu  Wetzlar  aufl)ewahrten 
altern  Repertorium  der  Reichskanmiergerichts-Akten  und  -Ur- 
kunden, welches  vielfach  ungenau  ist. 

In  allen  Fällen,  in  welchen  bei  Personen,  Beamten,  Kirchen, 
Klöstern,  Gerichten,  Behörden  und  Korporationen  ein  Ort  der 
Zugehörigkeit  nicht  genannt  ist,  ist  Aachen  als  solcher  gemeint. 
Für  eine  kleine  Anzahl  stets  wiederkehrender  Worte  sind  fol- 
gende Abkürzungen  angewandt:  A.  =  Aachen;  f.  =  fehlt  (in 
Bezug  auf  die  Vorakten);  g.  =  gegen;  G.  =  Gulden;  Goldg.  = 
Goldgulden;  K.  =  Kläger,  Klägerin;  K.-G.  =  Kammergericht; 
V.  =  Verklagter,  Verklagte. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskanimergericht.  27 

1509.  Peter  von  der  Heiden,  Bürger,  g.  Bürgermeister 
iiiul  Kath.  CTeleitsbruch  und  Anlegung  von  AiTesten  auf  das 
Vermögen  des  K.,  weil  er  während  eines  beim  Sendgeridit 
anliängigen  Pi-ozesses  g.  Hermann  Pastor  das  ihm  ertlieilte 
^Glaid^^  zur  Errichtung  eines  Weinschanks  missbraucht  und 
die  Btii-ger,  seine  Gäste,  gegen  den  Rath  aufgehetzt  habe. 
(H  2469.)  1 

1511.  Hennann  Rink,  Bürger,  zu  Köln  g.  Meier  und 
Schöffen.  Inkompetenz  der  V.  in  der  Iteclitssache  von  Eberliard 
und  Dietrich  von  Haren  g.  den  K.  wegen  6000  ü.   (K  2ni}d.)       2 

1513.  Vicedechant  und  Kapitel  von  St.  Adalbert  g.  Behi, 
Wittwe  von  Mathäus  Hertzgen,  und  dessen  Erben.  Streit  über 
den  Besitz  eines  von  dem  Propst  Mathias  Hertzgen  dem  A eitern 
hinterlassenen  Kapitals  von  450  G.  und  mehrerer  zu  Lenders- 
dorf*  belegener  Güter,  welche  die  Wittwe  und  Erl)en  seines 
Sohnes  in  Anspruch  nehmen;  Einrede,  dass  dieser  bloss  «mu 
natürlicher  Sohn  gewesen  und  als  solcher  den  Propst  nicht 
beerbe.  —  Schultheiss  un<l  Geschworene  des  (Tcrichts  von 
Lendersdorf.     (A  111.)  *J 

1513.  Dieselben.  Streit  über  de»  Nachlas«  und  die  zu 
Lendei-sdorf  belegenen  Güter  desselben.-   I>i<'rtellM;n,  f.  (\  \\2,)  4 

1518.  Quirin  von  Aldenhoven,  Diener  Pcter>  von  der 
Heiden,  g.  Bürgenneister  und  Rath.  Injurien  dnnli  X'erhaCtnnjr 
des  K.  auf  offener  Strasse  und  AussteUung  an  den  Pmufrer, 
(A  689.)  5 

1514.  Egidius  in  dem  Bischofsstab»  (r,  Mei«'r  und  S*  hojb  n, 
t:ntsetzung  vom  Scliöffenamt  wegen  Amtsvei;re|j«'n,  (H  MIO,)   0 

')  Glaid  ist  die  Erlaubuiss,  sich  irgendwo  aijf/'j>...ltMi  ^Xu*  'U^-  \,  -r 
mit  jrewisse  Reclitsfolgen,  welche  an  sich  eiutn-uu  u..^'Uu,    ^wVi,'/;'*   r  i<\. 

*)  Lendersdorf,  Dorf,  B},^str.  Birgel,  Kr  im^u.    r- -.i  r  'Jm  );*/. /m 

des  Adalbertsstifts  zu  diesem    Dorfe  vgl.  Bonn,   iluu-r)    .j,  .J    f,,    .i-. 
Sammlung  von  MateriaHen  zur  Geschichte,  imr^-n^  ^    v*zn 

«)  Gillis  zu  dem  Buschoffstave,  Schöffe,  er^l^  <.t  ;  /  i  ..,,  ';...,..      - 
Vollstrecker   seiner  Schwiigerin  Jcune    von    Avi-ui.**     ^"*'t,    .,.-"    ♦-  •    ' 
Aachener  Schöffen  Johann  Beyssel  von  Kui>*?«    «J*^   /^*  •>*  r   >,- ■    -.  /      •"" 
Roland    ßuck    zu    Aachen;   vtrl.    Pick«    Ji^n*'^**    -v/    '   •     \*.y.  -     ■      - 
Archivs  der  Stadt  Aachen  im  Jahre  188')f   *-   *^' 


28  R.  Goecke 

1515.  Die  24  Priester  und  Mitglieder  der  St.  Johannes - 
bruderscliaft  beim  Marienstift  g.  Servaz  Leyendecker,  Lamprecht 
Constaff  und  die  Laienbrüder  der  Bruderschaft.  Streit  über 
Renten  aus  gewissen  Häusern  ^  —  Schöffenstuhl,  f.  (A  115.)   7 

1515.  Peter  Kirser,  Reichskammergericlits-Prokurator,  zu 
Worms  g.  Bürgermeister  und  Rath.  Zahlung  des  versprochenen 
Salärs.    (K  1599.)  8 

1517.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Peter  von  der  Heyden 
und  Paul  Garzweiler,  heimlich  ausgetretene  Bürger.  Arrestation 
eines  Bürgers  auf  der  Frankfurter  Messe  imter  dem  Vorwand, 
dass  K.  den  V.  rechtliche  Hülfe  gegen  Hermann  Pastor^  ver- 
weigerten und  ihr  Vermögen  vorenthielten.  —  Erzbischof  von 
Köln  und  dessen  Subdelegirte  als  Kommissarien  des  K.-G.,  f. 
(A  61.)  9 

1517.  Prioren  und  Konvente  der  Prediger  und  der  Regulir- 
herren  g.  Apollonia  von  der  Marck  zu  Witliem  im  Grossherzog- 
thum  Luxemburg.  Forderung  des  Niessbrauchs  von  allen  von 
Dietrich  Freiherm  von  Palant  ^,  erstem  Ehemann  der  V.,  hinter - 
lassenen,  in  der  Herrschaft  Withem  belegenen  Gütern.  —  Schöffen- 
stuhl, f.     (A  128.)  10 

1520.  Prior  imd  Konvent  der  Augustiner  g.  Johann  von 
Drimborn.  Forderung  einer  jährlichen  Rente  von  8  Müdden 
Roggen  aus  dem  vom  V.  besessenen,  neben  der  St.  Alde- 
gimdenkirclie  und  dem  V.  belegenen  Hause  ^.  —  Schöffenstuhl. 
(A  116.)  11 

1523.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Schultheissen,  Ricliter, 
Schöffen  und  Gerichte  zu  Teveren,  St.  Trond,  Befort  und  Haren  ^ 

0  Die  Lage  und  die  Namen  der  Häuser  sind  aus  den  Akten  (nur  ein 
paar  Blätter)  nicht  ersichtlich. 

«)  Vgl.  Nr.  1. 

')  Er  starb  1481.  Seine  Wittwe  war  in  zweiter  Ehe  mit  Eckenger  von 
Scliwarzenberg  vermählt  (vgl.  Geschichte  der  Herren,  Freiherren  und  Grafen 
von  Pallant  S.  76 ;  Strange,  Beiträge  zur  Genealogie  der  adligen  Geschlechter 
VIII,  S.  13). 

*)  Vgl.  Qu  ix,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Aachen  und  ihrer 
Umgebungen  II,  S.  108  ff. 

.  ^)  Vgl.  tlber  diese  vier  Orte  Loersch  in  Haagens  Geschichte  Achens  I, 
S.  351,  Nr.  10  (Befort  =  Beywort),   354,  Nr.  42  und  359  f.,  Nr.  04  und  90. 


Aachener  Prozesse  am  Reiobskamraerfifericht.  29 

im  Imr^rundischen  Kreis,  weil  V.  statt  an  den  Schöffenstuhl  als 
ihren  rechtmässigen  Oberhof  an  die  Höfe  ihrer  Herrschaften 
appelliren.     (A  45.)  12 

1523.  Mauritius  von  der  Over^  und  seine  Ehefrau  g. 
Schöffenstuhl  wegen  Vervveigenuig  der  Vollstreckung  eines  g. 
Peter  Becking  erlassenen  Urtheils  auf  Restitution  eines  in  der 
Krämerstrasse  (imder  die  Kreeme)  gelegenen  Hauses  und  Erbes 
oder  Schadensersatz.    (0  15S5.)  13 

1525.  Bürgermeister  imd  Kath  g.  Schult heiss  imd  Schöffen 
zu  Befort,  weil  V.  von  einem  diurh  den  Schöffenstuhl  in  der 
Appellinstanz  erlassenen  Urtheil  weitere  Berufung  an  das  Gericht 
zu  Namur  zugelassen  und  somit  g.  das  den  K.  verliehene  Privileg 
Kaiser  Karls  TV,  Verstössen  habend    (A  46.)  14 

1527.  Bürgermeister  und  Eath  g.  die  Reichsleute  von 
Würselen  und  Haaren  wegen  Störung  des  Rechts,  von  den  V. 
Accise  zu  erheben,  durch  Aufruhr  und  Widersetzlichkeit,  wobei 
ein  Rathsdiener  zu  Dobach^  erschlagen  worden.    (A  43.)       15 

1527.  Gemeine  Xachbaren  im  Reich  zu  Haaren,  Würselen 
u.  8.  w.  g.  Bürgermeister  und  Rath.  K.  behaupten,  dass  sie 
nach  freiwilliger  Erlegung  von  2400  G.  accis-  und  schatzungs- 
frei  und  bei  der  Kaiserkrönung  auch  hierfür  erklärt  seien,  dass 
V.  dennoch  jährlich  400  G.  von  ihnen  fordern  und  deshalb  einige 
ihrer  Genossen  im  Grass*  eingesperrt  halten. —  Schöffenstuhl,  f. 
(A  44.)  16 

1527.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Peter  von  der  Heyden, 
Paul  Garzweiler,  Hermann  Johann,  Augustin  Pastor  und  Genossen. 
Deposition  von  1757  rhein.  G.,  womit  die  Stadt  eine  Rente 
ablösen  will,  welche  zwischen  Pastor  imd  von  der  Heyden  sowie 
ihren  Genossen  streitig  ist\     (A  62.)  17 


>)  Vgl.  Nr.  27. 

')  Gemeint  ist  das  Privileg  über  die  Berufungen  an  den  Aachener 
Schöffenstuhl  vom  27.  November  1356,  Noppius,  Aacher  Chronick  (1632) 
Th.  III,  S.  61;  vgl.  Böhmer-Huber,  Regesten  Karls  IV.  Nr.  2528. 

*)  Dobach,  Dorf,  theils  Bgstr.  Weiden,  theils  Bgstr.  Würselen,  Ldkr. 
Aachen. 

*)  Vormaliges  städtisches  Gefängniss,  jetzt  zum  Stadtarchiv  umgebaut. 

^)  Auf  welchen  Gnindstüeken  die  Rente  ruhte,  ist  in  den  Akten  nicht 
angegeben.    Vgl.  Nr.  1  ur 


.  3     rk 


30  R.  Goecke 

1528.  Nikolaus  Clermont  g,  Bürgermeister  und  Rath. 
Justizadministration  in  Sachen  des  K.  g,  Haus  Fuchs  von 
Ebersberg  ^  wegen  Erfüllung  eines  Kaufvertrags  über  einige 
Tonnen  Hopfen.    (C  842.)  18 

1528.  Peter  Supp  g.  Bürgermeister,  Schöffen  und  ßath 
und  Hans  Fuchs  zu  Ebersberg.  Zustellung  eines  Fehdebriefs 
an  den  K.  und  Vorenthaltiuig  desselben  durch  Bürgermeister 
und  Rath«.     (S  9543.)  19 

1529.  Prior  und  Konvent  der  Karmeliter  oder  Frauen- 
brüder^  g.  Lampert  Kip,  Peter  Wyrich  und  Martin  Scliorn. 
Vindikation  von  sechs  Häusern  in  der  Burtscheider  Strasse*  (deren 
zwen  stain  ind  gelegen  syn  an  sent  Mathys^  neest  neven  deme 
huyse  ind  erve,  dae  Niueler  innewont,  ind  die  ander  vier  huyser  mit 
iren  hoeven  stain  .  .  recht  dar  tgegenover  neest  Goirt  Pannen- 
siegers huys  ind  erve)  aus  dem  Nachlass  des  Karmeliters 
Johann  Kip.  V.  behaupten,  dass  dieselben  Stockgut  aus  seines 
Vaters  Nachlass  seien,  auf  welches  dem  Mönch  ein  Erbrecht 
nicht  zustehe.  —  Schöflfenstuhl.    (A  123.)  20 

1529.  Johann  Beulait  g.  das  Predigerkloster.  Erbzins  vom 
Gut  Beulartstein ^  von  10  oberländischen  Goldg.  jährlich,  den  V. 
beansprucht.  —  Magistrat.  (B  3399.)  21 

1529.  Johann  Beulart  g.  Stadt.  Ersatz  der  Kosten  einer 
Untersuchung,  die  der  Magistrat  g.  K.  angestrengt,  weil  er 
etliche  gemeine  Wege  und  Strassen  bei  seinen  Gütern  im  Aachener 
Reich  eingezogen  haben  sollte,  in  welcher  er  aber  unschuldig 
befunden  worden.  —  Magistrat,  f.  (B  3400.)  22 


')  Ebersberg,  Flecken  im  Bezirksamt  gleichen  Namens,  R^bz.  Ober- 
bayern, mit  bedeutendem  Hopfenhandel. 

^)  Vgl.  Nr.  18. 

^)  Vgl.  über  diese  Bezeichnung  Haagen,  Geschichte  Achens  I,  S.  287. 
*)  Jetzt  Franzstrasse. 

*)  Mathiashof,  ehemaliger  Beguinenkonvent,  nach  dem  Apostel  Mathias, 
dem  er  nebst  der  Kirche  geweiht  war,  so  benannt. 

^  Das  Gut  Beulartstein  lag  in  der  Bürgermeisterei  Laurensberg,  Ldkr. 
Aachen.  Ueber  den  Erbzins  vgl.  Qu  ix,  Das  ehemalige  Dominikaner-Kloster 
S.  19.  Am  31.  Mai  1534  belasteten  Johann  Beulart  und  seine  Gattin  Irm- 
gard zu  Gunsten  des  Predigerklosters  in  Aachen  ihr  genanntes  Gut  mit  einem 
Jahrzins  von  6  Goldgulden,  der  später  mit  120  Goldgulden  abgelöst  wurde 
(ebendas.  S.  27). 


Aachener  Prozesse  am  Reiob^ikamnlerti:ericht.  Hl 

1529.  Severin  Hellink  g.  Biirgerraeister  und  Rath.  Per- 
sonalarrest des  K.  wegen  einer  Forderung  des  Handlungsgesell- 
schafters Siegfried  von  Louvenich.  (H  2917.)  23 

1530.  Die  Greven  des  Kräinerambachts  g.  Katharina  Styngen 
genannt  Sylverbemer  und  Eheleute  Marks.  Vindikation  nielirerer 
von  den  Eheleuten  Wilhelm  Kunschtaff  herrührender,  angeblich 
auf  V.  vererbter  (Tnindstücke  (zwein  morgen  .  .  gelegen  in  die 
Wirdelbach,  noch  sieven  gelegen  up  die  Heide),  Einrede  der 
Verjährung.  —  Schöffenstuhl.  (A  141.)  24 

1530.  Thomas  Bogenmacher  g.  Schöffenstuhl.  Grundlose 
Entsetzung  des  K.  aus  dem  ^Rhatses*^  (Sitz  im  Ratli)  und  dem 
Kohlmeisteramt,  die  er  17  Jahre  lang  innegehabt.  Weitläufige 
Verhandlungen  vor  einer  bestellten  Reichskamniergerichts-Kom- 
mission  zu  Aachen.  (B  4981.)  25 

1530.  Johann  Greven l)erg  g.  Werkmeister  des  Wollen- 
ambachts.  Beschwerde  ül)er  Beschlagnahme  mehrerer  Stücke 
Tuch,  welche  sich  V.  während  der  Frankfurter  Messe  gegen 
den  K.  erlaubt  hal>en,  weil  er  nicht  in  (Temeinschaft  mit  ihnen 
verkaufen  wolltet  —  Magistrat.  (G  1624.)  26 

1530.  Mauritius  von  der  Over*  und  seine  Hausfrau  Airatlie 
g.  Magistrat  und  Schöffen.  Aufliebung  eines  g.  die  K.  erkannten 
Personalarrestes,  welcher  angeblich  nur  aus  dem  Grunde  ver- 
hängt war,  um  sie  zur  Rücknahme  einer  Apiiellation  an  das 
K.-G.  g.  ein  von  den  V.  erlassenes  Erkenntniss  zu  zwingen. 
(0  1586.)  27 

1531.  Prior  und  Konvent  der  Refrulirherren  g.  Johann  von 
Elft*.  Vindikation  mehn^rer  von  Tilmann  ThilH.-.s  hinterlassener, 
bei  A.  belegener  I^lmgüter*  Namens  des  Regulirhemi  Martin 
Thibes  unter  der  Behauptimtr,  dass  Geistlidie  einf-n  «wehrent- 
lichen  Mann*  (I^hnträger)  iK-^tellen  können.  —  Statthalter  und 
Leimmänner  des  Lelins  Vi*n  th^r  Schieiden  im  R<Mrjje  von  A.  auf 
Unterweisung  des  Schöffen>tuhls.  (A   121.)  2X 


»)  \^\,  St.  51. 

*)  \>l.  Nr.  13. 

«)  Vgl.  Nr.  87. 

*)  Di^*^*»  r><'hnirüi«*r  -lud  i*i  A»  u  Akt' n  n'uht  inlj^r  l>*'Z*-i' )jih  t. 


32  R.  Goecke 

1531.  Simon  von  Weiler  g.  das  Regulirlierrenkloster  ^  Erb- 
pacht von  5  Müdden  Roggen,  ruhend  auf  der  vor  dem  äussern 
Köbthor  belegenen  Mühle  des  K.  —  Schöffenstuhl.  (W  1389.)    29 

1532.  Hans  Supp  g.  Prior  und  Konvent  der  Frauenbrüder. 
Jährlicher  Zins  von  2  6.  aus  einem  Hause  und  Erbe  auf  der 
Sandkaul.  —  Schöffenstuhl,  f.  (S  9545.)  30 

1533.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  gemeine  Nach- 
baren von  Würselen,  Haaren  u.  s.  w.  im  Aachener  Reich.  Recht 
der  K.,  von  ihren  im  Reich,  d.  h.  innerhalb  einer  Meile  von 
der  Stadt  angesessenen  Einwohnern  Beiträge  zur  Türkensteuer 
zu  erheben.  (A  41.)  ^  31 

1533.  Dechant  und  Kapitel  des  St.  Adalbertsstifts  g. 
Lambrecht  Giesse  zu  Baesweiler*.  Streit  über  liegende  Güter 
zu  Boisseler',  welche  K.  als  verfallene  Emphyteusis  in  Besitz 
genommen,  V.  aber  als  Erbgüter  beansprucht.  —  Schöffen  zu 
Baesweiler  auf  Unterweisung  des  Oberhofs  zu  Jülich.  (A  113.)  32 

1533.  Dechant  und  Kapitel  des  St.  Adalbertsstifts  g.  Johann 
Reysen  zu  Schleyden*.  Vindikation  von  Grundstücken  im  Bezirk 
von  Baesweiler*,  welche  die  K.  als  kaduzirt  wegen  unterbliebener 
Zahlung  des  Kanons  in  Besitz  genommen  haben.  —  Schöffen  zu 
Baesweiler  auf  Unterweisung  des  Oberhofs  zu  Jülich.  (A  114.)  33 

1533.  Johann  von  Linzenich  zu  Burtscheid  g.  Stadt  A. 
und  Schöffengericht  zu  Burtscheid.  Gefangenhaltung  des  K. 
wegen  beharrlicher  Verfolgung  seiner  Rechtsansprüche  beim 
K.-G.«  (L  2122t>.)  34 


*)  Nach  einem  Aktenstück  vom  4.  September  1531  war  damals  Johann 
von  Goch  Prior,  Wichbold  von  Deventer  Subprior  und  Jaspar  Taxis  Pro- 
knrator  des  Klosters. 

*)  BaesweUer,  Dorf,  Kr.  GeUenklrcben. 
«)  Boslar,  Dorf,  Bgstr.  Hottorf,  Kr.  Jülich. 

*)  Schieiden,  Dorf,  Bgstr.  Siersdorf,  Kr.  Jülich,  oder  Bgstr.  Aphoveu, 
Kr.  Hemsberg. 

*)  Vgl.  Nr.  32. 

^)  lieber  Vorgänge,  welche  wahrscheinlich  Veranlassung  zu  diesem 
Rechtsstreit  gegeben  haben,  vgl.  das  Urtheil  vom  9.  Dezember  1521,  Zeit- 
schrift des  Aachener  Geschichtsvereins  II,  S.  85  f. 


Aachener  Prozesse  am  Reicbskamraergericht.  33 

1534.  Greven  und  Ambacht  der  Schuster  g.  das  Lederer- 
ambacht.  Kauf  und  Einbringung  ausserhalb  der  Stadt  geloheten 
und  bereiteten  Leders  durch  den  Scluister  Friedrich  von  Jülich; 
Intervention  der  Schusterzunft,  welche  das  Recht  dazu  behauptet. 
—  Bürgermeister  und  Rath.  (A  149.)  35 

1534.  Servatius  von  Colin  imd  sein  Sohn  Georg  g.  Bürger- 
meister und  Rath.  Entschädigung  der  K.  dafür,  dass  sie  auf 
Antrag  des  Peter  von  der  Heiden  in  Folge  der  ihnen  gegen  die 
Stadt  A.  erlaubten  kaiserlichen  Repressalien  in  Mainz  verhaftet 
wurden.  (C  1152.)  36 

1534.  Johann  GreflFenberg  g.  Marktmeister  und  Genossen. 
Injurienklage  wegen  Verleumdung.  —  Magistrat,  f.  (G  1410.)    37 

1535.  Der  Pater  in  dem  Mergenthai  zu  A.^  Namens  der 
Konventschwester  Ottilie  und  der  Prior  zu  Paradies^  Namens 
des  Konventbruders  Hermann  und  Genossen  g.  Johann  Kraux 
oder  Krotsch  zu  Theuren  ^.  Anspruch  auf  die  von  Rüdger  Moep- 
ges  nachgelassenen  Renten  und  Güter*  für  dessen  Seitenver- 
wandte g.  die  Erben  seines  Successors  in  thoro.  —  Schöffen  zu 
Theuren  auf  Unterweisung  ihres  Oberhofs  zu  A.  (A  106.)      38 

1535.  Mutter  und  Konvent  im  Marienthal  ^  g.  Johann  Buyter 
und  seine  Hausfrau  Lucie  und  deren  Verwandte.  Herausgabe 
mehrerer  in  und  bei  A.  belegener  Grundstücke  (eyn  stuck  lantz  .  . 
gelegen  an  Roistportze,  eyn  [desgl.]  an  den  Kalkaevent,  eyn 
[desgl.]  genant  der  Schoppele,  noch  umbtreut  eynen  halven 
morgen  beyntz  gelegen  an  den  Wyngartzberch  ^,  noch  eyn  [desgl.] 


*)  Kloster  Marienthal  in  der  Franzstrasse. 

*)  Wo  dieses  Kloster  lag,  ist  in  den  Akten  nicht  angegeben.  Ein  Kloster 
zum  Paradies  gab  es  nicht  in  Aachen,  dagegen  bestand  ein  Wilhelmiter- 
kloster  dieses  Namens  in  Mren  (vgl.  Bonn,  Rnmpel  und  Fischbach 
a.  a.  0.  S.  293). 

•)  Düren. 

*)  Eine  nähere  Bezeichnung  derselben  fehlt  in  den  Akten. 

»)  Vgl.  Nr.  38. 

^  Weingartsberg,  an  der  Ostseite  der  Stadt  zwischen  Sandkaul-  und 
Kölnthor.    Vgl.  Ouix,  Die  Königliche  Kapelle  auf  dem  Salvators-Berge  S.  64. 

3 


34  R.  Goecke 

gegen  sent  Joeris  thorn  ^  over  gelegen),  Zinsen  und  Pachte,  so- 
wie von  Mobilien,  welche  die  Klosterfrau  Adelheid  von  Schinne 
besessen,  an  die  V.  als  deren  Erben.  —  Schöffenstuhl,  f.  (A 107.)  39 

1536.  Paul  Gartzweiler  g.  Frambach  von  Hochkirchen, 
den  Schöffenstuhl  und  Peter  von  der  Heyden.  Geldstrafe  wegen 
Schmähreden.  (G  242.)  40 

153G.  Gemeinde  Würselen  und  Haaren  g.  Schöffenstuhl.  Be- 
holzungsrecht  im  Gemeindewald.  —  Schöffenstuhl.  (W  5814.)   41 

1537.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Johann  Herzog  von 
Jülich,  Kleve  und  Berg  zu  Düsseldorf.  Streitigkeiten  über  die 
Grenzen  der  Gerichtsbarkeit  des  Jülichschen  Vogts  und  Meiers 
in  A.    (A  92.)  42 

1537.  St.  Johannesbruderschaft  beim  Marienstift  g.  Wittwe 
Martin  Sturz.  Forderung  eines  jährlichen  Zinses  von  4  G.  aus 
einem  auf  der  Ecke  der  Hartmannstrasse  gelegenen  Hause 
(an  ind  op  eyn  oirthuiss  ind  erf  bynnen  Aiche  mit  eyner  cameren 
gelegen  upHairtmanstraissoirt  genant). — Schöffenstuhl.  (AI  19.)  43 

1537.  Matlüas  Duppengiesser  g.  Bürgermeister,  Schöffen 
und  Rath.  Befehl  an  den  K.,  seine  auf  der  Weissgerberstrasse  ^ 
(in  der  statt  Aiche  vorstatt  uf  der  Weyssgerber  gassen)  errichtete 
Mühle  abzureissen  und  Einsperrung  desselben  wegen  Unge- 
horsams. —  Bürgermeister  und  Rath,  f.    (D  1995.)  44 

1537.  Peter  Zink  und  Genossen  g.  Dechant  und  Kapitel 
des  Marienstifts.  Erbauung  einer  Schleifmühle  in  der  Jakob- 
strasse. —  Bürgermeister  und  Rath.    (Z  400.)  45 

1538.  Augustinerkloster  g.  Gerhard  von  der  Heggen 
genannt  Krüppel.  Forderung  einer  jährlichen  Rente  von  7 
Goldg.  und  3^2  Mark  aus  dem  vom  V.  besessenen  Haus  und  Erbe, 
genannt  das  Ross,  am  Parvisch  belegen  (dat  huyss  und  erf 
genant  dat  Ross  gelegen  upt  Parvisch  up  dat  ort  van  Scharp- 
strate neest  deme  huyss  zum  Spiegel).  —  Schöffenstuhl.  (A  117.)  46 


')  Dieser  Mauerthurm,  1639  St.  Joerißtliourn,  1696  Jurrestorn  genannt, 
lag  zwischen  Pont-  und  Königsthor.  Qu  ix  (Hist.-topogr.  Beschreibung  der 
Stadt  Aachen  S.  178)  nennt  ihn  Gregorius-Thunn;  vgl.  auch  Zeitschrift  des 
Aachener  Geschichtsvereins  I,  S.  36. 

2)  Wo  lag  diese?   Sollte  der  Löhergraben  gemeint  sein? 


Aachener  Prozesse  am  Reicbskammersrericht.  35 


o' 


1538.  Johann  und  Karl  Bürgerhaus  g.  das  Kloster  der 
Weissen  Frauen.  Zinspflichtigkeit  einer  Oelniühle  und  von  vier 
Morgen  Ackerlands^,  welche  K.  bestreiten.  —  Schöffenstuhl,  f. 
(B  6479.)  47 

1539.  Johann  Steffiirts  g.  Prior*  und  Konvent  des  Kreiiz- 
brüderklosters.  Forderung  von  200  Joachinisthaler  für  zwei 
dem  K.  verkaufte  gestickte  Tapeten.  —  Schöffenstuhl.  (1 4844.)  48 

1539.  Gemeinden  Würselen  und  Haaren  g.  Stadt  A. 
Beholzungsrecht  im  Walde   „Vogelsang**.     (W  5815.)  49 

1541.  Dechant  und  Kapitel  des  Marienstifts  g.  Johann 
Grevenberg,  Weinwirtli.  Forderung  von  98  G.  an  den  ver- 
storbenen Kantor  des  Stifts  Sudermann  und  Arrestirung  des 
den  Kapitularen  gehörenden  Weins.  —  Schöffenstuhl.  (A  97.)  50 

1541.  Johann  Grevenberg  g.  Werkmeister  des  Wollen- 
ambachts.    Wie  Nr.  26.    (G  1625.)  51 

1542.  Herzog  Wilhelm  von  Jülich  zu  Düsseldorf  g.  Stadt  A. 
Streitige  Jurisdiktion  im  Amt  Wilhelmstein,  bezw.  landfriedens- 
brüchige Handlungen  der  Aachener  daselbst.  —  Umfangreiche 
Verhandlung  vor  einer  K.-G.-Kommission  zu  A.    (G  2823.)    52 

1542.  Johann  Steffarts  g.  Vogt,  Meier  und  Schöffen.  Unreell t- 
mässige  Verhängung  des  Arrestes  über  seine  in  der  Stadt  A. 
belegenen  Güter  als  Exekutionsmittel  in  Sachen  Buschmann  g. 
Steffarts  und  dadurch  bewirkte  Kränkung  des  K.  in  seiner 
Kaufmannsehre.     (S  4843.)  53 

• 

1543.  Dechant  und  Kapitel  des  Marienstifts  g.  Nachbaren 
und  Gemeinden  der  Vogtei  Fleron  zu  Fleron,  Ayneux,  Maretz 
im  Fürstbisthum  Lüttich.  Beholzungsrecht  im  Walde  von 
Moseur  in  der  Vogtei  Fleron.  —  Meier  und  Schöffen  der  Herr- 
schaft Fleron  ^  auf  Unterweisung  ihres  Oberliofs,  des  Schöffen- 
stuhls.   (A  172.)    L.  54 


0  Die  Lage  und  die  Namen  der  Grundstücke  sind  in  den  Akten  nicht 
angegeben. 

')  Wahrscheinlich    Franz    von  Sittard;    vgl.   Qu  ix,    Die   Pfarre    zum 
h.  Kreuz  und  die  ehemalige  Kanonie  der  Kreuzpfarre  in  Aachen  S.  68. 

')  Vgl.  darüber  Loersch  in  Haagens  Geschichte  Achens  I,  S.  353,  Nr. 
32.     Fleron,  Ayeneux  und  Magn^e  (V),  Kanton  Fleron,  Provinz  LÜttich. 

3* 


36  R.  Goecke 

1543.  Wittwe  des  Johannes  von  Dinslacken  für  sich  und 
ihre  Kinder  zu  Köln  g.  Bürgermeister  und  Rath.  Rückzahlung 
eines  Darlehns  von  400  Goldg.    (D  1033.)  55 

1544.  Bernhard  Engels  und  Johann  von  der  Linden  g. 
Meister  und  Konvent  der  Webbegarden  Franziskaner  Ordens  \ 
Verabfolgung  verschiedener  jährlicher  Zinse  aus  zwei  Häusern  in 
der  Burtscheider  Strasse  und  Kräraerstrasse  zu  A.,  weldie 
Arnold  Wünnenberg  dem  Kloster  unter  der  Verpflichtung  ver- 
macht hat,  vierteljährlich  unter  die  Annen  100  vierpfündige 
Brode  und  in  den  Fasten  bei  jedem  Brode  einen  Häring  und 
einen  Schilling  zu  vertheilen.  —  SchöflFenstuhl.    (E  1419.)     56 

1546.  Wilhelm  Steffart  g.  Schöfl^enmeister  und  SchöflFen. 
Verweigerte  Aufnahme  des  K.  in  den  Schöflfenstuhl.  (S  4842.)  57 

1548.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Vogt  und 
Schöffen  des  Dingstuhls  zu  Körrenzig  und  zu  der  Linden  *,  beide 
im  Herzogthum  Jülich.  Bestrafung  der  V.  wegen  Privilegien- 
bruchs, dadurch  begangen,  dass  V.  Bürger  und  Einwohner  von 
A.  mit  Arrest  belegt  und  die  Prozesssachen  nicht  an  die  K. 
auf  deren  Avokation  zur  Entscheidung  zurückgesandt  haben. 
(A  32.)  58 

1548.  Bürgermeister  und  Rath  pro  interesse  ihres  Bürgers 
Leonhard  Elleband  (oder  Elleborn)  g.  Leonhard  Schmidts  zu 
Koffern^.  Pfändung  einiger  Fuhrleute  aus  A.  auf  Antrag  des 
V.,  weil  er  an  den  K.  Ellcband  (oder  Elleborn)  wegen  Mästung 
in  dem  Busche  bei  A.  hatte  indebite  5  Rthlr.  zahlen  müssen.  — 
Schöffen  zu  Körrenzig  auf  Rath  des  Oberhofs  zu  Jülich.  (A  33.)  59 

1548.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Georg  von  Oesterreich, 
Bischof  zu  Lüttich,  residirend  zu  Franchimont.  Störung  im 
Besitz  der  Appellationsinstanz  über  alle  um  A.  liegende  Gerichte 
durch  ein  Verbot  des  V.  an  die  Schöffen  zu  St.  Trond  (Truiden), 


*)  Vgl.  Nr.  74  und  81.  Ausführliche  Nachrichten  über  diesen  Konvent 
bei  Quix,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Aachen  und  ihrer  Umgebungen 
II,  S.  65  ff. 

•)  Körrenzig,  Dorf,  Kr.  Erkelenz;  Linden,  Dorf,  Bgstr.  Broich,  Ldkr. 
Aachen. 

')  Kofferen,  Dorf,  Bgstr.  Körrenzig,  Kr.  Erkelenz. 


L 


Aachener  Prozesse  am  Reiehskammersrericht.  37 


O' 


nicht  mehr  nach  A.,  sondeni  an  des  V.  Ruth  zu  appelliren  K  — 
Kaiserliche  Kommission  des  K.-G.  zu  A.     (A  47.)  60 

1548.  Johann  von  Alesheim  genannt  Mulstroe  g.  Konvent 
der  Weissen  Frauen.  Zahlung  eines  jährlichen  Zinses  von  6 
schweren  G.  von  5  Morgen  Land  auf  dem  Perzbend.  —  SchöflFen- 
stuhl.    (A  525.)  61 

1549.  Bürgermeister  und  Rath  pro  Interesse  des  Nikolaus 
Claremont  g.  Reinhard  Pöttgen  und  Vogt  und  Schöffen  zu 
Linden*.  V.  Pöttgen  hatte  wegen  Forderung  an  Claremont 
diesen  durch  das  Jülichsche  Schöffengericht  zu  der  Linden 
pfänden  und  citiren  lassen,  worüber  die  Stadt  A.  sich  beschwert, 
weil  es  den  Reichsgesetzen,  ihren  Privilegien  und  einem  Ver- 
trag mit  dem  Herzog  von  Jülich  zuwider  sei,  durch  solche 
Pßindungen  den  gewöhnlichen  Gerichtsstand  der  V.  in  erster 
Instanz  zu  umgehen.  —  Schöffen  zu  Linden,  f.    (A  35.)        62 

1549.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Christian  Höhnstein, 
Vogt,  und  die  Schöffen  zu  Bergheim  im  Lande  Jülich.  Unbe- 
fugt« An*estanlage  auf  Vermögeusstücke  Aachener  Bürger  in 
Folge  eines  von  den  V.  erlittenen,  aber  durch  die  K.  gehörig 
bestraften  Raubanfalls  ^    (A  56.)  63 

1549.»  Herzog  Wilhelm  von  Jülich  zu  Düsseldorf  g.  Stadt  A. 
Vogteiliche  Gerichtsbarkeit  des  Herzogs  in  A.,  das  merum  et 
mixtum  Imperium  desselben  im  Reich  von  A.,  insbesondere  das 
Judengeleit.    (G  2825.)  64 

1550.  Simon  Engelhardt,  K.-G.-Prokurator,  zu  Speier  g. 
die  gemeinen  Bauern  im  Reich  von  A.  zu  Würselen  und  Haaren. 
Zahlung  von  jährlich  20  G.  versprochener  Prokuraturgebühren. 
(E  1382.)  65 

1551.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Herzog  Wilhelm  von 
Jülich,  Kleve  und  Berg  zu  Kleve  und  dessen  Amtmann  zu 
Wilhelmstein.  Streit  über  Eigenthum  und  Hoheit  am  Walde 
„die  Fisch**  genannt  und  über  das  Recht,  dort  auf  Erz,  Galmei, 


0  Vgl.  Loerseh  in  Haageus  Geschichte  Achens  I,  S.  360,  Nr.  96. 
2)  Vgl.  Nr.  58. 
»)  Vgl.  Nr.  78. 


38  R.  Goecke 

Blei  und  Kohlen  Muthungen  zu  ertheilen;  in  Folge  dessen 
Verhaftung  und  Untersuchung  wider  den  von  K.  daselbst  er- 
nannten Zelmterheber  Hans  Meyer  und  Verurtheilung  desselben 
zur  Uebergabe  auf  Gnade  und  Ungnade  an  den  Herzog.  (A  80.)  66 

1551.  Michael  Düsterwald  Namens  seiner  Ehefrau  geb. 
Blaffarts  zu  Dremmen  g.  Mutter  und  Konvent  des  Klosters 
Marien thal.  Herausgabe  der  Hälfte  des  von  dem  im  Kloster 
verstorbenen  Heinrich  Blaffarts  hinterlassenen  Vermögens.  — 
Schöffenstuhl.    (D  2091.)  67 

1551.  Anna  von  Ellenband  \  Wittwe  des  Adam  von  Merode, 
Frau  zu  Frankenberg  und  Burtscheid,  g.  Bürgermeister  und 
Kath.  Störung  der  K.  im  Besitz  der  Erbvogtei  zu  Burtscheid 
durch  Vertreibung  der  von  ihr  daselbst  aufgenommenen  Schutz- 
juden.   (E  1030.)  68 

1552.  Dechant  und  Kapitel  des  Domstifts  zu  Köln  g. 
Äbtissin  und  Konvent  des  Gotteshauses  St.  Joris  oder  Jürgen^ 
bei  A.  Forderung  der  Kurmuth  von  den  V.  und  deshalb 
Arrestation  ihrer  im  Gericht  Lohn  bei  Aldenhoven  liegenden 
Hobsgütcr.  Einrede  der  Freiheit  geistlicher  Personen  von 
dieser  Abgabe.  —  Schöffen  zu  Lohn  und  Oberhof  zu  Jülich. 
(C  1456.)  69 

1553.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Bischof  Georg  und 
Bürgermeister  und  Rath  von  Lüttich.  Störung  der  K.  im 
Besitz  des  Rechts,  ihre  Habe  und  Güter  zollfrei  zu  Wasser 
oder  Land  durch  das  Stift  Lüttich  transportiren  zu  lassen, 
dadmxh,  dass  die  V.  das  persönliche  Erscheinen  der  Kaufleute 
und  die  Ableistung  eines  Kids  über  ihr  Eigenthum  an  den 
Waaren  neuerdings  verlangen.    (A  48.)  70 

1553.  Dietrich  von  Wilre  g.  Bürgermeister  und  Rath. 
Rückstande  einer  für  580  G.  erkauften  ablöslichen  Rente  von 
29  Goldg.  jährlich.  —  Schöffenstuhl.     (W  3683.)  71 


»)  Vgl.  Quix,  Die  Frankenburg  S.  66;  Richardson,  (leschichte  der 
Familie  Merode  I,  S.  220,  II,  S.  265.  Anna  von  Ellenband  heiratbete  1551 
in  zweiter  Ehe  Richard  von  Merode-Houflfalize  zu  Kalkofen,  Wittwer  von 
Anna  von  Hochkirchen. 

2)  Kloster  8t.  Joris  (St.  Georgsbusch),  Gem.  Kinzweiler,  Bgstr.  Esch- 
weiler, Ldkr.  Aachen.  Vgl.  darüber  Boiträgc  zur  Geschichte  von  Eschweilcr 
und  Umgeg«Mid  II,  8.  71  f. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskainmergericht.  39 

1555.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Wilhelm  Herzog  zu 
Jülich,  Kleve  und  Berg.  Berechtigung  im  städtischen  Walde, 
die  Eyga,  auch  Etzcha  und  p]tgenbusch  *  genannt,  gegen  Abgabe 
des  zehnten  Pfennigs  Erz,  Galmei,  Blei  und  Kohlen  zu  graben; 
Störung  durch  Werner  von  Palant,  Jülichschen  Amtmann  zu 
Wilhelmstein.    (A  80^)  72 

1556.  Priorin  und  Konvent  des  Klosters  der  Weissen 
Frauen  g.  Johann,  Anna  und  Ijucie  Dandel  genannt  von  der 
Kannen  und  deren  Schwager  Leonhard  von  Enden.  Forderung 
des  väterlichen  imd  mütterlichen  Erbtheils  der  Mitschwester 
und  Professin  Maria  Dandel,  welche  nicht  auf  die  Erbschaft 
verzichtet  hatte.  —  Schöffenstuhl,  f.    (A  118.)     "  73 

1556.  Theis  Bleienhaupts  Erben  g.  Minister  und  Konvent 
<ler  Webbegarden  *.  Eigenthum  an  S'/a  Morgen  Land  und 
Acker,  in  der  Aachener  Mark  am  Elssenbusch  gelegen,  und 
an  zwei  „die  Int**  und  „das  Harheitgen**  genannten  Wiesen.  — 
Schöffenstuhl.     (B  3511.)  74 

1556.  Äbtissin  und  Konvent  von  Burtscheid  g.  Bürger- 
meister und  Rath.  Freiheit  der  klägerischen  Güter  in  der 
Aachener  Gemarkung  von  allen  Abgaben.    (B  5684''.)  75 

1557.  Abtei  Burtscheid  und  die  sechs  gevollmächtigten 
Männer  des  Dorfes  und  der  Herrlichkeit  Burtscheid  g.  Bürger- 
inefster  und  Rath.  Jurisdictio  meri  et  raixti  imperii  zu  Burtscheid. 
(B  5682.)  76 

1557.  Arnold  von  Savelsberg  g.  Prior  und  Konvent  des 
Predigerklosters.  Sechs  Morgen  Land,  welche  K.  von  seinem 
Oheim  Paulus  geerbt,  worauf  Arnold  von  Wymar  und  Eberhard 
von  Harve  Ansprüche  erhoben  und  solche  vor  einem  angeblichen 
Scliiedsgericht  des  Predigerkonvents  durchgesetzt  und  nach 
Weigerung  der  V.,  die  Grundstücke  herauszugeben,  dieselben 
vor  <lem  Schöffenstuhl  belangt  haben.  —  Schöffenstuhl.  (S  878.)  77 

1558.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Christian  Höhnstein, 
Vogt  zu   Bergheim.     Injurien   durch   die   vom  V.   beim   K.-G. 

')  Vgl.  über  den  Wahl  „die  Etsch"  Noppius,  Aacher  Chroniek  (IB.'Vi) 
Th.  II,  S.  164;  Quix,  Cod.  dipl.  Aquensis  uo.  207. 

0  Vgl.  Nr.  56  und  HI. 


40  R.  Goecke 

eingereichte  Exceptionsschrift,  in  der  behauptet  wird,  K.  hätten 
diejenigen  ihrer  Unterthanen,  welche  zur  Zeit  des  Krieges 
zwischen  dem  Kaiser^  und  dem  Herzog  von  Jülich  den  V. 
beraubt,  nicht  gehörig  bestraft  und  deshalb  selbst  die  Strafe 
des  Raubes  verwirkte    (A  57.)  78 

1558.  Äbtissin  und  Konvent  zu  Burtscheid  und  die  sechs 
gevoUmächtigten  Männer  von  Dorf  und  Herrlichkeit  Burtscheid 
g.  Bürgermeister  und  Rath  und  deren  Meier  und  Vogt  zu 
Burtscheid.  Freier  Weinschank  zu  Burtscheid,  bezw.  die  da- 
gegen behauptete  Einsprache  der  V.,  dass  sie  „alle  hohe  Ober- 
und  Herrlichkeit,  Gebot  und  Verbot,  auch  alle  Jurisdiktion 
sowohl  in  criminalibus  als  in  civilibus  in  der  Herrlichkeit  zu 
Burtscheid  kraft  der  von  den  Vorfaliren  der  K.  besiegelten 
Transportation  und  Uebergabe  vor  200  Jahren  gehabt  und  von 
solcher  Zeit  also  bis  daher  daran  in  Possession  und  Gewer  vel 
quasi  gewesen".    (B  5683.)  79 

1558.  Johann  Butter  und  Peter  Koch  g.  Simon  Kern  als 
Anwalt  Dietrichs  von  der  Recke  und  Genossen  als  Kirchmeister 
der  St.  Foilanskirche.  Schuldforderung  von  400  oberländischen 
rheinischen  G.,  welche  die  genannte  Pfarrkirche  zur  Abhaltung 
einer  Erbmesse  aus  einem  Testament  an  K.  zu  haben  behauptet.  — 
Schöffenstuld.     (B  6736.)  80 

1558.  Wittwe  Agnes  von  der  Schmitten  g.  Minister  und 
Konvent  der  Webbegarden^  Forderung  von  200  Goldg.  o*der 
11  Goldg.  jährlicher  Rente.  —  Schöflfenstuhl,  f.    (S  6386.)     81 

1560.  Franz  von  Inden  g.  Bürgermeister  und  Rath.  Besitz- 
entsetzimg des  K.  aus  einem  Hause,  einer  Mühle  und  andern 
dazu  gehörigen  Gütern'*.    (I  1095.)  82 

1560.  Franz  von  Inden  g.  Bürgermeister  und  Rath.  Genug- 
thuung  wegen  Entsetzung  des  K.  von  Aemtern  und  Würden  und 
Ausweisung  aus  der  Stadt  A.^  —  Magistrat,  f.    (I  1096.)     83 

»)  Karl  V. 
«)  Vgl.  Nr.  63. 

')  Vgl.  Nr.  56  und  74. 

*)  Die  nähere  Bezeichnung  der  Lage  dieser  Grundstücke  fehlt  in  den 
Akten.    Vgl.  Nr.  83. 

^)  Vgl.  Meyer,  Aachensclio  Geschichten  I,  S.  455. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskammergericlit.  41 

1560.  Adam  von  Zevel  g.  Bürgermeister  und  Ratli.  Ent- 
setzung des  K.  aus  seinem  Bürgermeisteramt  wegen  angeblich 
begangener  Injurien  ^    (Z  241.)  84 

1561.  Äbtissin  und  Konvent  zu  Burtscheid  g.  Bürgermeister 
und  Rath.  Unterhaltung  der  Wege  und  Stege,  bezw.  die  Be- 
hauptung der  V.,  dass  die  Äbtissin  als  eine  kaiserliche  Äbtissin  und 
Grundfrau  der  Herrlichkeit  Burtscheid  „Weg  und  Steg  und 
Wasserlauf,  kalt  und  warm,  zu  halten"  schuldig  sei.  (B  5684»».)  85 

1561.  Adam  von  Zevel  g.  Bürgermeister  und  Rath.  Injurien- 
klage wegen  Eingriffe  in  das  Bürgermeisteramt  des  K.  in  Folge 
falscher  Anschuldigung  eines  Juden*.    (Z  242.)  86 

1562.  Johami  von  Elfft^  g.  Prior  und  Konvent  der  Regulir- 
herren.  Zahlung  eines  jährlichen  Zinses  von  2V2  Goldg.  aus 
einem  Bungart  vor  dem  Königsthor.  —  Schöffenstuhl.  (E  1015.)  87 

1563.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  den  Vogt  und 
dessen  Statthalter  zu  Boslar*  imd  Schöffen  imd  Gerichtsboten 
zu  Körrenzig.  Bestrafung  der  V.  wegen  Privilegienbruchs  durch 
Arrestirung  von  20  einem  Aachener  Bürger  gehörigen  Malter 
Roggen  bei  deren  Durchfuhr  durch  Körrenzig,  obgleich  die  K. 
den  Einwolmern  des  Amts  Körrenzig  nie  Rechtshülfe  geweigert 
haben.    (A  34.)  88 

1563.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Vogt,  Schöffen 
und  Gerichtsboten  zu  Eschweiler  ^  im  Herzogthum  Jülich.  Be- 
strafung der  V.  wegen  Pföndung  von  Aachener  Bürgern  und 
dadurch  begangenen  Privilegienbruchs.    (A  63.)  89 

1564.  Äbtissin  und  Konvent  zu  Burtscheid  g.  Bürgcnneister 
und  Rath.    Regalien,  Jurisdiktion  und  feindliche  Störung  der- 

0  V^l.  Nr.  86,   das   Citat   zu   Nr.  83  und  von   Fürth,   Beitrage   und 
Material  zur  Geschichte  der  Aachener  Patrizier-Familien  II,  2,  S.  123  ff. 
«)  Vgl.  Nr.  84. 
3)  Vgl.  Nr.  28. 

*)  Vogt  zu  Boslar  war  damals  Konrad  Beeren,  sein  Statthalt-er  Johann 
Kannegieser.  Wegen  der  Lage  der  Orte  vgl.  Nr.  32,  Anm.  3  und  Nr.  58, 
Anm.  2. 

^)  Damals  war  Hugo  von  Heinsherg  Vogt  za  Eschweiler;  vgl.  Koch, 
Geschichte  der  Stadt  E.srliweiler  IV  und  V,  Ö.  145  f. 


42  R.  Goecke 

selben,  bezw.  Landfriedensbruch,  welchen  Soldaten  der  Stadt  A. 
auf  Befehl  der  V.  durch  gewaltsame  Wegnahme  einer  eisernen 
Spill  oder  Tuchschererpresse  aus  einem  geschlossenen  Hause  zu 
Burtscheid  g.  einen  status  imperii  begangen  haben.  (B  5686".)  90 

1565.  Bürgermeister,  Schöifen  und  Rath  g.  Hermann  von 
Hirtz  genannt  Landscron  zu  Köln.  Zahlung  rückständiger 
Pensionen  und  dieserhalb  Arrestanlage.  Appellation,  weil  in 
zweiter  Instanz  bei  Reformation  des  ersten  Erkenntnisses  auf 
Kompensation  der  Kosten  erkannt  und  V.  nicht  in  alle  Kosten 
verurtheilt  ist  K  —  Greve  und  Schöffen  des  kurfürstlichen  hohen 
Gerichts  zu  Köln,  f.    (A  64.)  91 

1566.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Herzog  Wilhelm  von 
Jülich,  Kleve  und  Berg.  Mast  und  Jagd  in  „gemeiner  Stadt 
und  Reichs  A.  Wald",  der  Reichswald  oder  Reichsbusch  genannt, 
dessen  einzelne  Theile  aufgezählt  werden  wie  folgt:  1.  der 
Aldenradt,  2.  der  Haw,  3.  der  Buechenbusch,  4.  die  Scmderey, 
5.  der  Startz,  6.  der  Hovenborn,  7.  der  Dieffenbroch,  8.  die 
Fleeg,  9.  der  Eutgensraidt,  10.  die  Etsch,  11.  der  Rippert,  12. 
Under-MüUenborn,  13.  Haenbuchenbroch,  14.  der  Haeg,  15.  der 
Matteisberg,  16.  der  Weitersborn,  17.  die  Wasserkaulen,  18.  der 
Oolensbroch,  19.  der  Ginsberg,  20.  der  Verkensweg,  21.  die 
Heistern,  22.  Müllenpleg,  23.  das  Kriebsloch,  24.  der  Bilstein, 
25.  der  Kibusch,  26.  die  Buschheid,  27.  die  Kaigracht.  (A  80^)   92 

1566.  Äbtissin  und  Konvent  von  Burtscheid  g.  Bürger- 
meister und  Rath.  -  Jurisdiktion  in  Burtscheid,  insbesondere 
betreffend  das  Recht,  die  Grindelen,  Schläge,  WegspeiTen  und 
Wehren  zwischen  St.  Michael  und  dem  Kloster  auf  dem  Berg, 
bezw.  um  das  Dorf  und  die  Herrlichkeit  Burtscheid  herum  zu 
setzen  und  einzugraben.    (B  5685.)  93 

1566.  Wilhelm  Steffarts  g.  Graf  Palant  zu  Culenburg, 
(Tuardian    des  Minoritenkloster^s  ^.     Forderung  von    9  G.  jähr- 

')  Vgl.  Picks  Bericht  über  die  Vorwaltung  dos  Archivs  der  Stadt 
Aachen  im  Jahre  1887,  S.  6,  Nr.  19. 

*)  Vgl.  über  dieses  Kloster  Neu,  Zur  (leschiehtc  des  Franziakaner- 
klüsters,  der  Kirche  uud  Pfarre  zum  hl.  Nikolaus  in  Aachen.  Der  oben 
genannte  (Juardian  wird  in  dem  hier  (S.  7:^)  mitgetheilten  Verzeichniss  nicht 
envähnt.  • 


Aachener  Prozesse  am  Reichskaminergericht.  43 

liclier  Zinsen,  wofür  des  K.  Haus,  genannt  zum   Ebersheuf\ 
verpfändet  ist.  —  Schöffenstuhl,  f.     (S  4845.)  94 

1567.  Prior  und  Konvent  des  Predigerklosters  g.  Franz 
Block.  Retrakt  von  5  Iforgen  Land,  in  der  Heide  im  Reich 
von  A.  bei  St.  Thonis^  gelegen,  g.  Ablösung  des  jährlichen 
Erbpachtzinses  von  6  G.  —  Schöffenstuhl.     (A  129.)  95 

1567.  Paul  Loersch,  Greve  des  Bierbraueramts,  g.  Simon 
Kern,  Anwalt  der  Regulirherren.  Erhöhung  eines  Erbzinses 
von  jälu-lich  5^2  Aachener  G.  auf  5^2  Goldg.  —  Schöffenstuhl. 
(L  2574.)  96 

1569.  Prior  und  Konvent  der  Regulirherren  g.  Katharina 
von  St.  Truden  (Truwen,  Treven)  zu  A.  Forderung  von  132  G. 
für  ins  Kloster  geholten  Wein.  —  Schöffenstuhl.    (A  122.)    97 

1570.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Schöffen  und  gemeine 
Nachbarschaft  zu  Burtscheid.  Mandat  an  die  V.,  ihren  Beitrag 
zur  Türkensteuer  sub  poena  dupli  an  K.  zu  zahlen  ^  (A  42.)   98 

1570.  Gillis  Stickelmann  g.  Johann  von  Wallum,  Meier 
und  Vogt.  Verbalinjurien  zwischen  K.  und  einem  andern  Bürger 
und  deren  Aburtheilung  durch  das  Kurgericht,  „welches  Gericht 
durch  einen  ehrbaren  Rath  mit  13  aus  demselben  verordneten 
Personen  als  Urtlieilsprechern  besetzt  wird".  Ueberschreitung 
der  Befugnisse  des  Meiers  bei  dieser  Gelegenheit.  —  Schöffen- 
stuhl.    (S  7118.)  99 

1571.  Elias  Auslasser  zu  Schwaz*  g.  Bürgermeister  und 
Rath.  Entschädigimg  mit  2000  Rthlr.  für  unrechtmässige  Ver- 
haftung und  Verwundung  des  K.,  sowie  Tödtung  seines  Dieners 
durch  Polizeidiener  und  Bürger  von  A.     (A  1674.)  100 

1571.  Gertrud  von  Birkden  g.  Äbtissin  und  Konvent  der 
Weissen    Frauen.     Entrichtung    eines   jährlichen    Zinses    von 


*)  Ein  Haus  „zu  den  Evershoide**  auf  dem  Fischraarkt  (ante  Parvisium) 
wird  schon  1337  erwähnt;  vgl.  Loersch,  Acheuer  llechtsdenkinäler 
S.  17'),  Nr.  3. 

*)  Unbekannter  Ort.     Vielleicht  ist  nur  ein  Grenznachhar  geraeint. 

3)  Vf?l.  Quix,  Hist.-topoj^r.  Beschreibung  der  Stadt  Burtscheid  S.  151. 
S.  auch   Nr.  221. 

*;  iSchwaz,  Bezirkshauptort  des  Knter-Innthals,  Tirol. 


44  R.  Goecke 

einigen  streitigen  Benden  und  Gütern,   „baiisson  St.  Albreclitz- 
und  Roistportzen  gelegen".  —  SchöflFenstuhl.    (B  4323.)       101 

1572.  Bürgermeister  und  Rath  zu  Köln  g.  Schöffenmeister 
und  Schöffen,  auch  g.  Wilhelm  Schleusen.  Privileg  der  Stadt 
Köln,  dass  keiner  ihrer  Bürger  oder  dessen  Güter  anderswo 
mit  Arrest  angehalten  und  dadurch  der  Gerichtszwang  begründet 
werden  kann,  Kontravention  dadurch,  dass  auf  Antrag  des  V. 
Schleusen  Karl  Trevenberg  aus  Köhi  durch  die  Schöffen  zu  A. 
daselbst  arrestirt  und  also  per  indirectum  evocirt  wurde. 
(C  1414.)  102 

1574.  Schöffenmeister  und  Schöffen  g.  Meier,  Schöffen  imd 
Gericht  zu  Herstal  ^  an  der  Maas.  Behauptimg,  dass  von  dem 
Gericht  zu  Herstal  an  den  Schöffenstuhl  zu  A.  als  nächstes 
Obergericht  appellirt  werden  müsse,  und  Verletzung  dadurch, 
dass  die  V.  in  einer  bestimmten  Sache  die  Kompulsorialien  nicht 
respektiren  und  die  Akten  nicht  verabfolgen.    (A  54.)  103 

1574.  Schöffenmeister  und  Schöffen  g.  Agnes  von  dem 
Bongart,  Wittwe  des  Franz  von  Hanxler,  Pfandherrn  der 
freien  Herrliclikeit  zu  Herstal  ^.  Verletzung  des  ius  de  non 
evocando  dadurch,  dass  die  V.  g.  K.  ein  Mandat  nebst  (Mtation 
bei  dem  Hof  von  Brabant  darüber  ausgebracht  hat,  dass  K. 
die  Appellationsinstanz  über  das  Gericht  zu  Herstal  zu  sein 
behaupten.     (A  58.)  104 

1576.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  und  Gillis  von 
Thenen,  Färber,  g.  Franz  Merzenich  zu  Düren.  Forderung 
des  V.  von  18^2  Rthlr.  für  Weizen  und  deshalb  Arrestanlage 
auf  etliche  dem  Gillis  von  Thenen  zuständige,  im  Bezirk  des 
Gerichts  zu  Siersdorf^  liegende  Weiden.  Einrede  der  Unzu- 
ständigkeit des  Gerichts.  —  Untergericht  zu  Siersdorf.  Zweite 
Instanz:  Hauptgericht  zu  Jülich.     (A  65.)  105 


*)  Hcrstal,   Kanton  und  Provinz  Lüttich.    Vgl.   Loersch   in   Haagens 
Geschichte  Achens  I,  S.  354,  Nr.  45. 

*)  Vgl.  Strange,  Genealogie  der  Herren  und  Freiherren  von  Bongart 
S.  42  und  die  Anm.  zu  Nr.  103. 

^)  Siersdorf,  Dorf,  Kr.  Jülich. 


Aa<*hener  Pn^ze--^  am  ReicLskAmmerir^? rieht.  45 

1578.  Doktor  Hans  Betz  s,  Sohöffenraeister  und  Schöffen 
und  deren  Genossen.  Behauptete  Inkompetenz  in  Bezu<r  auf 
eine  angesetzte  Strafe.  —  Sehöffenstuhl.    (B  3370.)  UMi 

1578.  Heinrich  Rademacher  und  Genossen  ^.  Bttrjrermeister, 
Schöffen  und  Rath.  Nächtliche  Verwundun«:  des  K.  durch 
Simon  Kücken  am  Büchel  innerhalb  des  Markto^rindels  \  obwohl 
zwischen  beiden  „Schlag^ens  halber  im  Beisein  von  beiderseits 
Freunden  und  Verwandten  ein  Fried  getroffen  imd  gemacht 
ist  worden**.  —  Kurgericht.     (R  63.)  107 

1581.  Katharina,  Wittwe  des  Johannes  von  Hohenkirchen, 
und  Genossen  g.  Magistrat.  Beschwerde  über  unbegründete 
Einleitung  eines  Konkursverfahrens  und  Beschlagnalmie  liegender 
Güter«.     (H  4877.)  108 

1582.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Herzog  Wilhelm 
von  Jülich  zu  Düsseldorf,  Nikolaus,  Abt  von  St.  Komelimünster  \ 
Wilhelm  von  dem  Bongard '^  als  Herrn  zur  Heiden  zu  Berger- 
hausen und  den  Jülichschen  Vogt  zu  Ä.  Störung  des  Religions- 
friedens, indem  den  Bürgern  der  Augsburgischen  Konfession  zu 
A.  die  Administration  der  Justiz  wegen  Beleidigungen  von  dem 
Jülichschen  Vogt  daselbst  verweigert,  der  Handel  mit  seinen 
Unterthanen  vom  Herzog  verboten  und  die  Zufuhr  aus  dem 
Bezirk  des  Abts  und  der  Herrlichkeit  Heiden  abgeschnitten 
wurde.     (A  83.)  109 

1584.  Schöffenmeister  und  Schöffen  g.  Hermann  von  Hanxler 
als  Pfandherrn  und  Schultheiss  und  Gericht  zu  Herstal.  Verweige- 
rmig  der  Aktenherausgabe  auf  die  von  den  K.  als  Appellations- 
gericht  erlassenen  Kompulsorialien,  indem  die  V.  nicht  mehr 
die  K.,  sondern  den  Kanzler  und  Rath  von  Brabant  zu  Maastricht 
als  ihren  Oberhof  anerkennen  wollen*.    (A  55.)  110 


0  Vgl.  Nopplus,  Aacher  Chrowick  (im2)  Th.  111,  H.  83. 

*)  Eine  nähere  Bezeichnung  der'^i'lhon  fehlt  in  d^n  AkUtn. 

')  Nikolaus  von  Vorstheim  oder  Vonnh^-iin,  ir>7a  1582;  vj^l,  Hchorn, 
Eiflia  Sacra  S.  407. 

*)  Vgl.  über  ihn  Strange,  Geneah>gie  *hr  llt-rrnn  und  h'rtiht^rrftu  von 
Bongart  S.  46. 

*)  Vgl.  Nr.  104. 


46  R.  Goecke 

1584.  Wilhelm  von  dem  Bongart,  Herr  zur  Heiden  und 
Blitt,  g.  das  Marienstift.  Appellation  in  Sachen  erzwungener 
Frohndienste  des  Zehntpächters  des  Stifts  g.  den  K.  —  Haupt- 
gericht zu  Jülich,  bezw.  Jülich-  imd  Bergisches  Hofgericht  zu 
Düsseldorf.     (B  ,5151.)  111 

1585.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Herzog  Wilhelm  von 
Jülich,  Kleve  und  Berg  zu  Düsseldorf  und  einen  Theil  der 
Schöffen  zu  A.  Widerspruch  g.  die  vom  Herzog  vorgenommene 
Präsentation  des  Johann  von  Thenen  zu  seinem  Vogt  oder 
Meier  in  der  Stadt  A.,  indem  derselbe  eine  persona  infamis  sei 
und  als  Sekretär  des  Magistrats  dessen  Heimlichkeiten  an  den 
Herzog  verrathen  und  die  Dokumente  bei  seiner  Flucht  mit- 
genommen habe^     (A  84.)  112 

1585.  Joseph  Lonz  und  Genossen  g.  I^eonhard  von  der 
Hoye  und  Genossen  als  Schöffen  zu  A.  Unregelniässigkeit<>n 
bei  der  Schöffenwahl.     (L  2572.)  113 

1586.  Schöffenmeister  und  Schöffen  g.  die  gräflich  Mander- 
scheidschen  Räthe  und  Amtleute  zu  Schieiden.  Vollstreckung 
eines  von  den  K.  in  der  Appellationsinstanz  erlassenen  Urtheils 
und  Einziehung  der  g.  das  Untergericht  zu  Wildenburg*  und 
das  Hauptgericht  zu  Sistig^  festgesetzten  Ungehorsamsstrafe 
von  6000  G.^     (A  67.)  114 

1586.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Herzog  Wilhelm  von 
Jülich  zu  Kleve.  Verfolgung  und  Drohungen  von  Seiten  des 
V.  g.  die  K.  angeblich  deshalb,  weil  sie  den  V.  im  Interesse 
der  Augsburgischen  Konfessionsverwandten  verklagt  hatten, 
durch  Absperrung  des  Gebiets,  Gefangennahme  eines  Bürger- 
meisters u.  s.  w.     (A  85.)  115 

1586.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Herzog  Wilhelm  von 
Jülich  zu  Düsseldorf.    Vei-weigerung  der  Durchfuhr  von  nach 

»)  Vgl.  Meyer  a.  a.  0.  I,  S.  491,  §  29  a.  E.;  Haagen,  Geschichte 
Achens  n,  S.  178  f.;  von  Fürth  a.  a.  0.  11,  2,  S.  7  f.,  51  flf. 

*)  Wihlenhurg,  Dorf,  Bgstr.  Wahlen,  Kr.  Sehleiden. 
«)  Sistig,  Dorf,  Bgstr.  Call,  Kr.  Schieiden. 

'*)  Vgl.  Loersch  in  Haagens  Geschichte  Achens  I,  S.  359,  Nr.  87, 
S.  361,  Nr.  106. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskanimergericht.  47 

A.  bestimmten  Früchten  durch  die  Länder  des  V.  und  Gefangen- 
nahme Aachener  Bürger.    (A  86.)  116 

1587.  Bürgermeister  und  Rath  pro  interesse  des  Peter 
Starz  und  seiner  Frau  g.  Tilmann  von  Vellrode,  modo  dessen 
Wittwe  zu  Heinsberg.  Bezahlung  einer  zur  Rentei  der  Herr- 
lichkeit zur  Heiden  gehörigen  Schuld ;  Einrede  der  Inkompetenz, 
weil  K.  zu  A.  verklagt  werden  müsse.  —  Hauptgericht  zu 
Jühch.     (A  69.)  117 

1588.  Bürgermeister  und  Rath  und  Joliann  Lonze,  gewesener 
Bürgermeister,  g.  den  fürstlich  Jülichschen  Generalanwalt  zu 
Jülich.  Anklage  beim  Gericht  erster  Instanz,  dass  Johann 
lionze*  bei  den  Wirren  in  A.  in  den  Jahren  1580  und  1581 
die  Aufrührer  angereizt  und  die  kaiserlichen  Kommissarien,  den 
Bischof  von  Lüttich  und  den  Herzog  von  Jülich,  in  einer  Schmäh- 
scluift  beleidigt  habe.  P^inrede  der  Inkompetenz.  —  Haupt- 
gericht zu  Jülich.     (A  94.)  118 

1589.  Schöffenmeister  und  Schöffen  g.  Kuno  von  BinsfehP 
zu  Schönforst,  Amtmann  zu  Nideggen,  Paulus  Stallenburg, 
Statthalter,  sodann  Schöffen  und  Gerichtsschreiber  zu  Weiler ^ 
Weigerung  der  V.,  die  Kläger  als  Appellationsgericht  über 
Dorf  und  Herrlichkeit  Weiler,  wo  der  von  Binsfeld  Gerichtsherr 
ist,  ferner  anzuerkennen.     (A  70.)  119 

1590.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Heinrich  Yörrn,  bischöf- 
lichen Offizial,  zu  Lüttich  und  Genossen  (vermuthlich  das  Send- 
^ericht  zu  A.).  Wahrscheinlich  Kassation  eines  vom  Offizial 
zu  Lüttich  in  Betreff  des  Sendgerichts  zu  A.  erlassenen  Erkennt- 
nisses; Einrede  mangelnder  Legitimation,  da  der  Offizial  sich 
in  die  zu  A.  entstandenen  Religionswirren  ordnungswidrig  ein- 
fi:edrängt  habe.     [Unvollständige  Akten.]     (A  49.)  120 


»)  Vgl.  Meyer  a.  a.  0.  I,  S.  474  ff.,  §  13  ff.;  Haagen  a.  a.  0.  II, 
S.  170  ff.;  von  Fürth  a.  a.  0.  II,  2,  S.  51  ff. 

■)  Vgl.  Müller,  Beiträge  zur  (leschichte  des  Herzogthams  Jülich  II, 
S.  172. 

')  Nach  Lo  er  seh  (vgl.  Haagen,  Geschichte  Acheus  I,  S.  360,  Nr.  101) 
<lie  freie  Reichsherrschaft  Wylre  hei  Glllpen,  im  jet/Aixeu  niederländischen 
Limburg.  Der  Vater  Kanos,  Werner  von  Binsfeld,  hatte  diese  Herrschaft  durch 
Heirath  der  Anna  (nach  Strange  Agnes)  von  Nessel  rode  erworben  (Fahne, 
<ip!»chichte  der  Kölnischen,  Jülichschen  und  Bergischen  (iesohlechter  I,  S.  31). 


48  ,  R.  Goecke 

1590.  Bürgermeister  iind  Eath  g.  das  Kapitel  des  Marien- 
stifts. Unbefugte  Besitzergreifung  und  Profanation  des  Kircli- 
hofs  des  Kapitels  zum  Aergemiss  und  zur  Verachtung  der 
katholischen  Religion.  Einrede  des  unzuständigen  Gerichts.  — 
Urtheil  des  Fürstbischofs  von  Lüttich.    (A  171.)    L.  121 

1592.  Kupferschlägerzxmft  g.  Herzog  Johann  Wilhelm  von 
Jülich  zu  Düsseldorf  und  dessen  Kriegsobristen  Nesselrode 
in  Marschallsrade  \  dessen  Marschall  von  Veitenberg  genannt 
Schenkern  zu  Jülich  und  Gerhard  von  Eilerborn  daselbst. 
Unerlaubter  Handel  der  V.  mit  Kupfer  und  Störung  der  K. 
dadurch,  dass  die  V.  die  Fuhrleute  zwingen,  das  von  der  K. 
zu  Frankfurt  gekaufte  und  nach  A.  bestimmte  Kupfer  an  die 
V.  abzugeben.    (A  150.)  122 

1592.  Adam  Pastor  und  Genossen  g.  Bonifacius  Colin  und 
Magistrat.  Freilassung  des  wegen  der  in  Sachen  der  K.  g.  V. 
anhängig  gemachten  Appellation  von  Bonifacius  Colin*,  Bürger- 
meister zu  A.,  verhafteten  Adam  Pastor  ^    (P  538.)  123 

1593.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Bischof  Ernst  von  Lüttich, 
dessen  Stände  und  geheimen  Rath  daselbst.  Vertragswidrige 
Heranziehung  der  Aachener  Bürger  zu  der  in  Lüttich  neu 
eingeführten  Ausfuhrsteuer  und  zu  der  neuen  Steuer  auf  Kupfer 
und  Messing,  welches  zur  Verarbeitung  mit  Lütticher  Galmei 
eingeführt  wird.    (A  50.)  124 

1600.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Bischof  Ernst 
von  Lüttich,  Zöllner  und  Einnehmer  im  Stift  Lüttich.  Störung 
der  K.  im  Besitz  der  Zollfreiheit  im  Stift  Lüttich  durch  Heran- 
ziehung zu  dem  neu  eingeführten  Ausfuhrzoll,  genannt  der 
sechszigste  Pfennig.    (A  51.)  125 

1601.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Ludwig  Mallepart,  früher 
zu  A.,  jetzt  zu  Köln.  Verletzimg  des  ins  de  non  evocando 
durch  Belangung  der  Wittwe  Ellerbom,  geb.  von  Dickholt,  aus 

*)  Marschalls-Rode,  jetzt  Eath,  Landgut,  Gem.  Roggendorf,  Bgstr. 
Vussem,  Kr.  Schieiden. 

«)  Vgl.  Haagen  a.  a.  0.  H,  S.  173,  181,  184  ff.,  190  ff.,  202  f.,  wo 
überall  auf  Meyer  verwiesen  ist. 

»)  Vgl.  von  Fürth  a.  a.  0.  II,  2,  S.  134. 


Aachener  Proze^s-ie  am  Reichskammenrericht.  4i» 

A.  erst  beim  bur^indisrlien  Hofe  zii  Brüssel  unter  Arrestation 
ihres  im  Fürsten thum  Limburg  befindlichen  Vermö^rens,  «b\nn 
bei  einem  Gerieht  zu  Utrecht.    (A  71.)  VH\ 

1601.  Bürgermeister  und  Rath  g,  Herzog  Johann  Wilhebn 
von  Jülich  und  Genossen.  Jurisdiktion  bei  Weiden  \  Haaren  und 
Würselen.     (A  86^)  127 

1601.  Die  Kupferschmiede  und  sämmtliche  Kupferhändler 
g.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath.  ITnbefngte  Steigerung  des 
Zolls  auf  das  in  die  Stadt  A.  eingehende  Kupfer.  (A  151.)        128 

1602.  Schöffenmeister  und  Schöffen  g.  den  Abt  zu  Korneli- 
münst^r^  Beleidigung  der  K.  in  einem  Appellationsinstrument 
durch  den  Vorwurf  der  Parteilichkeit.     (A  72.)  12!) 

1602.  Bürgermeister  und  Rath  der  Stadt  Köln  g.  Bürger- 
meister und  Rath.  Verpflichtung  der  Bürger  zu  A.,  in  (Wr 
Stadt  Köln  Accise-  und  Wagegelder  zu  zahlen,  Störung  durch 
ein  Edikt  der  V.,  das  den  Aachenern  diese  Zahlung  bei  Strafe 
verbietet.     (C  1415\)  130 

1602.  Heinrich  Radermacher  g.  die  Greven  des  Pclzer- 
amts. Baustreitigkeiten  in  Betreff  einer  in  dc^r  Piuitstrasse 
zwischen  dem  Zunfthaus  des  Pelzeramts  und  einem  zum  Hanse 
des  K.,  der  schwarze  Ahr  genannt,  gehörigen  Ausgang  b(*fin(l- 
lichen  Mauer.  —  SchöffenstuhL     (R  prior  4480.)  UM 

1603.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Abt  Martin  von  St.  Jakob 
zu  Lüttich.  Anmassung  der  (Tericlit-^lmrkcit  diinh  Mandate 
und  Citationen  an  den  Schöffenstiilil  zu  A.,  in  welchen  verhingt 
wird,  den  zu  A.  verhafteten  und  wr-Mn  Todschhig^  elnew  Ver- 
wandten in  Untersuchung  befindlichen  Kdmnnd  von  Bliitei  .^^ yek 
genannt  Passart,  Drossart  zu  BiKcn,  frelznhi-^en.  weil  er  an/eb)ieh 
zu  den  geistlichen  Personen  gehöret     (\  WI.)  \M 

0  Weiden,  Dorf,  Ldkr.  Aachr-n. 

»)  Jobann  Heinrich  von  (iertz^'".  »  >^'7  P.'O  '. /!.  M,m  ,L.,  -  l,oni. 
Eiflia  Sacra  S.  408. 

')  Vgl.  Nr.  133,  137,  138,  1351,  H'i-  14;,  V.  -m.  T-  ^  n  Vt  -  K:- 
bnr^,  Belgien;  Blitterswjck,  Dorf,  Prov.  Ln/,.,u./   r  ,     "    -    •  *  ■  •        - 


50  R.  Goeoke 

1603.  Wilhelm  von  Cortenbach,  Jülichscher  Stallmeister^ 
zu  Kurtenbach  bei  Lindlar  und  Heinrich  Hoen  von  Carthyls 
g.  Bürgermeister,  Schöifen  und  Rath.  Auswirkung  eines  kammer- 
gerichtlichen Mandats  an  die  V.,  dass  sie  den  auf  Antrag  der 
K.  in  A.  verhafteten  und  wegen  Ermordung  des  Floris 
Hoen  von  Carthyls  aus  Rummen  zur  Untersuchung  gezogenen 
Edmund  von  Blitterswyck  genannt  Passart,  Lüttichschen  Edel- 
mann aus  Bilsen,  auf  keinerlei  Verwendung  und  unter  keiner 
Bedingung  in  Freiheit  setzen,  sondern  die  Untersuchung  wider 
ihn  fortsetzen  sollend    (C  1976.)  133 

1603.  Herzog  Johann  Wilhelm  von  Jülich  zu  Düsseldorf 
g.  Stadt  A.  Jurisdiktionsstreitigkeiten,  insbesondere  betreffend 
die  Stellung  des  herzoglichen  Meiers  oder  Schultheissen  in  A. 
als  „Gerichtspräsident  und  der  Justiz  Oberherr'',  welche  ihm, 
sowie  das  Recht,  Pfändungen  und  Verhaftungen  in  der  Stadt 
vorzunehmen,  von  Bürgermeister  und  Rath  bestritten  wird. 
(G  2826.)  134 

1604.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Johann  von  Thenen, 
Jülichschen  Meier  der  Vogtei.  Denunziation  wider  Heinrich 
von  St.  Jakob  genannt  (Kapellen  zu  A.  wegen  Ehebruchs  und 
wider  Feuerfeil  daselbst  wegen  Widersetzlichkeit  bei  dem  Schöffen- 
gericht; Inkcmipetenz  des  letztern.  —  Schöffenstuhl.  (A  73.)    135 

1604.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Johann  Wilhelm 
Herzog  vcm  Jülich  zu  Kleve  und  dessen  Beamten  zu  Jülich, 
Eschweiler  und  Brücken-.  Eingriffe  in  die  Strafgerichtsbarkeit, 
das  Bergwerksrecht  und  das  ins  collectandi  der  K.  durch  Ver- 
haftung mehrerer  Bürger  aus  A.  zu  Jülich  und  Eschweiler. 
(A  87.)  136 

1604.  Wilhelm  vcm  Cortenbach  und  Genossen  zu  Kurten- 
bach g.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath.  Mandat  an  die  V., 
den  in  A.  wegen  Ermordung  des  Floris  Hoen  von  Carthyls 
verhafteten  Edmund  von  Blitterswyck  vor  vollständiger  Beendi- 
gung der  Untersuchung  nicht  zu  entlassen  ^     (C  1979.)        137 


')  Vgl.  Nr.  132,  137,  138,  139,  142,  143.  Kurtenbach,  Dorf,  Bgstr. 
Lindlar,  Kr.  Wipperfürth;  Rummen,  Dorf,  Arroudissement  Löwen,  Prov. 
Brabant,  Belgien. 

')  Brtiggen,  Flecken,  Kr.  Kempen. 

«)  Vgl.  Nr.   132,   133,   13S,   139,   142,  143. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskaminer^ericht  öl 

1604.  Kaiserlicher  Fiskal  zu  Speior  g.  Erzlierzo«?  Alhrerlit 
von  Oesterreich  als  Herzog  von  Burgnnd  und  Hnibant  zu 
BrüSvsel, .  Bürgermeister  und  Rath  der  Stadt  A.,  Knunul  von 
Blittei-swyck  genannt  Passart  zu  A.,  dessen  Schwester  Margaretha 
zu  Bilsen  und  dessen  sonstige  Freunde.  Abstellung  der  vom 
Herzog  und  dem  Rath  von  Brabant  ausgegangenen  Interventi(m 
und  Repressalien  gegen  die  Gefangennahme  und  Anklage  des 
Kmcmd  von  Blitterswyck  ^     (F  2724.)  V\H 

1604.  Heinrich  Hoen  von  Carthyls  und  (ienossen  zu  Köln 
g.  Richter  und  Schöffen.  Rechtshülfe  wegen  der  Krmoidung 
des  Floris  Hoen  von  Carthyls  durch  Kmcmd  von  Blitterswyck  *. 
(H  4472.)  1:M) 

1605.  Bürgermeister  und  Kath  g.  Schöffenmeister  und 
Schöffen.  Mandat  an  die  V.,  ihr  Amt  gebührlich  zu  verwalt4'n, 
den  Parteien  wiederum  Justiz  zu  administriren,  die  <;rledigt^n 
Stellen  mit  qualifizirten  Personen  zu  besctz^iu  und  die  K.  nicht 
l)eim  kaiserlichen  Hofgericht,  sondern  beim  K.-G.  zu  belangen, 
Einrede  der  gewaltsamen  Behinderung  in  Wtrom  l>i<*nst(;  dunli 
die  K.,  der  unumschränkten  (7ericlit^barkeit  selbst  g,  tiUt  K. 
und  der  Litispendenz  beim  Hofgericht  zu  Prag.     (A   IH,;      110 

1605.  Bürgermeister  und  Kath  g.  Johann  Wilhelm  Herzog 
von  JüUch,  Kleve  und  Berg  zn  Kleve,  |^'h;tliptlln/.  da-'^  der 
V.  sein  Vogteirecht  zu  A.  von  der  ^tadt  A,  zu  Lehn  fniK«', 
dass  er  dies  aber  nicht  anerkennen  wolle,  die  -tailt  bebij/irt, 
Mühlen  und  Häuser  vor  dem  'i'bor  gepl.;ndMi  und  iiHliieM* 
Bürger  gefangen  gemmimen  habe',     ^\  »--j  Hl 

1605.  Heinrich  Hoen  von  ranJ.;.-  u^  P.m-- t  ü.n.t.r  und 
Rath.  Verweisung  aus  A.  und  anden-  (  i  '  -i'  »i  '-'  '/* ''-'  b  v^iyiu 
Betreibung  der  Untersuchungssaeb<?  g-  f'-  "*  '''''  1'*'**- '-*  ^ '»' ^ 
wegen  Ermordung  des  Floris  Ho^ri  v   *,  ^    '''''■ '-  ^'    ^''*^f     Hi 

')  Vgl.  Nr.  132,  133,  137,   130,    142,  M'^ 

*)  Vgl  Nr.   132,  133,   137,   138,    \4'£,  I  ♦- 

')  Vgl.  Nr.    144   und  3Ieyer   a.    a^  '^    '     "     '  ''    ^     ^  '*'     i'-«:- 
(teschichte  Achens  11,  S.  204. 

*)  Vgl.  Nr.   132,  133,   137,   138,    I'^'^^  '*' 


52  R.  Goecke 

1605.    Heinrich  Hoen  von  Oarthyls  g.  Bürgermeister  und 

Rath.    Entschädigung  von  12000  G.  für  die  durch  Verbannung 

aus  A.  erlittene  Injurie  ^  (C  295.)  143 


1606.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Johann  Wilhelm  Herzog 
von  Jülich  und  dessen  Kanzler  und  Räthe  zu  Düsseldorf.  Antrag 
auf  Achtserklärung,  weil  der  Herzog,  früherer  Mandate  ungeachtet, 
im  Jahre  1603  mit  900  Mann  die  Stadt  A.  belagert,  die  Mühlen 
und  Häuser  vor  derselben  geplündert,  das  im  Gebiet  der  Stadt 
liegende  Dorf  Vetschau  zerstört,  mehrere  Einwolmer  gefangen 
genommen  und  dieses  auch  seinen  Beamten  befohlen  habe^. 
(A  89*.)  144 

1607.  SchöflFenmeister  und  Schöffen  g.  Maria,  AVittwe  von 
der  Linden,  und  Schultheiss  und  Schöffen  der  Herrschaft  Reckum  ^ 
an  der  Maas  bei  Maastricht.  Behauptung,  dass  der  Schöffen- 
stuhl zu  A.  die  Appellationsinstanz  über  den  Schöffenstuhl 
Reckum  sei  und  Weigerung  der  V.,  ein  Erkenntniss  der  K.  zu 
vollstrecken.     (A  74.)  145 

1607.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  die  Kanzlei 
des  Herzogs  von  Jülich  zu  Düsseldorf,  dessen  Marschälle  und 
Beamten  zu  Jülich,  Montjoie,  Effern,  Mettmann  u.  s.  w.  Verur- 
theilung  in  die  Strafen  des  Landfriedensbruchs,  weil  die  V., 
als  sie  auf  einem  Landtag  zu  Bergheim  versammelt  gewesen, 
verschuldet  haben,  dass  ein  Zug  von  der  Frankfurter  Messe 
zurückkehrender  Kaufleute,  des  von  dem  Herzog  für  85  Rthlr. 
erkauften  freien  Geleits  ungeachtet,  von  einem  Jülichschen 
Kompagnieführer  von  Kirschroth  überfallen,  geplündert  und  theil- 
weise  getödtet  worden^.     (A  89^.)  146 

1607.  Dechant  und  Kapitel  des  Marienstifts  g.  Ernst 
Biscliof  von  Lüttich,  dessen  geheimen  Rath  und  fiskalischen 
Prokurator  zu  Lüttich  imd  Gerhard  von  Horion  zu  Veltimur. 
Störung  der  K.   im  Besitz   der  Herrlichkeit  Fleron  sammt  der 


»)  Vgl.  Nr.  132,  133,  137,  188,  139,  142. 

2)  Vgl.  Nr.  141. 

')  Reckheim,  ehemalige  Reichsgrafschaft,  zum  westfälischen  Kreis  gehörig; 
vgl.  Loersch  in  Haagens  Geschichte  Achens  I,  S.  358,  Nr.  79. 

*)  Vgl.  Meyer  a.  a.  0.  T,  S.  540,  §  104;  Haagen  a.  a.  0.  IT,  S.  205. 


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54  R.  Goecke 

1615.  Maria  Bossart,  Johannes'  Hausfrau,  g,  Bürgermeister 
und  Rath  und  das  Gericht  zu  Niederwerth.  Personalarrest  des 
Ehemanns  der  K.  auf  dem  Schlosse  zu  Werth,  willkürlidie 
Gefangennahme  desselben,  als  er  sich  auf  einer  Geschäftsreise 
befand,  und  ihm  dadurch  in  seinem  kaufmännischen  Geschäft, 
dem  Handel  mit  Schafen,  zugefügter  Schaden.  Es  wird  dem 
Bossart  bestritten,  dass  er  „seiner  geringen  Gelegenlieit  nach" 
als  Kaufmann  zu  betrachten  sei.     (B  5570.)  152 

1620.  Matliias  von  Althabig  g.  Winner  Klockhelniers  Wittwe 
und  Kichter  und  Scliöffen.  Vollstreckimg  eines  rechtskräftigen 
Erkenntnisses  g.  die  V.  wegen  einer  Forderung  von  600  Thlr. 
(A  714.)  153 

1620.  Wilhehn  von  dem  Bongart  ^  zu  Heiden  g.  das  Marien- 
stift. Unterhaltung  des  Geistlichen  bei  der  Kirche  zu  Rich- 
terich ^  —  Regierung  zu  Düsseldorf.     (B  5156.)  154 

1621.  Bürgermeister,  Schöifen  und  Rath  g.  Peter  Darmont, 
Vicepropst  des  Marienstifts.  Besteuerungsrecht  der  Aachener 
Dörfer,  sowie  das  von  den  K.  behauptete  Recht,  „in  Ansehen 
der  Polizei,  CoUektation  und  iuris  magistratus"  über  Lehngüter 
des  Stifts  in  ihrer  Bannmeile  ebenso  verfahren  zu  dürfen  wie 
mit  den  AUodialgütern  ihrer  Unterthanen.     (A  74**.)  155 

1621.  Nikolaus  Amel,  Johann  Beel,  Wilhelm  Pin  und  der 
Procurator  generalis  fisci  g.  Bürgermeister  luid  R^ith.  Störung  des 
Notars  Pin  in  Ausübung  seiner  Notariatsgeschäfte  bei  Insinuation 
von  reichskammergericlitlichen  Prozessakten.     (A  777.)         156 

1623.  Goddert  Mohr  und  Genossen  g.  Richter  und  Schöffen. 
Manutenenz  der  K.  im  Besitz  eines  bei  öffentlicher  Subhastation 
dem  Mohr  von  den  V.  adjudizirten  Hauses.     (M  3207.)         157 

1625.  Nikolaus,  Peter  und  Johann  Ruland  g.  Bürgermeister, 
Sch()ff'en,  Rath  und  Meier.  Kassatiim  einer  von  den  V.  auf  Instanz 
des  Juden  Alexander  verfügten  Immission  in  die  Erbgüter  der 
K.  in  Folge  eines  K.-G.-Urtheils,   das  jenen  in  einem   Prozess 

*)  Vgl.  Strange,  (ionealogie  der  Herren  und  Freiherren  von  Bongart  S.  49 
und  Zeitj^chrilt  des  Aachener  (Jesehichtsvereius  V,  S.  252  f. 
*)  Ilichterich,  Dorf,  Ldkr.  Aaehcn. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskammerj^ericht.  55 

^.  die  K.  weg-en  einer  Forderung  von  1000  Rthlr.  mit  seinem 
Exekutionsgesuch  an  bestimmte  Vermögensstücke  der  K.  gewiesen 
hatte.     (R  4330.)  158 

1626.  Johann  vcm  Merode  genannt  Hoffalis  g.  Richter  und 
Schöffen.  Reclitsbeförderung  in  der  Testaments-  und  Nachlass- 
sache des  Solmes  des  K.,  Franz  von  Merode,  g.  dessen  Wittwe 
Elisabeth,  geb.  Bertolf  von  Belven  K    (M  2298.)  159 

1626.  Marienstift  g.  Pfalzgraf  Georg  Wilhelm  bei  Rhein, 
Graf  von  Veldenz,  und  Genossen  zu  Sponheim  und  Birkenfeld. 
Der  Xoval- Weinzehnte  zu  Winningen^  an  der  Mosel  und  der 
Antheil  der  „Herren  zu  A/  an  der  Unterhaltung  des  Pfarrhofs, 
des  Pfan-ers  und  des  Kaplaus  daselbst.  —  K.-G.-Kommissarien 
zu  Koblenz.     K.-G.- Akten,  f.     (A  1700  rot.)  160 

1629.  Nikedaus  Amel,  Johann  Beel  und  Christian  Mees  g. 
Bürgermeister  Speckhöfer  und  Rath.  Ungesetzliche  In([uisition 
g.  die  K.  wegen  Verspottung  einer  Prozession  auf  Denunziation 
des  Speckhöfer.  Entsetzung  der  K.  aus  ihren  Rathsämtern  und 
sonstige  Unbilden,  sowie  Verhinderung  ihrer  Vertheidigung  ^ 
(A  778.)  .      161 

1629.  Johann  Beel  zu  Speier,  ehemaliger  Stadtfourier  zu  A., 
g.  Bürgermeister  und  Rath.  Kautionsleistung  von  16  000  Thlr., 
welche  die  Stadt  vom  K.  wegen  seiner  „übler  Verhaltung  und 
begangener  Pekulat"  fordert*.  —  Schöffenstuhl.  (B  2191.)      162 


')  Elisabeth  Bertolf  von  Belven,  Wittwe  des  Freiherrn  Franz  von 
3Ierode-Houffalize,  heirathete  1630  in  zweiter  Ehe  Theodor  von  Fourneau 
genannt  von  Cruykenborg,  Mitglied  des  grossen  Raths  und  Vicekauzler  von 
Brabant  (f  14.  Februar  1634),  in  dritter  Ehe  Werner  Freiherrn  von  Palant 
(vgl.  Richardson,  Geschichte  der  Familie  Merode  II,  S.  321,  327  und  422). 

''^)  Winningen,  Dorf,  Kr.  Koblenz.  Von  wem  das  Stift  sein  Gut  daselbst 
erhielt,  ist  ungewiss.  Der  Besitz  wird  wahrscheinlich  zuerst  erwähnt  in  der 
Bestiitigungsurkunde  K.  Friedrichs  II.  vom  Juli  1226  (Lacomblet,  Urkunden- 
buch  II,  8.  72,  Nr.  13.5),  aber  schon  1204  schwebte  ein  Streit  über  den 
Zehnten  in  Winningen  zwischen  der  Abtei  St.  Martin  in  Kr)ln  und  dem  Marien- 
stift einerseits  und  dem  Pfarrer  von  Winningen  andererseits  (vgl.  Zeitschrift 
des  Aachener  Geschichtsvercins  VI,  8.  347,  Nr.  1). 

^)  Vgl.  Nr.  162  und  165. 

*)  Vgl.  Nr.  161   und  165. 


56  K.  Cioecke 

1()81.  Die  P](lelleute  des  Aachener  Reichs  und  Kirclispiels 
des  St.  Laurenz-Bergs^:  de  Merode,  Graf  von  Goldstein,  von 
Eynatten  und  Genossen  g.  die  Haus-  und  Bauersleute  des 
«:enannten  Kirchspiels.  Heranziehung  der  K.  zu  den  Geuieinde- 
lasten  und  insbesondere  zur  Einquartierung.  —  Bürgermeister 
und  Kath,  f.     (A  132.)  \m 

1631.  St.  Johanniter-Ordens-Konimende  g.  Stadt  A.  Ver- 
letzung der  Ordensprivilegien  durch  Annmssung  von  Diensten 
und  Frohnen  an  dem  dem  Orden  zuständigen  Hof  „zur  Kaulen*"  ^ 
(I  028.)  164 

1633.  Nikolaus  von  Amel,  Johann  Beele  und  Christian 
Mees,  Weinmeister  und  Baumeister,  g.  Bürgermeister,  Scluiflen 
und  Kath.  Verhinderung  des  beim  K.-G.  anhängigen  Rechts- 
verfahrens durch  Erschleichung  einer  Ktnnmission  beim  kaiser- 
lichen Hofe  auf  den  Erzbischof  von  Köln  und  Kassation  des 
Hofreskripts  3.     (A  779.)  105 

1633.  St.  Johauniter-Ordens-Kommende  für  den  Hofmann 
Leonhard  Wernher  zu  P^lchenrath*  g.  Stadt  A.  Anforderung 
von  Steuern  und  dagegen  behauptete  Exemtion.  —  Magistrat. 
(1  629.)  166 

1635.  Herzoglich  Jülichscher  Anwalt  zu  Düsseldorf  g. 
Joiumn  von  Tiienen.  Herausgabe  der  seitens  des  A^aters  des 
V.,  des  Vogts  Joliann  von  Thenen  %  vom  Jülichschen  Hofe  vor 
und  nach  empfangenen  und  gesammelten  Urkuuden  betreftend 
die  A^)gtei  und  Meierei  des  Herzogs  von  Jülich  in  A.  —  Schöifen- 
stulil.     (I  prior  2190.)  167 

1()37.  Bürgermeister,  Sciiöifen  und  Rath  g.  Guardian  und 
Konventualen  des  Minoritenklosters  zu  Köln.  Arrestanlage  auf 
das  der  Stadt  A.  gtdiörige,  bei  dem  Hallmeister  und  der  Bank 
zu    Köln    befindliche    Geld    wegen    rückständiger    Zinsen   von 

*)  Laurens})erj^,  Dorf,  Ldkr.  Aacbeii. 

*)  Kulleii,  Hof,  15<;str.  Laureiiriljerg,  Ldkr.  Aachen.  Vgl.  Qu  ix,  Geschichte 
der  St.  IVter-lMarrkirche  S.  75. 

3)  V^^l.  Xr.  H)l  und  1(>2. 

^)  Elchemath,  Dorf,  Djjfstr.  Würseleii,  Ldkr.  Aachen. 

•'")  V^^l.  Xr.  112. 


Aachener  Prozesse  am  Reicbskam merger icht.  57 

melirern   Kapitalien,    welche  K.   den   V.   schulden.    —    Eaths- 
gericht  der  Stadt  Köln,  f.    (A  75.)  168 

1638.  Werkmeister,  Geschworene  und  gemeine  Meister  des 
Gewandmacher-Handwerks  g.  Krämer,  Kaufleute  und  Tuch- 
scherer.  Accise  auf  ausländische,  besonders  Limburgische  Tücher 
und  Kouleuren,  sowie  das  Wirken,  die  Krimpung  und  das  Netzen 
dieser  Tücher,  prinzipielle  Erörtemngen  über  die  Bedeutung  des 
Aachener  Tuchhandels  bezw.  der  Tuchfabrikation.  —  Bürger- 
meister und  Rath.    K.-G.- Akten,  f.     (A  1701  prior.)  1()9 

1639.  Prior  und  Konventualen  canonicorum  regularium 
conventus  s.  Johannis  Evangelistae  g.  Bürgeimeister  und  Rath. 
St^imng  im  Besitze  der  Freiheit  der  geistlichen  Güter  von  Lasten 
und  Abgaben  und  Verurtheilung  zur  Strafe  des  Privilegienbruchs. 
(A  120.)  170 

1641.  Wilhelm  von  und  zu  Binsfeld  in  Köln  g.  Marien- 
stift und  Stadt  A.  Das  ins  coUectandi  in  der  Herrschaft  Weiler, 
bezw.  die  behauptete  Reichsimuuttelbarkeit  dieser  den  Herren 
zu  Binsfeld  gehörigen  Herrschaft  ^     (B  4307.)  171 

1641.  Christian  Mers  als  Provisor  des  Beguinenhofs  zu 
St.  Mathias  g.  Mutter  und  Konventualinnen  des  Gotteshauses 
Marien thaF.  Besitz  von  drei  Morgen  Wiesengrund  bei  A.  — 
Schötfenstuhl,  f.     (M  2341.)  172 

1642.  Bürgermeister  uud  Rath  g.  Äbtissin  und  Konven- 
tualinnen des  St.  Klaraklosters  zu  Köln.  Zahlung  rückständiger 
Pensionen  und  dieserhalb  Arrestanlage  auf  Forderungen  der  K. 
an  Johann  Punnis  und  A))raham  und  Nikolaus  Meyer  zu  Köln. 
—  Rathsgericht  der  Stadt  Köln,  f.     (A  76.)  173 

1646.  Johann  Pelzer  g.  Richter  und  Schöffen  des  Schöffen- 
stuhls zu  A.  und  des  Untergerichts  zu  Weiler  ^  Exequirung 
eines  in  Sachen  des  K.  wider  Christine  am  Zaun,  Wittwe  des 
Peter  Starz,  ergangenen,  angeblich  rechtskräftig  gewordenen 
Erkenntnisses  betreffend  die  Distraktiim  der  Zaunschen  Erb- 
sclmft  zu  Weiler.    (P  1130.)  174 

»)  Vgl.  Nr.  177  und  Anm.  3  zu  Nr.  119. 

2)  Vgl.  Nr.  20  und  38. 

3)  Vgl.  Nr.  110,  Anra.  3. 


58  R.  Goecke 

1648.  Werner  Nutt,  Goddert  Fibus  und  Paul  von  Tlienen 
g.  Bürgermeister  und  ßath.  Heimliclie  Gesellschaft  bei  Pach- 
tung der  städtischen  Malzaccise.  —  Bürgermeister  und  Kath. 
(N  2302.)  175 

1652.  Dionysius  von  Mensen  zu  Tignee  ^  g.  die  Äbtissin 
des  Klosters  Ueberwasser  zu  Münster.  Das  Lehn  Tignee  bei 
Lüttich  durch  den  Lehnhof  zu  Münster  wegen  Weigenmg  der 
Investitur  des  Vasallen  und  jetzigen  K.  der  V.  und  frühem  K. 
zugesprochen.    (M  3502.)     L.  176 

1655.  Wilhelm  von  und  zu  Binsfeld  in  Köln  g.  Bürger- 
meister, Richter,  Schöffen  und  Rath  und  Genossen.  Reichs- 
unmittelbarkeit  der  Heirschaft  Weiler,  von  dem  Schöffenstuhl 
zu  A.  unbefugt  vorgenommene  Citation  und  Inhibition  der 
vom  K.  zu  Weiler  eingesetzten  Schultheissen  und  Schöffen^. 
(B  4308.)  177 

1655.  Schöffen  und  Gemeinde  zu  Schlenacken  in  der  Graf- 
schaft GronsfehH  g.  Richter  und  Schöffen  des  Schöffenstuhls  zu 
A.  und  Dietrich  von  der  Couven  zu  Hees.  Beschwerde  über 
gewaltsames  Verfahren  g.  die  Gemeinde  Schlenacken,  welche 
eine  Unterherrlichkeit  des  Grafen  und  General-Feldmarschalls 
Jobst  Maximilian^  zu  Gronsfeld  sei,  worüber  die  V.  sich  die 
Jurisdiktion  anmassen.     (S  3266.)  178 

1656.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Pliilipi)  Wilhelm 
Pfalzgraf  bei  Rhein,  Herzog  zu  Jülich,  und  Genossen.  Anlegung 
eines  Weihers  und  Wasserstaues  in  dem  Reichswald  zur  Etsch  •' 
und  Aufführung  von  Dämmen  um  den  erstem  seitens  der  V.  zum 
^ohnwiederbringlichen  Schaden  und  Nachtheil"  der  K.  (A  89^)  179 

1656.  Wittwe  Paul  Lersch,  geb.  Meubach,  g.  Ruth  zu  A. 
und    Mathias    Wilhelm    Lersch    zu   Köln.     Zurückgabe    weg- 

')  Tip^üoe,  Dorf,  Kanton  Fleron,  Arrond.  und  Prov.  Lüttich.  Vj^l. 
Loorsch  in  Hiia<?ens  GoHchichtc  Achens  I,  8.  359,  Nr.  93. 

^)  Vgl.  Nr.  17  J. 

^)  Vgl.  Loersch  in  Haagcns  OeHchiehto  Achens  I,  S.  359,  Nr.  89, 
S.  353,  Nr.  40.  Slcnaken,  T>orf  bei  Maastricht,  Trov,  Limburg,  Königreich  der 
Niederlande;  llees,  Porf,  Arrond.  Tongern,  Prov.  Limburg,  Belgien. 

*)  Vgl.  Qu  ix,  Schloss  uud  ehemalige  Herrschaft  Rimburg  S.  34  f. 

'')  Vgl.  Nr.  72  uud  92. 


Aaeheuer  Prozesse  am  Reicbskammergericbt.  öl) 

?:euommener  Handelsbüclier,  Rechnung'sablage  weofcu  gepflogener 
Handelsgesellschaft,  Abrechnung  und  Waarentheilung,  Alimen- 
tation >.    (L  1376.)  180 

1()57.  Bürgermeister,  Schötfen  und  Rath  g.  Philipp  Wilhelm 
Pfalzgraf  bei  Rhein,  Herzog  zu  Jülich.  Das  von  der  Stadt 
A.  l)ehaui)tete  Eigenthum  an  dem  Reichswald,  welcher  nach 
Behauptung  des  V.  ausser  der  Laiulwehr  des  Reichs  von  A. 
t^elcgen  und  „von  undenklichen  .Fahren  hero**  den  Reichsleuten 
und  andern  Schirmverwandten  des  Herzogs  eigenthümlich  zu- 
irehörig  sei.     (A  8i)^)  181 

1(557.  Wittwe  Paul  Lerscli,  geb.  Meubach,  g.  Rath  zu  A. 
und  Franz  Gillis  zu  Burtscheid.  Kassation  eines  unstatthaften 
Kxekuti(msverfahrens  in  einer  in  der  Appellationsinstanz  beim 
K.-(i.  anhcängig  gewordenen  Sache,  Schuldforderung  von  073 
Thlr.  betreffend^.     (L  1377.)  182 

IGoS.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Philipp  Wilhelm 
Pfalzgraf  bei  Rhein  zu  Düsseldorf.  Anmassung  der  Jurisdiktion 
?.  den  Stellvertreter  des  Jülichschen  Meiers  zu  A.  wegen  ausser 
seinem  Amte  begangener  Frevel  von  Seiten  des  V.  unter  dem 
Vorwand  seiner  Schirmherrschaft.     (A  90.)  183 

Hiol).  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Philipp  Wilhelm 
Pfalzgraf  bei  Rhein,  Herzog  zu  Jülich.  (4ericlitsbarkeit  am 
Kayhusch  betreffeml  und  Landfriedensl)ruch  durch  die  Fort- 
fiihnmg  einiger  in  der  .,Kelmiskaul''  daselbst  arbeitender  Werk- 
leute durch  150  Pfalz-Xeuburgische  Soldaten  nach  Eschweiler. 
(A  Ui)\)  184 

1651).  J(diann  Bock  g.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath, 
^^'ie  auch  Kurgerichts-Assessoren.  Ueber  den  K.  verhängte  hohe 
Kautimi  und  schimpfliche  (iefängnissstrafe  wegen  blosser  Verbal- 
injurien und  verweigerte  Zulassung  von  Zeugen.    (B  4()1)5.)      185 

IGGO.  Bailei  Altenbiesen  des  Deutschordens  zu  Altenbiesen 
ir.  Stadt  A.     Freiheit  der  Ordensangehörigen  und  Hofleute  von 

')  \\-l.  Nr.  J82. 
-)  Virl.  Nr.  180. 


60  R.  Goecke 

Zahlung  der  Accise,  Zurückgabe  des  den  Hofleuten  zu  Verlauten- 
heide  und  I)omnlers^\^nkel  bei  A.  Abgepressten  und  Abgepfän- 
deten.    (T  979.)  186 

1661.  Abtei  Korneliinünster  g.  ScliöfFennieister  und  Schöffen. 
Unbefugte  Anmassung  der  Gerichtsbarkeit  g.  K.  und  deren 
Ihitertlianen  zu  Eilendorf.     (C  1770.)  187 

1661.  Gottfried  von  Freisslieini,  Obrist,  g.  Bürgermeister, 
Schöffen  und  Rath.  Verabsendung  der  Akten  in  Sachen  des 
(Terhard  von  Ottegraven  g.  den  K.  wegen  Zahlung  von  164 
Thlr.  aus  dem  Depositum  des  Franz  Hamm  an  eine  unparteiische 
Juristenfakultät.     (F  1094.)  188 

1662.  Bürgermeister,  Scliöffen  und  Rath  g.  Bürgermeister 
und  Rath  und  sämmtliche  Bediente  und  Faktoren  des  Komptoirs 
Gürzenicli  auf  dem  Kaufhaus  zu  Köln.  Behauptung,  dass  die 
den  Aachener  Bürgern  gehörigen  „Tücher,  Stamete  und  Bayen**, 
welche  zu  A.  oder  im  Lande  Limburg  und  Falkenburg  gemacht 
werden,  auf  der  Kaufhalle  in  der  Stadt  Köln  von  der  gewöhn- 
lichen Abgabe,  dem  himdertsten  Pfennig,  vertragsmässig  frei 
seien,  und  Verletzung  dadurch,  dass  der  Magistrat  zu  Köln 
die  dort  ausstehenden  Aachener  Kaufleute  durch  die  Komptoir- 
diener  des  Gürzenicli  mit  Pfändungen  zur  Entrichtung  dieser 
Abgabe  gezwungen.     (A  36.)  189 

1662.  Prior*  und  Konvent  des  Klosters  Schwarzenbroich* 
g.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath.  Zaiilung  von  300  Tlilr. 
aus  Darlehn.    (S  1763.)  190 

1663.  Franz  Theodor  von  Hoen  und  zu  Cartiiyls  in  Carthyls 
bei  A.  g.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath.  Justizverweigerung 
in  Sachen  g.  von  Weyler  wegen  Immunität  des  adeligen  Hauses 
und  (Tutes  zu  Carthyls  von  Einquartierung  und  sonstigen  Lasten. 
{C  296.)  191 

1663.     Priorin  ^  und  Konventualinnen  des  Klosters  Wenau 
r.  Bürgermeister,   Schöffen   und  Rath.     Zahlung  mehrerer  jähr- 


< 


')  Nikolaus  Jamin,  v^l.  Zeitschrift  <los  Aachener  (Jcschichtsvereins  IV,  S.  9. 
-)  Schwarzeiibroich,  Dorf,  Bj^str.  Echtz,  Kr.  Diiren. 

3)  Maria  Richniunda  von  Streithagen  (1«(;2  -  I(J(>5);  vgl.  Bonn,  Die 
(Jeschichte  des  (ieiht-  und  Freiadlichen  Klosters  Wenau  S.  120  und  Zeitschrift 
des  Aachener  Geschieht svereins  IV,  S.  2(>7,  Z.  221. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskaramergericht.  (>1 

lieber  Renten,   im  Ganzen  im  Betrage  von   140  Goldg.   in  der 
vereinbarten  Münzsorte.    (W  1889.)  192 

1664.  Mathias  Leyendecker  g.  Stadt  A.  Revision  eines 
Prozesses  mit  den  AccisepäcUtern  zu  A.  wegen  eines  angeblich 
geschmuggelten  Fässchens  Indigo.     (L  1589.)  193 

1665.  Henricus  Campo  g.  Schöffenstuhl  und  den  Kanonikus 
Steinonius.  Anmassung  kaiserlicher  Geri(^htsbarkeit  durch  den 
Schöffenstuhl  in  Sachen  Steinonius  g.  ( -ampo  wegen  300  G.  — 
Schöffenstuhl.     (0  145.)  194 

1665.  Lambeitus  Lambert  g.  Schöffen  und  Ratli.  Ein- 
setzung in  die  dem  K.  durch  Wahl  zugefallene  Rathsherrnwürde. 
(L  106.)  195 

1665.      Karl    von    Münster    g.   Bürgermeister    und   ilath. 


t>'    ^'"'f^' 


Promotorialien  in  Denunziationssaclien  des  K.  wegen  Verbreitung 
eines  g.  ihn  gerichteten  Pas(iuills.     (M  4635.)  196 

1665.  Albert  Probst  zu  Burtscheid  g.  Ri(*hter  und  Schöffen. 
Beschwerde  über  verzfigerte  Rechtspflege  in  Saclien  des  K.  wider 
seinen  Bruder  Hans  Willielm  Probst  und  Peter  Matheis  betreffend 
*lie  Verlassenschaft  des  Johann  Probst,  bezw.  eine  dem  K.  auf 
(irund  eines  Vergleichs  cedirte  Kaufgelder-Forderung  von  300 
Thir.     (P  2269.)  197 

1665.  Die  Gemeinden  Würselen,  Weiden  und  Haaren  g. 
Ant4in  Stücker  und  Genossen.  Protestation  g.  unbillige  Steuer- 
umlage und  Rückgabe  zu  viel  bezahlter  Steuern.  —  Schöffenstuhl. 
(W  5816.)  198 

1666.  Schöffenmeister  und  Schöffen  g.  Jülich-Bergische 
Regieining  zu  Düsseldorf.  Behauptung,  dass  K.  das  Appellations- 
j^ericht  über  die  Hen*schaft  Dyck'  seien,  die  V.  aber  dieses  nicht 
anerkennen  wolle,  indem  sie  der  Requisiticm  um  Exekution  •  g. 
den  Grafen  von  Salm  nicht  Folge  leiste.     (A  95.)  199 

1666.  Henrica  Raitz  von  Frenz,  Äbtissin  zu  Burtscheid,  g. 
Bürgenneister  und  Rath.  Verletzung  des  Vertrags  von  1510  wegen 
der  Jurisdiktion,  wonach  bei  Streitigkeiten  zwischen  Aachenern 


*)  Vgl.  Loersch  in  Ilaagoiiß  (Joschicbte  Acbens  l,  S.  852,  Nr.  24. 


r,2  R.  Goecke 

und  Burtsclieiderii  der  Gerichtsstand  des  ^Bekümmerten**  mass- 
gebend sein  solP.     (B  5686^)  200 

1666.  Dionysius  von  Mensen  zu  Tignee  bei  Lütticli  g. 
Scliöffenstuhl.  Unzulässige  Berufung  in  Kriminalsachen  vom 
Gericlit  zu  Tignee  an  den  V.     (M  3503.)     L.  201 

1667.  Die  Gemeinden  Traben  und  Trarbach  g.  das  Marien- 
stift. Unrichtige  Lieferung  des  jährlichen  2/3  Weinzehntens  zu 
Traben  und  Trarbach  ^  —  Gräflich  Sponheimische  Regierung  zu 
Birkenfeld.     (T  215.)  202 

1667.  Peter  von  Thoir  zu  Köln  g.  Schöffenstuhl  zu  A. 
und  Gericlit  zu  Burtschcid.  Exekution  eines  Urtheils  g.  Arnold 
Polssen,  Forderung  von  900  Tlilr.  betreffend.     (T  1624.)      203 

1670.  Ludwig  Mantz  zu  Haaren^  g.  Schöffenstuhl.  Ver- 
stattung des  Rechtsmittels  der  Revision  in  Sachen  des  K.  g. 
Wilhelm  Schmidt  wegen  angeblicher  Zerstörung  einer  dem  Marien- 
stift zu  A.  gehörigen  Hecke.     (M  909.)  204 


« 


1671.  Schultheiss  und  Schöffen  zuOphoven*  und  Genossen 
g.  Schöffenmeister  und  Schöffen  und  Genossen.  Appellation  g. 
ein  vom  Schöffenstuhl  erlassenes  Erkenntniss,  nach  welchem  die 
Gemeinde  Ophoven  eine  Strafe  von  300  Goldg.  zahlen  soll. 
[Näheres  wegen  Unvollständigkeit  der  Akten  nicht  zu  ersehen.]  — 
Schöffenstuhl.     (O  966.)  205 

1672.  Schöffenmeister  und  Schöffen  von  Burtscheid  g. 
Schöffenmeister  und  Schöffen.  Störung  der  K.  in  Ausübung  der 
Kriminalgerichtsbarkeit  durch  die  V.,  die  sich  als  „Oberhaupt" 
der  erstem  bezeichnen,  anlässlich  der  öffentlichen  Ausstellung 
von  Manns-  und  Weibspersonen  am  Pranger  und  des  Auspeitschens 
derselben  in  Burtscheid  ^     (B  5695.)  206 


*)  Vgl.  Qu  ix,  Hist.-topogr.  Beschreibunpj  der  Stadt  Burtscheid  S.  148. 

-)  Beide  Orte  im  Kr.  Zell.  Der  Besitz  des  Stifts  zu  Traben  wurde  auf 
eine  Schenkunjj^  Ludwi<?s  d.  Fr.  zurückgeführt;  vgl.  die  zu  Nr.  160  genannte 
Urkunde  Friedrichs  II.     Vgl.  auch  Nr.  296  und  334. 

^)  Haaren,  Dorf,  Ldkr.  Aachen. 

'*)  Ophoven,  Dorf,  Bgstr.  Merkstein,  Ldkr.  Aachen,  zum  Aachener  Reich 
gehörig. 

^)  Vgl.  Scheins  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  (lesehichtsvereins  II, 
S.  87  ff. 


Aachener  Prozesse  am  ReicUskammerjrericht.  (V,\ 


r>' 


1672.  Gertrud,  Wittwe  des  Balthasar  Richter,  g,  Bürger- 
meister, Schöifen  und  Rath.  Erstattung  des  Kaufpreises  dreier 
zu  A.  belegener,  der  K.  gehöriger  Häuser  (haus,  lioflF  und  erf .  . 
gelegen  in  (.'ohier  auserster  Strassen  .  .  ,  stalil  hinter  seinem 
(des  Balthasar  Richter]  luius  die  Wagh  gnant  in  Colnerstrassen 
beneben  der  Hurengasen  und  dem  güldenen  Kh)tz  zur  einer  und 
anderer  seilen  gelegen  .  .  ,  haus,  hoff  und  erf  in  ('olnerstrass 
bey  nalie  st*  Peters  kircidu)ff  negst  Wernern  Hall  und  Leonarden 
(jerahrdt  zu  einer  und  anderer  seilen),  welche  V.  auf  Anhalten 
der  Gläubiger  der  K.  hatten  öffentlich  verkaufen  lassen,  sowie 
des  Kaufpreises  der  in  derselben  Art  verkauften  Jlobilieu  der  K. 
(R  2037.)  207 

1073.  Richter  und  Urtheiler  des  Kurgerichts  g.  Schöffen- 
stuhl. Behauptung  der  Jurisdiktion  der  K.  in  allen  grössern 
Kriminal-  und  Injuriensachen  g.  die  Einwohner  von  A.  und 
Verletzung  dadurch,  dass  der  herzoglich  Jülichsche  Anwalt 
mehrere  Einwohner  von  A.  wegen  Verwundung  bei  dem  Schöffen- 
stuhl angeklagt  und  dieser  sich  für  kompetent  erachtet  habe. 
(A  19.)  208 

1673.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Kurfürst 
Maximilian  Heinrich  zu  Köln  und  Propst,  Dechant  und  Kapitel 
des  Marienstifts.  Recht  der  K.,  zur  Deckung  des  durch  den 
westfälischen  Frieden  festgesetzten  Kontingents  auch  die  im 
Bann  der  Stadt  A.  belegenen,  dem  Stift  gehörigen  (iüter  Paffen- 
broich  >  und  Hausen «  zu  besteuern.  Verletzung  durch  ein  auf 
Antrag  des  Stifts  vom  Kui-fürsten  hiergegen  erlassenes  Verbot. 
(A  37.)  20» 

1674.  Balthasar  Fibus  g.  Syndikus  der  Stadt.  K.  als 
Pfandinhaber  des  kleinen  Bades^  zu  A.  soll  dessen  abgebranntes 
Dachwerk  auf  eigene  Kosten  wiederherstellen  und  einen  dabei 
befindlich  gewesenen  Stall  nicht  wiederaufl)auen.  —  Schöffenstuhl. 
(F  1260.)  210 

»)  Paffenbroich,  Ilof,  Bgstr.  Laurensberg,  r^<lk»*.  Aachen. 
0  Hausen,  Landgut,  Bi^str.  Laurensberj?,  Ldkr.  Aachen. 
')  Vgl.  Noppius,  Aacher  Chroniek  (H5'^t2)  Th.  I,  S.  106  a.  E.  und  107; 
Blond  el,  Thermao  Aquistrranonst >s  p.  89  (diuitsche  Ausi?.  lOHS,  S.  71). 


G4  R.  Goeoke 

1674.  fFakob  Wiuand  ff.  Bürgermeister  und  Rath.  Aus- 
weisung des  K.  aus  der  Stadt  A.  und  demselben  angekündigter 
lOOjähriger  Bann.     (W  3760.)  211 

1676.  Die  Meister  der  Fleisclilmuerzunft  g.  den  Schöff'en- 
stuhl.  K.  hatten  den  Fleischhauer  Starz  wegen  Verdachts  des 
Verkaufs  verdorbenen  Fleisches  aus  der  Zunft  ausgeschlossen, 
dieser  dagegen  an  den  verklagten  Schöifenstuhl  appellirt;  K. 
behaupten  aber,  dass  nicht  dieser,  sondern  der  Ilath  kompetent 
sei  und  verlangen  Zulassung  der  Revision.     (A  153.)  212 

1676.  Gottfried  und  Katharina  von  Wachtendonk  g.  Richter 
und  Schöffen.  Justizverweigerung  durch  NichtVollstreckung  eines 
g.  die  Erben  des  Arnold  von  Wachtendonk  auf  Zahlung  von 
475  Thlr.  lautenden  und  rechtskräftig  gewordenen  Erkenntnisses. 
(W  31.)  213 

1676.  Isabella  Margaretha  Franziska  von  Westerloe  und 
(Tenossen  zu  Stein^  g.  Simon  v(m  Kampen  und  den  Schöffenstuhl. 
Eingriffe  in  die  Jurisdiktion  über  die  Herrlichkeit  Stein  durch 
einen  beim  Schöffenstuhl  über  den  Nachlass  eines  von  Kamp 
anhängig  gemachten  Prozesses.  —  Schöffenstuhl.  (W  2397.)    214 

1677.  Johann  Hunold  g.  die  Predigerherren.  Anfechtung 
der  letztwilligen  Vei-ordnungen  der  Sibille  und  Marie  Hunohl 
und  Herausgabe  deren  Verlassenschaft.  —  Schöffenstuhl,  f. 
(H  6307.)  215 

1679.  Die  Velpeelerzunft  g.  Bürgermeister,  Schöffen  und 
Rath.  Vollstreckung  der  polizeilichen  Verordnung,  wonach  den 
Velpeelern  allein  das  Recht  zusteht,  das  vcm  ihnen  bereitete 
ziemische  (oder  semische)  Leder  im  offenen  Laden  zu  verkaufen, 
die  Krämer  aber  hierzu  nicht  berechtigt  sind.     (A  154.)      216 

1679/1 680  2.  Gebrüder  Abraham  und  Isaak  Roemer  g.  Schöffen 
zu  A.  und  Eberhard  Dütgens  Erben  zu  Frankfurt  und  Nürn- 
berg als  Kreditcu'en  der  Erben.  Vollziehung  eines  von  dem 
Schöffenstuhl    zu    A.    mit    den    mitverklagten    Erben    Dütgen 


*)  V^l.  Loersch  in  Ilaa^rons  Geschichte  Achcns  I,  S.  H^O,  Nr.  92. 

^)  Es  hainlelt  sieh  hier  um  zwei  Prozesse  mit  den  nämlichen  Kh'ii^ern 
und  gleicliem  (legenstand;  nur  die  J5eklag:ten  erscheinen  in  dem  einen  in 
anderer  Eitrenschaft,  als  Kreditoren  der  Khii^er. 


Aacbener  Prozesse  am  Reichskammergericht.  65 

abgeschlossenen  Vergleichs  über  Nachlass  der  Forderung  der 
letztern  an  K.,  welche  in  der  Lage  sind,  mit  allen  ihren 
Kreditoren  zu  liquidiren.    (R  2983,  2984.)  217 

1680.  Marie,  Wilhelm  und  Otto  von  dem  Bongard  für  Lam- 
bert (Lomm)  Olyschlager  zu  Bergerhausen  g.  Wittwe  des  Arnold 
Waldbott  von  Bassenheim  und  Schöflfenstulü.  Aufhebung  der  Ge- 
fangenhaltung  des  Bongardschen  Unterthanen  Lomm  Olyschlager, 
welche  über  denselben  verhängt  wurde  zur  Erzwingung  einer 
Geldstrafe  von  300  Goldg.  wegen  Ungehorsams  g.  den  Spruch 
des  Schöffenstuhls  in  Sachen  der  K.  g.  Johann  Knibb,  Erbpachts- 
forderung betreffend.     (B  5169.)  218 

1680.  Schöffenmeister  und  Schöffen  zu  Burtscheid  g.  Schöffen- 
meister und  Schöffen.  Verfügungen  wegen  Gewicht,  Elle  und 
Mass.  —  Schöffenstulil,  f.     (B  5696.)  219 

1680.  Die  Gemeinden  Würselen,  Weiden  und  Haaren  g. 
Pfalzgraf  bei  Rhein  und  Stadt  A.  Waldeigenthum,  Holzhieb 
und  Holz  verkauf.  —  Pfalzgraf  bei  Rhein  und  Schöffenstuhl. 
(W  5817.)  220 

1681  und  1776.  Äbtissin  zu  Burtscheid  als  Erbvogtin, 
Schöffen  und  Gemeinde  von  Burtscheid  g.  Bürgermeister  und 
Rath.  Kontributionsbeiträge  zur  Türkensteuer,  von  der  Stadt 
A.  angemasste  Eintreibung  in  Burtscheid  und  gewaltthätigcr 
Ueberfall  des  Dorfes  K    (B  5687.)  221 

1682.  Peter  Carlier  g.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath. 
Justizverweigerung  in  der  Lijuriensache  des  Bürgermeisters 
Schorr  (wohl  Schörer)  g.  K.    (C  263.)  222 

1683.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath  g.  Johann  Wilhelm 
Pfalzgraf  bei  Rhein,  Herzog  zu  Jülich.  Jurisdiktionsstreitig- 
keiten über  die  im  Bezirk  und  der  Botmässigkeit  der  Stadt  A. 
gelegenen  sog.  Hof-  und  Forstgüter,  sowie  den  K.  eigenthümlich 
gehörige  Galmei-  und  Erzgruben,  von  dem  V.  dieserhalb  vor- 
genommene Sequestrationen,  speziell  zu  Düsseldorf  beschlag- 
nahmte Tücher,  Wollengewand  und  Bombasinen  von  Aachener 
Handelsleuten,  welches  Vorgehen  als  „Totaldestridction  der 
Reichsharmonie "  seitens  des  K.-G.  bezeichnet  wird.  (A  90*.)   223 


»)  Vgl.  Nr.  98. 


GÖ  R.  Goecke 

1686.  Bürgermeister  und  Rath  und  Kornelius  Weissenburg 
g.  Johann  Hütten  und  Genossen  zu  Burtsclieid.  Anrufung  der 
Jurisdiktion  des  herzoglich  Jülichschen  Vogts  und  Majorie- 
Statthalters  seitens  des  Hütten  wegen  eines  Arrestes.  —  Her- 
zoglich Jüliclisclier  Rath  und  Major,  bezw.  Schöffen  stuhl,  f. 
(A  91.)  224 

1688.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Karl  Lothar  von  Bongard  \ 
Herr  des  Ländleins  zur  Heiden,  in  Haus  zur  Heide  und  Schöffen  in 
Forsterheide.  Diffamationsklage,  weil  V.  von  Bongard  sich  berühmt, 
die  im  Reich  von  A.  belegene  gemeine  Heide,  das  Lauterbüschchen, 
welclie  des  Raths  Bauerschaft  zu  Laurensberg  und  Vetscliau^ 
mit  einigen  Unterthanen  des  Ländleins  zur  Heiden  gemeinschaft- 
lich beweiden,  als  sein  Eigenthum  verkaufen  zu  dürfen.  (A  59.)  225 

1693.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Schöffenstuhl  und  die 
übrigen  Gläubiger  des  Nellis  Thönis  in  St.  Jobs^  Präferenz 
der  Stadt  A.  wegen  ilirer  Forderung  für  Dienste  und  Abgaben 
vor  den  übrigen  Gläubigem  des  Thönis  aus  dessen  subhastirtcm 
Haus,  Hof  und  Erbe  zu  St.  Jobs  im  städtischen  Territorium, 
das  dem  Servaz  de  Rossay  adjudizirt  worden,  und  unbefugte 
Anmassung  der  Jurisdiktion  seitens  des  Schöffenstuhls.  — 
Schöffenstuhl,  f.    (A  20.)  ^  226 

1693.  Bürgermeister  und  Ratli,  sowie  Bürgermeister  und 
Assessoren  des  Kurgerichts  g.  Schöffenmeister  und  Schöffen,  wie 
auch  Vögte  und  Major.  Störung  des  Kurgerichts  in  Ausübung 
der  Kriminaljurisdiktion  durch  Anbringung  der  Anklage  vor 
dem  Schöffenstuhl.  Behauptung  der  K.,  dass  „von  den  prozessen 
und  urtheilen,  so  alm  den  gedachten  churgericht  in  sachen  todt- 
schläg,  frevel,  Scheltwort  und  andere  dergleichen  malefizhändel 
berührend  ergehen",  an  kein  anderes  Gericht  appellirt  werden 
könne.    (A  21.)  227 

1693.  Bürgermeister  und  Rath  und  Bürgermeister  Wilhelm 
Adolf  von  Eyss  genannt  Beussdall  g.  Dionys  König.  Ungültig- 


*)  Vgl.  Michel  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  V,  S.  255. 

*)  Die  Vorlage  hat  Untschen  und  an  anderer  Stelle  Vntschaw.  Aehnlicher 
Les-  oder  Schreibfehler  finden  sich  in  den  Akten  des  Reichskammergerichts 
gar  manche. 

^)  St.  Jobs,  Dorf,  Bgstr.  Weiden,  Ldkr.  Aachen. 


keit  einer  SubluistatiiHK  weil  eine  utnie  (»evsoluihoil  aii^eiu»miuon 
und  cv«r^n  kiinir*Mnb's  trold  verkamt  uiul  dem  V.  udiudi/irt 
wonleo-  —  .-N'IiöttVusruIiL  f.     lA  Ts.)  •>->K 

1^>1*8.  iHM'hant  und  Kapitel  lies  Murieustirts  i;^.  kurptal/iNche 
Hofkammer  zu  l>n>:><4<l)rt'.  Weiireruuii:  der  Hv>lkauuuer,  IViuei* 
dem  Kapitel  jälirlieh  20  Malter  Hafer  aw  liefern,  uud  \  erlahjjeu, 
dennoch  von  dessen  Zehutliof  iu  l>urei»  jahrlieh  UKH>  UaiiM'lieii 
Stroh  zu  beziehen'.  —  Reskript  der  Hi»t*kauuuer  zu  Uü^Mddi»rt. 
(A  101.)  iiV^ 

1693.  Korn-  und  I^rodiuarktuu'ister  .lohanu  Kreim^'  und 
Genossen  g.  SchötttMimeister  und  SchidliMi  uiul  hi^r/u^^lieh  .liilirh- 
schen  Anwalt  Bernhard  Hausmann.  rnheruK''te  jieMrhhiKii'tljnH^ 
von  durch  die  K.  ein^''el)rachtem  Korn,  HehauptunK  (h*i's»'lhen. 
dass  sie  selbst  in  erster  Instanz  in  suhdien  KaUen  die  Ko^muiImu 
hätten  und  die  zweite  Instanz  nicht  vor  den  <lt*rirhlen,  NHuhiu 
vor  dem  Rath  sei.  —  SchöHcnstuhl,     (A   10.1.)  tMt 

1693.  Greve  und  Meister  d<'S  j'o^ann'nl  wiiker-Handwork;^ 
und  deren  Zunftdiener  od<*r  L<'ufkn<'<lit  *  |/,  lar/of/ljrlj  Jn)i<Ji- 
schen  Anwalt.  Vu^H^fiiirUt  Ji^xhla^nülim«'  von  /wtj  Siii(k«'Ji 
Posament  auf  der  Sandkaul,  die  Mu<ke  ^^liifit-n  dun  Gjojmi.- 
schild  und  Müller,  wehia-  si<'h  tl'^li  in  di«-  /unft  *ih^^<  i*j  i  tt 
haben;  Einrede,  dass  ni«ljt  das  G«*ii<Jjt.  i^nAi-ni  uay  <l<  r  J^iii 
k(>rai>etent  sei.  --  Scli<;li'(Mi>iiilj!.     i\   l,ij.)  ZU 

1693.  Bürirt^nneislJ'j- ^  tiiid  Kh'^h  tU-f  -^^.''t  lnn*u  */.  I;*  <'La,it 
und   Kajatel   d^-N   MaritMi.-^Titi.-.     J-n^i^tn    dt.*   /n.i.'i.Mt,    de  i    \. 
iu  Düren  v«m  Jjill<*ttinii.;r   njidjM.ÜMi.  Pi».  ii,. ':...-'iij,        J.ii.ci. 
Be^iri^<'lle  K<*;ri<Tun;:  zu    \ni  -^»-Ki  ,!■♦.     ([j  2*f't,j  yy/ 

Ki^H.    IÜU';_'<M-nit'i--ti'r  nur  J;,tM    «i«  »  >^'..jo  >A\/.,y  '/     >!-.iiMi 
Stift.     Ersatz  d«'f  von    dcit    /n  >,!•/.;'   »  ii,'|...,i  m -•  i-   .    '.«J-im,i   ni 

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66  U.  Goecke 

Beschlag  genommenen  Zelmtfrüchte  des  Marienstifts.  —  Eegiening 
zu  Düsseldorf,  f.    (S  6810.)  233 

1693.  Johann  Rottkranz  und  Bürgermeister  und  Eatli  g. 
SehöflFenmeister  und  Schöffen  und  Genossen.  Betreifend  die 
Frage,  ob  Injurien  vor  dem  Kur-  oder  dem  Schöffengericlit 
auszutragen  sind.  —  Schöffenstuhl.     (R  3980.)  234 

1694.  Rector  collegii  societatis  Jesu  g.  Wittwe  und  Kinder 
des  Jakob  de  Witte.  Herausgabe  des  mütterliclien  Erbtlieils  des 
Paters  Petnis  de  Witte  ex  cessione  des  letztern.  (A  130.)    2^i5 

1696.  Rektor  der  Jesuiten  g.  kurfürstlicli  pfalzische 
Regierung  zu  Düsseldorf.  Justizverweigerung  in  Saclien  des 
Jesuitenklosters  als  Inliabers  der  Kapelle  s.  Servatii  g.  von 
Mulstrohe  zu  Neuhoff  wegen  Entrichtung  der  von  den  Gebrüdern 
von  Kinzweiler  gestifteten  jährlichen  Rente  von  22  Müdden 
Roggen  und  ebensoviel  Hafer  ^    (A  131.)  236 

1697.  Dechant  und  Kapitel  des  Marienstifts  g.  Johann 
Wilhelm  Pfalzgraf  bei  Rhein  als  Herzog  zu  Jülich  in  Düssel- 
dorf. Befehl  des  V.  d.  d.  Düsseldorf,  den  27.  September  1696 
an  den  Schultheiss  zu  Montjoie,  die  Güter  des  Stifts  im  Amt 
Montjoie  zu  den  Steuern  heranzuziehen.    (A  104.)  237 

1697.  Greve  und  Zunftmeister  der  Krämerzunft  im  Interesse 
ihres  Zunftgenossen  Jakob  Gyott  g.  Buchhändler  Arnold  Metter- 
nich.  V.  hatte  die  erste  Buchhandlung  und  Druckerei  von  Köbi 
nach  A.  1691  unter  der  Bedingung  verlegt,  dass  kein  anderer 
Buchhändler  sich  dort  etabliren  dürfe  und  nur  der  Krämerzunft 
freistehe.  Gebet-  und  andere  kleine  Bücher  zu  verkaufen.  Dem 
Jakob  Gyott  aus  Souchier  ^  war  aber  bei  seinem  Rücktritt  zum 
Katholizismus  1694  das  Bürgerrecht  und  der  Handel  mit  fran- 
zösischen Büchern  verliehen,  wogegen  V.  sich  beschwerte.  K. 
halten  ihren  Anspruch  aufrecht.  —  Schöffenstuhl.  (A  142.)    238 

1697.  Werkmeister  und  Geschworene  des  Wöllnerambachts 
g.  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rath.  Störung  der  K.  im  Besitz 
des  Rechts,  in  erster  Instanz  selbst  über  Handwerkssacheu  und 


0  ^gl'  Quix,  Hist.-topog^r.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen  S.  93. 
')  Etwa  Souchez,  Arrondissement  Arras,  Dept.  Pas  de  Calais. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskammergericht.  69 

besonders  über  Konfiskation  der  eingelienden  fi^emden  Hüte  zu 
erkennen.    (A  157.)  239 

1698.  Bürgermeister  und  ßath  g.  Dechant  und  Kapitel 
des  Marienstifts.  Diflfamationsklage,  weil  V.  bei  dem  päpstlichen 
Nuntius  in  Köln  sich  darüber  beschwert  hatten,  dass  K.  ohne 
ihre  Mitwirkung  ein  Dank-  und  Freudenfest  wegen  des  Friedens- 
schlusses von  Ryswick  (1697),  namentlich  einen  Gottesdienst  in 
der  1413  zu  Ehren  der  Apostel  Philipp  und  Jakob  consekrirten 
Kapelle  des  königlichen  Saals  des  Rathhauses  hatten  anordnen 
und  in  dem  vorherigen  Kriege  die  Häuser  der  Kapitulare  mit 
Einquartienmg  belegen  lassen*.    (A  39.)  240 

1698.  Nikolaus  Michels  g.  Schöflfenstuhl.  Verweigerung 
der  Aufnahme  eines  Inventars  und  Theilung  des  Nachlasses  des 
ohne  Testament  verstorbenen  Jakob  Freund.     (M  2721.)      241 

1698.  Gemeinden  bezw.  Quartiere  Würselen,  Weiden  und 
Haaren  g.  Rath.  Freie  Verfügung  über  den  Reichswald  auf 
dem  Echer  und  Schweinetrift  daselbst.    (W  5818.)  242 

1699.  Gerhard  Henrich  g.  Leonhard  Hees  und  den  fiskali- 
schen Anwalt.  Konfiskation  von  ZAvei  unter  fremden  Namen 
und  Umgehung  der  Accise  eingeführten  Fässern  Oel.  —  Bürger- 
meister und  Rath.     (H  3200.)  243 

1700.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Karl  Lothar  von  Bongart, 
modo  dessen  Wittwe  und  P>ben  in  Heiden.  Mandat  zur  Reassum- 
tion  des  Prozesses  wegen  des  Lauterbuschs  und  zur  Redinte- 
gration der  Akten.    (A  60.)  244 

1 700.  Wittwe  Tilmann  vcm  Nickel  ^  g.  Bürgermeister  und 
Bath.  Exekution  eines  vom  Offizial  zu  Köln  in  Sachen  der  K. 
^.  Johann  Wilhelm  von  Fürth  ^  erlassenen  Pirkenntnisses  betreff*end 
Zahlung  von  3309  Rthh-.     (N  1185.)  245 

1702.  Der  Fiskal  des  Sendgerichts  g.  Laml)ert  von  der 
Horcht,  Gertrud  von  Weyhe  und  Maria  Biülenmeyer.    Anklage 

•)  Vgl.  ifeyer  a.  a.  0.  I,  S.  679  if.;  Haagcn,   Geschichte  Achena 
II,  8.  303  f.;   Laurent,  Aachener  Stadtrechnungen  S.  44. 

»)  Vgl.  von  Fürth  a.  a.  0.  11,  2,  S.  168. 

3)  Vgl.  von  Fürth  a.  a.  0.  II,  2,  S.  171  ff.  und  199  U 


70  R.  Goecke 

auf  Ehebruch  und  öffentliclien  Skandal  bei  dem  Sendg-ericht, 
Verurtheihing  der  V.  in  contumaciam  und  unbefugte  Appellation 
derselben  an  den  päpstlichen  Nuntius,  während  Appellation  gar 
nicht  zulässig  ist.     (A  79.)  240 

1702.  Greve  und  Meister  der  Krämerzunft  g.  Greve  und 
Meister  der  Pelzerzunft.  Eigenmacht  der  V.,  welche  das 
Haus  des  Krämers  Trens  gestürmt  und  demselben  für  30  bis 
40  Thlr.  ausländisch  gemachte  Muffen  abgenommen  haben;  K. 
behaupten,  dass  der  Verkauf  dieser,  sowie  alles  Handbindwerks 
ihnen  gebühre.  —  Schöffenstuhl.    (A  143.)  247 

1702.  Maximilian  Ernst  Blondel  g.  Kurgericht.  Misshand- 
lungen und  Injurien,  Avelche  dem  K.  in  einem  Prozess  mit  dem 
Kanonikus  Boramerschem  zur  Last  gelegt  Avorden  Avaren.  Das 
Kurgericht  bestreitet  die  Zulässigkeit  der  Appellation  an  das 
K.-G.     (B  5796.)  248 

1703.  Hans  Wilhelm  Breuer  (wahrscheinlich  zu  A.)  g. 
Bürgermeister  und  Eath  und  von  Witschel,  Herrn  zur  Seurs  und 
StraysH.  Ersatz  einiger  Ruthen  Lands,^  welche .  angeblich  von 
der  „uralten  Familie  deren  von  Schwartzenberg^  herstammend  dem 
K.  vom  Herrn  von  Witschel  entzogen  sein  sollen  \  (B  3960.)  249 

1703.  Lambert  von  der  Borcht  g.  Bürgermeister  und  Kath 
und  (lienossen.  Schuldforderimg  von  bezw.  1000  und  400  Thlr. 
an  die  Stadt  A.  und  darüber  vor  dem  Sendgericht  und  der  päpst- 
lichen Nuntiatur  zu  Köln  entstandene  „schwere  Streithändel". 
(B  5342.)  250 

1703.  Jakob  Moos,  Forstmeister,  g.  die  Baumeister  der 
Stadt  A.  und  Balthasar  Kraft  und  Genossen.  Verpflichtung  des 
K.,  die  Forststrafgelder  der  benachbarten  Limburgischen  l^nter- 
tlianen  an  den  regierenden  Bürgermeister  abzuliefern.  —  Kleiner 
Eath,  f.     (M  3581.)  251 

1712.  Dechant  imd  Kapitel  des  Marienstifts  g.  Kanzler 
und  Räthe  des  geheimen  Raths  zu  Lüttich.  Ausführung  des 
Urtheils  des  Lütticher  Offizials,  welches   den  Einwohnern  der 


^)  Vgl.  .Toll.  Ulrich  Frhr.  von  Gramer,  Wctzlarischc  Nohonstunden 
LXXX,  S.  8'J  rt*.  über  diesen  Rechtsstreit;  die  hier  mitj^etheilte  Sentenz  erging 
am  17.  Juli  1741)1 


Aachener  Prozesse  ain  Reichskammerirericht.  71 

Gemeinde  Fleron  ewiges  Stillschweigen  auferlegt  bezüglich 
aller  Einreden  gegon  die  Erhebung  der  Zehnten  durch  die  K. 
iii  dieser  Gemeindet    (A  173.)    L.  252 

1712.  Johann  Heinrich  von  Märken  zu  Gierath*  g.  Priorin 
und  Konventualinnen  des  Klosters  Marienthal.  Annahme  eines 
Darlehns  von  1500  Thlr.  in  den  vertragsmässigen  Münzsorten.  — 
Schöffenstuhl.    (M  2230.)  253 

1712.  Frau  Juliane  von  Reckheim,  Gräfin  zur  Linden  und 
Reckheim,  zu  Reckheim  g.  Schöffenmeister  und  Schöffen.  Land- 
friedensbruch verübt  durch  Einfall  mit  bewaffneter  Macht  in 
das  Städtchen  Reckheim,  Gefangennehmung  Reckheimischer 
Ilnterthanen  und  eines  Reckheimischen  Rentmeisters  ^  (R962.)  254 

1713.  Reinhard  von  Imber  g.  Stadt.  Aufhebung  einer 
Geldstrafe  von  200  G.  wegen  Anschuldigung  einer  Malzdefrau- 
dation.    (I  313.)  255 

1713.  Mathias  Plum  g.  Schöffenmeister  und  Schöffen. 
Aufhebung  eines  auf  das  Vermögen  des  K.  zu  Gimsten  des 
Kaufmanns  Nikolaus  Mohr  und  dessen  spätem  Successors  in  thoro, 
Advokat  Firnschatz,  Avegen  einer  Schuldforderung  von  3000  Rthlr. 
angelegten  Arrestes.    (P  2373.)  256 

1715.  Greve  und  Meister  des  Pelzerambachls  g.  Bürger- 
meister und  Rath.  Mandat  auf  Vollstreckung  des  von  den  V. 
g.  die  Krämerzunft  erlassenen  Dekrets  über  Verkauf  von  Pelz-, 
Bunt-  und  Futterwerk.    (A  158.)  257 

1716.  Frau  Albertine  Elisabeth,  geb.  Fürstin  zu  Waldeck, 
vermählte  Gräfin  zu  Erbach,  g.  Bürgermeister,  Schöffen  und 
Rath.  Schutz  g.  Eingi^iffe  in  die  Jurisdiktion  über  die  Herr- 
schaft Eyss^    (W  326.)  258 


')  Vgl.  Nr.  147. 

*)  Gierath,  Bgstr.  Bcdburdyk,  Kr.  Grevenbroich,  lieber  die  Familie 
von  Märken  vgl.  Giersberg,  Geschichte  der  Pfarreien  des  Dekanates  (ireven- 
broich  S.  127. 

3)  Vgl.  Nr.  145. 

*)  Eyss,  Weiler,  Gemeinde  Wittern,  Arrond.  Maastricht,  Prov.  Limburg, 
Königreich  der  Niederlande.  Vgl.  Loerseh  in  Haagens  Geschichte  Achcns  I, 
S.  333,  Nr.  31 ;  Qu  ix,  Die  Königliche  Kapelle  auf  dem  Salvators-Berge  8.  35. 


72  R.  Goecke 

1717.  Christian  Eademacher  g.  Bürgermeister  und  Buth. 
K.  hatte  im  Mai  1716  eine  Geschäftsreise  nach  Lüttich  gemacht 
und  auf  der  Rückfahrt  nach  A.  einen  Landsmann  Adolph  Kolil 
mit  in  seinen  Wagen  genommen,  ihn  entführt  und  gefangen 
setzen  lassen.  K.  wurde  deshalb  ohne  Untersuchung  auf  5 — 6 
Wochen  in  Haft  gehalten,  wodurch  er  an  3000  Thlr.  Schaden 
erlitten  haben  will;  er  behauptet  ausserdem,  Bürgermeister  und 
Rath  hätten  dies  nur  gethan,  „damit  dieselben  üir  vorgehabtes 
Dessein  bei  der  obhandenen  Rathswahl  desto  besser  fortsetzen 
möchten ^    (R  64.)  259 

1718.  Priorin  und  Konvent  des  Klosters  Marienthal  g. 
Bürgermeister  und  Rath.  Das  Kloster  liess  einen  neuen  Orgel- 
kasten von  einem  auswärtigen  Meister  verfertigen;  auf  Antrag 
der  Schreinerzunft  bestrafte  der  Magistrat  den  Meister  mit  Geld 
und  Arrest.  Aufhebung  des  letztern  wird  beantragt  ^  (A  108.)  260 

1719.  Priorin  und  Konvent  des  Klosters  Marienthal  und 
Johann  Jakob  Brammertz,  Orgelbauer,  g.  Schreinerzunft,  Bürger- 
meister und  Rath.  Bestrafung  des  auswärtigen  Orgelbauers 
(Wohnort  nicht  angegeben)  mit  3  G.  und  Personalarrest  auf 
Antrag  der  Schreinerzunft,  weil  er  im  Kloster  Marienthal  ohne 
deren  Erlaubniss  eine  Orgel  verfertigtet  —  Schöffenstuhl. 
(A  109.)  261 

1719.  Bernhard  Hausmann,  vereidigter  Prokurator  des 
Schöffenstuhls,  g.  die  Alexianer  oder  Zelleiibrüder.  Wasserlauf 
in  zwei  Lohehäusern,  welche  neben  dem  Kloster  der  Zellenbrüder 
liegen.  Das  Wasser  rührt  von  dem  Bache  „vulgo  die  Paw 
genannt"  her,  das  in  Röhren  gefasst  von  der  Rospforte  auf 
die  Kapitels-Immunität  des  Marienstifts  geführt  wird.  (H  2179^, 
bezw.  176.)  262 

1719.  Jakob  Nacke  und  Michael  de  Broe  g.  Schöffenstuhl 
und  Tilmann  Collen.  Vollstreckung  eines  Erkenntnisses  g.  den 
Mitverklagten    durch   Verkauf  seiner   Häuser    (Tilmans    Colen 


')  Vgl.  Nr.  2(51. 
'"')  Vgl.  Xr.  260. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskammenrerieht.  7H 


r»' 


häusere,  zum  newen  Keller*  sowohl  als  auch  das  neben  tleu 
Steni  ligendes  haus  wie  dan  die  Spill  und  das  haus  (hibeneluMi 
in  Cöllnerstrass  ligend).     (X  18.)  2(W 

1720.  Low  Isaak  Auerbach,  Jude,  zu  Mainz  g.  Stadt  A. 
Verweigerung  der  Rechtsliülfe  in  Saclien  des  K.  g.  Wilhehu 
Feubus  zu  A.  wegen  einer  Wechselschuld  von  IWM  Thlr. 
(I  1676.)  2M 

1721.  Greve  und  Baumeister  der  Krämerzunft  g.  das  llut- 
macherambacht.  Verbot  an  die  Krämer,  keine  Hüte,  w(*Iche 
unter  24  G.  werth  sind,  bei  Strafe  der  Konfiskation  in  die  Stadt 
zu  bringen.  —  Bürgermeister  imd  Ratli,  f.    (A   144.)  205 

1721.  Leonhard  Frosch  und  Scliöffenstuhl  g.  BürgenneistiM' 
und  Rath.  Unbefugter  Eingriff  des  Mühleuambachts  in  die 
Jurisdiktion  des  Schöffenstuhls  durch  Nicht^iditung  eines  von 
letzterra  in  Sachen  des  Frosch  g.  Offermann,  modo  Duniont  wegen 
Zahlung  des  Kaufpreises  für  Wolle  erlassenen  KrkenntnisseH. 
(F  1964.)  2(MJ 

1721.  Leonhard  Wachten  g.  Accisbeamte  der  Stndt  iiihI 
Genossen.  Streitigkeiten  über  Verpflichtung  des  K.  zur  Znhluiig 
von  Steuern  für  verzapftes  Bier.  —  Scliöffenstuhl,  f.  (W  2'».)  2(17 

1721.  Generalmajor  von  Welser  zu  Minden  g.  ScIiöffi'iiHluhl. 
Durch  das  K.-G.  angeordnete  Sequestration  von  vi(*rzehn  Tniu 
Chaisen  des  Portechaisen-Besitzers  I)rie>icn  wegen  ^HrhiiiMlIi«  In^r** 
Uebertretung  des  ihm  vorgeschriebenen  li^'gleirMMitH.  Der  Srhödrii 
stuhl  hatte  zu-Gunsten  des  Driesen  erkannte    (VV  IHIHJ     H\H 

1721.  Generalmajor  von  Wels^T  zu  Minden  jr,  S(  lio(i'<*iirl(ihl, 
Aufhebung  eines  auf  die  zu  A.  zurü<kir<'la>«'ii«'n  Klb'ki^n  d« -* 
K.  gelegten  Arrestes  und  Zahlung  d<^  VV^Tth«»  iUr  \^'^\iii^i'\^'u 
Sachen».     (W  1819.)  2(M) 


*)  Die.-^cs  Haus,  am  Markt  i£*-h"^*  a,   mit   *  ,'.ut  /,¥>*  Unt  Kik/jhv  j>»  <)<  r 
Kölnstrassc,   ist  zeitweilig  das  lU-xitjau-  *i*  r  \>';,*:r,  '  t.' ti  h*  nr  ttt'U    /- v/' •- 1. 
vgl.  Hansen,  Beiträge  zur  OeschiWit*'  \'fU  S^rwu  i    **    'M. 

*)  Vgl.  Schollen  in  der  Zeit»*/:brift  'J*-»  Aa',v  .','f '/*  ^  hj' f.'^N'rf  ;.' *  />- 
S.  20(i,  Aura.  1.     S.  auch  Nr.  2Gy. 

3)  Vgl.  Nr.  20H. 


74  R.  Goecke 

1722.  Äbtissin  und  Konvent  des  Klosters  Marienthal  pr. 
Simon  Maguin.  Störung  im  Besitz  des  Bächleins  im  Vorhof 
des  Klosters,  Mathis-Hof  genannt  \  durch  Errichtung  einer  Mauer 
von  Seiten  des  benachbarten  V.,  deshalb  noyi  operis  nuntiatio.  — 
Schöffenstuhl.    (A  110.)  270 

1722.  Greve  und  Baumeister  der  Krämerzunft  g.  Zunft- 
meister und  Vorsteher  des  Schneiderambachts.  Verlangen,  dass 
die  Taschen  ohne  Schlösser  von  den  Schneidern,  die  nut  Schlössern 
von  den  Krämern  privative  verkauft  werden  müssen.  —  Kleiner 
Rath,  f.    (A  145.)  271 

1724.  Die  Nachbaren  auf  dem  Komphausbad  g.  Jakob  von 
der  Gracht  und  Winand  Koch,  l'nbefugte  Aidage  eines  neuen 
Kupferofens  in  der  Nähe  der  warmen  Fontäne,  wodurch  für 
die  Nachbaren  Feuersgefahr  und  Unbequemlichkeit  ensteht.  — 
Bürgermeister  und  ßath,  f.    (A  159.)  272 

1726.  Graf  d'Alpozzo  und  dessen  Gemahlin,  geb.  Gräfin 
von  Khevenhiller,  zu  Florenz  g.  Klaudius  Parisan  und  Gebrüder 
Peter  und  Joseph  Meuffardt  in  Frankreich,  auch  den  Schölfen- 
stulil.  Aufhebung  eines  auf  Antrag  der  mitverklagten  Dienst- 
boten vom  Schötfenstuhl  wegen  rückständigen  Lohns  auf  die 
Personen  und  die  Mobilien  der  in  A.  das  Bad  brauchenden  K. 
angelegten  AiTestes  und  Satisfaktion  dieserhalb.  (A  658.)    273 

1727.  (xreve  und  Vorsteher  der  Chirurgenkunst  und 
Chimrgenzunft  g.  die  Mitmeister  der  Chirurgie  Andreas  Malherbe, 
J.  P.  Klunken  und  Genossen.  Bestätigung  der  V.  als  neu 
gewählte  Greven  und  Baumeister  der  Chirurgenzunft.  Ueber- 
gabe  des  Handwerksschranks  u.  s.  w.  —  Bürgermeister  und 
Rath,  f.    (A  160.)  274 

1727.  Graf  Friedrich  von  Eynatten  zu  Harzee  g.  das 
Karmelitessenkloster.  Befreiung  des  klägerischen  Guts  ^zum 
grossen  Stück***  von  der  Hypothek  für  die  dem  Kloster  durch 
Fräulein  Barbara  Josephine  von  Eynatten  zu  Obsinnich  legirte 
jährliche  Rente  von  50  Thlr.  durch  Zahlung  eines  Kapitals  von 
1000  Tlür.  —  Schöflfenstuhl,  f.    (E  878.)  273 


*)  Vfrl  Anm.  5  zu  Nr.  20. 

'')  Vgl.  Haagen  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Uescbichtsvereiius  I,  8.  43. 


Aachener  Prozesse  am  ReicliHkaramertrericht.  75 


o 


1729.  Wittwe  von  Bounam  zu  Eyckholt  g.  Schöffeiistulil 
und  Wittwe  von  Oostenryck.  Kriminalgerichtsbarkeit  in  der 
Herrschaft  Ryckholt  K  —  Schöfi'enstuhl.    (B  5667.)    L.        276 

1720.  Johann  Pütz  und  Genossen  g.  Bäckerzunft.  Recht, 
S(*liwarz-  und  Weissbrod  zum  feilen  Verkauf  zu  backen,  — 
Bürgermeister  und  Rath,  f.     (P  2532.)  277 

1730.  Laurentius  Trichard,  Dr.  med.,  zu  Erlangen  g. 
ilagistrat.  Grenugthuung  und  Schadensersatz  von  20000  G.  für 
eine  über  den  K.  frivoler  Weise  verhängte  Untersuchung  wegen 
Falschmünzerei.    (T  1325.)  278 

1731.  Konvent  der  Franziskaner  der  strengern  Observanz 
pr.  Andreas  Ludwig,  modo  dessen  Wittwe  und  Erben.  Vindi- 
kation der  zu  den  Häusern,  Schloss  und  Waag  genannt,  gehörigen 
(härten  V(m  Seiten  des  V.  als  Besitzers  dieser  Häuser  g.  die 
K.,  welche  die  Gärten  ihrem  Orden  und  dem  Aachenschen  Edikt 
zuwider  an  sich  gebracht.  Appellation  der  K.  ^  — '  Schöffen- 
stuhl.   (A  126.)  279 

1731.  Die  Bierbrauer  im  Reich  von  A.  g.  die  Bierbrauer 
der  Stadt  und  Bürgermeister  und  Rath.  Schutz  der  K.  im 
Besitze  der  Lieferung  des  sog.  Reichsbiers,  d.  h.  Lieferung  von 
sechs  Bauschen-Bier  zum  Verzapfen  im  ganzen  Reich  von 
A.  bis  an  die  Stadtpforte,  und  Rückgabe  des  gewaltsam  abge- 
nommenen Biers  nebst  Fässern.     (A  146.)  280 

1732.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Johann  Krahne  imd 
Bartholomäus  Hassen  zu  A.  und  Johann  Hansen  zu  Jülich. 
Zahlung  eines  von  Leonhard  Krahne,  dem  Erblasser  der  V., 
tlen  K.  gegebenen  Darlehns  von  498  Thlr.  Einrede  der  Tilgung 
durch  Abrechnung.  —  Schöffenstuhl.     (A  30.)  281 

1732.  Freiherr  von  Lamberts  zu  C'ortenbach  als  syndicus 
aiM)stolicus  der  Franziskaner  Minderbrüder  strengerer  Observanz 
g.    Wittwe    und    Erben    des    Andreas    Ludwigs.     Novi    operis 

*)  Ryckh(»lt,  Dorf,  Prov.  Liniburf^,  Königreich  der  Niederlande.  Vgl. 
Luersch  in  Haagens  (Jesclnohte  Achens  I,  Ö.  858,  Nr.  81;  de  Corswarem, 
Memoire  historique  sur  les  auciennes  limites  et  circouscriptions  de  la  province 
de  Limbourg  p.  102. 

')  Vgl.  Nr.  282.  Ein  Haus  zur  Wage  wird  schon  1296  genannt;  vgl. 
Z*'ili<chritt  des  Aach.  Ge.>?chichtsvcreins  1,  8.  15:{,  Nr.  11. 


76  R.  Goecke 

nuntiatiü  von  Seiten  der  K.  g-.  die  V.  bei  Anlage  eines  Kellers 
nnter  der  Einfahrt  ihres  Hauses,  „zum  Schloss**  genannt,  weil 
diese  Einfahrt  den  K.  gehöret  —  Schöffenstuhl.  (A  127.)    282 

1732.  Johann  Gottfried  von  Blanche,  Herr  zu  Schönau, 
g.  Schöffenstuhl.  Gefangennahme  des  K.  in  A.  auf  einer  Eeise 
nach  Lüttich  auf  Anstehen  des  Bürgers  Aegidius  Mostard  daselbst 
wegen  angeblicher  Forderung.    (B  1167.)  283 

1733.  Johann  Coelinen,  geschworene  arme  Partei,  g. 
Schneiderzunft,  in  specie  Peter  Hungers  und  Genossen.  Mandat 
an  Bürgermeister  und  Schöffen  behufs  Administration  prompter 
Justiz  und  Vollstreckung  des  Erkenntnisses  in  einer  Forderungs- 
sache des  K.  g.  V.  —  Schöffenstuhl.    (C  1061.)  284 

1733.  J.  Heinrich  Hupgen,  Kaufmann,  g.  Christian  Gast 
und  Genossen,  Scherermeister.  Einsprache  g.  die  Aufnahme  des 
K.  in  die  Schererzunft.  —  Schöffenstuhl,  f.    (H  6370.)         285 

1734.  Theodor  von  Bodden  zu  A.,  Besitzer  der  immittel- 
baren Reichsherrschaft  Weiler,  g.  Schöffenstuhl.  Jurisdiktion 
in  der  Herrschaft  Weiler  (Wylre),  bezw.  Mandat  des  Kaisers, 
K.  in  dem  ihm  kompetirenden  iuris  ressortus  nicht  zu  stören^. 
(B  4772.)  286 

1734.  Christian  Heiendal  und  Christian  Pleuniss  g.  Bürger- 
meister und  Eath.  Ungerechte  Anschuldigung  und  Untersuchung 
g.  den  Kreis-Kompagnie-Hauptmann  Heiendal  und  den  Soldaten 
Pleuniss  wegen  Tödtung  des  Lieutenants  Taw,  und  Wiederein- 
setzung der  K.  in  Stand  und  Würden.    (H  2568.)  287 

1734.  Antoinette  von  Vöt  und  Genossen,  Erben  von  Vöt, 
g.  Bürgermeister  und  Rath.  Drei  jährlich  zu  zahleiule  Erb- 
renten von  40,  25  und  50  Goldg.     (V  901.)  288 

1 735.  Johann  Kaspar  Deltour,  Kaufmann,  g.  Schöffenmeister 
und  Schöffen.  Vollstreckung  des  Erkenntnisses  in  Sachen  des 
K.  g.  den  Advokaten  Plum  wegen  Erstattung  von  2585  Thlr. 
Vorschüsse.    (D  566.)  289 


»)  Vgl.  Nr.  279. 

^)  Uebor  Weiler  vgl.  Anm.  3  zu  Nr.  119,  über  die  Familie  von  Bodden  s. 
von  Fürth  a.  a.  0.  II,  2,  S.  213  ff. 


Aachener  Prozej<se  am  Reichskammergericht.  77 

1735.  Schlebuscli,  kurpfälzischer  Hofrath,  vormaliger  Lom- 
bards-Bedienter, g.  Magistrats-Beamte.  Verschleppung  der  Reces- 
sining  der  vom  K.  aufgestellten  Rechnungen.    (S  8214.)      200 

1736.  WiDielm  Florentin  und  Mathias  Lognay^  Wein- 
händler, g.  Greven  und  Vorsteher  des  Fasshaueramts.  Behauptung, 
dass  den  K.  nicht  zustehe,  durch  ihre  Knechte  Fässer  kleiner 
oder  aus  alten  neue  nuichen  oder  den  Wem  von  einem  Fasse 
auf  das  andere  abstechen  zu  lassen.  —  Kleiner  Rath.  (F  1713.)  201 

1737.  Geistliche  Ursulinerinnen  g.  von  Broich*,  Bürger- 
meister, und  Schöffenmeister.  Fiinlösung  des  von  den  K.  ft'üher 
besessenen  Colynshofs^  bei  A.  für  7000  Rthlr.,  da  keine  im  Reiche 
von  A.  belegenen  Erbgüter  in  geistliche  oder  todte  Hand  gebracht 
werden  sollen.  —  Schöffenstuhl,  f.     (A  125.)  202 

1737.  Greve  und  Baumeister  des  Kesslerambachts  g. 
Gebrüder  Finkenberg.  Rückgabe  von  kupfernen  Leuchtern, 
welche  die  K.  den  V.  deshalb  abgenommen  hatten,  weil  letztere 
durch  deren  Verfertigiuig  und  Verkauf  in  das  Handw^erk  der 
Kessler  eingegriffen  hatten.  —  Bürgermeister.    (A  161.)      203 

1740.  Schöffenmeister  und  Schöffen  zu  Burtscheid  g.  Schöffen- 
meister und  Schöffen.  Verletzung  des  Rechts  der  K.  als  erste 
Instanz  zu  fungiren,  durch  die  V.     (B  5697.)  204 

1741.  Heinrich  Reuben,  Färber-  oder  Röderambachts- 
Meister  g.  Greve  und  Meister  des  Färber-  oder  Röderambachts. 
Störung  des  K.  in  seinem  Gewerbe  als  Färber  von  Tuch.  ~- 
Bürgermeister  und  Rath.     (R  1767.)  205 

1742.  Dechant  und  Kapitel  des  Marienstifts  g.  Gemeinde 
Traben.  Freiheit  des  Hofs  und  der  Weingüter  der  K.  zu  Traben 
von  Steuern  und  Gemeindelasten*.  —  Fürstlich  Spcmheimische 
gemeinschaftliche  Regierung  zu  Trarbach,  f.     (A  100.)         206 


*)  Ueber  3rathias  Lognay,  den  spätem  preussisclien  ReHWlenten  in  Aachen, 
vgl.  Pick  in  den  3Iittlieilunficen  des  Vereins  f.  Kunde  der  Aachener  Vor- 
zeit I,  S.  91;  Macco,  Beitriitce  zur  (Jenealogie  rhein.  Adels-  und  Patrizier- 
Familien  II,  S.  45:  Oppenhoff  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Oc^chichts- 
vereins  VI,  S.  47  und  das  Vcrzcichniss  daselbst  VII,  S.  238  zum  Jahre  1720. 

*)  Johann  Werner  v.  B-,  vf<l.  von  Fürth  a.  a.  0.  II,  2,  S.  3. 

')  CoUinshof,  Hof,  Stadtkr.  Aachen. 

*)  Vgl.  Nr.  202  und  334. 


78  R.  Ooeckc 

1742.  Johann  Franz  Bettendorf  g.  Nikolaus  Franz,  auch 
Scliöffenmeister  und  Schöffen.  Der  dritte  Theil  eines  Kapitals 
von  1200  Ethlr.  aus  der  Erbschaft  des  verstorbenen  Pastors 
Bettendorf  zu  Würselen.  —  Schöffenstuhl.    (B  3349.)  297 

1743.  Schreinerzunft  g,  Zimmererzunft.  Streit  darüber, 
wem  die  Verfertigung  der  sog.  Eoyaltreppen  nebst  Zierrath 
zukomme,  da  vergleichsmässig  die  Zimmerleute  Windel-  und 
Nachtreppen,  die  Schreiner  Treppenleisten Averk  und  Zierrathen  an 
Roj^altreppen  zu  verfertigen  haben.  —  Bürgermeister.  (A  162.)  298 

1745.  N.  von  Bodden,  Stadt  Aachenscher  Lieutenant,  g. 
Schöffenstuhl,  Wittwe  Leyendecker  und  Genossen.  Forderung 
von  500  Rthlr.  von  den  fallirten  Kaufleuten  Gebrüdern  Lambert 
und  Konrad  Holz,  womit  Wittwe  Leyendecker  in  Prozess  gestanden, 
und  unstatthafte  Einmengung  des  Scliöffenstuhls  in  diese  Sache. 
(B  4773.)  299 

1747.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Schöffenstuhl.  Mandat 
an  den  V.,  sich  aller  Kognition  in  causis  politicis  zu  entlialten 
und  die  dem  Magistrat  allein  kompctirende  Territorial-Gerechtsame 
nicht  zu  verletzen.    (A  22.)  300 

1747.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Klemens  August,  Kurfürst 
von  Köln,  als  Deutschordensmeister  und  die  Ordenskomthurei  zu 
St.  Gilles  K  Behauptung  der  K.,  dass  die  der  Komthurei  St.  Gilles 
gehörigen  drei  Höfe  Metzgenshaag  vulgo  Weber,  Flatt  und 
Vaelsburg  zwar  von  den  ordentlichen  Abgaben,  aber  nicht  von 
den  ausserordentlichen  Lasten,  namentlich|nicht  von  Einquartierung 
frei  seien;  Verletzung  durch  ein  Reskript  des  Kurfürsten  als 
Meisters  des  Ordens  auf  Antrag  der  Kommende  zu  A.  erlassen, 
worin  die  Befreiung  dieser  drei  im  Territorium  der  Stadt  belegenen 
Höfe  auch  von  der  Einciuartierung  unter  Androhung  von  Repressalien 
verlangt  wurde.    (A  38.)  301 

1749.  Stadt  g.  Eingesessene  der  Quartiere  Würselen,  Weiden 
und  Haaren.  Rekurs  der  V.  an  kurpfälzische  Gerichte.  (A  44^.)  302 

1749.  Erben  des  Xaver  G.  Heusch,  Färbers,  g.  Schöffen- 
stuhl  und    Kapitel   des   Marienstifts.     Wasserleitung   aus    der 


')  Ucbcr    diese  Kommende  vgl.  Henncs,   Commenden    des  deutsi^hen 
Ordens  S.  139ff. ;  Quix,  Hist-topogr.  Beschreilmns:  der  Stadt  Aaclien  S.  94. 


Aachener  Prozesse  am  Reicbskammergerieht.  70 

Pau  nach  dem  Heuschsclien  Farbhaus  in  der  Bendelstrasse.  — 
Schöffenstuhl.     (H  3978^  bezw.  277.)  303 

1751.  Maria  Theresia  von  Märken,  Professa  des  Klosters 
Frauenlautern,  g.  Wittwe  von  Meuthen  und  Schöffenstuhl. 
Verstattung  des  Rechtsmittels  der  Revision  in  Sachen  der 
Parteien  betreffend  eine  vom  Herrn  von  Dobbelstein  besessene 
Mühle  zu  Moresnet  1.     (M  1098.)  304 

1752.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Vogtmajor  und  Schöffen- 
stuhl. Mandat  an  die  V.,  die  g.  die  Sophie  Marie  Muffan  wegen 
Vergiftung  ihres  Mannes  vor  dem  Jülichschen  Vogtmajor  oder 
Richter  und  dem  Schöffenstuhl  verhandelten  Akten  an  K.  heraus- 
zugel>en,  da  die  im  Bereich  der  Stadt  wohnenden  Beschuldigten 
als  Unterthanen  oder  Hintersassen  der  Stadt  anzusehen  seien,  g. 
welche  den  V.  die  Kriminaljurisdiktion  nicht  zustehe  ^  (A  23.)  305 

1752.  Chorus,  Merken  und  Genossen,  Kaufleute  und  Schön- 
wirker der  Nähnadelmacher-Zunft,  g.  Greven  und  Vorsteher 
der  Nähnadelmacher-Zunft.  Verpflichtung  der  K.,  die  in  Stadt 
und  Reich  A.  wohnenden  Rauchwirker  allen  auswärtigen  zur 
Xähnadelmacher-Zunft  nicht  qualifizirten  Arbeitern  bei  Hergebung 
des  Drahts  und  Fertigung  der  Nadeln  vorzuziehen.  —  Kleiner 
Rath.    (A  163.)  306 

1752.  Mathias  Fischer  g.  Tuchschererzunft.  Störung  des 
K.  in  dem  Rechte,  Gesellen  in  beliebiger  Zahl  zu  halten.  — 
Bürgermeister  und  Rath.     (F  1420.)  307 

1753.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Jülichschen  Vogtmajor 
und  Schöffenstuhl  zu  A.  und  Herzog  von  Jülich  und  dessen 
Regierung  zu  Düsseldorf.  Mandat  an  die  V.,  die  K.  in  ihrer 
Inquisition  g.  ihren  Hintersassen  und  Unterthanen  Nikolaus 
Muffan  nicht  zu  behindern  und  von  allen  Repressalien  und 
Pfändungen  abzustehen^.     (A  24.)  308 

1753.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Schöffenstuhl.  Eingriffe 
des  V.  in  die  Jurisdiktion  des  städtischen  Kurgerichts  in  Kviminal- 


*)  Moresuet,  Dorf,  theils  Kr.  Eupon,  theils  Prov.  Ltittich. 

*)  Vgl.  Nr.  308  und  Oppenhof  f  in  dor  Zeitschrift.de»  AadieniT  Ocschichts- 
vereinH  VI,  S.  7. 

^)  Vj?l.  Nr.  305. 


SQ  R.  Goecke 

* 

Sachen  durch  Verhaftung  des  Fremden  Grossjean  aus  Olerniont 
und  p]rzwingung  einer  Kaution  von  dem  Aachener  Bürger  Hannot 
bei  einer  Anklage  wegen  Verwundung  ^    (A  25.)  309 

1753.  Greven  und  Vorsteher  des  Pelzer-  und  Fellbereiter- 
Handwerks  g.  Paul  Krämer.  Beschlagnahme  mehrerer  vom  V. 
in  die  Stadt  eingeführter  Hirschfelle,  welche  er  theil weise  ver- 
arbeitet, geßirbt  und  feilgeboten  hat.  —  Kanzlei  des  Magistrats. 
(A  164.)  310 

1753.  Johann  Heinrich  Heupken  g.  Magistrat  und  Tuch- 
schererzunft.  Aufrechthaltung  eines  gerichtlich  bestätigten  Ver- 
gleichs  über  Aufnahme  des  K.  in  das  Meisterrecht  der  Tucli- 
schererzunft.     (H  3966.)  311 

1753.  Die  Vormünder  der  Kinder  des  Johannes  Lognay^ 
g.  die  Stadtaccise-Pächter.  Beschwerde  über  Konfiskation  nach 
Burtscheid  bestimmter  Waaren.  —  Schöffenstuhl.  (L  2451.)    312 

1754.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Propst,  Dechant  und 
Kapitel  des  Marienstifts.  Störung  der  K.  im  Besitz  des  Fisch- 
markts durch  Reparatur  des  Pflasters  seitens  der  V.,  unerlaubter 
Rekurs  und  angemasste  Evokation  der  V.  an  die  päpstliche 
Nuntiatur  zu  Köln^     (A  40.)  313 

1754.  Kaufleute  und  Mitmeister  der  Nähnadlerzunft  g. 
Bürgermeister  und  Rath  und  Vorsteher  der  Nähnadlerzunft. 
Aufrechthaltung  der  von  den  K.  vorgenommenen  Greven-  und 
Vorsteherwahl,  sowie  der  Adjunktion  von  vier  Handweirks- 
deputirten  und  Vollstreckung  der  dieserhalb  schon  vom  Magistrat 
erlassenen  Dekrete.    (A  133.)  314 

1754.  Collenbach,  Geheimer  Rath  und  {Syndikus,  g,  Schöff*en- 
stuhl  und  die  Kinder  erster  Ehe  des  Kornelius  Ciiorus.  Voll- 
streckung der  Erkenntnisse  wider  die  V.  wegen  Schutz  im 
Besitze  des  Naclilasses  des  ('horus  *.  —  Schöffenstuhl.  (C  1 132.)  315 

')  Vgl.  Oppenhoff  a.  a.  0.  VI,  S.  7. 
2)  Vgl.  Nr.  291. 

«)  Vgl.  3I(^yer,  Aacheiischc  Geschichteu  I,  8.  719,  §  26;  Haagen, 
Cieschicbte  Acbens  II,  S.  332  f. 

*)  Vgl.  Nr.  318  und  322. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskammergericht.  ?! 

1754.  Franz  Riirens  und  Genossen  g.  Schöffenstuhl.  Heraus- 
gabe des  Testaments,  des  Inventars  und  aller  auf  den  Nachlass 
des  zu  A.  verstorbenen  Leonhard  Klemens  Rurens  bezüglichen 
Dokumente.     (R  4278.)  316 

1754  und  1763.  Hubert  Johann  Jehennee  g.  Bürgermeister 
und  Rath.  Versagung  der  Aufnahme  in  die  Schreinerzunft, 
Beschlagnahme  des  Handwerkszeugs  und  des  gefertigten  Meister- 
stücks.    (I  207,  208.)  317 

1756.  Kornelius  Chorus  g.  Schöffenstuhl.  Exekution  eines 
Erkenntnisses  in  Sachen  des  K.  wider  den  Geheimen  Rath  Collen- 
hach  in  Betreff  der  Manutenenz  im  Besitze  des  von  Kornelius 
Cliorus  dem  Aeltern  herrührenden  Vermögens  i.    (C  2035.)    318 

1756.  Johann  Heinrich  Schorenstein  g.  Brauerzunft.  Beein- 
trächtigung des  K.  bei  Ausübung  seines  auf  Grund  erworbenen 
Meisterrechts  in  A.  etablirten  Brauereigeschäfts.  —  Schöffen- 
stuhl.    (S  7611.)  319 

1757.  Greven  und  Vorsteher  des  Nähnadleramts  g.  Nikolaus 
Küppers.  Unbefugte  Ausübung  des  Nähnadlergewerbs  durch 
den  V.  als  Meister,  olme  dass  er  vorher  im  Zunftbuch  als  Lehr- 
junge eingetragen  gewesen.  —  Bürgermeister.     (A  135.)      320 

1757.  Kirsh,  Jonas  und  Genossen,  Greven  und  zum  Rath 
Präsentirte  der  Zünfte  der  Schmiede,  Stricker  und  Schuster  g. 
Rath,  Bürgermeister  Strauch  und  die  aus  den  Zünften  unge- 
setzlich erwählten  Rathsverwandten,  Beamten  und  Neumänner. 
Kassation  der  vorgenommenen  Raths-,  Beamten-  und  Neumänner- 
Wahl,  weil  die  Zünfte  in  dem  Recht  ihrer  Zusammenberufung 
diu-ch  die  Greven,  der  Präsentation  zur  Rathswahl  und  der 
Miterwählung  der  Stadtbeamten  geschmälert  worden.  (A  165.)  321 

1757.  Franz  Rudolf  von  Collenbach,  Geheimer  Rath,  g. 
Kornelius  Chorus.  Herausgabe  des  siebenten  Theils  aller  von 
Kornelius  Chorus  dem  Aeltern  hinterlassenen  eingebrachten 
Mobilien  und  der  in  zweiter  Ehe  gewonnenen  Mobilien  und 
Immobilien  ^  —  Schöffenstuhl.    (C  1133.)  322 

')  Vgl.  Nr.  315  und  322. 
*)  Vgl  Nr.  315  und  318. 


82  R.  Goecke 

1757.  Gottfried  Mohr  und  Genossen  g.  Greve  und  Zwölfer 
der  Schneiderzunft.  Beschränkung  der  Zahl  der  Gesellen  auf 
vier.  —  SchöffenstuJil.    (M  3311.)  323 

1758.  Pater  Johann  Baur  S.  J.  g.  vSchöffenstuhl.  Aus- 
schliessung von  der  Erbschaft  seiner  Mütter  durch  Johann  von 
Maeren  und  dessen  Schwester  Wittwe  Gillessen  als  anmassliche 
Erben  ab  intestato.    (B  961.)  324 

1758.  Franz  Geilgen  g.  Bäckerzunft.  Konventionalstrafe 
wegen  Verfehlung  g.  den  Handelsgebrauch.  —  Magistrat. 
(G  713.)  325 

1758.  Alexander  Friedrich  von  Merode  d'Hoifalize  zu 
Rittersitz  Margaretha^  bei  A.  und  zu  Frenz  g.  Bürgermeister 
und  Rath.  Freiheit  des  K.  von  Einquartierungs-  und  sonstigen 
Lasten.     (M  2332.)  326 

4758.  Peter  Gerhard  Reisgen,  Kaufmann,  g.  Rath.  Nicht- 
zulassung des  K.,  als  Einwohner  in  A.  zu  wohnen  und  dort  das 
Materialistengeschäft  zu  treiben.    (R  1537.)  327 

1759.  Greve  und  Vorsteher  der  Nähnadlerzunft  g.  Johann 
Olberts  und  Johann  Jacobs.  Zahlung  eines  Guthabens  von  3810 
G.  an  die  V.  aus  ihrem  frühern  Amt  als  Greven  der  Zunft.  — 
Bürgermeister.     (A  136.)  328 

1759.  Steckenbiegler,  Bungen,  Frank  und  Görtz,  vormalige 
Mehl-  und  Branntweinaccise-Pächter,  g.  Bürgermeister  und  Rath. 
Nachlass  von  dem  jährlichen  Pachtschilling  für  die  Accisen  ad 
10  456  Rthlr.,  bezw.  Entschädigung  wegen  des  im  Mai  1758  in 
Folge  der  Theuerung  erlassenen  Ausfuhrverbots  und  wegen 
Befreiung  des  den  französischen  Truppen  gelieferten  Brods  von 
der  Accise«.    (A  137.)  329 

1759.  Dionys  Dreesen  und  Heinrich  Krauthausen,  Stadtwage- 
accise-Pächter,  g.  Heinrich  Rheindorf  zu  Köln.  Unbefugte  Beschlag- 
nahme eines  von  Köln  nach  Burtscheid  durch  die  Post  verschickten 


*)  Der  sog.  Margratenknipp,  Sandkaulsteinweg  Nr.  56;  vgl.  Quix, 
Hist.-topogr.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen  S.  130;  Quix,  Die  Frankeuburg 
S.  78;  Richardson,  Geschichte  der  Familie  Merode  I,  S.  220,  II,  S.  378. 

*)  Vgl.  Meyer  a.  a.  0.  I,  S.  722,  §  33  f. 


Aachener  Prozesse  am  Rcichskammergericht.  83 

Pakets,    angeblich  weil   es   am  Thor  zu  A.   nicht   angemeldet 
worden.  —  Bürgermeister  und  Rath.    (A  138.)  330 

1759.  Maria  Franziska  Boverie  zu  Houchenöe  oder  A.  g. 
Consilium  privatum  magistratus.  Beschleunigung  des  Rechts- 
gangs in  ihrem  Prozess  ^vegen  Verbalinjurien.  (B  5740.)  L.    331 

1759.  Johann  Kaffaert  g.  die  Gläubiger  der  Maria  von 
Maastricht,  Nonne  zu  vSt.  Ursula  in  A.^,  namentlich  die  canonici 
s.  Crucis  und  Dionys  Dresden  zu  A.  Verpflichtung  des  K.,  die 
Schulden  seiner  Schwägerin  Maria  von  Maastricht  als  deren 
Erbe  zu  bezahlen.  —  Schöffenstuhl.    (K  21.)  332 

1760.  Bürgermeister  und  Rath  g.  Schöffenstuhl.  Behauptung, 
dass  das  Magistratsgericht  und  der  Schöffenstuhl  in  Kriminal- 
und  in  bestimmten  (yivilprozesssachen  jedes  seine  privative,  in 
blossen  Personalsachen  aber  konkurrente  Gerichtsbarkeit  habe, 
Verletzung  des  Magistratsgerichts  dadurch,  dass  in  Sachen  des 
M.  Theze  g.  Kaffart  wegen  Ersatzes  verloren  gegangener 
Kleidungsstücke,  nachdem  der  Bürgermeister  die  Sache  aus 
dem  Verbalprozess  zum  schriftlichen  Verfahren  verwiesen,  der 
Schöffenstuhl  einen  Rekurs  des  K.  vom  Magistratsgericht,  dessen 
Prävention  ungeachtet,  angenommen.  (A  26.)  333 

1760.  Marienstift  g.  fürstlich  Sponheimische  gemeinschaft- 
liche Rentkammer  zu  Trarbach.  Streit  über  den  Beitrag  zu 
den  Kosten  der  Anlage  und  Unterhaltung  einer  neuen  fliegenden 
Brücke  über  die  Mosel  zwischen  Trarbach  und  Traben*.  — 
Fürstlich  Sponheimische  gemeinschaftliche  Regierung  zu  Trar- 
bach.   (A  102.)  334 

1760.  Johann  Joseph  Belir  und  Genossen  zu  Lütticli  g. 
Schöffenstuhl  und  Franz  Karl  von  Loe.  Einweisung  in  die  Güter 
und  Einkünfte  des  V.  von  Loe  wegen  einer  dem  Ferdinand  Goen 
geschuldeten  Geldsumme.     (B  2301.)    L.  335 

1760.  Verwittwete  Gräfin  von  Goldstein  zu  Mögersheim 
(Ansbach)  g.  die  Regulirherren.  Wasserleitung  über  die  gemeine 

')  üeber  das  Ursullnerinnen-Kloster  vgl.  Quix,  Beiträge  zur  Geschichte 
der  Stadt  Aachen  und  ihrer  Umgebungen  II,  S.  118  ff. 

*)  Vgl.  Nr.  202  und  296. 

6* 


84  R.  Goecke 

Landstrasse  auf  das  Gut  Soerser  Hoclikirchen  bei  A.  —  Schöffen- 
stuhl.   (G  2199»>.)  336 

1760  ^  Nikolaus  Wetten  zu  Eupen  g.  Schöffenstuhl.  Justiz- 
verweigerung in  Sachen  des  K.  g.  Sacr6e  betreffend  Aufliebung 
eines  angelegten  Arrestes  durcli  Weigerung,  das  Viccdomamt 
in  Bingen  zur  Vernehmung  zweier  dort  wohnender  Zeugen  zu 
requiriren.     0^  2597.)  337 

1761.  Dionys  Dreesen,  Stadtwageaccise-Pächter,  g.  Sebastian 
Scheen  und  Sohn.  Konfiskation  nach  Burtscheid  bestimmter 
Waaren  wegen  Defraude  der  Accise.  —  Regierender  Bürger- 
meister.   (A  139.)  338 

1761.  Johann  Becker  g.  Bürgermeister  und  Rath  und 
Heinrich  Peter  Breda.  Baustreitigkeiten  wegen  Anlegung  einer 
Mauer,  bezw.  Erhöhung  des  Hinterhauses  des  Breda  unter 
Benutzung  der  Stadtmauer  an  St.  Jakobs-Mittelthor.  —  Schöffen- 
stuhl.    (B  2095.)  339 

1761.  Peter  Schmidt  und  Genossen  g.  Schöffenstuhl. 
Mandatum  executorium  in  Sachen  des  K.  g.  Hulgebauer  wegen 
einer  Forderung.    (S  6282.)  340 

1762.  Die  Brauerzunft  g.  Bürgermeister  und  Rath.  Aus- 
schliessung des  Brauers  Brammerts  mit  seinem  Votum  bei  der 
Brauerzunft  wegen  Anzüglichkeiten  g.  den  Rath,  welche  der 
Bürgermeister  Strauch  dem  letztern  berichtet  hatte  ^  —  Bürger- 
meister und  Rath,  f.     (A  147.)  341 

1762.  Die  Brauerzunft  g.  Graff  und  Schimiacher,  Bier- 
accise-Pächter.  Verlangen,  dass  die  V.,  welche  die  Bieraccise 
für  31900  Rthlr.  gepachtet  haben,  dieselbe  von  den  Brauern 
selbst  einfordern  sollen,  diese  sie  nicht  zu  bringen  haben.  — 
Rath,  f.    (A  148.)  342 


*)  Frhr.  von  Gramer  bespricht  a.  a.  0.  LXXVII,  S.  102  eine  Aachener 
Prozesssache  Tilmann  gegen  Fischer,  in  der  es  sich  um  die  im  Aachener 
Arrcstprozcss  übliche  sog.  Schreckung  handelte  und  die  durch  UrtheU  vom 
30.  Oktober  1760  entschieden  wurde. 

«)  Vgl.  Nr.  343. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskammorgerieht  85 

1762.  Johann  Lambert  Brammcrtz  g,  Rath  und  Bürger- 
meister Strauch.  Dem  K.  entzoirenes  Votum  bei  der  Brauer- 
zunft ^  —  Schöffenstuhl.     (B  1364.)  343 

1762.  Jakob  Breuer  und  Genossen,  Tuchscherermcister,  g. 
die  Tuchschererzunft.  Unbeschränkte  Haltung  von  Knechten.  — 
Schöffenstuhl.     (B  3973.)  344 

1762.  Gotthard  Pastor  und  Wittwe  Moll  zu  Burtscheid  g. 
Schöffenstuhl.  Vollstreckung  eines  vom  Schöffenstuhl  g.  Dr.  Cramer 
ausgesprochenen,  die  Kaufgelder  für  das  in  der  Peter  Schienschen 
Subhastationssache  erstandene,  in  der  Jakobstrasse  neben  Dr. 
Fellinger  und  Wittwe  Franz  Buchmann  gelegene  Haus  betreffen- 
den Erkenntnisses,  welche  der  Schöffenstuhl  wegen  interponirter, 
aber  nicht  weiter  verfolgten  Appellation  w  eigert.    (P  539.)    345 

1763.  Bevollmächtigte  sämmtlicher  Kaufleute  und  übrige 
Einwohner  protestantischer  Konfession  g.  Bürgermeister  und 
Rath.  Schutz  der  K.  g.  die  gewaltsamen  Empörungen  der 
katholischen  Unterthanen,  Einleitung  der  Untersuchung  g.  die 
Rädelsführer,  Schutz  der  Landstrasse  nach  Vaels.     (A  134.)  346 

1763.  Greve  und  Vorsteher  der  Löherzunft  g.  Theodor 
Schallender.  Verweigerung  der  Aufnahme  <les  V.  als  Geselle 
in  die  Löherzunft,  weil  er  bereits  der  Krämerzunft  angehörte  ^.  — 
Bürgermeister,  f.    (A  166.)  347 

1763.  Gottfried  Görtz  g.  Magistrat.  Herabsetzung  des 
Pachtgelds  für  die  Bieraccise.  —  Schöffenstuhl.  (G  2106.)    348 

1763.  Wilhelm  Klinkenberg  g.  Prior  und  Konvent  des 
Dominikanerklosters.  Forderung  von  661  Thlr.  für  6  Zuläste 
Bleichert,  Arrestanlage  auf  die  Gefälle  der  V.  in  Stadt  und 
Reich  von  A.  —  Schöffenstuhl.     (K  1832.)  349 


')  Vgl.  Nr.  341. 

*)  Wahrscheinlich  ist  es  dieser  Rechtsstreit,  über  welchen  Frhr.  von 
Cramer  a.  a.  0.  LXXXV,  S.  93  flf.  unter  der  Rubrik:  Greve  und  Vorsteher 
der  Lederzunft  contra  Theodor  Schalbnberg  berichtet.  Es  handelte  sich  nach 
dem  dort  Gesagten  um  die  Frag*.*,  ob  der  Magistrat  gesren  den  WiUen  der 
Zunft  das  Mei^terrecht  verleihen  körin»*.  Das  Urtheil  erging  am  21.  April  1769, 


86  R.  (locyku 

1763.  Peter  Strauch,  kaiserlicher  Rath  «ml  vormaliger 
Bürgermeister,  g.  Bürgermeister  iiiid  Rath.  Vollziehung  der 
eigenen  Edikte  g.  die  Schmähschriften  und  demgemäsa  öffent- 
liche Verbi'ennung  durch  Hcukersliand  eines  g.  den  K.  gerichteten 
libelli  faiiiosi  und  strenge  Erforschung  des  Schriftstellers, 
(S  2578.)  350 

1765.  Kaspar  Billi  g,  SchöfFenstuhl.  Das  Schiildenwesen 
eines  verstorbenen  Handelsmanns  Mathias  Phigmacker  zu  A. 
und  Anspruch  des  K.  als  Gläubiger  auf  30000  Thlr.  auf  Grund 
des  in  A.  geltenden  Präfereuzrechts.     (B  4251.)  351 

1766.  Dechant  und  Kapitel  des  Marienstifts  g.  Bürger- 
meister und  Rath.  Freiheit  der  Koloncn  der  K.  von  der  neuen 
Accise.  namentlich  ihrer  Pächter  zu  Hausen  und  Pfaffenbroich ' 
von  der  neuerdings  eingefiUirten  Mühlenaceise.     (.A  103.)      ;152 

1766.  Die  sechs  Quartiere  des  Aachener  Reichs:  Wttrselen, 
Weiden,  Haaren,  Laurensberg,  Orsbach  und  Daubach  *  g.  Bürger- 
meister und  Rath.  Freiheit  des  Reichs  von  A.  von  aller  Accise 
und  Störung  durch  einen  Beschluss  des  Magistrats,  wonach  K. 
nunmehr  zur  Mehlkonsumtions-Steuer  ebenfalls  herangezogen 
werden  sollen.  —  Bürgermeister  und  Rath,  f.     {A  167.)       353 

1766.  Heinrich  .\hlenlioven  g.  Xaver  Blecs  und  Helene  Stiefs, 
Räumung  eines  am  Markt  belegenen  Hauses  wegen  unterbliebener 
Zahlung  der  Miethe.  —  Schöffenstuhl.     (A  6!)2.)  354 

1766.  .Toscph  Florentin  g.  Schöffenstuhl.  Promotorialien 
und  Antrag  auf  Sequestration  des  Nachlasses  des  Vaters  des 
K.,  Wilhelm  Florentin  de  f'ravatte,  g.  die  Erben  seiner  Stief- 
mutter, namentlich  von  Fürth  und  de  Witte  zu  A.  (F  1719.)    :J55 

1766.    .Tohannit^r-Onienskommende^  g.  Stadt.     Verletzung 

der  Ordensprivilegieii  durch  Fonlerung  der  Mehl-  und  Brodaccise 

'     "■  hteiTi  de.s  Keuller  und  Eichenrather  Hofs.  (1630.)   350 

n  (liT  Lagi-  iifiilor  Höfe  y(;1-  Arno.  1  und  2  zu  Nr.  2i)!>. 

,  Hist.-Uipogr.  ntsclireilinng  dtr  Stadt,  Aa.'hcii  S.  140  und  I9H 

Ji  StPÜe  von  r>ul]ai;h  unter  den  sppIis  Qu«rtioren  des  Aardenpr 

lUrliljiT  tjuix  a.  a.  0.  S.  04 f. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskammergericht.  87 

1766.  Freiherr  von  Leerod  zu  Leerod  g.  Bürgermeister 
und  Rath.  Störung  des  K.  in  seinem  „uralten"  Besitz  der  Frei- 
heit von  allen  Accisen  und  sonstigen  gemeinen  Abgaben  durch 
gewaltsame  Abnahme  von  Geldern,  bezw.  Pfändung  von  Sachen 
auf  dem  freiadligen  Rittersitz  Schürtzell  ^  bei  A.  (L  694.)   357 

1767.  Loersch  und  Groen,  Stadtwageaccise-Pächter,  g. 
Rath.  Schadensersatz  von  3000  Rthlr.,  weil  V.  eine  vakante 
Thorschreiberstelle  nicht  zeitig  wieder  besetzt  und  dadurch  die 
Schmuggelei  befördert  habe,  und  von  1000  Rthlr.,  weil  die  K. 
dennoch  durch  Exekution  genöthigt  wurden,  die  ganze  Pacht- 
surame  mit  14  717  Rthlr.  zu  zahlen.     (A  140.)  358 

1768.  Augustinerkloster  2  g.  Peter  Hüllenkrämer  und  Schöifen- 
stuhl.  Wasserleitung  zu  dem  Brauhaus  des  K.,  welches  letzterer 
1710  dem  V.  Hüllenkrämer  mit  der  Vergünstigxmg  „des  nöthigen 
Zuganges  zu  der  Wasserpfeife,  so  in  des  closters  garten  an 
dem  Schlachthaus  herfliessef^,  und  unter  der  Bedingung,  dass 
dem  Konvent  der  Zugang  nach  der  Kockerellstrasse  zu  allen  Zeiten 
vorbehalten  sei,  verkauft  hatte.  —  Schöflfenstuhl.    (A  117^.)    359 

1768.  Kaufleute  und  übrige  Einwohner  protestantischer 
Religion  zu  A.  und  Burtscheid  g.  die  Wegegeldpächter.  Störung 
der  K.  im  Besitze  der  Freiheit  vom  Weggeld  für  ihre  Kutschen 
und  Fuhrwerke  zum  Kirchgang  nach  dem  Dorfe  Vaels.  — 
Bürgermeister  und  Rath,  f.     (A  168.)  360 

1768.  Kloster  Wenau*  g.  Magistrat.  Zahlung  mehrerer 
Renten  im  Betrage  von  140  G.  im  Münzfuss  des  Kapitals. 
(W  1840.)  361 

1769.  Franz  Rudolf  von  Collenbach,  Geheimer  Rath,  g. 
Verwalter  des  kaiserlichen  Hoflehns'*,  modo  Rath.  Wiederher- 
stellung der  eigenmächtig  destruirten  „Arcken**   bei  der  Mühle 


^)  Schurzelt,  Landgut,  Bgstr.  Laurensberg,  Ldkr.  Aachen. 

2)  Vgl.  darüber  Quix,  Hist.-topogr.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen 
S.  58  f. 

»)  Vgl.  Nr.  192. 

*)  Gemeint  ist  das  seit  1428  im  Besitze  der  Stadt  befindUche  sog. 
Schleidener  Lehn;  vgl.  über  dasselbe  Loersch  in  Picks  Monatsschrift  I,  S. 
44  ff.  und  216  ff. 


88  R.  Goecke 

und  dem  Weiher  an  der  Schaurmühle  ^  der  Nähnadelfabrik  des 
K.  zu  Haaren.  —  Schöffenstuhl.  (C  1134.)  362 

1769.  Erben  Peter  Dondorf  g.  Schöffenstuhl  zu  A.  und 
Martin  Bremen,  modo  dessen  Erben  zu  Haaren.  Vollstreckung 
eines  Erkenntnisses  in  Sachen  der  K.  gegen  Martin  Bremen 
wegen  Reparatur  eines  Brauhauses  in  Haaren.  (D  1456.)     36^i 

1769.  Gebrüder  Peter  und  Johann  Kaspar  Strauch  und 
Genossen  g.  Bürgermeister  und  Rath.  Zahlung  föUiger  Zinsen 
von  melirern  Schuldverschreibungen,  auch  Zahlung  zweier  ver- 
fallener Wechsel  mit  Zinsen  ad  6453  Rthlr.  (S  2580.)  364 

1770.  Gebrüder  Peter  und  Kaspar  Strauch,  des  neuen 
Marianischen  Hospitals  ^  erbliche  Patrone  und  Provisoren,  g.  die 
anmasslichen  Fremden-Provisoren  des  Marianischen  Hospitals 
und  Bürgermeister  imd  Rath.  Störung  im  Besitz  des  Patronats- 
rechts  der  K.  als  Erben  der  Stifterin  des  Hospitals,  der  Wittwe 
des  Bürgermeisters  Johann  von  Wispien,  durch  Anordnen  zweier 
Patrone  aus  der  Mitte  des  Raths  und  Verhinderung  der  K.  an 
der  Ausübung  ilires  Patronats  durch  Einlegung  einer  Wache. 
(A  105.)  365 

1770.  Greve,  Meister  und  Siegelmeister  der  Weisswirker- 
zunft  g.  Peter  Gräff.  Uebergehung  der  von  der  Zunft  zn 
Sieglermeistern  präsentirten  Peters  und  Rosen  und  ungesetz- 
liche Bestätigung  des  alten  Siegelmeisters  Graaff  in  seinem  Amte 
durch  Bürgermeister  und  Rath.     (A  169.)  366 

1770.  Jakob  von  der  Gracht  und  Johann  Lambert  Marne ffe 
g.  Stadt.  Streit  darüber,  ob  die  für  Pachtung  zweier  städtischer 
Bäder  aufgenommenen  Kautionen  von  21 110  und  23000  Aachener 


*)  Scheuermühle  zum  Sclileifen  oder  Polireu  der  Nadeln. 

*)  Vgl.  über  dieses  Spital  Qu  ix,  Ilist.-topogr.  Beschreibung  der  Stadt 
Aachen  S.  73.  Unrichtig  ist  hier  als  Todestag  der  Stifterin  der  19.  Oktober 
1769  angegeben;  sie  wird  in  einer  ungedruckten  Urkunde  vom  25.  August 
1769  bereits  als  verstorben  erwähnt.  Ueber  den  vorliegenden  Rechtsstreit  vgl. 
die  Schrift:  Gerettetes  Patronat  des  .  .  Peter  Balthasar  und  Johann  Kaspar 
von  Kalkofen  Gebrüder  Strauch  über  das  neue  Marianische  Spital.  0.  0.  1784, 
XII  und  80  S.  Fol.    Vgl.  auch  Nr.  369. 


Aachener  Prozesse  am  Reichskanmiergericht.  89 

Tlilr.  nach  dem  Münzwertli  zur  Zeit  der  Uebernalime  der  Pacht 
oder  nach  dem  zur  Zeit  der  Heimzahlung  zurückzuerstatten 
seien.  (G  418.)  367 

1770.  Peter  Strauch,  kaiserlicher  Rath  und  vormaliger 
Bürgermeister,  g.  Bürgenneister  und  Rath.  Verletzimgen  der 
Stadt  Aachenschen  Verfassimg,  bezA\\  Kassation  eines  g.  den  K. 
erhobenen  fiskalischen  Pix)zesses.    (S  2579.)  368 

1771.  Bürgenneister  und  Rath  g.  Karl  Fürstbischof  zu 
Lüttich.  Anmassung  der  Oberaufsidit  über  das  von  der  Wittwe 
Wispien  zu  A.  gestiftete  Männerhospital  \  da  doch  durch  die 
Stiftung  die  geistliche  Aufsicht  ausgescldossen  und  Mitglieder  des 
Raths  zu  Provisoren  und  Kuratoren  angeordnet  sind.  (A  53.)  369 

1772.  Georg  Johann  Gottfried  Uth  g.  die  Barbierer-  oder 
Chirurgenzunft.  Aufnahme  des  aus  Fulda  gebürtigen  K.  in  die 
Zunft,  nachdem  er  die  Tochter  des  C'hirurgen  Michael  Dahm 
geheirathet.  —  Schöflfenstiüil,  f.     (U  115.)  370 

1776.  Schöifenmeister  und  SchöflFen  zu  Burtscheid  g.  Schöffen- 
meister und  Schöffen.  Observanzwidrige  Eindringung  eines  Unter- 
meiers (Majors).  —  Schöfienstuhl,  f.     (B  5608.)  371 

1776.  Kaspar  Joseph  von  Fürth,  Karl  von  Fürth-  und 
von  Reibeid  g.  die  Steuer-  und  Serviskammer  der  Stadt  A. 
Beschwerde  über  zu  hohe  Besteuerung  der  zu  den  Gütern 
Beulartstein,  Sieb,  Kütgereich,  Bergerheide,  Reinartskehl  ge- 
hörigen Ländereien.  —  Büi-germeister,  Schöffen  und  Rath,  f. 
(F  2531.)  372 

1776.     Ferdinand   und   Rudolf  Konstanz    von    Geyr    g. 
Magistrat.    Beschwerde  über  Erhöhung  und  unbillige  Ansetzung    ' 
der  sog.  Servisgelder.  —  Schöffenstuhl,  f.    (G  1338.)  373 

1776.  Gabriel  und  Marie  Elisabeth  Longr^e  g.  Jakob 
Jamar  und  Schöffenstuhl.  Stellung  vor  Gericht  wegen  Ver- 
letzung des  Arrestes.  —  Schöffenstuhl,  f.    (L  2562.)  374 


»)  Vgl.  Nr.  .S65. 

2}  Vgl.  von  Fürth  a.  a.  0.  II,  2,  S.  108  ff. 


90  R.  Goeckc 

1776.  Ignaz  Sarlandier  g.  Schöffenstuhl.  Verschickung 
der  Akten  an  eine  auswärtige  unparteiische  Fakultät  in  der 
Prozesssache  Geyr  von  Schweppenburg  wegen  120  Rthlr.  Haus- 
zins.    (S  387.)  375 

1777.  Äbtissin  zu  Burtscheid  g.  Bürgermeister,  Schöffen 
und  Rath.  Unterhaltung  der  Wege  und  Einnahme  des  Wege- 
gelds, bezw.  thätliche  und  spoliatorische  Störung  der  K.  in  dem 
unvordenklichen  Besitz  der  Anlegung  und  Erbreiterung  ihrer 
Wege;  Erpressung  von  Geld  und  andere  friedbrüchige  Hand- 
lungen, welche  von  dem  „unsäglich  aufsätzigen  Magistrat  der 
benachbarten  Reichsstadt  A.  seither  mehreren  Jahrhunderten  imd 
annoch  vor  Kurzem"  begangen  worden.  [Mit  langem  staats- 
rechtlichen Auseinandersetzungen.]     (R  5688.)  376 

1777.  Peter  Gambart  g.  Schöffenstuhl  und  Johann  Peter 
und  Jakob  Schlögel.  Forderung  von  169  Rthlr.  und  Beschwerde 
über  aufgehobene  Arrestation  der  Schlögelschen  Färberei. 
(G  151.)  377 

1777.  Heinrich  Hauten,  Tuchscherer,  g.  Bürgeimeister 
und  Rath,  sowie  Tuchschererzunft.  Verurtheilung  des  K.,  sich 
zunftmässig  zu  betragen  und  nicht  zu  viele  Gesellen  zu  halten. — 
Kleiner  Rath.  (H  2100.)  378 

1777.  Franz  Anton  Tewis\  Erzpriester  und  Hauptpfarrer, 
g.  Stadt.  Verzr)gening  der  Rechtshülfe  hinsichtlich  Auszahlung 
der  Pastoralkompetenz-Quartalien  vcm  der  Rentkammer  zu  A. 
(T  1016.)  37» 

1780.  Äbtissin  zu  Burtscheid  g.  Bürgermeister,  Schöffen 
und  Rath.  Erlassung  und  Vollziehung  polizeilicher  Verord- 
nungen, welche  „zur  Nothdurft,  zur  Wohlfahrt  oder  zum  Ver- 
gnügen des  gemeinsamen  Wesens,  auch  unzähliger  Kurgäste 
und  Fremder"  abzwecken,  betreffend  Glückshafen,  Lottospiel, 
„ehrbare  und  aufrichtige  Hazardspiele  in  Karten  und  Würfeln**, 
öffentliche  Konzerte,  Tänze  und  Komödien,  aus  landesobrigkeit- 
licher Fürsorge  und  Gewalt  der  unmittelbaren  Reichsherrlichkeit 


*)  Vf?l.  über  ihn  Oppenhoff  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- 
vereins VI,  S.  r>2  ff.  und  A.  von  Reumont,  das.  VI,  S.  218  ff. 


Burtsiheid.  [Mit  vielen  Beilasreiu  darunter  die  Dnirk^obrift : 
Nachrichten,  wie  das  iNirf  und  die  Herrlichkeit  Burtscheid  au 
Bürgermeister,  Selir.ffen  und  Rath  des  K.  Stuhls  und  Kaiserlicht  n 
freien  Beichs>tadt  Aachen  im  J.  l.'^^l  übertn^^'^n  worden  ist, 
Aachen,  mit  Müllerischen  Lettern,  1775.  M  Bl.]    (B  5i>89.}    380 

1780.  Johann  Jo>e|)h  Krauthausen  g,  Bünrermeister  und 
Rath.  EntschadiiTuniT  weiren  nicht  ?chr»riffer  ErtuUunsr  eines 
Kimtrakts  über  die  veri>achtete  Mehlaccise.     (K  57S.)  CJSI 

17S1.  Lizentiat  Wolf  jr.  Schoffenstuhl  und  Gerhard  Kasjwr 
von  Olmissen  zur  Hallen  K  Unbefu^^tes  Verfahren  durch  das 
untergeonlnete  Gericht  in  einer  beim  K.-(4.  anhäniriiren  Rechts- 
sache betreffend  ästiraatorische  Klapre  auf  Erle^ung^  von  61KX)  (t. 
wegen  Injurien.  —  Schöffenstuhl,  f.     (W  4549.)  :i82 

1781.  Lizentiat  Wolf  und  Genossen  g.  Schoffenstulil  und 
Genossen.  Protestation  g.  Anmuthung  der  sog.  Herrengelder 
von  den  auf  die  K.  übertragenen  Gütern  der  Bischofschen 
Eheleute.     (W  4550.)  SKJ 

1783.  Gebrüder  Bettendorf,  ex  post  The(Mlor  Bettendorf 
allein  g.  Canonici  reguläres  sanctae  Crucis.  Administration  der 
Gersthovenschen  Erbschaftsmasse  zu  A.,  hauptsächlich  aus  einer 
Apotheke  bestehend.  Ein  Sohn  *  des  verstorbenen  Wilhelm 
Gersthoven  war  Prior  des  Kreuzbruderklosters  und  darum  zur 
Erbfolge  unfähig.  Seine  Schwester  Maria  Josepha  hatte  im 
Jahre  1775  ihren  Erbantheil  ihren  Vettern,  den  Gebrüdern 
Bettendorf,  g.  eine  jährliche  Leibrente  übertragen.  —  Schöffen- 
stuhl.    (A  336  L)  :M 

1783.  Statthalter  der  Vogtei,  audi  Meier  und  Schöffen 
des  Gerichts  zu  Burt scheid  g.  Schöffenmeistcr  und  Schöffen. 
Bestreitung  des  Rechts  der  K.,  die  peinliche  Gerichtsbarkeit 
auszuüben,  bei  Gelegenheit  der  Störung  des  Burgfriedens  in 
Burtscheid  durch  drei  abteiliche  Knechte,  wovon  der  eine  „im 
Angesicht   des   ganzen   Volks    nach    verweigerter   und    sodann 

')  Vgl.  von  Fürth  a.  a.  O.  II,  2,  S.  208. 

»)  Wilhelm  (iernhoveu,  f  12.  November  1774  (vgl.  Quix,  Die  Pfarre 
zum  h.  Kreuz  S.  ßs). 


92  R.  Goccke 

durch  den  Büttel  gesclieliener  Ausscliwörung  der  Urfehde  unter 
aufgebotener  bewaffneter  Mannschaft  aus  dasigen  Dorf  luid 
Herrlichkeit  mit  Gewalt  ausgeführt  und  verbannt  wurde**. 
Mandatum  attentatonim  revocatorium,  cassatorium  et  inhibitorium 
der  V.  hiergegen.    (B  5699.)  Sai 

1784.  Johann  Christoph  Welter  zu  Köln  g.  des  K.  Ehefrau, 
Bürgeraieister  und  Rath  und  Vogtmajor.  Entlassung  des  K. 
aus  widerrechtlich  g.  ihn  verhängter  Gefangenschaft  und  Rück- 
gabe der  ihm  abgenommenen  Effekten.    (W  1828.)  386 

1785.  Jakob  Ignaz  Beckers,  arme  Partei,  g.  Magistrat. 
Sclmdloshaltung  von  10  624  Rthlr.  für  zwei  Häuser  (die  in  der 
Pundtstrasseu  gelegene,  zum  kleinen  Haus  von  Aachen  genannte 
behausung  und  ein  in  der  Stadt  Aachen  auf  der  sogenannten 
Augustinerbach  gelegenes  haus),  welche  auf  Anordnung  des 
Magistrats  zur  Deckung  von  Schulden  der  Eltern  des  K.  ver- 
kauft sind,  nach  dem  Aachener  Devolutionsrecht.   (B  2156.)    387 

1785.  Joseph  Göbel,  Wagnermeister,  und  die  Wagnerzunft 
g.  die  Schreinerzunft.  Eingriffe  in  die  Handwerksgerechtsame.  — 
Bürgermeisteramt.     (G  2027.)  388 

1786.  Der  grössere  und  ansehnlichere  Theil  des  Stadt- 
raths,  wie  auch  die  gesammte  Bürgerschaft  der  Stadt  A.  g.  die 
ausgetretenen  Magistratsmitglieder,  als  die  beiden  Bürgemieister 
von  Wylre  und  Brammerz,  die  Rathsbeamten  Buchholz,  Scliorn- 
stein,  Baldus,  von  Thenen  und  Genossen.  Mandat  an  die  V., 
welche  sich  in  Folge  einer  Rebellion  aus  der  Stadt  entfernt 
hatten,  wieder  nach  A.  zur  schuldigen  Verwaltung  ihrer  Aemter 
^md  VeiTichtungen  zurückzukehren,  sowie  Mandat  an  den  in  A. 
anwesenden  Theil  des  Magistrats  und  an  die  dortige  Bürger- 
scliaft,  den  Zurückkehrenden  die  gehörige  Achtung  und  den 
schuldigen  Gehorsam  zu  erweisen,  kommissarische  Untersuchung 
der  über  erhöhte  Auflagen,  Verrechnung  derselben.  Gestattung 
des  Spiels  an  der  Bank  u.  s.  w.  vorgebrachten  Beschwerden  ^  [14 
Bände  Kameral-  und  5  Bände  Extrajudicialakten.]  (A  27*-^)      389 


*)  Es  handelt  sich  in  diesem  Prozess  um  den  unter  dem  Namen  „Mäkelei" 
bekannten  langjährigen  politischen  Streit;  vgl.  über  ihn  Haagen,  Geschichte 
Achens  II,  S.  373  fif. 


Aachener  Prozesse  am  ReichskammenriTichu  v  . 

17^-  Schöffenstuhl  g.  Bürgermeister  iind  Rath  oder  das 
soff.  Rmmsrericht  *.  Stöningr  des  K.  in  dem  prajrmatisch  her- 
«rebraehlen  unvordenklichen  Besitz  und  in  der  Ausübunir  der  ihm 
bezüglich  der  Inventarisationen  und  Secjuestrationen  allein  zu- 
stehenden Gerichtsbarkeit.    (A  28.)  390 

1Tn6.  (Tebrüder  Wilhelm,  Franz  und  Peter  Bettendorf  or. 
Schöffenstuhl.  Theilmig  des  elterlichen  Nachlasses  und  Protest 
^^r.  die  vom  V.  hierbei  ^sich  erlaubten  reichsgesetzwidrigen 
XulUtäten-.     (B  3302.)  391 

ITni.  Perret  Gentil,  französischer  Kaufinann,  zur  Zeit  in 
A.  g.  Schöffenstulil.  Beschwerde  wegen  der  in  Folge  Requisition 
der  französischen  Regierung  erfolgten  Verhaftung  des  K.  als 
eines  angeblich  aus  Paris  geflohenen  betrügerischen  Banquerut- 
tiers,  behufs  seiner  Ablieferung  in  das  Hotel  de  la  force  zu 
Paris.    (Extr.  G  5.)  392 

1789.  Freiherr  von  Merode  zu  Frenz  g.  Bürgermeister 
und  Rath.  Forderung  von  2100  Thlr.  aus  Schuldscheinen  zu 
Gunsten  des  Levi  Isaac.  —  Hofgericht  zu  Münster.  (M  2336.)   393 

1789.  Franz  Heinrich  Startz  g.  Bürgermeister  und  Rath. 
Zurücknahme  der  Verfügung,  durch  welche  K.  von  der  Einnahme 
der  Accise  entsetzt  worden,  und  Schadensersatz  -.  (S  2175.)    394 

1790.  Philipp  von  der  Brüggen,  Handelsmann,  zu  Burt- 
scheid  g.  Bürgermeister  und  Rath  und  Wage-Administration. 
Wegnahme  mehrerer  Ballen  Kafleebohneu,  welche  der  K.  bei 
einem  Aachener  Kaufinann  deponirt  hatte,  durch  die  verklagte 
Wage-Administration  wegen  angeblicher  Umgehung  der  Accise- 
entrichtung.  —  Schöffenstuhl.     (Extr.  B  60.)  395 

1790.  Franz  Heinrich  Startz  g.  Magistrat  und  Neumanns- 
kammer. Schadensersatz  wegen  der  dem  K.  durch  die  in  sein 
Haus  wegen  angeblichen  Rückstands  an  der  Accisepacht  gelegte 
Exekution    veranlassten    Ehrenkränkung,    auch   Ersatz,    salva 


*)  Vgl.  Quix,  Hist.-topogr.  Bcschrcibunj?  der  Stadt  Aachen  S.  152. 
^  Vgl.  Nr.  390. 


94  R.  Goecke 

liquidatione,   dessen,   was  er  bei  Gelegenheit  eines  Aiifstands 
in  A.  an  der  Accise  verloren  ^     (S  2176.)  396 

1791.  Kurfürst  Karl  Tlieodor,  Pfalzgraf  bei  Rhein,  als 
Herzog  von  Jülich  und  Berg  zu  München  g.  Bürgermeister  und 
Rath.  Eingriffe  in  die  Justizverwaltung  des  K.  durch  einseitige 
Versiegelung  des  Nachlasses  eines  zu  A.  verstorbenen  Fremden, 
Namens  Peckse,  bezw.  in  das  Recht  des  K.  auf  erblose  Verlassen- 
schaften  zu  A.,  sowie  die  dem  klägerischen  Vogtmajor  daselbst 
durch  das  Verbot,  mit  dem  Degen  in  öffentlichen  Erlustigungs- 
häusern  zu  erscheinen,  zugefügte  Beschimpfung.    (P  905.)    397 

1791.  Joseph  Schweling  g.  das  Sendgericht-  und  den  Welt- 
priester Joseph  Elverfeld.  Nichtigkeit  einer  bei  dem  Send- 
gericht erhobenen  Klage  auf  Zahlung  einer  Rente  von  jährlicli 
72  Rthlr.,  welche  Schweling,  obgleich  er  mit  Elverfeld  nur  ein 
Scheingeschäft  behufs  dessen  Fortkommens  abgeschlossen  und 
hierüber  einen  Revers  besitze,  sowohl  für  die  bereits  verflossenen 
wie  für  die  weitem  Jahre  zahlen  sollte.  —  Sendgericht,  f. 
(S  3636.)  398 

1791.  Werkmeistergericht  g.  Tuchfabrikant  Schlösser. 
Appellation  g.  den  Ansprucli  des  V.  auf  Entschädigung  wegen 
Verweigerung  von  Passirzetteln  für  angeblich  nach  auswärts 
von  ihm  verkaufte  Wolle,  welche  Verweigerung  geschehen  sei, 
um  zu  verhindern,  dass  aus  dieser  Wolle  gefertigtes  schlechtes 
„auswendiges**  Tuch  als  Aachener  Tuch  in  den  Handel  komme. 
(Extr.  A  3.)  399 

1792.  Werkmeistergericht  g.  Mathias  Leonliard  Schlösser. 
Behauptung  des  Werkmeistergerichts,  dass  es  über  alle  zu  A. 
befindliche  Tuchfabriken  und  was  damit  verbunden,  in  erster 
Instanz  zu  kognosziren,  für  den  Flor  derselben  zu  sorgen,  die 
Kontraventionen  zu  bestrafen  habe;  Konfiskation  der  vom  V. 
auswärts  fabrizirten  Tücher  und  Untersagung  der  Ausfuhr  von 
Wolle  durch  denselben.  —  Bürgermeistergericht.     (A  170.)    400 


^)  Vgl.  Nr.  394. 

*)  Vgl.  Noppius,   Aachcr  Chronick  (1632)  Th.  I,  S.  122  flf.  und  Quix, 
Hist.-topojrr.  Boschreibuiij?  der  Stadt  Aachen  S.  158. 


Aachener  Prozesse  am  Reich skammergeri cht.  95 

1792.  von  Fabricius,  Hofrath,  zu  Köln  g.  Bürgermeister 
und  Rath.  Rückzahlung  mehrerer  Darlelm  im  Gesammtbetrag 
voD  6B00  Rthlr.  an  den  K.  als  Erben  seines  Bruders,  des  Hof- 
ratUs  Fubricius  zu  Düsseldorf.     (F  58.)  401 

1792.  Reichsunterthanen  der  Stadt  A.  g.  Bürgermeister, 
Schöffen  und  Rath.  Beschwerde  der  K.  oder  Exhibenten  über 
das  g.  sie  ausgesprochene  Verbot  der  Jagd,  welche  sie  gemein- 
schaftlich mit  der  Stadt  auszuüben  verlangen.  Dagegen  behauptet 
letztere,  dass  ihre  Unterthanen  „von  dem  Schwindelgeist  einer 
neumodischen  Sekte  völlig  angesteckt  seien  und  einen  falschen 
Irrbegriff  von  einer  übertriebenen  Menschen-Gleichheit  gefasst 
haben,  die  bei  einem  gesitteten  Volke,  wo  offene  Ruhe  und  all- 
gemeiner Friede  herrschen  soll,  unmöglich  statthaben  oder  ein- 
geführt werden  kann**.     (Extr.  A  1.)  402 

1793.  Bürgermeister  und  Rath  g.  kurpfölzische  herzoglich 
Jftlichsche  Landesregierung  zu  Düsseldorf  und  deren  Vogtmajor 
zu  A.  Angemasste  Einlegung  gewaffnetcr  Mannschaft  über- 
haupt, und  Besetzung  der  Hauptwache  und  Stadtthore  zu  A. 
von  Seiten  des  kurpfälzischen  Vogtmajors.    (A  96.)  403 

1 794.  Das  geistliche  Synodalgericht  *  g.  Stadtmagistrat. 
Jurisdiktionsstreit  in  der  Matrimonialsache  der  protestantischen 
Eheleute  Kühne,  bezw.  Forderung  freien  Geleits  für  die  Ehefrau 
Kühne  zur  Stellung  vor  das  Synodalgericht,  das  auch  über  Ehe- 
sachen der  Protestanten  zu  erkennen  beansprucht.  (Extr.  A  2.)   404 


')  Vgl.  die  Airni.  zu  Nr.  398. 


Ueber  ein  Verzeiclmiss  der  Einkünfte 
der  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster  aus 

dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts. 

•  Von  H.  Loersch. 

I. 

Von  den  zahlreichen,  heute  verschwundenen  Kapellen,  welche 
einst  das  parvisium,  den  Vorhof,  des  Aachener  Münsters  um- 
gaben, war  die  grösste  der  h.  Katharina  gewidmet.  Sie  lag  an 
der  nördlichen  Langseite  des  Platzes  und  etwa  in  deren  Mitte, 
in  östlicher  Richtung  reihten  sich  ihr  wahrscheinlich  zwei  Ka- 
pellen an,  während  zwischen  ihr  und  dem  Fischmarkt  nur  noch 
ein  Oratorium,  das  vierte  der  ganzen  Fluclit,  errichtet  war. 
Auf  der  Südseite  des  Vorhofs  lagen  vom  karolingischen  Bau 
bis  zur  Taufkapelle  fünf  kleine  Kapellen  in  einer  Reihe  ^ 

Die  Katharinenkapelle  ist  vielleicht  das  letzte  Bauwerk 
gewesen,  welches  in  Aachen  noch  unter  der  vollen  HeiTschaft 
des  romanischen  Stils  entstand,  denn  im  Jahre  1235  wird  sie 
in  der  ihre  Stiftung  imd  Dotation  betreffenden,  glücklich  erhal- 
tenen Urkunde  als  eben  vollendet  erwähnt^.  Sibodo,  der  seit 
dem  Anfang  der  zwanziger  Jahre  des  13.  Jalirhunderts  die 
Würde    des    Dekans    beim    Marienstift    bekleidete  ^,     dessen 


^)  Vgl.  die  Ausfilhrungen  von  C.  Rhoen  in  der  Zeitschrift  des  Aachener 
Geschichtsvereins,  VIII,  S.  76  ff. 

*)  Vgl.  für  alles  Folgende  die  Dotationsurkunde  von  1235  hei  La- 
comhlet,  Urkundenbuch  II,  S.  105,  Nr.  201.  —  Haagen,  Geschichte 
Achens  I,  S.  161  bezieht  die  Urkunde  ganz  irriger  Weise  auf  die  heutige 
Augustinerkirche. 

^)  Quix,  Geschichte  der  Stadt  Aachen  II,  S.  95.  Hier  wird  zum  Jahre 
1226  fälschlich  ein  Dekan  Gerard  genannt;  in  der  Urkunde  von  1227, 
Februar  14  (nicht  1226,  wegen  des  Jahresanfangs)  ist  aber  ego  S.  (nicht  G.) 
zu  lesen,  vgl.  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  S.  76,  Nr.  142  mit  Qu  ix,  Codex 
dipl.  Aquensis  p.  104,  no.  148.  So  ist  denn  auch  kein  Anlass  gegeben, 
zwei  Dekane  mit  dem  Namen  Sibodo  zu  unterscheiden. 


Die  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  97 

Abstammung  aber  leider  nicht  bekannt  ist,  hat  sie  ganz  aus 
eigenen  Mitteln  errichtet  und  in  dem  eben  erwähnten  Jahre 
mit  den  für  den  Unterhalt  eines  Priesters  nöthigen  Einkünften 
ausgestattet.  Durch  ihn  wurde  denn  auch  der  erste  Kapellan, 
welcher  Nikolaus  hiess\  eingesetzt.  Er  legte  ihm  die  Ver- 
pflichtung auf,  in  frühester  Morgenstmide  Messe  in  der  Katha- 
rinenkapelle zu  lesen  und  als  ständiger  Vikar  der  Stiftskirche 
stets  dem  Chorgebet  beizuwohnen  *.  Die  p]mennung  des  Kapellans 
behielt  er  für  alle  Zeiten  dem  Dekan  vor.  Nur  noch  drei  der 
Priester,  welche  diese  Stelle  inne  hatten,  sind  in  den  bis  jetzt 
veröffentlichten  Quellen  erwähnt.  Johann  Pollek,  dessen  eine 
jüngere  Eintragung  im  Nekrologium  des  Marienstifts  gedenkt, 
gehört  vermuthlich  dem  ersten  Drittel  des  14.  Jahrhunderts  an  ^; 
die  Stadtrechnung  von  1885/86  nennt  Peter  Hankart,  die  von 
1394/95  Johann  Barba  (in  deutscher  Form  also  wohl:  Bart) 
als  Inhaber  des  Beneficiums*. 


')  Die  Dotationsurkunde  nennt  ihn ;  seinen  Tod  und  eine  durch  ihn  dem 
Stift  hlnterlassene  Rente  von  zwölf  Denaren  erwähnt  der  älteste  Schreiber 
des  Xekrologiums  des  Marienstifts  zum  15.  Oktober,  vgl.  Quix,  Necrologium 
ecclesiae  b.  M.  v.  Aquensis  p.  57,  1.  15. 

»)  So  sind  wohl  zu  verstehen  die  Worte  der  Dotationsurkunde:  Erit 
etiam  vicarius  ecclesie  perpetuus  de  primis  et  ultimis  in  choro  existentibus. 

*)  Zum  25.  November:  Obiit  Johannes  Pollex,  cappellanus  s.  Katerine, 
pro  quo  fratres  presentes  habent  6  solidos,  Quix,  Necrologium  p.  66,  1.  7. 
Mit  dieser  Jahresrente  war  ein  Haus  belastet,  das  dem  Heinrich  Pollex 
(Dume),  dem  Bruder  des  Kapellans,  gehörte,  an  welchem  dieser  aber  durch 
Erbschaft  vom  Vater  her  betheiligt  war.  Von  der  Wittwe  des  Heinrich  hat 
die  Stadt  es  eine  Zeit  lang  gemiethet,  vgl.  Laurent,  Stadtrechnungen,  Aua- 
gabe-R.  1344/45,  S.  157,  Z.  34,  A.-B.  1346/47,  S.  187,  Z.  2;  sie  kaufte  es 
dann  im  Jahre  1349/50  fftr  310  Mark  (Laurent  S.  221,  Z.  36)  und  zahlte 
deshalb  auch  in  diesem  Jahre  dem  Marienstift,  sowie  andern  Berechtigten 
die  darauf  ruhenden  Renten  (Laurent  S.  201,  Z.  10,  24,  33).  Wahrschein- 
lich sind  diese  aber  abgelöst  worden,  denn  sie  kommen  in  den  spätem  Rech- 
nungen der  Stadt  nicht  mehr  vor.  Das  Marienstift  bezog  auch  eine  Jahres- 
rente von  12  Denaren  de  domo  Pollicis  in  foro  (Quix,  Necrologium  p.  25, 
L  7),  dies  ist  die  in  Urkunde  vom  25.  April  1290  erwähnte  ^domus  Düme" 
(Ritz,  Urkunden  und  Abhandlungen  zur  (ieschichte  des  Niederrheins  I,  1, 
S.  105),  welche  mit  dem  vorerwähnten  Hause  wahrscheinlich  nicht  identisch 
ist,  da  die  Rente  von  12  Denaren  in  der  Stadtrechnung  von  1349/50  nicht 
erwähnt  wird. 

*)  Laurent  S.  346,  Z.  32:  Item  heren  Peter  Hankart  van  sint  £«l«riaeB 
capelle  27  s. ;  S.  398,  Z.  39 :  Item  heren  Johan  Barba  van  sint  K« 
27  s.    Die  Bezeichnung  der  Emptänger  als  Herren  bewei«> 


98  H.  Loersch 

üeber  die  der  neuen  Kapelle  zugewandten  Güter  und  Ein- 
künfte macht  die  Stiftungsurkunde  genaue  Angaben,  auf  welche 
noch  nälier  eingegangen  werden  wird.  Im  Laufe  des  13.  imd  des 
14.  Jahrhunderts  wurde  das  Gebäude  selbst  wie  der  vor  seinem 
Eingang  liegende  Raum  häufig  als  Begräbnissplatz  in  Anspruch 
genommen^.  Weitere  Nachrichten  finden  sich  nicht.  Es  steht 
nur  fest,  dass  die  Katharinenkapelle  länger  als  alle  andern  am 
Parvisch  gelegenen  Kapellen  bestanden  hat.  Im  16.  und  17. 
Jalirhundert  sind  die  Umgebungen  des  Vorhofs  mehr  und  melir 
verfallen,  die  den  einzelnen  Oratorien  zustehenden  Einkünfte 
gingen  verloren,  eins  nach  dem  andern  wurde  zur  Ruine,  nament- 
lich der  Stadtbrand  von  1656  scheint  sie  stark  beschädigt  zu 
haben;  die  Stellen,  auf  welchen  sie  gestanden  hatten,  wurden 
als  Bauplätze  für  die  kleinen  Häuser  benutzt,  die  heute  noch 
den  Platz  begrenzen^.  Aber  erst  im  Jahre  1730  war  die 
Katharinenkapelle  so  bauföllig  geworden,  dass  sie  geschlossen, 
der  in  ihr  zu  haltende  Gottesdienst  an  den  Choraltar  des  Münsters 
verlegt  werden  musste.  Auf  den  mit  Erde  überschütteten  Mauer- 
resten wurde  später  ein  Garten  angelegt,  der  noch  unverändert 
erhalten  ist^ 

Das  ist  alles,  was  bis  jetzt  über  die  Katharinenkapelle 
ermittelt  werden  konnte.  Weit  dürftiger  noch  ist  die  Kunde 
von  der  Mehrzahl  der  andern  den  Vorhof  umgebenden  Kapellen, 
insbesondere  ist  für  keine  derselben  die  Dotationsurkunde  erhalten. 
Ueber  ihre  Gebäude  wie  über  ihre  Einkünfte  könnte  genauere 
Belehrung  erst  erwartet  werden,  wenn  endlich  einmal  aus  dem 


Stand.  Der  Posten  selbst  ist  unten  zn  besprechen.  Herr  Peter  Hankart 
kommt  auch  vor  m  der  Einnahme-R.  von  1391/92,  Laurent  S.  387,  Z.  3, 
ein  älterer  Hankart  (1346/47)  S.  171,  Z.  28. 

*)  Quix,  Necrologium,  zum  4.  April,  p.  20,  not.  6;  zum  12.  April,  p.  22, 
1.  19;  zum  13.  April,  p.  22,  1.  29;  zum  10.  Juni,  p.  35,  not.  2;  zum  21.  Juli, 
p.  42,  1.  3;  zum  1.  September,  p.  49,  1.  28;  zum  12.  oder  13.  September,  p.  51, 
not.  7;  zum  2.  November,  p.  61,  1.  3.  Es  sind  unzweifelhaft  Laien,  die  Eltern 
des  Johannes  Lisentredere,  welche  vor  der  Kapelle  ihre  Ruhestätte  gefunden 
haben  (21.  Juli  und  1.  September);  der  Sohn  hat  dem  Marienstift  bedeutende 
Schenkungen  gewidmet.  In  allen  übrigen  Fällen  dürfte  es  sich  um  Kleriker 
handeln,  die  in  der  Kapelle  bestattet  wurden. 

2)  Rhoen  a.  a.  0. 

^  Quix,  Historische  Beschreibung  der  Münsterkirche  S.  50.  Die  drei 
hier  erwähnten  aus  der  Kapelle  stammenden  Säulen  scheinen  spurlos  ver- 
schwunden zu  sein. 


Die  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  99 

immer  noch  reichhaltigen  Archiv  der  Mtinsterkirche  und  aus 
den  im  königlichen  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  aufbewahrten 
Theilen  des  vormaligen  Stiftsarchivs  ^  wenigstens  die  altem 
Zinsregister  und  sonstige  Verzeichnisse  in  systematischer  Weise 
veröffentlicht  würden.  Müssen  die  aus  der  Erschliessung  solcher 
Quellen  zu  gewinnenden  Aufschlüsse  vielleicht  noch  lange  ent- 
behrt werden,  so  wird  mit  um  so  grösserer  Freude  der  Nach- 
weis von  Nachrichten  begrüsst,  den  wir  der  fortschreitenden 
Durchforschung  und  Sichtung  unserer  grössern  deutschen  Hand- 
scliriftensammlungen  verdanken.  Sie  bringt  Kunde  über  Zeug- 
nisse, welche,  an  völlig  entlegener  Stelle  niedergelegt,  ohne 
besondem  Hinweis  wohl  kaum  jemals  hätten  verwerthet  werden 
können.  Ein  neuer  Fund  kommt  nun  gerade  wieder  der  Katha- 
rinenkapelle zu  Gute.  Dem  vorzüglichen  Verzeichniss,  welches 
Wilhelm  Schum  über  die  Amplonianische  Bibliothek  zu  Erfurt 
verfasst  hat*,  ist  es  zu  danken,  wenn  auf  den  hier  folgenden 
Seiten  eine  alte  Aufzählung  der  Einkünfte  dieser  Kapelle  besprochen 
und  veröffentlicht  werden  kann,  welche  die  Kenntniss  von  den 
Wandlungen  und  Schicksalen  ihrer  Dotation  wesentlich  bereichert. 
Das  kleine,  31  für  den  Druck  nummerirte  Absätze  umfassende 
Register  ist  nachträglich  auf  die  ursprünglich  leer  gebliebene 
Rückseite  von  Blatt  101  einer  Handschrift  der  eben  genannten 
Sammlung  gesetzt  worden  ^  Die  Handschrift  selbst  (Quart, 
Nr.  332),  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  angehörig  und  106 
Blätter  umfassend,  ist  in  England  geschrieben  und  hat  als 
ursprünglichen  Inhalt  drei  Stücke:  Guilelmi  Hentisberii  sophis- 
mata,  Tractatus  de  obligationibus  Cantabrigensium  sequens 
doctrinam  und  Fragmentum  sophismatis:   omne  verum  et  deum 


^)  Vgl.  II gen,  Rheinisches  Archiv,  Theil  I,  Der  Niederrhein  (Ergän- 
zungsheft II  der  Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst), 
S.  54  f.  Nach  gef&Uiger  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Forst  befinden  sich  in 
Düsseldorf  ausser  der  Dotationsurkunde  keine  die  KatharinenkapeUe  aus- 
schliesslich betreffenden  Archivalien.  Auch  in  den  Sammlungen  von  Quix 
und  Ritz  (erstere  in  der  königlichen  liibliothek  zu  Berlin,  letztere  im  Staats- 
archiv zu  Dttsseldorf)  findet  sich  nichts  Derartiges. 

«)  W.  Schum,  Beschreibendes  Verzeichniss  der  Araplonianischen  Hand- 
schriften-Sammlung zu  Erfurt,  Berlin  1887. 

»)  Für  das  freundliche  Entgegenkommen  des  Herrn  Bibliothekars 
Dr.  Auermannzu  Erfurt,  welches  mir  die  Benutzung  der  Handschrift  auf 
der  Bonner  Universitätsbibliothek  ermöglichte,  spreche  ich  anell 
Stelle  meinen  aufrichtigen  Dank  aus. 


100  H.  Loersch 

esse  difFerunt  ^  Aus  England  ist  sie  nach  Aachen  gekommen  und 
hier  hat  dann  ein  und  derselbe  Schreiber  gegen  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts mit  hässlicher,  oft  undeutlicher  Hand  theils  auf  den 
leeren  Stellen,  theils  auf  den  Rändern  der  Blätter  in  sehr  unregel- 
mässiger Form,  fast  immer  aber  mit  besonderer  Ueberschrift,  acht- 
undzwanzig Eintragungen  gemacht.  Die  meisten  davon  sind  latei- 
nische und  deutsche  Gedichte^;  ausser  diesen  finden  sich  noch 
verschiedene  Eezepte,  eine  bei  Disputationen  zu  verwendende 
Formel,  eine  Notiz  über  Preise,  auf  die  noch  zurückzukommen 
ist,  und  das  hier  vor  Allem  zu  berücksichtigende  Rentenver- 
zeichniss.  Erwägt  man,  dass  letzteres  zimächst  für  den  zum 
Genuss  dieser  Einkünfte  Berufenen  von  Bedeutung  war  und 
seine  Vorlage  auch  wohl  nur  einem  dem  Marienstift  angehörigen 
Geistlichen  zur  Verfügung  stand,  so  dürfte  die  Annahme  gerecht- 
fertigt erscheinen,  dass  es,  wie  alle  übrigen,  fast  jeden  freien 
Raum  der  Handschrift  bedeckenden  Notizen,  dem  zeitigen 
Kapellan  der  Katharinenkapelle  seine  Entstehung  verdankt.  Es 
ist  denn  auch  von  einem  unvollständig  gebliebenen  Hinweis  auf 
das  OfiFertorium  und  die  Chorpräsenz  des  Katharinentags  begleitet^, 
Blatt  101  und  105  der  Handschrift  bieten  eine  Kantilena  latinalis 
de  sancta  Katharina,  und  für  die  Beziehimgen  des  Schreibers 
zum  Aachener  Münster  spricht  die  Thatsache,  dass  auf  Blatt  105 
mit  der  dazu  gehörigen  Melodie  die  erste  Strophe  des  Weih- 
nachtslieds eingetragen  ist,  welches  der  älteste  Schöffe,  alter 
Sitte  gemäss,  in  der  Mitternachtsmesse  anzustimmen  hatte  ^. 

Die  Zeit,  um  welche  dasRentenverzeichniss  niedergeschrieben 
wurde,  lässt  sich  ziemlich  genau  bestimmen.  Auf  dem  zweiten 
Blatt  der  Handschrift  stehen  Angaben  über  den  Preis,  der 
in  Aachen  für  Pfeffer  und  andere  Gewürze  in  der  Fastenzeit 
der    Jahre    1391    und    1392    gezahlt    wurdet      Um    dieselbe 


*)  Genaue  Beschreibung  der  Handschrift  bei  Seh  um  a.  a.  0.  S.  566  flf. 

*)  Herr  Dr.  Nörrenberg  in  Marburg  wird  die  sehr  interessante  Samm- 
lung demnächst  veröffentlichen. 

»)  Vgl.  S.  134,  Anm.  a. 

*)  Vgl.  Hilgers  und  Pauls  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- 
vereins IV,  S.  149  ff. 

^)  Die  Notizen  beginnen  wie  folgt:  Anno  domini  mo  ccc^  Ixxxx  primo 
et  secundo  in  quadragesima  dabatur  Aquis  in  pagamento  Aquensi  loto  piperis 
pro  solido.   Schum  a.  a.  0.  hat  irrthümlich :   A.  D.  M»  CCC«  LXXXJo  primo 

et  secundo. 


Die  Katlmmeokapelli;  beim  Aiidn-utT  Müll,^u•r.  HU 

Zeit  etwa,  einige  Jahre  früher  oder  s|>äter,  ilürlU-  autli  das 
Veraeichniss,  das,  wie  ifesa^rt,  imzwt'ifelhafl  viui  demsilln'ii 
Schreiber  herrührt,  eintet rHjreii  wurden  sein.  Dit-scs  •ifl!.>i 
bietet  dann  vielleicht  einen  Anhalt  l'ili'  die  Hi-nliiuiiiinii;  dis 
Jahres,  vor  welchem  es  aufiiczeichnet  sein  uul^s,  in  AhsiUz  Hl. 
Hier  wird  nämlich  „Orieiitzen  hfly«  vor  dat  l'arvisch*  ^'t^inuuil. 
Eine  Urkunde  vom  \'2.  Dezend>er  litflH  lierichtet,  da»«  dinBüis 
unmittelbar  an  das  nnter  König  Kichard  erljaiite  llürgerhaiis 
anstossende  Haus,  oftenbar  nur  kurz  viir  ilereii  Aanatidliin^'-, 
von  Grund  aus  neu  errichtet  worden  int '.  Als  Krhiim-i' 
werden  der  bischer  Tills  (irienze  und  w'lii  Kidiiiti  llt-nklii. 
^nannt  Fischerclien,  liezoichnet  *,  ilier  In  einem  di-r  (illi-.-iin 
Tbeile  der  Stadt  kann  es  i^lidi  niizwii  fei  halt  iiirht  um  hihii  S'-ulmn 
auf  bisher  ^anz  uulieDiitzteni  Itoilcn  li;iiid<-hi.  In  d'-r  'l'ii.ii  v.iid 
dieses  Haus  auch  whon  im  Jahn-  i:i>»r»  i-rwiihnt.  K?  ii--ii',ii'- 
damals  dem  Heinrich  Hfu-uzf.  df-r  wgljl  di-r  Vitii-r  d- n  l-i*»- 
^enannten  Fi-^'-hers  Tlii>  tini-u/Ji  sfewi-M-n  M-in  wi-'l  .  K>  i.-'. 
somit  anzun^-liiiM-i].  drt>-  liftxt'-n-r  luit  H'ilt«-  'i<-:r  N  ii\vi>  ^' i -,v.; 
nur  sein  IwufyiÜ^f  l.'r-w^.rvii-rji-v  Hau»  dui'  !i  ri'j  f.  [■<■,■  ■  l:. 
ireräaniiirejvh  (.■^^etzt  Ijwt.  Wari^  'ia?  v.r  d'-r  Am:/,i  !■  !■'..  '^  <',■  > 
Rent^nrefi-lprf  j.'f>i'ii''lj''!i.  ^'J  wü-'i*-  ii>  'Jii-Miii  !.'.-i,^'.  w,  i- 
M^heiuliclL  da  der  ^'"rl.•i,t!;'  ^l•■h  ;.'li.-;i-i'>i!ii]  umn-  di-ii  A>.-.-i. 
de^  Schrei  Im  ■!>  vlh.n'ji-n  hnt.  fu-h  iWr  s<-\vi>  <ifi.-ii,v  <  I.-  /!ll^- 
I<flicLlii.'er  X'i','-ii;'-!i;liiuii'T  r'-iJi '.fi:'  v^i-iL'H  .-.  ii,.  Im  ii..>  '^■■'- 
zeiclmis>   na'-L    ü'-m   uht-u  (■<'^<-;''.*-ii   w.lil    ii^um   v,,r  d.ii-  h.id. 


VpL  2^1.-;, 

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Iw^    (,-«.r.. 

hant  tr&hrr'.'Leiuii. : 

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■ImiHlü':    \<zl 

Aatli-ue 
lUninu: 

I  V..r/^r   IJ. 

102  H.  Loersch 

der  achtziger  oder  dem  Anfange  der  neunziger  Jahre  des 
14.  Jahrhunderts  entstanden,  so  wird  seine  Entstehung  also 
doch  auch  nicht  nach  dem  Jahre  1398  "zu  setzen  sein.  Es  enthält 
übrigens  nichts,  was  mit  den  so  gewonnenen  Zeitgrenzen  in 
Widerspruch  stünde.  Der  Erzpriester  Johannes  von  Luchen, 
den  der  Absatz  6  nennt,  kommt  in  Urkunden  zuletzt  1336,  als 
Leibrentenempfänger  noch  in  der  Stadtrechnung  von  1338/39, 
nicht  mehr  aber  in  der  von  1344/45  vor*,  und  die  Erinnerung 
an  eine  grosse  Seuche,  welche  sich  in  der  Ueberschrift  eines 
Rezepts:  widder  dy  suygde  van  den  drusen,  as  dy  lüde  ze- 
moil  seir  storven  (Bl.  105  der  Handschrift)  ausprägt,  dürfte  sich 
auf  das  Sterben  des  Jahres  1349  beziehend 

Liegt  somit  in  dem  Verzeichniss  eine  Aufzeiclmung  etwa 
aus  den  letzten  zehn  bis  fünfzehn  Jahren  des  14.  Jahrhunderts 
vor  und  darf  ohne  Bedenken  vermuthet  werden,  dass  diese 
von  dem  Kapellan  der  Katharinenkapelle  herrührt,  so  ist  als 
Sclireiber  dieser  wie  der  übrigen  Eintragungen,  und  dann  wohl 
auch  als  Verfasser  eines  Theils  der  letztern,  einer  der  oben 
genannten  Geistlichen,  Peter  Hankart  oder  Johann  Barba  (Bart), 
wahrscheinlich  aber  der  letztere,  anzusehen*. 

IL 

Das  Register  gestattet  nun  zunächst  einen  in  vielen  Be- 
ziehungen lehrreichen  Vergleich  zwischen  den  Vermögensstücken 


*)  Vgl.  Qnix,  Hi8t.-topogr.  Beschreibung  von  Aachen  S.  68;  Geschichte 
der  Stadt  Aachen  II,  S.  82;  Laurent  a.  a.  0.  S.  114,  Z.  17  vgl.  mit  S.  139, 
Z.  25—30.  In  der  Ausg.-R.  von  1346/47  wird  noch  ein  ihm  zustehender 
Hauszins  angeführt,  Laurent  S.  171,  Z.  34,  was  aber  nicht  beweist,  dass 
er  noch  lebt.  Zum  4.  Januar  erwähnt  das  Nekrologium  mit  jüngerer  Hand 
eine  von  ihm  gethätigte  Stiftung  für  den  ersten  Donnerstag  jedes  Monats; 
vgl.  Quix,  Necrologium  p.  1,  1.  22.  Nach  der  beigefügten  Anmerkung 
kommt  er  schon  im  Jahre  1311  als  Pleban  vor.  Eine  von  ihm  persönlich 
gemachte,  auf  die  oben  genannte  Stiftung  bezügliche  Eintragung  aus  dem 
Jahre  1316  steht  im  Nekrologium  beim  31.  Mai;  vgl.  Quix  1.  c.  p.  33,  1.  12. 
Der  Tod  seiner  Mutter  wird  zum  22.  Januar,  der  seines  Vaters  zum  16.  Februar 
erwähnt;  die  Frau  des  Schöflfen  Gerhard  de  Luchene  zum  20.  April,  ein 
Gottschalk  de  Luggene  zum  6.  August:  Quix  1.  c.  p.  5,  1.  26,  p.  11,  1.  13, 
-    24,  1.  25,  p.  35,  1.  3.    Ueber   Gerhard  vgl.  das   Register  zu  Bd.  I— VII 

!eit«chrift  des  Aachener  Gesch ich ts Vereins.  Ein  Johann  de  Lugen  in 
von  1344/45,  Laurent  S.  139,  Z.  6,  S.  146,  Z.  2. 

)  Vgl.  Loersch,  Achener  Rechtsdenkmäler  S.  66  ff. 

S.  oben  S.  97,  Anm.  4. 


Die  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  103 

und  Einklinften,  welche  der  Kapelle  bei  ihrer  Gründun^^  gewid- 
met wurden,  und  dem  Bestand  dessen,  was  ihr  anderthalb  .fahr- 
hundert  später  gehörte.  Dieser  Vergleich  zeigt  ein  starkes 
Wachsen  der  Einkünfte,  dafür  aber  auch  eine  bedeutende  Ver- 
minderung des  Ginindbesitzes  ^ 

Die  erheblichste  Gabe,  welche  der  Dekan  Sibodo  seiner 
neuen  Stiftung  zugewendet  hatte,  war  die  in  seinem  Eigenthum 
stehende  Wolfsmühle  nebst  ihren  AV^iesen,  allem  Zubehör  und 
allen  Gerechtigkeiten*.  Unzweifelhaft  ist  hier  die  Mühle  gemeint, 
welche  am  Ende  des  schon  im  frühen  Mittelalter  mit  dem  Namen 
Soers  bezeichneten  AVeges,  in  der  heute  die  Wolfsfurth  genannten 
Thalenge  an  der  Wurm  liegt  imd  seit  dem  Anfang  dieses  Jahr- 
hunderts zur  Tuchfabrik  umgewandelt  ist  ^.  Von  ihr  weiss  aber 
das  Register  nichts  mehr  zu  melden;  Absatz  12  erwähnt  nur 
fünf  Morgen  sehr  guter  Wiesen,  welche  in  der  Soers  und  gegen 
diese  abfallend  liegen*.  Leider  ist  der  Text  dieses  Al)satzes 
durch  ein  undeutlich  geschriebenes  Wort  sehr  verdorben,  so  dass 
sich  die  Meinung  des  Schreibers  und  der  Zusammenhang,  in 
welchem  er,  offenbar  mit  Beziehung  auf  jeden  der  lünf  Morgen, 
die  Summe  von  zwei  Gulden  nennt,  nicht  feststellen  lässt.  An- 
scheinend will  er  über  eine  auf  Grund  sachverständigen  IJrtheils 
eingetretene  oder  mögliche  Vermehnmg  der  Einkünfte  aus  dies^Mi 
fünf  Morgen  oder  des  Werthes  derselben  berichten,  denn  bei 
den  zwei  Gulden  für  jeden  Morgen  kann  es  sich  nur  um  Ein- 
künfte oder  Wertherhöhung,  nicht  um  eine  Angabe  über  den 
ganzen  Werth  der  Grundstücke  handeln.  Weist  er  zum  S^hlu-s*,' 
auf  das  grosse  Unrecht  hin,  welches  dem  Rektor  der  Kai*elle 
dieser  Wiesen  wegen  seit  lan;/er  Zeit  zugeliifTt  worden  s^'i,  wj 


')  Qu  ix,  Historische  I^v^hrf-i^ui«^  (hr  Mnn-t^rkir'h^  >.  50  a.  K,  t-r- 
wähnt  ein  Haus  „auf  der  (Tenß-»traC'  aU  <I*rr  Kai»*-)!«-  u:*\i6tii£.  ,w.  1  h  «  aV-r 
bauföllig  für  400  Aachener  Thlr.  vt-rkauft  wunl**,  Ih*-**-',  Htu-  »'h^u.t  am 
Schlüsse  Ton  Abs.  25  schon  (genannt  zn  -^in :  lei'l'-r  Ut  'l*rr  T*ixt  4<-«  K'-^i^tr^ 
an  dieser  Stelle  unverständlich. 

«)  Vgl.  S.  135,  Anm.  6  zu  Ah*,  \t. 

^)  Vgl.  Haagen,  Geschieht'?  A  K*-»-  ff.  -i.  ♦*;*  T»id  '»IK.  An  «l'-n  N^r.'.' n 
erinnern  auch  die  in  derselben  GejrTid  V'^'j^-iA^n  H  ♦'-  i^'t^r^r  \uA  nt.^^'r- r 
Wolf  (Stadtkr.  Aachen)  und  Wol f  ( La jA r.  r,  A -i -  h <  n.  Ji;." » r  Ba r '1 «- j.  V  rj*.  J  •* 
Urkunde  von  1200  bei  Ritz  a.  a.  O.  J.  L  ».  S^Ji  t,  H;fd  *j'-r  M .;,,  ;.  *-' 1 
Wiesen  in  loco,  qui  dicitur  Wolv»'«»m';)  n,  v^-r"  ;rt. 

*)  Vgl.  S.  135,  Abs.  12  und  di^  da/'j  ;"  *    r,;^- u  ,'.;,'  *f*    •  :"•. 


104  H.  Loerscli 

stimmt  dies  auch  zu  dem,  was  der  Vergleich  mit  der  Stiftungs- 
urkunde lehrt,  dass  nämlich  die  Wolfsmühle  und  wohl  noch 
andere  zu  ihr  gehörige  Grundstücke  im  Laufe  des  13.  und  14. 
Jahrhunderts  der  Kapelle  entfremdet  worden  sind.  Die  fünf 
Morgen  Wiesen  verblieben  ihr  dann  aber,  wie  eine  von  Quix 
gegebene  Nachricht  zeigt  ^,  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts. 
Eine  Aenderung  und  offenbar  auch  eine  Verminderung  er- 
gibt sich  bei  den  Einkünften,  welche  Sibodo  seiner  Stiftung  in 
Richterich  zugewiesen  hatte.  Die  Urkunde  von  1235  überträgt 
derselben  in  diesem  Dorfe  jährlich  neun  Denare  und  zehn  Ka- 
paune, ausserdem  die  Kurmeden  und  andere  Hebungen  aus  zwei 
Hofstätten^.  Absatz  23  des  Verzeichnisses  lässt  nun  von  dem 
grossen,  beim  Kirchhof  gelegenen  Hofe  zehn  Kapaune,  zwanzig 
Denare  und  eine  Kurmede  entrichten.  Dass  hier  nur  ein  Gut, 
welches  unzweifelhaft  seinen  Namen  im  Gegensatz  zu  einem 
andern  erhalten  hat,  und  nur  eine  Kurmede  genannt  wird, 
zeigt  aufs  Deutlichste,  dass  eine  der  beiden  „aree"  sich  im 
Laufe  der  Zeit  ihren  Verpflichtungen  zu  entziehen  gewusst 
hat;  es  dürfte  dies  wohl  ein  als  „der  kleine"  bezeichneter  Hof 
gewesen  sein,  dessen  Leistungen  wahrscheinlich  die  geringern 
waren.  Die  Zahl  der  aus  Richterich  einkommenden  Kapaune 
ist  denn  auch  dieselbe  geblieben,  und  wenn  den  neun  Pfennigen 
der  Stiftungsurkunde  nunmehr  zwanzig  gegenüber  stehen,  so 
stecken  in  dieser  letztern  Summe  die  „aliae  obventiones"  und 
„alia  iura",  welche  vielleicht  im  Laufe  der  Zeit  erst  eine  Fixirung 
oder  auch  eine  Umwandlung  in  Geld  erfahren  haben.  Von  beson- 
derm  Interesse  ist  der  Schluss  des  Absatzes.  Der  Sclu'eiber 
bemerkt  hier,  unzweifelhaft  aus  eigener  Kenntniss,  der  augen- 
blickliche Inhaber  des  Hofes  würde  gern  statt  der  Kurmede 
jährlich  zwei  alte  Groschen  entrichten.  Dieser  wünscht  also,  die 
zuiallige,  bekanntlich  beim  Wechsel  des  Besitzers  oder  beim 
Wechsel  des  Verleihers  des  Gutes,  vielfach  auch  in  beiden  Fällen, 
eintretende,  aus  dem  Besthaupt  hervorgegangene  Abgabe  durch 
eine  bestimmte,  feststehende  jährliche  Leistung  zu  ersetzen. 
Die  laufenden  Abgaben  vom  Gute  sollen  massig  erhöht  werden, 
um  die  zwar  seltene,   aber  wirthschaftlich  drückende,   weil  in 


*)  Quix,  Historische  Beschreibung  der  Mtinsterkirche  S.  50  a.  E.:  ,,deren 
Reuten  bestanden  in  einer  an  der  Worm  gelegenen  Wiese  von  fünf  Morgen". 

*)  Vgl.  S.  137,  Absatz  23  und  die  dazu  gehörigen  Anmerkungen. 


unbestimint^ii  Zvi><-Lt*nr«iiTi}oii  vioi^rrkc-LrvnrJo  nr.ä  hr\  i)om  »ii;v,h 
Todesfall  hfii*eiirt*ftiLTi'rn  Wf^lisfl  <ii-^  UoN'iyns  (i^piv-^'^t  !;^\^- 
queme  PrastÄtir«!  zu  l»t'SriTiirrn,  lX"^r  Inlijs^K-v  (^t-^s  Hoios  Ivkin-ii^oi 
durch  seinen  V^'»r>i-Wa;r,  der  ihm  p<TS'*r.]ioli  k,*iuin  iiüt7on,  W1^^1 
aber  seinen  Eriken  zu  Gute  kmnuen  kt>nnte,  riebt iwi^s  Notsu^n^r 
niss  der  wirthschaftlichen  VcrhÄltnisM\  um  m>  «u^ln\  tiK  ^lov 
Ersatz  der  Kumiede  dnn-h  eine  jährliche  (u^hJrt!^\0>e  nur  noKoi^ 
in  den  Abmachungen  über  jreliehene  i^ütor  voi>ivko^nnuM^  soin 
wird^ 

Die  Katharinenkapelle  hatte  bei  <Ut  itrrtndnn^i*  iiIm  «Irillou 
Bestandtheil  ihres  Vermösrens  gewisse  KinkllnniMM^hulton,  woloho 
sie  nur  indirekt  ihrem  Stifter  venhinkto.  Diosor  berirlMol  in 
der  oft  erwähnten  Urkunde,  dass  (Um*  Propst  «Ion  MurionwIinN 
—  gemeint  ist  Propst  Otto,  dessen  Siegel  jinrh  «loni  SlllhinüH 
brief  angehängt  ist  —  ihr  den  UeberscIiUHH  von  OenilliMi  /m^:p- 
wiesen  habe,  welche  in  Meerssen  zu  entrichten  Helen.  Die  K^poll«» 
soll  das  erhalten,  was  von  fllnf  Mark,  die  fllr  KngiMrMJninn  ifo- 
zahlt  werden,  und  von  drei  Mark,  die  der  l'ropHt  i\r\u  Knpllel 
zum  Fest  des  h.  Leo  und  zu  Anniversarien  verinaclii  ImiI,  DlMit^ 
bleibte  Mit  diesen  Einkünften  hat  es  nun  fol^^ende  H<'WMndf- 
niss.  Seit  den  Tagen  König  J^otharn  FF.  benaHH  da«  Marl'MmflH 
zu  Meerssen  die  Xona  der  dortigen  köni^rliclifn  Villa  ^  dieR*«  ^^Ih«?* 
war  aber  im  Laufe  der  Zeit  an  die  Abtei  Ht,  UctiUirUtn  zn  iU'\m< 
gelangt ^  Langjahrifre  Strejtitrkeiten  lib^T  d^'n  }U'irfii/^  d'-^-^^n. 
was  der  Verwalter  <prej>/;.-iUi?»;  der  abf^ili'h^n  ^/liter  w^^/'  rr 
der  Nona  an  das  Ifarien-fifr  zri  fhtrifhU'u  h^^r*\  wor^Wo  im 
Februar  1228  dur'^h  ^;;.^n  V^ri.'I^'irh  i^'^'^^hürh^-f,  fU-r  f\>\^^\'>*-yi 


vgl  daj*.  s.  ii^-i    ::-ri.  :2:r, 

Limburg  d^  K.in.ii:**'<:ia   (.•»•    '  ,.rf*o''M'iif*v  .ii*    "  n    if  «^.^- i-',r. 

Unt€rtkih«»tL     fj'P    '    t'j*."     .1».',     ,,■    n    ,<.'-<''i      "»     fj'-     ^   '-•*    .-' .     *.  n    '     .-i     ■* 

dab^r  harr«*  .jfm    ^v-:-. ;    uj     ,-/t».,-i     >'-    '*''   '''"''  -*-••»•"'     t^' 


-.    -t    -    •• 


106  H.  Loersch 

auf  zehn  Mark  Lütticher  Währung,  die  Mark  zu  zwanzig  Lüt- 
ticher  Schillingen  gerechnet,  festsetzte  ^  Von  diesen  zehn  Mark 
sind  dann  offenbar  fünf,  wahrscheinlich  mit  Rücksicht  auf  die 
ursprüngliche  Herkunft  der  Meerssener  Einkünfte,  einem  Fonds 
zugewiesen  worden,  in  welchen  die  als  Ablösung  von  Enger- 
fahrten gezahlten  Gelder  *  wohl  überhaupt  flössen,  während  der 
Propst  Otto,  unter  dem  der  Vergleich  zu  Stande  gekommen  war, 
die  Vertheilung  von  drei  weitem  Mark  an  die  Mitglieder  des 
Stifts  für  drei  bestimmte  Tage  letztwillig  festsetzte  ^.  Es  berech- 
net sich  somit  der  für  die  Katharinenkapelle  frei  bleibende  Antlieil 
auf  zwei  Mark.  In  der  That  wird  denn  auch  in  einem  Zins- 
rogister  der  Kellnerei  des  Marienstifts  von  1320  der  aus  Meerssen 
einkommende  Betrag  auf  zehn  Mark  oder  mehr,  die  Mark  zu 
vierzig  alten  Groschen  von  Tours  gerechnet,  angegeben  und 
ausdrücklich  erklärt,  dass  davon  zwei  Mark  an  den  Kapellan 
der  Katharinenkapelle  abzuliefern  seien  ^.  Damit  stimmt  dann 
wiederum  Absatz  21  des  Registers,  der  die  Gewährung  des  der 
Kapelle  zukommenden  Antheils  aus  der  Verwaltung  der  allge- 
meinen Einkünfte  des  Stiftes  ^  ausdrücklich  betont,  den  Antheil 
selbst  aber  selbständig  und  eigenthümlich  berechnet.  Er  soll 
nämlich  bestehen  aus  dem  fünften  Theil  von  dreiunddreissig 
Gulden  und  vier  Groschen.   Diese  Art  und  Weise,  die  Einkünfte 


')  Die  Urkunde  bei  Qu  ix,  Codex  dipl.  Aquensis  p.  106,  no.  150.  Der 
Verwalter  zu  Meerssen  wird  von  Qu  ix  1.  c.  p.  251,  no.  165  und  von 
Lacomblet,  Urkundenbuch  I,  S.  39,  Anm.  3  fälschlich  als  Propst  bezeichnet. 
Das  Jahr  1227  am  Schluss  der  Urkunde  ist  mit  Rücksicht  auf  den  Jahres- 
anfang in  1228  umzuwandeln. 

*)  Ueber  die  Entwickelung  dieser  Abgabe  vgl.  Lamprecht  a.  a.  0.  I, 
S.  816  f. 

^)  So  dürfte  das  Wort  „legatis"  zu  verstehen  sein.  An  eine  Zuwen- 
dung aus  dem  persönlichen  Vermögen  des  Propstes  ist  mit  Rücksicht  auf  das 
Ergebniss  der  Berechnung  nicht  zu  denken.  Eine  Urkunde,  welche  diese 
Bestimmungen  enthielte,  ist  bis  jetzt  nicht  bekannt  geworden;  auch  das 
Xekrologium  bietet  keine  Nachricht 

*)  Vgl.  S.  136  Anm.  6  zu  Abs.  21. 

^)  Die  Kellnerei  ist  die  Centralverwaltung  des  dem  gesammten  8tift 
zustehenden  Vermögens,  von  ihr  geht  die  Vertheilung  der  hier  zusammen- 
fliessenden  Einkünfte  aus.  Ihr  Haupt  war  der  celerarius  dominorum.  Auf 
ihn  war  auch  die  Katharinenkapelle  angewiesen  vermöge  einer  Zuwendung 
des  Plebans  von  Luchen ;  vgl.  Abs.  6,  unten  S.  1 34.  Akten  der  Kellnerei  seit 
1320,  Rechnungen  seit  1585  im  kgl.  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  vgl.  Ilgen 
a.  a.  0.  S.  55. 


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dass  der  Golden  im  Reai^»-a'":r'.fii:')'i.'>w  '.u  ',\\^^U  vi'o,a  li.  a  ^v 'v  i 
net  Lst  mwi  «iasü?  «leoL'iiirii  z>fcvi  >lvt»'k.  v»Uvr  .t^'i- -j,;  j''s'  v^'v*    '*  'i 
von  Tours  hier  sechs  OaMeu  u^ut  vwhl  viuKM'NoH  vtu  »'*»  t-  ^t*  '^     \  ^'^ 
Umschreibunsr  mit   Grv>>chen   AkhI   uuvl    luii   VaiKlsu    hiv^    \\u  ^ 
deshalb  vorgenommen,     weil   dio   hüuuhov    Muk^    ^m   i.wiuu 
Schillingen  unzweifelhaft   iHnleutoiul  molu   woOl^    w^u.    -^l-   \\\\ 
Aachener  Mark;  das  A'eriulltniss  K^MUMh^^  6\\  \\s\\\A,\y\\  \\\\\\  yww 
Werthbestimmung  zu  vcrsuchiMi,  du/.ii  n^i«  Immi  ilin  VMtli>uuli  mmi 
Vorarbeiten  nicht  aus^ 

Das,  was  die  Katliarinonkupolln  \u^i  \U\t'i   'ililjiitü^  iiM  I  In 
künften  empfangen  hatte,  int  iiarli  rh'm  JhIim*   I-'I'»  \h  h  1/ Iimh 
Masse   seitens   der   Aaf:h<»n<*r    MnrK<''>^  Ij'»'^^    ^mmmIiH     "'^pIu* 
rmfang,   We«en    und    Herkunft    iUtj^Ji    Kt-m,*  itnnr,/    1'J    '    /|  * 
Verzeiclmi>'i  dfr'i^ü' i,  ^-rk^-of,"/*,   htU/jt..'^  uh  h*    .  i  f,.--,*  h'*  i  /  ,/ 
zwölf  Mark.  T\  i  ^  :  /'  7""*  >*  A  *l"  i  l'f* '  --  /* '-  t. .-  /  '. 
jährlirL   vi   At    -^-r    t\<.'^'\    /,'*/•     '       ,'/•/ 
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108  H.  Loersch 

von  Wiesen  und  einem  Teich  ^,  endlich  zwei  Kapaune,  die  als 
besondere  im  14.  Jahrhundert  längst  in  Geld  umgewandelte 
Abgabe  von  einem  Hause  in  der  Bendelstrasse  noch  neben  dem 
Zins  von  drei  Schilling  entrichtet  werden^.  Die  Termine  der 
Zahlung  sind  die  im  ganzen  Mittelalter  allgemein  und  auch  in 
Aachen  üblichen,  neben  den  beweglichen:  Fastnacht,  Laetare 
und  Ostern,  die  unbeweglicUen :  Mariae  Reinigung  (Februar  2), 
Geburt  des  h.  Johann  Baptist  (Juni  24),  Mariae  Himmelfahrt 
(August  15),  Eemigius  (Oktober  1),  AVeihnachten  (Dezember  25); 
dazu  kommt  das  besondere  Aachener  Fest  der  zweiten  AVeihe 
der  Münsterkirche,  die  magna  dedicatio  Aquensis^  am  17.  Juli, 
sowie  ein  nicht  näher  bezeichnetes  und  auch  aus  andern  Zeug- 
nissen nicht  naclizuweisendes  Fest  der  domus  spiritus^. 

Zu  beachten  ist,  dass  in  sehr  vielen  Fällen  der  Zahlungs- 
tag verschoben  worden  ist,  insbesondere  sind  sämmtliche  unter 
der  Rubrik  des  Remigiustags  verzeichnete  Zinse  jedesmal  aus- 
drücklich als  zu  Weihnachten  fällig  bezeichnet^,  welches  Fest 
dadurch  geradezu  als  der  Haupttermin  erscheint.  Das  Verzeich- 
niss  führt  nur  längst  bekannte  Strassennamen  und  zwar  meist 
aus  den  ältesten  Theilen  der  Stadt  an;  sie  mögen  hier  folgen, 
unter  Angabe  der  Absätze,  in  welchen  sie  vorkommen :  Adalberts- 
berg  (29),  Bendelstrasse  (19),  Gängstrasse  (25),  auf  dem  Hof 
(9,  10,  11,  18),  Jakobstrasse  (?  15),  Kockerellstrasse  (14),  Küh- 
gasse (3),  vor  dem  Parvisch  (16,  24),  Peterstrasse  (17),  Pont- 
strasse  (18),  die  Reihgasse,  welche  jedoch  eigentlich  nur  als 
Theil  des  Wirichsbongards  genannt  wird  (1),  Scherpstrasse  (31) 
und  Trichtergasse  (26).  In  fast  allen  diesen  Strassen  wird  nur 
ein  Haus  als  zinspflichtig  genannt,  es  finden  sich  deren  aber 
zwei  am  spätem  Fischmarkt,    sogar  vier  am  Hof.    Von   den 


0  Abs.  25. 

*)  Abs.  19.  Ueber  die  Kapaune  als  Abgabe  vgl.  Loersch  in  Anualen 
des  historischen  Vereins  für  den  Niederrhein  XXI,  S.  255. 

•'')  Vgl.  Laurent,  Aachener  Stadtrechnungen,  Register  S.  432. 

*)  Abs.  25,  dessen  Text  unzweifelhaft  fehlerhaft  ist.  Domus  sancti 
Spiritus  ist  die  stehende  Bezeichnung  für  das  Spital  zum  heiligen  Geist,  das 
aber  in  der  Nähe  des  Chores  der  Münsterkirche  lag.  Wie  hier  die  Gäng- 
strasse in  Verbindung  mit  demselben  gebracht  worden,  ist  völlig  unklar. 
Vgl.  auch  oben  S.  103,  Anm.  1.  Ueber  viele  andere  in  Aachen  übliche  Ter- 
mine vgl.  Loersch  in  Annalen  a.  a.  0. 

^)  Vgl.  Abs.  13-24. 


Die  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  109 

Thoren  wird  das  Burtscheider,  anscheinend  das  äussere,  in 
Abs.  2,  das  innere  Burtscheider  ausdrücklich  in  Abs.  4,  das 
Xeuthor  in  Abs.  25  erwähnt.  Das  am  Salvatorberg,  also  vor 
der  Stadt,  gelegene  Haus  des  Schafliirten  nennt  Abs.  22;  im 
14.  Jalirhundert  hat  die  Bürgerschaft  sicherlich  noch  eine  selir 
stattliche  Schafherde  auf  die  Gemeindeweide  geschickt. 

m. 

Bietet  schon  eine  zusammenfassende  Betrachtung  des  Renten- 
verzeichnisses nicht  nur  einen  wünschenswerthen  Einblick  in  die 
Vermögenslage  der  Katharinenkapelle,  scmdern  auch  gewisse 
allgemeinere  Daten,  welche  füi*  die  Kenntniss  namentlich  der 
wirthschaftlichen  Verhältnisse  Aachens  im  14.  Jalirhundert  nicht 
belanglos  sind,  so  ist  das  Ergebniss  ungleich  bedeutender,  wenn 
die  Angaben  einzelner  Absätze  genauer  geprüft  werden.  Die 
Topographie  der  Stadt  insbesondere,  dann  aber  auch  gewisse 
kirchliche  Verhältnisse,  die  Geschichte  einzelner  Familien  erfahren 
eine  nicht  zu  unterschätzende  Beleuchtung.  Zunächst  mögen 
einige  für  die  Kunde  von  gewissen  Oertlichkeiten  und  Gebäuden 
wichtige  Stellen  ins  Auge  gefasst  werden. 

1. 

Absatz  25  des  Verzeichnisses  bestimmt  die  I.age  mehrerer 
AViesen  und  eines  Teiches  mit  den  Worten :  ,,iuxta  domicellorum 
cimiterium*'.  Es  ist  das  erste  Mal,  dass  diese  Ortsbezeichnung 
sich  in  lateinischer  Sprache  für  Aachen  urkundlich  nachweisen 
lässt;  ihre  im  Munde  des  Volkes  lebende  deutsche  Form  ist 
durch  eine  Urkunde  vom  21.  Januar  148G  überliefert,  welche 
zugleich  die  Angabe  enthält,  dass  der  Junkerskirchhof  vor  dem 
Juncheitsthor  lag^,  das  bekanntlich  auch  Junkersthor  genannt 
wurde  *.    In  der  That  liegt  vor  diesem  Thore  der  AVeiher,  den 


>)  Vgl  Quix,  Geschichte  der  St  Petcr-Plarrkirche  S.  137,  Nr.  18: 
erfftzens  an  9  morgen  ackerlaml'*  buyjisen  die  Jondieitportze  an  den  Joncheren 
kircho£f  gelegen. 

»)  Das  Thor  wird  in  den  Stadtrechnuntren  d*^s  14.  Jahrhundert.s  zufUllijrer 
Weise  gar  nicht  genannt,  aln  Junkerr^thor  erK-heiiit  vs  in  dem  durch  Pick 
veröffentlichten  Bericht  über  die  amtliche  Besichtit^ung  der  Stadtmauer  auK 
der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts;  vgl.  Ztit^hrift  d^-t*  Atuhcmr  (Jeschichts- 
verein»  VII,  S.  288.  Dem  Thor,  welches  die  AmuM  incur,  d«^H  eaux  d'Aix- 
la-Chapelle  als  porte  de  la  noble^M^  jx^rte  des  doM.  ^  b»  zeirhu*-«,    int,  wie  so 


110  H,  Loersch 

Absatz  25  erwähnt.  Ergibt  sich  ohne  Schwierigkeit  die  Gegend, 
in  welcher  jene  Oertlichkeit  zu  suchen  ist,  so  bleibt  doch  immer 
noch  die  Bedeutung  des  eigenthümlichen  für  sie  gebrauchten 
Namens  festzustellen.  Offenbar  handelt  es  sich  hier  nicht  um 
eine  Begräbnissstätte  im  gewöiinlichen  Sinne  des  Wortes.  Iin  14. 
Jahrhundert  fanden  die  besseni  Stände  in  den  zahlreichen  Kirchen 
und  Kapellen,  die  geringern  Leute  auf  den  diese  umgebenden 
Plätzen  ihre  Gräber;  keine  Nachricht  aus  jener  Zeit  weist  auf 
einen  wirklichen  vor  der  Stadt  liegenden  Kirchhof  hin.  Zur  Er- 
mittelungder  Bestimmung  des  Aachener  „cimiteriumdomicelloi-um" 
dient  aber  nun  vor  Allem  der  Hinweis  auf  die  Thntsache,  das» 
der  gleiche  Name  in  deutscher  wie  in  lateinischer  Form  um 
dieselbe  Zeit  in  Köln,  in  deutscher  Form  zu  Anfang  des  Ki.  Jahr- 
hunderts in  Dortmund  vorkommt.  An  beiden  Orten  bezeichnet 
er  eine  ausserhalb  der  Stadt,  in  Köln  vor  dem  Weyerthor,  in 
der  „die  Kesselkaul"  genannten  Feldflur ',  in  Dortmund  vor  dem 
We8t«rthor*,  liegende  Richtstfttte.  Und  zwar  unzweifelhaft 
weder  dort  noch  hier  auf  Grund  einer  für  diese  Benennung 
massgebenden  sachlichen  oder  persönlichen  Beziehung,  welche 
mit  dem  Worte  „Junker"  in  seiner  gewöhnlichen  Bedeutung 
etwas  zu  thun  hätte,  sondern  weil  Richtstätten  überhaupt  so 
genannt  wurden.  Dies  wiederum  kann  nur  deshalb  geschehen 
sein,  weil  man  den  Uebeltliäter,  den  Verbrecher  wohl  mit  bittemi 
TT.i.^  ._;..,.;_!..  ..__,  ^.pgß„  Jpg  jm  Verbrechen  liegenden  frevel- 
Is  „Junker"  bezeichnetet 

i.iseu,  ganz  überflüssiger  Wei»e  sein  geflchichtliuh 
übt  worden,  um  <lie  DicbtKsagende  Bezeicboang 
cn  setzen. 

Tischen  Vereins  für  den  Niederrhein  XIX,  S.  a27, 
:,  Munätsscbrift  IV,  S.  11»  ff.;  Mäblbauni,  Das 
II,  S.  111.  In  letztenn  Werke  verlegt  das  Hegistcr 
:bbuf  irrtbümliuh  an  die  Severinsatrssau  und  wirft 
m  Elendigen  Kiiehbüf  zusammen,  wovor  subon  bei 

nsen  zur  Cbronik  des  Dietrich  Westhoff  mitge- 
Berliner  Handscbrift  in  Chroniken  der  deutlichen 

I,  S.  3S7,  Anm.  l. 

len  die  Ton  Enuen,  Oesrhiubte  der  Stadt  Küln  IIl, 
.^eiisscning  eines  Schöffen  aus  dem  Jahre  14^7; 
seine  Junkersehaft  also  zum  Hohne  dea  Rechtes 

Niemand  y.n  seinem  Rechte  gelangen,  und  darum 


Die  Eatharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  111 

In  der  That  ist  nun  auch  in  Aachen  eine  vor  dem  Junkersthor 
liegende  Heide  als  ßichtstätte  und  zugleich  als  Begräbnissort  der 
Gerichteten  benutzt  worden.  Hier  empfingen  Auswärtige,  die  in 
gewissen  Fällen  der  Kriminalgerichtsbarkeit  von  Bürgermeister 
und  Rath  unterworfen  waren,  ihre  Strafe.  Gehört  das  Zeugniss, 
welches  dies  bekundet,  der  bekannte  Vertrag  zwischen  Pfalz- 
Neuburg  und  Aachen  aus  dem  Jalire  1660,  auch  einer  verhält- 
nissmässig  späten  Zeit  an^,  so  wird  doch  Hinrichtung  und 
Bestattung  des  Albert  Münster,  eines  wegen  zweier  Mordthaten 
verfolgten  Prädikanten,  an  derselben  Stelle  zum  Jahre  1524 
berichtet^,  und  bei  der  Unwandelbarkeit  solcher  Dinge  in 
frühem  Zeiten  ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  dass  dieser  Platz 
schon  im  Mittelalter  zu  Hinrichtungen  und  zum  Begraben  der 
Hingerichteten  benutzt  worden  ist.  Es  kann  auch  kein  Bedenken 
erregen,  wenn  der  erwähnte  Vertrag  sowohl  wie  die  Aachener 
Schriftsteller  des  17.  Jahrhunderts  die  Heide,  welche,  was  wir 
durch  Noppius  erfahren,  auch  die  Pferdsheide  genannt  wurde, 
vor   Jakobsthor   verlegen.     Letzteres   liegt   bekanntlich   dicht 


sei  der  Junkerkirchhof  also  genannt,  weil  man  solche  Junker  dahin  zu  schicken 
pflege**.  Die  Wörterbücher  enthalten  freilich  kein  Zeujafnis)«  für  diese  Bedeutung 
des  Wortes  Junker.  —  Der  Gedanke,  dass  für  die  Bildung  des  Namens  die 
Person  dessen  massgebend  gewesen,  der  diesen  Kirchhof  mit  Leichen  ver- 
sorgt, dass  der  Henker  als  Junker  bezeichnet  worden  sei,  findet  keine  Unter- 
stützung in  den  Wörterbüchern  und  muss  schon  deshalb  aufgegeben  werden, 
weil  die  deutsche  wie  die  lateinische  Form  das  Wort  Junker  in  der  Mehr- 
zahl enthält. 

*)  Vertrag  zwischen  Pfalz-Neuburg  und  Aachen  vom  28.  April  1660, 
Art.  28  bei  Moser  ReichsstÄttisches  Magazin  Th.  I,  S.  172:  soUen  .  .  .  die 
frembden  aber  in  obgemelten  dreyen  fällen,  außerhalb  der  Statt  Aachen,*  für 
St.  Jacobs  Pfortz  auif  der  Heyden  Ihre  verschuldte  Straeff  empfangen.  Vgl. 
hierzu  Loersch  in  Picks  Monatsschrift  V,  S.  560  f.  (wodurch  ein  Versehen 
im  Text  zweimal  die  Jahreszahl  1666  angegeben  ist);  Qu  ix,  Hist.-topogr. 
Beschreibung  S.  190,  Nr.  45;  Oppenhoff  in  der  Zeitschrift  des  Aachener 
Geschichtsvereins  VI,  S.  47,  Anm.  18. 

*)  Petri  a  Beeck  Aquisgranum  p.  257:  magistratus  scntentiam  capitis 
in  reum  pronuntiavit,  cuius  et  damnatus  est  subditis  gladio  cervicibus  tra- 
ditoque  corpore  terrae  eodem  loco  nempe  ante  portam  d.  Jacobo  sacram. 
Noppius,  Aacher  Chronick  (1632)  Th.  I,  S.  174:  darüber  wird  die  Sententz 
deß  Todts  vber  jhn  außgesprochen,  und  er  mit  dem  Schwerd  hingerichtet, 
und  begraben  ausserthalb  S.  Jacobs  Pfort  neben  der  gemeiner  Strassen  auft* 
der  Pferds-Heyden.  Vgl.  Meyer,  Aachensche  (xeschichten  I,  S.  445;  Haagen, 
(beschichte  Achens  II,  S.  132. 


112  H.  Loersch 

neben  dem  Junkersthor,  und  der  Kichtplatz  befand  sich,  wie  die 
Erwähnung  des  Weihers  im  ßentenverzeichniss  beweist,  auf 
der  linken  Seite  der  aus  dem  Junkersthor,  somit  auf  der  rechten 
der  aus  dem  Jakobsthor  lierausführenden  Strasse.  Walirschein- 
lich  war  er  von  dieser  aus  leichter  zu  erreichen  und  das  wird 
die  wohl  als  jüngere  anzusehende  Form  der  Ortsbestimmung 
veranlasst  haben. 

Die  Ermittelimg  der  Lage  und  Bedeutung  des  „cimiterium 
domicellorum^  verbreitetnun  auch  wünschens  werthes  Licht  über 
Entstehung  und  Wesen  eines  andern  in  den  Aachener  mittel- 
alterlichen Quellen  nicht  selten  gebrauchten  Wortes.  Der  in 
so  eigenthümlicher  Weise  bezeichnete  Rieht-  und  Begräbniss- 
platz hat  nämlich  offenbar  seiner  nähern  Umgebung  den  Namen 
gegeben  und  deshalb  heissen  die  vor  dem  Junkers-  und 
dem  Jakobsthor  zwischen  den  nach  Vaels  und  nach  Lüttich 
führenden  Strassen  gelegenen  Felder  und  Wiesen,  auf  denen 
sich  eine  Mühle  und  ein  alter  befestigter  Wohnsitz  befand,  in 
manchen  Urkunden  des  14.  Jahrhunderts  „die  Juncheit**.  Denn 
dieses  Wort,  welches  genau  wie  viele  andere  auf  heit  endigende 
gebildet  ist,  bedeutet  offenbar:  das,  was  zu  den  Junkern  in 
Beziehung  steht,  was  zu  den  Junkern  gehört.  Die  Juncheit 
ist  eben  das  an  den  Junkerskirchhof  anstossende  Gebiet.  Daher 
wird  das  Junkersthor  mehrfach  Juncheitsthor  genannt.  Von 
der  Juncheit  führte  dann  wieder  eine  adelige  Familie,  deren 
Mitglieder  im  14.  Jahrhundert  auftreten,  und  welche  etwa  bis 
zur  Mitte  dieses  Jahrhunderts  im  Besitze  des  oben  erwähnten 
Wohnsitzes  war,  den  Namen  ^    Ob  diese  Familie  in  Beziehung 

')  Die  urkundlichen  Nachrichten  über  die  Juncheit  sind  zusammengesteUt 
bei  Quix,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Aachen  II,  S.  51—55  und 
Geschichte  der  Stadt  Aachen  II,  S.  72  f.,  sowie  Hist.-topogr.  Beschreibung 
S.  72.  Er  sagt  an  den  beiden  ersten  Stellen,  jedoch  ohne  jeden  Nachweis: 
und  in  einer  Urkunde  kommt  gar  „Juncheits-Kirchhof"  vor.  Drei  der  hier 
von  ihm  erwähnten  Urkunden  sind  später  veröffentlicht.  Vgl.  Quix,  Die 
Pfarre  zum  h.  Kreuz  S.  42  (1322,  Februar  10);  Codex  dipl.  Aquensis  p.  230, 
no.  331  (1340,  September  1);  Geschichte  der  ehem.  Abtei  Burtscheid  S.  426, 
Nr.  184  (1364,  Oktober  1);  Hennes,  Cod.  dipl.  ordinis  sanctae  Mariae 
Theutonicorum  II,  p.  353,  no.  410,  p.  888,  no.  449.  Vgl.  auch  Haagen, 
Geschichte  Achens  I,  S.  235,  Anm.  1,  S.  256  f.;  die  hier  vorgeschlagene 
Ableitung  des  Wortes  Juncheit  vom  lateinischen  iuncus  ist  selbstverständ- 
lich verfehlt.  Es  kommt  zuerst  vor  in  einer  Notiz  des  ältesten  Theils  des 
Nekrologiums  des  Marienstifts  zum  3.  März;  vgl.  Quix,  Necrologium  b.  M. 
V.  p.  14,  1.  6:   0.  Wilhelmus,  frater  noster,  pro  quo  habemus  II  denarios  et 


Die  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  113 

stand  zu  den  unzweifelhaft  echten  Aachener  Münzen  aus  den 
siebenziger  Jahren  des  14.  Jahrhunderts,  welche  die  Bezeich- 
nung „moneta  Juncheit^  tragen,  oder  ob  letztere  auf  andere 
Verhältnisse  zurückzuführen  ist,  wird,  so  lange  nicht  neu  auf- 
gefundene Urkunden  neue  Aufschlüsse  geben,  kaum  zu  ent- 
scheiden sein  ^ 

2. 

Absatz  7  des  Verzeichnisses  führt  in  das  Innere  der  Stadt 
und  zu  den  der  Gemeindeverwaltung  gewidmeten  Gebäuden:  civi- 
tas  de  magna  domo  magistrorum  civium  27  solidos.  Die  Stadt 
Aachen  hatte  somit  der  Katharinenkapelle  von  einem  den  Bürger- 
meistern in  ihrer  amtlichen  Stellung  zur  Benutzung  überwiesenen 
Hause  einen  Erbzins  von  27  Schilling  zu  zahlen.  In  Wirklich- 
keit figurirt  diese  Leistung  denn  auch  in  den  Ausgabe-Rech- 
nungen von  1385/86  und  1894/95,  während  sie  in  allen  erhaltenen 
altern  Rechnungen  fehlt  ^.  Leider  nennen  aber  die  beiden  späten 
und  kurzen  im  Vorhergehenden  bereits  verwertheten  Notizen 
zwar  die  Kapellane  der  Kapelle  als  Empfänger  der  Zahlung, 
nicht  aber  das  Gebäude,  von  dem  der  Zins  entrichtet  wird. 
Das  ret  um  so  mehr  zu  beklagen,  als  die  Bezeichnung  „magna 


II  capones  de  curtilibus  in  Juneheit.  Das  Junkersthor  wird  zuerst  als  Juncheits- 
thor  erwähnt  in  Urk.  von  1418,  Juni  19  bei  Drcsemann,  Die  Jacobskirche 
zu  Aachen  S.  82  f.,  dann  1436,  vgl.  oben  S.  109,  Aura.  1,  femer  in  Urk.  von 
1442,  Mai  7  bei  Dresemanu  a.  a.  0.  S.  86  f.  und  von  1442,  Mai  13  bei 
von  Fürth,  Beiträge  II,  Anh.  1,  S.  98,  Nr.  35,  sowie  in  mehrem  Urkunden 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  bei  Dresemann  a.  a.  0.  S.  100, 
101,  111  und  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  VIII,  S.  236, 
Nr.  13.  —  Wie  lange  das  Wort  Juneheit,  welches  Urkunden  von  1400  und 
1442,  sowie  Kirchenbücher  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  als  Flurbezeichnung 
anwenden  (Dresemann  a.  a.  0.  S.  81,  88,  71,  hier  auch  Jonkertstcynynck 
und  Junckheitssteinwegh),  im  Gebrauch  blieb,  ist  noch  zu  erjnitteln,  im  vorigen 
Jahrhundert  scheint  die  mit  Junker  zusammengesetzte  Benennung  für  Thor 
und  Gegend  zu  überwiegen;  ein  Kaufakt  vom  18.  Dezember  1722  bezeichnet 
mehrere  Stücke  Garten-  und  Wiesenland  vor  dem  Junkersthor  am  Bach  und 
am  Eyerberg  gelegen  mit  dem  Gesammtnaraen  „der  Junker",  vgl.  Pick, 
Bericht  über  die  Verwaltung  des  Archivs  der  Stadt  Aachen  im  Jahre  1887, 
S.  7,  Nr.  2U 

')  Ueber  diese  Münzen  vgl.  Leitzmann  bei  von   Sallet,  Zeitschrift 
für  Numismatik  II  (1874),  S.  76  ff. 

>)  Die  Stellen  sind  S.  97,  Anm.  4  abgedruckt. 

8 


114  H.  Loersch 

doraus  magistroruin  civiuni"  im  ßentenregister  zum  ersten  Mal 
und  neben  dieser  an  keiner  andern  Stelle  begegnet.  Jeden- 
falls ist  aber  doch  hier  ein  bekanntes,  in  den  bisher  veröffent- 
lichten Urkunden  wohl  sicher  oft  erwähntes  Gebäude  gemeint, 
dessen  allgemein  üblicher  Name  auch  dem  Schreiber  des  Renten- 
registers vorgeschwebt  hat,  von  ihm  jedoch  mehr  oder  weniger 
.  stark  geändert  worden  sein  muss.  Beim  Aufsuchen  desselben 
ist  nun  eine  doppelte  Möglichkeit  ins  Auge  zu  fassen.  Es  ist 
möglich,  dass  die  Willkür  der  Gestaltung  nur  im  ersten  Theile  des 
Namens  zur  Geltung  gekommen  ist,  so  dass  die  Worte  „magna 
domus"  in  freier  Wendung  eine  Oertlichkeit  bezeichnen,  deren 
wirklicher  Name  ein  anderer  ist,  aber  doch  auf  die  Bürger- 
meister hinweist;  es  können  aber  auch  die  Worte  „magistrorum 
civium"  ein  willkürlicher  Zusatz  sein  zu  einem  Ausdruck,  der 
geradezu  „magna  domus**  oder  doch  ähnlich  lautete.  Die  im 
Folgenden  nach  beiden  Gesichtspunkten  versuchte  Feststellung 
der  Lokalität  und  die  sich  daraus  ergebende  Begründung  der 
Verpflichtimg  der  Stadt  zur  Leistung  der  27  Schilling,  haben 
darum  nur  den  Werth  von  Vermuthungen.  Sie  sollen  jedoch 
vor  Allem  zu  weitern  Nachforschungen  anregen  und  erfüllen 
ihren  Zweck  auch  dann,  wenn  sie  nach  Auffindung  neuer  und 
zuverlässigerer  Zeugnisse  eine  vielleicht  rasche  Widerlegung 
finden. 

Wird  davon  ausgegangen,  dass  die  Erwähnung  der  Bürger- 
meister deshalb  der  im  Eentenverzeichniss  gebrauchten  Bezeich- 
nung anhafte,  weil  sie  auch  ein  integrirender  Bestandtheil  des 
dem  Schreiber  vorschwebenden  landläufigen  Namens  der  von  ihm 
gemeinten  Oertlichkeit  war,  so  darf  als  feststehend  angenommen 
werden,  dass  damit  weder  das  alte,  noch  das  um  1370  vollendete 
neue  Rathhaus  gemeint  sein  kann,  denn  jenes  wird  stets  als 
„domus  civium**,  „der  Bürger  Haus",  oder  als  „domus  consilii" 
bezeichnet^  und  diesem  wird  gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
fast  noch  ausschliesslich  der  von  dem  Festraum  der  Pfalz  her- 
genommene Name  „der  Saal",  „aula",  beigelegt.  Bei  allen 
Namen,  welche  für  beide  vorkommen,  ist  ein  Hinweis  auf  die 
Bürgeimeister  dem  Sprachgebrauch  der  Aachener  Quellen  völlig 


0  „Gramen",  „Gras",  „der  Bürger  Gras"  wird  im  14.  Jahrhundert  nur 
der  hinter  der  domus  civium  liegende,  zum  Theil  als  Weinherg  benutzte 
Anger,  niclit,  wie  später  oft,  das  Gebäude  selbst  genannt. 


fremiL  Ani  vnem  niiir  ^mii  Ziu^  \nu  tuiif  ^-hillui^ ';  von  oiiu^r 
Kente.  welche  .intMi*^M»m  :r»*liisri't  hatte,  UMdvi  suli  tu  kWu  luuh 
Dungeii  kr'Lne  ^piir.  L>as  ^irr^Sv^o  Haus  Jcr  Uui^ornicisioi"*  •'  \\aro 
als4>  anderwärts  zu  siu'Iitru.  H*">cli^t  wuhrsdioinlivh  iHV.ouhiirt 
der  S<:lireil)er  dos  RenrenvtTZt'ichni>isci>  mii  vlv'ii  Wortvii  ^UKi'jiia 
dumos  iiiairi>trf)niiu  civiuin*  eine  iu  dou  Kochiumi^on  dr.^  l  l. 
Jahrhondertii  selir  *>ft  erwähnte  iVrtlivhkeit,  wcKho  seil  ilvv 
zweiten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  ^lobium  uiai^istiHHiiiu  riNUiin"* 
genannt  wird. 

Die   Stadt   Aachen  näherte   sich   iu   deu  tlrci>>^i^cr  .lahiou 
des    14.   Jahrhunderts   nut    rasrheu   SchritttMi    iloiu    llii|(r|iuiik( 
ihrer   mittelalterlichen    Hlüthe.      Klir    «lit^    lUHmiiurulliKiii    iiimI 
zahlreichen   Bedürfnisse   der   st/hltisrluMi    N'iMsvaltiniM    M<'ii"Mh'ii 
nun  die  wenig'en   und   nur  müHsi^   «nmhcii   KiIiimms    vvch  Iic.  ^\i\,^ 
unter   König   Richard    erbaute    IfatliliaiiH    hnt,    nicht    Mich)  j    c« 
wurden   andere  Gebäude   bald   K'in^i    hahl   thcilwcinc.    \nti\\n'y 
gehend   oder  dauernd   in    Hcnut/nn//  genommen.     In   tUn   Aul 
Zeichnungen   des    KentnieihtiTH,    w<*|chc   ilnt*   »lli-lc   Mu/I*    tUy 
städtischen  Rechnungen  bilden  un<J  wahrrchijnli^h  d'/n  J<ihM'  i'^'/'i 
angehören.   Mird    nun    IxTicbtit,    <J;i;-r    di<*    huii/*  nun-u  y    n  jI 
städtischen  Beamt-en  nK^hrfa^li   ^/u  <)<»<'*   M-)jjl/Mt/*o  yi\,>^.uu 
und   dass   sie   an  denjM'H^'u  ()i'\A*  hui   '/,.  J«Jj  nin    Al^i^i-  .i  j 
entgegen    trenoiuin^'u    hü^t-n^,     h-*-    J<< « 1 1, "(.;/<  u    <)«*    i.i"  i    i*.. 
Jahre  zei^ren   d»'utii''ij.    um    v;^f    t-   ri'u    hyii.':*  «»       \ '^n   «'j-.-  i 
Manne,   der   si'-L    Lufjv.;.'  voi.  r  It-ii-    i,..jm '<     i,..t    '.,*       .  «*'    . 
jener  Zeit  eine  üi^    i-mmuh.   t,«-/*  j<'i.'.<'M    J";  .-.i '.' i /' ■'  >".,.."",  ■ 
und   zwar   mit    rj*.'r   u^f''.r/*'i.    l>*'i*- .*;•   «i  /    i.ia;    1^- ./..,./'     ..  ,< 


M   V^i.   z.   h     r.--h      1  ■,     •  j»'    '' 

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116  H.  Loersch 

dieses  lobium  erscheint  nun  während  des  ganzen  14.  Jahrhun- 
derts als  der  Ort,  an  welchem  vorzugsweise  die  Bürgermeister 
in  ihrer  amtlichen  Eigenschaft  gewisse  Handlungen  der  Reprä- 
sentation und  zahlreiche  Geschäfte  vornehmen.  Hier  übergeben 
die  Gesellen  der  Zünfte  zu  Fastnacht  ihre  Geschenke^,  hier 
werden  bei  den  verschiedensten  Anlässen  amtliche  Arbeiten 
verrichtet,  Verhandlungen  gepflogen  und  Mahlzeiten  einge- 
nommen^, namentlich  aber  die  zahlreichen  Weinspenden  verab- 
reicht, welche  im  offiziellen  Verkehr  der  Stadt  eine  so  grosse 
Rolle  spielen^.  Daher  kommt  es  denn,  dass  die  Ausgaben, 
welche  hier  gemacht  werden  müssen,  einen  stehenden  Posten 
in  allen  Rechnungen  bilden  ^.  Für  die  Ausstattung  der  Lokalität 
mit  Matten  und  Sitzen,  für  die  Weinkannen  und  anderes  Geräth, 
welches  hier  gebraucht  wird,  trägt  die  Stadt  Sorget  Sie  hat 
dann  bald  auch  das  Eigenthum  an  dem  für  die  Verwaltung 
offenbar  unentbehrlich  gewordenen  lobium  erworben.  Die  Rech- 
nung von  1344/45  enthält  noch  einen  Posten  von  20  Mark, 
welcher  den  Kindern  des  Ludwig  von  Kleve  für  Miethe,  Feuerung 
und  Licht  des  vergangenen  Jahres  nach  Verhältniss  der  abge- 
laufenen Zeit  gezahlt  worden  ist*;  die  des  Jahres  1346/47 
weist  dagegen  einen  entsprechenden  Ansatz  nicht  mehr  auf, 
während  sie,  wie  die  der  folgenden  Zeit  regelmässig,  über  die 


Zusammenstellung  bei  Loersch,  Die  Rechtsverhältnisse  des  Kohlenbergbaus 
im  Reich  Aachen,  Zeitschrift  für  Bergrecht  XIII,  S.  518  ff. 

^)  A.-R.  von  1338/39,  Laurent  S.  137,  Z.  20. 

*)  Vgl.  z.  B.  A.-R.  von  1334/35,  Laurent  S.  107,  Z.  17;  von  1349/50, 
Laurent  S.  204,  Z.  26;  S.  207,  Z.  19;  S.  230,  Z.  30;  von  1376/77,  Laurent 
S.  256,  Z.  32;  S.  260,  Z.  1. 

•'')  Vgl.  z.  B.  Laurent  S.  157,  Z.  22;  S.  242,  Z.  24;  S.  250,  Z.  12; 
S.  251,  Z.  6;  S.  255,  Sp.  1,  Z.  17;  S.  261,  Sp.  2,  Z.  5. 

♦)  Zuerst  in  der  Ausg.-Rechnung  von  1338/39:  de  cxpensis  lobie  (so) 
Kleyve  factis  per  totum  aunum  69  m.,  Laurent  S.  130,  Z.  39;  dann  Ausg.- 
Rechnung  von  1344/45:  de  .cxpensis  hoc  anno  supra  lobium  magistrorum  et 
alibi  factis  135  m.,  Laurent  S.  159,  Z.  19.  Vgl.  aber  auch  Laurent  S.  189, 
Z.  12;  S.  242,  Z.  13;  S.  250,  Z.  30;  S.  257,  Z.  14;  S.  260,  Z.  23;  S.  297, 
Z.  12  (mit  der  Anmerkung);  S.  304,  Z.  11. 

*)  Vgl.  Laureut  S.  136,  Z.  34;  S.  195,  Z.  26;  S.  108,  Z.  20;  S.  112, 
Z.  12;  namentlich  aber  Ausg.-Rechnung  von  1344/45:  de  camera,  scampnis, 
tripedibus  supra  lobium  magistrorum  civium  in  universo  lO^j  m.,  Laurent 
8.  149,  Z.  33. 

«)  Laurent  S.  157,  Z.  32. 


\ 


Die  Katharineukapelle  beim  Aachener  Münster.  117 

Kosten  der  Heizung  der  Laube  berichtete  Im  Jahre  1345 
oder  1346  ist  somit  das  Eigen thum  an  letzterer  von  den  Kindern 
und  Erben  des  Ludwig  von  Kleve  auf  die  Stadt  übergegangen, 
welche  jetzt  hier  wie  in  den  andern  städtischen  Gebäuden  für 
Heizung  und  Beleuchtung  zu  sorgen  hatte.  Nunmehr  ver- 
schwindet auch  der  frühere  Name  völlig,  es  ist  nur  noch  von 
dem  lobium  magistrorum  civium  die  Rede,  und  die  Stadt  nimmt 
hier  von  nun  an  selbst  kleine  Bauten  und  Reparaturen  vor*, 
während  sie  nach  wie  vor  für  die  Ausstattung  Anschaffungen 
macht '.  Neben  dem  lobium  der  Bürgermeister  und  zu  gleichen 
Zwecken  städtischer  Verwaltung  und  Repräsentation  ist  aber 
auch  das  alte  Rathhaus  stets  gebraucht  worden,  namentlich, 
wie  es  scheint,  dann,  wenn  eine  grössere  Zahl  von  Raihsherren 
und  städtischen  Beamten  sich  um  die  Bürgermeister  schaarte^. 
In  den  achtziger  Jahren  des  14.  Jahrhunderts  nimmt  dann  in 
solchen  Fällen  mehr  und  mehr  „der  Saal**,  das  neue  Rathhaus, 
die  Stelle  des  letztem  ein^;  aber  bis  um  die  Zeit,  in  welche 
die  Entstehung  des  Rentenverzeiclmisses  zu  versetzen  ist,  hat 
die  Bürgermeisterlaube,  welche  die  Rechnungen  jetzt  meist  nur 
noch  kurzweg  „lobium'^  und  „die  loeve"  zu  nennen  pflegen,  in 
der  alten  Weise  der  städtischen  Verwaltung  gediente 


*)  Laurent  S.  182,  Z.  14  und  S.  195,  Z.  30.  Im  Jahre  1349/50  kostete 
die  Heizung  der  Bürgermeisterlaube  sogar  mehr  als  die  des  alten  Ilathhauses, 
Laurent  S.  224,  Z.  35  flf. 

»)  Laurent  S.  187,  Z.  1;  S.  195,  Z.  24;  S.  396,  Z.  16.  Nur  noch  einmal 
taucht  der  Name  auf  in  einem  Privatvertrag  von  1360,  Mai  1  bei  Loersch, 
Achener  Rechtsdenkmäler  S.  178  f.,  Nr.  5.  Hier  stellt  Kolin  Buc  als  Theil- 
haber  einer  zum  Betrieb  eines  Weinhandels  abgeschlossenen  Gesellschaft  dieser 
„den  kelre  zu  Kleve**  für  fünfzig  Gulden  jährlich,  welche  aus  der  GescUschafts- 
kasse  vergütet  werden,  zur  Verfügung.  Ein  anderer  Theilnehmer  bringt 
,8inen  kelre**,  d.  h.  seinen  Weinvorrath  in  die  Gesellschaft.  Kolin  Buc 
hatte  anscheinend  den  KeUer  unter  dem  lobium  für  jene  Summe  von  der 
Stadt  gemiethet;  vieUeicht  war  damit  ein  offener  Weinschank  verbunden.  Da 
die  Stadtrechnungen  zwischen  1353  und  1373  fehlen,  ist  Vergleichung  aus- 
geschlossen, die  spätem  enthalten  keinen  entsprechenden  Posten. 

*)  Laurent  S.  195,  Z.  25. 

*)  Vgl.  z.  B.  Laurent  S.  177,  Z.  35;  S.  179,  Z.  7;  S.  209,  Z.  28,  35; 
S.  210,  Z.  5;  S.  224  a.  E.  und  225. 

*)  Vgl.  z.  B.  Laurent  S.  250,  Z.  6  ff.;  S.  272,  Z.  14;  8.  273,  Z.  12,  15, 
36,  39;  S.  274,  Z.  11;  S.  301,  Z.  19. 

•)  Vgl.  z.  B.  Laurent  S.  250,  Z.  12;  8.  256,  Z.  32  ff.;  i^ 
Z.  6;  S.  309,  Sp.  2,  S.  19;  8.  310,  8p.  1,  Z.  15:  Item  unaa 


118  H.  Loersch 

Fraglich  könnte  es  erscheinen,  ob  denn  die  Uebersetzung 
des  Wortes  „loeve"  mit  „magna  domus''  überhaupt  denkbar 
und  zulässig  sei.  Loeve  ist  die  niederrheinische  Form  für  das 
mittelhochdeutsche  „loube**.  Dieses  Wort  bezeichnet  zwar  auch 
eine  Gallerie,  einen  offenen  Gang  am  obern  Stockwerke  eines 
Gebäudes,  ungleich  häufiger  aber  eine  bedeckte  Halle  und  den 
vor  einem  Gebäude  liegenden  Bogengang  ^  Solche  Bogengänge 
wurden  im  Mittelalter  bekanntlich  vorzugsweise  als  Verkaufs- 
stellen für  den  Kleinhandel  benutzte  Nach  Allem,  was  die 
Rechnungen  berichten,  war  nun  das  lobium  magistrorum  civium 
unzweifelhaft  nicht  ein  Eaum  in  einem  Hause,  sondern  ein 
selbständiges  Gebäude  oder  doch  ein  in  sich  geschlossener 
Theil  eines  solchen;  das  Gleiche  ist  auch  von  den  andern  in 
den  Rechnungen  erwähnten  „Lauben"  anzunehmen*  und  eine 
derselben  wird  geradezu  hier  domus  genannt^.  Auch  die  Zunft- 
häuser sind  bis  ins  vorige  Jahrhundert  hinein  mit  dem  Worte 
„leufe"  bezeichnet  worden  ^  Dem  Sclireiber  des  Registers  ist 
aber  die  lateinische  Form  „lobium''  vielleicht  nicht  geläufig 
gewesen  und  das  könnte  ihn  zu  der  etwas  steifen  Uebersetzung 
durch  „magna  domus"  gezwungen  haben. 

Die  Entstehung  der  der  Katharinenkapelle  zukommenden 
Rente  von  27  Schilling  bleibt  auch  nach  den  vorstehenden 
Ausführungen  ii\  Dunkel  gehüllt.  Darf  aber  angenommen  werden, 
dass  sie  in  der  That  von  jenem  Hause  des  Ludwig  von  Kleve 
zu  entrichten  war,  so  kann  sie  nur  von  letzterm  selbst  oder  von 


der  loeven  den  barbier;  S.  315,  Sp.  2,  Z.  10;  S.  324,  Sp.  2,  Z.  9;  S.  327, 
8p.  2,  Z.  12;  S.  331,  Z.  37:  Item  unse  heren  ayssen  up  der  loeven  umb  des 
geleytz  wille  zu  zwen  moelen;  S.  332,  8p.  1,  Z.  26,  Sp.  2,  Z.  14;  S.  338, 
8p.  2,  Z.  30;  S.  362,  Z.  9  f.;  S.  372,  Z.  32,  wo  es  selbstverständlich  heissen 
muss:  Item  up  der  loeven,  ze  Brüyssol,  der  steede  gesinde  .  .  .  ;  S.  375, 
Z.  4;  S.  377,  Z.  37;  8.  378,  Z.  12;  S.  390,  Z.  19  (ein  jeden  Monat  wieder- 
kehrender Posten). 

^)  Vgl  Lexer,  Mittelhochdeutsches  Handwörterbuch  I,  Sp.  1964,  unter 
loube. 

^  Vgl.  Gengier,  Deutsche  Stadtrechts-Alterthümer  S.  146  ff. 

^)  Ein  lobium,  in  welchem  die  BUden  stehen,  nennt  z.  B.  die  Ausg.- 
Rcchnung  von  1346/47,  Laurent  8.  186,  Z.  12  f.,  das  lobium  magistrorum 
operis  wird  oft  erwähnt,  vgl.  z.  B.  Laurent  S.  165,  Z.  9;  S.  182,  Z.  15. 

*)  Vgl.  die  oben  S.  97,  Anm.  3  angegebenen  Stellen  über  das  lobium 
oder  Haus  des  PoUex  und  die  Nachricht  über  den  Keller  zu  Kleve  S.  117,  Anm.  2. 

^)  Qu  ix,  Hist.-topogr.  Beschreibimg  der  Stadt  Aachen  S.  148  f. 


Die  KatL'arinenkapelle  beim  Autbener  iinnnler.  110 

einem  frühern  Eigeothümer  seinem  Grundstück  auferlegt  worden 
sein.  Als  die  Stadt  dieses  erwarb,  ging  selbstverständlich  die 
Pflicht  zur  Entrichtung  der  Rente  auf  sie  über. 

Wo  das  hier  besprochene,  in  den  bisher  veröffentlichten 
Urkunden,  abgesehen  von  den  Stadtrechnnngen,  anscheinend  nicht 
erwähnte  Amtslokal  der  Bürgermeister  lag,  lägst  sich  aus  den  einst- 
weilen zur  Verfügung  stehenden  Zeugnissen  nicht  bestimmen '. 

Die  vorstehenden  Ausführungen  sind,  wie  von  vorn  herein 
gesagt  wurde,  von  der  Vorausset2ung  ausgegangen,  dass  die 
Bezeichnung,  welche  der  Verfasser  des  Rentenregiaters  für  das 
belastete  Gebäude  braucht,  durch  die  Beziehung  auf  die  magistri 
civiiun  vor  Allem  bestimmt  sei.  Die  Redeweise  der  Stadtrech- 
nungen aus  den  achtziger  Jahren  des  14i  Jahrhunderts  erheischt 
jedoch,  dass  anch  noch  die  zweite  oben  angedeutete*  Möglich- 
keit ins  Auge  gefasst  werde. 

Die  Einnahme- Rechnung  von  1385/86  enthält  zuerst  eine 
grössere  Reihe  von  Beträgen,  welche  die  Stallt  aus  der  Ver- 
miethung  von  Buden  oder  Ladenräumen  *  an  verschiedenen  Stellen 
bezog.  Eine  ünippe  dieser  sog.  Gademe  wird  zusammeugefasst 
unter  der  Bezeichnung:  „I)it  sind  die  godumen  up  den  niart  vur 
deme  grosen  sale."  Diese  selbe  Gruppe  kehrt  nun  noch  zweimal 
wieder  in  den  Einnahme-Rechnungen  von  1387/88  .und  1391/92, 
liier  aber  jedesmal  mit  der  Ueberschrift:  „Dyt  sint  dye  gedunmien 
up  den  mart  vur  deme  groisme  (groissen)  huys."  Diese  Stellen* 
beweisen,  dass  man  in  Aachen  um  die  Zeit,  als  das  Register 
aufgezeichnet  wurde,  das  neue  Rathhaus,  den  Saal,  auch  das 
,grnsse  Haus"  nannte.  Insofern  wäre  die  Uebersetzung  mit 
„magna  domus"  dem  Sprachgebrauch  vollkommen  angepasst  und 
dies  würde  wiederum  zu  dem  Ergebniss  führen,  dass  trotz  des 
oben  geltend  gemachten  Schweigens  aller  altern  Quellen  das 
neue  Rathliaus  iu  der  That  mit  einer  Erbrente  zu  Gunsten  der 
Katharinenkapelle  belastet  war.  Es  ist  durchaus  unwahrschein- 
licli,  dass  diese  Belastung  durch  königliche  Freigebigkeit 
entstanden  wäre.     Die    Kapelle    ist    zu    einer    Zeit    gestiftet, 

itündlicb 


120  H.  Loersch 

in  welcher  Verfügungen  der  Könige  über  die  Reste  der  Pfalz 
nicht  mehr  vorkommen  und  also  auch  Beschwerungen  derselben 
durch  einen  Zins  ausgeschlossen  erscheinen.  Denkbar  ist  aber 
eine  andere  Art  der  Entstehung.  Der  Bau  des  neuen  Aachener 
Rathhauses  hat  unzweifelhaft  die  Beseitigung  manches  auf  dem 
ursprünglichen  Boden  der  Pfalz  stehenden  Gebäudes  erfordert. 
Im  Laufe  der  Jahrhunderte  war  sicherlich  durch  rechtmässige 
wie  unrechtmässige  Vorgänge  aller  Art  das  Terrain  vor  und 
hinter  dem  Saal  in  den  Besitz  der  Bevölkerung  gelangt,  zur 
Ansiedelung  im  Mittelpunkte  der  Stadt  benutzt  worden;  für 
den  grossartig  angelegten  Neubau  musste,  wenn  er  auch  an 
der  Stelle  des  alten  Festsaales  sich  erhob,  doch  nach  allen 
Seiten  Luft,  Licht  und  freier  Zugang  geschaffen  werden.  Den 
Absichten  der  städtischen  Verwaltung  dürfte  gerade  um  die 
Zeit,  als  man  sich  mit  der  Absicht  trug,  ein  Rathhaus  zu  schaffen, 
der  grosse  Brand  vorgearbeitet  haben,  der  im  Jahre  1344  oder 
1345  in  der  Gegend  des  Marktes  wüthete.  Die  Chroniken 
wissen  nichts  von  ihm  zu  berichten;  aber  die  Stadtrechnungen 
zeigen,  dass  er  viele  Häuser  zerstörte,  dass  die  Stadt  die  Brand- 
stellen erwarb  und  dass  mit  diesen  Erwerbungen  vielfach  die 
Ablösung  der  auf  jenen  lastenden  Renten,  namentlich  soweit 
Privatleute  zu  deren  Bezug  berechtigt  waren,  Hand  in  Hand 
gegangen  ist  K  Die  Stadt  hat  dann  auf  mehrern  der  so  an  sie 
gelangten  Bauplätze,  etwa  zur  selben  Zeit,  als  sie  das  Rath- 
haus baute,  zusammenhängende  Reihen  der  oben  bereits  genannten 
Gademe  errichtet,  welche  ihr,  wie  die  Rechnungen  von  1385 
an  zeigen,  nicht  unbedeutende  Einnahmen  brachten  2.  Das  eine 
oder  andere  Gnindstück  ist  aber  auch  beim  Bau  des  Rathhauses 
sicherlich  zu  dessen  Freilegung  sowohl  nach  dem  Markte  wie 
nach  dem  Katschhof  zu  verwendet  worden.  Da  kann  es  leicht 
gekommen  sein,  dass  die  Rente,  welche  auf  einem  solchen  ruhte, 
der  Stadt  zur  Last  fiel  und  nunmehr  auf  das  „grosse  Haus" 
übertragen  schien,  in  welches  jenes  gleichsam  aufgegangen  war, 
weil  es  seinetwegen  verschwinden  musste.  So  würde  allerdings 
in  befriedigender  Weise  der  Umstand  erklärt,  dass  die  Stadt 
erst  seit  den  achtziger  Jahren  des  14.  Jahrhunderts  als  Schuld- 


')  Auf  alle  diese  Vorgänge  bezieht  sich  eine  Reihe  von  Positionen  in 
der  Ausg. -Rechnung  von  1344/45,  Laurent  S.  143—146. 

2)  Vgl.  Laurent  S.  357—359,  366—368,  383—385. 


Die  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  121 

nerin  der  Katharinenkapelle  erscheint.  Immerhin  bleibt  aber 
doch  der  Zusatz  „magistrorum  civium*'  auffallend,  da  er  in  keiner 
Weise  zu  dem  Sprachgebrauch  der  Rechnungen  und  anderer 
Urkunden  stimmt;  er  kann  nur  auf  Unkenntniss  oder  Laune  des 
Schreibers  beruhen. 

Das  Ergebniss  der  Untersuchung  bleibt  ein  unbefriedigen- 
des; um  so  stärker  regt  sich  der  Wunsch  nach  Auffindung  ent- 
scheidender Zeugnisse. 

3. 

Zu  den  in  mancher  Beziehung  beachtenswerthen  Seiten 
der  städtischen  urkundlichen  Ueberlieferung  gehört  die  in  ver- 
schiedenen Formen  auftretende  Bezeichnung  der  einzelnen  Häuser. 
Geht  diese  naturgemäss  von  der  Nennung  der  Strasse  aus,  an 
der  das  Haus  liegt,  so  ergibt  sich  bei  dichterer  Bevölkerung 
und  entsprechender  Bebauung  der  Grundstücke,  mit  denen  dann 
auch  regerer  Umsatz  dieser  selbst  durch  Privatgeschäfte  und 
häufiger  Wechsel  durch  Erbgang  Hand  in  Hand  gehen,  das 
Bedürfnis»  genauerer  Kenntlichmachiuig.  Diese  lässt  sich  zunächst 
auf  zwei  Wegen  erreichen,  entweder  durch  Häufung  örtlicher 
Angaben  und  topographischer  Merkmale  oder  durch  Verwertliung 
von  Personennamen.  In  der  letztem  Richtung  kann  dann  wiederum 
der  Name  des  Eigenthümers  oder  der  des  Benutzers,  des  Miethers 
oder  Zinsmannes,  dienen.  Dabei  ist  zu  genauerer  Feststellung 
noch  die  Verbindung  der  beiden  Kategorien  von  Bezeichnungen, 
sowie  das  Zurückgehen  auf  den  Vorgänger  des  einen  oder 
des  andern  oder  beider  Berechtigten  naheliegend.  Fast  von 
allen  sich  so  ergebenden  Möglichkeiten  liefert  das  Renten- 
verzeichniss  Beispiele.  Aber  auch  eine  ganz  andere  Art  genauerer 
Bezeichnung  ist  in  ihm  vertreten:  die  Benennung  des  Hauses 
mit  einem  ihm  eigenthüm liehen  Namen.  Diese  ist  ungleich 
prägnanter  als  alle  übrigen  Versuche  der  Charakterisirung,  weil 
sie  dem  Hause  gleichsam  Persönlichkeit  verleiht,  welche  unver- 
ändert bestehen  bleibt,  trotz  allen  Wechsels  in  den  Personen 
der  Eigenthümer  oder  Nutzungsberechtigten  und  trotz  etwaiger 
Aenderungen  in  der  nähern  Umgebiuig  des  Hauses  selbst. 

Welche  Art  der  Bezeichnung  in  den  deutschen  Städten 
überhaupt  und  in  Aachen  besonders  die  ältere,  welche  die 
häufigere  zu  bestimmten  Zeiten  sei,  ist  bis  jetzt  anscheinend 
nicht  Gegenstand  der  Untersuchung  gewesen.     Unzweifelhaft 


122  H.  Loersch 

wird  auch  hier  die  Verschiedenheit  der  Stufen  städtischer  Ent- 
wickelung,  wie  der  Unterschied  der  Stämme  und  Gegenden  sich 
geltend  machen.  Im  Grossen  und  Ganzen  scheint  in  Aachen 
die  einfachere  Form,  Bezeichnung  nach  Eigenthümer  oder 
Benutzer,  in  den  altern  Urkunden,  d.  h.  in  denen  des  13.  und 
des  Anfangs  des  14.  Jahrhunderts  zu  überwiegen^;  die  Zeit 
reicherer  Anwendung  wirklicher  Häusernamen  dürfte  das  15.  Jahr- 
hundert sein  ^  In  den  beiden  folgenden  Jahrhunderten  gibt  es 
dann,  namentlich  in  den  ältesten  Theilen  der  Stadt,  kaum  ein 
Haus,  das  nicht  den  seinigen  hättet  Wird  in  der  Regel  ein 
solcher  Name  als  ein  Erzeugniss  der  Geschichte  des  Hauses 
anzusehen  sein,  weil  er  an  irgend  eine  Seite  seiner  gleichsam 
individuellen  Existenz  anknüpft,  so  ergibt  sich  schon  von  selbst, 
dass  erst  auf  der  Höhe  städtischer  Entwickelung  bei  einer 
grössern  Zahl  von  Häusern  die  Vorbedingungen  für  einen 
stehenden  Namen  eingetreten  sein  werden,  sofern  dieser  nicht 
von  einem  gleich  bei  der  Errichtung  dem  Hause  gegebeneu 
äussern  Zeichen  hergenommen  ist.  So  sind  es,  wenn  von  dem 
letztgedachten  Vorgang  abgesehen  wird,  meist  schon  alte  und 
eine  gewisse  Bedeutung  beanspruchende  Häuser,  bei  welchen 
zuerst  solche  individuelle  Benennimg  auftaucht^.  Die  Entstehung 
des  einzelnen  nicht  gerade  an  ein  Zeichen  anknüpfenden  Namens 
zu  ergründen,  die  oft  dunkele  Bedeutung  desselben  festzustellen, 
an  der  Hand  des  Namens  dann  die  Geschichte  des  Hauses  zu 
verfolgen,  das  alles  darf  gewiss  als  eine  der  lohnendsten  und 
anziehendsten  Aufgaben  lokaler  Forschung  bezeiclmet  werden. 


*)  In  der  manches  Haus  erwähnenden  Urkunde  von  1215,  Quix,  Die 
konij^liche  Kapelle  S.  8«  f.,  kommt  kein,  in  den  beiden  Urkunden  von  1290, 
AprU  26,  Ritz,  Urkunden  und  Abhandlungen  I,  1,  8.  103  ff.,  Nr.  10  und  11, 
nur  ein  Hausnarae  vor;  die  Urk.  von  128H,  Juni  17,  Lacomblet,  Urkunden- 
buch  II,  8.  485,  Nr.  817,  enthält  wahrscheinlich  auch  nur  einen.  In  dem 
Nekndopum  des  Marienstifts  finden  sich  nur  sehr  wenige  Häusernamen. 

*)  Man  vgl.  z.  B.  die  im  Re^rister  zu  den  Annalen  des  bist.  Vereins  tür 
den  Niederrhein  S.  24  zusammentresteUten,  fast  alle  einer  einzigen  Urkunde 
dieses  Jahrhunderts  entnommenen  Namen,  sowie  die  Urkunde  von  1442,  Mai  7 
bei  Dresemann,  Die  Jacobskirche  zu  Aachen  S.  8ß  ff. 

^)  Man  Viil.  nur  die  v<m  Quix  an  verschiedenen  SteUen  veröffentlichten 
Zinsregister  aus  dieser  Zeit,  in  welchen  freilich  mancher  Name  bis  zur 
Unkenntlichkeit  entstellt  ist. 

*)  Wie  z.  B.  das  Haus  Blandin,  vgL  Haagen,  Geschichte  Achens  I, 

s.  le:». 


Die  Kaüurbenkapelle  beim  Aachener  MOiLster.  12a 

Ein  in  diesem  Sinne  angelegtes  YerzeidiniNs  der  aus  schon 
gedruckten  Urkunden  bekannt  gewordenen  Aachener  Häuser- 
namen würde  sich  bald  als  ein  ausseiest  nützliches,  in  gewissem 
Sinne  unentbehrliches  Htilfsniittel  erweisqn  *.  Zu  einem  ^olchtMi 
Verzeichniss  liefert  das  Rentenregister  der  KatharineukaiMMIe 
nur  drei  Namen,  von  welchen  jedoch  keiner  ohne  Bedeutunir 
und  ohne  Beziehung  zu  bereits  bekannten  That^-achen  und  Ver- 
hältnissen ist. 

Absatz  8  nennt  zur  Bezeichnung  der  Laee  eines  zin— 
Pflichtigen  Hauses,  aber  ohne  Angabe  der  Strasse,  die  g»«»  ii- 
öberUeerende  domus  de  aurea  barba.  Dieses  letztere  Hau-  \fcird 
im  folgenden  Jahrhundert  em^ähnt  als  dem  ReguIirherreukl-.-r^r 
zinspflichtig  in  Folge  der  von  Konrad  vom  Eichhorn  irerh.iri^'f.  n 
Schenkunjren,  Leider  lässt  die  wahrscheinlich  aus  dem  Jahrv-  I4i'  # 
stammende  Urkunde,  in  der  es  aufgeführt  wird,  au»  h  l:-  L: 
erkennen,  in  welcher  Strasse  es  stand*. 

Bei  der  , domus  Vetten  in  Kockerel",  deren  Absatz  14 
gedenkt,  dürfte  die  Genetivfonn  des  Namens  auf  die  I^iV^- 
beschaffenheit  eines  frühem  Kv^r(n\ihiim*'r^  o^ler  Bewohner>  hin- 
weisend Am  14.  Septeml»er  14(X)  kaufte  der  einer  liekaijuten 
und  oft  genannten  Aachener  Familie  an^'^^'hörij/'e  Wilheliu  KN^  ker 
ein  Haus  „Vette",  welches  wahrj^(  heiuli^  h  njit  dem  im  I{<  ut^n- 
register  genamiten  identisch  i»^t;  er  verwandte  es  njit  ejijeni 
andern  von  seinem  Vater  ererbten  (;ebaiide  7Mr  Krri«  ljtu]i;r 
eines  neuen  Hauses,  das  an  der  Jak<>b^tra^^^e  auf  der  J^au  ix^beji 
dem  „weissen  Pferd*"  stand  und  den  Namen  ^der  Kaiser**  erjjielt  *. 


^)  Eine  vortn'fflirh»-  AHm  it  divr^-r  Art  iM :  (<'.  StLiujdt  und  V\'a«k«'r- 
iiag(*l)  Stra<>banror  <Ta^M-u-  und  HäuNer-N<ini«u  iiu  Mjtnlalr.r.  *^,  AulL.«'!, 
.Stra^^ihurg  lSk7.  V^Ur  Kh^inl^+r^t-r  Häu^e^u^nlen  hi*iAi\t  j/ut  A.  S«|iinii/ 
in  den  Mittheilung-en  d^^s  V^^rt^ins  wn  Gt'b<'bi<'ijt>fn'Uii<l«-ü  /u  J<)n  iiJxf/  I, 
S.  72 — M  ;  die  der  Stadt  B<»un  bind  zuhamiii«  t^;r♦•^r^  11t  in  dir  J^oiiu*!  /mIum;^ 
Ihtjä,  Nr.  249,  Bt^ilafTP  und  Sr.  :^:>o.  Kint-  AiiZi.lil  v<*u  Aa<'li<ü«r  Ji.iUMi  , 
Strassen-  und  Flumameii  Im^i  Dr^-nmianu  a.  a.  <K  H.  Tu  fl. 

*)  VgL   Annalen   des   bJM.  V»'n*in-   für   d^-n    Ni*  drrrh«  in    XXI,    h.  'Zh'/ 
Nr.  «3:   Item   dat  Luv-**,  zrn  truld»-nrn  W-rd«-,    32  r.  iijd  :i  d.   /m   1\ji,-ijiv.-.m 
(WWhn&rhten).     Sollte  ^(j  da»  b«-i   Pre-^e  uja  ii  n  a.  a.  (».  S.  71   «  rwalmt*' Huiiii 
,der  Bart**  in  der  Köln«tra^se  «ein  r 

^)  \^L  ähnlich  Laurint  S.  38'>,  Z.  27  von  «iucr  Üudr:  Itiuj  dal  ^^•i^t^ 
dar  by  hait  die  vette  Martrrtte. 

*)  Freundliche  Mitthtilun^^  de«  Htrm  ».  Th.  JhlmrKeij  in  Köln  aui* 
ungedrucktem  urkuudli'li»'n  3Iattrjal.    leb^r  die  Familie  Klwker  im  Itf,  Jiüu:« 


i 


124  H.  Loersch 

Beim  Haus  Vette  ist  anscheinend  der  Hausname  aus  einer 
Eigenschaft  des  frühem  Eigenthümers  oder  Bewohners  hervor- 
gegangen, auf  einen  ähnlichen  Vorgang  ist  die  Bezeichnung 
eines  Hauses  am  Hof  als  das  „des  Schwaben**  in  Absatz  9 
zurückzuführen;  ein  eigentlicher  Hausname  ist  freilich  hier  noch 
nicht  zur  Entstehung  gelangt.  Bei  der  „domus  Sewis"  in 
Absatz  27  ist  wahrscheinlich  nicht  an  einen  Hausnamen,  sondern 
an  Bezeichnung  des  Hauses  durch  den  Namen  des  Bewohners 
oder  Eigenthümers  zu  denkend 

Mit  überzeugenden  Gründen  hat  jüngst  ß.  Pick  den  Nach- 
weis geführt,  dass  es  zu  Aachen  einen  „  Eisenmarkt **  genannten 
Platz  nie  gegeben  hat,  dass  die  hier  wie  anderwärts  vorkom- 
mende Bezeichnung  „up't  Iseren**  (=  auf  dem  Eisen)  vielmehr 
auf  eine  eiserne  Sperrvorrichtung  zu  beziehen  ist,  welche  an 
den  Eingängen  von  Kirchen  oder  andern  Gebäuden,  von  Kirch- 
höfen oder  sonstigen  eingefriedigten  Plätzen  angebracht  war. 
Es  gab  in  Aachen  eine  solche  vor  dem  ßathhause  und  am  Ein- 
gang des  Münsterkirchhofs  von  der  Krämerstrasse  her;  ob  es 
sich  dabei  um  senkrecht  stehende  oder  horizontal  liegende  Eisen- 
gitter handelte,  bleibt  fraglich,  wahrscheinlich  werden  beide 
Formen  zur  Anwendung  gekommen  sein^ 

Eine  Notiz  des  Rentenregisters  dürfte  auf  ein  solches  bisher 
nicht  bekannt  gewordenes  „Eisen"  zu  beziehen  sein  und  bei 
diesem  wenigstens  auch  für  die  flache  Lage  den  Ausschlag 
geben.  Absatz  24  verzeichnet  nämlich  einen  Zins  von  zwölf 
Denaren,  der  entrichtet  wird  von  dem  Hause  „zu  den  Eost  vor 
dat  Parvisch**.  Das  Haus  lag,  wie  aus  den  letzten  Worten 
deutlich  hervorgeht,  am  heutigen  Fischmarkt  ^  Von  hier  aus 
betrat  man  den  Vorhof  des  Münsters  *,  gelangte  man  zu  dessen 


hundert  vgl.  von  Fürth,  Beiträge  II,  2,  S.  137  ff.  und  Pick  in  der  Aachener 
Volkszeitung  1887,  Nr.  97.  Wenn  dort  gesagt  ist,  dass  der  Name  sich  oft  iu 
den  Stadtrechnungeu  des  14.  Jahrhunderts  findet,  so  muss  darauf  aufmerk- 
sam gemacht  werden,  dass  das  Wort  Klocker  in  diesen  an  den  meisten  Stellen 
sich  lediglich  auf  den  Beruf,  die  Thätigkeit  des  Glöckners,  campanator, 
bezieht  und  nicht  Familienname  ist. 

*)  Die  Lage  in  balneo  bleibt  dunkel. 

')  Vgl.  Pick,   Der  angebliche  Eisenmarkt  in  Aachen,  in  Mittheilungen 
des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit  I,  S.  104  ff.  und  S.  180  f. 

8)  Vgl.  Pick  a.  a.  0.  I,  S.  105  f. 

*)  Vgl.  oben  S.  96  und  101,  Anm.  2. 


Die  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  125 

Haupteingang.  Wenn  irgendwo,  dann  muss  an  dieser  Stelle 
eins  der  von  Pick  besprochenen  Kircheneisen  angebracht  gewesen 
sein,  und  auf  dieses  spielt  der  Hausname  sicherlich  an.  Eine 
Mittheilung  aus  Süddeutschland  hat  vor  Kurzem  gezeigt, 
dass  vor  den  Thoren  ummauerter  Kirchhöfe  der  Graben  mit 
einer  gitterartig  durchbrochenen  Brücke  überdeckt  wurde,  die 
den  Thieren,  besonders  den  Schweinen,  den  Zugang  wehrte. 
Solche  in  alten  Synodalordnungen  „crurifragae**  genannte  Vor- 
richtungen bestehen  heute  noch  an  einzelnen  Orten  ^  Aehnliche 
Bedeutung  wird  ursprünglich  der  „Rost"  gehabt  haben,  von  dem 
das  in  Absatz  24  erwähnte  Haus  seinen  Namen  erhielt,  denn 
bei  diesem  Worte  ist  doch  vor  Allem  an  ein  liegendes  Eisen- 
gitter zu  denken.  Dass  letzteres  aber  am  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts nicht  mehr  über  einen  Graben  fülirte,  überhaupt  wohl 
nur  noch  bestimmt  war,  der  Reinigung  der  Schuhe  zu  dienen  ^, 
ist  allerdings  sehr  wahrscheinlich. 

4. 

Die  aus  dem  Renten verzeichniss  für  die  Kenntniss  der 
Aachener  Personennamen  zu  gewinnende  Ausbeute  ist  gering. 
Namen,  welche  ein  sprachliches  oder  geschichtliches  Interesse 
böten,  kommen  nicht  vor.  Manche  der  Genannten  sind  als 
Gewerbtreibende  bezeichnet,  bei  mehrern  vertritt  die  Angabc 
des  Gewerbes  geradezu  den  Namen ;  es  darf  angenommen  werden, 
dass  auch  die  Mehrzahl  der  Hausbesitzer  oder  Hausbewohner, 
bei  welchen  Thätigkeit  und  Stellung  nicht  angegeben  ist,  dem 
Stande  der  Kleinbürger,  der  Handwerker  und  Ackerer  angehört. 
Die  zuföllig  erwähnten  Gewerbe  gehören  zu  den  einfachsten 
und  häufigsten.  Die  in  Absatz  4  genannte  „swertzerse"  ist 
eine  Schwarzfärberin;  schon  an  anderer  Stelle  ist  darauf  hin- 
gewiesen, dass  das  Gewerbe  der  Färber  sich  in  Aachen  früher 
als  anderwärts  zur  Selbständigkeit  entwickelt  hat^  Auch  in 
dem  Goblinus  von  Absatz  31  ist  wahrscheinlich  ein  Ge werb- 
treibender zu  sehen,  ein  Anfertiger  von  Rosenkränzen,  ein  Patcr- 
nosterer  nach  dem  Sprachgebrauch  anderer  Gegenden;   freilich 


*)  Vgl.  Korresporidenzblatt  der  Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte 
und  Kunst,  Jahrg.  VII  (1888),  Sp.  96. 

»)  Vgl.  Pick  a.  a.  0.  I,  S.  108,  Anm.  1. 

')  Vgl.  Loersch  in  Zeitschrift  des  Aachener  Gcschichtsvercins  I,  S.  180» 


126  H.  Loerscli 

lässt  der  offenbar  verdorbene  Text  kaum  erkennen,  was  der 
Schreiber  meint,  vielleicht  hat  er  einen  sog.  Satznamen  wieder- 
geben wollend  Eine  Anzahl  von  Namen  (Absatz  1,  3,  8, 
13,  17,  26)  bestätigt  in  Uebereinstimmung  mit  allen  Aachener 
Urkunden  die  an  andern  Orten  gemachte  Wahrnehmung,  dass 
im  Mittelalter  die  Städte  zum  grossen  Theil  von  zugezogenen 
Leuten  bevölkert  wurden,  welche  zunächst  und  bisweilen  noch 
für  mehrere  Generationen  den  Namen  ihres  Geburts-  oder  Her- 
kunftsortes als  Unterscheidungsname  und  als  Ersatz  eines  wirk- 
lichen Familiennamens  neben  dem  Taufnamen  beibehielten*. 

Aus  den  rathsfähigen  Geschlechtern  der  Stadt  ist,  von  dem 
oben  schon  genannten  Pleban  Johann  von  Luchen  abgesehen^, 
nur  ein  Mann  genannt.  Der  in  Absatz  25  vorkommende  Johann 
Colijn  gehört  nämlich  wahrscheinlich  nicht  der  diesen  Namen 
führenden  Patrizierfamilie  an ;  er  wäre  sonst  durch  das  ehrende 
Prädikat  „Herr"  ausgezeichnet.  Auch  kommt  der  Vorname 
Johannes  in  jener  Familie  anscheinend  nicht  zur  Anwendung^. 

Der  einzige  Aachener  Patrizier,  den  das  Register  erwähnt, 
ist  der  in  Absatz  19  zur  nähern  Bezeichnung  des  von  ihm  in 
der  Bendelstrasse  bewohnten  Hauses  beiläufig  genannte  dominus 
Arnoldus  de  sancta  Margareta.  In  den  bis  jetzt  veröffentlichten 
Urkunden  tritt  er  nicht  auf;  sein  Geschlecht  wird  überhaupt 
erst  um  die  Zeit  der  Entstehung  des  Registers  genannt.  Eine 
Angehörige  desselben,  Maria,  Nonne  in  dem  vornehmen  Kloster 
der  Weissen  Frauen,  bezog  1376/77  und  1385/86  von  der  Stadt 
eine   Leibrente  l     Wilhelm   von   St.   Margarethen   wird    1387 


*)  Vgl.  Friedrich  Becker,  Die  deutschen  Satznamen.  Wissenschaft- 
liche Beilage  zum  Bericht  der  Gewerheschule  zu  Basel  1872/73. 

*)  Vgl.  die  ausgezeichneten  Untersuchungen  über  die  Herkunft  der  Be- 
völkerung bei  Karl  Bücher,  Die  Bevölkerung  von  Frankfurt  am  Main  im 
XIV.  und  XV.  Jahrhundert  I,  S.  154—176,  304-318,  422—505,  521—525, 
591—601,  627 — 655.  Aus  Aachen  sind  im  14.  Jahrhundert  drei,  im  15.  sieben 
Personen  in  Frankfurt  zu  Bürgern  aufgenommen  worden.  Von  den  zwischen 
1311  und  1500  eingewanderten  Juden  stammten  einer  aus  Erkelenz,  zwei 
aus  Jülich,  drei  aus  Linnich.  Vgl.  auch  K.  Wacker  in  den  Mittheilungen 
des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit  I,  8.  151,  Nr.  4. 

^  Vgl.  oben  S.  102. 

'*)  Vgl.  Register  zu  Band  I— VIT  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- 
vcrcins  S.  121  und  Register  zu  den  Annalen  des  bist.  Vereins  f.  d.  Nieder- 
rhein S.  140. 

»)  Laurent  S.  266,  Z.  32  -35;  S.  351,  Z.  20  ff. 


Die  Katharineiikapelle  beim  Aachener  Münster.  127 

genannt^;  Johann  von  St.  Margarethen'  war  vom  25.  Mai  1394 
an  ein  Jahr  Bürgermeister  *.  Er  wird  schon  1385/86  als  Raths- 
lierr  erwähnt'*,  gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts  als  Grund- 
besitzer der  Kölnthorgrafschaft  in  einer  Liste  der  zur  Stellung 
von  Pferden  verpflichteten  Bürger^,  vielleicht  auch  noch  in  einem 
angeblich  dem  15.  Jahrhundert  angehörigen  Zinsregister  als 
Eigenthümer  eines  Hauses  in  der  Peterstrasse  ^  aufgeführt. 

Ob  Wilhelm,  Johann  und  Maria  Geschwister  waren,  bleibt 
ebenso  unaufgeklärt,  wie  ihr  Verhältniss  zu  Arnold.  Erst  im 
Jahre  1423  tritt  wieder  in  Kolin  van  Magraten,  der  1446  als 
Seudschöffe  genannt  wird^,  ein  Angehöriger  des  Geschlechts 
auf.  Dieses  scheint  dann  bald  ausgestorben  zu  sein,  denn  schon 
1452  nennt  der  Aachener  Schöffe  Dam  von  Haren  den  Hof  „zo 
sent  Margraiten  buyssen  Sant-kuyle  portz",  von  dem  es  den 
Namen  führte,  sein  „erve  und  geseesse"  ^.  Das  Gut,  dessen  alte 
Baulichkeiten  heute  völlig  verschwunden  sind®,  blieb  in  der 
Familie   von  Haren   bis  zum  Jahre  1628,    in  welchem  Johann 


')  Laurent  S.  363,  Sp.  2,  Z.  4;  das  Bruchstück  umfasst  die  Zeit  vom 
6.  Januar  bis  2.  Februar. 

»)  Laurent  S.  397,  Z.  21;  S.  400,  Z.  12,  17, 

*)  Er  empfängt  eine  Weinspende,  weil  er  mit  dem  einen  Rentmeister  den 
Weissen  Frauen  das  übliche  Weingeschenk  im  Auftrage  der  Stadt  am  Frohn- 
leicbnamstage  überbracht  hatte;  ein  für  die  amtliche  Etikette  bezeichnender 
Zug.     Vgl.  Laurent  S.  298,  Sp.  2,  Z.  13  ff.  mit  S.  297,  Sp.  2,  Z.  30. 

*)  Loersch,  Achener  Rechtsdenkmäler  S.  188,  §  1. 

^)  Quix,  Geschichte  der  St.  Peter-Pfarrkirche  S.  23  a.  E. :  Item  her 
Juhan  van  s.  Margraten  van  Heynrichs  erve  was  van  Remunde   17  deuarios. 

*)  Vgl.  Annalen  des  bist.  Vereins  für  den  Niederrhein  XXI,  S.  266, 
Nr.  121  und  Loersch,  Achener  Rechtsdenkmäler  S.  130. 

0  Vgl.  Quix,  Geschichte  der  St.  Peter-Pfarrkirche  S.  139,  Nr.  20,  ferner 
Urkunde  von  1453,  Oktober  22,  das.  S.  146  f.  Im  Jahre  1465  war  ein 
jüngerer  Dam  von  Haren  (wahrscheinlich  der  Sohn  des  oben  (Jenannten) 
Eig^enthümer  des  Hofs,  vgl.  das.  S.  144,  Nr.  24.  Eine  auf  dem  Hofe  lastende 
Rente  wird  erwähnt  in  einem  Testament  von  1474,  Juni  30,  Zeitschrift  des 
Aachener  Geschichtsvereins  I,  S.  170  ff.  Genannt  wird  das  Gut  in  Urk.  von 
1536  bei  Quix,  Schloss  und  Kapelle  Bernsberg  S.  156,  Nr.  43. 

•)  Es  heisst  heute  noch  „der  Margroten-Knipp",  Sandkaulsteinweg 
Nr.  56. 


128  H.  Loersch 

von  Merode-Hoffalize  es  kauftet    Im  17.  Jahrhundert  wird  es 
als  Jülichsches  Lehn  bezeichnet*. 

Die  Benennung  des  alten  Sitzes  legt  die  Verrauthung  sehr 
nahe,  es  habe  in  seiner  Nähe  ein  der  h.  Margaretha  geweihtes 
kirchliches  Gebäude  bestanden.  Freilich  fehlt  jede  dies  bestäti- 
gende Nachricht.  Dass  ein  Oratorium  an  einer  stark  benutzten 
Strasse  und  am  Fusse  des  seit  dem  9.  Jahrhundert  mit  einer 
Kirche  geschmückten  Salvatorberges  errichtet  worden,  erscheint 
aber  sogar  wahrscheinlich,  und  im  Laufe  der  Jahrhunderte  kann 
eine  Kapelle  oder  Kirche  verschwunden,  deren  Name  geblieben 
sein.  Papst  Innocenz  IV.  erklärt  in  einer  Bulle  vom  9.  Dezem- 
ber 1248,  König  Wilhelm  habe  ihm  angezeigt,  wie  während  der 
jüngsten  Belagerung  von  Aachen  mehrere  Kirchen  dieser  Stadt 
völlig  zerstört  worden  seien;  er  gibt  deshalb  die  Erlaubniss, 
sie  an  andere  Orte  zu  verlegend  In  diesem  Erlasse  können 
kaum  Kirchen  gemeint  sein,  welche  innerhalb  der  Stadtmauer 
lagen,  denn  gegen  völlige  Zerstörung  waren  diese  geschützt, 
ebenso  wenig  kann  es  sich  um  St.  Peter,  St.  Jakob  und  St.  Adal- 
bert  handeln,  denn  alle  drei  werden  schon  1260  als  füi*  den 
Gottesdienst  benutzt  erwähnt*;  dagegen  liegt  es  sehr  wohl  im 
Bereiche  der  Möglichkeit,  dass  die  eine  oder  andere  kleinere 
Kirche  oder  Kapelle  in  der  nächsten  Umgebung  Aachens  durch 
das  lange  vor  der  Stadt  lagernde  Heer  oder  durch  die  häufige 
Ausfalle  machenden  Belagerten  zerstört  worden  wäre.  Der 
Kardinallegat  Peter  hatte  bekanntlich  sein  Lager  gerade  auf 
dem  Salvatorberg  aufgeschlagen  ^  So  erscheint  es  nicht  un- 
wahrscheinlich,   dass    in   jener   denkwürdigen   Belagerung   die 


*)  Vgl.  Qu  ix,  Hist.-topogr.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen  S.  130; 
Qu  ix,  Geschichte  der  St.  Peter-Pfarrkirche  S.  26;  Quix,  Die  Frankenburg 
S.  73.  Wenn  Quix  den  Namen  Margraten  bald  auf  „Maria  in  Rode",  bald 
auf  „Marca  in  rode"  trotz  der  feststehenden  lateinischen  Form  zurückführt, 
so  bedarf  der  wunderliche  Gedanke  keiner  Widerlegung. 

»)  Noppius,  Aacher  Chronick  (1632)  Th.  I,  S.  141  a.  E. 

')  Quix,  Codex  dipl.  Aquensis  p.  118,  no.  170;  Böhmer,  Regesten 
von  1246—1313,  Päpste,  Nr.  66;  Potthast,  Regcsta  pontificum   no.  13114. 

*)  Urkunden  Alexanders  IV.  bei  Quix,  Geschichte  der  St.  Peter-Pfarr- 
kirche S.  123  ff.,  Nr.  7  und  8;  Potthast  1.  c.  no.  17900,  17901. 

*)  Vgl.  Lacomblet,  Urkundenbuch  II,  S.  176,  Nr.  337;  Haagen, 
Geschichte  Achens  I,  S.  172  bezweifelt  wohl  ohne  Grund,  dass  in  dieser 
Urkunde  der  Salvatorberg  gemeint  sei. 


I>;e  Kutharin-nkaiH-iit   Ulm  Aa«*ij'D»T  >iu->ifr.  1:?.« 

Kai>elle  der  h.  Mar:ran:'th:i  verschwand,  w:^'tn:'nd  ihr  Auilenken 
in  dem  Xanien  df>  Sitzes  eiii^^s  schon  in  ir>.  .Tahrhuüdert  ebtMi- 
falis  verschwnutleiien  edlen  (ieschleclitrs  lortlebt  l»is  auf  unsere 


Tage. 


o. 


In  manclien  deutsrlien  Städten  hat  dt*r  Stadtbezirk  und  die 
in  ibni  sich  vollziehende  knnimunale  Ent^^^(•kelunir  von  vorn  herein 
mehrere  irleiehhereehtiirt  nebeneinantler  hoteliende  Ptarrl^ezirke 
umschldssen,  welche  dann  suirar  innerhalb  der  hohem  Einheit 
<ler  städtischen  Gemeinde,  nhne  ihre  kirchliche  Bedeutiuiir  ein- 
zuhiissen,  als  Sonderironieinden  irewisse  Funkti(»nen  der  ortlichen 
Verwaltun*r  übernehmen  bmnten  ^  In  Aachen  ist  der  Lauf  der 
Dinffc  ein  vrdliir  anderer  irewesen.  Hier  wurde  die  sresaninite 
Entwickelung  durch  den  Umstand  bedinirt,  dass  die  Stadt  aus 
der  Pfalz  erwuchs.  Die  Alles  überraorende  Betleutuns:  der  Pfalz 
ist  denn  auch  durchaus  massgebend  gewesen  tur  die  Gestaltung 
der  kirchlichen  Verhältnisse  und  zwar  zunächst  im  Sinne  einer 
vollständigen  Centralisirung.  Erst  nachdem  die  Verfassung  der 
Stadt  zu  allseitiger  und  endgültiger  Ausbildung  gelangt  war, 
sind  hl  den  kirchlichen  Einrichtungen  allmähliche  Veränderungen 
eingetreten,  welche  zur  Unterscheidung  mehrerer  Pfarrbezirke 
lahrten,  sich  aber  zu  spät  vollzogen,  als  dass  diesen  noch  irgend 
eine  Funkti<m  in  dem  Gemeindeleben  hätte  zufallen  können.  Die 
durchaus  eigenartige  Entwickelung  hat  übrigens  nicht  eiumal  zu 
voller  und  unbedingter  Selbständigkeit  der  Pfarreien  geführt: 
l>is  zum  Untergang  der  reichsstädtischen  Ordmingen  haben  sich 
<lie  Nachwirkungen  des  ursprünglichen  Zustamls  aufs  Deutlichste 
irelteud  gemacht. 

Die  Pfalz  und  der  im  Anschluss  an  sie  erwachsene  Ort 
Wldeten  von  Anfang  an  einen  einzigen  Pfarrbezirk,  der  sich 
wahrscheinlich  auch  über  einen  nicht  geringen  Theil  des  spätem 
Aachener  Reichs  erstreckte.  Die  Seelsorge  wurde  lediglich  von 
<ler  Pfalzkirche  aus  verwaltet.  Ein  beson<lerer  Priester,  der 
Plel)an  oder  Erzpriester,  mit  volksthümlichem  Ausdruck  im 
Mittelalter  Proffion  genannt,  wurde  dafür  angestellt.  Neben  der 
Walzkirche  bestand  eine  zu  ihr  gehörige  Taufkapelle,  die 
•Tohanniskapelle  am  Parvisch,  an  welcher,  wie  an  einigen  andern 

•)  Vgl.  die  Ausfühmiigen  vtm  E.  Lioscgaiig,  Die  Hümlergenieimlen 
Köln^,  Boun   1885. 

0 


130  H.  Loersch 

Oratorien,  ein  Kapellan  unter  dem  Pfarrer  fungirte  *.  Noch  im 
13.  Jahrhundert  war  dieser  Zustand  im  Wesentlichen  unverändert. 
Vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts  an  machen  sich  aber  verschiedene 
Einflüsse,  unter  denen  vor  Allem  das  Anwachsen  der  Bevölkerung 
in  und  um  der  Stadt  zu  nennen  ist,  geltend,  welche  die  Auf- 
lösung des  einheitlichen  Pfarrverbands  herbeiführen.  Im  Anfang 
des  17.  Jahrhunderts  waren  vier  Pfarrkirchen  mit  den  ent- 
sprechenden Bezirken  anerkannt.  Die  von  St.  Foilan,  im  Mittel- 
punkt der  Stadt,  dicht  bei  dem  Münster,  der  alten  Pfalzkapelle, 
gelegen,  hatte  in  gewissem  Sinne  dessen  Stelle  als  Hauptpfarr- 
kirche eingenommen  2,  war  die  Pfarrkiixhe  des  Erzpriesters  und 
Sitz  des  für  die  ganze  Stadt  zuständigen  Sendgerichts.  Ihr 
zur  Seite  treten  die  Kirchen  von  St.  Jakob  und  St.  Peter,  im 
13.  Jalirhundert  noch  einfache  Kapellen,  endlich  die  St.  Adalberts- 
kirche,  wie  jene  beiden  an  der  Peripherie  der  Stadt  gelegen, 
der  Sitz  eines  Kollegiatstifts,  deren  im  Anfang  unseres  Jahr- 
hunderts zerstörte  Krypta  aber  dem  Pfarrgottesdienst  eingeräumt 
war.  Keiner  dieser  Kirchen  stand  jedoch  ein  selbständiges 
Taufrecht  zu,  ganz  im  Geiste  der  ursprünglichen  Einheit  des 
Pfarrverbands  mussten  sänuntliche  Kinder  der  Stadt  die  Taufe 
in  der  Johanniskapelle,  zu  gewisser  Zeit  des  Jahres  im  Münster 
selbst,  empfangen  ^  Ausserdem  hatte  der  Pleban,  welcher  stets 
dem  Marienstift  als  Kanonikus  angehörte,  den  Rektor  der  Tauf- 
kapelle, sowie  den  Pfarrer  von  St.  Adalbert  zu  ernennen,  die 
Pfarrer  von  St.  Jakob  und  St.  Peter  zu  bestätigen  und  einzuführen  ^. 
Der  besondern  Bedeutung  der  Johanniskapelle  entsprechend  und 
weil  ihm  fast  regelmässig  der  Erzpriester  die  Ausübung  seiner 
Pfarrrechte  übertrug,  wurde  der  an  dieser  angestellte  Geistliche 
vielfach  ebenfalls  Pfarrer  genannt.  Zwischen  diesen  kirchlichen 
Zuständen  nun,  wie  sie  uns  die  städtischen  Chronisten  Peter 
von  Beeck  und  Johann  Noppius  schildern^,  und  den  einfachen 


*)  Vgl.  Pick,   Die  kirchlichen  Zustände  Aachens  in  vorkarolingischer 
Zeit,  in  Mittheilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit  I,  S.  1—24. 

*)  Noppius,   Aacher  Chronick  (1632)   Th.  I,  S.  81    spricht  von   einer 
förmlichen  Translation. 

3)  Vgl.  Pick  a.  a.  0.  I,  S.  18. 

*)  Vgl.  auch  die  von  Wacker  a.  a.  0.  I,   S.    143   mitgetheiltc   Auf- 
zeichnung. 

^)  Vgl.  Petri  a  Beeck  Aquisgramun   (1620)   p.  228—224   (durch   ein 
Versehen  heim  Druck  beginnt  die  Zählung  nach  S.  232  aufs  Neue  mit  223); 


L_ 


Die  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  131 

und  einheitlichen  Einrichtungen  des  13.  Jahrhunderts  lie^  eine 
Reihe  von  Uebergängen  und  Zwischenstufen.  Letztere  sind 
aber,  soviel  die  für  diese  Dinge  dürftige  Ueberlieferung  erkennen 
lässt,  nicht  sowohl  auf  bewusste,  durch  das  Eingreifen  der 
kirchlichen  Behörden  hervorgerufene  Aenderungen,  sondern  in 
weit  überwiegendem  Masse  auf  eine  allmähliche  Umbildung  der 
Stellung  der  einzelnen  Kirchen  und  der  Befugnisse  ihrer  Geist- 
lichen zurückzuführen.  So  lassen  denn  diese  Wandlungen  sich 
aucli  meist  nicht  an  bestimmte  Jahreszahlen  anknüpfen  und  durch 
einzelne  entscheidende  T>kunden  belegen,  es  sind  vielmehr  die 
in  der  Regel  unbeabsichtigten  Zeugnisse  zu  verwerthen,  welche 
in  den  verschiedenartigsten  Aufzeichnungen  und  Nachrichten 
enthalten  sind.  In  dieser  Richtung  bieten  denn  auch  einzelne 
Angaben  des  Rentenregisters  eine  willkommene  Vermehrung 
des  urkundlichen  Materials.  An  dieser  Stelle  muss  selbst- 
verständlich ein  kurzer  Hinweis  auf  das,  was  sie  im  Zusammen- 
hange mit  andern  Nachrichten  ergeben,  genügen. 

Die  Aenderung  in  der  Stellung  der  Kirchen  wie  ihrer  Geist- 
lichen findet  am  frühesten  Ausdruck  in  den  Bezeichnungen,  welche 
jenen,  und  den  Amtstiteln,  welche  diesen  beigelegt  werden. 
Die  wichtige  Verordnung  des  Sendgerichts  vom  81.  März  1269 
kennt  neben  dem  plebanus  nur  capellani  capellarum  suarum^ 
obgleich  diesen  letztern  bereits  einige  Jahre  früher  auf  Bitten 
der  städtischen  Behörden  gewisse  Rechte  übertragen  worden 
waren '^,  noch  im  Jahre  1295  wird  die  Marienkirche  als  die 
parrochialis  ecclesia  bezeichnet^;  schon  im  Jahre  1331  ist  aber 

Noppius,  Aacher  Chronick  (1632)  Th.  I,  S.  80—87,  S.  17,  S.  123;  Quix, 
Hist.-topogr.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen  S.  43—46,  48 — 52;  Quix, 
Historische  Beschreibung  der  Münsterkirche  S.  46  f.  lieber  die  Besoldung 
der  Pfarrer  im  17.  Jahrhundert  vgl.  Planker  in  der  Zeitschrift  des  Aachener 
Geschichtsvereins  VII,  S.  288  ff.  —  üeber  einzelne  Pfarreien  handeln:  Quix, 
Geschichte  der  St.  Peter-Pfarrkirche  S.  1 — 26;  .1.  J.  Kreutzer,  Beschreibung 
und  Geschichte  der  ehemaligen  Stifts-,  jetzigen  Pfarrkirche  zum  heil.  Adalbert 
S.  3,  36 — 42 ;  Rhoen,  Die  St.  Jakobskirche  in  Aachen,  Zeitj^ehrift  des  Aachener 
(Jeschichtsvereins  V,  S.  37—52;  Dresemann,  Die  Jacobskirche  zu  Aachen. 
Letztere  Schrift  konnte  hier  nur  an  einzelnen  Stellen  bei  der  Korrektur  noch 
berücksichtigt  werden.  Vgl.  ausserdem  die  Angaben  des  Registers  zu  Bd. 
I — VII  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  S.  29  ff. 

*)  Loersch,  Achener  Kechtsdenkmäler  S.  34,  §  1;  Quix,  Cieschichte 
der  St.  Peter-Pfarrkirche  S.  125,  Nr.  9. 

*)  Quix  a.  a.  0.  S.  5  ff.,  S.  123  ff.,  Nr.  7  und  8. 

8)  Ablassbrief  von     1295,  April  1  bei  Quix  a.  a.  0.  S.  126,  Nr.  10. 

9* 


132  n.  Loerseh    " 

von  den  universae  ecclesiae  parrochiales  Aquenses  in  einem 
Weisthum  desselben  Sendgerichts  die  Rede  ^  und  die  bei  diesen 
fungirenden  Geistlichen  werden  nicht  mehr  Kapellane  genannt, 
sondern  erhalten  den  an  sich  farblosen,  weil  für  jeden  ange- 
stellten Priester  zu  gebrauchenden  Titel  „ Rektor **  ^  Dieser 
Titel  erscheint  aber  oifenbar  als  ein  höherer  gegenüber  dem 
ursprünglichen,  und  so  spricht  auch  der  Schreiber  des  Renten- 
verzeichnisses, im  Widerspruch  mit  der  Redeweise  der  Stiftungs- 
urkunde ^  in  Absatz  12  voa  dem  Rektor  der  Katharinenkapelle 
und  in  Absatz  3  von  den  Rektoren  zweier  andern  Kapellen  des 
Münsters^.  Für  die  Geistlichen  der  Aachener  Pfarrkirchen  war 
dann  im  15.  Jahrhundert  der  Titel  Rektor  der  amtlich  übliche^, 
aber  Papst  Innocenz  VIII.  sagt  in  einer  Bulle  vom  15.  März 
1484,  die  vier  Rektoren  der  Pfarrkirchen  würden  auch  Pfarrer 
genannt^.  Dieser  Sprachgebrauch  hat  sich  denn  auch  schon  im 


*)  Loerseh,  Achencr  Rechtsdenkmäler  S.  45,  §  1;  Quix  a.  a.  0. 
S.  128,  Nr.  12. 

"')  Loerseh  a.  a.  0.  S.  50;  Quix  a.  a.  0.  S.  182;  vgl.  Mooren  in 
Annalen  des  hist.  Vereins  für  den  Niederrhein  V,  S.  VI  f. 

■'*)  Vgl.  S.  96,  Anm.  2. 

*)  Genannt  werden  in  Abs.  3  die  Barbara-  und  die  NikolauskapeUe. 
Erstere  lag  an  der  Südseite  des  Vorhofs  der  Taufkapelle  zunächst;  vgl. 
(Juix,  Historische  Beschreibung  der  MüiLsterkirche  S.  49;  Rhoen  in  der 
Zeitschrift  des  Aachener  Gesi'hichtsvereins  VIII,  S.  76.  Sie  wird  einmal 
erwähnt  im  Nekrologium  zum  21.  Februar,  Quix,  Necrologium  p.  12,  1.  13. 
Die  Nikolauskapolle  ist  die  jetzige  Kreuzkapelle  (Quix,  Hist.  Beschreibung 
der  Müusterkirehe  S.  40),  welche  sehr  oft  als  Begräbnissstätte  genannt  w^ird; 
vgl.  über  sie  Franz  Bock,  Rheinlands  Baudenkmale,  Ser.  I,  Nr.  9.  -  Nicht 
klar  ist,  was  Absatz  5  mit  der  „eapeUa  de  capitulo  iuxta  sanctum  Egidium" 
meint;  wahrscheinlich  ein  neben  der  Aegidiuskapelle  im  Kreuzgang  des 
Münsters  liegendes  Oratorium.  Ueber  die  Aegidiuskapelle  vgl.  Quix  a.  a. 
O.  S.  51.  Sie  wird  schon  1215  als  capella  s.  Egidii  in  claustro  (Quix,  Die 
königliche  Kapelle  S.  88)  und  einige  Mal  als  Begräbnissstelle  im  Nekrologium 
genannt  und  muss  wohl  unterschieden  werden  von  der  in  der  Pontstrasse 
gelegenen,  demselben  Heiligen  gewidmeten  Kapelle,  vgl.  Quix,  Hist.-topogr. 
Beschreibung  der  Stadt  Aachen  S.  94. 

*)  Vgl.  den  Eingang  zur  Verordnung  von  1446,  Dezember  16  bei  Loerseh, 
Arhener  Rechtsdenkmäler  S.  131  und  Quix,  Geschichte  der  St.  Peter-Pfarr- 
kirche S.  105,  Anm.  1 ;  hier  werden  die  Rektoren  der  Kapelle  zu  St.  Johann, 
der  Kirchen  von  St.  Jakob  und  St.  Peter,  der  Pfarre  zu  St.  Adalbert  genannt. 

*^)  Archiprcsbyter  pastor  nuncupatus  S.  Foilani  dicti  opidi  nee  non 
«luatuor  rectores  etiam  pastores  nuncupati  S.  Petri,  S.  .lacobi,  S.  Adalberti, 
S.  Joannis  parochialium  ecdcsianun,  vgl.  Noppius,  Aacher  Chronick  (1632) 


Die  Kathariiienkapelle  beim  Aachener  3Iüii.ster.  133 

14.  Jahrhundert  entwickelt,  wie  Absatz  15  des  Rentenregisters, 
der  von  der  domus  pastoris  sancti  Jacobi  spricht,  und  ein  von 
Quix  dem  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  zugewiesenes,  vielleicht 
etwas  älteres  den  Herrn  Fryso,  pastoir  zu  S.  Peter  zerzyt, 
nennendes  Zinsbuch  ^  beweisen. 

Die  oben  erwähnte  Verordnung  des  Sendgerichts  von  1269 
kennt  nur  einen  einzigen  Begräbnissplatz;  es  ist  bezeichnend, 
dass  eine  Abschrift  derselben  aus  dem  15.  Jahrhundert,  mehrere 
Kirchhöfe  voraussetzend,  absichtlich  hier  die  Mehrzahl  setzt  ^. 
Wann  die  Pfarrkirchen  das  Reclit  des  Begräbnisses  erlangten, 
steht  nicht  fest;  sie  haben  es  jedenfalls  sclion  im  Laufe  des 
14.  Jahrhunderts  geübt,  denn  Absatz  17  des  Rentenregisters 
spricht  von  dem  cimiterium  sancti  Petri.  Auch  in  einem  der 
zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  angehörigon  vSchreiben,  das 
aber  älter  ist  als  das  Rentenregister,  wird  der  Kirchhof  vcm 
St.  Peter  erwähnt'*.  Ohne  den  Gegenstand  irgendwie  erschöpfend 
behandeln  zu  wollen,  sei  liier  noch  darauf  hingewiesen,  dass  das 
ausschliessliche  Pfarrrecht  der  Münsterkirche  überhaupt  und 
namentlich  rücksichtlich  der  Beerdigungen  vielfach  und  früh 
durchbrochen  worden  ist.  Das  Adalbertsstift  hatte  ebenso  wie 
das  Münsterstift  von  vorn  herein  für  seinen  Bezirk  und  seine 
Angehörigen  die  volle  Immunität.  Bei  diesem  wie  bei  jenem 
übte  der  Dekan  des  Stifts  die  Rechte  des  Pfarrers  im  Immunitäts- 
bezirk'*. Auch  in  dem  Beginenhof  von  St.  Stephan  war  der 
Dekan  des  Marienstifts  von  jeher  der  Pfarrer  der  (lenossen- 
schaft  l    In  entsprechender  Weise   erhielten  die    Beginen   von 

Tb.  III,  8.  13,  und  ähnlich  in  dor  BuUe  vmi  1485,  Januar  24,  das.  Th.  III, 
S.  17.  Entsprechend  in  einer  Verhandlung  von  1487,  Oktober  26:  Wilhelm 
Lentz  puÄtoere  sent  Pet(;r,  Claes  van  lllnipt  pa.stoen;  sent  Ailbret,  aber 
Johan  \Vet7xd  rector  sent  .Tohan,  vj^l.  Loersch,  Achener  Kechtsdenkmäler 
8.  228  a.  E.  In  Urk.  Eugens  IV.  von  1443,  Februar  12  heilst  e«  rector 
parochialis  ecclesie  s.  .Jacobi  und  so  dann  öfter,  in  Urk.  von  1447,  Februar  0 
ist  aber  schon  Rede  vom  pastor  s.  Jacobi;  vgl.  Dresemann  a.  a.  O.  S.  91  ff. 

')  Quix  a.  a.  0.  8.  21. 

0  Loersch,  Achener  Recht^denkmiiler  8.  34,  §  8  vpl.  mit  S.  3r>. 

•'')  Quix,  Schloss  und  ehemalii^e  Herrschaft  Rimburf^  8.  48. 

*)  Vgl.  J.  J.  Kreutzer,  Beschreibun*r  und  (Joscbichte  der  ehemal. 
8tift8-,  jetzifi^en  Pfarrkirche  zum  h(al.  Adalliert  S.  30  f.;  Quix,  Reiträire  zur 
(fcschichte  der  Stadt  und  des  Reichs  von  Aachen  I,  8.  32. 

^)  Vgl.  Quix  a.  a.  (».  1,  8.  33. 


134  H.  Loersch 

St.  Mathiashof  gleich  bei  der  Gründung  dieser  Anstalt  das 
Begräbnissrecht  ^  Höchst  wahrscheinlich  ist  bei  St.  Peter  wie 
bei  St.  Jakob  schon  in  frühester  Zeit  mit  Zustimmung  des 
Erzpriesters  für  jeden  einzelnen  Fall  beerdigt  worden  und 
daraus  dann  nach  und  nach  die  Uebung  des  Begräbnisses  auf 
den  beiden  Kirchhöfen  erwachsen. 


IV. 

Redditus  pertinentes  ad  capellam  sancte  Katerine 

Aquensis*. 

1 .  Primo  in  festo  nativitatis  sancti  Johannis  Baptiste  Wilhelmus 
de  Kayenborne  in  Wirijchsbftngart  in  der  Rien  ^  1  marcara 
Johannis. 

2.  Item  Tiel  Heynen  s&n  Va  sumber  oley,  qui  moratur  iuxta 
portam  Bftrtschetensem 2,  Christi^. 

3.  Item  dimidium  sumber  olei  in  Koegas,  de  quo  sciunt  loqui 
rectores  kapellarum  sancti  Nicolai  et  Barbare  *'^,  et  hoc 
solvit  faber  de  Wechauuen'*  in  nativitate  Christi''. 

4.  Item  der  swertzerseh^  htiys  circa  portam  Bortzetensem 
interiorem^  3  solidos  Johannis. 

5.  Item  capella  de  capitulo  iuxta  sanctum  Egidium  ^  ex  parte 
Ade  Roist  12  denarios''  Johannis. 

6.  Item  celerarius  dominorum^  12  deuarios**  in  assumptione 
ex  parte  plebani  de  Lüchen  ^^. 

7.  Civitas  de  magna   domo  magistrorum  civium  27  solidos^ ^. 


*)  Urk.  von  1261,  Februar  25  bei  Lac om biet,  Urkundenbuch  II,  S.  288, 
Nr.  512  (bei  Quix  a.  a.  0.  I,  S.  88,  Nr.  2):  infra  sua  septa  capellam  habeant 
et  cimiteriura  ac  sacerdotein  proprium  et  specialem. 

a)  seitwärts  am  obern  Bande  vide  de  oflfertorio  in  festo  sancte  Katerine 
et  de  presencia  chori.  *>)  am  vordem  Rande  dieser  Zeih  Nota,  c)  uridetälich, 
ob  aus  ß  (solidos)  verändert  oder  umgekehrt.  ^)  nach  den.  gelöscht  Johannis. 
0)  in — Lüchen  zwischen  den  Zeilen  nachgetragett.  9  Absatz  7  ist  am  äussern 
Bande  nachgetragen  und  durch  Striche  an  diese  Stelle  verwiesen. 

0  S.  108.  2)  s.  109.  »)  S.  132,  Anm.  4.  *)  Dorf  Vetschau,  Ldkr. 
Aachen,  Bgstr.  Laurensberg.  *)  S.  125.  «)  S.  109.  ')  S.  106,  Anm.  5. 
8)  S.  102.    ö)  S.  113-121. 


Die  Katharinenkapelle  beim  Aachener  Münster.  135 

Sequitur  de  redditibus  in  festo  dedicacionis  Aquensis  ^ 

cedentibus. 

8.  Prirao  Jobannes  de  Traieeto  in  opposito*   domus  de  aurea 
barba*  1  marcam  in  magna  dedicacione  Aquensi. 

9.  Item  des  Swäuen  hftys  ^,  in  qua  moratur  magister  Tilmannus 
carpentarins,  super  curiam*  1  marcam  in  dedicacione. 

10.  Item  ibi  prope  in  quadam  parvula  domo,  ubi  ascenditur  per 
gradum,  V«  nmrcam. 

11.  Item  sartor  super  curiam*  de  tota  domo  infra  et  supra  1 
marcam,  et  est  sita  super  dictam  curiam  circa   balneum^ 

12.  Item  eciam  quinque  iurnalia  prati  valde  boni**  circa  Sorse 
descendendo,  ubl  seeundum  fidedignorum  expertorum  asser- 
tionem^    unicuique    illorum   quinque   iurnalium  in   valore** 

dlcitur  pecunia  duorum  florenorum®  Aquensium,  in 

quibus  pratis  predictls  magna  iniuria  facta  dicitur  multis 
temporibus  rectori  capelle^. 

Sequitur  de  illis  qui  in  festo  sancti  Renügii. 

13.  Primo  super  curiam*  Henricus  de  Gelre  de  domo  sua  10 
solidos  Remigii,  solvuntur'  in  nativitate  Christi*. 

14.  Item  domus  Vetten^  in  Kockerel  1  marcam  in  nativitate 
Christi. 


ä)  Hs.  oppositu.  *>)  valde  boni  über  der  Zeile.  ^)  IIs.  assertione.  <*)  das 
nach  valore  folgende  Wm't  ist  sehr  undeutlich  mit  mehrem  Abkürzungen 
geschrieben,  es  liest  sich  fast  wie  corrundera,  was  freilich  ganz  ausgeschlossen 
ist;  man  müsste  der  Bildung  des  Satzes  gemäss  ein  Zeitwort  erwarten,  aber 
Cdrronderc  oder  corrundare,  wie  man  zur  Xoth  herauslesen  könnte,  heisst 
nichts,  e)  duorura  florenorum  über  der  durchstrichenen  und  fast  unleserlich 
gi  wordenen  ursprünglichen  Angabe  octo  marcarum.  ^)  undeutlich  durch  vorher^ 
gehende  Loschung.  »)  es  folgt  durchstrichen  Primo  civitas  Aquensis  de 
magna  domo  magistrorum  civium  27  solidos,  solvuntur  in  nativitate  Christi  — 
tor  solvuntur  gelijscht  ein  unlesbar  gemachtes  Wort  und  in  dedicacione. 

0  S.  108.  «)  S.  123.  «)  S.  124.  *)  Strasse  am  Hof.  »)  Hinter  dem 
j«;tzigen  Kaiserbad  oder  neben  dem  jetzigen  Quirinusl)ad.  *)  Dotations- 
urkunde (vgl.  S.  96,  Anm.  2):  ...  molendinum  meum,  quod  Wolfesmolen 
dicitur,  cum  pratis,  iuribus  et  aliis  nomine  meo  ad  ipsum  molendinum 
spectantibus  coutuli.     S.  auch  S.  lo:if.  und   V.VZ.     ^)  S.  123. 


136  IL  Loersch 

15.  Item  qiiedam  domus  contigua  domui  pastoris  saiicti  Jacobi^ 
44  denarios  in  nativitate  Cliristi. 

16.  Item  Grien tzen  höys  vor  dat  Parvisch^  33  denarios  Christi". 

17.  Item  in  platea  sancti  Petri  quedam  domus»',  cuius  media 
parsfiüt  Johannis  dicti  Terlure*',  qiii  fuit  stultus,  que  domus 
Sita  est  ultra  introitum  cimiterii  sancti  Petri  ^  modicum 
superius,  34  denarios,  solvit  Johannes  de  Heyda  Christi. 

18.  Item  in  Pünt  de  domo  quondam  Kampmeysters  6  solidos 
Christi. 

19.  Item  in  Benentstroysse  de  domo,  quam  inhabitat  dominus 
Arnoldus  de  sancta  Margareta,  3  solidos  et  2  capones 
Christi  K 

20.  Item  de  domo  parve  Eve,  quam  inhabitat  Hermannus  Riesse 
et  uxor  sua,  12  denarios  Christi. 

21.  Item  quintam  partem"*  33  florenorum  et  4  grossorum  anti- 
quorum  ex  parte  bonorum  de  Merssen  ^,  quam  quintam  partem 
habet  solvere  celerarius  dominorum   in  nativitate  Christi^. 

22.  Item  circa  montem  salvatoris  Katherina  filia  opilionis  de 
domo  sua  3  solidos  in  nativitate  Christi  ^ 


«)  vor  3H  gelöscht  13  denarios  (Christi.  *»)  //.v.  zweimal  quedain  domus. 
^)  vielleicht  auch  Turlure,  die  Aökürztnif/  ist  nicht  röllitj  deutlich;  wäre  sie 
tu'rht  beabsichtigt y  dann  müsste  der  Name  C*iure  oder  Flure  gelescft  werden. 
<i)  nach  partem  gelöscht  de. 

0  S.  133.  -)  S.  101.  •')  H.  133.  ♦)  S.  108,  126- 12J).  ^)  Meerssen, 
Provinz  Limburc;,  Köuigreicli  der  Niederlande.  ^)  Dotationsurkiuide  (vgl. 
S.  1)6,  Anm.  2):  Quiequid  vero  superest  qninque  mareis  denariorum  agj^ari- 
orum  (Lacomblet  verbessert:  auüariorum)  Mersneusium  et  tribus  mareis 
a  preposito  Aqueii^^i  lej^atis,  una  in  l'esto  beati  Leonis,  aJtera  in  .suo  anni- 
versario,  tertia  in  patris  et  matris  anniversario,  ad  instant iam  meam  et  pro 
salute  auime  sue  eidem  contulit  sacerdoti  possidendum.  Zinsregister  der 
Kellnerei  des  Marienstifts  von  1320  bei  Qu  ix,  Necrologinm  p.  78,  l.  20: 
Item  in  Mersen  habent  domini  10  marcas  et  super  40  grossorum  autiquorum 
Turonensium  pro  marca.  Inde  babe)»it  capellanus  capelle  sanete  Katerine 
virginis  2  mantas  de  eadem  moneta.  Die  Worte  „et  super  40  grossonira 
antiquorum  Turonensium  pro  marea**  sind  unzweifelhaft  unrichtig  wieder- 
gegel)en,  man  erwartet:  „et  supra,  40  grossis  antiquis  Turouensibus  pro  marea 
eomputatis"  oder  ähnlich.  -  -  Die  Spende  zum  Todestage  der  Mutter  ist  zum 
5.  März  verzeichnet  im  Necrologium  p.  14,  l.  17:  0.  Agnes,  mater  prepositi 
Ottonis,  pro  cuius  commemoratione  habemus  marcam  de  Mersana.  —  Ueber 
den  ganzen  Absatz  vgl.  S.  105—107.     •)  Ö.  109. 


Die  Xatliariiieukapelle  beim  Aachener  Mtlu^ter.  137 

23.  Item  zä  Richtercheu  *  de  magna  curia  sita  prope  cimiterium 
10  capones  et  unam  curmedam  et  20  denarios,  pro  qua 
curmeda  libenter  anmiatim  daret  duos  grossos  antiquos,  in 
nativitate  ( liristi  ^. 

24.  Item  zft  den  Rost  vor  <iat  Parvisch    12   denarios  ('hristi^ 

25.  Item  Johannes  ('olijn  ^  ante  novam  portam  solvit  unam  Ubram 
eere  perpetue  de  pratis  et  vivario,  que  quondam  fuerunt* 
dicti  Liboen,  iuxta  domicellorum  cimiterium  •'^,  in  festo  domus 
Spiritus  in  platea  de  Gey^  in  nativitate  Christi. 

In  purificacione. 

26.  Item  Katherina  de  Düren  in  Trietergas  1  antiquum  grossum 
in  purificacione. 

27.  Item  in  balneo  de  domo  Sewis^  0  solidos  in  carnispriAno. 

28.  Item  ex  parte  domicelle  Aleydis  de  Ailsdoq)®  2  solidos 
letare. 

20.  Item  Petrus  dictus  Schorre  supra  montem  sancti  Adalberti 
6  solidos  in  festo  pasce. 

30.  Item  Heylka  Spere  1  solidum  ('hristi. 

31.  Item  Ooblinus  pater  noster  ostendit''  in  platea  acuta  3 
solidos  ^. 


»)  nach  fuerunt  Raum  filr  etwa  rier  Buchstaben.  *»)  die  beiden  letzten 
Buchstaben  undeutlich  verschlungen. 

0  Richterich,  Dorf,  Ldkr.  Aachen.  ^)  Dotationsnrkunde  (v^l.  S,  9H, 
Anm.  2):  Volo  etiam  quod  predictus  sacerdos  novcin  deuario.s  et  decem  capones 
cnm  aliis  obventionibus,  cormediis  et  aliis  iuribus,  que  habeo  de  duobus  areis 
iu  Hioht^rken,  etemaliter  possidoat.  —  Ueber  den  ganzen  Absatz  \^\.  ö.  104  t*. 
3)  S.  124  f.  ^)  S.  12«.  '')  8.  109-113.  «)  Gängstrasse,  jetzt  Jesuiten- 
strasse;  vgl.  8.  103,  Anm.  1  und  8.  108,  Anm.  4.  ')  S.  124.  »)  Alsdorf, 
Dorf,  Ldkr.  Aachen.  Kino  Alheidis  laica  de  Alsdorf  wird  im  Memorienbuch 
des  Klosters  Wenau  zum  27.  Januar  und  zum  14.  Oktober  genannt,  Zeit- 
schrift des  Aachener  (icschichtsvcreins  IV,  S.  2«3,  Z.  107,  S.  292,  Z.  1068. 
Ueber  das  Geschlecht  von  Alstorp  vgl.  Fahne,  (Jeschichte  der  Kölnischen, 
Jülichschen  und  Bergischen  (Geschlechter  I,  8.  57;  II,  8.  2.     «)  8.  125  f. 


Aachener 
Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele. 

Von  M.  Schollen. 

(Sclilnss.) 

98.    Stucke. 

Einer  nimmt  8  Spielsteine  in  die»  Hand  und  rollt  sie  in  der 
Richtung  des  Küllche  oder  SUickkäppche  auf  dem  Boden  fort. 
Geräth  eine  ungerade  Zahl  in  das  Küllche,  so  hat  er  den  vorher 
vereinbarten  Einsatz  an  Spielsteinen  oder  Pfennigen  gewonnen, 
wenn  eine  gerade,  so  hat  er  verloren.  Die  Mitspielenden  gehen 
unter  sich  noch  Wetten  ein,  je  nachdem  man  dem  Spieler  Geschick- 
lichkeit zutraut,  mit  Treffe  oder  Fedhle^. 

99.  Paar  of  Onpaar. 

Einer  hält  Spielsteine  in  der  verschlossenen  Hand,  der 
Mitspielende  muss  errathen,  ob  die  Zahl  derselben  eine  gerade 
oder  ungerade  ist^ 

100.  Aar  of  Bleng^ 

Derjenige,  welcher  das  Spiel  beginnt,  wirft  die  von  jedem 
Mitspieler  ratirlich  beigetragenen  Geldstücke,  vorher  in  beiden 


*)  Ucbcr  dieses  Spiel  im  Alterthum  s.  Richter  a.  a.  0.  S.  73.  Es 
hcisst  in  Köln  „Alle  Juclite"  und  soU  von  Neger-Janitscharen  eines  fran- 
zösischen Regiments  dorthin  gebracht  worden  sein.  Vgl.  Weydeu  a.  a.  0.  S.  75. 

*)  Dieses  Rathespiel  war  ein  recht  volksthümliches  Spiel  im  Alterthum, 
s.  Richter  a.  a.  ().  S.  21.  Während  99  und  100  hier  in  Aachen  zwei 
verschiedene  Spiele  darstellen,  sind  sie  bei  Z.  S.  42  und  R.  S.  424  identisch. 
Dort  heissen  sie  „Gerad  und  Ungerad".  Unter  diesem  Namen  wird  es  bereits 
im  Renner  V,  2785  erwähnt: 

Rite  ein  grä  man  üf  und  ab 


und  spilte  grad  und  ungerade. 

^)  Aar,  die  Adler-  oder  Vorderseite  auf  den  frühem  (rcichsstädtischcn) 
31  Unzen,  wogegen  die  Rückseite  Bleng,  d.  h.  blinde  Seite  genannt  wird.  Vgl. 
Mülle r-\Veitz  a.  a.  0.  unter  Aar. 


L#  ■.      El 


Aachener  Volks-  und  Kinderliedcr,  Spiellicdcr  und  Spiele.  139 

Händen  wohl  durcheinander  geschüttelt,  in  die  Luft  und  gewinnt 
diejenigen,  welche,  auf  den  Boden  gefallen,  die  Aar-(Bild-)Seite 
zeigen;  in  derselben  Art  verfahren  der  zweite  und  die  folgenden, 
bis  alle  Stücke  ausgespielt  sind.  Die  Reihenfolge  der  Spieler 
wird  durch  das  Latsche  bestimmte 

101.    Lötsche. 

Das  Spiel  dient  zunächst  zur  Bestimmung  der  Reihenfolge 
der  Spieler  bei  Aar  of  Bleng,  für  dieselbe  ist  die  durch  Werfen 
eines  Geldstücks  nach  einer  bestimmten  Grenze  entstandene 
geringere  oder  grössere  Entfernung  massgebend;  sodann  wird 
es  ausgeführt: 

a.  indem  man  nach  einem  in  die  Erde  gesteckten  Geldstück 
wirft,  derjenige  hat  es  gewonnen,  dem  es  gelingt,  es 
zu  entfernen; 

b.  durch  Werfen  mit  GriflFelstümpfchen  nach  einer  bestimmten 
Grenze,  wobei  derjenige  gewinnt,  welcher  einen  der  dort 
liegenden  Griffel  trifft. 

102.    Kott  öm  et  Langt  trecke. 

Wird  ausgeübt  zur  Bestunmung  der  Reihenfolge  bei  ver- 
schiedenen Spielen^. 


*)  Auch  dieses  Spiel  war  im  Altcrthum  bereits  bekannt,  s.  Richter 
a.  a.  0.  S.  16.  Im  Elsass  rufen  die  Mitspieler:  Kopf  oder  Minz,  in  Frank- 
reich: face  ou  pile.  Fr,  IV,  S.  8.  Das  Geldspiel  muss  in  früherer  Zeit  in 
Aachen  so  überhand  genommen  haben,  dass  der  Rath  sich  zum  Einschreiten 
genöthigt  sah.  So  verordnet  ein  Beamten-Protokoll  vom  26.  Mai  1662,  Pick 
in  der  Aach.  Volkszeitung  1885,  Nr.  199:  „Alle  Dänz  und  das  Bauschen- 
spiel der  Jungen  und  Papageischicsscn  solle  durch  den  Wechtem  in  den 
Grafschaften  ernstlich  vcrbotten  werden, .  warauf  die  Butterwieger  fleissige 
aufsieht  nehmen  und  mit  Zuziehung  nötiger  Soldaten  die  Verbrecher  mit 
abnehmung  huet  und  mantelen  zum  abschreck  bringen  sollen."  In  neuerer. 
Zeit,  am  27.  April  1852,  erliess  der  Polizei-Direktor  Hasslacher,  s.  Schollen, 
Polizeihandbuch  S.  635,  ein  Verbot  hinsichtlich  des  Spielens  um  Geld  auf 
öffentlichen  Strassen  und  Plätzen  in  Aachen. 

*)  Das  Halraziehen  fand  sogar  in  die  Rechtsgebräuche  Eingang.  Vgl. 
(irimm,  Deutsche  Rechtsalterthümer  S.  121,  wo  es  heisst:  „Der  halm  wird 
zum  zeichen  feierlicher  auflassung,  entsagung  oder  kündiguug  mit  der  band 
geworfen,  gereicht,  gegriffen,  bald  von  den  betheiligten,  bald  von  dem 
richter."  Später  wurde  der  Halm  ein  so  allgemeines  Mittel  das  Loos  zu 
ziehen,  dass  man  geradezu  sagte:  „Wir  wollen  den  Halm  ziehen'^,  auch 
wenn    kein   Halm   zum    Loosen  gebraucht   wurde,   und    did^M^feute   oft 


HO  M.  Schollen 

103.    Steiche  losse. 

In  ein  Schulbuch  werden  ganz  willkürlich  Bildchen  gele«jrt, 
derjenige,  der  ^stechen"  will,  muss  ein  Bildchen  setzen,  sticht 
er  nun  an  einer  Stelle,  wo  ein  Bildchen  sich  befindet,  so  hat 
er  dieses  gewonnen  und  darf  das  eingesetzte  behalten. 

104.    Kätsche. 

Der  Spieler  muss  den  Ball  (Katscli)  etwa  1  m  hoch  werfen 
und  beim  Herunterfallen  dem  Gegenüber  zuschlagen;  trifft  er 
den  Ball  nicht,  so  heisst  es  eng  Mcis^j  alsdann  beginnt  er  wieder; 
trifft  er  auch  dann  nicht,  so  wird  ihm  zugerufen  zwei  iULsc, 
beim  dritten  Mal  a])er:  de  drmle  Kier  lank;  er  ist  dann  seines 
Spielrechts  verlustig  "K 

105.    Reiterspiel. 

Dieses  Spiel  wird  von  8  und  mehr  Knaben,  wovon  die  eine 
Hälfte  die  Pferde,  die  andere  die  Reiter  darstellt,  gespielt. 
Sie  nehmen  im  Kreise  Aufstellung,  worauf  die  Eeiter  sich 
gegenseitig  einen  Ball  zuwerfen;  erhascht  einer  der  Reiter  den 
Ball  nicht,  so  sitzen  alle  ab  und  laufen  weg  mit  Ausnahme  des 
Reiters,  der  den  Ball  verfehlte.  Dieser  greift  denselben  und 
wirft  nach  den  fliehenden  Reitern,  trifft  er  einen,  so  muss  dieser 
Gaul  sein,  trifft  er  keinen,  so  muss  er  Gaul  sein^. 

106.  Pädche  spelle. 

Ein  Kind  stellt  das  Pferd,  das  andere  den  P^uhrmann  vor. 
Den  Zügel  verfertigen  die  Knaben  aus  mehrfiirbiger  Wolle  auf 
einem  Instrument,  das  aus  einem  ausgehöhlten  Pfropfen  l)esteht, 
und  auf  dessen  Rand  4  Stecknadeln  befestigt  werden. 

107.  Bock  sprenge. 

Von  den  Mitspielenden  stellt  sich  einer  mit  dem  Rücken 
gegen  die  Mauer,  ein  zweiter  legt  sich   mit  dem  Kopf  gegen 

j^ebraiichtc  Redensart  „den  KürzATn  ziehen"  davon  herrührt.  Z,  S.  33. 
Ueher  das  Halmziehen  und  -messen  s.  Slmrock,  Gedichte  Walthers  von 
der  Vogelweidc  I,  8.  195. 

^)  Fehlsehlag.  ^)  Zur  (Jeschichtc  des  schon  im  Alterthum  bekannten 
BaUspiels  vj?l.  Richter  a.  a.  0.  S.  13  und  18;  h\  S.  383;  Z.  S.  85. 

^)  Dasselbe  Spiel  hat  K.  S.  135  unter  der  Bezeichnung:  Reiter,  Reiter, 
Rittera.  In  Strassburg  heisst  es  Balle  ritters,  in  3Iülhauscn  Faelballclis. 
h\  IV,  S.  8. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  141 

(lea  Bauch  des  Stehenden,  so  den  Bock  bildend.  Von  den  Auf- 
springenden muss  der  letzte,  nachdem  er  sitzt,  dreimal  in  die 
Hände  klatschen,  ohne  mit  den  Füssen  bis  an  die  Erde  zu 
kommen;  gelingt  dies  nicht,  so  wechseln  die  Rollen. 

Eine  andere  Art  des  Spiels  ist  diese: 

Sämmtliche  Mitspieler  bis  auf  einen  stellen  sich  in  einiger 
Entfernung  von  einander  mit  gekrümmtem  Rücken  auf.  Nun 
muss  der  eine  über  sämmtliche  wegspringen  und  sich  dann  selbst 
stellen,  hat  er  den  zweitletzten  passirt,  so  folgt  ihm  der  letzte 
u.  s.  f.  * 

108.    Hötche  werepe. 

Die  Knaben  legen  ihre  Mützen  der  Mauer  entlang  neben 
einander,  ein  Knabe  wirft  mit  einem  Ball  nach  den  Mützen, 
geräth  der  Ball  in  eine  Mütze,  so  muss  der  Eigenthümer  der- 
selben den  Ball  ergreifen  und  nach  den  schnell  sich  entfernenden 
Mitspielern  werfen.  Trifft  er  einen,  so  wird  diesem  ein  Steinchen 
in  die  Mütze  gelegt,  trifft  er  keinen,  so  erhält  er  selbst  ein 
Steinchen.  Wer  zuerst  7  Steinchen  hat,  muss  Spetz  nohlou/e,  d.  h. 
die  Mitspieler  stellen  sich  gegenüber  auf,  der  Verlierende  durch- 
schreitet zunächst  dreimal  die  gebildete  Gasse,  alsdann  muss  er 
dreimal  durchlaufen,  bei  welcher  Gelegenheit  ihm  die  Stehenden 
einen  Schlag  mit  der  flachen  Hand  auf  den  Rücken  versetzen  -. 

109.  Nohloufe. 

Bei  diesem  Spiel  bilden  die  beiden  Häuserreihen  der  Strasse 
die  Grenze  (Hol)  imd  ist  es  Aufgabe  des  in  der  Glitte  der  Strasse 
Stehenden,  einem  der  von  dem  Hol  sich  entfernenden  Mitspieler 
einen  leichten  Schlag  zu  versetzen,  infolge  dessen  dieser  dann 
seine  Stelle  einnehmen  muss.  Ist  ein  Mitspieler  ausserhalb  des 
Hol  und  sieht  sich  verfolgt,  so  muss  der  Verfolger  von  ihm 
absehen,  wenn  er  dreimal  hintereinander  an  die  Brust  schlägt 
und  dabei  sagt:  E^  zirei^  drei\  ml  Liev  etis  frN^, 

110.  Langhol. 

Das  Spiel  ist  gleich  dem  vorigen,  nur  bilden  hier  die 
Strassenenden  die  Grenze. 

*)  V^gl.  das  Bockspiel  bei  Schtn.  8.  94. 

^)  Schou  im  Alterthnm  bekannt,  s.  Richter  a.  a.  ().  S.  13.  Aohnlich 
ist  das  Kappenspiel  bei  /?.  S.  389. 

')  In  Vallendar  unter  dem  Namen  ^HlUieil  uml  Jiiger"  bekannt.     P, 


142  M.  Schollen 

111.    Isere  Männche  louf  us. 

Einer  verfolgt  die  Mitspielenden,  diese  sind  geschützt, 
sobald  sie  nur  Eisen  berührend 

112.    Barum,  di  sam. 

Es  stellt  sich  Einer  mit  gefaltenen  Händen  vor  die  Mit- 
spieler und  sagt  Barum,  sobald  diese  antworten  di  sum,  ver- 
folgt er  sie,  wobei  er  die  Hände  gefaltet  halten  muss.  Versetzt 
er  einem  der  Mitspieler  einen  Schlag,  so  muss  dieser  ihn  ablösen. 

113.    Schelm  en  Standarm. 

Einer,  als  Schelm  gedacht,  wird  von  den  Uebrigen  (Gens- 
darmen)  verfolgte 

114.    Verberege  speäle. 

Bei  diesem  Spiel  muss  sich  Einer  mit  dem  Gesicht  wider 
die  Wand  legen,  während  die  Andern  sich  verbergen,  was  in 
der  Zeit,  während  welcher  er  10,  20  u.  s.  w.  bis  100  gezählt 
hat,  geschehen  sein  muss.  Alsdann  nift  er:  Ess  et  gedoh?  Ant- 
worten die  Mitspielenden  bejahend,  so  sucht  er  das  Versteck 
derselben  auf;  wird  ihm  aber  „nein^  zugerufen,  so  muss  er  noch 
zweimal  fragend  mfen,  er  hat  aber  dann  das  Recht,  trotz  einer 
verneinenden  Antwort,  suchen  zu  gehen.  Findet  er  Einen,  so 
eilt  er  zu  der  Stelle,  wo  er  gestanden  hat,  und  sagt  wider  die 
Wand  schlagend :  Aschlag  för  K  N.    Kommt  ihm  Einer  zuvor, 


*)  Dieses  am  ganzen  Niederrhein  Isermänncheii  genannte  Spiel  heisst 
in  Berlin  Eisenzech,  in  Breslau  Eisenmändel,  in  England  tag.  Vgl.  R.  S.  406, 
dort  heisst  es:  Vatter,  i  ha  ke  Ise  meh!  In  Köln  lautet  es: 

Isermännchen,  ich  han  kein  Iser, 
Ich  muss  noch  Iser  kaufe. 
F.  I,  S.  460. 

^)  Auf  das  Schelmspiel,  bei  dem  ein  Kind  den  Häscher,  die  andern 
Diebe  vorstellen,  weisen  folgende  Verse  in  einem  Fastnachtsspiel  aus  dem 
15.  Jahrhundert  hin: 

Ein  sölich  närrisch"  Haderspiel 
mit  bochen,  hadren,  schelten,  fluochen: 
das  seit  man  ee  zuo  Zurzach  auochen 
uff  der  Wissmat  bym  Henkerspiel. 
Z.  S.  41.     Bei  R.  S.  413  heisst  dieses  Spiel  „Schölracn". 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  143 

SO  befreit  dieser  sich,  wenn  er  an  die  Wand  schlägt  und  sagt : 
Äschlag  för  mich.  Besondere  Aufmerksamkeit  muss  dem  Letzten 
der  Mitspielenden  zugewandt  werden,  denn  ihm  steht  das  Kecht 
zii,  auch  die  bereits  Gefundenen  zu  befreien,  wenn  er  vor  dem 
Suchenden  beim  Anschlag  anlangt  und  sagt:  Äschlag  för  oss 
alletnole  ^ 

115.    Ekkelurei. 

Dasselbe  unterscheidet  sich  von  dem  vorigen  Spiel  dadurch, 
dass  die  Mitspieler  sich  an  einer  P]cke  verbergen  und  von  dort 
aus  lugen,  ob  sie  gesucht  werden.  Ist  dies  der  Fall,  dann 
laufen  sie  um  eine  andere  Ecke  und  so  fort.  Wer  zuerst 
erkannt  wird,  muss  sich  legend 

116.    Köppche  egcne  Mondeschien. 

Einer  sucht  auf  den  Kopf  des  durch  den  Mondschein  hervor- 
genifenen  Schattens  der  Mitspielenden  zu  treten;  gelingt  ihm 
dies,  so  tritt  der  Betreffende  an  seine  Stelle. 

117.    Butzekopp. 

Bei  diesem  Spiel  suchen  die  Mitspieler  ihre  Köpfe  gegen- 
einander zu  stossen. 

118.    Schlttppche  wandele. 

Ein  Knabe  dreht  den  an  der  Wand  sitzenden  Mitspielern 
den  Kücken  und  wirft  ihnen  über  den  Kopf  ein  Schlüppche  zu 
mit  den  Worten:  Verbereg  Alles,  iväts  de  hass.  Auf  die  ihm 
gewordene  Mittheilung,  dass  das  ScJMppche  verborgen  sei,  dreht 
er  sich  herum  und  sucht  bei  den  Mitspielern  nach  demselben. 
Diese,  die  Hände  auf  dem  Rücken  lialtend,  suchen  dasselbe 
seinen  Nachforschungen  zu  entziehen.  Spürt  der  Suchende  in 
der  Nähe  des  Schlüppche  nach,  so  regnet  es  Püffe  mit  demselben 
auf  den  Rücken  des  Suchenden.  Derjenige,  bei  dem  dasselbe 
gefunden   wird,   muss   eine   Strecke  weit  laufen,    verfolgt  von 


*)  Vgl.  die  bei  i?.  S.  403  und  404  unter  dem  Namen  „Gügelstcin"  und 
„Anschlagigs,  Blinzimüs"  angeführten  Spiele,  sowie  das  „Fangspiel"  aus  dem 
Elsass  bei  Fr,  IV,  S.  7. 

*)  Dürfte  mit  dem  noch  in  Schwaben  beliebten  Kinderspiel  Ekkcti, 
welches  im  Klciderbuch  der  beiden  Schwarz  erwähnt  wird,  identisch  sein. 
Vgl.  Z.  S.  43. 


144  M.  Schollen 

dem  Suchenden,  der  jenen  mit  dem  Schliippche  auf  den  Rücken 
schlägt  und  dann  abgelöst  wird. 

119.    Zittmännche. 

Die  Mitspielenden  setzen  sich  mit  dem  Rücken  wider  eine 
Mauer;  ein  Kind,  welches  sich  irgend  eine  Tagesstunde  bedaht 
hat,  nimmt  ein  Taschentuch,  worin  an  der  Spitze  ein  Knoten 
geschlungen  ist,  geht  von  einem  zum  andern,  hält  ihm  das 
Taschentuch  vor  und  fragt:  Wie  Zitt  ess  et?  EiTäth  ein  Kind 
die  bedachte  Zahl,  so  muss  es  aufstehn  und  eine  Strecke  weit 
weglaufen,  wälu*end  da;s  Zittmämiche  es  verfolgt  und  mit  dem 
Taschentuch  auf  den  Rücken  schlägt.  Ist  das  Kind  auf  seinen 
Platz  zurückgekehrt,  so  legt  es  sich  mit  dem  Kopf  tragen  die 
Mauer,  erhält  drei  Schläge  mit  dem  Taschentuch  auf  den  Rücken 
und  ist  alsdann  Zittmännche. 

120.    Wehrwouf  fett  Schouf. 

Das  Spiel  ist  ähnlich  dem  Hackelepack  und  wird  \vie  dieses 
nicht  selbständig,  sondern  in  Verbindung  mit  einem  andern 
Spiel,  wo  es  als  Strafe  festgesetzt  wird,  ausgeübt. 

121.    Ninöigele. 

Es  werden  dabei  9  Augen  oder  Nullen,  je  3  und  8  unter- 
einander, auf  eine  Schiefertafel  hingemalt  und  nun  sucht  man 
den  Gegner,  indem  man  ihn  von  einer  Null  zur  andern,  oft  der 
entferntesten,  Linien  ziehen  heisst,  dahin  zu  bringen,  dass  er, 
noch  ehe  alle  Nullen  auf  die  Weise  zweimal  getrotfen  sind, 
nicht  mehr  voran  kann,  ohne  eine  der  gezogenen  Linien  zu 
durchschneiden  ^ 

122.    Kies,  Körv  u.  s.  w. 

Soviel  Mitspielende  soviel  Reihen  und  in  jeder  Reihe  soviel 
Nullen  werden  gemacht.  Sodann  beginnt  man  bei  der  ersten 
Null  und  sagt  fortschreitend: 

Kies,  Körv,  Botter,  Bruad, 

Schleat  alle  die  Töreke  duad. 

^)  Norronberjj,  Aus  dorn  alten  Viersou  S.  103  bemerkt:  Ninökele 
wahrscheiulich  von  den  neun  („nigen")  Steinen,  die  dabei  «gebraucht  wurden; 
so  heisst  es  ira  Altniederländisehen:  nejrhensteeken. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  145 

Bei  dem  Worte  dmd  wird  die  Null,  an  welcher  man  angelangt 
ist,  durchstrichen.  Dessen  Nullenreihe  auf  diese  Weise  zuerst 
durchstrichen  ist,  gilt  als  todt^. 

128.    Spaiibrett 

Ein  über  beide  Hände  gespannter  Bindfaden  wird  zu 
geometrischen  Figuren  verschlungen,  den  der  Mitspieler  zer- 
legend und  wieder  verschlingend  entfernen  muss^. 

124.    Ko9d  sprenge. 

Zwei  Mädchen,  die  je  das  Ende  einer  Kordel  gefasst 
haben,  schwingen  dieselbe  und  zählen  ön,  dön,  truwa,  worauf 
ein  drittes  Mädchen  mitten  in  die  durch  die  Kordel  beschriebene 
Ellipse  hineinspringt  und  so  lange  springen  darf,  bis  seine  Füsse 
oder  Kleider  die  Kordel  berühren,  dann  hat  es  gefeählt  und 
muss  sich  entfernen.  Dasjenige  Kind,  welches  die  meiste  Aus- 
dauer beweist,  erhält  ein  Zouwötinche,  d.  h.  es  darf  noch  einmal 
springen. 

125.    Titsche. 

Dasselbe  wird  mit  vier  oder  mehrern  Grelenkknöcheln  eines 
Hammels  und  einem  Balle  ausgeführt.  An  dem  Titschknöchel- 
chen  untersclieiden  die  Kinder  Lausche,  Böckschef  Tiezche,  Webhche. 
Sie  greifen  dasselbe  gleichzeitig  mit  einem  vorher  in  die  Höhe 
geworfenen  und  aufzufangenden  Balle  sechszehnmal  nacheinander, 
nachdem  vorher  die  Stelle  des  Knöchelchens  in  der  benannten 
Reihenfolge  nach  oben  gelegt  worden  ist^ 


^)  In  dem  kölnischen  Kinderlied:  Rusekranz,  Wat  gilt  der  Schanz? 
F.  I,  S.  459,  heissen  die  Schlusszeilen: 

Ei  Stock  Kihs  un  Bruhd, 

Fallen  alle  Heiden  un  Türken  duht. 

Bei  der  letzten  Zeile  lassen  sich  die  Mitspielenden  niederfallen. 

*)  Nach  einer  Mittheilung  R.  Andrees  im  Anthropologischen  Verein 
zu  Leipzig,  s.  Correspondenz-Blatt  der  deutschen  (lesellschaft  für  Anthro- 
pologie, Ethnologie  imd  Urgeschichte,  Jahrgang  XIX  S.  53,  beobachteten 
Klutschak  und  Hall  die  Fadenfiguren  (das  Abheben  der  Faden  von  den  Fingern) 
bei  den  Eskimos,  Wallace  als  Katzenwiege  (cats  (^radle)  bei  den  Dajaks  auf 
Borneo  und  in  Neu-Guinea;  man  keimt  es  in  Australien  und  Buchner  sah  es 
auf  den  Fidschi-Inseln. 

^)  Dieses  Spiel  wurde  schon  im  Alterthum  geübt,  vgl.  Richter  a.  a.  0. 
S.  71,  74,  75.  Vgl.  auch  J.  Th.  Rosen,  Der  Niederriw^l879,  S.  23; 
Schm,  S.  84  das  Steinchenspiel,  Woyden   a.  a.  0.  S*-Mtftfi^Hfe^In  dem 


146  M.  Schollen 

126.    Henkschnol. 

Ueber  den  ebenen  Boden  wird  ein  längliches  Rechteck 
mit  neun  Abtheilungen  gezogen.  Eine  Scherbe  wird  nun  nacli 
und  nach  in  die  neun  Abtheilungen  geworfen  und  hüpfend  heraus- 
gebracht. Wer  hierbei  auf  einen  Strich  tritt,  hat  verloren  und 
muss  von  vorne  anfangend 

127.    Schndl  ophaae. 

Die  Kinder  setzen  sich  in  eine  Reihe,  ein  Kind  ist  Lehrerin 
und  stellt  Fragen.  Während  des  SchuUialtens  wird  das  Renke 
godh  nachgeahmt  und  gesungen: 

Plenke  (Schmiddele)  goah  es  got  gedoah, 

Dat  de  Modder  oss  hole  könt  (oss  geng  au  Hex  begeänt). 

Zu  lange  darf  die  Schule  nicht  dauern,  sonst  heisst  es: 

Liehrer,  lott  de  Schual  usgoah, 
Et  sönt  at  ellef  Uhre, 
De  Jonge  mösse  Wasser  hole. 
De  Mädchere  mösse  schüre  2. 


Gedicht  „Daz  heselin"  sagt  das  Mädchen  (der  järe  ein  kint  und  ouch  einvalt) : 

Herre,  ich  h&n  in  mime  schrin 


und  zehen  bikkeisteine. 

Vgl.  Z.  S.  18  und  45.    So  auch  dessen  Beschreibung  unter  „Datschel spiel" 
in  Grimm,  Wb.  II,  S.  826. 

*)  Ueber  die  üebung  dieses  Spiels  im  Alterthum  s.  Richter  a.  a.  0. 
S.  15.  Aehnlich  bei  Schm.  S.  81  das  Hüpfenspiel.  In  Köln  heisst  das  Spiel 
Höpe-Mözchen,  zusammengesetzt  aus  höpe,  hüpfen  und  Mözchen,  Mützchen. 
Wcyden  a.  a.  0.  S.  217. 

')  Bei  V.  F.  p.  17  heisst  es  in  einem  Kinderlied: 

Elf,  elf  uren, 

De  meisjes  mocten  schüren, 
De  jongens  moeten  water  halen 
Achter  by  de  buren. 


Ferner  das.  p.  25: 


Meester  mag  de  school  uitgaan? 

't  is  al  eUef  uren, 

't  kan  niet  langer  duren. 

Achter  op  het  latjen 

Speien  ze  biUegatjen, 

Achter  op  het  kerkhof 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  147 

Ist  die  Schule  beendigt,  dann  singen  die  Kinder: 

De  Schual  ess  us, 
De  Müs  kommen  erus. 

128.    Verkoufe. 

Aus  gestossenem  oder  feingeriebenem  Ziegel  werden  Häuf- 
chen gebildet,  denselben  Namen  gegeben,  worauf  ein  Kind  die 
Sachen  feilhält,  die  andern  kaufen  kommend 

129.    Enoggel  schloon. 

Ausser  der  Knoggel  kennt  man  in  Aachen  noch  einen  Dopp 
und  einen  Pen.  Der  Dopp  hat  die  Form  eines  Kegels ;  der  Pen 
ist  unterhalb  der  Scheibe  möglichst  dünn^ 

130.    Sou  schloon. 

Es  werden  in  gleicher  Entfernung  in  einem  Kreise  Löcher 
gemacht,  deren  Zahl  eins  weniger  als  die  der  Mitspieler  sein  muss. 
An  jedem  Loch  steht  ein  Mitspieler  mit  einem  Stock  und  sucht 
zu  verhindern,  dass  es  dem  ausserhalb  des  Kreises  Stehenden 
gelingt,  einen  Stein  in  den  Kreis  zu  treiben.  Glückt  es  dem 
Sow-Treiber  hierbei  in  das  Loch  eines  der  Mitspieler  zu  kommen, 
so  tritt  er  an  dessen  Stelle  und  dieser  wird  Treiber^. 


Slaan  ze  Pietje  zijn  kopjen  of ; 

Heel  of,  half  of, 

*t  kopjen  van  het  haLsjen  of. 

*)  Diese  Spiele  (Verkaufen)  hat  Geiler  im  Auge,  wenn  er  uns  das 
geschäftige  Treiben  der  Kinder  in  folgender  Weise  schildert:  ^Da  die  kint 
gefetterlin  mit  einander,  da  machen  sie  saffron  vnd  das  ist  geferbte  würz, 
das  ist  sttszwurz,  das  ist  ymber,  vnd  ist  alls  us  einem  ziegel  geriben  und 
ist  zieglmel;  und  machen  hüslin,  und  kochen,  und  wenn  es  nacht  würt,  so 
ist  es  aUs  müt  und  stossen  es  umb."  Auf  das  Verkaufsspiel  deutet  der  Vers: 
„Was  woilstu  kauffen  umb  ein  pfennig",  Z.  S.  43.  S.  auch  i?.  S.  423,  wo 
das  Spiel  „Gevätterlen**  heisst. 

*)  Der  Kreisel,  den  schon  die  Griechen  und  Römer  als  Kinderspielzeug 
kannten,  vgl.  Richter  a.  a.  0.  S.  12,  wird  von  den  Dichtem  des  Mittel- 
alters öfters  genannt.  Der  Topf,  dies  war  sein  gewöhnlicher  Name,  wurde 
mit  einer  Geissei  umgetrieben.    Vgl.  Z.  S.  27,  R,  S.  419. 

*)  Vgl.  bei  Schm,  S.  90  das  sog.  Sauspiel,  die  Sau  schlagen;  Lirum, 
lamm,  Löffelstiel  bei  Wegeier  a.  a.  0.  S.  105;  bei  i?.  S.  395  das  „Moor-um**; 
bei  K.  S.  136  „Hui  Sau«. 

10» 


148  M.  Schollen 

131.    Mutzkeiop. 

Der  Kei  wird  dadurch  hergestellt,  dass  man  mehrere  grössere 
Steine  auf  einander  legt  und  auf  diese  ein  klemes  Sternchen, 
wonach  von  einer  bestimmten  Stelle,  Stänket  genannt,  aus  geworfen 
wird.  Neben  dem  Kei  steht  der  Mtä:z,  einer  der  Mitspieler, 
dessen  Aufgabe  e's  ist,  den  Kei  wieder  aufzurichten,  wenn  er 
infolge  eines  Wurfs  zusammenfallt.  Fliegt  bei  dem  Werfen 
bloss  das  kleine  Steinchen  herunter,  so  müssen  die  Mitspieler 
eine  Strecke  weit  weglaufen,  der  Mut2;  setzt  das  Steinchen  schnell 
auf  und  sucht  einen  der  Mitspieler  zu  erhaschen,  was  ausser- 
halb des  Stänket  geschehen  muss;  gelingt  ihm  dies,  so  muss 
der  Betreffende  ihn  ablösen. 

132.    Kleiik  schlooii. 

Ein  Kreis  wird  gezogen,  an  welchem  ein  Mitspieler  mit 
einem  Stock  steht  und  zu  verhindern  sucht,  dass  der  ausserhalb 
des  Kreises  Stehende  eine  Klenk^  d.  h.  ein  etwa  15  cm  langes, 
an  beiden  Enden  zugespitztes  Holzstückchen  in  den  Kreis  zu 
bringen  sucht.  Die  Stelle,  von  wo  aus  er  werfen  muss,  wird 
dadurch  bestimmt,  dass  der  andere  die  Klenk  durch  Schlagen 
auf  die  Spitze  in  die  Höhe  schnellt  und  beim  Herunterfallen  fort- 
treibt. Schlägt  er  dreimal  fehl,  so  wirft  der  andere  von  der 
Stelle  aus,  wo  die  Klenk  liegte 

Jahreslieder. 

133.     Neujahr. 

Glöcksellig  Nöijohr, 
Der  Kopp  vol  Ho9r, 
Der  Monk  vol  Zäng, 
Et  Nöijohr  egen  Häng*. 


^)  In  Coblenz  heisst  das  Spiel  „Laiz",  vg^l.  Wegeier  a.  a.  0.  S.  105. 

*)  Um  das  Neujahr  abzugewinnen  und  dadurch  den  Anspruch  auf  ein 
Gt^schenk  zu  erhalten,  muss  man  zuerst  „(lUtcn  ^lorgen**  und  dann  „Glöck- 
sellig Nöijohr"  gesagt  haben.  Fragt  nun  derjenige,  dem  man  das  Neujahr 
abgewonnen  hat:  „Gelt  et  noch?"  so  muss  man  antworten:  „Et  hat  gegolde", 
sonst  erwächst  diesem  das  Recht,  dasselbe  abzugewinnen.  In  einem  Schalt- 
jahr ist  es  umgekehrt,  lieber  die  Glückwünsche  u.  s.  w.  um  Neujahr  in  der 
Eifel  s.  Schm.  S.  5;  in  Schwaben:  Birlinger,  Aus  Schwabens.  17;  Volks- 
thümliches  aus  Schwaben  S.  12;  Meier,  Deutsche  Sagen,  Sitten  und  Gebräuche 
aus    Schwabe  n    S.    MW) ;    in    Elsass  -  Lothringen :    Jahrbuch    für   Geschichte, 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Si>iellieder  und  Si)iele.  149 

134.  Dreikönige. 

Es  kamen  drei  Könige  aus  Morgenland, 

Sie  waren  von  der  Sonne  ganz  schwarz  verbrannt, 

Sie  kamen  an  einen  Berg  gegohn. 

Da  blieb  der  Stern  stille  stöhn.  ^ 

Ach  Stern,  du  musst  nicht  still  bleiben  stöhn. 

Du  musst  mit  uns  nach  Bethlehem  gohn, 

Bethlehem,  du  schöne  Stadt, 

AVorin  Maria  das  Kindchen  geboren  hat; 

Wie  kleiner  das  Kind,  wie  grosser  der  Gott, 

Der  Hinmiel  und  Erde  erschaflfen  hat. 

135.  Fastnacht. 

Fastellowend 

Ess  bestovvend, 

AVaffele  welle  für  backe. 

De  Eier  sönt  ene  goue^  Kouf, 

De  Botter  gelt  ene  Blaffet^. 

Setzt  der  Tälder  op  der  Kopp, 

Get  oss  get  en  der  Rommelspott, 

För  ze  domeniere, 

För  de  Mädchere  ze  ziere. 

Uehr  wesst  wal,  wie  de  Mädchere  sönt, 

Die  des  Morigens  fröch  opstönt. 

S^i  kicke  wal  hei,  sei  kicke  wal  do. 

Sei  kicke  wal  en  dat  Känksche, 

Ruo,  ruo,  Ränzche. 


Sprache  und  Littcratur  Elsass-Lothringens,  hrsg.  von  dem  hist-litter.  Zweig- 
verein des  Vogesen-Clubs  II,  S.  180,  III,  S.  116.  Die  in  Picks  Monats- 
schrift I,  S.  465  veröffentlichte  Spruchsammlnng  Anton  Husemanns  aus  dem 
J.  1575  enthält  folgenden  Neujahrs  wünsch: 

Leue  Suster  dussen  Breeff  ick  to  Iw  sende 

Vp  einem  koken  so  gantz  behende, 

To  einem  froliken  vnd  nyen  Jare, 

Ahne  allem  angste  vnd  vare, 

God  will  dat  wy  dit  Jar  thora  ende  bringen, 

Mit  stedcm  bedden  vnd  singen, 

Vnd  all  tidt  nha  Godes  willen  leuen 

Syncm  hiligen  worde  nicht  wcdcrstreucn. 

*)  guter.    0  Eine  Aachener  Münze. 


150  M.  Schollen 

Lott  oss  net  lang  stooh, 

Für  hant  noch  witt  ze  goah, 

Va  hei  noh  Köllepoatz. 

Zwei  Paar  Schong  en  dönt  et  net, 

Vier  raössen  er  et  gewe, 

Jo/jo^ 

Verbreiteter  ist  dieses  Fastnachtslied  in  folgender  Fomi: 

136.    Fastellowend 
Ess  bestovvend, 
Waflfele  welle  für  backe. 
De  Eier  sönt  ene  goue  Kouf, 
De  Botter  gelt  ene  Blaffet. 
Höi  ene  StouP 
En  do  ene  Stoul, 
Op  jedder  Stoul  e  Kösse, 
Op  jedder  Stoul  ene  Pannekoch, 
Hant  für  alleraol  genog, 
Dat  sal  oss  got  gelöste. 
Lott  oss  net  lang  stoah, 


^)  Die  Nummern  134  uni  135  verdanke  ich  dem  Herrn  Cornely  aus 
Elchenrath. 

*)  Auch  in  dem  bei  r.  F.  p.  70  mitgetheilten  Fastnachtsliedchen  heisst  es : 

Hier  een  stoel  en  daar  een  stoel, 

op  iedre  stoel  een  küssen, 

meisjen  hoü  je  kinnebak  toe, 

of  'k  sla'r  een  pannekoek  tuschen  u.  s.  w. 

In  den  Worten  „Höi  ene  Stoul"  u.  s.  w.  ist  eine  zur  rcichsstädtischen  Zeit 
beim  Zahlungaancrbieten  beobachtete  Form  enthalten.  Dies  geht  aus  einem 
Akt  des  Notars  a  Baexen  vom  2.  Januar  1723  hervor,  worin  er  beurkundet, 
er  sei  an  genanntem  Tage  auf  Anstehen  des  ehrsamen  Meisters  Peter  Schröder 
und  seiner  Hausfrau,  der  ehr-  und  tugendreichen  Katharina  Krombach  (am 
Hirtz  bei  Laurensberg  wohnhaft),  zur  Wittwe  Simon  Weyers  auf  dem  Küpperhof 
(bei  Richterich)  gegangen  und  habe  letzterer  in  Gegenwart  von  zwei  Zeugen 
im  Namen  jener  Eheleute  die  Summe  von  110  Thalem  präsentirt:  „zu  wissen 
30  Thaler  auf  einem  Stuhl  (als  Abschlagszahlung  auf  ein  geliehenes  Kapital) 
und  80  Thaler  auf  einem  andern  Stuhl  (als  Zinsen  jenes  Kapitals).  Die 
Wittwe  verweigerte  die  Annahme.  „Denen  jedoch  unangesehen,  ich  Notarius 
obgemeldcte  hundertzehen  Thaler  auf  den  Stühlen  liegen  lassen  und  mit 
meinen  bei  mich  habenden  Zeug  .  .  .  vom  gedachten  Hoff  abgegangen.**  Vgl. 
H.  J.  Gross  im  Aachener  Sonntagsblatt  1876,  Nr.  19. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  151 

Für  hant  noch  witt  ze  goah, 
Bes  a  KöUepoatz^ 

137.    Au  Kaiott, 

E  Botter  gezoppt, 
E  Meahl  gerührt, 
Zorn  Düvel  geführt*. 


*)  KöUepoatz  scheint  hier  für  Köln  zu  stehen.  Das  Liedchen  wurde 
mit  Begleitung  des  „Rommelspott"  zu  Fastnacht  von  armen  Kindern,  um 
eine  milde  Gabe  zu  erhalten,  gesungen.  Um  die  Angesprochenen  zu  schnellem 
Geben  anzuspornen  und  die  Länge  des  zurückzulegenden  Weges  zum  Ausdruck 
zu  bringen,  bedurfte  es  der  Bezeichnung  eines  weit  entlegenen  Ortes,  was 
Köllepo8tz  offenbar  nicht  war.  Dazu  kommt,  dass  in  mehrem  Liedchen, 
welche  die  Kinder  beim  Einsammeln  milder  Gaben  singen,  jedesmal  neben 
dem  Wunsche,  sie  nicht  lange  stehen  zu  lassen,  gesagt  wird,  sie  mttssten 
noch  nach  dem  fernen  Köln  gehen.  In  dieser  Beziehung  heisst  es  sowohl  in 
dem  Gesang  der  armen  Kinder  am  St.  Martinsabend  in  Osnabrück,  Fr.  I,  S.  275 : 

Sttnte  Martens  gauens  (?)  Mann, 

Däi  US  wall  wat  gieven  kann 

Van  Appel  un  van  Bieren, 

Lit  US  nich  so  gieren! 

Mött'  noch  wiit  n&  Collen  g&n 

Collen  is  so  fär '  e. 

Komm*  wi  nimmer  mehre; 

Hilgen  Blatt; 

Schöune  Stadt; 

Schöune  Jungfern,  giev't  us  wat, 

als  auch  in  dem  Martinslied  in  der  (»egcnd  von  Herford  bezw.  in  dem  Amt 
Bückeburg,  F,  I,  S.  359,  III,  S.  148: 

Loat  US  nich  to  lange  stöhn, 

Wi  mött  von  hier  noa  KöUen  gohn, 

Köllen  es  no  filren. 

Ueber  die  Wein-  und  Geldspenden  des  Raths  um  Fastnacht  an  die 
Schöffen,  Bogenschützen,  Schreiber,  Fassmesser,  Domvikare,  Schützen  u.  s.  w. 
s.  Laurent  a.  a.  0.  S.  135,8,  137,i8,  193,32,  194,io,  195,4,32,  329,3$, 
332,733.  Auffallend  ist  der  daselbst  S.  344,n  aufgeführte  Posten: 
„It.  den  vrauwen  zu  Vastovent,  gingen  as  munche,  2."  Wenn  man  auch 
berücksichtigen  muss,  dass  man  sich  an  derartige  Maskeraden  in  jener  Zeit 
nicht  stiess,  so  bleibt  es  doch  immer  unerklärlich,  wie  man  solche  belohnen 
konnte. 

*)  Das  Liedchen  stellt  eine  Verhöhnung  der  Perrücke  dar,  die,  lange  ihre 
Herrschaft  behauptend,  um  die  Mitte  der  achtziger  .Jahre  des  vorigen  Jahr- 
hunderts mehr  und  mehr  zu  verschwinden  begann.  Vgl.  Weiss,  Kost 
II,  S.  1294. 


152  M.  SchoUen 

138.  Köm,  min  allerldvste  Mädche, 
Gäld  get  Schwegele  us  minge  Bott, 
En  se  sönt  esu  got  gezoppt, 

Wie  de  wopp,  wopp,  wopp,  wopp,  woppt^ 

139.  Haarig,  haarig,  haarig  ist  die  Katz! 
Wenn  die  Katz  nicht  haarig  ist. 
Fängt  sie  keine  Mäuse  nicht. 
Haarig,  haarig,  haarig  ist  die  Katz^! 

140.  Frau  Lenze,  Frau  Lenze, 
Wat  kost  de  Eole  Kattun? 

Ich  han  es  van  acht,  va  nüng  en  va  zeng, 
Ich  han  es  ouch  met  Blonmie  dre, 
Frau  Lenze,  Frau  Lenze, 
Wat  kost  de  Eale  Kattun  ^P 

141.  Turelure  Liesche  us  Klappergäss, 

Hat  dat  Kengehe  dat  Hemchen  esu  näss, 
Haut  die  scheleme  Jonge  gedoah. 
Haut  dat  Kengehe  net  pesse  losse  goali. 

142.  Dem  in  den  April  Geschickten  ruft  man  zu: 

Aprelsgeck, 

Die  Modder  es  geck. 

Die  Vadder  danzt  met  ene  Beissemsteck  ^. 


*)  VieUeicht  vor  50  Jahren  entstanden,  um  welche  Zeit  das  Streichholz 
erfunden  wurde.  Die  Streichhölzer  wurden  ursprünglich  hausirend  verkauft 
und  zu  dem  Ende  in  einem  Bott  (Korb)  auf  dem  Rücken  getragen. 

^)  Ebenso  in  Coblenz  Fastnachtslied,  Wegeier  a.  a.  0.  S.  103. 

■'')  Dieses  vor  einigen  Jahren  zur  Fastnachtszeit  aufgetauchte,  nach  der 
Melodie:  „Erklinget  ihr  Hörner"  aus  „Die  weisse  Dame"  gesungene  Liedchen 
ist,  wie  es  scheint,  eine  Nachbildung  des  bei  r.   T.  p.  30  mitgetheilten : 

3Iaryken,  Maryken, 

Wat  kost  je  groene  theo? 

Ik  heb  ze  van  ncgen,  ik  heb  ze  van  tien; 

Laat  me  die  van  negen  eens  zien. 

Maryken,  Maryken, 

Wat  kost  je  groene  thee'r 

^)  Vgl.  Zcitsehr.  des  Aach.  Geschichts Vereins  VIII,  S.  162,  Nr.  11). 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spielliedcr  und  Spiele.  153 

143.    Heute  ist  der  erste  Mai, 
Legen  alle  Vöglein  ein  Ei, 
Darum  bitten  wir  den  Herrn  Lehrer 
Um  heute  frei. 

144.    Beim  Mairegen. 

Meireän, 
Trippetreän, 
Eeän  op  mich, 
Da  wäs8  ich^ 

145.    Heiige  Katharina, 

Lass  die  Sonne  scheinen, 
Lass  den  Regen  übergehn, 
Dass  wir  was  spazieren  gehn. 

146.     Im  Sommer. 

Im  Sommer,  im  Sonuner,  wenn  der  Kuckuck  regiert, 
Dann  werden  die  Mädchen  von  Knaben  vexirt. 
Einem  Mädchen  wie  du, 
Dem  lass  ich  keine  Ruh, 
Dem  geb  ich  ein  Händchen, 
Ein  Küsschen  dazu. 

147.    Kirmess. 

Oem  Keremess  ^,  öm  Keremess,  da  dreägt  mie  Modder  ene  Hott, 
Da  danz  ich,  da  danz  ich,  da  fall  ich  open  Fott^ 

148.    St.  Martin. 

Au  Mangele,  au  Mangele,  Stomp  Beisseme, 
Wie  decker,  wie  fetter,  wie  beister*. 


^)  Die  nämliche  Aufforderung  zu  gleichem  Zwecke  ergeht  in  Coblenz, 
Wegeier  a.  a.  0.  S.  103,  in  Strasaburg  i.  E.,  F,  II,  S.  524  und  in  Trier, 
F.  III,  S.  547,  Nr.  42.  Vgl.  auch  die  Regenlieder  bei  Fr.  V,  S.  274,  277 ; 
aus  Rheinberg,  Die  Heimath  1877,  S.  67;  bei  S.  Kb.  8.  142,  Nr.  549-551. 

-)  Kirchweihfest.  ^)  Vgl.  F.  III,  8.  146  und  178,  „Wenn't  Wiehnachten 
is",  bezw.  „Wann  Pinksten  es",  femer  K.  S.  91,  S.  Kb.  S.  132. 

*)  In  früherer  Zeit  zogen  am  Martins-Vorabend  die  Kinder  durch  die 
Strassen  herum  und  sammelten  unter  Absingung  dieses  Liedchens  Holz,  Stroh 
und  andere  brennbare  (Jegenstände,    welche  dann  aufeinander   gelegt  und 


154  M.  Schollen 


149.    St.  Nikolaus. 


Zenterkloas, 
Met  die  lang  Moass, 
Met  die  kotte  Bean, 
Schleaht  alle  Grülle  vanen^ 

150.    Zenterkloas,  Gott  hellig  Mann, 
Doag  dinge  beiste  Tabbert*  an, 
Eie  dornet  noh  Spani6, 
Breng  Aeppel  van  Orani6, 
Gew  die  kleng  Kenger  get, 
Loss  die  grousse  loufe. 
Die  könne  sich  selvs  get  koufe^ 

151.    Zum  Namenstag. 

Ich  ben  e  kleng  Stömpche, 

Eiss  gear  e  deck  Klömpche, 

Möt  mich  net  usläche, 

Et  anger  Johr  wel  ich  et  beister  mächet 


angezündet  wurden.  Um  das  Feuer  (Mätin  genannt)  tanzten  sie,  angezündete 
Besen  auf  Stangen  tragend,  bis  jenes  erloschen  war.  Anfangs  der  50er  Jahre 
erinnere  ich  mich  zum  letzten  Mal  das  Martinsfeuer  gesehen  zu  haben. 

Ueber  die  Geschenke  der  Reichsstadt  Aachen  „up  sint  Martiins  avent" 
an  „alle  der  steede  gesinde  ind  wercklude"  und  zu  Martini  an  „unse  hercn 
die  scheffen,  die  werckmeister,  der  steede  gesinde  ind  der  burger  meist  er 
gesinde**  s.  Laurent  a.  a.  0.  S.  316,6,27,29,31. 

Im  Rheinthal  zwischen  Köln  und  Coblenz  leuchten  am  Vorabend  des 
Martinstags  Tausende  von  kleinen  Feuern  auf  den  Höhen  und  längs  den 
Ufern  des  Flusses.  Die  Kinder  sammeln  das  zu  dem  Feuer  nöthige  Holz, 
Reisig  und  Stroh;   um  das  Feuer  herum  tanzen  sie  und  singen: 

0  Mehtin,  o  Mehtin, 
Au  Wiever,  Stomp  Beissem, 
Je  auer,  je  beisser  u.  s.  w. 
Vgl.  von  Reinsbcrg-Düringsfeld  a.  a.  0.  S.  343. 

')  von  einander  =  entzwei.  Ein  ähnliches  Nikolansliedchen  s.  r.  V.  p.  75. 
^)  tabbert,   mhd.   taphart  =  Mantel,    vgl.  Lex  er,  Mittelhochdeutsches 
Handwörterbuch  II,  S.  1404. 

3)  Aehnlich  in  Moers,  F.  I,  S.  397,  in  Ostfriesland,  Fr,  V,   S.  272,  in 
Rheinberg,  Die  Heimath  1877,   S.  67,  in  Leuth,   vgl.  Spee  a.  a.  0.  I,  S.  7, 
in  Essen,  Schnell,  Sanct  Nicolaus  I,  S.  5ß,  in  Ostflandem,  ebendas.  V,  S.  11, 
bei  von  Reinsberg-Düringsfeld  a.  a.  0.  S.  300. 
*)  Ebenso  in  der  Gegend  von  Coblenz,  P. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  155 

152.    Ich  koam  ens  nohgen  Kriam^  erav, 
Du  juag  mich  do  et  Hötchen  av, 
Ich  daht,  wat  sal  dat  bedüe, 
Dat  mie  Hötche  sal  vor  mich  flügge, 
En  wie  ich  mich  ens  reaht  bedaht, 
Du  wor  et  der  N.  N.  singe  Namensdag. 

153.    Ich  hört  ein  Glöcklein  läuten, 

Ich  wusste  nicht,  was  es  bedeute. 

Da  nahm  ich  den  Kalender  in  die  Hand 

Und  sah,  was  drin  geschrieben  stand. 

Da  stand  geschrieben :  Heut  ist  der  Abend,  morgen  der  Tag, 

Dass  ich  N.  N.  binden  mag*. 

154.    Namen. 

Adam  ,en  lava. 

Die  sossen  en  ene  Huck. 

Der  Adam  satt,  wat  stenkt  merr  esu, 

De  lava  Ifeis  ene  Pupp^ 

155.    Antuane  Nüffche*, 

Für  dr^i  Penneke  Schnüffche, 
För  drei  Penneke  Karrewien*, 
Mäht  der  Antuan  et  Nasche  fien. 

156.    Andres, 

Deä  de  Wegge  fresst, 
Deä  de  AVaffele  backt, 
En  sie  Modder  open  Nas  kackte 

157.    Alewiss, 

Decke  Tiss, 

Mäch,  dats  du  en  Frau  kriss. 


*)  Krämerstrasse. 

^)  Das  Angebinde  wird  am  Vorabend  des  Namenstags  überreicht. 

^  Ein  ähnliches  Liedchen,  worin  Adam  und  Eva  „ep  een  stoepjen** 
sitzen,  s.  r.   V.  p.  40. 

**)  Ein  langweiliger  Mensch;  s.  Müller-Weitz  a.  a.  0.  unter  Nüffet. 

*)  semen  carvi,  Feld-  oder  Wiesenkümmel;  s.  Müller-Weitz  a.  a.  0. 
unter  Karwi. 

*)  S.  auch  die  bei  S,  Kb.  S.  109  mitgctheilten  beiden  Verse. 


156  M.  SchoUen 

158.  Chcestian, 
Schlag  de  Bahn, 

Va  hfei  bes  open  Iserbahn. 

159.  Ich  siön  e  gecke  Drütche, 
Ich  weös  net,  wo  et  ess^ 

160.  Engelbeat, 

Bess  noch  genge  Pennek  weod. 

161.    Franz, 

Met  de  söwe  Schwänz, 
Us  Cobelenz. 

162.    Oui,  Franziss, 

Henger  dat  Kapellche,  do  setzt  der  decke  Tiss^. 

163.    Hännesche, 
Pupännesche, 
Wat  hass  du  gekaucht? 
E  got  Döppe  Edäppel  met  ene  fette  Knauch. 

164.    Idche, 

Studitche, 

Entche, 

Studentche. 

165.    Jupp, 

Loss  ene  Pupp, 
Setz  dich  nier, 
Loss  ere  vier, 
Stank  op, 
Loss  ere  25  drop. 


0  Bei  5.  Kb.  S.  111  wird  dem  „Drückchc"  der  Rath  gegeben: 

stür  dich  an  nix, 

Schmer  ding  Schob  met  Eierwix. 

2)  In  Köln:  Marih  Franziss,  Marih  Franziss, 

Wahl  hinger  der  Häck'e 
Do  wount  der  schälen  Tiss. 
F,  I,  S.  457. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  157 

166.    Lambetes, 

Der  Püttes  hat  e  Lauch  e. 

167.    Le^nad, 

Speckschwad. 

168.    Kenns  du  net  Maricke? 
Kenns  du  net  Marei? 
Jo,  ich  kenn  Maricke, 
Ich  kenn  se  alle  zwei^ 

169.    Mathis,  kauch  Kaffie,  kauch  Fleasch, 

Dat  die  Vadder  en  die  Modder  net  en  weas. 

170.  Pitt, 

Wie  de  witt, 
Wie  de  wuckes  katitt. 
Wie  de  wuckes  katuckes, 
Berlinische  Pitt^ 

171.  Türe  Iure  Lötche, 

Der  N.  N.  hat  e  Flötche, 
Der  N.  N.  hat  en  decke  Fott, 
Do  speäle  alle  Jonge  drop. 

172.    Wickes  wie  de  Wickes  va  Lauerlakretz  ^ 

173.    Ziska, 

Met  de  Gittar, 
En  et  StofFeniser^ 
Egen  Rock. 

174.    Züffche^  hau  der  Beck^ 

Fells  noch  met  de  Nas  egen  Dreck. 


*)  Von  einem  früh  Aufgeklärten  sagt  man:  Heä  kennt  Maricke  en  Marei. 

*)  Ebenso   in  Düren  und  Eschweiler  (Ldkr.  Aachen)  mit  der  Wendung 
„Kalviuische  Pitt".  P.     Vgl.  auch  S.  Kb.  S.  111,  Nr.  412;  v.  F.  p, 

^)  Lorbecrlakritz,   nach  der  Verpackung  so  benannt.    "•) 
St<>rlH*iseu.     ^)  Sophie.     ®)  Schnab«^!  =r  Mund. 


158  M.  Schollen 

Thiere  \ 

175.  Mukouh, 
Kaleverstatz, 

Morigen  ess  de  Melich  gatz^ 

176.  Kroh,  Kroh,  Kroh, 

Der  Düvel  könt  dich  noh^ 

177.  Die  Amsel  singt: 

Der  Wien  es  us,  für  zappe  Bier*, 
Weä  nüs  en  hat,  deä  könt  net  wier. 

178.  Die  Wachtel  ruft: 

Bock  der  Eöck^ 

179.  Der  Hahn  kräht: 

Gott  der  Heär  könt. 

180.    Der  Hahn,  deä  wou  ens  kermesgoah, 
Schirrewirrewipp  zom  Zittverdriev, 
De  Pöll  en  die  wou  met  goah, 
Köckeröcköcköck. 

Och  Pöll  en  du  sals  hfei  blieve, 
Schirrewirrewipp  zom  Zittverdriev, 

Du  sals  de  Kuchens  fure^, 
Köckeröcköcköck. 


>)  Bezttglich   der  Vorbedeutungen  bei  Thieren  vgl.  Nr.  290,  293,  294, 
305,  318,  322,  326,  332.     Ueber  die  redenden  Thiere  s.  R.  S.  66. 

*;  bitter.    ')  Des  Raben  Ruf,  dem  heutzutage  die  Kinder  so  viele  Redc- 
formeln  zutheilen,  wurde  schon  im  Mittelalter  gedeutet: 

Die  alten  Münch  han  ofFt  gesagt 
Dass,  wan  man  einen  Rappen  fragt, 
Wann  er  wöU  werden  weiss  und  frumb, 
So  schreit  er  Cras,  Cras  vmb  vnd  vmb. 

*)  Ebenso  in  Coblenz,  Wegeier  a.  a.  0.  S.  105.    Als  Blutfinkenschlag 
bei  Ä  Kb.  S.  188. 

*)  Die  an  den   Ruf  der  Wachtel  geknüpfte   Vorbedeutung  s.  Nr.  326. 
Vgl.  auch  den  Wachtelschlag  bei  S.  Kb.  S.  190,  Nr.  779. 

«)  füttern. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  159 

181.    Oss  Katz  en  Nobbesch  Katz, 
Die  haue  sich  ens  gebeisse, 
Oss  Katz  hau  Nobbesch  Katz 
Et  Stätzche  usgereisse^ 

182.    Söwe  Katze  ^  schlogge  sich 
Für  ene  wisse  Weck, 
Ne  Honk,  deä  koam  en  jug  se  fut 
En  froas  em  met  get  Speck. 

183.     Madelenne  Kätzche,  dat  hau  Jonge, 

Koam  der  aue  Beistevadder,  schluag  hörn  open  Ogge. 

184.  Die  Maus  sagt: 

Weä  net  weit  freisse  mie  Gebess, 
Deä  moss  at  eisse  mie  Geschess. 

185.  Beim  Auffinden  eines  Schneckenhauses: 

Schleck,  Schleck,  köm  erus. 
Die  Hus  es  verbrankt, 
En  alle  ding  kleng  Kenger 
Sunt  metverbrankt  ^ 

Glockensprache  ^. 

186.    Dom,  11  Uhr-Messe: 
Zau,  Zau,  Zau,  Zau! 


*)  Bei  F,  in,  S.  112  iu  der  Mundart  des  Samlandes  mit  der  Abweichung, 
da,ss  für  Nobbesch  Katz  „Pape  Katt**  steht. 

*)  Sieben  Katzen,  die  sich  beissen,  finden  sich  in  den  bei  F.  III,  S.  146. 
151  und  169  aus  Hameln,  Lingen  und  Recklinghausen  mitgetheilten  Liedcheu, 

*)  Der  Reim  an  die  Schnecke  scheint  nach  Z.  S.  61  uralt  zu  sein.  Vgl, 
auch  B,  S.  97,  sowie  F.  I,  S.  230,  459,  III,  S.  57,  64;  Fr,  V,  S.  294.  Auf 
der  Insel  Bomholm  lockt  man  die  Schnecke  mit  folgenden  Worten: 

Snegl,  snegl,  kom  ud  med  dine  lange  hom! 
Der  er  en  bonde,  der  vil  kjöbe  kom. 
F.  m,  S.  831.    S.  ferner  S,  Kb.  S.  146,  Nr.  568—580. 

*)  Wenn  die  Kinder  heutzutage  den  Glockenklang  nachahmen  und  ihm 
einen  Text  unterlegen,  so  dürfen  wir  schliessen,  dass  dies  schon  in  frühem 
Zeiten  geschehen.  Bereits  Seb.  Franck  erzählt:  In  eutOMAptbunn  hangend 
dry  glocken,  die  erst  vnd   kleinest,   anzogen  vnd  gttM^HHlLa^^n^  ^'3^i 


160  M.  Schollen 

187.    Nikolauskirche,  11  Uhr-Messe: 
Penk  Melich,  Penk  Melich. 

Ziim  Nachmittagsgottesdienst : 
Nikela,  Nikela. 

Todtengeläute : 
Kom  met,  köm  met. 

188.    Foilanskirche,  Todtengeläute: 
Ess  net  mia,  ess  net  mia. 

189.    St.  Adalbert: 
Basch  dren,  Basch  dren. 

190.    St.  Jakob,  erste  Messe: 
Kappesbure,  Kappesbure. 

191.    Beiern^: 
Minge  Dum,  minge  Fenger,  minge  EUeboog^. 

Spottverschen. 

192.  Jorafer,  Jomfer,  Pirlapong, 

Met  enge  Schlupp  en  ene  Schong. 

193.  Ich  kann  at  senge,  wat  ich  wel, 
N.  N.  döig  der  Schlepp  eren. 
Keremess,  Keremess,  Hempschlepp. 

194.    Weä  gea  Gäld  hat  für  ene  Hott, 

Geld  sich  e  Käppche,  geld  sich  e  Käppche; 


gern  wyn,  gern  wyn"  etc.  Die  ander  gröber,  so  man  die  Non  glocken  nennt, 
spricht:  „War  zalts,  war  zalt^,  war  zalts?**  Zelest  Ittt  mau  die  gross  Sturm- 
glocken, die  brummt:  „Puren,  Puren,  Puren.''  Z.  S.  60.  Vgl.  auch  die 
„(ilockensprache"  bei  /?.  S.  57. 

')  Festliches  Geläute. 

«)  Als  „Maigeläut"  bei  5.  Kb.  S.  183,  mit  dem  Zusatz:  Hierothst  du 
miug  Schwester,  dann  wirsch  du  minge  Seh  woge. 


W^*a  _^«*.»  «ra.tl   "liir   tr-r  oiio   11« »lU 

trt^hl  >i«*h  e  K  tpiH-tn'ii  ou  dar   ^itsylu   !;oi  *. 

r.).').     Pocke.  Potke.  Nonicilaii, 

Wenn  «lie  Mä*lchoiv  (\vw  i;*>lujt, 
Da  ireoht  die  PiKk  al  luol. 

196.    Weos  du  net,  wo  i'nmibach  woliiuy 
Cn)mbaoh  wohnt  u  ^»^o  lNMU|»i  lu^. 
Alle  Mädohere  kri^r^o  »^^^  Mm\y 
En  ich  kri<,'<*'  noch  piiiHi  S\i\\\\\H'\\{\^. 

107.     Mädcho  niot  dh^  Mi^lilchlihil, 
Koni  ^M't  hM  mich  .^pc/ilo, 
Kriss  du  oiich  cn  A|>|Hliii( 
Kn  ilrit'i  ^u\>iii'.kii  lU'tv, 

'^"t/t  o]>  d"i   Kit/. 


■p--*-   - 


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•  ■     • 


162  M.  Schollen 

201.  Ne  Bur  en  ene  Stier, 
Dat  ess  en  Dier. 

202.  Ne  Bur  en  ene  Ohss, 

Die  gönt  dörich  eng  Poaz^ 

< 

203.  Jüd,  Jüd,  Kälekopp, 

Der  Düvel  ess  dinge  Herregott, 
Der  Düvel  singe  Schwanz 
Ess  dinge  Rusekranz^. 

204.  Tripp,  trapp,  tralie, 

Oss  Mad,  die  hat  geng  Fali6^ 

Hat  se  geng, 

Da  kritt  se  geng. 

Da  löift  se  wie  en  Kanaliö. 

205.    Holländer, 
Brobänder, 
Speckfreisser, 
Kuckuck  ^. 


»)  Thor. 

*)  Bezüglich  der  Juden  in  Aachen  vgl.  Dresemann,  Historische Uebersicht 
über  die  Geschichte  der  Juden  in  Aachen.  Ergänzend  zu  derselben  bemerke 
ich,  dass  die  städtischen  Beamten  am  8.  Juni  1714  (Beamten-Prot.  Bd.  47) 
„beschloßen,  denen  Burgeren  von  haus  zu  haus  durch  die  Wächtere  ansagen 
und  verbiethen  zu  laßen,  dass  unter  Straf  von  zehn  goltgulden  sich  des 
Klopfen  und  schlagens  und  sonsten  aller  anderer  Verschimpfung  in  Vorbey- 
gehung  deren  anietzo  dahier  ahnwesenden,  mit  Ihro  Kayßerlicher  Mayestet 
Päßen  versehener  Juden  auf  der  gaßcn  zu  enthalten  haben  sollen".  Hinsicht- 
lich der  Juden  ist  noch  heutigen  Tages  im  Volke  der  Glaube  verbreitet,  dass 
man  den  versorbenen  Juden  Steine  in  den  Sarg  lege  mit  den  Worten:  „Begegnet 
dir  Vater  Abraham,  so  grüsse  ihn;  begegnet  dir  aber  Zimmennanns-Sohn, 
so  steinige  ihn",  sowie  dass  die  Leiche  eines  am  Sabbath  verschiedenen  Juden 
in  einer  Kiste  die  Treppe  hinuntergeworfen  werde.  S.  auch  Nr.  254  und 
Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  VIII,  S.  181,  Nr.  432. 

^)  Ein  schwarzes,  etwa  Vj^ — 2  Ellen  breites  Stück  Zeug,  bei  den  Aermern 
aus  Wolle,  bei  den  Wohlhabenden  aus  Seide,  das  schleierartig  über  den  Kopf 
geworfen  wird,   die  ganze  Taille  hinten   bedeckt  und  vorne  in  Falten  herab- 
fallend  bis   an   oder  über  die  Knie  reicht  (vgl.  3Iüllcr-Weitz  a.  a.  0 
unter  Fali($). 

*)  Auch  in  Cleve,  F.  I,  S.  380,  wo  er  zuletzt  Kuhdief,  wegen  des  Auf- 
kaufcns  des  Rindviehs  am  Rhein,  genannt  wird. 


Aachener  Vülk8-  und  Kindcrlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  163 

Spöttische  Bezeichnung  von  Gewerben. 

206.    Knuddelebäcker, 
Poschweck  ^ 

207.    Wenns  du  oss  genge  Poschweck  gess, 
Dats  du  dann  oucli  düig -Kleie  fress^. 

208.    Krächekröttche,  wat  ess  dich? 
Der  Bäcker  petscht  mich^. 

209.    Et  söss  ene  Schnieder  open  DäoH 
En  nienet, 

Du  koem  ene  Hahn  en  bess  em  egen  Hank 
En  krienet^ 

210.    En  Geos,  die  löif  der  Berg  erop, 
Der  Schnieder  leif  er  noh, 


*)  Posch  weck  1495  Familienilame  (Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- 
verems  VIII,  S.  244,  Nr.  21). 

2)  Der  von  den  Bäckern  am  11.  Februar  1846  bekannt  pfcgebcne  Beschluss 
keine  Osterwecken  (Posch wegge)  mehr  unentgeltlich  zu  verabreichen,  war  die 
Veranlassung,  dass  Banden  Maskirter  Fastnacht  zu  den  Bäckern  zogen  und 
obige  Spottworte  sangen.  Schon  Ostern  1 760  weigerten  sich,  wie  der  Bürger- 
meister-Diener Janßen  in  seiner  C-hronik  III,  S.  118  berichtet,  die  Bäcker, 
Osterwecken  zu  backen,  wurden  aber  vom  Magistrat  dazu  unter  Androhung 
einer  Strafe  von  25  Goldgulden  gezwungen.  Bekanntlich  verbot  in  diesem 
.Jahre  (1888)  ein  Beschluss  der  Bäckerinnung  bei  erheblicher  Geldstrafe  ihren 
Mitgliedern,  fernerhin  Osterwecken  unentgeltlich  an  ihre  Kunden  zu  verab- 
reichen. 

3)  Ein  Spottvers  auf  die  Bäcker  bei  S.  Kb.  S.  122  lautet: 

Wie  machen  die  Bäcker  die  Wecke  so  klein? 
Sie  schieben  dreihundert  ins  Ofenloch  'nein. 

*)  In  den  frühem  Zeiten,  wo  die  Auskramkasten  noch  sehr  selten  waren, 
stellte  der  Schuster,  der  Bäcker  u.  s.  w.  seine  Waare  auf  den  Däol,  welcher 
vor  dem  Fenster  angebracht  war,  und  zwar  in  der  Art,  dass  Abends  der 
Däal  das  Fenster  schloss,  indem  er  in  die  Höhe  gehoben  und  von  innen 
befestigt  wurde.  Im  Tage  sassen  öfters  die  Arbeiter  auch  selbst  darauf. 
Müller-Weitz  a.  a.  0.  unter  Däal. 

*)  In  Köln  mit  dem  Zusatz : 

Doo  flihdigen  Hahn,  pack  dich  cruusi 

Ming  Hand  de  ess  gein  Hoonderhuus, 

Bock  mää! 
F.  I,  S.  467. 


164  M.  Schollen 

De  Geas,  die  hfeif  et  Stätzche  op 
En  sat,  wat  han  ich  do^ 

211.    Nian  sier  en  steich  witt, 

Dat  der  Bor  der  Kfeil*  en  kritt. 

212.    Schuster,  Schuster,  Fieslapp, 

Schleas  die  Modder  met  der  Lees  egen  Nack. 

213.    Schurittefeager, 
Katzefeager, 
Tambur  maju^^ 

214.    Schmedche,  Schmedche  Bielefeld, 
Hat  gen  Iser  en  ouch  geä  Gäld*. 

215.    Schiereschliff  ^ 

Wat  der  Man  verdengt,  versüft  et  Wiev. 

216.    Klitsch,  klatsch  egen  Form, 
Pritsch  ess  mie  Handwerk. 

Ablehnende  Bescheide  ^ 

217.    Wat  kost  dat? 

Esu  völ  wie  de  Haufschead  en  dat  angert  allemol. 


»)  Aehnlich  in  Kettwig,  F,  I,  S.  414,  in  Samland,  F.  III,  S.  111,  in 
Rheinberg,  Die  Heimath  1877,  S.  72;  bei  S.  Kb.  S.  122. 

»)  Kittel. 

•)  In  St.  Gallen  lautet  ein  Kinderlied: 

Chemmifäger,  schwarze  Ma, 
Het  e  schwarzes  Hempli  a, 
Alli  Wöschere  vo  Paris 
Chönnids  nomme  wasche  wiiss. 

F.  n,  S.  655.  Vgl.  „Der  Schornsteinfeger**  aus  Strassburg  i.  E.  F.  I,   S.  113. 

*)  Das  Volksmärchen  „Dat  Schmettche  von  da  Deuwcl**  F.  I,  S.  432; 
vgl.  auch  S  im  rock,  Mythologie,  5.  Aufl.,  S.  482.    *)  Scheerenschliflf. 

•)  Meine  Bemerkung  in  der  Einleitung,  als  sei  diese  Rubrik  eine  neu- 
geschaffene, muss  ich  berichtigen,  indem  ich  aus  dem  mir  nach  dem  Druck 
derselben  zugänglich  gewordenen  Bd.  IV  der  Frommannschen  Zeitschrift 
ersehen  habe,  dass  Stob  er  bereits  in  dem  Aufsatz  „Mundartliches  ans  dem 
Elsass**  derartige  Bescheide  unter  der  Uebcrschrift:  „Antworten  auf  vor- 
witzige und  andere  Fragen**  mitgetheilt  hat. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieiler  und  Spiele.  165 

218.  Wie  Zitt  ess  et? 

Zitt,  dats  de  dich  bekiasch*. 

219.  Wie  sitt  dat  us? 

Schwazz,  wenn  et  verbrankt  ess. 

t- 

220.     Weä  ess  dat? 

Ne  Man  met  zwei  Beon  en  en  Nas  en  et  Gosecli. 

221.    Loss  mich  dat  ens  siah? 
Hat  geng  Ogge. 

222.    Wat  hass  de  mösse  gewe,  för  dat  ze  sioh? 
De  Ogge  der  Kick. 

223.    Wie  geaht  et? 

Wie  sou  et  goahn,  op  zwei  Beon*. 

224.  Va  wöm  bess  du? 

Va  mie  Vadder  en  mio  Modder. 

225.  Wat  wead  hüi  gekaucht? 
E  Döppen  en  et  angert. 

226.     Wo  wohnt  tihr? 

Wo  de  Dör  agene  Still  opgeoht. 

227.     Wo  geohs  du  hen? 
De  Nas  noh. 

228.     Hass  de  mich  get  metbraht? 
E  zockere  Nüsche^ 

220.    Auf  die  Aufforderung  zum  Taus/h: 

Honsr  tusche,  ich  hau  wat  ich  han. 


*)  bvkehr*t.  DIk  At'irort^n  zaf  diese  Fn^ge  i»  Stra^urg  and  lC*Ühaa^si 
s.  Fr.  rV,  5.  472,  Xr.  12. 

'j  Ad.L>fa  Fr.  in.  S.  4<*»,  Xr  H;  IV,  S.  471,  Sr.  2. 

*}  Auf  1:-  alaal;  }.r  Fr*i:*:  ^rwie«lert  mam  feiJkiM'  E  KÜwri*  Xix«rL  an 
e  guldi*  Wan^wKIr:;-,   '!;*.  kri^«<lu  wenn'«  ||[  Fr.  IV,    .S.  473. 

Nr.  1**.    XzL  a^db  W-=ii-rLorn  II,  S.  4ir  ^^  9&-l'>.'. 


_i 


166  M.  Schollen 

230.  Wie  he8scht  deä? 
Wie  siuge  Nam  en  ess. 

231.  Woröm  lut  et? 

Weil  se  an  et  Seal  trecke. 

232.    Wie  kons  du  dora? 

Wie  komme  de  Heide  a  de  Hemder. 

233.    Wo  kons  du  an  dat  schönn  (Gegenstand)? 
Schönn  Lü  haut  ouch  schönn  Sache, 
En  wat  se  net  haut,  dat  losse  se  sich  mäclie. 

234.    Gew  mich  dat! 

Gank  Köili  beddele,  da  kriss  du  de  Kauver  ömmesöns. 

235.     Modder,  ich  ha  Honger! 

Leck  get  Salz,  da  kriss  du  ouch  Dösch. 

236.  Auf  die  neugierige  Frage  eines  Kindes: 

Kengerfrög,  au  Lü  wessen  et  wähl  ^ 

237.  Auf  die  Aufforderung,  sich  ze  zaue: 

Ich  ben  gezaut, 

Noch  gedaut, 

Da  ben  ich  got  för  Lapplear. 

238.  Auf  die  Frage  nach  dem  Besitz  eines  Gegenstands: 

Hei  ich  dat,  da  leife  mich  de  Hong  noh. 

239.  Auf  die  Frage  nach  dem  Verbleib  eines  Gegenstands: 

Wo  ess  der  Schniea  va  ze  Johr. 

240.  Wo  ess  dat? 

A  die  wolle  Oemkiehr,  längs  dat  linge  t/iuere^. 

241.    Nüis  Nöits  passiert? 

Ene  Bock  hat  en  Geos  rasiert. 


>)  Bei  S,  Kb.  S.  20  heisst  es: 

Kleinkmderfragc  mit  Zucker  bestreut, 
Grosse  Leute  wissen  Bescheid. 

*)  Eine  Art  St-hlag-  oder  Kiegelbauiu  zum  Absperren  der  Wiesen. 


Aachvner  Volk«»-  und  Kinder lieder,  :>pieUieder  und  Spiele.  167 

242.     Man  deutet  auf  die  rechte  Hand  eines  Andern  und  sa*,'t: 

Du  blouts  a  die  Hank! 
Sieht  er  dahin,  so  heisst  es: 
A  die  andrer  Hank! 
De  Nas  verbrankt  ^ 

243.     Wot)sch  du  ouch  derbeiy 
Wobei? 
Bei  der  Weprgebrfei. 

244.     Wat  geoht  dich  dat  a! 

Krigg  ene  Köttel  en  biess  dra. 

Heits  du  et  mich  get  iahder  gesät, 

Da  hei  ich  et  dich  oj>en  Zong  gelat. 

Heits  du  dat  Wötche  verschwer^ge, 

Da  brüchets  du  der  Pastur  sie  Hii'-clie  net  ze  fV^ge. 

Militärisches. 

245.     Et  ess  geü  Mädrlie  eg<*ii  Stailt, 
Of  uea  et  hat  ene  lYü^^  gc-ljat. 

240.     Si>s  de  uiicli.  li^*i  ^to.jluj  irjj, 
Kr»ns  du  net,  da  g'^^hn  uU. 

247.  Ha-^s  du  ii*>rh  uet  laug  g<'ij<>g  */i^^i\il}{Ut'f 

248.  Tre-ck  dra,  s*»ns  ge^lil  duh  <io  l^U^f  n>. 

249.     De  Jr'i'cUizu.>e  haiiT  et  (i^ild  g<'Ji<;lt. 
De  Prii^se  hol<,Mj  et  \sier. 

250.     3I'»r^'e  jr-mt  JVir  t!•*M•k(^ 
J  >a    we^^de  liir  Zal^ul^ 
])h   i^ewt'iirv   (>ii    i[o    >M;fke. 

J  >i<*  >töijt  for  (>>>  ]»arat. 


art  an. 


168  M.  Schollen 

251.    Kiskedi  hat  Hössen  a, 
Parle  vu  hat  Strömp  a^ 

Tanzreime. 

252.    Der  Drickes  egen  Heu. 

Eng  Trapp  erop, 
Zwei  Trapp  erop, 
Gew  mich  get  Fiir. 

253.    De  sövve  Spröng^ 

Hei  weä  ka  de  söwe  Spröng, 
Hei  weä  ka  se  danze? 
Backesmädche;  kom  bei  mich, 
Kons  du  net,  da  hool  ich  dich 
Zorn  Danz^ 

254.    Schottisch. 

1,  2,  3  ene  Jüd  kapott, 

Krigg  em  met  der  Hals  en  schmeiss  em  fott. 

255.    Jonge,  Jonge,  Jonge,  wenn  der  Lambet  könt. 


*)  Richter  a.  a.  0.  S.  163  bemerkt:  Ausserdem  hat  im  18.  Jahrhundert 

die  französische  Revohition  ihre  Spuren  in  den  deutschen  Kinderreimeu  zurftck- 

gelassen.  Dem  französischen  Marsche  hat  die  deutsche  Kinderdichtung  folgenden 

Text  unterlegt: 

Ramplamplam,  Papier  argent, 

Kein  lump'ger  Geld  als  Assignat. 

Qu'est  ce  quMl  dit  hat  Hosen  an, 

Parlez-vous  hat  Strttmpfe  an. 

2)  Dieser  kaum  noch  gekannte  Tanz  ist,  wie  F.  Höft  in  Am  Urds- 
Brunnen  VI,  S.  1  nachweist,  mythologischen  Ursprungs,  lieber  die  sog. 
sieben  Sprünge  vgl.  Simrock,  Mythologie,  5.  Aufl.,  S.  576;  Ku.  II,  S.  44, 
Nr.  121,  S.  149,  Nr.  425;  Kolbe,  Hessische  Volks-Sitten  und  Gebräuche 
S.  115.  In  Thüringen  werden  noch  bisweilen  beim  Erntefest  „die  Sieben- 
sprüng"  getanzt.  Witzschel,  Sagen,  Sitten  und  Gebräuche  aus  Thüringen. 
S.  222. 

^)  Vgl.  S,  Kb.  S.  105,  Nr.  383;  den  Tanzreim  zu  den  „zeeven-sprong** 
in  den  Niederlanden  s.  r.  V.  p.  1)2. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  169 

Zur  Uebung  der  Zungengeläufigkeit  ^ 

256.    Weä  kloppt?  sät  sfei, 
Weä  ess  dat?  sät  ich. 
Du  sproach  sfei, 
En  dat  ben  ich. 

257.    Kleng  Kaplönche. 
(Zehnmal  rasch  nacheinander  zu  sagen.) 

258.    Greierlengs  dörichgen  Sief  gegreit*. 

259.    Fritz  freiss  fett  Speck. 

260.  Ob  mie  Vaddere  Schaf  litt  reehts  e  breot  blei6 »  Bei61e  K 

261.  Minge  Nonk  Fonk  us  Ponk  singe  Honk,  döra  sing  Konk 
ess  wonk  van  alle  de  Kaffigronk,  döm  minge  Nonk  Fonk 
US  Ponk  singe  Honk  dronk. 

Räthsel  und  Vexir-Fragen  ^ 

262.    Höppelepöp  soss  open  Bank, 

Höppelepöp  ffeil  vagen  Bank, 

Et  ess  genge  Dokter  en  et  ganze  Land^, 

Deä  Höppelepöp  kuriere  kan. 

Roa,  roa,  wat  ess  dat^? 

Ei. 

263.     Ich  klopp  an  e  wiss  Kapellche,  da  könt  erus  e  geol  Männche  ? 

Ei. 


*)  Auch  das  Mittelalter  kannte  schon  allitterirende  Sprüche  mit  Konso- 
nantenhäufung,  um  die  Zunge  der  Kinder  geläufiger  zu  machen,  z.  B.  „ein  flig 
die  prent  ein  praw  von  pir*',  vgl.  Z.  S.  55,  s.  ferner  über  konsonantische 
Anlantgformeln  R.  S.  23. 

')  mit  ausgespreizten  Beinen.    ^)  bleiernes.    *)  Beil. 

*)  lieber  Alter  und  Art  des  deutschen  Volksräthsels  vgl.  i?.  S.  199,  über 
«las  Räthsel  im  Mittelalter  Z.  S.  64. 

*)  Fast  übereinstimmend  in  Vorarlberg,  Fr.  III,  S.  398.  In  der  Mundart 
im  Lippeschen,  F.  I,  S.  271,  heisstes:  „Ess  nen  Dokter  in  Engeland '*  und  in 
der  rhein fränkischen  Mundart,  fV.  V,  S.  278,  „et  es  gen  man  en  Braban", 
endlich  bei  Spee  a.  a.  0.  I,  S.  19:  Ess  gene  Mon  en  ganz  Hollonk. 

')  Aehnlich  bei  r.  V.  p.  48. 


170  M.  Schollen 

264.    Wat  ess  noch  klenger  als  en  Mus 

En  hat  niia  Fenstere  als  et  Stadthüs^? 

Fingerhut. 

265.    Vier  Rarende, 

Zwei  Komplemente, 
En  de  Medse  ene  Wiggelewack, 
Mengen  en  vören  ene  Bruadsack^? 

Chaise. 

266.  Komme  se,  da  komme  se  net,  en  komme  se  net,  da  komme  se. 

Die  Tauben  und  die  gesäten  Erbsen. 

267.  Höleböle  setzt  opene  Söller,  liondert  dusend  Pead 

können  em  net  erav  krigge? 

Sonnenschein. 

268.    Ich  werp  get  Längs  erop, 
Könt  öwer  Krüzz  erav^? 

Scheere. 

269.    Et  geng  ene  Man  öwergen  Brock, 

Deä  hau  fick  fack  Vogel  agen  Rock, 

Wat  hau  heä  agen  Rock? 

Watte. 

270.    Kaiser  Karl  hatte  einen  Hund, 

Dem  gab  er  den  Namen  mit  seinem  Mund. 

Also  hiess  Karl  semen  Hund. 

Wie  hiess  der  Hund^? 

Also. 


>)  Bei  R.  S.  261  heLsst  es: 

Chliner  as  ne  Müs, 
meh  Pfcisterli  as  es  Rothhüs. 
Dasselbe  Rräthsel  in  Windsheimer  Mundart  s.  Fr.  IV,  S.  550 ;  in  brabant isolier 
Fassung  s.  bei  Mone,  Anzeij^er  1838,  S.  268.     Vgl.  auch  S.  Kb.  S.  327. 

^)  In  der  Gegend  um  Soldin  in  der  Neumark  lautet  ein  ähnliches  Räthsel: 

Veer  Ruratschen, 
Veer  Woalerk latschen, 
Eenen  KupennilUing 
Met'n  Schwingschwang. 
F,  III,  S.  503. 

•')  Achnlich  im  Lipposchen,  F.  I,  S.  271;  in   Solingen,    F,  III,    S.  195. 

*)  Auch  in  -S'.  Kb.  Nr.  1138;  ähnliches  Räthsel  bei  r.  V.  p.  156.     Nach 

J.  F.  Schröder,  Geschichte  Karls  des  Grossen  S.  200  wurden  die  Jagdhunde 


Aachener  Volks-  uud  Kinderliedcr,  Spiellieder  und  Spiele.  171 

271.     Wat  geaht  opene  Kopp  nohgen  Kericli  eren? 

Der  SchuhnageP. 

272.  Wat  ess  et  iaschte  egen  Kerich^? 

Der  Bart  des  Kirchenschlüssels. 

273.  Wat  ess  et  kloaschte^  egen  Kerich? 

Der  Tropfen  an  der  Nase. 

274.    En  häuf  Kauf  häuf. 

Ein  Viertel  eines  Kalbes. 

275.    Wat  rücht,  stenkt  dat  ouch? 
Wird  bejahend  geantwortet,  so  heisst  es: 

Da  stenkt  ding  Nas  ouch. 

276.  Woröm  deat  der  Halm  de  Ogge  zou,  wenn  heä  kriont? 
Weil  heä  sie  Ledche  uswendig  kan. 

Volksglauben. 

277.  Das  Finden  eines  vierblättrigen  Kleeblatts  bringt  Glückt 


Karls  d.  Gr.  auf  der  rechten  Seite  gezeichnet  und  hatte  jeder  seinen  Namen. 
Vgl.  auch  Nr.  58  von  Karls  d.  Gr.  Wirthschafts-Ordnung  der  Königshöfe  in 
Beiträge  zur  Geschichte  von  Eschweiler  und  Umgegend  I,  S.  249. 

*)  In  Vorarlberg  ist  die  nämliche  Antwort  auf  die  Frage :  Was  göt  ufern 
kopfs  land  üs  und  i?  Fr.  III,  S.  397;  s.  dasselbe  Räthsel  in  Windsheimer 
Mundart,  das.  IV,  S.  551. 

2)  Auch  bei  K.  S.  107;  bei  Schm.  S.  205.     ^)  am  klarsten,  hellsten. 

*)  Jansen  (Samml.  verschiedener  Gedichte  in  der  Aachener  Volkssprache) 
sagt  in  dem  Gedicht:  „Der  unverb rennliche  Mann"  I,  S.  35: 

Deä  merr  va  vier  e  Klioblatt  hei, 
Dom  ess  net  liaht  get  vörzemuUen, 
Deä  sitt  ze  hoss  de  Kockelei. 

In  Gr.  LII  heisst  es:   so  band  ettlich  de  fierde  Kle 

das  sy  dauon  gauglen  sechen. 

V^l.  auch  K.  S.  252.  In  Oesterreich  kann  man,  wenn  mau  vierblättrigen 
Klee  hat,  alle  Künste  der  Zauberer  und  Hexen  durchschauen.  Vernaleken, 
Mythen  und  Bräuche  des  Volkes  in  Oesterreich  8.  312.  Wer  in  Thüringen 
ein  vierblättriges  Kleeblatt  findet,  der  soll  es  aufheben  und  bei  sich  tragen, 
denn  so  lange  er  es  hat,  ist  er  glücklich.  Witzschel,  Sagen,  Sitten  und 
Gebräuche  aus  Thüringen  S.  277.  Dagegen  wird  in  Rottenburg  der,  wer 
unverdanks  einen  vierblättrigen  Klee  findet,  bald  reich.  Birli»g«r,  Volks- 
thümL  aus  Schwaben  I,  S.  490.  ^^ 


172  M.  Schollen. 

278.  Beim  Kartenspiel  den  Daumen  halten  bringt  Glückt 

279.  Wer  Geld  borgt  beim  Kartenspiel,  hat  Glück*. 

280.  Et  eschte  Glück«  ess  Katzeglöck. 

28 1 .  Mit  dem  zuerst  im  Geschäft  gelösten  Geldstück  muss  man 
sich  segnen,  dann  hat  man  Glück. 

282.  Weä  de  Trapp  erop  feilt,  hat  Glück. 

283.  Wie  mia  Feinde,  wie  mia  Glöck*. 

284.  Wie  grüesser  der  Schelm,  wie  grüesser  et  Glöck. 

285.  Deä  met  ene  Halm  gebore  ess,  hat  öArverall  Glöck*. 

286.  Sondeskenger,  Glöckskenger  ^. 

287.  Weä  zom  Stüver  gebore,  sal  net  an  en  Mark  kommet 

288.  Der  Düvel  schiesst  zeläve  net  op  ene  klenge  Houf  ®. 

289.  Von   dem  Aufwandmachen   über  den  Stand  hinaus  trotz 
genügender  Mittel  sagt  man:  „Do  komme  Strofe  noh.** 

290.  Die  Spinne  am  Morgen 
Macht  frei  von  Sorgend 

291.  Messer  und  Gabel  kreuzweise  übereinander  liegen  lassen 
deutet  auf  Unglück  ^^. 


^)  üebereinstimmend  bei  Birlinger  a.  a.  0.  I,  S.  497;  Ku,  II,  S.  188, 
Nr.  530. 

«)  Desgl.  Gn  LXIX,  Nr.  51.  «)  d.  h.  beim  Spiel.  -•)  S.  Zeitschr.  des 
Aach.  Geschichtsvereins  VIII,  S.  170,  Nr.  200. 

*)  Gr.  LXXVII,  Nr.  260 :  „wer  sein  mit  auf  die  weit  gebrachtes  kleidcheu 
(die  glückshaube)  authebt  und  bei  sieh  trägt,  dem  gelingt  aUes." 

^)  Gr,  LXXVII,  Nr.  243:  „wer  sonntags  geboren  wird,  ist  glücklicher 
als  andere.'*    Vgl.  auch  B.  II,  S.  219,  Nr.  1143. 

^)  Vgl.  Zeitschr.  des  Aach.  Geschichtsvereins  VIII,  S.  201,  Nr.  916. 
In  Coblenz  heisst  es:  Wer  zom  Faustekäs  gebore  es,  werd  sei  Lewe  kaine 
Limborg6rer.  Wegeier  a.  a.  0.  S.  101. 

®)  Zeitschr.  des  Aach.  Geschieh ts Vereins  VIII,  S.  169,  Nr.  159. 

®)  Gr.  CXVII,  Nr.  10:  Taraign^e  est  un  signe  de  bonheur,  et  annonce 
particuliörement  de  Targent  pour  la  personne,  sur  laquelle  eUe  est  trouv^e. 
S.  auch  K.  S.  252;  Kt4.  II,  S.  59,  Nr.  175;  B.  II,  S.  184,  Nr.  879.  An  wem 
in  Thüringen  früh  Morgens  eine  Spinne  herunterkriecht,  der  wird  am  Tage 
glücklich  sein.     Witzschel  a.  a.  0.  S.  277. 

'°)  In  Oesterreich  ruft  derjenige,  welcher  mit  der  Gabel  auf  den  Tisch 
schlägt,  die  Noth,  und  der,  wer  ein  Messer  so  auf  den  Tisch  legt,  dass  die 


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174  M.  Schollen 

802.  Wenn  ein  Kind  hoffnungslos  daniederliegt,  so  holt  man 
bei  Knaben  den  Pathen,  bei  Mädchen  die  Pathin,  diese 
besprengen  das  Kind  mit  Weiliwasser  und  segnen  es,  ihm 
so  den  Tod  erleichternd  ^ 

803.  Verbreiten  die  m  dem  Kapellchen  auf  der  Rosstrasse  von 
wallfahrenden  Kindern  geopferten  Kerzen  hellen  Schein, 
so  genest  das  Kind,  wegen  dessen  die  Wallfahrt  unter- 
nommen worden,  brennen  sie  trübe,  so  stirbt  es^ 

804.  Wat  net  jonk  dollt,  dollt  oat. 

305.  Vögel,  die  fröch  senge,  kritt  de  Katz^ 

806.  Weä  vor  vezzig  Jolir  fahrt,  moss  noh  vezzig  Jolir  beddele 
goöhn  ^. 

307.  Wenn  Mädchen  pfeifen,  weint  die  Mutter  Gottes  ^ 

308.  Wer  oft  und  viel  in  den  Spiegel  guckt,  hinter  dem  steht 
der  Teufel  ^ 

309.  Drfei  Genanne,  dönt  der  Düvel  banne. 

310.  So  oft  es  knackt,  wenn  ein  Mädchen  an  den  Fingern  zieht, 
so  viel  Schätze  hat  es'. 


^)  Bei  Gr,  XCIX,  Nr.  769  müssen  ^oth  oder  pathe  geholt  werden, 
wenn  das  Kind  „kinderscheuersclien"  bekommt. 

*)  Zu  dem  KapeHclien  lässt  man  dann  fi\r  ein  erkranktes  Kind,  je  nach- 
dem es  ein  Knabe  oder  Mädchen  ist,  drei  Knaben  oder  Mädchen  im  Alter 
von  7  bis  9  Jahren  wallfahren,  wenn  menschliche  Hülfe  aussichtslos  erscheint. 
Bei  dieser  (relegenheit  werden  Kerzen  j^eopfert  und  gleich  angezündet.  Vgl. 
auch  Müller,  Aachens  Sagen  und  Legenden  S.  108,  ferner  dessen  Prosa  und 
(iediohte  in  Aachener  Mundart,  Th.  II,  8.  47. 

"*)  Ebenso  Wegeier  a.  a.  0.  S.  98. 

*)  Gr.  LXXVI,  Nr.  233:  wer  jung  glücklich  ist,  muss  im  alter  betteln 
und  umgekehrt. 

*)  Ein  deutsches  Sprichwort  mahnt: 

Wenn  Mädchen  pfeifen  und  Hühner  krähen. 
So  soll  man  ihnen  den  Hals  umdrehen. 

In  Rheinberg  (Niederrh.  Geschichtsfreund   1880,   S.  50)  heisst  es:   Wo  de 
Henne  krähje  on  de  Fraulüj  fleute,  sett  den  Düvel  op  de  Schorsteen. 

^)  Bei  Körte,  Die  Sprichwörter  und  sprichwörtlichen  KedensarlM if 
Deutschen,   2.  Aufl.,  S.  420,   Nn  7057    heisst  es:    Sieh  nicht  i^ 
bei  Licht,  der  Schwarze  guckt  dir  über  die  Schulter. 

^  Dgl.  bei  K.  S.  2f»8. 


Aachener  Volkn-  uiiil  Kinilcrlietlcr,  Spiellieder  mitl  Spiele.  175 

311.  Spitzige  oder  schneidende  Gegenstände  darf  man  nur  mit 
lachendem  Munde  verschenken,  sonst  zerstören  sie  die 
Freundschaft '. 

312.  Derjenige  Ackei-smann,  welcher  des  Nachbars  Eigenthiim 
durch  Verrückung  der  Grenzsteine  geschmälert  hat,  muss 
nach  seinem  Tode  so  lange  als  feuriger  Mann  umgehen, 
bis  Jemand  auf  seine  Frage : 

Wo  setz  ich  meinen  Pfahl? 
antwortet : 

Setz  ihn,  wo  du  ihn  nahmst! 
Nachdem  er  hierauf  die  richtige  Grenze  wiederhergestellt 
hat,  erscheint  er  als  erlöster  Geist  nicht  wieder*. 

313.  Wenn  es  domiert,  sagt  man:  „Et  Herregöttehe  kieft"  ^ 

314.  Bei  Gewittern  Wien  man  in  das  Achhom,  um  dadurch  die 
drohende  Gefahr  abzuwenden*. 

315.  Wenn  et  reäut  en  de  Sonn  schingt,  hat  der  Düvel  Keremess*. 

316.  Reänt  et  op  Maria  ^ief^,   da  reänt  et  noch  vezzig  Dag'. 

')  Vgl    K  S  255   Xr   70 

')  \gl  Kaufmann  \\uD<lerbare  iml  denknUrdige  Gesclo  litcn  aus 
den  Werken  ies  tä-aaniis  von  HeiilPrbich  Annaleu  iles  hiat  \erems  f  1 
Ni.  ierrhcin  Hift  \LVII  Th  I  ^  2i  f  ^r  )  und  10  S  ftrnt-r  du.-», 
Annalen  X\X\  III  s  91  iiich  in  Thflringen  mus-i  «er  Gr<,n/steine  ver 
rü  kt«  nach  dem  Tule  nis  feurigtr  Unnn  uinf^chiu  Der  feurige  Mann  ist 
ein  <iei->t  der  HOlle  Mit  Riesen  schritten  setzt  er  seine  Reise  fort  dabei 
nach  allen  Seiten  Feuerfnnkeii  von  siüi  sprühend  Fr  streitht  mti«t  den 
tlurgreuzen  entlang  W  itzsohel  a  i  ü  "■  2'4  2b6  , lieber  den  Feier 
inin' inOesterrtiLh  igl  \ernalekena  ft  0  S  271  fT  In  SMerdilnurscIiui 
sind  Feuermänner  Seelen  \  er'ttorbcner  ncLhe  »ef,en  ihrer  Missethaten  nieht 
TUT  ewigen  Ruhe  eingehen  kunntn  Oren/verHlcker  J eld meiser  die  falmb 
t,enie'>si,n  gewiBsenl  ■*  firnndljcait^er  Sputter  uinl  Mörder  iniissen  al§  Feuer 
tnSnner  abbüsien     Sie  ers  heinen  ml«  orter  als  Irrli  hter  oier  au  h  al-,  h  be 

m 1  .  _  1     Ti  -^jj.)   ^^  Uidsbrunnen  III    S    m 

den  Kindern    wenna  ilunnert    Der 
.n,  zornig).    'Vernatekcn  a.  a.  0. 

chtsvereina  VI,  S.  246. 
,n'gnets  unter  Sonnenschein,   so 
bei  Spee  a.  a.  0.  II,  S.  Sh;  Kii. 

r'cl.  Ku.  TI,   S.  92,   Nr.  I4«l;    B. 

:  Zeitschrift  für  deutsche  Kultur- 


178  M.  Schollen 

334.  Am  24.  Dezember  (Adam  und  Eva)  darf  man  keine  Aepfel 
essen,  sonst  bekommt  man  Gesclnvlire  an  den  Mund^ 

335.  Christnacht  wird  um  12  Uhr  alles  Wasser  Wein*. 

336.  Gröng  Kressmess,  wisse  Posche^ 

337.  Ist  Jemand  ein  Fuss  eingeschlafen*,  so  vergeht  das  Uebel, 
wenn  man  mit  Speichel  ein  Kreuz  über  denselben  macht  \ 

338.  Wenn  man  die  Nägel  von  den  Fingern  abbeisst,  bekommt 
man  die  Auszehrung^. 

339.  Weisse  Flecken  auf  den  Nägeln  künden  die  begangenen 
Todsünden  (gesprochenen  Lügen)  ^. 

340.  Löst  sich  die  Schale  des  gekochten  Eis  nicht  gut,   so  ist 
man  ungern  aus  dem  Bett  aufgestanden. 


*)  Bei  K,  S.  258,  Nr.  103,  wer  am  Neujahrstag  Aepfel  isst.  In  Thüringen 
dürfen  in  der  Adventszeit  keine  Erbsen  und  Linsen  gegessen  werden,  sonst 
gibt  es  Schwären  im  zukünftigen  Jahr.    Witzschel  a.  a.  0.  S.  156. 

*)  Man  muss  zu  diesem  Zweck  au  eine  Pumpe  u.  s.  w.  gehen  und  sagen : 
„Alle  Wasser  ess  Wien.**  Flugs  springt  dann  aber  der  Teufel  hinzu  und 
sagt:  „En  du  bess  mien."  In  Wachtendonk,  wo  der  gleiche  Volksglaube 
herrscht  (s.  Der  Niederrhein  1878,  S.  30),  stiess  der  Teufel  einen  Mann,  der 
in  der  Christnacht  Wasser  schöpfte  und  dasselbe  mit  grossem  Behagen  trank, 
mit  den  Worten:  „Und  du  bist  mein"  in  die  Niers,  nachdem  er  vorher  auf 
die  Frage:  „Was  machst  du?"  als  Antwort:  „Das  Wasser  ist  Wein" 
erhalten  hatte.  Vgl.  auch  Ku.  II,  S.  108,  Nr.  324;  Vernaleken  a.a.O. 
S.  290.  In  Bielefeld,  Gr.  C,  Nr.  792,  herrscht  derselbe  Aberglaube.  Dort 
„erblindet,  ertaubt  oder  ist  ein  Kind  des  todcs  der,  welcher  es  untersuchen 
will".  Gr.  S.  328,  leitet  die  Annahme  auf  die  VorstcUung  zurück,  dass  die 
erste  Manifestation  der  Gottheit  des  Heilands  bei  der  Hochzeit  zu  Cana,  wo 
er  Wasser  in  Wein  verwandelte,  geschehen  sei.  In  Röttingen  glaubt  man, 
dass  in  der  Christnacht  aus  allen  Brunnen,  etwa  drei  Minuten  lang,  Wein 
fliesse.  Niemand  mag  aber  zum  Brunnen,  weil  die  Diebe  zu  dieser  Stunde 
so  gefährlich  sind.    Birlinger,  Volks thümlich es  aus  Schwaben  I,  S.  466. 

3)  Vgl.  Schm.  I,  S.  169,  Nr.  10;    Körte  a.  a.  0.  S.  579,  Nr.  305,  306. 

*)   Das  Ameisenkricchen    im   Fuss.     *)   Gleichlautend   bei    K.    S.    267. 

ö)  Desgl.  S.  265.  In  Ertingen  (Birlinger  a.  a.  0.  I,  S.  488)  besteht 
der  Glaube,  dass  man  mit  den  Nägeln  Menschen  tödten  kann,  obwohl  langsam ; 
ferner,  dass,  wenn  man  einem  Wasser  zu  trinken  gibt,  in  das  „Nägelschabete" 
geworfen  wurde,  der  Betreifende  die  Auszehrung  bekommt. 

^)  Bei  Gr.  CLVII,  Nr.  1070  bleibt  der  in  seinem  Vaterland,  wer  auf 
den  Daumnägeln  weisse  Flecken  hat ;   bei  K.  S.  252  deuten  dies(^lben  auf  Glück. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  179 

341.  Met  et  lenke  Bean  zeiasch  opgestange  sia^ 

342.  Hei  lut  et  zoni  I)ua<l, 
Hei  lut  et  zom  Grav, 

Welsch  mich  alle  die  Frazzele^  av^ 

343.  Weiss  man  an  einem  Kreuzweg  nicht  den  richtigen  Weg, 
so  spuckt  man  auf  den  Rücken  der  geballten  Faust  und 
schlägt  darauf;  wo  der  Speichel  hinfliegt,  ist  der  richtige 
Weg^ 

344.  Juckt  die  Nase,  dann  erhält  man  Geld^ 

345.  Lenk  Ur, 
Klenk  Ur, 
Reaht  ITr, 
Schleaht  Ur^. 


')  Sagt  man  von  demjenif^en,  welcher  den  Tag  über  gegen  seine  Um- 
gebung sich  mürrisch  zeigt.  Wer  in  Thüringen  früh  beim  Aufstehen  mit 
dem  Unken  Fuas  zuerst  aus  dem  Bett  tritt,  hat  den  Tag  über  ein  Unglück 
zu  erleben  oder  es  geht  ihm  Alles  verkehrt.    Witz  seh  el  a.  a.  0.  S.  295. 

2)  Warzen.  ^)  Desgl.  bei  K.  S.  268;  Birlinger  a.  a.  0.  I,  S.  484. 
Einen  andern  Aberglauben  zum  Vertreiben  der  Warzen  s.  Gr.  CLII,  Nr.  975, 
femer  Jahrbuch  für  Elsass-Lothringen  III,  S.  141.  In  Thüringen  geht  man, 
wenn  es  auf  dem  Gottesacker  läutet,  stillschweigend  ans  Fliesswasser,  greift 
mit  der  einen  Hand  ins  Wasser,  wäscht  die  Warzen  und  spricht  dabei: 

Dies  (Je wachs  wasch  ich  abe 

Das  verscharre  man  im  Grabe. 
Witzschel   a.  a.  0.   S.  291.    In   Oesterreich   soll  man  Warzen  verlieren, 
wenn  man  an  einem  Nachmittag,  wo  zu  einem  Begräbniss  geläutet  wird,  ins 
Freie  tritt  und  spricht: 

Warzel,  Warzel,  weiche, 
Sie  läuten  einer  Leiche; 
Gehst  du  nicht  zu  Grabe, 
Frisst  dich  zuletzt  der  Rabe. 
Vernaleken  a.  a.  0.  S.  314. 

*)  Wein  oder  sonstige  Flüssigkeit  entweder  mit  dem  Munde  oder  aus 
einem  Gefasschen  auf  ein  schwebendes  oder  schwimmendes  Ziel  zu  spritzen 
und  dies  dadurch  zur  siegverkündenden  Senkung  zu  nöthigen,  war  eine 
vorzugsweise  bei  Symposien  stets  wiederkehrende,  unter  dem  Namen  „KottA- 
bos"  bekannte  Hauptbelustigung.  Vgl.  Weiss,  Kostümkunde  II,  S.  896; 
Richter  a.  a.  0.  S.  98. 

*)  Bei  Gr,  ('LX,  Nr.  1138  bedeutet  das  Nasejucken  einen  Rausch;   bei 

K.  S.  252  ein  Geschenk;  bei  Birlinger  a.  a.  0.  I,  S.  495  gibt  es  was  Neues. 

«)  Aehnlich  bei  Gr,  LXXXIX,  Nr.  537,  C,  Nfcjgfc  XLVUI,  Nr.  27 ; 

A'u.  II,  S.  59,  Nr.  173.    Im   Nassauischen  helBSt  ||^B^HlL  ^  einem  im 

12* 


180  M.  Schollen 

346.  Einen  ausgefallenen  Zahn  muss  man  hinter  sich  werfen, 
sonst  bekommt  man  keinen  neuen  ^ 

347.  Krolle 2  Hoare,  krolle  Senn». 

348.  Rua  Hoar  en  Hölleterholz  *  wast  sälde  op  ene  goue  Gronk  ^ 

349.  Dem  Mädchen  soll  man  die  Haare  zur  Zeit  des  jungen 
Lichts  schneiden,  dann  wachsen  sie  schnellt 

350.  Weä  sich  get  nient  age  Liev,  wead  zeleäve  net  riech 
(Börgermöster)  ^  • 

351.  Wenn  ein  Reihfaden  an  einem  neuen  Kleide  sich  befindet, 
so  ist  es  noch  nicht  bezahlt®. 

352.  Bleibt  auf  dem  Spaziergang  dem  Mädchen  ein  Dorn  in 
der  Schleppe  des  Kleides  hängen,  so  bekommt  es  einen 
Wittwer  zum  Mann^ 

353.  Wenn  et  Spöilwasser  kaucht,  kritt  et  Mädche  ene  versaufe 
Man  ^^ 

354.  Fällt  ein  an  der  Wand  hängendes  Bild  u.  s.  w.  von  Unge- 
fähr herunter,  so  sieht  man  das  als  ein  Vörgeböigness  an  ^^ 

355.  Wer  todt  gesagt  wird,  lebt  lang. 


rechten  Ohr,  so  wird  er  in  dem  Augenblick  an  einem  andern  Orte  gelobt; 
singelt  es  im  linken,  so  wird  er  getadelt.    K.  S.  252. 

*)  Bei  K.  S.  266  muss  der  ausgefallene  Zahn  eines  Kindes  in  ein  Maus- 
loch gethan  werden,  sonst  bekommt  es  keinen  neuen.  Vgl.  auch  Ku.  II,  S.  34, 
Nr.  94. 

«)  krauses.    ^)  Auch  bei  Körte  a.  a.  0.  S.  189,  Nr.  3092. 

*)  HoUunderholz.  *)  Vgl.  Schm.  I,  S.  185,  Nr.  83;  Wegeier  a.  a.  O. 
S.  100.  Ueber  den  Ursprung  dieses  Volksglaubens  s.  J.W.  Wolf,  Beiträge 
zur  deutschen  Mythologie  I,  S.  64.  Vgl.  femer  Zingerle,  Die  deutschen 
Sprichwörter  im  3Iittelalter  S.  124. 

ö)  Ucbereinstimmend  bei  K.  S.  263,  Nr.  167. 

^)  Bei  Gr.  LXXVIII,  Nr.  276  muss  man  alsdann  etwas  in  den  Mund 
nehmen,  sonst  wird  man  vergesslich. 

«)  S.  dasselbe  bei  K,  S.  256,  Nr.  77. 

ö)  Gleichlautend  bei  K,  S.  264,  Nr.  178. 

*^)  Im  Nassauischen  bleibt  das  Mädchen  alsdann  noch  7  Jahre  ledig. 
K.  S.  264. 

")  Wenn  man  in  Thüringen  einen  schweren  unerklärlichen  FaU  oder 
sonst  ein  Gepolter  u.  s.  w.  im  Hause  vernimmt,  so  bedeutet  es  Sterben. 
Witzschel  a.  a.  ().  S.  255. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  181 

356.  Su  dock  wie    me  der  hellige  Ges*  avblöse  ka,    su   völ 
Johre  leovt  me  noch. 

357.  Wenn  der  Körev  feodig^  ess,  flüggt  der  Voggel  drus. 

358.  Wenn  die  Kinder  Prozession  spielen,  stirbt  Jemand  in  der 
Nachbarscliaft  ^. 

359.  Speisen  dreizehn  Personen  zu  gleicher  Zeit  an  einem  Tisch, 
so  stirbt  eine  derselben  in  Jahresfrist*. 

360.  In  dem  Hause,  an  welchem  ein  Hund  längere  Zeit  jimkt  •^, 
stirbt  Jemand  ^ 

361.  Gear  du9d,  leovt  lang. 

362.  Wenn  zwei  Personen  zu  gleicher  Zeit  auf  den  nämlichen 
Gedanken  kommen,  so  sterben  sie  im  nämlidien  Jähret 

363.  Von  einem  Grab  darf  man  nichts  mitnehmen,    der  Todte 
holt  es  sonst  zurück®. 

364.  Träumt  man  von  einem  Verstorbenen,  so  bedarf  dieser  des 
Gebets  \ 

Bücherinschrifteii. 

365.    Wer  dieses  Buch  findet,  ist  mir  lieb, 
Wer  es  behält,  der  ist  ein  Dieb, 
Es  sei  Magd  oder  Knecht, 
An  dem  Galgen  steht  sein  Recht  ^**. 


0  Die  in  Samen  übergegangene  Blume  des  Löwenzahns.     *)  fertig. 

•'*)  Bei  K,  S.  270,  wenn  die  Kinder  im  Spiel  ein  Begräbnis»  darstellen. 

*)  Gleichlautend  bei  Birlinger  a.  a.  0.  I,  S.  474;  Witzschcl  a.  a.  0. 
S.  257. 

^)  weinerlich  heult.  ^)  Gr.  CLIX,  Nr.  1112,  wohin  der  heulende  Hund 
die  Schnauze  steckt,  aus  der  Gegend  wird  die  künftige  Leiche  hergetragen. 
8.  auch  K,  S.  269;   Kii.  II,  8.  51,  Nr.  141;  Witzschcl  a.  a.  0.  S.  252. 

^)  Bei  K.  S.  252  leben  in  diesem  Falle  beide  noch  lange.  In  Baisingen, 
Birlinger  a.  a.  0.  I,  S.  496,  heisst  es  alsdann:  „schon  wieder  eine  Seele 
erlöst,  die  wird  springen." 

«)  Auch  bei  K.  S.  272. 

*)  In  diesem  Fall  soll  man  bei  Birlinger,  Volksthüml.  aus  Sehwaben  I, 
S.  475  sich  desselben  annehmen,  denn  er  bedarf  der  Hülfe.  Vgl.  auch  Ku.  II 
S.  59,  Nr.  174. 

^®)  Auf  dem  Pergamentumschlag  eines  Heberegisters  der  Pfarrkirche  zu 
Eschweiler  (Ldkr.  Aachen)  steht  von  einer  Hand  des  16.  Jahrhunderts:  Anno 


182  M.  Schollen 

366.  Wer  dieses  Buch  findet,  ist  mir  lieb, 
Wer  es  behält,  der  ist  ein  Dieb; 
Wer  es  bringt  an  mein  Haus, 

Der  bekommt  eine  gebratene  Maus 

Und  drei  Prügel  auf  den  Rücken, 

Dann  will  ich  ihn  nach  Hause  schicken  K 

367.  Auf  der  Innenseite  des  vordem  Deckels: 

Willst  du  wissen,  was  dieses  Buch  kostet,  so  schaue  hinten, 

Auf  der  Innenseite  des  hintern  Deckels: 

0  du  neugierige  Nase, 

Geh  nach  Hause  die  Suppe  blasen! 

368.    Gott  gebührt  die  Ehre, 

Dem  Schneider  die  Scheere, 
Dem  Ackersmann  der  Pflug, 
N.  N.  dieses  Buch. 

AllerleL 

369.     Woröm  ? 
Doröm  *. 


Ixxxx  iiii  ist  dit  buch  gemacht,  dit  buch  ist  dit  Hintz  Kremers.  Dauu  folgt: 

Wer  et  feint,  das  ist  im  leif, 
wer  et  behelt,  das  ist  en  deif, 
et  sey  rutter  oder  knecht, 
an  der  galgcn  steit  sein  reclit, 
oder  paff  oder  munch  oder  begein, 
an  der  galgen  steit  sein  recht  sein. 

Vgl.  Pick  in  den  Beiträgen  zur  Geschichte  von  Eschweiler  und  Unigogeud 
I,  S.  481.  Ucber  den  sog.  Funddiebstahl  nach  älterm  deutschen  Recht  s. 
Hillebrand,  Deutsche  Rech tssprich Wörter  S.  212.  Diese  Rechtsanschauung 
ist  in  dem  Vers  zum  Ausdruck  gelangt. 

*)  Eine  Verspottung  des  in  keinem  Verhältnis»  zum  gefundenen  (iegen- 
stand  stehenden  Finderlohns.  S.  eine  ähnliche  Inschrift  bei  S.  Kb.  S.  102, 
Nr.  368. 

®)  Sagt  man,  wenn  das  Kind  zu  wissbegierig  ist;  vgl.  auch  Wunder- 
hom  II,  {:>.  749;  S.  Kb.  S.  20. 


Aachener  Volkn-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  183 

370.    Wenn  das  Kind  das  Schluchsen  ^  hat : 

Ich  ha  der  Schleck, 

Ich  ha  der  Peck, 

Ich  han  em  sövve  Johr  gehat^ 

(Sieben  Mal  hintereinander  zu  sagen,  ohne  Athem  zu  holen.) 

871.    Schott  der  Boum,  da  falle  de  Bere, 
Kengehe  hau  et  Schüsche  op. 

372.     Die  nicht  haushälterische  Frau  sagt: 
Bötterche  meck. 

Wenn  ich  dich  han,  schmer  ich  dich  deck, 
Wenn  ich  dich  net  han,  moss  ich  dich  entbehre, 
Merr  wenn  ich  dich  da  krigg,  wel  ich  dich  wörrem  klene  ^. 

378.  Die  haushälterische  Frau  sagt: 
Hei  e  Gröschche  en  do  e  Gröschche 
Ess  at  got  für  e  Macketöschche'*. 

374.    Bei  Beendigung  des  Kartenspiels  sagt  der  Gewinner 
zum  Verlierer: 

Nu  geos  du  noh  Zent  Vith 
En  bess  ding  Busche  quitt; 
Ming  Mötsch  ess  övvergölt 
En  du  en  bess  geköllt^ 


^)  Aufstosseu,  süddeutsch  Schluchzer,  bei  R.  S.  343  Gluchzen  (singiütus) ; 
8.  auch  Xr.  300. 

*)  Das  Schluchseu  wird  hinter  Hag  und  Steg  verwünscht.  81uckup, 
lop  lang  de  Häg:  Müllenhof f,  Schlesw.  Sag.  8.  512;  vgl.  auch  li,  S.  343; 
S,  Kb.  S.  21. 

3)  dick  schmieren.  Ein  kölnisches  Sprichwort  sagt :  Hück  geit  et  fidomm, 
morge  lige  mer  kromm. 

*)  In  der  Umgegend  von  Iserlohn,  F,  III,  S.  179,  sagt  man: 

Hi  cn  Läppken,  da  en  Läppken, 
(riet  noch  wuol  en  Kinnerkäppken. 

^)  Zu  den  „Bittweiren  oder  -(längen**,  welche  Kaj^t  86  der  Kurgorichts- 
ordnung  (Noppius,  Aachor  Chronick  1632,  Th.  UU/fj/^t/fMiri,  gehört 
auch  St.  Vith.     Ob  diesem   Umstand    die    ^SaOlßr  — hs  zuzu- 

schreiben ist? 


184  M.  Schollen 

375.    Medag, 

De  Jongen  egen  Bach, 

De  Mädchere  en  et  gölde  Hus, 

De  Jongen  en  et  Schiesshus^ 

376.    Der  Plattiel«  ess  leag, 
Der  Buch  ess  vol, 
Nu  welle  für  allemol  noh  heam  goah^. 

377.  Lange,  loss  die  kotte  hange  ^. 

378.  Lank  en  schmal 
Hat  geä  Gestalt, 
Kott  en  deck 

Hat  geä  Gescheck, 

Evvel  ich  en  de  Meddelmo9ss 

Zier  de  ganze  Stroess^ 


0  Bei  E,  S.  188  heisst  es: 

SUtitet  Mittag: 
d'Herre  i*s  Grab, 
d'Bucbe  i's  Wirthshüs, 
d'  Maidiene  i's  Zuckerhüs. 

Ueber  den  Werth  der  Knaben  und  Mädchen  vgl.  F.  I,  S.  131,  361,  426,  III, 
S.  325;  Fr,  VI,  S.  111  und  S.  Kb.  S.  52,   134. 

')  hölzerne  Schüssel. 

^)  In  M. -Gladbach  fragt  man  beim  Nachhausegehen  vom  Waldbeerpflttcken, 

F.  III,  S.  514: 

Di  Kruk  es  voll,  da  Buk  es  voll, 

Wä  wellt  möt  mech  noh  Heem  jon? 

Ech!  Ech!  Ech! 
*)  Ruft  man  einem  grossen  Jungen  spottweise  zu.  Es  scheint  das  Bruch- 
stück eines  untergegangenen  Liedchens  zu  sein.  In  Elberfeld  heisst  es  im 
Mätensleed  (Martinslied),  welches  die  Kinder  am  Vorabend  des  Martinstags 
an  den  Häusern  sangen  und  dann  eine  Gabe  erwarteten,  wobei  sie  auf  Stöcken 
befestigte  ausgehöhlte  Rüben  oder  Kürbisse,  in  welchen  Talglichter  brannteu, 

trugen : 

Boweu  en  däm  Schüaschten  (Schornstein) 

Hangen  de  lange  Wüaschten; 

Gefft  US  de  langen, 

Lott  de  kotten  hangen! 
Vgl.  F.  I,  S.  424,  443,  III,  S.  240. 

^)  Auch  in  Holstein,  F.  I,  S.  55;  ähnlich  in  Trier,  F.  III,  S.  547,  Nr.  41 ; 
in  Leuth,  Spee  a.  a.  0.  I,  S.  27;  im  Münsterland,  Fr.  VI,  S.  425.  Dort 
„geid"  das  Mädchen  im  Mittelmass  ^am  wackersten  över  de  Strät". 


Aachener  Volks-  und  Khiderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  1«5 

379.  Ruet^ 

Fr^it  wie  de  Schwerenueth ; 

Bio, 

Löift  de  Jonge  noh; 

Gröng, 

Steaht  de  Mädchere  schönn; 

Vielett«, 

Steoht  de  Quisele«  nett^ 

380.  En  wenn  für  da  verhierot  sönt, 
Wo  krigge  für  dan  en  Hus? 

Da  geälde  für  oss  ene  Wollkörev^ 
En  kicke  bovven  erus*^. 

381.    Türelüre^ 

Könt  va  Düre, 

Hänsche,  Mansche  könt  van  Oclie, 

Heits  du  mich  ene  Weck  metbraht, 

Da  heits  du  b^i  mich  gesclilotfe, 

Neä,  neä  ich  duon  et  net, 

En  Ongelöck  ess  gau  geschet. 


»)  roth.     '^)  violett.     ^)  Betschwester. 

*)  In  dem  Liederbuch  der  Klara  Hätzlerin,  Ausgabe  von  Hai  tau?, 
S.  165  heisst  es  unter  der  Ueberschrift  „V(m  aUerlay  varben"  bezüo-lich 
der  obigen: 

Grön  ist  der  mynn  ain  anfangk; 
Plaw  bedeutet  stättikait, 
Dem  ist  liebs  vil  berait; 
Rott  in  rechter  lieb  prjnnet, 
Wol  dem,  der  sich  versynnet. 
Plaw  vnd  dann  lasaur, 
Dem  wird  sein  längs  beitten  säur. 
Wer  dise  varb  will  tragen, 
Der  Hol  nit  vil  von  lieb  sagen. 

Ueber  Farben  vergleiche  im  Mittelalter  s.  ferner  Z  in  gerle  in  PfeiflFers  Germania 
IX,  S.  385  ff. 

*)  In  Köhi  Vuggelskorv,  F.  I,  S.  458.  «)  Das  Liedchen  ist  eine  Satire 
auf  die  hier  so  häufig  vorkommenden  Ileirathen,  ohne  dass  die  Eheschliessenden 
hinreichendes  Einkommen  besitzen. 

0  Der  Name  „Turelure"  kommt  schon   in   der  Aachener  Stadtrechaung 
von  1334/35  vor:  Item  God.  niisso  Lymburg  pro  vadiis  Tureluren 
rent  a.  a.  0.  8.  112,ii.    Van  turelure  letjeu  s.  r.  r.  p.  61. 


186  M.  Schollen 

382.    Geos  du  met 

Nohgen  Schmedt, 
Peodsköttele  räfe, 
Ich  met  de  Häng 
Eu  du  met  de  Zäng. 

383.  Wenn   man  den  vorher   innegehabten  Stuhl  besetzt 
findet : 

Opgestange, 
Platsch  vergange, 
Wier  komme, 
Nüis  mi8  fönge. 

384.  Beim  Zurückfordern  eines  geschenkten  Gegenstands: 

Emol  gegewe 
Blievt  gegewe, 
Avgenomme  ess  gestoahle, 
Drfeimol  dörichgen  Hell  geflo9ge\ 
Kapellche,  Kapellche  der  Kopp  av^ 

• 

385.    Vorstehendes  ist  verbreiteter  in  folgender  Form: 

Emol  gegewe 

Blievt  gegewe, 

Kapellche,  Kapellche  der  Kopp  av^. 


0  Nach  einer  andern  Lesart  lautet  diese  Zeile:  „Dröi  Kanne  Bier,  drei 
Kanne  Blot."     »)  Bei  r.  F.  p.  162: 

Eens  gegeven,  blyft  gegeven, 
Potjen  met  bloed, 
't  is  myn  eigen  speelgoed 
üf:  Alle  dagen  myn  goed. 
^)  In  Oebweiler  lieisst  es  beim  Tauschen: 

Ueßgeduscbt  blibt  geduscht, 
Dreimöl  üwwer's  Rothhtiss, 
Dreiraol  tiwwer  d.  Rhi, 
D.rnö  isch  .s  widder  di. 

In  Heilig-Kreuz  bei  Kolmar  sagen  die  Kinder:  „Wenn  d.  .s  widder  witt 
(willst^  muesch  (musst  du)  d.  Stadt  Rom  uff  'm  kleine  Finger  um  d.  Welt 
'orum  drAje"  oder  „Dusch,  Dusch,  g-handelt,  Dreimol  um  d.  H611  \inim  g'wau- 
delt";  vgl.  Fr.  V,  S.  112.  S.  auch  Zeitschrift  des  Aach.  Geschichtsvereins 
VIII,  S.  170,  Nr.  182. 


Aachener  Volks-  und  Kinderliedcr,  Spiellieder  und  Spiele.  187 

386.     Treppche  hüch, 
Treppche  nier, 
Kriss  et  zeleäve  net  mia  wier^ 

387.  Man  deutet  zunächst  auf  das  rechte  Ohr,  dann  auf 
das  linke,  hierauf  berührt  man  die  rechte  Wange,  dann  die 
linke  und  sagt: 

Modder,  ich  ha  Honger. 

Auf  die  Frage:   Wo? 

Zeigt  man  auf  den  geöffneten  Mund  und  sagt:  Do. 

388.  Zu  einem  eingebildeten  Kranken: 

Du  bess  krank  en  ongesonk, 
Kans  freisse  wie  ene  Sclioofshonk  ^ 

389.    Kalender. 

Die  Bedeutung  der  über  der  Thür  stehenden  Buchstaben: 

S(onntag),  M(ontag),  D(instag),  M(ittwoch),  D(onnerstag), 

F(reitag),  S(amstag) 

erklärte  ein  Mann  seiner  Frau  dahin: 

S(ag)  M(an),  D(u)  M(oss)  I)(ing)  F(rau)  S(chlo8n). 
Nein,  erwiederte  die  Frau,  das  muss  rückwärts  gelesen  werden : 

S(ag)  F(rau),  D(u)  M(oss)  D(inge)  M(an)  S(chloen). 

390.     Bedauern  über  die  Kürze  der  Zeit: 

De  Zitt  vergeaht. 

De  Ke9z  verbrennt. 

Der  Jan  en  weit  net  stereve. 

391.    Beim  Anpreisen  der  Waldbeeren: 

GelP  WoUbrie,  gell! 
Wat  gelt  de  Kann-*? 


»)  Ebenso  bei  r.  V.  p.  HJ2,  no.  1. 

')  Schäferhund.     Bei  S.  Kb.  S.  KM,  Nr.  366: 

Du  bischt  chrank 
Uf  der  Fres.sbank. 

^)  kauft. 

*)  Kanne,  Hohlmass. 


188  M.  ScboUeii 

Drei  Märk\  Madam. 
Dat  ess  ze  dür^ 
Adie,  Madam. 

392.    Beim  Anpreisen  der  Kirschen: 

Schömi  decke  Posskiesche,  zwei  Mark  e  Ponk, 
Zwei  Mark,  eng  Mark  en  halef  Ponk. 

393.    Verzällselche. 

Et  wor  ens  geweas 

En  Kouh  en  en  Geas. 

Dat  ess  alles,  wat  ich  weos. 

394.    Ich  wel  dich  get  verzelle 
Va  söwe  Peternelle, 
Du  moss  se  net  begecke, 
Söns  moss  du  se  met  de  Nas  trecke. 

395.    Beim  Schluss  einer  Erzählung: 

Et  kom  en  Mus 

Dörich  et  Hus, 

Ess  et  ganz  Verzällche  us^. 


396.  Beim  Auseinandergehen  nach  Schhiss  der  Schule  oder 
nach  beendigtem  Spiel  schlägt  ein  Kind  das  andere  leicht  drei- 
mal auf  den  Eücken  und  sagt: 

Der  Leiste, 
Der  Beiste, 
Der  Duadschlag*. 

*)  1  Mark  ==  5  Pfennig.     *)  theuer. 

^)  Mit  folgenden,  halb  singend,  halb  recitirend  vorgetragenen  Worten 
schliessen  die  Kinder  in  Xiederösterreicb  eine  erzählte  Geschichte:  Hiazd 
is  's  aus;  lauft  a  manserl,  uwer's  hauserl,  häda  gruns  röckerl  a  und  a  rods 
hau  Werl  auf,  und  das  is  de  Dini  (Leopold  ine).  Dadurch  wird  zugleich  das- 
jenige aus  der  kleinen  Gesellschaft,  was  zunäclist  weiter  erzählen  soll, 
bestimmt,  da  in  den  letzten  drei  Versf^n  die  Farbe  der  Kleider  und  der 
Name  in  entsprechender  Weise  umgeändert  wird.     Fr.  VI,  S.  112. 

*)  In  andern  Orten  suchen  die  Kinder  sich  wechselseitig  vor  dem  Aus- 
einandergehen einen  Sehlag,  der  „Letzte"  oder  auch  der  „Nachtsdeekel" 
genannt,  beizubringen,  ohne  sich  wiederscldagen  zu  lassen;  vgl.  Picks 
Monatsschrift  IV,  S.  382. 


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Xeä    satt  dat  adi^r  Qijii'<'MM',  i' li  <I'M»/  oo' )*  /»*  I  /'/^   •"'' 

Danz,  daiiz-  Qii-^l' h'-,  i' h  p^/v  ^U' U  o^i' it  ^ ».'    // /'* 


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190  M.  Schollen 

3. 

Schnieder- Albade  *. 

Wat  mags  du  söss  Chrestingche  doch 

Mich  arme  Schnieder  plooge! 

De  Leivt^  zou  dich  hat  wie  ene  Knouch 

Mich  dörr^  en  drüg'*  gesooge^ 

Ich  go9h  en  seng  de  ganze  Zitt 

H^i  onger  die  kleng  Fenster, 

En  wenn  mie  Ogg  dich  merr  ens  sitt, 

Da  brennt  mie  Hatz  wie  Genster^. 

Et  krevelt^  mich  egen  Heut®,  egen  Rock/ 

En  sclder  en  alle  Gledder, 

Mich  övverleuft  all  Ogenbleck 

En  Honderfell,  ich  zedder^; 

Mie  Hatz  wead  raangs^®  als  wie  der  Wähs*^, 

Wo  ich  mie  Gar  met  schmiere, 

Merr  och^^,  et  dingt  ess  kalt  wie  Glas 

En  häller^^  als  raing  Schiere  ^^. 

Wöst  ich  dat  dich  et  freue  künt, 
Du  döosch^^  mich  kniepe'^,  biesse^^; 
Weim  doch  die  Hus  e  Flamme  stöng, 
Dat  ich  dich  drus  künt  riesse^®; 
Stöngs  du  bes  agen  Hals  egen  Dreck, 


Danssen  en  is  ons  regel  nit, 
Popen  en  kwesels  danssen  nit. 

Als  aber  der  Mann  versprochen  wird,  da  will  es   tanzen  und  lässt  es  auch 
die  Rejjel  zu. 

Aehnlich  in  schlesischer  Mundart,  Hoff  mann  von  Faller  sieben, 
Schlesische  Volkslieder  Nr.  118.  Im  Lippeschen  (F.  I,  S.  2(>7)  fordert  die 
Mutter  ihre  Tochter  zum  Spinnen  auf,  indem  sie  ihr  nacheinander  ein  Paar 
Schuhe,  einen  Rock,  ein  Tuch  verspricht,  was  die  Tochter  ablehnt,  mit  dem 
Bemerken,  dass  ihr  der  Fing:er  schwäre  und  der  Daumen  weh  thäte;  erst  als 
ihr  die  Mutter  einen  Mann  verspricht,  schwärt  kein  Finger  und  schmerzt 
auch  der  Daumen  nicht  mehr. 

*)  Aus  dem  Volksmund  mitgetheilt  bei  Müller -Weitz  a.  a.  0.  S.  275. 

2)  Liebe.     **')  dürr.     ^)  trocken.     ^)  gesogen.     ^)  Ginster. 

^)  kribbelt,  eine  juckende  Bewegung  empfinden.  **)  Haupt.  ®)  zittern. 
'0)  weich.  »')  Wachs.  »«)  ach.  '^)  härter.  '*)  Scheeren.  '^)  dürftest. 
^^)  kneifen.      ")  beissen.     '")  reissen. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  191 

Ich  drüag  dich  op  ming  Häng  enis; 
Ich  weed  warhaftig  noch  ganz  geck, 
Es  leuft  at  met  mich  uhrus^ 

Des  Morgens,  Meddags,  Ovvends  steaht, 
Wo  ich  mich  kier^  en  driane^, 
Die  Beld  mich  vörgen  Ogge  reoht^, 
Ich  kan  onmöglich  niane. 
De  Nölde  steich  ich  mich  egen  Been, 
Anplätsch'^  dermet  ze  söume^, 
Et  riesse  mich  alle  Fäam  vanen, 
Ich  dii9n  nüis  mio  als  dröume''. 

An  alle  die  Rüse®  bess  du  Schold, 
Du  adig  zockere  Ditzche^. 
Heits  du  merr  ens  de  Gnadehold  ^® 
En  giavs^^  mich  ens  e  Pütschche! 
En  säts^^:  du  klenge  Schniederditz, 
Bess  stell,  hür  op  met  gringe  *^, 
De  anger  Jcmgen  all  zom  Spitz  ^'^ 
Weots  ^*  du  doch  noch  der  Minge  ^^ 

4. 

Et  koem  ene  Bur  us  Oberland  ^^,  oho! 

Deä  hau  ene  Esel  agcn  Hank,  vivela  Kuräsche. 

Wat  hau  heä  op  der  Esel  ligge? 
Dorob  hau  heä  e  linge  Doch. 

Wat  doog  heä  met  dat  linge  Doch? 
Damit  ging  er  zum  Schneiderlein. 

Dag,  mein  liebstes  Schneiderlein, 
Mach  mir  daraus  ein  Kittelein. 

Und  als  der  Kittel  fertig  war, 
Gins:  er  vor  seiner  Mutter  stehn. 


0  Die  Uhr  geht  aus,  d.  h.  es  geht  mit  mir  zu  Ende. 

«)  kehre.  ^)  drehe.  ^)  recht.  *)  anstatt.  ^)  säumen,  den  Rand  eines 
Zeugs  umschlagen  und  festnähen.  ')  träumen.  «)  Streit.  «)  kleines  Ding. 
i'O  Gnade-Huhl.  ")  gäbst.  ''')  sagtest.  '^)  greinen.  '*)  Verdruas.  "^)  wirst. 
*^  Meinige. 

'')  Anbei,  Dorf  im  Liniburgischen. 


192  M.  Schollen 

Da^,  mein  liebstes  Mütterlein, 
Wie  stellt  mir  denn  mein  Kittelein? 

Du  hass  ene  Pansch^  wal  wie  en  Kouh, 
Geh  nur  zurück  zum  Sehneiderlein. 

Dag,  mein  liebstes  Schneiderlein, 
Wie  hast  du  gemacht  mein  Kittelein? 

Ich  habs  geschnitten  im  Mondenschein. 
Dann  mach  es  mir  gut  im  Sonnenschein  ^ 

5. 

De  Geäs,  die  hau  esonne  adige  Kopp,  ene  lange  Kopp,  ene  spetze 

Kopp, 
Der  Schnieder  satt:  et  ess  för  ene  Kaffiepott,  de  Geästekopp, 

Alle  meine  dausend  Schneiderlein 
Alle  meine  dausend  Schneiderlein. 

De  Geäs,  die  hau  esonne  adige  Romp^, 

Der  Schnieder  satt:  et  ess  for  ene  Zuppekomp. 

De  Geäs,  die  hau  eson  adige  Puate, 

Der  Schnieder  satt:  et  es  för  minsr  Frau  ze  kluote^. 


'o 


De  Geäs,  die  hau  eson  adige  Ure, 

Der  Schnieder  satt:  et  ess  för  minge  Rock  ze  fure^ 

De  Geäs,  die  hau  esonne  adige  Statz, 

Der  Schnieder  satt:  et  ess  för  ene  Ehlelatz^. 

De  Geäs,  die  hau  eson  adige  Däame^ 

Der  Schnieder  satt:  et  ess  för  ming  Nöld  ze  feame^ 


*)  verächtlich  für  Leib,  Bauch. 

*)  Wie  es  auswärts  für  sitndhaft  f^ehalten  wird,  im  Mondschein  zu 
spinnen  und  zu  stricken,  weil  hierdurch  gewisse rmassen  angedeutet  wird, 
dass  der  Tag  nicht  hinreiche,  um  genug  erwerben  zu  können,  so  herrscht 
auch,  wie  durch  obiges  Liedchen  feststeht,  in  Aachen  die  Ansicht,  dass  man  im 
Mondschein  nicht  arbeiten  solle  und  Strafe  —  hier  das  Verderben  der  über- 
tragenen Arbeit  —  den  treffe,  der  dieses  nicht  beachte.  Vgl.  auch  Simrock, 
Mythologie,  5.  Aufl.,  8.  25;  3Ieier  a.  a.  0.  S.  235;  Birlinger,  Volksthtlm- 
liches  aus  Schwaben  I,  S.  187  und  188. 

»)  Rumpf.  *)  Ueber  das  Ohr  hauen.  ^)  füttern.  ^)  Elle.  ')  Die  Zitzen 
an  dem  Euter.     ^)"fiideln. 


Aachener  Volks-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  193 

De  Geäs,  die  hau  eson  adi^e  Föss, 

Der  Srlmieder  satt:  et  ess  für  ming  Noldeböss. 

De  Geäs,  die  hau  eson  adige  Ziane  \ 

Der  Schnieder  satt:  et  ess  för  de  Weste  ze  niane. 

De  Geäs,  die  hau  eson  adige  Fott, 

Der  Schnieder  satt:  et  ess  för  minge  Fengerhott. 

De  Geäs,  die  hau  esonne  adige  Hals, 

Der  Schnieder  satt:  et  ess  för  e  Brandewiensglas. 

De  Geäs,  die  hau  esonne  adige  Steaz, 

Der  Schnieder  satt:  et  ess  för  en  Brüdigämskeaz *. 

6. 

Losse  für  noch  ens  drenke 

En  senge  va  de  Kouh,  Kouh,  Kouh, 

Losse  für  noch  ens  drenke 

En  senge  va  de  Kouh. 

De  Kouh,  die  hau  e  Müllche, 
Wat  doag  sei  da  dornet? 

Sei  geng  der  ganze  Sommer 
Gefreisse  dörichgen  Wei. 

De  Kouh,  die  hau  zwei  Ogge, 
Wat  doag  sei  da  dornet? 

Sei  geng  der  ganze  Sommer 
(jekicke  dörichgen  Wei. 

De  Kouh,  die  hau  zwei  Uerchere, 
Wat  do9g  sei  da  dornet? 

Sei  geng  der  ganze  Sommer 
Gehistre  dörichgen  Wei. 


»)  Zehen. 

*)  Bräutigamskerze.  In  früherer  Zeit  herrschte  in  Aachen  die  Sitte, 
dass  die  Brautleute  vor  der  kirchliehen  Einsegnung  ihrer  Ehe  einer  feier- 
lichen 3Iesse  beiwohnten,  in  welcher  vor  dem  Bräutigam  eine  Kerze  brannte, 
welche  „Bräutiganiskerze**  genannt  wurde. 


194  M.  Schollen 

De  Kouh,  die  hau  zwei  Höane, 
Wat  (lo^g  söi  da  dornet? 

Sei  ffeng  der  ganze  Sommer 
Gestösse  dörichgen  Wei. 

De  Kouh,  die  hau  vier  Pütchere, 
Wat  dot^g  sei  da  dornet? 

Sei  geng  der  ganze  Sommer 
(Tetrappe  döricJigen  Wei. 

De  Kouh,  die  hau  e  Schwänzche, 
Wat  doog  sei  da  domet? 

Sei  geng  der  ganze  Sommer 
Geschwamele  dörichgen  Wei. 

Et  woor  ene  Bur,  deä  wo  e  Hönnche  ha: 
Kluck  satt  et  Hönnelie. 

En  wie  heä  du  dat  Hönnche  hau,  du  wou  lieä 
ouch  ene  Hahn  ha: 
Kuckelöres  satt  der  Hahn  ^ 
Khick  satt  et  Hönnche. 

YjH  wie  heä  du  ne  Hahn  hau,  du  wou  lieä  ouch 

ene  Schwan  ha: 

Wisse  Feäre  dreägt  der  Schwan, 

Kuckelöres  satt  der  Hahn, 

Khick  satt  et  Hönnche. 

En  wie  heä  du  ne  Schwan  Jiau,  du  wou  lieä  ouch 

en  Geäs  ha: 

Zeckelemeck  keakt/*  de  Geäs, 

Wisse  Feäre  dreägt  der  Schwan  u.  s.  w. 

En  wie  heä  du  en  Geäs  hau,  du  wou  heä  ouch 
e  Fereke  ha: 

Schon*e  morre  grommt  et  Fereke, 
Zeckelemeck  keokt  de  Geäs  u.  s.  w. 


*)  Den  anderweitigen  Ruf  des  Halms  s.  Nr.  179. 
-)  srhroit. 


Aachener  Volkn-  und  Kinderlieder,  Spiellieder  und  Spiele.  195 

En  wie  heä  du  e  Fereke  hau,  du  wou  heä  oucli 

en  Kouh  ha: 

Hitsch,  flatsch  trampt  de  Kouh, 

Schorre  niorre  grommt  et  Fereke  u.  s.  w. 

En  wie  heä  du  en  Kouli  hau,  du  wou  heä  ouch 

e  Peod  ha: 

Rempele  pemp  doag  et  Peod, 

Flitsch,  flatsch  trampt  de  Kouh  u.  s.  w. 

En  wie  heä  du  e  Peod  hau,  du  wou  heä  ouch 
ene  Kneaht  ha: 

Rüsche  ^  Plümme  *  druog  der  Kneaht, 
Rempele  pemp  doeg  et  Peod  u.  s.  w. 

En  wie  heä  du  ene  Kneoht  hau,  du  wou 

heä  ouch  en  Mad  ha: 

Bure-Traug  ■'^  heisch  de  Mad, 

Rüsche  Plümme  druog  der  Kneoht  u.  s.  w. 

En  wie  heä  du  en  Mad  hau,  du  wouh  heä  ouch 

en  Frau  ha: 

Au  Kawau  heisch  de  Frau, 

Bure-Traug  hfeisch  de  Mad  u.  s.  w. 

En  wie  heä  du  en  Frau  hau,  du  wou  heä  ouch 

e  Kenk  ha: 

Bescheissen  Deng  heisch  et  Kenk, 

Au  Kawau  hfeisch  de  Frau  u.  s.  w. 

En  wie  heä  du  e  Kenk  hau,  du  wou  heä  ouch 

en  Weg  ha: 

Ninana  geng  de  Weg, 

Bescheissen  Deng  heisch  et  Kenk  u.  s.  w/ 


*)  rauschende.    ^)  Federn. 

^)  Die  Bezeichnung  einer  schwerfälligen  und  trägen  Magd,  eigentlich: 
Bauem-Trog. 

*)  Die  Aufgabe  dieses  und  der  sonst  mehrfach  vorkommenden  ähnlicher 
Lieder  besteht  darin,  „sittliche  Beschaffenheit  und  äusseres  Besitzthum  einer 
Familie,  ihre  Glieder  und  Dienstboten,  sammt  allem  Hausrath,  Viehbestand 
und  dazu  gehörender  Gütermasse  in  selbstredenden  Eigennamen  der  Reihe 
nach  herzuzählen".  Ueber  des  Spruches  alte  Abkunft  und  Geltung,  sodann 
seine  mit  grossem  Sprachgeschick  versuchte  Umformung  und  örtikhe  Anwen- 
dung s.  R,  S.  156  ff.  Vgl.  ferner  F.  I,  S.  125,  130  und  34a}^||^^  Ä88, 
Nr.  1039;  endlich  Die  Heimath  1876,  S.  119. 


^ 


196  M.  Schollen 

8. 

Et  S08SS  en  Uell  en  sponn, 
Wal  op  en  düster  Kamer, 
Wo  nömmens  op  en  köm^ 


9. 

Die  Blätter  des  Kartenspiels  mit  Ausnahme  der  Asse  werden 
einzeln  von  einer  Person  willkürlich  aufgerufen,  nach  jedem 
Euf  wird  geantwortet: 

Nüis  för  oss. 

Wird  ein  Ass  aufgerufen,  so  antwortet  der  Chor: 

Alles  för  oss 
und  singt  alsdann: 

En  wo  für  sönt,  do  welle  für  blieve,  Alle-*,  Alleluja, 
Do  sali  oss  genge  Düvel  nohgen  Hus  erus  drieve, 

Alle-,  Alleluja. 

10. 

Aachener  Marseillaise  1793. 

Uehr  Hallonke,  schleohte  Prije, 
Kanaliöpack  en  Schelmevieh! 
Für  mosse  üch  h6i  lije^ 
En  döschen  oss  net  reppe^  mia. 


^)  Bekanntlich  hatte  in  Aachen  zur  reichsstädtischen  Zeit  der  älteste  Schöffe 
die  Verpflichtung,  in  der  Christmesse  im  Münster  nach  dem  Evangelium  einen 
Leis  anzustimmen  (vgl.  Quix,  Hist.  Beschreibung  der  Münsterkirche  S.  119; 
Zeitschr.  des  Aach.  Geschichtsvereins  IV,  S.  149).  Einer  Mittheilung  des  Herrn 
Freiherm  H.  A.  von  Fürth  zufolge  war  gegen  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
die  Reihe  an  dem  Schöffen  de  Witte.  Dieser,  der  wahrscheinhch  bis  zum 
Beginn  der  Christmessc  im  Wirthshaus  verweilt  hatte,  war  gleich  beim 
Eintritt  in  die  Kirche  in  Schlaf  gefallen.  Als  nun  die  Reihe  an  ihn  kam,  den 
Leis  anzustimmen,  sticss  ihn  sein  Nachbar  an;  de  Witte  erwachte,  stimmte 
aber,  sich  noch  in  seiner  lustigen  Gesellschaft  wähnend,  den  obigen  Rund- 
gesang an. 

^)  leiden,  dulden.     ^)  rühren. 


'V  iiM    uir   lU'»^     lur    ''^)ii*a*    i^l«  ^^^* 

\\^^\-      iihiri   ir'i    1.1    i\i  S.'i  \  i'.'i.  ' 
Zur;   i.ir  iiaj^vui    in;»-  'Jt.^^i.'. 


')  Die   Eüt-tehuni:   Turstolu-ulon    lu\l«*>*   \^\^   \\\\^   \     \\^\\   \\^\\\\\^'\^\ 
Biofirraphistthe  Denkblättor  S.  257  Innurkt,  oin  lu-^fv^lh^ h»^  U*  mum\»^        \^^\ 
16.  Dezember    1792   zojron   die   KepuMikunor    tu    \a*^hou   \\\\'     \y\   \^s^^\\s* 
Grosse  Carl  auf  dem  Marktplatze   trujf  die  Mo>Nuh»i!»^  .iHl»ol«iu»iMM»M"^      iMv^ 
Bürger  hatten  sich  unter  einander  jc^'^rtuKt  uud  mi|rt)«'Ullh  li  mjmUt  ll    Imu 
pfälzische   Exekution  struppen   thouor    he/.ahlt,    iloiu   o»  Iimi»    oiIm    hi-^umIh  mi  m 
Wohlstand  der  Stadt  schwere   VVuiidm   hrlj^rl»nt«'l»f  i    fci«y«M   '!)»•    h«Mi'>t  'iii 
waren  Alle.     Von  „de  Zaiikclottea  Opkll«*niiit(**,   wir  imum  tll*-   in  m.  jhilMil 
nannte,   wollte   keiner   winr^en.     Fnillrli  wu»'n  «Im  WI«1»  ».•!.* »hI  nitto    I  !♦•♦**  m 
Friedrich  Heinrich  Jacob i  und  And^^n'  Ufi\u*u  Ihit/lkoMiK'*  )m  it'  \t\\>\'  mm*»  h  -"H 
Zuständen  und  Scenen  ir*'-u;f\n'n :   flu  k*  *"')M''l<»«lfUh'h|y^  >   ^ouu,   <'*    ii<  io^'-h 
Milz,    hat    die    Erfiimi»»^    d*^r    f  rar*/,'/'*'!»/*  jt    **'<W/    d»  <*    '  rr'^t.^Utt    w^-j»  f^ 
General  Dampi'^rr'r  •-;r>"  ^rr  K^'.     /#;<    **',mi  t^ir'  t,'\'  f  t,  i*',',''.   v '^   "■  "      '" 
diese  Zeit    fiiJt  'J-r   i'^r '-  -  <-/  M^r-^,,,*,*'       '/ %"*  i'-  -■'    '' '    "' **  »  „  . -*- 
die  Aach'-L'f    •''!.    ./.**:  I>    '**/  /    ä-     -•      »vi    '''f,'^    /■  \    /  '      *    ^'  *    -   •   - 
niuääiea  i-tit-'-T*-*^^  *",''•'    *'/."•'       *•**/.''      /■^       ** 
höhnt'.L    '_:•-   zvi*    'n.''i -- .   ■  ,•  i     ;-  ^*    <,•♦'*'  w     *      '.  ,..    ■     /* 

charakrrr.'*^*»  i   "!:•  *•    u .;  m  ,  »-i    t  j'         ''.      /■*  '       /  ..    --  .     /      '     ' 

■ny«^  r-t.*?-  >t      I**inv'"i.  ***U     i-  ',  ■  ■      *   •*     *•   *      •'^-. /,'.••  •'•*   .     */.  -  .  •.        «.   *       '-  ' 

Xat:  ii_:— i.iü    m     **^'-.:.  ..•..•     ^   ■     •    «.••."■■,'■/'       •*'  '*      '   -"'^  '     * 

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Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft. 

Von  E.  Pauls. 

III.    Der  2.  März  1793  und  seine  Folgen  für  Aachen. 

m 

Vielfach  lebt  noch  in  der  Aachener  Gegehd  die  Ueber- 
lieferung^,  dass  das  Schicksal  Aachens  bei  seiner  Besetzung 
durch  die  Franzosen  im  September  1793  an  einem  Faden  gehan- 
gen habe  und  dass  nur  mit  der  grössten  Mühe  die  Bettung  der 
Stadt  vor  Plünderung  und  Einäscherung  zu  ermöglichen  gewesen 
sei.  Ueberlieferung  und  Wahrheit  sind  in  diesem  Falle  gleich- 
bedeutend, denn  thatsächlich  war  vor  94  Jahren  die  alte  Reichs- 
stadt dem  Untergang  geweiht.  Weshalb  ihr  ein  so  furchtbares 
Geschick,  dessen  Wirkungen  Jahrzehnte  nicht  hätten  verwischen 
können,  drohte,  und  weshalb  in  letzter  Stunde  ein  glücklicher 
Umschwung  eintrat,  wird  im  Nachfolgenden  näher  erläutert 
werden.  Meine  Darstellung  stützt  sich  in  etwa  auf  die  ver- 
einzelten und  spärlichen  Angaben  einiger  Druckwerke,  mehr 
aber  auf  urkundliches  Material,  welches  mir  theils  von  der 
Familie  eines  bei  den  Ereignissen  hervorragend  betheiligt  ge- 
wesenen Mannes,  theils,  soweit  das  Aachener  Stadtarchiv  iii 
Betracht  kommt,  von  Herrn  Stadtarchivar  Pick  in  dankens- 
werther  Weise  zugänglich  gemacht  worden  ist. 

Lange  schon  vor  dem  wichtigen  Jahr  1789  fehlte  der  grossen 
Mehrheit  der  Aachener  Bevölkerung  für  frauzösisches  Wesen 
jede  Vorliebe  -.  Aachens  treue  alte  Anhänglichkeit  an  das  deutsche 


0  Haagen,  Ge>ichichte  Achens  II,  S.  423;  3Iilz,  Programm  des  Kgl. 
Gymnasiums  zu  Aachen  1871/72,  S.  7:  Glaub^vürdigen  Nachrichten  zufolge, 
war  die  Erbitterung  gegen  Aachen  so  gross,  dass  die  Vernichtung  unserer 
Stadt  durch  Feuer  und  Schwert  bei  der  Armee  beschlossene  Sache  war. 

-)  An  dieser  Abneigung,  die  in  schärfster  Weise  namentlich  im  Winter 
1792/93  hervortrat,  änderten  die  ziemlich  lebhaften  Handelsbeziehungen 
zwischen  Aachen  und  Frankreich  ebenso  wenig  als  der  Umstand,  dass  Aachens 


Reich,  auf  dessen  Berai' -.j  u...i  Zer-clitieruni.'  »lor  w,-stlulh> 
Nachbar  und  Erlift-iü.!  <■■  er!  L-ni' h  liiii/iiwirkeu  vorsunid,  lioss 
den  tiedanken  an  •■']:.'■  Ur.iTi-iznv.-j  y,n  Frankreich  uicht  auf- 
kommen. Verbitternd  wirkte  iVnior  die  Erimit'ruiisr  au  all  das 
Elend,  welches  französische  Krieirsschaaron  seit  dem  Endo  des 
dreissipjähri^en  Krietrs  wiedtrhnlt  über  die  Aachener  Hoireud 
gebracht  halten.  Endlich  auch  standen  die  Sitten  uiid  hewni- 
ders  die  reli;riiisen  Anschanuriiren.  wie  sie  sicli  in  der  K'tzten 
Hälfte  des  IS.  Jahrbunderts  sn  ^^elfach  in  Frankreich  enl- 
wickelt^>.,  mit  denen  nnserer  Heiumth  durchaus  nicht  in  Ein- 
klang. Die  Ereignisse  der  ei-sten  Jahre  nach  17H!t  verschilrften 
nur  die  GegensStze '. 

Die  den  Republikanern  so  vcrhassten  franzrisischen  Aus- 
gewanderten fanden  in  .Aachen  ein  gern  gewJilirtes  Unterkuninicii ; 
die  Stadt  wurde  ein  Hauptznflnchtsort  der  „illuMtreu  Heiniulh- 
loseo",  ein  Herd  der  gegen  die  Neuordnnnji  der  Dinge  in  Kinuk- 
reich  gerichteten  Bestrebungen".  Da  fügte  das  (JcMcliick  eiim 
unerwartete  Wendung,  —  die  Ropulilikancr  iiesetzleu  Am'.heii 
im  Dezember  1792,  um  es  etwii  zehn  Wdchi-n  liindMi'i'li  zu 
behaupten. 

Ein  tolles  Treiben  «pieltf^  si(;li  nuiunchr  in  Anclicii  ab''. 
Einerseits  rohe  Gewalt  zur  Be«citigun(r  ilci'  Htfldlisilieii  \'cr- 

Büdcr  vuti  Franzosen  viel  bi'-oicht  wunlim  iiml  ilion  -»'iiii'  lltiru<'r  im  riiiii/'ir<l' 
.scheu  Reich  sich  der  Zolifrciheit  urnl  unih-TKT  Minifiliii^llii-Iiifiiiii^iii  •■rlti-ii\rn. 
Frankreich)«  Herrischer  sandten  na<;h  ji-ilr-r  Kriiiiiiiiir  lii  Hhi'ltii»  iIhk  l,r<|i||iri 
tucb  ihres  vorletzten  VurKÜniterH  /um  (inilic  Kiirl»  i|,  llr,,  i|iii  "li'  iil'  llitiii 
Vorfahren  hetraehtetcn.  Es  ^ing  miifur  liii'  H:i^'f,  Amlirrn"  liiin/ir  li.iHi»  iii 
l'ariB  und  umgekehrt  die  Farini-r  in  Auihi'ii  il.i  ■  lliirKirri'rlii,  il,iiiii.'  'Ui 
la  viUe  et  les  eau»  d'Aii-la-''ha|>'-ll'-  jur  M.  |t,  H,,  Aiip'liTrjnm  I'/hi;.  jj,  f.i  ) 

')  Kurz  votderFr.-nidb.Tf>'Jjal'r  li.i-t  .-.   ir>  <l<  r  I.  I7"7  •  i  -  Uh  <•'•>•  <. 

dentschcn  Au-sgabe  der  ^■.hM'-.niiiu  d''f  .-iji-Ii  ^"' li' m  m  /  ,"j  ihuI  ■■  'ilj 
.AaJihcns  Kindern  winl  gididirt.  v  u-"  ''ii-  1i.iii/,;.-i"\,'  '•.■n-r»  ■/,»  liiiilm 
Ich  »chämtc  mich.  Frankr'i'-Ii-  \V:i[i[p''/i  in  ••n'in  l,.>ii'|i  /ii  ^-li-ii.  n"  •>■  i 
franziisi*:he  Name  verah-'-li''iii  «ir'l,  'I'  iin  iti  A.i. ],■  u  -itM  >li>  Vi. .in;.' » 
sei  ti-ns  der ';<■]- 1  liehen,  d':r  ii'-i.'r;.|.  »    ir.J    .|..  ■,.,....    ^.  („„.[.d,.  (,.  „  li.j.i.Ii 

gung«D  aU-K'-*i^i."      Di.-   K-J.n'i..-  -I' r    Iiir,/ ..■    -In    ■-,..-■  !,■     r-.. 
in  Aachen  de-  »^jfk-n  J'firi'l' i;-.   •.■!.!:   *■ /■  ;   "  lii    i'iM'if'i 

')  Vgl.  ron  E-.,n.-.f.(    >ii  •!■ »  Z- ■■'■  K-  "    'I' ■   ■' " '.    '-■■ 

II.  S.  I  ff. 

'}  Littr-lnr:  W ,  ■  ■■     ■■■   !  .i  ,'.-  :  •.   ■.r.'l   I  ;.  /   ,,"i    '■   '■ 
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200  E.  Pauls 

fassung,  zur  Beförderung  des  Freiheitsrauschs  ^,  zur  Schädigung 
religiöser  Einrichtungen,  andererseits  versteckter  oder  offener 
Widerstand  der  Bürgerschaft.  Sang-  und  klanglos  verlief  die 
Errichtung  des  Freiheitsbauras  am  19.  Dezember^,  kühn  pochten 
Aachens  Bürger  auf  ihre  Anhänglichkeit  an  Religion,  Kaiser 
und  Reich.  Die  Hefe  der  Bevölkerung  geberdete  sich  nach 
Dampierres  eigenen  Worten  wie  wüthend  und  rasend ;  das  derbe 
Wort  Dreckkerle  scheint  damals  als  Bezeichnung  für  die  Fran- 
zosen gäng  und  gäbe  gewesen  zu  sein.  Als  Erwiderung  erfolgte 
seitens  der  Republikaner  die  Gründung  eines  Jakobinerklubs  in 
Aachen,  Bedrückung  der  Geistlichkeit  und  Entehrung  der  Gottes- 
häuser, dann  die  Erzwingung  der  angeordneten  Neuwahlen  und 
der  Betheiligung  an  französischen  Festen  durch  militärische 
Gewalt.  Die  Citoyens,  so  schrieben  Jacobi  und  Andere,  gehen 
über  allen  Glauben  toll  mit  den  armen  Aachenern  um,  sie  rupfen 
sie  wie  die  Krammetsvögel  ^. 

Einem  solchen  Hexensabbath,  einer  so  grimmigen  beiderseiti- 
gen Erbitterimg '^  setzte  schliesslich  die  den  österreichischen 
Waffen  günstige  Schlacht  bei  Aldenhoven  vom  1.  März  1798 
für  längere  Zeit  ein  Ziel. 

In  der  Nacht  vom  1.  auf  den  2.  März  1793  trat  ein  bedeu- 
tender Theil  des  geschlagenen  französischen  Heeres  über  Aachen 

^)  Wie  die  Republikaner  dies  erreichen  wollten,  zeigt  u.  A.  folgende 
verbürgte  Anekdote.  Der  furchtbare  Danton  begegnete  im  Januar  1793  in 
Aachen  dem  Redakteur  Dautzenberg.  „II  ne  faut  pas  faire  ici",  schrie  Danton 
denselben  mit  Stentorstimme  an,  „une  revolution  de  miel  ou  de  lait,  mais  de 
sang,  f  .  .  .,  voyez  comment  nous  avons  fait  A  Paris."  —  „Mais  le  climat 
n'est  pas  le  mfime  ä  Aix".  —  „II  faut  le  chauflfer!"  (Vgl.  Aachener  Zuschauer 
1793,  Nr.  28.) 

2)  Folgende  sehr  bezeichnende  Mittheilung  des  Aachener  Zuschauers  vom 
20.  Dezember  1792  wurde  bis  jetzt  kaum  beachtet:  Kein  feierlicher  Aufzug, 
kein  Frohlocken  des  nur  in  geringer  Zahl  versammelten  Volks  begleitete 
gestern  die  Errichtung  des  Freiheitsbaums.  AUes  zeigt  bisher  deutlich, 
dass  die  hiesigen  Bürger  keinen  Sinn  haben  für  die  französische  Freiheit. 

»)  Perthes  a.  a.  0.  I,  S.  139. 

*)  Wie  gross  dieselbe  in  der  Aachener  Gegend  gewesen  sein  muss,  lässt 
sich  auch  in  etwa  aus  den  Memoiren  von  Dumouriez  schliessen.  Nach  ihnen 
lebte  und  räuberte  Dampierre  in  Aachen  lustig  in  den  Tag  hinein.  (II  s*occupait 
de  plaisirs  et  de  rapines.)  Die  republikanischen  Soldaten  in  den  Quartieren 
zwischen  Aachen  und  Lttttich  waren  oft  ohne  Aufsicht,  da  ihre  Offiziere  gern 
in  der  Stadt  verweilten.  Truppenweise  verlegten  sie  sich  dann  auf  das 
Plündern  (piUer!)  der  Dörfer;  vereinzelte  Soldaten  waren  wiederholt  von 
den  Bauern  niedergemacht  worden. 


Aus  der  Zoit  der  Kremdhorrschaft.  201 

den  Rückzug  nach  Belgien  an.  Ein  anderer  Theil  versuclite 
am  folgenden  Morgen  mit  grosser  Tapferkeit^  sich  in  Aachen 
zu  behaupten.  Erst  nach  3  Uhr  Nachmittags  wurden  die  Repu- 
blikaner vollständig  zersprengt,  nachdem  mehrere  Stunden  hin- 
durch ein  erbitterter  Kampf  in  den  Strassen  der  Stadt  gewogt 
hatte.  Es  war  ein  verhängnissvoller  Missgriff  von  den  schwer- 
wiegendsten Folgen,  dass  mehrere  Bürger  zu  einer  Betheiligung 
am  Strassenkampf  sich  hinreissen  Hessen.  Der  genaue  Umfang 
dieser  unbefugten  Einmischung  ist  leicht  erklärlicher  Weise  ^ 
nicht  zu  ermitteln,  doch  liegen  zur  Gewinnung  eines  genügenden 
Ueberblicks  hinlängliche  Anhaltspunkte  vor. 

Gleich  in  der  ersten  Nummer  des  Aachener  Zuschauers, 
welche  nach  dem  2.  März  erschien,  werden  die  Aachener  wegen 
ihrer  Theilnahme  am  Kampfe  belobt;  es  heisst  u.  A.:  „Unsere 
Mitbürger  brannten  vor  Begierde,  an  der  Befreiung  ihrer  Vater- 
stadt ihren  Theil  zu  haben.  Zu  ihrem  Ruhme  waren  sie  es, 
welche  ihren  Rettern  die  Thore  öffneten,  sie  wanden  den  Feinden 
Deutschlands  die  Waffen  aus  den  Händen,  als  die  Unholde  beim 
Verlassen  dieser  Reichsstadt  ihre  ohnmächtige  Wuth  an  den 
Tag  legten.  Sie  eroberten  gegen  3  Uhr  Nachmittags  auf  der 
.Takobstrasse  von  den  Franzosen  zwei  Kanonen,  welche  der 
Prinz  von  Württemberg  der  Stadt  zum  ewigen  Andenken  ge- 
schenkt hat^*' 

Diese  Angaben  des  Aachener  Zuschauers  sind  nie  angezweifelt 
worden.  Eine  Betheiligung  in  dem  hier  angegebenen  Sinne  lebt  in 
der  Ueberliefenmg  fort,  und  Haagen  gibt  sogar  die  Namen  der 

')  Wahrscheinlich  unter  dem  General-Lieutenant  la  Noue,  von  dem 
Dumouriez  sagt:  II  avait  montr6  la  plus  grande  bravoure  dans  la  retraitc 
d*Aix-la-Chapellc. 

*)  Nach  den  Aufzeichnungen  des  Augenzeugen  Neumann  SchilHngn 
war  fast  in  allen  Strassen  Gemetzel;  doch  sagt  auch  Schillings  nicht,  dass 
Bürger  auf  Franzosen  gefeuert  hätten.  Er  spricht  nur  von  der  Erbeutung 
der  beiden  Kanonen  und  der  Gefangennahme  vieler  Franzosen  durch  Bürger. 
Neomann  und  Rathsherr  Johann  Georg  Franz  Xaver  SchiUings  starb,  80  Jahre 
alt,  im  J.  1830. 

')  Wortlaut,  Zusammenhang  und  Wahrscheinlichkeit  sprechen  dafür, 
dass  die  Aachener  erst  dann  in  den  Kampf  eingriffen  und  den  Franzosen 
ihre  Waffen  entwanden,  als  der  Sieg  für  die  Kaiserlichen  entschieden  war 
und  die  Republikaner  auf  der  Flucht  sich  in  der  Jakobstrasse  festzusetzen 
versuchten.  Nach  einer  jetzt  im  Aachener  Stadtarchiv  befindlichen,  theilweise 
von  Käntzeler  früher  veröffentUchten  kleinen  Aachener  Chronik  blieb  beim 
Strassenkampf  ein  Aachener  Bürger,  Namens  (Jerhard  Gütten,  todt. 


202  E.  Paulrs 

beiden  Aachener  an  *,  welche  an  der  Stromgasse  und  vor  Jakobjs- 
thor  die  zwei  Kanonen  erbeuteten.  Bei  der  zweiten  Besetzung 
Aachens  durch  die  Franzosen  im  September  1794  brachten  die 
Freiheitshelden  aber  ganz  andere,  viel  schärfere  Beschwerden 
vor.  Sie  behaupteten  nämlich,  Aachens  Bürger  hätten  gelegent- 
lich des  Strassenkampfs  vor  anderthalb  Jahren  aus  dem  Hinter- 
halt auf  die  Franzosen  gefeuert  ^,  auch  seien  später  französische 
Verwoindete  in  roher  Weise  misshandelt  und  sogar  aus  den 
Fenstern  des  Militärspitals  auf  die  Strasse  geworfen  worden. 

Beide  Beschwerden  sind  ein  Gemenge  von  Unwahrheit  und 
starker  Uebertreibung. 

Zunächst  folgt  dies  aus  dtn  Angaben  von  Quix.  Christian 
Quix,  geboren  im  J.  1773,  liess  sich  bald  nach  der  Aufhebung 
der  Klöster  in  Aachen  nieder  und  war  dort  schon  um  1806 
als  Lehrer  in  Stellung.  Die  Geschichte  der  Fremdherrschaft, 
deren  Beginn  in  sein  erstes  Jünglingsalter  fällt,  kannte  Quix 
aus  eigener  Anschauung;  auch  stand  ihm  später  ein  ganz 
bedeutendes  gedrucktes  und  archivalisches  Material  zur  Ver- 
fügiuig^.  Unbezweifelt  sind  seine  Wahrheitsliebe  und  seine 
nüchterne  Beurtheilung  geschichtlicher  Ereignisse.  Dieser  For- 
scher schreibt^:  „Was  zur  Unehre  oder  zum  Nachtheil  Aachens 
fälschlich  gesagt  oder  geschrieben  worden  ist,  werden  wir  zu- 
recht zu  weisen  wissen.  Dies  bezieht  sich  namentlich  auch 
auf  die  Vorfälle  bei  der  Befreiung  unserer  Stadt  von  den  Fran- 
zosen am  2.  März  1793.  In  Aachen  war  Jeder  von  der  Unwahr- 
heit der  beiden  von  französischer  Seite  aufgestellten  Haupt- 
beschuldigungen überzeugt.  Nach  der  alten  Wahrheit  fama 
crescit  eundo  sind  die  Begebenheiten  bei  dem  gemeldeten  Rück- 
zuge arg  übertrieben  worden.  Das  Militärspital  befand  sich  in 
der  Karmeliterkirche,  die  eine  hochgewölbte,  mit  hohen  Fenstern 

')  Haagen,  Geschichte  Achens  II,  S.  423. 

^)  Erwähnung  verdient,  dass  bei  der  Räumung  Ltittichs  im  Juli  1794 
die  Einwohner  auf  die  abziehenden  Oesterrcicher  feuerten.  Ein  Vergleich 
zwischen  den  Ereignissen  in  den  beiden  Nachbarstädten  Lüttich  und  Aachen 
lag  also  den  Franzosen  gewiss  sehr  nahe. 

^)  Auf  sehr  breiter  Grundlage  (seine  Abhandlung  zieht  sich  durch  90 
Nummern  des  Anfangs  1838  eingegangenen  Wochenblatts  hindurch)  versuchte 
Quix  eine  (reschichte  der  Fremdherrschaft  in  Aa<;hen  zu  liefern.  Leider 
blieb  die  Arbeit  unvollendet;  sie  reicht  nur  bis  Ende  März  1795. 

•»)  Wochenblatt  für  Aachen  und  Umgegend  183r>,  S.  172  und  188. 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  203 

versehene  Kirche  war,  deren  Fensterbänke  nur  mittelst  sehr  um- 
ständlicher Vorrichtungen  erreicht  werden  konnten  ^  Wahr  ist 
es,  dass  der  Pöbel  das  Spital  plünderte  und  sogar  die  leinenen 
Tücher  unter  den  Kranken  weggenommen  hatte.  Auch  war 
man  allgemein  überzeugt,  dass  von  den  Bürgern  kein  Franzose 
todtgeschossen  worden  war.*" 

Die  vorstehenden  Angaben  von  Quix  sind  um  so  werth- 
voller,  als  die  Akten  über  die  Ereignisse  vom  2.  März  1793 
voraussichtlich  für  immer  verloren  sind.  Sie  fehlen  im  Aachener 
Stadtarchiv,  welches  sie  schwerlich  jemals  auf  längere  Zeit 
besessen  hat.  Denn  die  Untersuchung  ging  ihrer  Zeit  recht  bald 
vom  Aachener  Magistrat  an  das  im  November  1794  in  Aachen 
errichtete  sog.  Revolutions-Tribunal  über.  Später  kamen  die 
Akten  au  die  Mittelkommission  in  Bonn  -.  Ihr  weiterer  Verbleib 
ist  unbekannt.  Möglicher  Weise  wurden  sie  nachher  absicht- 
lich vernichtet,  damit  die  Verfolgungssucht  nicht  neue  Nahrung 
erhielte  ^.  Doch  auch  ohne  diese  Akten  lassen  sich  die  Quixschen 
Angaben  ausreichend  stützen.  Es  spricht  zunächst  nicht  die 
kleinste  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  viele  Aachener  am 
2.  März  1793  von  ihren  Feuerwaffen  gegen  die  Franzosen 
Gebrauch  gemacht  haben.  Andernfalls  wäre  die  spätere  Unter- 
suchung nicht  so  ergebnisslos  verlaufen,  die  Namen  der  Haupt- 
betheiligten  und  die  ihnen  zuerkannten  Strafen  wären  veröffent-' 
licht,  auch  wären  wohl  die  als  ZuiSuchtsstätten  benutzten  Häuser 
dem  Erdboden  gleichgemacht  worden,  wie  dies  Kriegsrecht  und 
-brauch  so  ungemein  nahe  legten.  Anscheinend  ist  nicht  ein 
emziger  Fall  von  Widerstand  mittelst  Schusswaffen  zu  Ungunsten 
eines  Bürgers  ermittelt  worden,  was  freilich  die  sehr  schwache 
Möglichkeit  nicht  ausschliesst,  dass  höchst  vereinzelt  Bewohner 
von  Aachen  in  der  Erregung  des   Augenblicks  ihre  Gewehre 

*)  Seltsam  den  Ausdruck  wählend  schreibt  hier  Quix:  deren  Fenster- 
bänke viel  zu  hoch  waren,  um  aus  diesen  Kranke  werfen  zu  können. 

*j  Wochenblatt  für  Aachen  und  Umgegend  1836,  S.  188;  Aachener 
ilerkur  Nr.  123  vom  7.  Thermidor  VII.  Jahrs.  Die  Mittelkommission  in  Bonn 
bestand  nur  von  März  bis  November  1797. 

')  Aus  gleichem  Grunde  befahl  Napoleon  I.  die  Verbrennung  der  Akten 
des  Jakobiuerbunds.  Uebcr  ähnliche  Vernichtungen  vgl.  Zeitschrift  des  Aach. 
Geschiehtsvereins  V,  S.  205,  Anm.  3.  Im  vorliegenden  Falle  könnte  vielleicht 
im  J.  1804,  dem  Jahr  der  Aufnahme  Aachens  unter  die  Krönungsstädte  des 
französischen  Reichs,  eine  Beseitigung  der  für  AM^  uaMgenehmon  Schrift- 
stücke nahe  gelegen  haben. 


204  E.  Pauls 

auf  die  Franzosen  angelegt  haben  ^  Bezeichnender  Weise  ver- 
schwindet sehr  bald  nach  der  z^xiten  Besetzung  Aachens  der 
Vorwurf  einer  Betheiligung  am  Kampfe  durch  Schüsse  aus  dem 
Hinterhalt  aus  den  französischerseits  vorgebrachten  Beschwer- 
den, später  wird  nur  auf  die  Misshandlung  von  Vervs-undeten 
hingewiesen.  Und  auch  in  Bezug  hierauf  schreiben  schon  in 
der  ersten  Woche  ihrer  zweiten  Anwesenheit  in  Aachen  die 
Franzosen  amtlich,  die  Spitäler  seien  geplündert  worden,  ehe 
noch  die  Kranken  hinausgebracht  gewesen  wären ;  vom  Hinaus- 
werfen der  Kranken  aus  den  Fenstern  ist  nachher  nur  noch 
sehr  vereinzelt  die  Rede.  Höchst  wahrscheinlich  wurden  bei 
der  Plünderung  des  französischen  Militärspitals,  welche  von  ent- 
setzlicher Verrohung,  aber  auch  von  grösstem  Hasse  gegen  die 
Fremdlinge  zeugt,  manche  Kranke  aus  ihren  Betten  unsanft  zu 
Boden  geworfen,  was  Entstellung  und  Erbitterung  zum  Hinaus- 
werfen aus  den  Fenstern  aufbauschte. 

Zweier  berühmten  Geschichtswerke  Angaben  über  die  Er- 
eignisse am  2.  März  1793  mögen  hier  eingeschaltet  werden. 
Thiers^  schreibt  ganz  allgemein  gehalten,  dass  nach  einem 
blutigen  Gefechte  in  den  Strassen  der  Stadt  die  Franzosen 
gewichen  seien.  Ausführlicher  sagt  dagegen  H.  von  SybeF: 
„Dampierre  wagte  in  Aachen  ein  Strassengefecht.  Die  Oester- 
reicher  wurden  aber  wie  die  Hessen  in  Frankfurt  durch  die 
gründlich  erbitterten  Einwohner  unterstützt  und  sprengten  die 
Franzosen  so  gründlich  auseinander,  dass  General  Stengel  weit 
nach  Süden  verschlagen  wurde  und  sich  erst  in  Namur  wieder 
zu  einem  französischen  Armeekorps  einfand.'' 

Unmittelbar  nach  der  Vertreibung  der  Franzosen  ahnte 
wohl  Niemand,  dass  der  2.  März  ein  Unglückstag  für  Aachen 
gewesen  war,  der  den  Keim  des  Verderbens  für  die  Stadt  in 
sich  barg.    Eine  lebhafte  Freude  gab  sich  in  allen  Kreisen  der 


*)  Im  Wesen  eines  Strassenkampfs  liegt  es,  dass  mitunter  Soldaten  in 
Häusern  Deckung  suchen  und  von  dort  aus  unter  Umständen  die  Feinde 
belästigen.  Aehnliches  kann  steUenweisc  auch  in  Aachen  der  FaU  gewesen 
sein,  und,  da  eine  Betheiligung  der  Aachener  an  der  Entwaffnung  der  besiegten 
Franzosen  zweifellos  feststeht,  mit  zum  Gerede  beigetragen  haben,  dass  wäh- 
rend des  Kampfs  die  Bilrger  aus  ihren  Häusern  hinaus  gefeuert  hätten. 

*)  Thiers,   Geschichte   der   französischen  Revolution,    übersetzt    von 

Jordan,  Th.  VI,  S.  81. 

•'')  von  Sybel,  Geschichte  der  Revolutionszeit,  3.  Aufl.,  II,  S.  197. 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrsthaft.  205 

Bevölkerung  kund,  alle  Massregeln  zur  Wiederherstellung  der 
alten  Ordnung  und  zur  Beseitigung  fast  jeden  Andenkens  an 
die  zehn  wöchentliche  Fremdherrschaft  wurden  getroffen.  Schon 
am  Tage  des  verhängnissvollen  Strassenkampfs  hatte  man  den 
Freiheitsbaum  vor  dem  Rathhaus  niedergerissen  und  der  Bild- 
saule Karls  d.  Gr.  die  ihr  von  den  Republikanern  aufgesetzte 
Jakobinermütze  abgenommen  ^  Eine  Woche  später  fand  ein 
fröhliches,  sich  bis  tief  in  die  Nacht  hinziehendes  Dankfest 
statt;  am  12.  April  stellte  eine  Rathsverordnung  den  Fremden- 
verkehr unter  scharfe  Aufsicht^,  und  am  30.  April  wurde  der 
vor  den  Franzosen  verborgene,  neu  vergoldete  Aachener  Adler 
feierlich  vor  dem  Rathhaus  wieder  aufgestellt '*.  Am  21.  Juni 
beschloss  der  Rath,  dass  alle  Jakobiner  aus  Stadt  und  Reich 
Aachen  verbannt  sein  sollten;  gegen  Ende  August  Hess  er  die 
von  den  Franzosen  auf  dem  Markte  niedergerissene  Schand- 
säule des  Kalkbrenner  aufs  Neue  erricliten  und  die  Bildsäule 
Karls  d.  Gr.  vergolden*. 

Doch  das  Ende  der  reichsstädtischen  Herrlichkeit  rückte 
mit  raschen  Schritten  heran.  Der  glücklich  wiederhergestellten 
frühem  Ordnung  der  Dinge  sollte  nur  eine  anderthalbjährige 
Dauer  beschieden  sein.  Mit  ängstlicher  Spannung  folgten 
Aachens  Bewohner  im  Sommer  1794  den  mit  wechselndem 
Glück  in  den  Niederlanden  zwischen  den  kaiserlichen  und 
republikanischen  Truppen  ausgefochtenen  Kämpfen.  Immer 
näher  rückte  der  Kriegsschauplatz  dem  Aachener  Reiche, 
immer  schwächer  wurden  die  Aussichten  auf  einen  durch- 
schlagenden Erfolg  der  deutschen  Waffen.  Zwar  überboten 
sich  die  in  Aachen  erscheinenden  Zeitungen  in  Versuchen  einer 
möglichst  günstigen  Darstellung  der  militärischen  Lage  auf 
deutscher  Seite,  aber  Anfangs  August  1794  wurde  der  Schrecken 
ein  allgemeiner.  Massenhafte  Auswanderungen  fanden  statt, 
fl Unsere  Stadt  ist  durch  die  Menge  der  ausgewanderten  Bürger 
verödet,  alle  Geschäfte  stocken",  so  schrieb  man  am  8.  August 
aus  Aachen  nach  Köln'^;    „die  Zeitumstände  erlauben  es  nicht, 


1)  Quix,  Wochenblatt  1836,  S.  101. 

2)  Quix  a.  a.  0.  S.  106. 
'')  Quix  a.  a.  0.  S.  107. 
*)  Quix  a.  a.  0.  S.  121. 

^)  VoUständiger  Brief  in:   Stadtkölniselier   Reichskourier  Nr.   90,  vom 
10.  August  1704. 


20r>  E.  Pauls 

den  dahier  sich  befindlichen  französischen  Ausgewanderten  einen 
weiteren  Aufenthalt  in  hiesiger  kaiserlich  freier  Reichsstadt  und 
deren  Gebiet  zu  gestatten,  sie  haben  sich  binnen  3  Tagen  von 
hier  zu  entfernen",  befahl  eine  ßathsverordnung  vom  selben 
Tage^  und  wies  damit  eine  Menge  Fremder  aus.  Nach  Quix 
hatten  im  Sommer  1794  die  meisten  Magistratspersonen  und 
über  1000  Einwohner,  darunter  selbstredend  die  wohlhabendsten, 
Aachen  verlassen.  Aachen  zitterte  vor  den  Franzosen,  es  zitterte 
namentlich  auch  vor  dem  Namen  Robespierre.  Beides  nicht  mit 
Unrecht.  Aus  was  immer  für  Gegenden  Nachrichten  über  die 
Fortschritte  der  republikanischen  Heere  einliefen,  stets  waren 
die  Siegesberichte  verbunden  mit  Mittheilungen  über  ungeheuere 
Kriegslasten,  rohe  Erpressungen  und  zügellose  Ausschweifungen. 
Furchtbare  Hiobsposten  liefen  besonders  aus  den  pfälzischen 
Gegenden  ein^,  und  ein  Vorbild  des  ihm  drohenden  Geschicks 
konnte  Aachen  in  der  Zerstörung  des  Städtchens  Kusel  im 
Zweibrückenschen  sehen.  Es  hiess,  Kusel  wäre  der  Sitz  einer 
Fabrik  von  falschen  Assignaten,  überhaupt  stets  eine  Feindin 
der  Republik  gewesen.  Dies  genügte  den  Franzosen,  um  die 
unglücklichen  Bewohner  auszutreiben,  sie  ihrer  Habe  zu  berauben 
und  das  Städtchen  gänzlich  einzuäschern.  Die  Republik  schonte 
unter  Umständen  ihre  eigenen  Kinder  nicht.  Alle  grossen 
Städte  Frankreichs  erfuhren  unter  Robespierre  die  Rache  der 
Bergpartei'*,  einmal  sogar  war  das  von  wildester  Zerstörungs- 
wuth  eingegebene  Wort  gefallen,  Paris  müsse  aus  dem  Ver- 
zeichniss  der  Städte  gestrichen  werden*.  Was  stand  Aachen 
bevor,  welches  nach  allem  Vorhergegangenen  unter  den  den 
Republikanern  verhassten  Städten  sicherlich  einen  der  ersten 
Plätze  einnahm?  Wie  die  spätem  Ereignisse  zeigten,  kann 
die  Antwort  hierauf  nur  lauten:  Plünderung  und  Zerstörung! 
Hauptsächlich  die  Fiu-cht  vor  dem  Untergang,  vor  dem  System 


0  Wortlaut  bei  Quix  a.  a.  0.  S.  147. 

*)  Nicht  schrecklich  genug,  so  lautete  der  Kern  vieler  in  Aachener 
Zeitungen  des  J.  1794  erschienenen  ausführlichen  Berichte,  kann  das  Elend 
geschildert  werden,  welches  Plündern  und  kannibalische  Grausamkeiten  über 
die  Bewohner  der  pfölzischen  Gegenden  gebracht  haben.  lieber  Kusols  Unter- 
gang brachte  der  Aachener  Wahrheitsfreund  eingehende  Darstellungen. 

'')  Thiers  a.  a.  0.  Th.  IX,  S.  9.  Besonders  hart  war  Lyon  mitge- 
nommen worden;  Lyon  n'existe  plus,  hiess  es  nur  wenig  übertrieben. 

*)  Thiers  a.  a.  0.  Th.  VIT,  S.  89. 


Ans  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  207 

Robespierre  war  es,  welclie  Hunderte  der  besten  Bürger  in  die 
Fremde  trieb  und  wie  ein  böses  Verhängniss  auf  den  Zurück- 
bleibenden lastete.  Der  Name  Robespierre  wurde  in  Aachen  nur 
mit  Schrecken  genannt.  Man  erzählte,  Robespierre  sei  früher 
in  Aachen  ein  paar  Monate  lang  Hauslehrer  beim  Vogtmeier 
Freiherm  von  Geyr  gewesen,  dann  aber  entlassen  worden;  er 
habe  wilde  Drohungen  gegen  Aachen  ausgestossen  ^  und  einen 
Beschluss  des  Nationalkonvents  vom  4.  Vend6miaire  IL  Jahrs 
(25.  September  1793)  herbeigeführt  2,  laut  welchem  Aachen  im 
Falle  einer  Wiedereroberung  der  Plünderung  und  den  Flammen 
geweiht  werde. 

Auch  hier  paart  sich  Dichtung  mit  Wahrheit.  Maximilian 
Robespierre  betrat  niemals  deutschen  Boden,  wohl  aber  hatte 
sein  Vater  lange  Wanderungen  in  Deutschland  angestellt,  ehe 
er  sich  für  immer  in  München  niederliess.  Ob  etwa  dieser 
einige  Zeit  in  Aaclien  verweilt  hat,  ist  nicht  ermittelt  und 
bedarf  keiner  nähern  Untersuchimg.  Femer  kennen  wir  aus 
den  Parlamentsverhandlungen  eine  Zornesrede  Robespierres  gegen 
Aachen  nicht  ^.  Vielleicht  stützte  sich  in  diesem  Punkte  das 
Gerede  auf  Privatmittheilungen,  vielleicht  auch  übertrieb  man 
die  VorföUe  am  5.  März  1703  im  Konvent  zu  Paris,  wo  Robes- 
pierre auf  die  erste  Kunde  vom  Verluste  Aachens  hin  sofort 
den  Tod  aller  aristokratischen  Offiziere  forderte'*.  Eine  hohe 
Wahrscheinlichkeit  spricht  gewiss  dafür,  dass  von  Seiten  Robes- 
pierres, welcher  seiner  ganzen  Richtung  nach  nur  ein  grim- 
miger Gegner  des  jakobinerfeindlichen  Aachens  sein  konnte, 
manche  Aeusserungen  des  Unmuths  gegen  die  verhasste  Stadt 
gefallen  sind. 

Der  Kernpunkt  liegt  in  der  Frage,  ob  wirklich  nach  einem 
Beschluss  der  französischen  Machthaber  die  Zerstörung  Aachens 
in  Aussicht  genommen  war.  Fast  sollte  man  dies  verneinen, 
denn  unter  den  im  Moniteur  sorgfältig  verzeichneten  Beschlüssen 
des  Nationalkonvents  findet  sich  ein  solcher  Beschluss  nicht; 


•)  Quix  a.  a.  0.  1836,  S.  147. 

*)  Dies  das  vom  Syndikus  Vossen  in  seinen  Aufzeichnungen  und  später 
auch  gedruckt  angegebene  Datum. 

^)  Die  beiden  vorstehenden  Mittheilungen  verdankt;  ich  der  Ottte  de;* 
Herrn  A.  Schumm,  Verfassers  der  unten  anzuführenden  Lebensbeschreibung 
Rol)espierre8. 

*)  von  Sybol  a.  a.  O.  IT,  S.  24«;  vtri.  auch  Moniteur  XV,  p.  «20. 


208    ,  E.  Pauls 

auch  in  den  Aachener  Zeitungen '  aus  der  Zeit  zwischen  März 
1793  und  September  1794  fehlt  liieiüber  jede  Andeutung.  Dennoch 
muss  die  Frage  entschieden  bejaht  werden,  nur  braucht,  so  lange 
nähere  urkimdliche  Beweise  fehlen  ^,  am  Datum  des  25.  Septem- 
ber 1793  imd  am  Worte  Nationalkonvent  nicht  festgehalten  zu 
werden.  Die  Aachener  Zeitungen  durften  schon  deshalb  einen 
ihrer  Heimath  so  nachtheiligen  Beschluss  nicht  erwähnen,  weil 
der  Wortlaut  der  schrecklichen  Verfügung  nicht  bekannt  und 
Bestimmtes  kaum  zu  ermitteln  war,  zudem,  namentlich  im  Sommer 
1794,  ein  noch  so  kurzer  Hinweis  die  ohneliin  unbeschreibliche 
Aufregung  nur  gesteigert  haben  würde.  Den  Beweis  für  die 
Berechtigung  der  Furcht  vor  dem  Untergang  liefern  die  Vor- 
gänge im  Herbst  des  J.  1794  ^ 

Zwei  ausgezeichnete  Bürger  Aachens  bekunden,  dass  man 
sie  im  französischen  Lager  auf  die  Aechtung  der  Stadt  und 
deren  bevorstehende  Zerstörung  hingewiesen  habe*;  der  Aachener 
Rath  anerkannte  die  Rettung  aus  „wirklich  und  augenblicklich 
bevorstehender  Brand-  und  Todesgefahr",  und  forderte  drei 
Wochen  später  zu  einem  allgemeinen  Dankfest  auf*^  „wegen 
Abwendung  der  Gefahr  einer  allgemeinen  Verwüstung".  Von 
feindlicher  Seite  erfahren  wir  aus  amtlichen  Bekanntmachungen, 
dass  in  der  französischen  Armee  der  Glaube  verbreitet  war, 
das  Plündern  sei  jenseits  der  Maas  gestattet,  und  dass  es  eines 
ausdrücklichen  Befehls  bedurfte,  um  die  Soldaten  von  „Plünde- 
rungen und  sonstigen  Ausschweifungen"  in  Aachen  abzuhalten. 
Femer  spricht  der  Volksrepräsentant  Gillet  in  einer  seiner  ersten 
Verfügimgen  vom  Verzicht  auf  eine  gerechte  Wiedervergeltung, 

*)  Es  sind  dies :  Reichsstadt- Aachener  Zeitung,  Aachener  Zuschauer  und 
der  Aachener  Wahrheitsfreund. 

*)  Diese  sind  kaum  zu  erlangen,  da  sie  voraussichtlich  im  Kriegsarchiv 
zu  Paris  beruhen. 

*)  Wie  wenig  damals  unter  Umständen  nach  der  Zerstörung  einer  Stadt 
gefragt  wurde,  beweist  das  Geschick  Dürens  im  September  1794.  In  Düren 
waren  nämlich  durch  den  Verrath  eines  Bürgers  die  Franzosen  durch  das 
Holzthor  eingedrungen.  Die  Folge  war,  dass  die  Stadt  durch  eine  heftige 
Kanonade  schwer  gezüchtigt  wurde,  und  dass  der  österreichische  General  Riese 
nur  mit  Mühe  bewogen  werden  konnte,  seinen  Befehl,  Düren  in  einen  Trümmer- 
haufen zu  verwandeln,  zurückzunehmen.  (Bonn,  Rumpel  und  Fischbach, 
Materialien  zur  Geschichte  Dürens  S.  68r>.) 

*)  Näheres  uiitcMi. 

')  Das  Dankfest  wurde  am  15.  Oktober  1704  in  Aachen  gofoiort. 


Au^  i\oT  Zeit  der  Frcnulhorrscbaft.  209 

und  im  Dezember  1794  erklärt^  ein  anderer  Republikaner  öffent- 
lich, „dass  der  schreckbare  Arm  der  Rache,  der  im  Be^iff 
gewesen  gegen  Aachen  niederzufallen,  zurückgehalten  worden 
sei".  Alles  dies  zeigt  deutlich,  wie  nahe  Aachen  dem  Geschick 
war,  das  Loos  Kusels,  Lyons  und  so  mancher  von  der  Republik 
auf  das  härteste  heimgesuchten  Städte  zu  theilen. 

Höchst  wahrscheinlich  hatte  nicht  der  Nationalkonvent, 
sondern  der  Wohlfahrtsausschuss  auf  Betreiben  Robespierres 
die  Zerstörung  Aachens  im  Falle  der  Wiedererobening  verfügt. 
Nachdem  Robespierre  im  Juli  1793  in  diesen  später  so  berüch- 
tigt gewordeuen  Ausschuss  getreten,  begann  die  eigentliche 
Schreckensherrschaft  in  Frankreich.  Wenige  Monate  später 
regierte  der  Konvent  fast  nur  noch  dem  Namen  nach.  Alle 
Minister,  Generäle  und  Ortsbehörden  standen  unter  der  Auf- 
sicht des  Wohlfahrtsausschusses,  welcher  nach  einem  Konvents- 
beschluss  vom  10.  Oktober  mit  dem  Sicherheitsausschuss  bis 
zum  allgemeinen  Frieden  als  Revolutionsregierung  walten  sollte  ^. 
Die  Verfügungen  dieser  Regierung^  konnt^en  also  nicht  ganz 
mit  Unrecht  als  Konventsbeschlüsse  bezeichnet  werden,  und  so 
mag  es  sich  erklären,  weshalb  der  Befehl  zur  Vernichtung 
Aachens  auf  einen  Konventsbeschluss  zurückgeführt  wurde. 

Als  sich  die  feindlichen  Heeresspitzen  im  September  1794 
Aachen  näherten,  war  Robespierre  seit  fast  zwei  Monaten 
gestürzt,  eine  mildere  Richtung  hatte  die  Oberhand  gewonnen. 
Aber  der  für  Aachen  verhängnissvolle  Beschluss  bestand  noch 
mit  voller  Rechtskraft.  Es  war  fraglich,  ob  die  aufgeregten, 
plünderungslustigen  Soldaten  zurückgehalten  werden  konnten; 
noch  fraglicher  blieb  es,  ob  die  Generäle  und  Volksrepräsen- 
tant^n  befugt  und  gewillt  waren,  den  Beschluss  ausser  Kraft 
zu  setzen.  Vom  französischen  Befehlshaber  brauchte  Aachen 
keine  Gnade  zu  erwarten,    denn  kaum  ein  Jahr  früher  hatten 


0  Aachener  Zuschauer  1794,  S.  1223. 

*)  Vgl.  die  Ausfahrungen  bei  von  Sybel  a.  a.  0.  II,  S.  384  und  bei 
A.  Schumm,  Max.  Robespierre  S.  194. 

^)  Eine  Veröffentlichung  fand  in  der  Regel  nicht  statt;  wie  Carnot 
erzählt,  war  die  Arbeit  uJiendlich  und  musstcn  an  einem  Tage  oft  300—400 
Sachen  erledigt  werden.  JedenfaUs  wurde  der  Beschluss  über  Aachen  der 
rcpubhkanischen  Armee  in  Belgien  zu  Ende  1793  oder  ein  paar  Monate  später 
mitgetheüt;  von  dorther  erhielt  Aachen  wahrscheinlich  die  ersten  Nachrichten 
übor  das  Uim  drohende  Geschick. 

14 


210  E.  Pauls 

die  Republikaner  durch  Custines  Hinriclitung  allen  Grenerälen 
ein  furchtbares  Beispiel  und  eine  Weisung  gegeben,  den  Befehlen 
der  Regierung  unbedingten  Gehorsam  zu  leistend  Aachens 
letzte  Hoffnung  beruhte  auf  dem  eingetretenen  Umschwung  der 
Dinge  in  Frankreich  und  auf  der  Möglichkeit,  dass  der  franzö- 
sische Volksrepräsentant  bei  der  feindlichen  Armee,  dessen 
Stimme  entscheidend  ins  Gewicht  fallen  musste,  in  versöhnlichem 
Sinne  auf  den  Oberbefehlsliaber  einwirken  und  eine  Milderung 
des  Vernichtimgsurtheils  herbeiführen  werde.  Wie  schwach  diese 
Hoffnung  war,  geht  aus  den  Tag  und  Nacht  fortgesetzten 
Auswandenmgen  der  angesehensten  Bürger  Aachens  hervor, 
nachdem  die  Kämpfe  an  der  Ourthe  am  18.  September  mit  einem 
Sieg  der  Franzosen  geendigt  hatten.  Noch  einmal  versuchten 
am  19.  und  20.  September  die  Kaiscrliclien  dem  übermächtigen 
Feinde  bei  Herve  die  Spitze  zu  bieten.  Ihre  Anstrengungen 
scheiterten.  Am  Abend  des  22.  September  machten  sich  die 
letzten  österreichischen  Posten  zum  Abzug  aus  Aachen  bereit, 
denn  der  Einmarsch  der  siegreichen  Gegner  stand  unmittelbar 
bevor. 

Da  an  einen  bewaffneten  Widerstand  nicht  mehr  zu  denken 
war,  blieb  dem  Aachener  Rath  nichts  übrig,  als  durch  Ab- 
gesandte um  Schonung  für  die  Stadt  bitten  zu  lassen^.  Es 
erging  folgender  Rathsbeschluss  ^:  „Zur  Begegnung  und  Empfang 
allenfalß  der  Franzosen  hat  Ein  Ehrbarer  Rath  den  Herrn  Werk- 
meister Jardon  S  Herrn  Baumeister  Cronnn  und  Herrn  Doctor 
Vossen  senior  deputirt." 

Frühmorgens  am  23.  September  1794  fanden  sich  Dr.  Yossen 
und  Baumeister  Cromm  auf  erhaltene  Einladung  im  Aachener 


^)  Thiers  a.  a.  Ü.  Th.  VIII,  S.  111  bestätigt  dies  auf  das  Bestimmteste. 

^)  Vielfach  war  es  damals  üblich,  Deputationen  den  anrückenden  Fran- 
zosen entge<<cn  zu  schicken,  um  ihnen  das  Wohl  der  Stadt  ans  Herz  zu  legen. 
Bonn  bildete  eine  Ausnahme,  „weil  nach  den  überaU  geraachten  Erfahrungen 
an  Erfolg  nicht  zu  denken  war".  (W.  Hesse,  Geschichte  der  Stadt  Bonn 
während  der  französischen  Herrschaft  S.  88.) 

=*)  Rathsprotokoll  vom  22.  September  1794  (Aachener  Stadtarchiv).  Das 
„allenfalß"  scheint  anzudeuten,  dass  man  auf  Befreiung  von  den  Franzosen 
selbst  dann  noch  hoifte,  als  schon  AUes  verloren  war. 

*)  Dieser  betheiligte  sich,  wahrscheinlich  seines  vorgerückten  Alters 
wegen,  an  der  Deputation  nicht. 


Aus  der  Zeit  dor  Fromdlierrseluift.  211 

Ratliliaus  ein  ^  Dort  machte  sie  der  Stadtsjudikus  Fell  mit 
dem  Ratlisbeschluss  des  vorigen  Tags  bekannt,  Hess  ihnen  zur 
Ueberreichung  an  den  feindlichen  General  die  Schlüssel^  des 
Jakobsthors  einhändigen  und  empfahl  den  Versuch,  beim  Volks- 
repräsentanten und  bei  der  Generalität  eine  Milderung  des  gegen 
Aachen  bevorstehenden  Verfahrens  zu  erwirken.  Schon  standen 
die  französischen  Vorposten  vor  dem  geschlossenen  Jakobsthor, 
während  das  Hauptquartier  der  Republikaner  noch  in  Herve 
sich  befand.  Nachdem  den  Deputirten  als  Trompeter  und  Träger 
einer  weissen  Fahne  der  „alte  Herr  Creutzer''  beigegeben  worden 
war,  begaben  sie  sich  zu  Pferde  auf  den  Wall  des  Jakobsthors.  Auf 
ihr  Signal  erschien  ein  französischer  Offizier  mit  zehn  Chasseurs; 
der  Deputation  wurde  für  einen  Augenblick  das  Jakobsthor 
geöffnet,  worauf  die  Franzosen  sie  zunächst  zum  diensthabenden 
Oberst  führten.  Trotz  des  wüthenden  Geschreis  der  Soldaten 
versprach  der  Obei^st,  vor  Empfang  höherer  Befehle  in  Aachen 
nicht  einzurückend  Im  Uebrigen  konnte  er  den  Abgesandten, 
die  er  unter  militärischer  Bedeckung  sofort  zum  Befehlshaber 
der  Avantgarde,  dem  General  Hartry,  in  Henry-Chapelle  führen 
Hess,  nur  wenig  Hoifnung  machen.  Hartry  hatte  nämlich  noch 
Tags  vorher  erklärt,  dass  der  Untergang  der  vom  National- 
konvent geächteten  Stadt  unvermeidlich   sei  und   dass  er  zur 


*)  Nachfolgendes  beruht  auf  den  von  Dr.  Vosscn  thoils  mündlich,  theüs 
srhriftlich  gemachten  Angaben,  welche  im  Wesentlichen  —  nur  dies  wird 
hier  berücksichtigt  —  mit  dem  Inhalt  eines  bei  Vossens  Tod  im  August  1845 
in  Kaatzers  Album  XIV,  S.  219  f.  erschienenen  Aufsatzes  übereinstimmen. 
Die  Tagesstunden  finden  sich  nicht  verzeichnet,  auch  wird  irrig  wiederholt 
der  22.  statt  des  23.  September  als  Entscheidungstag  angegeben. 

•)  Die  Schlüssel  von  Aachen,  Jülich  und  Köln  nebst  4  eroberten  Fahnen 
brachte  Anfangs  Oktober  1794  der  Generaladjutant  Moissonet  nach  Paris,  wo 
sie  am  11.  Oktober  dem  Konvent  und  dem  jubelnden  Volke  gezeigt  wurden. 
Vielleicht  war  bei  der  ersten  Besetzung  Aachens  durch  die  Franzosen  im 
Dezember  1792  die  Sitte  der  Schlüsselüberreichung  unterblieben.  Kurz  vorher 
hatte  nämlich  der  französische  Obergeneral  Dumouriez  bei  der  Einnahme 
Brüssels  die  ihm  angebotenen  Stadtschlüssel  mit  dem  Bemerken  zurück- 
gewiesen, „dass  der  knechtische  Gebrauch,  den  Siegern  die  Schlüssel  zu  über- 
reichen, bei  freien  Völkern  nicht  gelte".  (Aachener  Zuschauer  1794,  Nr.  125 
und  1792,  Nr.  139.) 

')  Thatsächlich  rückten  im  Laufe  des  Vormittags  am  23.  September  1794 
französische  Truppen  in  Aachen  ein,  enthielten  sich  aber,  aVigesehen  von  ver- 
einzelten Ausnahmen,  jedenfalls  mit  Rücksicht  auf  die  schwebenden  Verhand- 
lungen grober  Ausschweifungen. 

14* 


212  E.  Pauls 

Ausfühmng  der  erhaltenen  Befelile  am  23.  September  bei  den 
Vorposten  eintreffen  werde  ^  In  Henry-Chapelle  erging  es  den 
Aachenern  älinlich  wie  kurz  vorher.  General  Hartiy,  den  sie 
im  Hotel  Belle  vue  trafen,  gab  schlechte  Aussichten,  wagte  aber 
keine  Entscheidiuig.  Auch  er  versprach,  vorläufig  in  Aachen 
nicht  einzurücken,  auch  er  sandte  die  Deputation  unter  einer 
neuen  militärischen  Begleitung  an  die  höhern  Vorgesetzten 
nach  Herve^  ins  Hauptquartier.  Obergeneral  Jourdan  war  für 
kurze  Zeit  abwesend,  als  die  Deputirten  Herve  erreichten,  des- 
halb konnten  sie  zunächst  nur  mit  dem  Volksrepräsentanteu 
Gillet  verhandeln.  Sie  stellten  vor,  dass  es  sehr  hart  sein 
würde,  wenn  Tausende  Unschuldiger  um  weniger  vielleicht 
Schuldiger  willen  zu  Grunde  gingen,  dass  eine  kommissarische 
Untersuchung  die  Bestrafung  etwaiger  Frevler  ermöglichen 
könnte,  und  dass  x\achens  Untergang  die  französische  Annee 
aller  dort  befindlichen  Hilfsmittel  berauben  würde.  Gillet,  von 
dem  Vossen  mit  grosser  Hochachtung  spricht,  weil  er  auch 
später  noch  (1795)  sich  als  Schützer  Aachens  gezeigt  hätte, 
war  freundlich,  erklärte  aber,  ohne  Jourdans  Zustimmung  eine 
Entscheidung  nicht  treffen  zu  können.  Bald  nachher  erhielten 
die  Deputirten  Zutritt  zu  dein  Saale,  in  welchem  Jourdan  mit 
vielen  höhern  Offizieren  zu  Tische  sass.  Hier  empfing  sie  der 
Obergeneral  sehr  ungnädig,  indem  er  heftige  Worte  gegen 
Aachen  fallen  liess.  Vergeblich  suchte  Gillet  ihn  milder  zu 
stimmen ;  Jourdan  erklärte,  des  Volksrepräsentanten  Macht- 
befugnisse erstreckten  sich  nur  auf  Belgien,  wozu  Aachen  nicht 
gehöre  ^. 


*)  Wörtlich :  Cette  villc  doit  cesscr  (Vexister,  parcc  quo  la  Convention 
nationale  l'a  proscrite,  et  demain  je  serai  aux  avantporstes  pour  executer 
nies  ordres. 

^)  Wie  es  scheint,  be^rüssten  auch  in  Henry-Chapelle  und  Herve  die 
Truppen  die  Deputation  mit  lauten  Ver>vünschungen. 

^)  Wörtlich:  Je  devrais  vous  obeir,  si  votre  commission  nc  limitait 
votre  autorite  •X  la  Belgique,  dont  Aix  ne  fait  pas  partie.  Trotz  Jourdans 
schroffer  Ablehnung  kann  angenommen  werden,  dass  Aachen  mindestens  vor 
der  Zerstörung  bewahrt  war,  nachdem  Gillet  sich  zu  Gunsten  der  bedrängten 
Stadt  ausgesprochen  hatte.  Jourdan  und  seine  Offiziere  würden  schliesslich 
doch  davor  zurückgeschreckt  sein,  gegen  die  Ansicht  des  Volksrepräsentanten 
die  ohnehin  von  Allem  entblösste  Armee  durch  die  Zerst^irung  Aachens  der 
grossen  Hilfsquellrn    einer   bodoutcnden   Stadt   zu  berauben.     Dennoch   muss 


AiLH   .l»'r   Z-if    'l«'r    Kn-iüilllrriM  ll.iir.  2'  t 

, Alles  ^rliieu  verlon?iK*  >o  erz;ililt  V^x^eu,  ,aU  ciu  Ueitcv 
in  der  Person  tles  ^*.^.a^•l  ILiri^^re  erNcIf'oii.  Marieto  luitlc  uU 
vemiisist  ireirolten,  kam  a^^^v  jetzt  leK"!it  verwumlet  üu  uud 
lÄTirde  mit  stürmische  in  JiU>et  ^Oirtii^st.  Als  mau  ihm  uummv 
Sendung"  erklärte,  hf^willkomnuiete  er  horzlioh  dvni  ihm  K^fivuu- 
deten  Herrn  Cronim,  woniut'er  sich  eitViijst  zn  (Umsteu  Aachens 
verwandte  K  Er  erzälilte,  wie  er  Wim  voriujahrixen  Kückzuv; 
der  französichen  Armee  mit  einij^en  Kanieradeu  in  Aachen  \  er- 
steckt gehalten,  von  der  FreinuiureHoyfe  verpHe^t  und  schlie>.?i- 
lieh  in  einer  Möncliskntte  vennunnnt  <»'erettet  wovtlen  ^ci/ 
Marietes  Befürwortung  gab  den  Anssddag,  Tnter  Hihwehaiir 
den  iSturz  Robespierres,  des  Hanptnrhobers  des  Vtiniichlun^f^- 
beschlusses,  entschlossen  sich  die  Republikaiici*  yaw  \'crschonniig 
Aachens,  und  froh  kimnten  die  Deimtirten  dt»n  Heimweg  ans 
der  Höhle  des  Lfiwen  antreten. 

Begreiflicher  Weise  hatte  die  Verhchonung  (hT  Stadt  nichl 
auch  ein  sofortiges  Vergeben  und  V(»rg(-seu  di*i'  Vorlallc  vom 
2.  März  1798  zur  Folge.  Ks  hat  vichiM'hr  noch  Jahre  gcijaucil, 
ehe  die  Nachwehen  der  verhangni^svolh*n  lMcjgniftfi<'  voll>i;JndJg 
überwunden  waren.  Abgesehen  von  elu^T  ^h^U-uU  ciii^'i-hiiiU-n 
strengen  Unter^mhuiig  \n^^tninl  ti'w  n;)<  li*t<'  \'>,\'^*tt  in  d'  r  ;/;in/ 
liehen  l'nmöirli*  hkeit  j<-'b'>  \\'id<'r-t;uid>  «j'-r  \n*\ti'm-i'  ;/';/Hi 
die  fraiizo^i^chen  Awji*\}i'.'.-/j<'ih  U'ar  «-^  aij'li  oi'ljt  /o  h*'4>i'>t'in. 
dass  von  eiu*  r  \V'i(-'\(-}].  »  '  '  u  *j*^  'Ittr^',-  ^' i  *i"r  ^-z-'^-'j  J^-- 
setzuiiiT  Aa^l^^-ii-  k'-i:.*-  j^  'U.  *•  <  ),)  v  ,fj  \/,u»  u.  w^  i  ;  .  ;  4 .  «!',*  Ji 
tief    b^-klaj-^'ivvv-nij,     <I; -v   ,'.<-    -*>,;*,     *...•*    s      <-    i.''^    L-  f    '    •.' 

M'hücLtenie  K:/::*':/', ",' ;:   v^;.^*".  x     ■  '•*"]]    ,!.  ■  i*    •,  ■  -    m  .,  *,.  . 
di'ückeiid>T^ij    Kj'j'^-;»'^ -**""■•'!  '^'    <    ':'".vv*     v**        '  "      »^  .<      ^  .< 
freier    w^ir«^    Ü  »v    v*/      <^    -»^v.-  »"       v.»-    ■  .'.<•,«     ^r.</-4    • 
hätte  in  ♦»Twu  i;*M;    i-i'-***    \f»'.'i    1.  >  •..••      •;     "u    .-.-i.    1  i*  .■'    'i  * 
Si^'^rer    uu'i     H'-^it';.'-'»-    m     ',.m     ;/     ..'.•/     '    >.^     ,v    '-'.mm     hi 


iliu  war»    \i'li'-:  .•'    '.-••'■*  .1'      •       »'  •  .         .       *.      ..*....  ..,,.'    *.  • 


214  E.  Pauls 

Stadt  nie  bezeugt  * ;  bessere  Verhältnisse  entwickelten  sich  erst, 
nachdem  die  starke  Hand  Napoleons  den  Krater  der  Revolution 
endgültig  geschlossen  hatte. 

Schon  am  23.  September  fand  Gillet  es  für  nöthig,  in  einer 
Proklamation  die  Soldaten  vor  Ausschweifungen  und  Plünde- 
rungen in  Aachen  unter  Androhung  strenger  Strafen  zu  Avarnen. 
Drei  Tage  später  musste  der  Oberbefehlshaber  Jimrdan  vom 
Hauptquartier  Burtscheid  aus  in  schärferer  Weise  gegen  das 
Plündern  Massregeln  treffen.  Französische  Soldaten  hatten  näm- 
lich auf  eine  französische  Schutzwache  gefeuert,  welche  einer 
Plünderung  Einhalt  thun  wollte.  So  gross  war  die  Eaublust 
der  republikanischen  Horden,  so  stark  ihre  Erbittenmg  gegen 
Aachen!  Die  Untersuchung  wegen  der  Märzvorfalle  leitete  Gillet 
bereits  am  24.  September  ein.  Von  Burtscheid  aus  machte  er 
bekannt,  „dass  das  Blut  unserer  vor  anderthalb  Jahren  in  Aachen 
grausam  gemordeten  Brüder  um  Rache  schreie.  Kranke  und 
verwundete  Soldaten  wären  aus  den  Fenstern  auf  die  Strasse 
geworfen,  andere  durch  in  den  Häusern  versteckte  Bürger  nieder- 
geschossen worden;  die  Schuldigen  müssten  innerhalb  24  Stunden 
ausgeliefert  werden.*'  Auch  der  Rath  ei^suchte  in  einem  Erlass 
vom  29.  September  alle  Bürger  und  Einwohner  Aachens  bei 
Leib-  und  Lebensstrafe,  die  Urheber  und  Mitschuldigen  an  den 
nach  Angabe  der  französischen  Generäle  Anfangs  März  1793 
verübten  Frevelthaten  zur  Anzeige  zu  bringen. 

Wie  bereits  erwähnt,  verlief  die  Untersuchung  ziemlich 
ergebnisslos  ^,  doch  war  nachher  noch  wiederholt  von  den  März- 
ereignissen zum  Schaden  Aachens  die  Rede.  In  der  Verfügung 
der  Volksrepräsentanten  Roberjot  und  Dubois  vom  4.  Germinal 
TIL  Jahrs  (24.  März  1795)  werden  diejenigen,  welche  beim  fran- 
zösischen Rückzug  im  J.  1793  „durch  Thätlichkeiten  ihren 
Hass  gegen  die  Freiheit  an  Tag  gelegt   haben",   zu   den  Aus- 


0  Dass  Aachen  Sitz  höherer  Behörden  wurde,  verdankte  es  haupt- 
sächlich seiner  geographischen  Lage.  Auch  war  wohl  nach  den  Erfahrungen, 
welche  die  Aachener  gemacht  hatten,  von  ihnen  am  wenigsten  eine  gewalt- 
same Auflehnung  zu  befürchten. 

")  Im  Jahre  1799  (vgl.  unten)  erklärte  die  Aachener  Munizipalität,  die 
Vorfälle  blieben  auf  immer  zu  bedauern,  wären  aber  weit  übertrieben  worden ; 
die  Untersuchung  hätte  manches  für  Aachen  Günstige  ergi'ben.  Ueber  den 
Verbleib  der  Akten  vgl.  <»l»cii  H.  203  dieses  Aufsatzes. 


l 


Aus  clor  Zeit  <ler  Krcmdborrj^rhuft.  215 

gewanderten  gerechnet  ^  Eiu  Jahr  später  tauchte  der  saubere  Plan 
auf,  die  ohnehin  diu'ch  Kriegsleistungen  aller  Art  aufs  Aeusserste 
erschöpfte  Stadt  Aachen   im  Kontributions-Anschlag  stärker  zu 
belasten^,  Aveil  seiner  Zeit  in  Aachen  über  200  (!)  Kranke  aus 
den  Fenstern  geworfen  worden  wären.     Grössere  Erregung  als 
dieser  von   verbissener  Wuth  zeugende,   unbeachtet  gebliebene 
Vorschlag  rief  im  J.  1799   ein  Artikel  der  Pariser  Zeitung  La 
Sentinelle  hervor.     Der  Artikel   sprach   es   offen  aus,    dass  die 
Erinnerung   an   die  Vorfälle   des  2.  März  1793  im  Falle   eines 
erzwungenen  Rückzugs  der  republikanischen  Armee  aus  Aachen 
den  Untergang  der  Stadt  nach  sich  ziehen  würde.    In  ihrer 
längern  Erwiderung^  beruft  sich   die  Munizipalverwaltung  des 
Kantons  Aachen  namentlich  darauf,  dass  die  im  September  1794 
eingeleitete  Untei-suchung  im  Ganzen  nicht  ungünstig  für  Aachen 
ausgefallen  wäre.    Immerhin   liefert  der  Artikel  der  Sentinelle 
einen    schlagenden    Beweis    für   den    anhaltenden   Groll   vieler 
Republikaner  gegen  Aachen.    Belästigungen  allerschlinmister  Art 
wären  keinesfalls  der  Stadt  erspart  geblieben,   hätten  zwischen 
1794  und  1800  die  Franzosen  zum  zweiten  Mal  Aachen  räumen 
müssen.     Erst   das   Kaiserreich   beseitigte   vollständig   den   zu 
Beginn  der  Fremdherrschaft  entstandenen  Stachel.   Aachen  war 
Departements-Hauptort,    seine  Bevölkerung  hatte  die  Republik 
mit  ihrer  Schreckensregierung  fast  vergessen,  Napoleon  war  der 
Stadt  gewogen   und  er  sowolU  als  die  kaiserliche  Familie  ver- 
weilten gern  in  ihren  Mauern.     Wer  kimnte   da  noch   an   eine 
Vergeltung  für  Ereignisse  denken,   die  sich  vor  langen  Jahren 
in  trübster   Zeit  unter   ganz   andern  Verhältnissen   abgespielt 
hatten  ? 

„Bei  der  Räumung  Aachens  beobachteten  die  französischen 
Truppen  die  strengste  Manneszucht'',  sclireibt  Ladoucette,  der 
letzte  Präfekt  des  Roerdepartements  über  den  Rückzug  der 
französischen  Truppen  aus  Aachen  im  Januar  1814,  indem  er 
gleichzeitig  die  gute  Haltung  der  Aachener  Bürgerschaft  rühmt "*. 
Es  erübrigt  noch  ein  kurzer  Blick  auf  das  Lebensgeschick 
der  um  Aachen  so  hochverdienten  Männer  Vossen  und  Cromm. 


*)  Damit  waren  bedeutende  Nacbtheile  in  bürgferlichcr  Hiusicbt  verbunden. 

*)  Aacbener  Zuscbauer  1796,  S.  318. 

^)  Aachener  Merkur  1799,  Xr.  122  und  123. 

*)  Voyago  dans  le  pays  entre  Meu:5ü  et  Kbin,  Paris  1818,  i>.  247. 


2ir,  E.  Pauls 

Schon  am  25.  September  1794  ernannte  der  Aachener  Rath 
unter  lebhaften  Dankesäusseningen  Vossen  zum  dritten  Stadt- 
syndikus, Cromni  zum  Lombardsvenvalter.  Gleichzeitig  *  befahl 
der  Rath,  den  ihm  eingereichten  schriftlichen  Bericht  über  die 
Rettung  Aachens  am  23.  September  „zum  ewigen  Andenken*' 
in  das  Rathsprotokollbuch  emzutragen  ^.    Wenige  Wochen  später 

*)  Zum  25.  September  1794  bringen  hierüber  die  RathsprotokoUe  im 
Aachener  Stadtarchiv  folgende  sich  ergänzende  Angaben:  Auf  geschehenen 
Vortrag,  dass  bei  sich  izt  täglich  anhäufenden  Geschäften  den  nachbenannten 
Fächern  und  Aemtern  einige  Beihilf  er  zugeordnet  werden  müssten,  um  de 
mehr,  als  der  ältere  Syndicus  Pelzer  nicht  nur,  sondern  auch  die  meisten 
Herren  Beamten  von  hier  abwesend  wären ;  zudem  auch  tägliche  Deputationen 
und  sonstige  Verrichtungen  erforderlich  würden,  welche  in  französischer 
Sprache  abgehandelt  werden  müssten;  ist  Herr  Dr.  Vossen  älterer  dem  Syn- 
dikat mit  dem  gewöhnlichen  Gehalt  beigeordnet  worden  ....  (Längerer 
Nachtrag  des  Inhalts,  dass  Dr.  Vossen  herbeigeholt  und  nach  Annahme  des 
Amtes  vereidigt  wurde.)  In  den  RathsprotokoUen  heisst  es  darauf  weiter: 
Donnerstag,  den  25.  September  1794.  Gross  und  Kleins  Raths.  Demnächst 
übergaben  der  izt  ernannte  Syndicus  und  Herr  Altbaumeister  Cromm  eine 
schriftliche  Relation  über  die  Erfüllung  ihres  am  22.  dieses  von  Einem 
Kleinen  Rath  ihnen  aufgetragenen  Deputationsgeschäftes.  Auf  wessen  öffent- 
liche Verlesung  der  versammelte  Rath  einstimmig  beschlossen  hat,  dass  besagte 
Relation  dem  Rathsprotokoll  zum  ewigen  Andenken  um  de  mehr  von  Wort 
zu  Wort  eingetragen  werden  müsste,  als  besagte  Herren  Deputirte  durch  die 
fleissige,  vorsichtige  und  patriotische  Vollziehung  ihres  Deputations-Auftrags 
unsere  Stadt  und  Bürgerschaft  von  der  wirklich  und  augenblicklich  bevor- 
stehenden Brand-  und  Todesgefahr  landesväterlich  gerettet  hätten,  mithin  der 
Rath  und  Bürgerschaft  besagten  Herren  Deputirten  unendlich  verbunden 
blieben ;  wesfals  denenselben  auch  auf  der  Stelle  ein  Belobungs-Komplimcnt 
mündlich  gemacht  worden.  Damit  auch  denenselben  eine  etwaige  Erkeimt- 
lichkeit  wirklich  zufliessen  möchte,  hat  Ein  Ehrbarer  Gross  und  Kleiner  Rath 
den  Herrn  Doctor  Vossen  zum  wirklichen  dritten  perpetuirlichen  Syndikus  und 
den  Herrn  Alt  baumeist  er  Cromm  zum  perpetuirlichen  Lombardsverwalter  mit 
den  anklebigen  respektiven  Gehältern  einstimmig  gewählt  und  beigeordnet. 
Folgt  die  vorbezogene  Relation. 

N.  B.  Diese  Relazion  ist  wegen  ihrer  Weitwendigkeit  und  den  häufigen 
sehr  dringenden  Amtsgeschäften  dem  Protokoll  nicht  inserirt  worden. 

'^)  Wie  aus  dem  N.  B.  am  Schluss  der  vorigen  Anmerkung  hervorgeht, 
ist  dies  leider  nicht  geschehen;  der  Bericht  scheint  verloren  gegangen  zu 
sein.  Die  Xichteintragung  ist  zu  entschuldigen,  denn  thatsächlich  bürdete 
die  Neuordnung  der  Dinge,  wie  allenthalben,  so  auch  in  Aachen,  den  städtischen 
Behörden  eine  unerhörte  Arbeitslast  auf.  Nach  Quix  (Wochenblatt  1837, 
Nr.  138)  liess  sich  Anfangs  Januar  1795  die  Aachener  Munizipalität  ein 
halbes  Fuder  Wein  aus  dem  Keller  eines  Ausgewanderten  geben,  „weil  sie 
permanent  sein  musste  imd  deshalb  die  nöthige  Zeil  um  nach  Hause  zu  gehen 
ni(;ht  hatte". 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  217 

•  ^ 

wurden  Vossen  und  Cromm  Mitglieder  der  von  den  Franzosen 
in  Aachen  errichteten  Centralverwaltung  *  der  Länder  zwischen 
Maas  imd  Rhein.  Anfang  1796  ging  diese  Behörde  ein.  Da  erwar- 
ben sich  deren  ehemalige  Mitglieder  Vossen,  Cromm  und  Bouget 
dadurch  hohe  Verdienste,  dass  sie  in  einer  dem  vollziehenden 
Direktorium  in  Paris  eingereichten  Denkschrift  *  mit  rücksichts- 
loser üflFenheit  die  Bedrückungen  und  Ungeheuern  Verluste  klar- 
legten, welche  der  von  ihnen  verwaltete  Bezirk  durch  Kriegs- 
leistungen aller  Art  erlitten  hatte.  Schlagend  wiesen  sie  nach, 
dass  nach  massiger  Schätziuig  der  Bezirk  in  kaum  15  Monaten 
um  mehr  als  257  515  000  Livres^  durch  die  verschiedensten 
Requisitionen  und  Kontributionen  geschädigt  worden  war. 

Xoch  einmal  finden  wir  Vossen  und  Cromm  gemeinschaft- 
lich in  wichtiger  Angelegenheit  zu  Gunsten  Aachens  auswärts 
thätig.  Sie  verhandelten  nämlich  Anfangs  November  1797  mit 
der  bald  nachher  aufgehobenen  Mittelkommission  in  Bonn,  um 
eine  gerechtere  Vertheilung  der  Krieglasten  für  Aachen  zu 
erwirken  *. 

Nikolaus  Cromm  gehörte  dem  Kaufmaunsstand  an^  Er 
war  Hauptinhaber   des   in  Aachen   auf  dem  Komphansbad  und 

*)  VorJ-sen  hatte  Wi  die-^er  Behörde  die  h«'rvorrairende  .St^-llniiir  d<'^  >t<  II- 
vertreters  des  Nationala^enteiL     Verl.  Haajren,  G''-'*hi<ht^  A<'h»^ii^  II,  S,  i'^H. 

*)  Alnjedruckt  ist  die-e  zur  Oe-^hicht*'  ihr  Fr<m'lh*'rrH'haJt  iiliiMU- 
wichtijre  Denk'^rhrift  im  Aaeh^uer  Zu-chau*  r  ITI^*;.  S.  2S2  ff. 

')  81  Livres  tut-^precheii  nach  h*'Utiir«  in  (j<'Mw<'rth  >*0  Prajik^ii  f>*UT 
64  Mark. 

*)  Ob  die  VerhaudluniTt^n    für  Aa^-hen    trüu'^ti:r    au-li'f*  u.    j^t  tun  in' h» 
bekannt.    Häufig  hat  Aa^-h^n  ni«-Lt  n^klamirt.  oWh<^ij  <-»*  'j:/4.u/Ai'U  v*  mwii  H,ir 
und,  wie  vielfarh  behauptet  wur'i^,    \\*':t  m«  hr  b- zahlt  hdltt*    aK  «li«    ufi    t 
Xaehbar-^tadt   Köln.     In    *hT    im    N<'\''jjjb*r    17'*7    inr   %'»»•>■*  u    AU^y  *u  \\u  u 
V(dlmacht    nennt    <hh    Aa*'h*-n    la    mH'h»-»jr»''i^e    «"t. ;/,']. 'i*-    0  \j/        Hn    'Je 
Riehtigkeit  d'if^^r  h*:zf^\r]ihnuz  hi^r  f- l'^'-wh-  i'.-'-il' w»'i »*)/<- '1 1»;.*^;*' )><      !♦"  i 
1798    be3*täti;zte    dif*  I>h"»rde,    da--  Ai"J<ij    w^l.-f    (j,  ij    i,/,. »,    Kr*'J»    lU' 
Da  aber  18'NM)  Livre- -hifhau-»  U -♦•!.. ji*ft  w^-r^!*-,  ^'-'>^|/    t-r  '  <♦- o /'j"*  Xw«  - 1- 
leih  weiter  AufljrinyirL'^  di*^-^r  v*rr).il»' **-!j^-- /  '/tvi.'^  tt  •  *  *  U"i'  *i*'  w)'  h 
Summe   zahlrei<-he    w*.)/),^i..  ••■1*'    KiiiWohi*r    u   '  '.  /  •■ '.'     if.'t^'u      ih'.* 
mu«i>te  autt'-eh'tJrf'n  wef-d^-u.  »*?;!  ..;« h  h*n'.--»     '*    «i    .*./!'        •<-/.♦     ,   i',,^t 
^eld  nieht  anlzubrini''  i'  *ar.  i\'i:l,  Aiiz^^-'j^r  'U  *■  i<  ;;,»  O-  j*.  fV  "  m.»,     /-•  *     ,  i 
Nr.  21  und  25.) 

'*')  Theilwei-^  iK-niL'-n  'i:<r  lui'-M- ';'*ij''M,  N'o'./u.  '  v  ;  '  /'•<..  f  4>  o 
bei  ?einem  T«yie  in  der  A;iL'^i;;*-iL»,-ii /<,••  .'•:.'  <N/  )/j  •'•'*  '/'  '  '  <  '•'  , 
er^hieuenen  Artik^lii. 


218  E.  raul;^ 

• 

in  Spaa  bestehenden  grossen  Tuch-  und  Galanteriewaareii- 
(Teschäfts  „Au  gi*and  Magasin  h  la  maison  verte''  ^  In  den 
Aachener  Rath  kam  er  schon  lange  vor  der  ersten  Besetzung- 
seiner Vaterstadt  durcli  die  Franzosen  -.  Nach  der  Vereinigung- 
Aachens  niit  Frankreich  wurde  er  Mitglied  der  Centralverwal- 
tung  des  Roerdepartements,  schied  aber  bald  nach  der  Ein- 
setzung der  Präfekturbehörden  aus.  Hierauf  trat  Croinm  an 
die  Spitze  der  Aachener  Armenverwaltung,  wo  er  mit  grossem 
Erfolg  während  der  letzten  Jahre  seines  Lebens  eifrig  thätig 
war.  Bemerkenswerth  ist  noch,  dass  er  auch  um  die  bauliche 
Ausbesserung  der  St.  Salvatorkirche  sich  verdient  machte.  An 
den  Folgen  eines  Schlagflusses  verschied  er  auf  seinem  Landgut 
bei  Gangelt  am  2L  Oktober  1808. 

Vossen  überlebte  seinen  langjährigen  Freimd  Cromm  um 
fast  37  Jahre.     Aus  seinem  Leben  hier  noch  Folgendes: 

Johann  Joseph  Andreas  Vossen,  Sohn  der  Eheleute  Wilhelm 
Vossen-^  und  Agnes  Charlier  wurde  am  8.  April  1758  in  Aachen 
getauft^.  Er  widmete  sich  dem  Studium  der  Rechtswissen- 
schaft, studirte  zu  Trier  und  erliielt  dort  im  J.  1780  das  Diplom  ^ 
als  Doktor  beider  Rechte.  Um  1786  kam  er  als  Gewählter  der 
Krämerzunft  in  den  Aachener  Rath,  wo  er  sich  der  neuen  Partei 
anschloss  ^.  Seiner  Thätigkeit  als  zweiter  Stadtsyndikus,  die  er 
am  10.  Oktober  1797  begann^,  machte  Anfangs  März  1798  die 


')  So  die  Bezeichnung  in  vielen  Auzeijjen  aus  der  Zeit  vor  der  Fremd- 
herrschaft. Unmittelbar  nach  Cromms  Tod  >vurde  angezeigt,  dass  die  Firma 
Xiklas  Cromm  und  Comp'e  Komphausbad  Nr.  439  ihr  Geschäft  fortsetze. 

^)  üeber  seine  Thätigkeit  im  Rath  viele  Angaben  bei  Haagen,  Gesch. 
Achens  II. 

^)  Dieser  war  Baumeister  der  Reichsstadt  Aachen. 

^)  Der  Taufschein  trägt  die  Unterschrift  des  bekannten  Erzpriesters 
Franz  Anton  Tewis.  (Vgl.  Zeitschrift  des  Aach,  (xcschichtsvereins  VI,  S.  54.) 

^)  Das  Diplom  datirt  vom  14.  August  1780  imd  zeigt  die  Unterschrift: 
Georg  Henr.  Aldringen.  Xach  dem  Katalos:  der  Aachener  Stadtbibliothek 
(1834,  S.  59)  lautet  der  Titel  seiner  Dissertation:  J.  J.  Vossen  (Aquisgr.), 
Diatriba  inaug.  exhibens  concordat.     (Tcrraanica   etc.  August.   Trevir.    1780. 

^)  Ueber  seine  Thätigkeit  als  Rathsherr  viele  Angaben  bei  Haagen, 
Gesch.  Achens  II. 

^)  Hiertiber  heisst  es  in  den  Aachener  Rathsprotokollen :  Dienstag,  den 
10.  Octobris  1797.  Gross  Raths.  Auf  von  Seiten  Herrn  Doctoris  Vossen 
senioris  verlesene  gehorsamste  Vorstellung  mit  Bitte  ist  die  ohnehin  schon 
richtig  und   aus    wichtigen   (iründen    geschehene   Vergebung   des    Syndicats 


Au.**  der  Zeit  der  Fremdherrschalt.  211) 

Aendeniug  des  gesammten  Verwaltungswesens  ein  Ende;  schon 
am  7.  Januar  179S  hatte  Vossen  eine  hervorragende  Stelhing 
bei  den  Gerichtshöfen  des  Roerdepartements  erhalten  *.  Der  erste 
Konsul  ernannte  ihn  am  11.  Mai  1803  zum  Sachwalter  am 
Gerichtshof  erster  Instanz  zu  Aachen*.  P^bendaselbst  wurde 
Vossen  nach  <ler  Xapoleonischen  Zeit  im  J.  1820  Anwalt  beim 
Königlichen  Landgericht^.  Er  starb  zu  Aachen  am  5.  August 
1845,  im  Alter  von  87  Jahren,  von  denen  55  Jahre  auf  die  Ehe 
mit  seiner  ihn  tiberlebenden  Gattin  Adelheid  Esser  entfallen 
waren. 


überhaupt  in  der  Persi»n  des  Herrn  supplieautis  zum  Ueherfluss  iioehinalii 
bestätigt,  mithin  solle  derselbe  bey  imniittelst  erfolp^ten  tödtlichen  Hiutritt 
des  Herrn  Syndicus  Fell  nunmehr  in  das  zweitere  Syndicat  eintreten. 

*)  Die  Emennnmi:  ist  von  Rudier  unterzeichnet  und  macht  Vossen  zum 
Commiijsaire  du  directoire  ex^outif  pres  les  tribnnaux  civils  et  criminels  du 
d^partement  de  la  Roer  ä  la  re-^idence  de  Colof^e.  Die  endgülti|?e  (lebiets- 
eintheilun^  des  Roerdepartements  fand  erst  einige  Zeit  später  statt. 

»)  B^maparte  premier  consul  de  la  republique  nomme  le  citoyen  Vossen 
pour  reniplir  los  fonctions  d'avou^,  au  tribunal  de  premiere  instance  scant 
Ä  Aix-la-C'hapelle.  r>as  Dekret  ist  aus<««'r  von  Bonaparte,  von  klaret,  dem 
(Jeneralsekretär  der  Konsule  und  nachmUligen  Herzog  von  Ba^sano,  und  von 
dem  Ju'^tizmini'it^r  Regnier  (später  Herzog  von  3Iassa)  unterzeirhnet. 

^)  Die  Ernennung  ist  unterzeichnet:  v.  Hanlenberjr,  Staat^kanzlcr. 


Kleinere  Mittheilungen. 


1.  Handschriften  und  Handschriftliches  aus  und  über 
Aachen  in  der  Amploniana  zu  Erfurt. 

Ausser  der  auf  Seite  96  ff.  dieses  Bandes  besprochenen  Handschrift, 
welche  für  Aachen  durch  zahlreiche  Einträge  besonders  werthvoU  ist,  zählt 
das  dort  mit  seinem  vollen  Titel  angeftlhrte  Verzeichniss  von  W.  S  c  h  u  m 
noch  mehrere  andere  Handschriften  der  Amplonianischen  Sammlung  auf,  die 
durcli  ihren  Inhalt  oder  durch  ihre  Angaben  ttber  Entstehung  oder  Besitzer 
oder  dadurch,  dass  die  zum  Einband  benutzten  PergamentstUcke  aus  Aachen 
stammen,  von  Interesse  sind.  Sie  verdienen  eine  kurze  Erwähnung  an  die- 
ser Stelle,  weil  ihre  an  sich  geringfügigen  Notizen  vielleicht  im  Zusammen- 
hang mit  andern  Nachrichten  nützlich  werden  können. 

1.  S.  68.  Nr.  94.  Pergamenthandschrift,  Folio,  vermischten  Inhalts. 
Bl.  204 — 226:  Petri  de  Candia  quatuor  principia  de  libris  sententiarum. 
Am  Schluss:  Expliciunt  4»^  principia  cum  annexis  quatuor  questionibus  col- 
latis  multum  pulchris  venerabilis  domini  magistri  Petri  de  Candia  per  manus 
fratris  Heriberti  de  Werle,  dum  erat  studens  Coloniensis,  quas  scribi  fecit 
f rater  Johannes  Gynck  protunc  studens  Trevirensis,  pro  quarum  mercede 
prefato  fratri  Heriberto  predictus  frater  Johannes  reddidit  duas  marcas  pa- 
gamenti  Coloniensis;  complete  quoque  sunt  anno  domini  3ICCCCV<^  tempore 
osteusionis  reliquiarum  Aquisgrani  in  couventu  Coloniensi. 

2.  S.  170  ff.  Nr.  263.  Papierhandschrift,  Folio,  vermischten  Inhalts. 
Bl.  57  -74:  Optimum  kalendarium  cum  XII  signis  zodiaci  et  aliis  multis 
astronomicis.  Am  Sclilusse:  Expliciunt  dicta  et  nature  12  signorum  et  com- 
pleta  Aquis  per  manus  Johannis  de  Restail  anno  domini  1349,  in  die  sancti 
Mathei  apostoli  et  evangeliste.  Tafeln  und  Figuren  des  demnach  am  21.  Sep- 
tember des  angeführten  Jahres  vollendeten  Kalendariums  sind  zum  Theil  in 
Roth  ausgeführt. 

3.  8.  335.  Nr.  63.  Papierhandsehrift,  Quart,  um  1395,  vermischten 
Inhalts.  Einband:  Sohweinslederhülle  mit  Lederplatte  auf  dem  Rücken; 
erstcre  besteht  zum  Theil  aus  einem  sehr  defekten  Bruchstück  eines  Nota- 
riatsinstruments des  14.  Jahrhunderts  über  Aachener  Präbendenstreitigkeiten. 
Nichts  weist  darauf  hin,  dass  die  Handschrift  oder  ein  Theil  derselben  in 
Aachen  entstanden  sei. 


Klfinero  Mitthcilun^^'n.  TM 

4.  S.  4»''»>.  Xr.  2(»(*.  Penrameiitliand Schrift,  Quart,  (JronzMrhcidr  i\vi* 
13.  TUkd  14.  JahriiuD'WrT*.  <tidlän<liv*her  Herkunft.  Holaii<li  I'arnuMHiH  rliirurKiii, 
EinlaD'i:  Pa]-ifr*'Utter,  wahrscheinlich  Aktenkonzepten  einen  kanoiiiHclicn 
I*r««z«-s^t-^  dt-^  14-  Jahrhunderts  entnommen,  an  einer  Stelle  ist  der  Sauw 
Lup*»Mi  d^  Ayk*-ii  zu  lt>en.    Oh  nach  Aachen  p'höri^^^y 

:».  S.  :i<«T.  Nr.  JöT.  Pcnrameuthandschrift,  Quart,  aus  d«»r  ernten  HillCte 
di-s  14.  J-iLrlnndertv  eniiliMher  Herkunft,  (iuilelnü  Ockani  {«»^nnic  Hiinnnu. 
Auf  dt-m  l»:t^t*-n  P>latt,  durch  Tinktur  leshar  von  einer  Hand  den  H.  .hihr- 
hunden-:  l*if  liWr  cjJt  fratris  Arncddi  de  Aquis^rano. 

«.  S.  :»4:»  t  Xr.  311.  Papicrhandschrift,  Quart,  vcrnuHcliten  Inhaltn, 
zum  Th^fl  1412  in  iVventer  entstanden.  Bl.  77:  Epist^da  (Juilelnn  Colo- 
uien^i-»  ar'h!»*pi^*»pi,  qua  priorem  quendam  rey:ularium  canonicoruni  con- 
Tt-ntu-i^  Aqu*m>^i<  de  raorihus  lascivis  reprehendit.  Nach  der  Adresse  .Anfany;: 
O  quÄDtuä  ♦•rrf»r  quantumque  grave.  .\m  Schluss,  aus^^er  lateinischen  Versen 
ohn*^  Bf^zi'-hnmr  auf  den  Geirenstand  des  Briefes,  folufcude  Namen:  Willem 
Tan  Iv»nen,  AJl»ert  Vak,  llaves  Vighe,  Hinricus  Almen,  Jo.  van  Hese,  Wil- 
lem Tan  He-<.%  Witteken.  Erzhi>chof  Wilhelm  von  (lennep  ret^ierte  von 
i:i4y,  XuTemKT  1  his  ]:^;2,  Scptcmher  15.  Die  Niederlassunjr  der  canonici 
retrulares  in  der  Köln^itrasse  ist  aher  erst  um  das  Jalir  1420  geirriindet 
worden  «vgl.  Loersch  in  -\nnalen  des  historischen  Verein^  für  den  Nieder- 
rhein XXI,  S.  234,  wo  die  ühritrc  Literatur  anirej^ehen  i-.t).  Vielleicht  han- 
delt e.-  -i^-h  nur  um  eine  Stilühunsj,  o<ler  der  Brief  ist  ni<ht  nach  Aachen 
irf'richtet- 

7.  S.  732.  Xr.  75.  Papierhaiid>chrift,  Oktav,  um  1401.  Richardi  Biliiram 
tra'*tatus  de  pr«d)ationihus  propo<itionum  und  Quae-ti*»n^^  d*'  e<>l«-rn  tra't:itu 
in-titutae.  Einhand:  Sidiweinslederhnlle,  von  ausvn  ,,11  nov*»^*  xuA  ^Hatr^n**. 
wohl  auf  ErwerhunfiT  aus  dem  Nachla^^e  de*  hnzt^^m  w^-i^enrh  Auf  d^m 
Pererament-Vorhlatt  in  S4'höner  Kursive  d^s  frühen  15.  JahrhurnUn»; 

a.  Der  Anfang  des  Anerbietens  eine-*  rnl>ekannt^rj  an  'i.«^  -♦;*  Jt 
Aachen  (Aichen),  ihr  in  ihrer  Feindschaft  mit  den  van  lAw/u*.  zu  H  .  i*  m 
^ryden  mit  drissich  of  mit  iileven". 

h-  Anfani?  einer  von  „rini^  van  Hunth<-ym  in  ^iut  Ja".'»-»*r/ .      •     i,-^ 
ger  zu  Achen*.    au>trestellten  Quittuuu    üWr   «-ine   ihm   \i,M   ^\\     .,-• 
Huchelhoven   s<^'h<deis   zii    EM'hwylre    rat**    auf   <];;<-    *^\.\\A    i/m.    v*    *.-  >  -  ., 
geleistete  Abschlagszahl ujiir  von  25  «iuld^ü. 

Darunter  ein  Alphabet  von  luitidlen  \x\A  i'j  *j»,'r  t  ...,.,,,,,  ^ 
„Tysohin  van  der  Hagen".  Auf  d*  m  Ku'kiia't  A;*:^.';^  %•»'  ,. --  .  ,  - 
Versen,  darunter  deutsehe  Ol.-^in- 

Auf  Entstehuntr  d»'r  Haud^^'hrift  in  Aa'j.Mi  ».-t  i  •  -*  i,  ,  \,  i 
Notiz  a  ist  bereit*,  unt^r  And»utuii:/  *^iner  v  *•!■:/»-»]  '.'  f^  ..i ».  .  ,  ',,.,*  . 
von  Pick  in  Zeit^hritt  de*  Aa»heiifr  t;*-^  "'..»♦-;*  f     -   i  •  .  .-      ( 

In  der  .\ufzeichnuni:  b    i-t    s»'lh-tVHr-täij'l'j  ij    „-••'*'    /..        -,       i        , 
Heinrich  von  Hrfb^lLovi  n    virl.   v*.n  njrlttf  ,.  r    ..     );,     ,    ,.    ^    ,  /^       .   -  .  ., 


222  Kleinere  Mittheilungen. 

von  Eschweiler  und  Umgegend  S.  378  f.  und  Zeitschrift  des  AacheHer 
Geschichtsvereins  IV,  S.  270,  Anm.  3,  VI,  S.  251,  sowie  die  von  Ennen 
veröffentlichte  Urkunde  von  1398,  Mai  2,  Annalen  des  historischen  Vereins 
ftlr  den  Niederrhein  XXIV,  S.  295. 

Bonn.  Loersch. 

2.  üie  Aachener  Rathswahleu  in  den  Jahren  1581 

und  1582. 

Das  im  Folgenden  nach  der  Originalausfertigung  abgedruckte  Aktenstück  ' 
über  die  Rathswahlen  zu  Aachen  in  den  beiden  so  bedeutungsvollen  Jahren 
1581  und  1582,  in  denen  sich  der  Umschwung  der  städtischen  Verwaltung  vom 
Katholizismus  zum  Protestantismus  vollzog,  ist  so  übersichtlich  abgefasst 
und  enthält  Angaben,  die  so  sehr  ins  Einzelne  gehen,  dass  eine  Erläutenuig 
seines  Inhalts  durchaus  überflüssig  ist.  Es  bedarf  nur  weniger  Worte,  um 
es  in  den  Zusammenhang  der  Ereignisse  einzuordnen. 

Das  Dokument  ist  vom  18.  Juli  1582  datirt,  doch  wurde  es  anschei- 
nend nicht  sofort  verwerthet.  Es  trägt  nämlich  den  Vermerk:  „presentatum 
ufm  Rathause  zu  Achen  den  2.  Martii  1584".  Es  wurde  damals  den  kur- 
trierischen  und  kursächsischen  Gesandten  Johann  Zant  von  Merl  und  Konrad 
Keck,  Wolfgang  Eulenbeck  und  Hans  von  Seidlitz  überreicht,  die  als  8ub- 
delegirte  der  von  Kaiser  Rudolf  II.  am  22.  Oktober  1583*  mit  der  Unter- 
suchung der  Aachener  religiösen  Wirren  beauftragten  Kurfürsten  Johann 
von  Trier  und  August  von  Sachsen  in  Aachen  erschienen  waren.  Die  Ver- 
handlungen in  Aachen  dauerten  vom  23.  Februar  bis  zum  7.  April  1584, 
den  Bestimmungen  des  kaiserlichen  Auftrags  entsprechend  wurde  die  Ent- 
scheidung über  alle  wichtigern  Punkte  Kaiser  Rudolf  II.  anheimgegeben*. 
Auch  in  Sachen  der  streitigen  Rathswahl  von  1581,  deren  Hergang  sowohl 
damals  als  auch  späterhin  bis  zum  Jahre  1598  des  öftern  als  entscheidendes 
3Ioment  in  den  Verhandlungen  angeführt  und  nebst  den  aus  ihr  entstandenen 
Verwirrungen  von  beiden  Seiten  als  Beweismittel  für  oder  wider  die  Berechtigung 
der  protestantischen  Bewegung  in  Aachen,  speciell  als  durchschlagendes  Argu- 
ment für  oder  wider  die  Rechtmässigkeit  des  in  den  Jahren  1581  — 1598  in 
seiner  Majorität  der  neuen  Lehre  angehörigen  ^fagistrats  verwerthet  wnrde. 


')  Es  befindet  sieh  im  SHchsisclien  HuuptstaHtsarchiv  ssu  Dresden,  Geheimes 
^Vi'chiv,  Reichsstii<lte.  Lokat  10  148,  in  einem  mehrert«  Tausend  Blätter  umfassenden 
Folianten  mit  der  Aufschrift :  „Piiurte  Baqji.  Xaohfolg»»iide  sclirilVen  sind  in  wehix»ndt*r 
kaiserlicher  commission,  so  den  16.  Febniarii  st.  v.  anno  1ÖH4  in  der  stat  Aach  stroi- 
ti^en  Sachen  daselbst  angestalt,  den  keiserlichen  subdelegirteii  commissarien  tiberreicht 
worden.** 

2)  Kopie  des  Kommissoriimis  im  Archiv  der  evangelischen  G<*meindo  in  Aachen, 
R.  VI,  2.  Vgl.  auch  Meyer,  Aachensche  Geschichten  I,  S.  487;  von  FUrth,  Beitrüge 
lind  Material  zur  Geschichte  der  Aachener  Patrizierfamüien  LT,  2,  S.  60  und  Anhang 
S.  10  unten;  Bezold,  Briefe  des  Pfalzgrafen  Casimir  IL,  Xr.  250. 

^^  Meyer  a.  a.  O.  I,  S.  488. 


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»ViwV-i''--*-  ^:^'    .'^  »-.— »rn  KriiMliMis  orrc»i«'lit  liiill^'ii, 
:'  ^'-"j'l-   L    1  C'i  T*T *  -1  • -»  Z  it-hritt  anjjonoiuim'iHii  ^iruu«!'*.'!/«  o 
^r^  ^T-.-»*    v-r  ri 'i   i'     .\J.'i.-tri  k    i>t  mm   der  im  VnlHuf  «In -m 
-^•^--T.    >r  K  :^..  ,--n'--  T.  T    *.  ^  :t' n  d»T  |»n»(e>tiintiMln'ii  l'arh'i  »ju 
^*>:  »''j'*a    -^.i-*-r   i'-L.j*ü  N.ii.ifn-   un«!  /alileimiii^^alM'u    Im^oihIi  ^^ 
,'  I--rt  :.;   i  *-T    "  '  V.  r_^^.v.^"'    Ui  »ItT  Katlisuahl  in  «Ion  «'iHHi-linilnj 
'-z.  I".*^:    t:»-  ^'^'^t.     <'!'  .* ;  li  dif  Katholiken,    die  nWU  an   d«  n    \  •» 
r'L    j--iii-^*    'v-'i.»^h  jn^ti,   tr.ii«h   din*rtii:.n  v«»n    ilireni  Nliind|Mii)li( 
:'.-*r-L  J«-"r."i;    *  i.j-'.rri  in   }.itt*n,  \enn;»t:  i«h    mit  Sirln'rlieil  nititf 
^-•^     Vl^^t    i'L    ^' iiT    7rtiilrri<  li»ü    aut   dit'^e  (icsandt^t  ImCt    Im'/II^- 

•  £"  »rT*!,    ^ij*^    iii.r    iii    \t'r>' hit-dtiu'U  Anhixen'  vori;«|«Mri'n    IiuImmi, 

*  i  k- 1*   —'j'b^  A  «n  kath"li'^lj»*r  S«iif  au'*i:»'li«'mli'  l^ar>iellu«f;,  nii<l 
j.- — r '-^I- i'l"  Ij'ii    V'>jKt."irjd»;:k''it,    in    WfMur    >ieh    dir    auf    die 

r  L*-*  'T*ii'>"ii-j-''^'lij<  Ltt-  >»»  7üi:li.  b^n  Anhivalien  lK>ondiT>  in  Ure^deu 
Li:t^*^  rr-fli«iuT  t'^  mir  uuw  sLr- l*  i:  !i  b,  da^-«  du-  K.ithclikeu  den 
j--!^*  Lt    Lat»»-n,    die-*T  Au!-'- ]lü!.i:    « iii    mit    äi.LÜ«  bi-r  Uviuuii^koii 

-1:^1'*    ii'!^rat     *^iiVj*  i:*  u/u^*\7*ii.     >:*-   durtT'ü     dic>^ll»e    dt-ninarh 

"Tt^/a^  iii  I^:^n  tbüi^rubli*  L^-n  Ar^'-jWc  »1-  ri  i.t.j  auirt  >»-L' n  i.a*'<-n. 

^r»    »;^ '  »Tmud,    iu  lüt*-.  lu  IJ»  ri*  bt   Wii^   «i^n    tb.i:-\ii„i  h-i.  V«-rL..lt- 


a  /u   -L  n.     Frr   di«-  li»  iir.b'.:''iLi:   drr  Tl*^t- 


d   .i*-L    «,tr 


Tr- 


^*  •  J 


i^-A^ü    i-t     *-eIb-.TT»  r-triLdlJ- b    d^r    prnit'-iarjii^- L*-    >:al:j  .i^'ti'. 


I,.-*.— -   Aä   !-•-:--    .11-     i*'     Ja*  'iji  :j  .» rt     u'    1'     «'.!>>••  T     \    .  t        •  *-     »  *■    •    «       •-    V-- 


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T.  -^b  di*-  Ar*  L.-sf    u.  ft«  ^^^    .  >i^  --^  *«/     .  '     V  ..  .  ,       ,  ^        .     ^ 


'    *, 


224  Kleinere  Mittheilun^en. 

Verzeichnus 

wie  der  ratli  anno  80  und  81  vermög  der  gaffelbriefen  ^  luul 
alter  rathsordminge  versetzt  und  angestelt  worden. 

Wir  burj^crmaister,  schöfifen  und  rhat  des  könig^lichen  stuels  und  freyer 
des  heiligen  reichs  statt  Aach  thun  kund  und  zu  wissen  biemit  jedermennijr- 
lieh,  wiewol  schier  durch  das  ganze  römische  reich  gnugsam  ruchtpar  und 
offenbar,  was  maßen  ettliche  unser  catholischen  hiebevoir  gewesener  raths- 
verwandten  ganz  frevelmuttig  und  hochstrafwürdiger  weiß  von  dem  rath 
alhie  aus-  und  abgetretteu  folgeutz  aus  lauter  gefaster  eher-  und  rachgeirig- 
keit  die  benachtparte  ein-  und  ausländische  fursten  gegen  diese  statt  der- 
maßen auf  unwairhaft  und  zu  milt  furprachten  bericht  angereizt,  das  der- 
selben alle  paß  und  weg,  gewerb,  narung  imd  victualien  eine  gute  zeit 
versperret  und  abgestrickt,  diese  statt  auch  rings  umbher  anders  nit  als 
feintlich  belagert  worden,  jedoch,  dieweil  dieselbe  dergestalt  aus-  und  abge- 
wichene sich  noch  unlängst  sowol  in  otfen  hin  und  widder  ausgangenen 
schreiben  als  sunsten  für  der  statt  ordentlich  aufgestelte  obrigkeit  und  daß 
dieselben  als  der  mehrerer  theil  den  rath  und  statt  Aach  representiren  solteu 
(jedoch  mit  verschwiegener  wairheit  und  ganz  unverschämpter  weiß)  aus- 
und  angeben  dürfen,  so  erfordert  unsere  notturft  nit  allein,  wie  es  hiermit 
in  beständig  unwiddersprechlicher  wairheit  eine  gestalt,  damit  solichen  leut^^n 
in  diesem  irem  und  dergleichen  unerfindlichen  ausschreyen  ferner  kein  glaub 
zugestelt,  sunder  auch,  wellicher  gestalt  und  wieviel  ihrer  jedesmals  ab- 
und  ausgewichen  und  den  hochsträflichen  handel  widder  ir  eigen  Vaterland 
angespunneu,  wieviel  auch  derselben  und  sunsten  andere,  so  aus  forcht  und 
Verleitung  aus  der  statt  sich  begeben,  widd(irumb  einkommen,  und  letstlich, 
welliche  und  wieviel  dieser  Sachen  rädelfurer  und  andere  sich  noch  heutigs 
tags  außerhalb  der  statt  verhalten,  eigentlich  anzuzeigen  und  am  tag  zu  bringen. 

Anfengklich  zu  wissen,  das  in  der  statt  Ach  zweyerley  räth,  nemblich 
der  groiß  rath,  so  mitsamt  zweyen  hern  bürge rmeistcrn  hondert  acht  und 
zweinzich,  der  klein  rath  aber  vier  und  vierzich  personen  begreifen,  all  und 
jeglichs  jairs  nach  uralter  wolhergeprachter  gewonhcit  vermöge  der  alten 
gaffel-  und  zunftbriefen  auf  s.  Johans  abend  des  Teufers*  ttbermitz 
der  vierziehn  zunftgeschickten  (wie  man  dieselbe  von  alters  also  nennet) 
freyer  wähl  votieren  und  umbstimmen  auf-  und  angestejt  wird,  wellichen 
auch,  nemblichen  des  groiß  raths  personen  oder  gaifelgeschickten,  vollkom- 
mene macht  und  gewalt  haben,  alle  und  jeglichs  jairs  tibermitz  dergleichen 
freien  votiren  zwien  burgermeister  wie  ingleicheu  der  statt  zwelf  furnehme 
amptsträger  zu  erwehlen. 

* 

^'  IVr  (ruttVlliiiet  stammt  bckauntUch  vom  24.  XovomluT  1450.  In  demselben 
Bando  des  Dresdener  Hauptstaatsarchivs  finden  sich  mehrere  aus  dem  Ende  dos  16.  Jahrh, 
stammende  Abschriften  desselben. 

«)  'l\.  .luni. 


Kl«  mere  MillheiJunpen. 


oo;, 


kfcX  9ci  zttgccniren,  das  in  kraft  sollicher  löblich  uralter  k('>v<>"- 
A^^wicbeDesd    der    gferinger    zal    80t<*n    Jair    umb  Urbanl ' 
a:t,  Mmblktei  Leonhardt  von  dem  Hoff  und  IVter  von  Zievot, 
Jc4u  LoDtxen  und  Simon  Engolbrochtf    de^  Jaint   ab^an- 
WLgeaiifcfci<u-reB,   so  jedesmal^   nach  irero  abntand   in   no^HlfolKondiMu 
biiadilick,  des   mhs  verplieben,  nachfolKonde   rathttporNoiicn  und 
ampiutric«r  £re^e:^s  und  aufä  new  erwelet  worden. 


heh    iB 
md  aber 


KkiDes  raths  Ton  der  zunft 
der  Stern  gtnaat 


hts  Su^nii-  geschickten 
|T>'i£  raits 


Von  wegen  der  Werkmeister 
ninft  kleines  raths 


I>er  Werkmeister  zunft 
geschickten  groß  raths 


Der  zunften  zum  Bock 
kleines  ratha 


Derselben  zunft  zum  Bock 
geschickten  groß  raths 


Beekerzunft  kleines  raths 


Der  becker  zunft  geschickten 
groiß  raths 


{ 


{ 


{ 


{ 


Johan  von  Pieren. 
Albrecht  Schrick ». 

(tregorius  von  Wilro  \ 
Mathris  Bück. 
Wilhelm  von  Wilro«. 
Johan  von  Wilro  '. 
Wilhelm  von  DaG^lonk. 
Johan  Elreborn. 

Frank  Block  der  alter. 
Lconhard  Erardus. 

Theiß  Biesen. 
Matheiß  Peltzer. 
Peter  Radermachcr. 
Theiß  Vischer. 
Zillis  Biesen. 
Theiß  Clücker. 

Leonhard  von  Kirchrat, 
Frantz  von  Zievel. 

Laurc  iz  Wolf. 

Franz  Clocker. 

Johan  van  Geilenkirchen- 

Wilhelm  Ernst. 

Peter  Peltzer. 

Wilhelm  HaußmamL 

Rochus  Köumann. 
Johan  Feibis. 

Clanß  Pjn- 

Friderich  von  }lt:n(^ur4i 
Thonis  Syben, 
Bernhard  Khnm-^n. 
Gillis  ZimmtTihHü. 
Korstgen  von  Zw)i;rt>^i 


<;  25.  MaL 

•)  Am  Rande:   Nacbdem  derselV/er  »ich  in  d^r/*  r»*i#  ht.'.',  >J  v*  *y'  ^  *  '  h  >  *  't  *  » 
gfate  «ext  im  rath  sitsen  plieben.  ist  er  folgwnt«  urj*^   y^^r  »•  U  ^   .  /*  t.  >  t  ^  * 

•)  Am  Rande:  Im  81.  jair  aiiJigewir;h«]x  uiA  »tii**. '>!*{/'///■ -#  ■/  -';   i'  *.--'    »'/-»    A#-^' 
di^  jair  der  raütsoriüiii^g  nach  abgan^ii. 


I 


226 


Kleinere  Mittheilungen. 


Fleischewer  zunft 
klein  raths 


Der  fleischewer  zunft 
geschickten  groiß  raths 


Loeder  zunft  kleins  raths 


Loeder  zunft  geschickten 
groiß  raths 


Der  Schmidt  klein  raths 


Der  Schmidt  geschickten 
groiß  raiths 


Der  kupferschleger 
klein  raths 


Kupferschläger  zunft 
geschickten  groiß  raiths 


Krämer  zunft  kleines  raths 


Krämer  zunft  geschickten 
groiß  raths 


Zimmerleut  zunft 
kleines  raths 


{ 


{ 


{ 


{ 


{ 


Peter  von  Ketteniß. 
Kerstgen  Meeß. 

Gerlich  Nuthen. 
Leonhard  Nuetcn. 
Johan  Nueten. 
Clauß  Stärtz  der  alt. 
Simon  von  Kettenis. 
Lamhrecht  Nuethen. 

Gillis  von  Morßhach. 
Johan  Zink. 

Joest  von  Beeck. 
Dioneiß  von  Thenen. 
Gerlach  Zink. 
Hans  von  Thenen. 
Theiß  Kraeborn. 
Gilliß  Zink. 

Jacob  von  Rath. 
Theis  Biermans. 

Herman  Schöler. 
Leonhard  Sperenmecher. 
Johan  Lontzen. 
Peter  Clotz. 
Laurenz  van  Drimbom. 
Quirin  Beissel. 

Peter  Ortmans. 
Bleß  von  Dalliem. 

Wilhelm  Zinck. 
Jacob  von  Eschweiler. 
Jordan  Peltzer. 
Peter  Spillenmecher. 
Gillis  Momma. 
Edmund  Schardeniel. 

Heinrich  Zimmerman. 
Simon  von  der  Heggen. 

Peter  Schardeneel. 
Gerhard  Hey  man. 
Peter  Schardeneel  der  alte. 
Simon  von  Houssen. 
Arnold  Steinmetzer. 
Christoff  von  Holseth. 

Theus  von  Luitgen. 
Peter  von  Gelehn. 


Kleinere  Mittheiluuffeu. 


227 


Zimmerleuth  geschickten 
groiß  raths 


Schneider  zunft  kleines  raths 


Schneider  geschickten 
groß  raiths 


Pelzcr  zunft  kleines  raths 


Pelzer  geschickten  groiß 
raths 


Schohmächer  zunft 
klein  raths 


Schuster  geschickten 
groß  raths 


Bierhrewer  kleins  raths 


Bierhrewer  geschickten 
groiß  raths 


Der  stat  rentmeister 


Der  stat  bowmeister 


{ 


{ 


{ 


{ 


{ 


Neiß  Königs. 

Peter  Bourman. 

Clauß  Trauffel. 

Theis  Staufsack  der  junge. 

Johan  Koß. 

Arnold  Keuchen. 

Johan  Pannel. 
Wilhelm  Butten. 

Erasmus  von  Kanderath. 
Ruland  von  Hochkirchen. 
Johan  Knyff. 
Paulus  Gatzweiler. 
Cornelis  Clermont. 
Johan  Rosen. 

Hanß  Vischer. 
Dietherich  Huesch. 

Jacob  Herman  der  alt. 
Gillis  von  liammerstorf. 
Thomas  Lodderbein. 
Dam  von  st.  Salvator. 
Claeß  Herman. 
Wilhelm  Fischer. 

Heinrich  von  Gangelt. 
Peter  Kipp. 

Daem  von  Rait. 
Johan  von  Gaugelt. 
Goert  Beißel. 
Amolt  von  Mertzen. 
Adam  auf  die  Kuchen. 
Gillis  von  Rait. 

Johan  Tomisch. 
Thonnis  Wimmer. 

Johan  Königs. 
Johan  von  Schwirten. 
Johan  Lerß. 
Gillis  von  Erklenz. 
Franz  Schier. 
Heinrich  Welters. 

Simon  Engelbrecht,  alter  burgenneister. 
Mattheis  Schrick. 

Albrecht  Wolf. 
Gothard  Duppcngießer. 


15 


\* 


228  Kleinere  Mittheilungen. 


{Joest  von  Beeck. 


Vaeß  von  Colin. 
Johan  Thielen. 
Herman  Bertholf. 
Adam  Pastor. 
Adam  von  Zievel. 
Wernher  von  Colin. 


Leonhard  Engelbrecht. 

Neunmänner,  so  alle  der  stat 
einkommen  empfangen  und 
auf  der  hern  rentme ister  Ver- 
ordnung ausgeben  undbezalen, 
machen  auch  neben  negstvö- 
rigen  ambtsträgcm  im  groißen 
rath  eine,  nemlich  die  15.  zunft 
und  stim 

Als  nu  in  negstgefolgtem  81.  jair  für  Urbani  abermals  altem 
brauch  nach  zu  Versetzung  des  raths  und  dessen  ämpter,  eirstlich  aber  zu 
erwelung  der  newen  Werkmeister  in  beisein  aller  obernanter  gaffelgeschickten, 
so  neben  den  kleinen  den  großen  rath,  wie  oben,  machen,  geschritten  werden 
soll,  haben  etliche  catholische  rathsverwanten  auf  die  erkome  Werkmeister 
Matheißen  Peltzer,  alten  burgermeisteren,  und  Joesten  von  Beeck,  beide  zu 
vilmal  zuvor  gewesene  ratzfreund  und  amptsträger,  so  sie,  die  catholische, 
selbst  am  negstvorigen  tag  erwelen  helfen,  aus  dem  fundament,  das  dieselbe 
der  religion  zugethan,  getadelt,  derwegen  dieselbe  ab-  und  andere,  so  catho- 
lisch,  anzustellen  am  heftigsten  getriben.  Darüber  dan  und  von  wegen  der- 
selben erweiten  Werkmeister  bevorab  Mattheißen  Peltzers  zu  verthädigung 
dessen  eheren  zwischen  den  catholischen  und  religions  zugethonen  ratsver- 
wanten  eingefallenen  harten  gesprächs  Leonhard  von  dem  Hoff,  burgermeister, 
sampt  noch  etlichen  andern  catholischen  mer  aus  dem  rat  abgetreten,  wie 
ingleichen,  als  femer  auf  gerurt  Urbani  zu  der  newer  burgermeister  wähl 
verfaren  werden  solt  und  der  ganzer  groß  rath  gewonlicher  weiß  darzu  be- 
rufen, haben  sich  nachbenante  catholische  rathsverwandtc  aus  dem  fundament 
und  grund,  das  sie  keine  andere  burgermeister,  ratsverwanten  noch  amptz- 
träger  dan  eitele  römische  catholische  angestelt  zu  werden  entlich  gewilt 
(welliches  doch  der  alter  rathsorduung,  bevorab  des  raths  im  negstverfloßnen 
74.  jair  einhellig  überkommenem  bcschluss  —  craft  welliches  beide,  catho- 
lische und  der  religion  der  Augspurgischer  confession  zugethone  zu  burger- 
meister und  rathssitzen  ohne  underscheit  anzunemen  verordnet  —  zuwidder) 
vom  rath  abgesundert  und  auf  ein  ungewontlich  ort  auf  dem  rathauß  zusam- 
men gethon,  nemblichcn: 

1.  Leonhard  von  dem  Hoff,  2.  Albrecht  Schrick,  3.  Gregorius  von  Wilre, 
4.  Matheiß  Beck,  5.  Wilhelm  von  Wilre,  6.  Johan  von  Wilre,  7.  Wilhelm 
von  Daßdunk,  8.  Johan  Eilerborn,  9.  Theiß  Biesen,  10.  Peter  Radermecher, 
11.  Theiß  Fischer,  12.  Zilliß  Biesen,  13.  Thonis  Klöcker,  14.  Leonhard  von 
Kirchrat,  15.  Franz  Klocker,  16.  Johan  Fibis,  17.  Claes  Pyn,  18.  Fridrich 
vonj  Hergenrat,  19.  Gillis  Zimmermann,  20.  Kerstgen  von  Schwierten, 
21.  Peter  von  Ketteniß,  22.  Kerstgen  Meeß,  23.  Gerlach  Nueten,  24.  Leonhard 
Nuethen,  25.  Johaii  Nueten,  26.  Clauß  Stertz  der  alte,  27.  Simon  von  Kette- 
niß,   28.    Larabrecht   Nuethen,    29.   Gerlach   Zink,    30.   Hans   von   Thienen, 


■  ■■        M 


31.  Jacob  von  Ratk,  32.  Simon  von  Hau^-en,  33.  Peter  Boarman,  34.  Erasmus 
von  Randenrat,  35.  Johan  Knyf,  'S*}.  Hins  FL- :h  r.  37.  Di-therich  Huesch, 
38.  Jacob  Herman  der  alt,  39.  Gillis  Ton  LamiLexst^  rl  40.  Thomas  Lodder- 
bein,  41.  Dam  von  s.  Salvator,  42.  Dam  vun  Rdit,  43.  Gi.»ert  Bei>3cL. 
44.  Gillis  von  Rait,  45.  Johan  Tomhch,  46.  Th<j»nLs  Wimmar,  47.  Johan 
Königs  und  48.  Johan  von  SchTvicrten. 

Wellicher  jetzt  angezeigter  ausgetretener  pers^jnen  in  der  anzal  nur 
acht  und  vierzig  zu  finden.  Und  dieweil  der  ganze  rath,  wie  oben  vermelt, 
hundert  und  acht  und  zweinzich  häupter  be^^eitt,  so  seint  schier  die  halb- 
sc'heit  meher,  nemblich  achtzig  ratzpersonen,  darunter  nit  allein  funfziehen, 
so  der  catholischen  religion  zugethan,  sunder  auch  alle  zwelf  der  statt  eheren 
amptsträger  (ausgenommen  eines  burgerme isters  Leonhards  von  dem  Hoffe) 
imd  also  maior  et  melior  et  sanior  pars  in  der  gewönlieher  rathsstubcn  ver- 
pliben,  und  seint  also  dtirch  dieselbe  ordentlicher  wei:j  mit  dem  meherem 
theil  der  stimmen  vermög  der  gaffelsbriefen  und  alter  rathsordnung  zu  bur- 
germeistem  Johan  Lontzen  und  Simon  Engelbrecht  erwelet  worden*. 

Obwol  nun  der  gering  ausgetretener  theil  zu  etlichen  malen  auch  uber- 
mitz  notarien  und  gezeugen  sich  gehorsamblich  widderamb  einzustellen  und 
von  irem  strafwürdigen  fumehmen  abzustehen  ersucht  worden,  so  seint  sie 
doch  in  sollicher  geringer  anzal  furgefaren  und  gegen  ire  geleiste  rathseit 
(wellicher  neben  meher  andern  diese  Wörter  austrucklich  einhelt:  Vort  den 
burgerraeisteren  zur  zeit  gehorsam  sein,  ewem  besten  sin  up  eweren  eid 
sagen,  der  meister  part  im  rath  zum  gemeinen  urbor  und  der  stede  beste 
alzeit  gefölglich  sein  etc.)  Albrechten  Schreck  und  Johannes  Fibis  zu  iren  bur- 
germeistem,  doch  vermeint  und  nichtiger  weiß  aufgestelt. 

Und  ist  gleichwol  nach  dieser  hochatrafwurdi glich  furgenommener  Sepa- 
ration gefolgt,  das  nit  allein  dieselbe,  sunder  auch  die  domals  under  gemei- 
ner burgerschaft  durch  Verursachung  der  widderwert  igen  und  anderer  ent- 
standene commotion  und  was  darunter  allerseits  furgelaufen,  mit  ewiger 
oblivion  imd  vergeß  desselben  genzlich  aufgehaben  und  sich  gutlich  mit 
elnandem  verglichen,  die  in  gewerter  Separation  zu  beiden  theilen  erwölte 
bnrgermeister  von  iren  ampteren  williglich  abgestanden,  ihre  schlüsseln  in 
bänden  des  voriges  jairs  gewesener  bürge rmeisteren  bis  zu  einer  newcr  bur- 
germeister  wähl  gutlich  übergeben  und  also  nit  allein  die  vermeinte  unor- 
dentlich aufgestälte  bnrgermeister  Albrecht  Schreck  und  Johan  Fibis,  sunder 
auch  alle  andere  obspecificirte  abgetretene  catholische  rathsverwanten  ire 
gewonliche  rathsplatzen  widderumb  angenommen,  der  stat  Sachen  rathsweiß 
vertreten  und  folgenz  in  kraft  beschehener  vergleichung  aufs  new  burger- 
meister  erwehlen  und  beeiden  helfen,  ausgenommen  das  alspalt  nach  getrof- 
fener Vereinigung  die  drei  gebrudere  und  vetter,  Gregorius,  Wilhelm  und 
Johan  von  WiLre  (sampt  der  stat  gewesenen  secretarien,  sich  in  so  viele 
weg  an  eid  und  pflichten  gröblich  vergessenen  magister  Johan  von  Thenen) 


-_ 

»)  Vgl.  die  AusfUhrangen  bei  von  Fürth  a.  a.  O.  H,  2,  S,  52  ff. 


230 


Kleinere  Mittbciluii<?en. 


aus  der  stat  sich  begeben  und  aber  die  andere  zuvor  abgetreten  folgenz 
Widder  zu  ircn  ratbssitzen  getretene  catholische  ratsverwanten  nit  allein 
bis  auf  das  negsgefolgt  Johannis  fest'  anno  81,  als  der  rat  ge wonlicher 
weiß  versetzt  und  sie  denselben  versetzen  helfen,  sunder  auch  etliche 
zeit  darnach  sowol  im  rath  als  in  der  stat  verpliben.  Und  ist  der  rath  do- 
mals  nachfolgender  gestalt  verplieben  und  angestelt  worden : 


Alte  burgermeister 


Sterns  klein  raths 


Des  Sterns  geschickten 
groiß  raths 


Werkmeister  zunft  kleines 
raths 


Werkmeister  geschickte 
groiß  raths 


Der  zunfteu  Bocks  klein 
raths 


Bocks  geschickten  groiß 
raths 


Becker  zunft  kleines  raths 


{ 


{ 


{ 


{ 


Leonhard  von  dem  Hoff  *. 
Peter  von  Zievel. 

Albrecht  Schrick'. 
Bonifacius  Colin. 

Wilhelm  von  Wilre*. 
Wilhelm  von  Daßdonck. 
Johan  Ellerbom. 
Jacob  Pastoir*. 
Anastasius  von  Segrat. 
Johan  Cholin. 

Mattheiß  Peltzer. 
Joest  van  Beeck. 

Peter  Radermecher. 
ZiUis  Biesen. 
Theiß  Klöcker. 
Leonhard  Erardus. 
Jacob  Scherberg. 
Andries  Syben. 

Franz  von  Zievel. 
Dieterich  Verken. 

Wilhebn  Ernst. 
Peter  Peltzer. 
Wilhelm  Haußmann. 
Johan  Schaut emel. 
Heinrich  Roß. 
Libert  Freintz. 

Johan  Seh  illink. 
Theiß  Loder. 


»)  24.  Jnni. 

*)  Am  Bande:  Dieser  ist   diimach  ausgewichen   und  aber  eine  lange  zeit  in  der 
stat  verpliben. 

*)  Am    Bande:   Ist,   wie   oben,  ausgewichen,  aber   dieß  jair  von  dem   rath   der 
Ordnung  nach  abgangen. 

*)  Am  Bande:  Ausgewichener,  abiT  nach  der  Ordnung  abgangen. 

')  Am  Bande:   Der    fünfter    ansgowichener   und    im    folgenden   82ten  jair  nach 
der  oninung  abgaiigen. 


Kleinere  Mittheilungon. 


231 


Becker  geschickten  groiß 
raths 


Fleischewer  klein  raths 


Fleischewer  geschickten 
groiß  raths 


Löder  zanften  kleins  raths 


Löder  geschickten  groiß 
raths 


Der  Schmied  klein  raths 


Der  Schmied  geschickten 
groiß  raths 


Kupferschläger  zunft 
kleins  raths 


Knpfcrschläger  geschickten 
groß  raths 


{ 


{ 


{ 


{ 


Bernard  Koumans. 
Gillis  Zimmermans*. 
Kerstgen  von  Schwiertcn. 
Dahm  von  Eschweiler. 
Johan  von  Amel. 
Johan  von  Schwierten. 

Kerstgen  Mceß*. 
Johan  Meeß. 

Clauß  Startz. 
Simon  von  Kettenis. 
Lambrecht  Nuethen. 
Balthasar  von  Kettenis. 
Peter  Startz. 
Johan  Startz. 

Johan  Zink. 
Leonhard  Korstman. 

Hans  von  Thenen. 
Gillis  Zink. 

Gillis  von  der  Capellen. 
Johan  Herbrand. 
Hein  von  der  Capellen. 
Johan  van  Astenet. 

Theiß  Biermans. 
Leonhard  Panzer. 

Peter  Clotz. 
Laurenz  von  Drenborn. 
Quirin  Beißel. 
Rochus  von  Drenborn. 
Hans  von  Richtergen. 
Leonhard  von  der  Bank. 

Bleß  von  Dalhem. 
Peter  Verken. 

Peter  Spillenmecher. 
Gillis  Momma. 
Emnnd  Schani iii^l. 
Peter  Amin. 
Wilhelm  Momma. 
Theis  von  Dalhem. 


*)    Am    Rande:   Dieses    ist   aucli   anfenklich   einer   der  ausgewichenen   gewesen, 
«iKrr  aUpalt  widdenunb  einkomen. 

*;  Am  Rande:  Sechster   ausgewichener   und    in    gefolgtem  82ten  jar  vermiig  der 
ortin ong  abgangen. 


232 


Kleinere  Mittheilunp^en. 


Der  krämer  zunft  kleins 
rathä 


Der  krämer  geschickten 
groß  raths 


Der  zimmerleut  kleins 
raths 


Der  zimmerleut  geschickten 
groß  raths 


Schneider  zunft  kleins 
raths 


Schneider  geschickten 
groiß  raths 


Pelzer  zunft  kleins  raths 


Pelzcr  geschickten  groiß 
raths 


Schuhmecher  klein  raths 


Schuhmecher  geschickten 
groiß  raths 


{ 


{ 


{ 


{ 


{ 


Simon  Ton  der  Heggen. 
Wilhelm  Braun. 

Pet«r  Schardinel  der  alter. 
Simon  von  Hausen. 
Arnolt  Steinmetzer. 
Heinrich  Hanßen. 
Servaes  von  Collen  der  alter. 
Matheis  Elermont. 

Peter  von  Gelheen. 
Theiß  Stoufsack  der  alter. 

Theiß  Stoufsack  der  junger. 
Johan  Roeß. 
Arnold  Keuchen. 
Wilhelm  Woulf. 
Arnold  Wolders. 
Paulus  von  den  Weyer. 

Wilhelm  Kutten. 
Wilhelm  Koch  der  alter. 

Paulus  Gatzweiler. 
Cornelius  Clermont. 
Johan  Rosen. 
Winand  Schmits. 
Wilhelm  Lontzen. 
Joeris  von  Urßfeld. 

Dietherich  Huesch. 
Wilhelm  Spillenmecher. 

Daem  von  st.  Salvator. 
Clauß  Herwärts. 
Wilhelm  Fischer. 
Jacob  Ilerwartz  der  jong. 
Gerhard  Bohr. 
Theiß  Kreintzgen. 

Peter  Kipp. 
Ludwig  Musch. 

Arnold  von  3Iontzen. 
Adam  uf  die  Kuchen. 
GiUis  von  Rhat. 
Gerhard  Beyer. 
Johan  von  Boßeler. 
Sander  von  der  Siirten. 


Kleinere  Mittheilungen. 


233 


Bierbrewer  klein  raths 


{ 


Bierbrewer  geschickten 
groß  raths 


Rentmeister 


Weinmeister 


Bawmeister 


{ 
{ 


Neunmänner, 
wie  oben  beampt 


Thöniß  Wimmer  K 
Johan  von  Sittart*. 

Gillis  von  Erklenz. 
Franz  Schier. 
Heinrich  Welters. 
Arnold  von  Savelsberg. 
Fauckhen  Fibis. 
Leonhard  von  Savelsberg. 

Simon  Engelbrecht,  alter  burgermeister. 
Mattheiß  Schreck. 

Leonhard  Engelbrecht. 

Albrecht  Wolf. 
Godhart  Duppengießer. 

Servaß  von  Colin. 

Johan  Thelen. 

Adam  Pastor. 

Adam  von  Zicvel. 

Wernher  von  Colin. 

Joest  von  Beeck  der  junger. 


Als  nun  diese  des  raths  nach  altem  brauch  beschehene  anstellung  die 
sämptliche  catholische  widderumb  zu  iren  ratzsitzen  getretene  ratsverwanten 
verrichten  helfen,  seint  unlängst  darnach  den  andern  dreien  zuvor,  wie  oben, 
ausgewichenen  gebrueder  und  vettern  von  Wilre  und  Johannes  von  Theuen 
aus  der  stat  Albrecht  Schrick,  Thonis  Wymmar,  Johan  von  Sittart  und 
Gillis  Zimmerman  als  in  gesagtem  der  geringer  zaal  Sl^eu  jair  gewesene 
ratsverwanten  gefolgt,  inmaßen  das  auf  zeit,  nemlich  in  den  monatea  sop- 
lembri  und  octobri  jetzt  gesagtes  8Ito»^  jairs,  als  der  erbaren  deputierter 
freien  und  reichsstett^  Straßburg,  Ulm  und  Frankfurt  abgeordnete  gesantcn 
alhie  gewesen,  sich  nur  sieben  ratzverwantcn,  so  allein  neben  dem  dechanton 
Fuchs  und  Johannen  von  Thenen  dieser  sachen  verlauf  zu  soUichcr  Weiterung 
and  höchster   dicker   stat    gefahr   bei    den    benachparten    furstcn    gebracht, 


*)  >)  Am  Bande:  Nota,  Dor  siebent  und  achter  ausgowicheno,  in  jetzig  und  pfofoljj- 
tem  etc.  8lten  [so  statt  H2t€n]  jair  nach  dor  ordnunj?  widderumb  respective  abgaufjon. 
Vnd  Heiut  <lieäe  obgezeignete  aclit  neben  Leouhurten  von  dem  Hoff,  ahom  burgermeiater, 
'Üp  neun  des  raths  ab-  und  uusf^etretene. 

'j  Auf  dem  Städtetag  zu  Speyer  im  August  irxsl.  der  wegen  der  Aachener  Wirren 
beruht!  worden  war,  war  die  Abordnung  dieser  Gesan<ltsebatt  beschlossen  worden 
dl  übe  rl  in,  Neueste  t«utsche  Heichsgeschichte  XI,  S.  4>i  tf.).  Die  Gesandtschaft  ver- 
handelte sowohl  in  Aachen  selbst  mit  beiden  Parteien  uuvl  erwirkte  am  4.  Oktober  1541 
•las  s  •fj.'uauut^»  Paeifikationsedikt  (»lem  sich  jedoch  nicht  alle  Katholiken  unterwarfen), 
rtl-i  Rn<h  in  Hambach  mit  dem  Herzog  von  Jülich  (am  21.  September  1581;  diese  Ver- 
liait<Uangen  waren  fruchtlos).  .Nilhem  Aufschluss  über  diese  Gesandtschatt  bieten  das 
Msr.  15  des  Aachener  Stadtarchivs,  dos  Archiv  der  evangelisfhcn  Gemeinde  in  Aachen, 
*iA!»  Htaataarchiv  Münster,  Landesarcluv  Nr.  468  und  das  Allgemeine  Reichsarchiv  in 
München,  Aachen  Reirhsstwlt  Nr.  1. 


234  Kleiuere  Mittlieilungen. 

ausserhalb  der  stat  verhalten.  Und  aber  irer  etwan  drei  des  rath:^, 
ncmblich  Leonhard  von  dem  Hoff,  Wilhelm  von  Daeßdonk  *  und  Jacob  Pastoir 
in  der  stat  plieben  und  gleich wol  im  rath  zu  erscheinen  sich  verweigert. 

Jedoch  seint  die  andere  des  jairs  verpliben  und  aufs  new  angestelte 
catholische  ratsverwante  (deren  ungefärlich  fünf  und  vicrzich  gewesen) 
gemeinlich  im  rath  neben  den  anderen  ratsverwanten  erschienen,  und  lauten 
dieselbe  mit  namen  und  zunamen  also : 

1.  Bonifacius  Colin,  jetziger  burgermeister,  2.  Johan  Ellerbom,  3.  Ana- 
stasius  von  Segrat,  4.  Peter  Radermecher,  5.  Zilliß  Biesen,  6.  Theiß  Klöcker, 
7.  Libert  Freintz,  8.  Johan  Schillink,  9.  Theiß  Löder,  10.  Kerstgen  von 
Schwierten,  11.  Kerstgen  Meeß,  12.  Johan  Meeß,  13.  Clauß  Startz,  H.Simon 
von  Kctteniß,  15.  Lambrecht  Nuethen,  16.  Balthasar  von  Ketteniß,  17.  Peter 
Startz,  18.  Johan  Startz,  19.  Johan  Zink,  20.  Hanß  von  Thenen,  21.  Gillis 
von  der  Capellen,  22.  Johan  Herbrand,  23.  Hein  von  der  Capellen,  24.  Leon- 
hard Panser,  25.  Laurenz  von  Drinbom,  26.  Quirin  Beissel,  27.  Rochus  von 
Drinbom,  28.  Hans  von  Richtergen,  29.  Wilhelm  Braun,  80.  Peter  Schardincl 
der  alt,  31.  Simon  von  Hausen,  32.  Matheis  Klermund,  38.  Wilhelm  Wulf*, 
34.  Comelis  Clermont',  35.  Joeris  von  ürßfeld,  36.  Dietherich  Huesch, 
37.  Wilhelm  Spillenmecher,  38.  Daem  von  s.  Salvator,  39.  Ludwig  Musch, 
40.  Gillis  van  Rath,  41.  Grerhard  Beyer,  42.  Arnold  von  Savelsberg,  43.  Fau- 
chen Fibis,  44.  Leonhard  von  Savelsberg,  45.  Adam  Pastor. 

Als  nun  die  feindliche  versperr-  und  belagerung  gefolgt*,  haben  sich 
noch  aus  jetztemanten  rathsverwanten  nachfolgende  personen  zum  theil  aus 
forcht,  zum  theil  auf  anreizung  der  zuvor  siben,  wie  oben,  ausgewichener 
rathsverwanten  aus  der  stat  begeben,  wie  folgt  : 

1.  Leonhard  von  dem  Hoff,  2.  Jacob  Pastoir,  3.  Johan  Ellerbom, 
4.  Johan  von  Amel,  5.  Hans  von  Thenen,  6.  Wilhelm  von  Daeßdonk,  7.  Gillis 
Zimmerman,  8.  Kerstgen  von  Schwierten,  9.  Clauß  Startz,  10.  Lambrecht 
Nuethen,  11.  Dieterich  Huesch,  12.  Daem  von  s.  Salvator,  13.  Gillis  von  Rath, 
14.  Gerhard  Beyer,  15.  Arnold  von  Savelsberg,  16.  Fouckhen  Fibis  und 
17.  Theis  Klockher. 

Jedoch  seind  diese  sibenzihen  alle,  ausgenommen  Leonharden  von  dem 
Hoff,  Jacoben  Pastoir,  Johannes  von  Amel  und  Hanß  von  Thenen,  widderumb 
einkommen  und  haben  der  stat  magist  rat  für  ire'gepurlich  ordentliche  obrig- 
kcit  erkant,  auch  bei  dero  als  gehorsame  burger  zu  halten  und  zu  leben 
ubcrmitz  von  sich  gegebener  handglobten  zugesagt. 

Und  ist  aus  diesem  allem  augenscheinlich  abzunehmen,  das  nur  sieben 
personen,  so  im  jair  etc.  81  des  raths  gewesen,  uemblich  Albrecht  Schreck, 
Georg,  Wilhelm  und  Johan  von  Wilre,  scheffen,  Thonis  Wymmer,  Johan  von 


>)  Am  BAnde:  Ist  auch  ftusgewichen,  aber  widderumb  einkommen. 

*)  *)  Am  Bande  nachgetragen. 

*)  Von  Seiten  Jülichs  und  Lüttichs. 


Klciuere  MJttheilungen.  235 

Sittart  (l)ei(lo  ircs  hantwerks  bicrbrawer),  Johan  von  Amel  und  Jelis  Zimracr- 
man  '  (beide  brotbecker)  sich  allenthalben,  sowol  bei  der  keiserlichcr  raajostät 
unserra  allcrgnädigsten  hcrn,  den  benachbarten  chur-  und  fursten,  als  auch 
auf  stett  und  kreißt ägen  für  dieser  stat  ordentlich  furgestelte  obrigkeit, 
und  das  sie,  diese  sieben,  als  den  mehrer  theil  die  stat  und  rath  zu  Ach 
repräsentiren  solten,  ganz  unverschampt,  unwairhaftig  so  schrift-  als  mund- 
lich hochstrafwürdiger  weiß  auszugeben  understehen  dürfen,  da  doch  oben 
genugsam  angezeigt,  was  maßen  der  rath  auf  zeit,  als  jetztgemelte  siben 
aasgewichen  und  irer  noch  drei,  so  dem  rath  nit  beiwonen  wollen,  in  der 
stat  verpliben,  der  rath  domals  noch  über  die  hondert  und  ziehen  personen 
st^rk  gewesen  und  also  (sollicher  ziehen  mutwillig  hochstraflicher  weiß  aus- 
und  abgetretener  ratzverwanten  unangesehen)  gemeine  statt  und  burgerschaft 
ohne  einig  befugt  widdersprechen  der  zeit  thetc  representiren  und  niemand 
anders,  als  dieselbe  darfur  zu  halten  gewesen.  Und  folgen  namen  und 
Zunamen  derjenigen,  so  in  negst  abgewichenem  81*^^  jairs  des  raths  gewesen 
und  noch  jetzt  aus  verplieben,  als  uemblichen: 

1.  Leonhard  von  dem  Hoif,  2.  Albrecht  Schreck,  3.  Wilhelm  von  Wiln*, 
4.  Johan  EUerbom,  5.  Jacob  Pastor  (alle  vier  scheffen),  6.  Johan  von  Amel, 
beckcr,  7.  Hanß  von  Thienen,  loeder,  8.  Thonnis  Wimmar  und  9.  Johan  von 
Sittart,  beide  bierbrewer*. 

Und  ist  es  jetzo  an  dem,  dieweil  der  rath  in  jetzigen  82*^»  jair  auf 
negstverschienem  Johannis  des  Tcufcrs,  wie  von  alters  herkomen,  versetzt,  das 
keiner  von  jetzt  emanten  achten  dieß  jairs  des  raths  (außgenommen  Jacoben 
Pastoir)  verplieben. 

Was  aber  gemeine  burger,  so  des  raths  nit  gewesen  und  theils  aus 
forcht  der  Burgundischen  dieser  stat  einnehmung,  theils  auf  bescbeh(^ne 
anreizung  der  sieben  ausgewichenen  und  anno  etc.  81  gewesenen  rathspersonen 
und  ires  anhangks  aus  der  statt  sich  begeben,  betrifft,  mögen  dersellnm  in 
all,  soviel  man  deren  nach  fleißiger  nachforschung  erfarcn  können,  etwan  in 
in  die  hundert  und  wienig  über  siebenzig  gewesen  sein,  deren  gleichwol  eine 
große  anzal  berait  widderumb  einkommen,  auch  den  domals  in  vielgesajrtom 
glt4>n  and  jetzigen  82t«n  j-iren  respective  angostelten  magistrat  für  ire 
ordentlich  gepurliche  obrigkeit  erkent  und  sich  wie  eherlich  und  gehorsamen 
bürgern  zusteht  gepurlich  erklert  und  angeboten.  Darunter  auch  etliche 
be^iflfen,  so  Albrecht  Schreck,  Wilhelm  von  Wilre,  Thoniß  Wymmar  und 
Johan  von  Sittart  in  ire  vermeinte  gegen  einem  'erbaren  rath  in  Schriften 
ausgegangene  protestation  bcnäntlich  gestelt  und  aber,  das  sie  in  solliche 
protestation  nit  verwilligt,  vielwieniger  der  zeit  zu  Gulich  sunder  domals 
an  andern  örteren  gewesen  sich  erklert  und  sunsten  angedeute  vermeinte 
protestation  öffentlich  widdersprochen.  Und  seint  der  widderumb  einkommen 
namen  und  zunamen  wie  folgt : 

'j  Am  Rande:  Ist  darnach  wiederumb  einkommen. 

*y  Am  Rande:  Diß  seint  die  noun,  so  sich  xinverschttmptor  weiß  für  burgormeistcr 
und  rath  der  stat  Aach  ausgeben  doiien. 


236  Kleinere  Mitthcilunofen. 

1.  Mattheiß  Fischer,  2.  Hans  Fischer,  3.  Gillis  von  Rath,  4.  Hieronimus 
von  Randerath,  5.  Johan  Kranz,  6.  Nellis  Sterck,  7.  Joris  von  Merzenich, 
8.  Heinrich  Windenburg,  9.  Johan  Hunten,  10.  Clauß  von  Tienen,  U.  Gillis 
Bicrman,  12.  Lambert  Xuethen  der  junge,  13.  Peter  Wilerman,  14.  Wilhelm 
Nucken,  15.  Thonis  von  Heinbach,  16.  Clauß  DoUart,  17.  Heinrich  Mouß, 
18.  Peter  von  der  Kalterherberg,  19.  Nicolauß  Becker,  20.  Heinrich  Lauten, 
21.  Johan  Bart  der  jung,  22.  Johann  Keuter,  23.  Gerhard  Morenfell, 
24.  Dietherich  Gueden,  25.  Paulus  von  Luitgen,  26.  Arnold  von  Dulken, 
27.  Johan  von  Erberich,  28.  Peter  Gesund,  29.  Theis  Biesen,  30.  Joris 
Hunten,  31.  Heinrich  Kern,  32.  meister  Johan  Krämer  von  Diest,  33.  Egbert 
Egberts,  34.  Adam  von  Tomich,  35.  Theis  Startzen,  36.  Johan  Bück, 
37.  Leonhard  von  Bockholz,  38.  Jacob  Han,  39.  Jacob  von  Immendorf, 
40.  Comelis  von  Ketteniß,  41.  Johan  Rutger,  42.  Wilhelm  von  Kirchrat, 
43.  Bitter  von  Housen,  44.  Dietherich  Playoul,  45.  Philips  Moren,  46.  Peter 
Krewen,  47.  Gerhard  Bischof,  48.  Johan  Burgerhauß,  49.  Arnold  Fischer, 
50.  Joris  von  Helchrat,  51.  Martin  Sädeler,  52.  Paulus  von  Ketteniß,  53.  Hein- 
rich von  der  Bank,  54.  Claus  Kuechen,  55.  Peter  Moren,  56.  Johan  Struiß, 
57.  IJelman  Stalschmid  von  den  Zweivel,  58.  Zacharias  Prent,  59.  Zillis 
S(  hörn,  60.  Claes  Gillis,  61.  Johan  Kulpcr,  62.  Johan  Merzenich,  63.  Henrich 
Koni,  64.  Thonis  Heuchler,  65.  Carl  Schom,  66.  Reinken  Kucks,  67.  Johan 
S  Ii'in,  68.  Jelis  Braun,  69.  Johan  Lintzeu  von  Malmanthier,  70.  mcii^ter 
floThard  Beier,  71.  Matheiß  Kelmiß,  72.  Clauß  von  Wurßelden,  73.  Johan 
Tiuland,  74.  Johan  Zink,  75.  Nelis  Kern,  76.  Leonhard  Kuell,  77.  Adam  up 
die  Kuchen,  78.  Claeß  Pyn,  79.  Johan  von  Scholl,  80.  Wilhelm  Ortman, 
81.  Johan  Schenk,  82.  Martin  Krewen,  83.  Johan  Daubenrat,  84.  Arnolt  von  Rait. 

Folgen  nun  nahmen  der  burger,  so  sich  theils  noch  aus  der  stat  verr 
halten,  theils  sich  hin  und  widder  haußlich  nidder  geschlagen: 

1.  Meister  Johan  Thenen,  der  stat  gewesener  secretarius,  2.  meister 
Johan  Werden,  scheifenschreiber,  3.  Gillis  Valenzien,  des  capitels.  secretarius, 
4.  Johan  Dammerscheit,  sendgerichts  Schreiber,  proscribirt,  5.  Peter  Rader- 
mecher,  wirt  im  Gulden  Schwein  (diese  fünf  seint  der  neun  noch  auspleiben- 
den  und  hiebe  vor  im  jair  81  gewesenen  ratsvcrwanten,  der  Sachen  rädel- 
f  uhrer,  instnimcuten  und  Werkzeug,  bevorab  aber  der  für  andern 
hochstrafwürdiger  meister  Johan  von  Thenen  gewesen). 

I.  Leonhard  von  Kirchrodt,  kannengießer,  2.  Erasmus  von  Randenrat, 
tuchscherer,  3.  Johan  Knyf,  tucbscherer,  4.  Frank  Block,  krämer,  5.  Wilhelm 
Brauraan,  weinkaufman,  6.  Jacob  Moll,  sehartzeuwebcr,  7.  Andries  Rader- 
mechcr,  8.  Johan  Heuchler,  kupferschläger,  9.  Hans  Klöcker  und  10.  Martin 
von  Costen,  beide  goltschmied  (diese  10  samt  meister  Johan  von  Thenen  seint 
in  der  vermeinter  gegen  einen  erbaren  rath  ausgangener  protestation  neben 
anderen  wie  oben  ))cnant  worden). 

II.  Paulus  Gartzweiler,  bader,  12.  Heinrich  Eikholz,  des  capitels  keiner, 
13.  Johan  Engelen,  zingießer,    14.   Alexander  Bawr,  leifclmecher,  15.  Simon 


Kleinere  Mittheil uugen.  237 

Newstat,  farber,  16.  Theis  von  Beeck,  löder,  17.  Daem  von  Rath,  Schuhmacher, 
18.  Johan  von  Warseiden,  krämer,  19.  Karl  Koerhan,  täschmccher,  20.  Simon 
Henchler,  kesselschläger,  21.  Heinrich  von  Höningen,  kurßner,  22.  Johan  Man, 
krämer  (diese  zwelf  seint  nit  die  geringsten  der  sachen  anstifter  und  Ver- 
folger, wie  in  gleichen  under  den  scchßig  deputirton  catholischen  schier  die 
fomembste  gewesen). 

23.  Peter  Tomiß,  weiukaufman,  24.  Jacob  Roeb,  pelzcr  oder  korsner, 
25.  Winand  Moer,  26.  Wilhelm  Gillis,  27.  Johan  von  Housen,  28.  Johan  von 
Gulich,  krämer,  29.  Joist  von  der  Linden,  Schneider,  30.  Heinrich  von  f>kelcnz, 
31.  Gillis  von  Lammerstorf,  bierzeppcr,  32.  Herman  Buchßen,  ladenmecher, 
33.  Simon  Moll,  kremer,  34.  Johan  Loril,  kerzenmecher,  35.  Franz  im  Spiegel, 
weinwirt,  36.  Heinrich  Nucker,  leinenweber,  87.  Zillis  Braumann,  weinwirt, 
38.  Thonis  Knyf,  goltschmit,  39.  Paulus  Sybcu,  40.  Johan  Duppengießcr, 
krämer,  41.  Johan  Hongelen,  42.  Theiß  Schiffgen,  48.  Heinrich  von  Kempen, 
becker,  44.  Claes  Fouckhen,  gärtner,  45.  Reinken  in  die  Foens,  bierbrewer, 
46.  Vogelhein,  arbeitsman*. 

Dieß  alles  wie  furbeschricben  hat  sich  in  beweislichcr  wairheit  mit 
Separation,  ein-  und  austretung  etlicher  ratsverwanten  und  burger  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  und  in  furerzelter  Ordnung  neben  anderm  verLiuf,  so  wir 
in  einem  der  sachen  summarisch  verfasten  bericht*  ferner  ausfuren  lassen, 
also  zugetragen.  Dessen  zu  warem  gezeugniß  haben  wir  unser  stat  gemein 
insiegel  auf  spatium  dieses  furtrucken  lassen. 

Gkben  im  jair  unsers  hem  säligmechers  funfziehen  hundert  achtzig 
und  zwei,  am  acht  ziehe  ntcn  tag  des  monats  julii. 

L.  S. 
Münster  i.  W,  J,  Hansen. 

3.  Ein  böhmisches  Adelsgeschlecht,  das  aas  Aachen 

stammen  soll. 

Vor  Kurzem  ging  dem  Aachener  Geschlchts vorein  die  Abschrift  eines 
aus  dem  17.  Jahrhundert  stammenden  Manuskripts  zu^  worin  die  Entstehung 


»)  Am  Rande :  Nota.  Von  diesen  46  seint  auf  teit  des  zu  Augspurg  anno  82  ge- 
westen  reiohstags  und  bald  darnach  ihrer  14  und  meher  widderumb  einkommen. 

«)  Dieser  2S  Blätter  iUllende  Bericht  (d.  d.  1582,  Juni  7)  hat  den  Titel:  Summa- 
rischer bericht,  was  seit  den  jaren  der  geringer  zal  58  und  fJO  biß  ins  jetzig  82  jar  in 
diesem  königlichen  stuel  und  stat  Aach  sowol  in  roligions-  als  andern  politischen 
Sachen  sich  zugetragen  und  in  was  hochboachwerlichen  stand  dioselb  domals  gerathen. 
(Original  ebenfalls  in  Dresden  in  dorn  S.  222,  Anm.  1  genannten  Bande.) 

«)  Anm.  d-  Red.  Herr  Progj'mnasial-Rektor  Dr.  M.  Scheins  in  Boppard  über- 
sandto  der  Redaktion  nebst  der  ihm  vom  Königl.  Staatsarchiv  zu  Breslau  freundlichst 
ertheilten  Auskunft  Über  den  Abdruck  bei  Sinapiua  (s.  S.  240,  Anm.  1)  die  durch  ihn 
angefertigte  Abschrift  einer  aus  sechs  Blftttem  bestehenden  Handschrift  des  17.  JjOir- 
hunderts,  welche  Herrn  Wihard  zu  WUds*chütz  bei  Trautenau  gehört  und  deren  Be- 
nutzung dem  Herrn  Einsender  durch  die  freundliche  Vorm ittlun^:  des  Herrn  Rogiorungs- 
rath  J.  Hommclsheim    m  BcrUn  ermöglicht  wurde.   Dieser  ursprüiigUch  sehr  felüerhafte 


238  Kleinere  Mittheilungen. 

der  Burg  Silberstein,  gelegen  am  Fasse  des  Riesengebirges,  etwas  westlich 
von  Trautenau,  erzählt  und  das  Geschlecht  der  Silber  von  Silberstein,  dem 
jene  Burg  den  Namen  verdankt,  als  von  Aachen  herstammend  bezeichnet 
wird.  Die  Redaktion  dieser  Zeitschrift  sandte  die  Abschrift  nach  Prag  an 
den  Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  mit  dem  Ersuchen  um 
Auskunft,  ob  sich  für  die  darin  enthaltenen  Angaben  irgend  eine  geschicht- 
liche Grundlage  nachweisen  lasse.  Darauf  sollen  die  folgenden  Zeilen  die 
Antwort  sein. 

Gleich  die  erste  Durchsicht  führte  auf  die  Vermuthung,  dass  das 
genannte  Manuskript  ein  Stück  aus  einer  eigenthürallchen  Chronik  enthalte, 
wie  sie  wohl  wenige  Gegenden  in  diesem  Umfang  werden  aufzuweisen  haben. 
Simon  Hüttel  nämlich,  der  Verfasser  der  prächtigen  Chronik  von  Trautenau, 
in  der  die  Schicksale  dieser  Stadt  von  1484  bis  1601  erzählt  werden,  ver- 
fasste  noch  eine  zweite  Chronik  von  der  Entstehung  Trautenaus  und  der  in 
der  Umgebung  liegenden  Ortschaften.  Das  Original  scheint  verloren  gegangen 
zu  sein;  doch  wurde  mir  eine  alte  Abschrift  aus  dem  Jahre  1654  von  dem 
Besitzer  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt.  Der  vorgenommene  Vergleich 
ergab  die  vollständige  Richtigkeit  jener  Vermuthung. 

Um  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  die  Bemerkungen,  die  wir  an  diese 
Chronik  überhaupt  und  an  die  unten  folgenden  Stellen  daraus  zu  knüpfen 
haben,  verständlicher  zu  machen,  wird  es  nothwendig  sein,  einige  Worte 
über  die  Geschichte  der  Trautenauer  Gegend  vorauszuschicken.  Der  ganze 
Abhang  des  Riesengebirges  auf  böhmischer  (und  schlesischer)  Seite  war  bis 
ins  13.  Jahrhundert  herab  von  ausgedehnten  Waldungen  bedeckt.  Diese 
bildeten  einen  Theil  des  grossen  Grenz walds,  der  Böhmen  ringsum  einsohloss 
und  bis  auf  die  genannte  Zeit  als  Schutz  gegen  feindliche  Einfalle  geschont 
wurde.  Tschechische  Ansiedler  sind  erst  spät  und  auch  dann  nur  vereinzelt 
dahin  vorgedrungen,  und  erst  durch  einwandernde  Deutsche  wurden  diese 
Gegenden  urbar  gemacht.  Betrachtet  man  die  Namen  der  so  entstandenen 
deutschen  Dörfer,  so  findet  man,  dass  fast  alle  derselben  auch  im  benach- 
barten Schlesien  wiederkehren.  Die  deutsche  Kolonisation  in  der  Trautenauer 
(legend  ist  also  eine  Fortsetzung  des  gleichen  Prozesses  im  genannten  Nach- 
barland. In  der  neuen  Geschichte  dieses  Landes  von  Grünhagen  aber  kann 
man  erzählt  finden,  wie  im  letzten  Viertel  des  12.  Jahrhunderts  der  Zuzug 
von  Deutschen  nach  Schlesien  begann.  Anfangs  beschränkte  man  sich  auf 
das  ebenere  Gebiet;  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  aber  rückte 
man  immer  weiter  gegen  die  Grenzberge  vor,  und  nach  und  nach  ver- 
schwanden hier  die  dichten  Wälder.  Besonders  deutlich  spricht  in  dieser 
Hinsicht  eine  Urkunde  für  das  Kloster  Grüssau  bei  Landeshnt  vom  J.  1249. 
Diesem  werden  dann  geschenkt  die  Wälder  bis  an  die  böhmische  Grenze 
und  das  Recht  ertheilt,  an  Stelle  derselben  deutsche  Dörfer  auszusetzen. 

uud  von  einem  fjleichzeitigcn  Korrektor  nur  znm  Theil  verbesserte  Text  wunie,  um 
AufldÄning  üWr  den  darin  gegebenen  Bericht  zu  erhalten,  nach  Prag  gesan<lt  und 
durch  obige  Mittheihmi^n  in  dankenswerther  Weise  erl:iutort. 


Kleincrc  Mittheilungen.  239 

An  Landeshut  vorhci  über  Liebau  führt  eine  alte  Verkehrsstrasse  nach 
Böhmen;  auf  dieser  also  kamen  die  Deutschen  m  die  Trautenauer  Gegend, 
und  zwar  begann  diese  Einwanderung  um  1250.  Urkunden  über  Dorf- 
gründungen hier  sind  leider  nicht  erhalten,  dagegen  aber  für  das  wenig 
östlicher  gelegene  Braunauer  Gebiet  mehrere  aus  den  Jahren  1253—55.  Dass 
die  Besiedlung  des  böhmischen  Riesengebirges  aber  auch  in  diese  Zeit  fällt, 
d.  h.  in  die  Regierungszeit  des  Königs  Przemisl  Ottokar  11.  (1253 — 78),  des 
grossen  Förderers  des  Deutschthums  in  Böhmen,  zeigt  eine  Notiz  bei  dem 
tschechischen  Chronisten  Neplach;  dieser  meldet  zum  J.  1277,  dass  der 
geuannte  König  die  Gebiete  von  Elbogen,  Glatz  und  Trautcnau  den  Deut- 
schen überliess.  Kurz  nach  diesem  Jahr  werden  hier  schon  mehrere  deutsche 
Dörfer  genannt  (12H9);  Trautcnau  selbst  führt  1260  noch  seinen  alten 
tschechischen  Namen  Aupa,  hat  jedoch  bereits  einen  deutschen  Richter,  und 
1301  hat  es  schon  den  neuen  Namen. 

Diese  so  germanisirte  „Trautenauer  Provinz"  nahm  dem  übrigen  Lande 
gegenüber  eine  besondere  Stellung  ein.  Ausdrücklich  war  derselben  deut- 
sches, nämlich  Magdeburger  Recht  zuerkannt;  die  Bewohner  waren  der 
Gewalt  der  allgemeinen  Landesgerichte  entzogen  und  unterstanden  direkt 
dem  König.  Trautcnau  wurde  bald  königliche  Stadt,  später  eine  der  sog. 
Leibgedingstädte  der  Königin.  Die  Burg  in  Trautcnau  und  eine  grosse 
Zahl  von  Dörfern  der  Umgebung  bildeten  eine  der  königlichen  Kammer 
gehörige  Herrschaft.  Die  königlichen  Burggrafen  oder,  was  häufiger  war, 
die  Pfandbesitzer  der  Herrschaft  übten  zugleich  die  Gerichtsbarkeit  in  der 
ganzen  „Provinz"  aus.  Ausserdem  gab  es  in  dieser  nämlich  noch  eine  Reihe 
meist  nicht  gar  zu  grosser  Güter,  die  ursprünglich  wohl  auch  Bestandtheile 
jener  Herrschaft  gewesen,  nach  und  nach  aber  an  Adelspersonen  oder  auch 
Bürger  zu  Lehn  gegeben  worden  waren.  Diese  Güter  hiesseu  Trautenauer 
Burglehen.  Klagen  gegen  Lehnsmannen  entschied  ein  aus  ihrer  Mitte  ge- 
wähltes Mannengericht,  bei  dem  der  Trautenauer  Burggraf  an  Königsstatt 
als  Lehns-Hauptmann  den  Vorsitz  führte. 

Was  hier  in  allgemeinen  Zügen  dargestellt  wurde:  die  Besiedlung  der 
Trautenauer  Gegend,  das  Aufkommen  des  Burggrafenamts  und  der  Burg- 
lehen, das  ist  der  Stoff,  den  Simon  Hüttel  in  seiner  zweiten  Chronik  behan- 
delt. Scheinbar  streng  historisch,  ist  dennoch  Alles  sagenhaft.  Er  knüpft 
an  die  geschichtliche  Thatsache  an,  dass  im  J.  1004  mit  Hilfe  des  deutschen 
Königs  Heinrich  ET.  die  Polen  wieder  aus  Böhmen  vertrieben  wurden,  nennt 
aber  statt  Boleslaw  Chrobry  einen  Miesko  als  Polenherzog.  Es  wird  dann 
erzählt,  wie  sich  beim  Rückzug  der  Polen  das  Heer  auflöste  und  eine  Schaar 
sich  an  der  Stelle  des  spätem  Trautcnau  niederliess  imd  Strassenraub  trieb, 
bis  ein  Zufall  zur  Entdeckung  und  Aufhebung  der  Räuber  führte.  Angeb- 
lich schickte  dann  der  Herzog  Ulrich  (noch  1004)  den  Albrecht  Trautenberger 
von  Trautenberg,  um  die  Gegend  zu  kolonisiren.  Durch  ihn  entstanden  nun 
Traut<nau  und  mehrere  Dörfer  der  Umgegend,  er  wurde  der  erste  Burggraf  und 


240  Kleinere  Mittheilungen. 

verlieh  umliegende  Güter  als  Burglehen  an  verschiedene  Personen,  die  nun 
wieder  Schlösser  und  Dörfer  anlegten.  Von  etwa  sechzig  derselben  erfahren 
wir  so  die  Gründungsgeschichte  mit  aller  Genauigkeit,  unter  Angabe  des 
Jahres  und  der  Namen  des  gleichzeitigen  Papstes,  Kaisers  und  Böhmen- 
herzogs.    Danach  wären  fast  alle  in  den  Jahren  1006 — 12  entstanden. 

Dass  ausser  der  schon  betonten  Verwechslung  der  Polenherzoge  noch 
viele  andere  historische  Thatsachen  falsch  berichtet  oder  datirt  sind,  wollen 
wir  nicht  weiter  verfolgen.  Nur  auf  den  Gründer  Trautenaus  müssen  wir 
kurz  eingehen.  Dem  Namen  desselben  werden  öfters  noch  mehrere  von  Be- 
sitzungen hergenommene  Prädikate  beigefügt,  was  an  sich  schon  in  jener 
alten  Zeit  unmöglich  ist.  Aber  der  Name  Trautenberg  ist  überhaupt  nur 
durch  eine  Volksetymologie  aus  dem  Namen  der  Stadt  gebildet,  und  der 
Chronist  des  16.  Jahrhunderts  suchte  dann  in  Geschichts-  und  Titularbüchem 
nach  einem  Geschlecht  dieses  Namens.  Er  fand  es  auch  wirklich;  aber  diese 
Trautenberger  von  Trautenberg  wanderten  frühestens  im  14.  Jahrhundert 
aus  der  Oberpfalz  ein.  Sie  waren  durch  mehrere  Jahrhunderte  in  West- 
böhmen begütert,  mit  Traute nau  hat  jedoch  niemals  einer  derselben  in  Ver- 
bindung gestanden.  Dass  aber  der  Chronist  wirklich  dieses  Geschlecht  vor 
Augen  hatte,  zeigen  die  vorerwähnten  Prädikate,  die  eben  Güter  desselben 
in  Westböhmen  nennen.  Diese  Vermischung  von  Volksetymologie  und  Lokal- 
sage mit  Chronistengelehrsamkeit  zeigt  sich  ebenso  auch  bei  den  erzählten 
Dorfgründungen.  So  wird  z.  B.  einerseits  der  Name  Krieblitz  abgeleitet 
von  dem  Gründer  Jaroslaw  Kriebl,  Krinsdorf  von  Kaspar  Krin,  Trübenwasser 
von  Hans  Trüb  u.  s.  w.  Auf  der  andern  Seite  erscheinen  aber  als  Gründer 
auch  mehrfach  Adelspersonen,  die  nach  dem  Namen  des  Orts  sich  nennen; 
doch  lässt  sich  dann  meist  nachweisen,  dass  diese  Prädikate  von  andern  gleich- 
namigen Orten  herstammen.  Dass  die  Namen  dieser  Adligen  meist  tschechisch 
sind,  beweist  auch  die  spätere  Erfindung,  denn  nach  den  Hussitenkriegen 
erst  wurde  die  ganze  Trautenauer  Leimsmannschaft  tßchechisirt. 

Was  wir  hier  als  das  Werk  eines  in  der  Geschichte  belesenen  Chro- 
nisten bezeichnen  müssen,  stammt  nun  gewiss  von  Simon  Hüttel  selbst.  Als 
praktischer  Landmesser  wurde  er  bei  Grenzbegehungen  u.  dgl.  immer  zuge- 
zogen. Er  hatte  also  viel  Gelegenheit,  die  adligen  Besitz  Verhältnisse  der 
Gegend  kennen  zu  lernen.  Dass  er  sich  mit  tschechischen  Besitzurkunden 
beschäftigte,  zeigt  die  grosse  Zahl  derselben,  die  er  in  seine  erste  Chronik 
aufnahm,  und  die  Titulaturbücher  erwähnt  er  selbst  mehrmals. 

Es  folgen  nun  im  Wortlaut  nach  der  oben  erwähnten  Abschrift  vom 
J.  1654  jene  Stücke,  welche  hier  interessiren  dürften;  dieselben  gehören 
dem  letzten  Kapitel  an*,  welches  betitelt  ist:  „Wer  das  Schlösslein  Breck- 
stein  oder  Silberstein  erbauet  hat". 


*)  Gedruckt  ist  dieses  Kapitel  bei  Sinapius,  Des  Schlesischen  Adels  Anderer 
Thoil  Oder  Fortsetziing  Schlesischer  Curiositäten  (Leipzig  und  Breslau  1728)  S.  469—71, 
doch  mit  mehrfaclien  Kürzungen  und  Aenderung«n  im  Wortlaut.    Eine  kurze  Inhalts- 


t*    ::    --    y  — i  .  .1^  t  'MI 

r«r  Zfil  £»v^s  Biair- ^-  ur>  .^^Ä-rx    *     laI  iie>    l>.  Füllten  in  HohMun, 
>pJTigiifTg '.   UL    vT-na.   .'«ic   -c3r-r  L*tj-.  rti^.   d^m  $.  Ta^?  Juni  wMt  «li»* 
Schlr*sfiifäa  Br^:i«*iL  öanwr    *-.  •'^'^■;?- j   cy-labU    fH*nt,  wx^loho«  r»r*ilk*'l» 
-^eineii    XkliBa    V^csb      ••  r    c-a.    rr.*-t^a    Bei\kV    WoiM    Winto»     \\\\\\ 
Stmauer  giiiL   nmc  w^raH:    h^i*   /•u-   ir^L^ia:   ninb  don  Hnvk»t«Mn,  x^«»!«'!»»'^ 
der  «ijwrTwir    H*tt    ^  S    '\-^-;  t.«  A^-k  *  ^ftni»:»   7  Mo>lon  \on  K.^llou 
am  Röa  gekgtai.  rm*    -r*^  l.-^  l'^  t.-x  AtitM,  frHiut.     Kr  kftin  im»  II^ium 
U»4  A'.  lOfiS.  mr  2>-'  6-*  :T.  Ftrst-t  Bry^iisUn«  in  Hi^hmon»  tilMn  rv  1»»^ 
KaT«er  H«?iiiricb^  T'-rj.;*^.  ü*t  f^Jire-^in  und  Landfllrutin  HnuHtn*  in  M<^lt 
men  r»  I^ae  ul  o-ir^ai-i  Ftr?Teibt.ie  S  .Uhry  Un«  dionot  nn<l  lltv  I    Hu 
CaÄdrT-ScLr**rt»^  Ajct  t#t*.  -rr^t. 

und  kü-  <ter  Flivi  Br^i>l*ii*  starb,  und  5tMU  Sohn  SpllinuiMi«,  «lo 
18.  Pirüt  IL  lnii3ii*T.  'r««"i*rr:;.  ^r  b^^fahl,  duss  t\l>or  :*  Tu«i'  nWh  i\\\v  P»  ul'.  In' 
weht  sciQeB  Imütii  .*>*,  W:  Verius^t  Leib  und  I.oIhmi-*.  Kr  VPilH*!»  <mc  li 
feia  leÄcjctae  ^fcrur,  KkV'S^r  Heinriihs  Toohtor,  uutl  *»•"<''  Ib»  d»  u  I.mI 
Alß  aber  k>  I»*Tr*.-'!i*  i.f  Flucht  gaben  a«6  d»»m  ll.khnii^iliind,  Urtud»  d«» 
H.  WoMF  Um*!  fcnb  ^is  Ab^^hi.ii  von  d<»m  rrlnf«»'*«ln  ll«dr,  luM-litit  »<»•  li 
PreMair  £il 

Uaier  Wee^,  ait  ferne  ron  Tnuittonuw,  Kum  t^»  pw  <»'»  d»ul-.  lo  ti 
ftöditigeB  Ber^bauem.  IHe  weine t<^n  und  kbmlen  mW  \V«'li>  »»ud  Khubni, 
Äagtea,  sie  wulneii  eimm  gern  umb  drorken  Hr.»l  iiiImMUmi  uud  bi'Ui wpMhm, 
«e  wiusttti  nirgwid  wonauß.  Herr  Woltl'  UlMol  oiI.mhmo«  Dit  Nolh  hm.I 
Klagen,  sagt  la^Lende:  Ja,  lieben  BoiW'N.dli'U,  woU  lli»  uH»  »mm-  Itiui 
arbeiten,  biß  unß  (iott  begnadet  mit  Silber  odnr  nM  10.,  I.b  ^ll  .u.  h 
Brota  gemmg  geben.  Wil  euch  dort  Iuh  wlldo  Mlllniii.Mhi.M  ■.'bl.'l..u.  .si 
schürfen  xaä  zu  suchen  mein  und  euer  (JellWU.  ^ImI-  im  Ihm  .m  Im.  d.u  ulli 
wir  gedcnkeiL    Sie  schrien  alle:   Ju    g.ni.    ILur      1»   M»I)M«  -L    m- m    I  ..mH 

tenaw  in  die  Tafema  £ur  Hcrberg.     Oor  11.  WolfT  CM.  I    ) M    •••  v    .Imm 

alten  HentMi  Burgrafen  zu  Trauttonuw  Alb...bl  |TM..Hh  mIm  m^' »1  ••.  ImMI 

und  Bergwerkfreyheit  auß  vor  Mich"  und  «lU«  -  •••-  »»••»'••;••»  •"•'    ^••"•7'" 
in  Brot.    Schickt  alle  Wege   6  IVrn.boM.M    Im.    II).  ü.  m«.  I.h.. ,    l.u    «u. 

und  zu  schrnpfen.^* 


|>  III    ili  M    AImImm  il    U  IMiIh 

angäbe  hat  Lippert.Gesohichto  »mr  .'^;'";;    V;;;;,.;,..,.,,.,,,  hu. -lu  vu.,  IL  mm  IM  m.  | 

die  Schreibweise 

einiresaiidten  Ab&vxu>iv  oi«^. —.  i      i.   »      i       n^     .... 

»)  Heraog  Spitignew,  roff.  U^>*    <»•      "" 
obige  als  die  beste  durobgefUbri. 

«)  Hat  keinen 
heisst,  woran  der 

«)  Sinapius  hat  Aacken,  LipP"»"*  '      '  *^'  ,.        ,.        .      ,,.     ,  ,       ,      ^, 

*)  Gemeint  ist  Ghitta,  Jutta      JuditI«. 
grafen  Heinrich  von  Schweinfurt. 

*)  Hs.  vorsucht.  - 


Lippert.Geschichto  dnr  HOuH  T 1  ,....,         , 

n  Abschrift  sind  in  ocklRM  Kl •♦•••"  «*  " 

r  Spitignew,  reg.  U^>*    <"      »"• 

Bste  durchgeführt^  ^^^^  ^^^^    , ,.^^,,, ,,   ,, ,  ,^,  ,^,  ,,^, , ^^^^^ 

sinen  Sinn;  gedacht  ist  „.„in,  h  u.  Im- Io.m  I.  Miuh  K  .M.mMM  li  tMlMM..it 

jr  Name  Brzeczstain.  wi«  or  *••«' 


242  Kleinere  Mittheilungen. 

Man  findet  reiches  Silbererz;  darob  grosser  Jubel,  Wolf  Ulstet  macht 
grosse  Schenkungen.    Dann  heisst  es  weiter: 

„Satze  im  bald  geschworne  Bergmeister,  Schreiber,  Steyger,  Schulmeister, 
alles  nach  Bergwerks-Ordnung,  und  erbaut  also  in  kurzer  Zeit  ein  großen 
silbern  Schatz,  davon  er  erstlich  das  Schlößlein  Breckstein  erbauet.  Darnach 
Terehret  der  H.  Wolflf  Ulstet  dem  Fürsten  Spitigneus  zu  Präge  mit  gredigem 
Silberwahr,  zu  und  auf  einen  fttrstlichen  Tisch  gehört  K  Da  verehrt  in  der 
Fürst  widerumb  mit  einem  silbern  Namen  und  sagt:  Herr  Ulstet,  ihr  salt 
hinfort  Silber  heißen  und  genent  werden;  wir  woUen  euch  von  Neues  adeln. 
Sagt  an,  waß  wollet  ihr  im  Wappen  führen  ?  Herr  Wolf  Ulstet  bedacht  sich 
kurz  und  sagt:  AUergnedigster  Fürst  und  Herr,  dieweil  mich  Gott  durch 
Bergwerck  begnadet,  so  wil  ich  mir  zu  gutten  gedechtniß  einen  schwarzen 
Kayl  im  Schiide  führen  in  einem  rotten  Felde*,  dieweil  die  Berghauer  Tag 
und  Nacht  arbeiten,  so  bedeut  die  rotte  Farbe  daß  Feyer.  Ich  bin  kein  Do- 
nirer^  begehr  einen  zugethanen  Stechhelm  nach  Kriegesleute  Brauch.  Und 
dieweil  ich  auß  der  Stadt  Aachen*  gebürtig  bin  und  dieselbe  Stadt  einen 
schwarzen  Adler  zum  Wappen  führet,  so  wil  ich  meinem  Vatterland  zu 
guttem  Gedechtnüß  einen  schwarzen  Adler  auf  dem  Helm  führen.  DerFüi'st 
befahl  entlich  seinem  Mahler,  dem  Cantzel-Schreiber,  dem  Herrn  Wolf 
Ulstett  solche  beschriebene  Maystett  zu  verfertigen.  Fragt:  Herr  Wolf, 
war  wolt  Ihr  euch  schreiben?  Er  sprach:  Gnediger  Fürst  und  Herr,  ich 
habe  mir  eine  kleine  Vestung  erbauet,  der  ist  der  Breckstein  genendt.  Nein, 
sagt  der  Fürst,  schreibet:  Der  Edle,  Ehrenveste  Herr  Wolf  Silber  von 
Silber  stein. 

Darauf  zog  der  Herr  Wolflf  Ulstett  einen  Brif  herauß  dem  Wetzger*, 
darauf  abgemahlet  stunden  seine  Wappen,  wie  folget,  und  zeiget  sie  Ihr 
f.  Gn.  Erstlich  seines  H.  Vatters  Ulstet  Wappen;  seiner  Frau  Mutter  Anna, 
eine  geborne  vom  Anger  auß  Sachsen,  vom  Adel;  seines  Herren  Vättern 
Mutter  Eliaß,  ein  geborene  von  Sattel  Bünne®,  vom  Adel;  seine  Frau,  eine 
geborne  Dortin  von  Collen  am  Reine'.  Darauf  Ihr  f.  Gn.  sagt,  ein  jeder 
Herr  mecht  sich  seiner  gebornen  Wappen  und  mehr  seiner  Begnadung  privi- 
ligirten  Mayst.  Wappen  wohl  gebrauchen,  der  schon  viel  wehren.  Und  be- 
fahl Ihr  f.  Gn.,  sie  salten  den  H.  Wolff  Silber  in  seinen  neuen  Wappenbrief 
setzen,  dass  er  Macht  habe,  in  Böhmen  Dörfer,  Schlößcr,  Markt  und  Städte 
zu  bauen  und  zu  kaufen  frey  ungehindert." 

')  Anch  dieser  Satz  ist  offenbar  verdreht.  Die  von  Dr.  Scheins  eingesandt«  Ab- 
schrift hat :  mit  gediegenem  Silberwerg,  was  zu  und  auf  .... 

*)  Richtig  wäre  ^im  blauen  Felde**. 

*)  Tumierer. 

'•)  Hs.  Aan. 

*)  Wetschger,  eine  Anhängetasche. 

•)  So  die  Hs.  von  1654.  Die  eingesandte  Abschrift  hat :  ^Beines  H.  Vettern  Elias, 
ein  gebohmer  von  Sattelbaum*'. 

')  Eine  Familie  Dorthe  gab  es  in  Köln,  soviel  ich  sehe.  Leider  stehen  mir  nicht 
hinreichende  literarische  Behelfe  zu  Gebote.  Die  eingesandte  Abschrift  hat  llhrigens 
„Portin^ 


Kleinere  MittheiloiiKen.  243 

Der  Schluss  erzählt  noch,  wie  es  Herr  Wolf  beim  Herzog  auswirkte, 
dass  den  Deutschen  wieder  Handel  und  Wandel  in  Böhmen  erlaubt  ward. 

Stellen  wir  nun  dem  gegenüber  die  ältesten  Nachrichten  der  Geschichte 
über  die  Silber  von  Silberstein.  Zuerst  begegnen  sie  als  Besitzer  des  Städt- 
cheoä  Pilnikau,  nicht  weit  westlich  von  Trautenau.  Noch  im  J.  1371  bildete 
dasselbe  einen  Theil  der  Herrschaft  Trautenau;  aber  schon  1388  gehörte  es 
dem  Jeschek  (Johann)  Silber,  und  diese  Familie  nennt  sich  seitdem  Silber 
von  Pilnikau.  In  der  nächsten  Zeit  erwarb  dieselbe  andere  kleinere 
Gtlter  der  Umgebung;  wir  nennen  nur  das  Dorf  Wildschütz,  unweit  nördlich 
von  Pilnikau,  wovon  zunächst  ein  Theil  um  1418  an  die  Silber  kam.  Auf 
Wildßchützer  Gebiet,  nicht  weit  nördlich  vom  Ort,  stand  der  Silberstein. 
Da  es  nun  wohl  als  sicher  gelten  kann,  dass  die  Silber  diese  Burg  erbaut 
haben,  so  haben  wir  die  Entstehung  erst  nach  1418  anzusetzen,  also  wäh- 
rend den  Hussitenkriegen  oder  bald  nachher.  Erwähnt  wird  sie  zuerst  1455, 
wo  ein  Nikolaus  Silber  Besitzer  ist.  Seitdem  kommt  der  Name  Silber 
von  Silber  stein  in  Gebrauch. 

Erwähnen  wir  noch,  dass  ein  Wolf  Silber  nicht  vorkommt,  so  ist  es 
klar,  dass  die  Geschichte  dieses  Geschlechts  keinerlei  Stütze  für  obige  Er- 
zählung bietet.  Dennoch  muss  man  annehmen,  dass  diese  nicht,  wie  die 
meisten  übrigen  der  Chronik,  eine  reine  Erfindung  des  16.  Jahrhunderts  ist 
Es  leben  vielmehr  in  dieser  Wappensage  gewiss  einige  dunkele  geschicht- 
liche Erinnerungen  fort,  und  es  ist  nur  dem  Mangel  an  Quellen  zuzuschrei- 
ben, wenn  wir  die  Entstehung  der  Sage  nicht  genau  verfolgen  können. 
Folgende  Punkte  sind  dafür  aber  unbedingt  beachteuswerth. 

Wie  erwähnt,  gehörte  der  Silberstein  zum  Gute  Wildschütz.  Dieses, 
tschechisch  Wlczice,  setzt  einen  Gründer  Wlk  =  Wolf  voraus.  Im  Besitz 
dieses  Dorfes  war  von  1355—78  ein  Deutscher,  mit  Namen  Ulemann  von 
Neules,  dann  seine  Söhne.  Eine  andere  deutsche  Familie  besass  damals 
(schon  1362)  das  nicht  weit  von  Wildschütz  gelegene  Dorf  Kottwitz ;  dieselbe 
nannte  sich  „von  Köln",  woraus  man  wohl  mit  Recht  auf  Einwanderung 
vom  Ehein  schliessen  kann.  Auch  darauf  wird  man  hinweisen  können:  die 
Sage  verknüpft  die  Gründung  des  Silberstein  mit  der  Vertreibung  der  Deut- 
schen durch  Herzog  Spitignew.  In  Wirklichkeit  entstand  die  Burg  in  der 
Hussitenzeit;  diese  war  aber  auch  eine  Zeit  des  Kampfes  gegen  das  Deutsch- 
thum  in  Böhmen.  Auch  die  Einwanderung  deutscher  Bergleute  (aus  Meissen) 
ist  historisch,  doch  ftllt  sie  erst  ins  Ende  des  15.  und  den  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts. 

Zum  Schluss  noch  einige  Notizen  über  die  spätere  Geschichte  der 
Silber  von  Silberstein.  Besitzer  von  Wildschütz  und  Silberstein  waren  sie  bis 
auf  den  drcissigjährigen  Krieg,  wo  ihre  Güter  konfiszirt  wurden.  Ein  Zweig 
war  noch  bis  um  1660  in  Böhmen  begütert.  Dann  verschwindet  die  Familie 
ganz.  Die  Freiherren  von  Silberstein,  die  in  unserm  Jahrhundert  jene  Herr- 
schaft besassen,  waren  Nachkommen  eines  Handelsmanns  aus  Aman,  Namens 


244  Kleinere  Mittheilungeu. 

Ther,  der  1789  Wildschütz   kaufte  und  1794   in  den  Freihermstand  erhoben 
wurde  mit  dem  Prädikat  „von  Silberstein**. 

Pi-ag.  W,  Hiehe. 


4.  Der  Eid  des  Yicedominns  beim  Aachener  Marienstift 

Bei  dem  Studium  der  alten  liturgischen  Bücher  der  Burgundischen 
Bibliothek  zu  Brüssel  fand  der  Unterzeichnete  eine  im  Katalog  als  „Evan- 
geliarium**  aus  dem  zweiten  Drittel  des  10.  Jahrhunderts  bezeichnete  Hand- 
schrift, die  aus  dem  Aachener  Münster  stammt.  Sie  zerfällt  in  zwei  Theile, 
deren  erster  verstümmelt  ist.  Er  enthielt  ehedem  die  Evangtilien  des 
Kirchenjahrs  vom  ersten  Adventssonntag  bis  zum  letzten  Sonntag  nach 
Pfingsten.  Jetzt  beginnt  er  mit  der  Charwoche.  Die  Art  der  Zählung  der 
Sonntage  und  die  aufgeführten  Evangelien  scheinen  zu  beweisen,  dass  die 
Datirung  wohl  bis  ins  11.  Jahrhundert  herabzurücken  ist.  Der  zweite  Theil 
ist  ein  von  anderer  Hand  geschriebenes,  für  die  höchsten  Feste  eingerichtetes 
Messbuch.  Es  enthält  die  für  die  Weihnachtstage,  das  Dreikönigcnfest,  die 
drei  Ostertage,  Christi  Himmelfahrt,  Pfingst-Samstag  und  -Sonntag  und  für 
die  Feste  des  Täufers  und  der  Apostelftirsten  üblichen  Messformulare.  Der 
Aachener  Ursprung  ist  durch  drei  am  Ende  des  ersten  Theils  auf  leeren 
Blättern  wohl  im  14.  Jahrhundert  eingefügte  Eidesformeln  sichergestellt. 
Die  ersten  beiden  Eidesformeln,  deren  sich  der  König  bei  Uebernahme 
seines  Kanonikats  an  der  Münsterkirche  und  der  Propst  bedienten,  bean- 
spruchen geringeres  Interesse,  weil  sie  sich  in  andern  Büchern  des 
Münsters  finden,  welche  zu  Aachen  geblieben  sind.  Wichtig  ist  dagegen 
das  dritte,  von  einer  andern,  weniger  kräftigen  und  gleichmässigen 
Hand  mit  anderer  Tinte  beigefügte  Eidesformular.  Es  wird  als  iuramen- 
tum  vicedomini  bezeichnet.  Schon  der  Umstand,  dass  dies  dritte  Formular 
neben  dem  des  Königs  und  des  Propstes  steht,  bezeugt  das  Ansehen, 
dessen  sich  der  Vicedominus  erfreute.  Er  muss,  wie  schon  die  Aufnahme 
seines  Eides  in  dies  Buch  beweist,  zum  Münster  in  besonderer  Beziehung 
gestanden  haben.  In  dem  von  Quix  als  Anhang  zum  Xecrologium  ecclesiae 
B.  M.  V.  Aquensis  gedruckten  Liber  censuum  eiusdem  ecclesiae  vom  Jahre 
1320  findet  sich  S.  73  eine  Odilia,  uxor  Wilhclmi  vicedomini,  welche  für 
einen  Laden  (theca)  im  Kaufhaus  (domus  institricum)  dem  Münster  18  solid! 
ftlr  das  genannte  Jahr  zahlte.  Der  Eid  lässt  den  wichtigsten  Theil  der  Obliegen- 
heiten des  Vicedominus  erkennen.  Es  scheint,  dass  er  auch  der  Gresch&fts- 
träger  des  Propstes  für  die  Verwaltung  des  diesem^  unterstehenden  Theils 
der  Geldgeschäfte  der  Marienkirche  war.  Vielleicht  wird  die  Mittheilung 
dos  Eidesformulars,  das  jet^t  folgt,  zur  nähern  Erforschung  der  Verfassung 
^les  Aachener  Kapitels  beitragen. 


Kleinere  Mittbeilun^on.  S4xS 

Ab  hac  hora  inantea  iuro  ego  N.,  quod  ero  Meli«  oodoHio  ol  cu|ilt\üo 
beate  Marie  Aquensis  et  presertira  in  omuihuH,  que  coiu'cnmiit  ol^ririum 
vicedominatus  ecclesie  predicte,  quodque  oblationos  in  auro  inom^tato  ot 
non  monetato,  in  argento  monetato  ot  non  monetato,  lapidibus  pivtlttüis, 
equis,  annis  aliisqne  clcnodiis  quibuscunque  oflferendaH  et  porventurus  ipsi 
capitnlo  predicto  seu  canonicis  ad  antiquam  fabricam  utium  dopututis  ^v\\ 
pro  tempore  depntandis  fideliter  pro  mco  posse  et  nosHc  faciam  didlbiMiiri; 
item  quod  pro  meo  posse  et  nosse  omnia,  ad  quorum  tumHorvatiomMu  t^t 
reparationera  dominus  prepositus  Aquensis  ratioiie  eustodie  eofh^Hit^  lonetur 
et  tenebitur,  conserrari  et  reparari  faciam  et  alia  per  dictum  dominum  prt^- 
positum  deliberari  et  solvi  debita  et  debenda  deliberari  faciam  ot  porsolvam; 
omniaque  alia  et  singula,  ad  que  ratione  ipsius  vicedominatus  iuxtu  ipNius 
ecclesie  antiquam  observantiam  tencbor  et  astrictus  ero,  Hdeliter  adimplidm, 
Sic  me  luvet  Dens  et  hec  sancta  ewangelia. 

Exaeten,  St.  lieinsd  S.  ./. 


5.  Zar  Geschichte  der  Familie  Wildt. 

Das  Wappen  der  nunmehr  erloschenen  Familie  des  gctVIorton  I*rimuH 
von  Löwen,  Mathäus  Joseph  Wildt,  auf  welchen  A.  von  Uoumont  in  diosor 
Zeitschrift  I,  S.  216  wieder  aufmerksam  gemacht  hat,  zol^t  in  quorgethuiltum 
Schild  oben  einen  wachsenden  wilden  Mann,  unten  drei  (2.1)  Lilien.  Helmzier: 
der  wachsende  wilde  Mann. 

I.  Wilhebn  Wildt,  geb.  1648  zu  Eynatten,  gest.  am  4.  Oktober  1732 
zu  Aachen,  Kanonikus  des  Münsterstifts  daselbst,  ging  am  6.  August  1688 
als  Mitglied  des  Kollegiums  de  Castro  zu  Löwen  bei  der  philosopbiHcbon 
Fakultät  als  Erster  nach  dem  Primus  hervor  *.  Sein  Bruder  Theodor  Jo.seph 
Wildt  (1729  Weinhändler),  verheirathet  mit  Katharina  von  den  Elsen,  hinter* 
liess  einen  Sohn': 

n.  Peter  Joseph  Wildt,  get.  1.  März  1729,  Rontmeister  des  Kron- 
stifts zu  Aachen,   1755  Weinhändler,  1786  Werkmeister,  vermählte  sich  mit 


*)  Näheres  über  ihn  s.  bei  Quix,  Beiträge  zu  einer  hist.-topo)^.  Beschreibung  de« 
Kreises  Eupen  S.  200  f. 

«)  Eine  Tochter  war  vermählt  mit  N.  N.  CardoU,  wovon : 

1.  Johann  Theodor  CardoU,  geb.  1727,  gest.  1813,  Speichermoiater  des  Kronstifts 
zu  Aachen. 

2.  Konrad  Hermann  CardoU,  geb.  1740,  gest  1822,  seit  1760  Kanonikus,  st-it  ITk'J 
Vicepropst  und  Kardinalpriester,  seit  1787  Dechant  beim  Kronstift  zw  Aachen  und  in 
dieser  letzten  Eigenschaft  Erbpropst  eu  Bütten,  sowie  apostolischer  Erhalter  der  i*rivi- 
legien  des  Aachener  Klems  nnd  Volkes,  sodann  seit  18053  Pomdechant  und  Kapitular- 
Kanonikus  am  Aachen.  Zu  den  Krönungen  der  beiden  deutschen  Kaiser  Leopold  II. 
1790  und  Pranz  U.  1792  entsandte  ihn  das  Stift  als  Deputirten,  untl  zwar  das  letzte  Mul 
in  Begleitung  des  Krzpriesters  Friedrich  Georg  Frana  Freihorm  von  MyUus  und  des 
Scholasters  und  Lizentiaten  beider  Recht«  Peter  Klemens  Joseph  Anton  Heusch  als 
Syndikus,  nach  Frankfürt. 


246  Kleinere  31itthcilungen. 

Maria  Louise  de  Lognay,  Tochter  von  Mathäus  Joseph  de  Lognay,  kgl.  prcussi- 
schem  Residenten  zu  Aachen,  und  Maria  Katharina  de  Stefn6.  Dieser  Ehe 
entstammten : 

1.  Mathäus  Joseph,  Primus  von  Löwen  am  20.  August  1776,  Lizentiat 
beider  Rechte,  wurde  zum  Mitglied  des  Aachener  SchöfiFenstuhls 
gewählt  (als  solcher  noch  1791  und  1793  in  den  Aachener  Raths- 
kalendem  erwähnt)  und  von  der  Kaiserin  Maria  Theresia  in  den 
Adelstand   erhoben.    Er  starb  unverehlicht  zu  Wien.    Für  seinen 

,     Einzug  in  Aachen  25.  August  1776  wurde   folgende  Ode  verfasst: 

Entreiss  dich,  Aachen,  deinen  Häusern, 

Es  kommt  zur  Vater-Stadt  dein  und  der  Musen  Sohn: 

Sein  Haupt  bekränzt  mit  Lorbeer-Reisern, 

Es  ist,  was  er  dir  zeigt,  der  Weisen  Lohn. 

Er,  der  sich  dorthin  wusst  zu  schwingen. 

Wohin  es  keinem  nicht,  seit  Hundert  Jahre  Frist, 

Noch  seinem  Ahnherrn  wollt  gelingen, 

Er,  der  zum  höchsten  Ruhm,  der  Löv'ner  Primus  ist. 

Auf!  lerne  deine  Ehre  schätzen, 

Lass  dir  zum  Muster  seyn  dies  Nachahmswerthe  Bild: 

Lass  diesen  Tag  in  Marmor  ätzen, 

Und  halte  stets  im  Aug*  den  Hoffnungsvollen  Wildt. 

Die  Wildt  bei  dieser  Gelegenheit  von  dem  Aachener  Magistrat  über- 
reichten Ehrengeschenke,  bestehend  in  einer  silbernen  Kanne  und  Schtlssel, 
befinden  sich  heute  im  Besitz  der  Familie  von  Coels  von  der  Brttgghen,  welche 
dieselben  im  J.  1823  auf  einem  öffentlichen  durch  Minderjährigkeit  der  Kinder 
Wildt  veranlassten  Verkauf,  mit  Rücksicht  auf  ihre  verwandtschaftlichen 
Beziehungen  zu  de  Lognay  erworben  hat. 

2.  Hermann  Joseph  Kornelius  (III). 

3.  Helene,  geb.  1761,  gest.  1819  unverehlicht. 

in.  Hermann  Joseph  Kornelius  Wildt,  got.  16.  Sept.  1772,  gest.  6.  Nov. 
1817,  Mitglied  des  Stadtraths  zu  Aachen,  heirathete  1804  Maria  Anna  Katha- 
rina Goertz*  (geb.  1778,  gest.  1823),  Tochter  von  Hermann  Heinrich  Öoertz, 


*)  Wappen:  in  Silber  eine  rothe  Schleife,   oben   von  2  Sternen,  unten  von  einer 
Schlange  begleitet.    Helmzier:   Stern  zwischen  2  Flügeln. 

I.  Erich  Adolph  Goertz  war  vermählt  mit  Isabella  Fey,  Tochter  von  Arnold  Fey 
und  N.  N.  Schmits. 

Fey.  Schild  von  Blau  und  Silber  quergetheilt,  darin  2  gekreuzte  Schwerter, 
bewinkelt  oben  von  einem  gestttmmelten  Vogel,  unten  von  je  einem  Stern, 
aut  dem  Helm  zwischen  2  Flügeln  der  gestümmolte  Vogel  wiederholt. 


Kleinere  Mittheiluugcn.  247 

Schöffe   der  freien  Herrlichkeit    Eupen,    und   Jcihanna   Marin   Mostard t.     Kr 
hinterliess  ; 

1.  Hermann,  kgl.  preus:*.  Friedensrichter  zu  Ahrweiler,    ntarb  unver- 
ehlicht. 

2.  Heinrich,  starb  unvcrehlicht. 

3.  Eugenie,  starb  unverehlicht. 

4.  Louise,  heirathete  zu  Köln  Theodor  (.'am per. 

5.  Sidonie,  heirathete  zu  Köln  Theodor  Horst. 

Aachen.  Antoti  Jleusch. 


Sehmits.  Ein  Querbalken«  oben  von  2,  unton  von  1  Hammer  bogleitot.  Anna 
Maria  Schmits,  Nichte  der  Obengenannten,  war  verehlioht  mit  Jolinim 
Wespien,  Bürgermeister  zw  Aachen,  woher  iiioh  jenen  Wappen  Über  dorn 
Wespienschen  Hause  in  der  KleinmarsohierHtrasse  befindet. 
Wespien.  Ein  Querbalken«  oben  von  2  Kleeblättern,  unten  von  U  Andreiw- 
krenzchen  begleitet. 

Kinder:  1.  Erich  Adolph.  2.  Hermann  Heinrich  (II).  8.  Maria  Katharina,  vermJlhlt 
mit  Heinrich  Joseph  Freiherm  von  Thimus-Ziverich,  BUrgermciHtor  zu  Aachou 
(1777,  79,  81,  88),  Q«neralforstmeist«r  des  Herzogthums  Limburg,  wi-bilior  in 
zweiter  Ehe  mit  Therese  Josephine  Baronne  de  Oravo-Bajorlou  vorhei- 
rathet  war. 
II.  Hermann  Heinrich  Qoertz,  Schöffe  der  freien  ncrrllchkoit  Eupen,  war  vor- 
heirathet  mit  Johanna  Maria  Mostardt. 

Mostardt.  Quadrirt,  Feld  1  und  4  in  Roth  3  (2.1)  HenHiUltter,  Feld  2  und  H 
in  Silber  8  (2.1)  Lilien.  Helnutier :  einwärts  gebogener  gehamlHciiier,  Kcliwiat- 
schwingender  Arm.  Zu  dieser  Familie  gehört:  Arnold  Nikolaus  Moniart, 
Kanonikus  des  Mtlnsterstifts  (1761). 

Kinder:  1.  Maria  Isabella,  verehlicht  mit  Peter  Kornelius  Veroken.  2.  Aogidlii« 
Erich  Adolph,  geb.  19.  April  1771,  gest.  5.  Nov.  1H28  unvi^nOillcbt.  ».  Maria 
Johanna  Klara,  heirathete  Ignaz  Tyrell.  Wappen:  in  lUiih  ein  ernituloHiT 
Sparren,  der  3  Andreaskreuzohen,  welche  an  der  linl<*«u  Heitn  rinen  Zapfi'n 
haben,  von  einander  trennt.  Helrazier:  2  Flügel.  4.  Maria  Aniui  KuUuiiluu, 
verlieirathet  mit  Hermann  Joseph  Kornelia«  Wildt.  r».  Murin  (»«HiihI  Mhiku- 
rothe,  heirathete  14.  Juli  lH*i  Martin  Dyoni»*  Vfiorn,  kiiimMl.  iMvir.  Iliuipl- 
mann  und  Adjutanten  des  Prinzen  von  Rt>Uan-(hi^>uu'iUK 


Literatur. 

Das  Königslagcr  vor  Aachen  und  vor  Frankfurt  in  seiner 
rechtsgeschichtlichen  Bedeutung.  Von  Karl  Schellhass.  (Histo- 
rische Untersuchungen,  herausgegeben  von  J.  Jastrow,  Heft  IV.)  Berlin, 
R.  Gaertners  Verlagsbuchhandlung.  1887.  VIII  und  207  S.  8°. 

Die  Vorgänge,  welchen  dieses  Buch  gewidmet  ist,  haben  schon  im  vori- 
gen Jahrhundert  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  auf  sich  gezogen,  sogar 
3Ieyer  hat  in  seinen  Aachenschen  Geschichten  I,  S.  366  das  Königslager 
gegen  seine  Gewohnheit  in  zusammenfassender  Erörterung  besprochen. 
Nachdem  im  IV.  Band  der  Reichstagsakten  zu  Nr.  157  das  Material,  soweit 
es  bekannt  und  zugänglich,  zusammengestellt  worden,  hat  Harnack  in  der 
Arbeit  über  das  KurfilrstenkoUcgium  manche  Einzelheit  gestreift,  der  Verf. 
selbst  in  einem  Vortrage  (Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen  Zeitschrift 
filr  Geschichte  und  Kunst,  Jahrg.  V,  Sp.  108  fP.)  die  hier  in  Betracht  kom- 
menden Fragen  kurz  behandelt.  Durch  die  vorliegende  Untersuchung  will 
er  den  Zusammenhang  darlegen,  in  welchem  eine  Anzahl  bisher  nur  isolirt 
betrachteter  und  gedeuteter  Erscheinungen  steht,  sowie  den  eigentlichen 
Ursprung  und  letzten  Grund  derselben  nachweisen. 

Nach  einer  kurzen  Einleitung  behandelt  der  Verf.  in  neun  Abschnitten 
die  Königswahlen,  bei  welchen  Aachen  oder  Frankfurt,  seiner  Ansicht  nach, 
dem  König  den  Eintritt  in  die  Stadt  verweigert  und  ein  Lager  vor  dersel- 
ben verlangt  haben,  oder  bei  welchen  wenigstens  von  einem  Lager  die  Rede 
gewesen  ist.  Hier  kommt  Folgendes  zur  Sprache:  1.  Die  Krönung  Richards 
von  Cornwales  in  Aachen  (1257).  2.  Die  Doppcl  wähl  des  Jahres  1314,  bei 
welcher  Aachen  nach  den  Ausfllhrungen  des  Verf.  von  Friedrich  dem  Schönen 
sicher,  von  Ludwig  dem  Baicr  wahrscheinlich  das  Lager  verlaugt,  letzterer 
auch  wirklich  drei  Tage  lang  vor  der  Stadt  gelegen  haben  soll.  Femer  die 
Wahl  Karls  IV.  (1346),  bei  der  Aachen  angeblich  ein  Lager  von  sechs 
Wochen  und  drei  Tagen  verlangte,  was  dann  die  Krönung  des  Königs  in 
Bonn  zur  Folge  hatte.  3.  (lünthers  Lager  vor  Frankfurt  (1349),  bei  welchem 
das  Beispiel  der  Aachener  für  die  Frankfurter  massgebend  gewesen  wäre. 
4.  Wenzels  Wahl  zum  römischen  König  (1376).  5.  Die  Wahl  Ruprechts 
(1400)  und  sein  Lager  vor  Frankfurt.  6.  Die  Haltung  Aachens  gegen 
Ruprecht.  Die  Krönungsstadt  verlangte  in  diesem  Falle  ein  Lager  von  sechs 
Wochen  und  drei  Tagen,  verfiel  aber  durch  ihr  Verhalten  der  Acht,  während 


Literatur.  249 

Ruprecht  am  6.  Januar  1401  zu  Köln  gekrönt  wurde.  7.  Die  Doppel  wähl 
des  Jahres  1410  und  Konig  Sigismunds  zweite  Wahl  im  Jahre  1411. 
8.  König  Sigismnnds  Krönung  in  Aachen  (1414),  der  ein  dreitägiges  Lager 
vorangegangen  sein  solL  9.  Nachrichten  des  Jahres  1461,  welche  si<'h  auf 
die  Möglichkeit  der  Wahl  König  Ge<»rgs  von  Böhmen  und  del^sen  Absicht, 
vor  Frankfurt  zu  lagern,  beziehen. 

Ein  zehnter  und  letzter,  als  Rückblick  l>ezeichneter  Abschnitt  (S.  167  ff.), 
dem  fünf  Exkurse,  ein  fünf  Einzelheiten  berührender  Nachtrag,  Bibliographie 
(Verzeichniss  der  abgekürzt  citirten  Werke)  und  Register  folgen,  fa^^si  die 
Ergebnisse  zusammen,  zu  denen  der  Verf.  gilangt  ist.  König  Richard  war 
am  11.  Mai  1257  in  Aachen  eingezogen,  aber  erst  am  17.  gekrönt  worden. 
In  seinen  Berichten  an  den  Papst  ist  er  bestrebt  gewesen,  die  kurze  Ver- 
zögerung durch  Hinweis  auf  eine  thatsachlich  nicht  geübte  Sitte  jeder  fiir 
ihn  nachtheiligen  Deutung  zu  entziehen,  imd  so  gelangte  Urban  IV.  dazu, 
in  seiner  Bulle  „Qui  coelum"  vom  Jahre  1263  den  Satz  aufzustellen,  da,«*s 
jeder  Gewählte  sich  vor  seiner  Krönung  einige  Tage  vor  Aachen  lagern 
müsse,  tun  etwaigen  Gegnern  noch  Gelegenheit  zum  Einspruch  gegen  die 
Wahl  zu  geben.  Die  jeder  rechtlichen  Unterlage  entbehrende  Bestimmung 
hat  dann  die  Aachener  zu  ihren  Forderungen  veranlasst,  und  ihrem  Beispiel 
sind  die  Frankfurter  gefolgt.  Zur  Erklärung  der  mehrfach  als  not h wendig 
hingestellten  Frist  von  sechs  Wochen  und  drei  Tagen  zieht  der  Verf.  das 
beim  Reichshofgericht  gebräuchliche  Anleiteverfahren  heran,  nach  welchem  der 
Kläger  beim  Ausbleiben  des  richtig  geladenen  Beklagten  zwar  vorläufig  in 
dessen  Gut  eingewiesen  wird,  es  aber  erst  auf  Gnind  einer  weitem  Ein- 
weisung nutzen  darf,  nachdem  er  sechs  Wochen  und  drei  Tage  gewartet,  ob 
dieser  sich  nicht  doch  noch  vor  Gericht  verantworten  werde. 

Der  Verf.  hat  mit  grossem  Fleiss  und  Geschick  den  nicht  gerade  reich- 
haltigen Quellenstoff  zusammengebracht.  Er  hat  in  eingehender,  zuweilen 
freilich  auch  weitschweifiger  imd  sich  wiederholender  Darlegung  seine  Ansiebt 
begründet.  Ich  kann  diese  aber  nur  als  einen  auf  sehr  zweifelhaften  und 
künstlichen  Hypothesen  beruhenden,  nichts  weniger  als  tiberzeugenden 
Erklärungsversuch  bezeichnen.  Insbesondere  scheint  mir  fast  Alles,  was 
Über  Aachener  Vorgänge  und  über  die  Haltung  und  Absichten  der  Vertreter 
der  Krönungsstadt  gesagt  ist,  unzutreffend  und  verfehlt  zu  sein. 

Die  Aachener  sollen  von  Friedrich  dem  Schönen  ein  dreitägiges  Lager 
verlangt  haben.  Ihre  darauf  bezüglichen  Erklärungen  sind  nur  bekannt  aus 
dem  in  einem  Schreiben  des  Erzbischofs  Heinrich  II.  von  Köln  enthaltenen 
Bericht,  wo  es  heisst:  „se  praeventos  et  iam  devinctos  aliis  pactis,  iuxta 
suaa  sanctiones  vellent  prius  utriusque  potentiam  experire".  Das  lautet  doch 
in  hohem  Masse  unbestimmt  und  unjuristisch.  Dass  tmter  den  „sanctiones" 
die  in  Urbans  Btüle  stehenden  Bestimmimgen  gemeint  seien  (S.  16  und  20), 
ist  deshalb  eine  auf  recht  schwachen  Füssen  stehende  Annahme,  die  aber 
S.  30  ohne  Weiteres   als  gesichert  verwerthet  wird.    Ob   die  Bulle  Urbans 


250  Literatur. 

jemals  zur  Kenntnis«  der  Aachener  Behörden  gekoraincu,  ist  meines  Erach- 
tens  sehr  zweifelhaft.  So  viel  ich  weiss,  besitzt  das  Aachener  Archiv  keine 
Abschrift  von  ihr,  und  Meyer  citirt  sie  a.  a.  0.  aus  dem  Druck  des  Ray- 
naldus.  Dass  aber  von  Ludwig  eine  dreitägige  Lagerfrist  verlangt  worden 
sei,  ist  nirgends  gesagt,  noch  weniger,  dass  der  König  sich  dem  Wunsche 
gefügt  habe. 

üeber  die  Vorgänge  des  Jahres  1346  besitzen  wir  nur  die  Berichte  der 
beiden  Italiener  Giovanni  und  Matteo  Villani  (S.  18  f.,  S.  25  ff.).  Jener  redet 
von  einem  drei-,  dieser  von  einem  vierzigtägigen  Lager;  sie  stimmen  darin 
überein,  dass  sie  es  auf  eine  hergebrachte  Sitte  zurückführen  und  uns  mit- 
theilen, Karl  IV.  habe  dieselbe  nicht  beobachtet.  Welche  Forderungen  die- 
sem die  an  Ludwig  festhaltenden  Aachener  gestellt  haben,  wird  nirgends 
gesagt.  Mit  Recht  hat  schon  Dresemann  in  seiner  von  mir  im  IX.  Band 
dieser  Zeitschrift  S.  221  ff.  angezeigten  Dissertation  gegen  die  Darstellung 
des  Verf.  Bedenken  erhoben,  welche  durch  dessen  Gegenbemerkungen  S.  194  f. 
nicht  beseitigt  werden. 

Der  erste  Fall,  bei  welchem  Aachen  unzweifelhaft  das  Lager  von  einem 
König  forderte,  ist  eingetreten  nach  Ruprechts  Wahl,  und  hier  verlangt 
dann  die  Krönungsstadt  ein  solches  von  sechs  Wochen  und  drei  Tagen 
unter  ausdrücklichem  Hinweis  auf  die  „hulde  und  eide",  welche  sie  König 
Wenzel  „für  ziden  gedan"  (S.  98).  Für  die  Forderung  selbst  wie  für  die 
Bemessung  der  Frist  dürfte  das  Vorgehen  Frankfurts,  das,  und  zwar  mit 
Erfolg,  eine  gleich  lange  Auslagerung  von  Ruprecht  verlangt  hatte,  ausschliess- 
lich bestimmend  gewesen  sein.  Dass  die  Aachener  sich  bei  dieser  Gelegenheit 
nicht  auf  die  Bulle  Urbans  IV.  berufen  haben,  kann  ich  im  Gegensatz  zum 
Verf.  (S.  100  f.)  nur  als  Beweis  dafür  ansehen,  dass  deren  Existenz  in  Aachen 
nicht  bekannt  war.  In  den  spätem  durch  umfangreiche  Schriftstücke  genau 
belegten  Verhandlungen  zwischen  Aachen  und  Ruprecht  wird  mit  keinem 
Worte  des  Lagers  mehr  gedacht. 

Als  es  sich  1414  um  Sigismunds  Krönung,  nach  dessen  zweiten  Wahl, 
handelte,  frugen  einige  der  dem  König  ergebenen  Fürsten  bei  den  Aachenern 
an:  „ob  der  konig  nun  dri  tag  oder  ob  er  sechs  wochen  vor  in  ligen  solte?" 
Die  Antwort  der  Stadt  auf  die  so  deutliche  und  bestimmte  Frage  lautet  so 
unbestimmt  wie  möglich:  „sie  weiten  dem  konig  tun,  was  si  im  tun  solten*^ 
(S.  128,  131).  Von  einer  Berufung  auf  geschriebenes  oder  ungeschriebenes 
Recht,  von  einer  sichern  Kenntniss  feststehender  Ordnungen  keine  Spur,  so 
nahe  ein  Hinweis  auf  solche  auch  gelegen  hätte.  Dass  aber  Sigismund  in 
der  That  vor  Aachen  gelagert  hätte,  ist  keineswegs  erwiesen.  Im  Gegentheil : 
die  einzige  Nachricht,  der  Bericht  des  Bürgermeisters  von  Friedberg,  begagt 
nur,  wenn  man  ihn  unbefangen  auffasst,  dass  König  und  Königin  am  Sonn- 
tag,  den  4.  November  in  Aachen  (gen  Ache)  ankamen  und  sich  dort  bis 
zum  Donnerstag,  den  8.  November  aufhielten  (da  lag  man),  an  welchem 
Tage  die  Krönung  erfolgte  (8.  131).    Hätte  eine  Auslagening   auch  nur  für 


da^  Het-r  ^^J^tur*'fal»de^l  ■^äi*  d*T  K-T-i-i^  OLd  die  K.'uiirin  am  4.  NovemluT 
s4*hon  die  Stowlt  betmT*ii.  ^T-it^  ÄU-^^-rwririff  ft>i:  S-  r^2».  >o  wäiv  das  alles 
jranz  anders  aiifcvdrückt.  dum  wäre  iVr  au-h  d^r  Sf^nntAif  ><^-hon  als  I«^ger- 
teg  mitgereclmet,  d**  LA^^-r  j*!ltr^  *m  DlfUfiAff  auf^hoWn  wonion.  die 
Vorginge  hätten  D**iiiweadie  iii  *:.d»-i>rr  Weise  ge>i?hildert  werden  müsson, 
als  es  die  AufEek-hnnng  ilui. 

I>^  Bach  Tun  S^htUhas«  Iridrt  an  einem  Grundfehler»  der  für  die 
Behandlung  de-  Stoffen  verhängni*-Toll  gewurden  ist.  Pa.s  angeldiche  Lairv^ 
Tor  Aachen  und  das  Lager  tot  Frankfurt  durften  nicht  zusammengeworfen, 
nicht  ab  ein  einhehüche?  Institut  behandelt  werden.  Das  hÄtte  eine  ein- 
fache Erwägung  Terhindera  müs-en-  Frankfurt  ist  die  Wahlstadt,  Aachen 
die  Kronungs^tadt.  Die  Bedingungen  und  Verhältnisse,  unter  welchen  heide 
Städte  dem  Einzug  begehrenden  zukünftigen  Herrscher  gegenüberstunden, 
die  juristische  Stellting  des  letztem  war  in  beiden  Fällen  eine  völlig  ver- 
schiedene. Aus  diesem  Grunde  kann  auch  das  Verhalten  der  einen  Stadt 
nicht  ohne  Weiteres  för  das  der  andern  massgebend  gewesen  sein.  Meiner 
Ansicht  nach  hat  sich  das  La^rer  vor  Frankfurt  mit  der  sog.  Anleitefri>t, 
wenn  man  überhaupt  in  ihm  ein  Bechtsinstitut  sehen  und  den  vom  Verf. 
vermntheten  Zusammenhang  mit  dem  Verfahren  beim  Reichshofge rieht 
annehmen  darf,  für  diese  Stadt  allein  und  im  Zusammenhang  mit  den  Wahl- 
vorgangen entwickelt.  Hier  ist  darüber  auch  verhandelt  worden  von  einem 
staatsrechtlichen  Standpunkt  aus.  Freilich  kann  ich  die  feinen  Untei-sdiei- 
düngen,  welche  der  Verf.  in  der  Haltung  und  in  den  Aeusserungen  ihr 
Fürsten  findet  und  die  ihn  fast  zur  Annahme  einer  bewusstcn  Forthihhinir 
des  Instituts  führen,  nicht  billigen.  Durch  die  Verhandlungen  zu  Frankftirt 
ist  dann  auch  zweimal  (nach,  den  Wahlen  Ruprechts  und  Sigisnmnds)  »Irr 
Begriff  des  Lagers  geradezu  künstlich  nach  Aachen  gebracht  worden.  In 
beiden  Fällen  ohne  thatsächüche  Wirkung,  denn  Ruprecht  konnte  den»  «an/ 
ungerechtfertigten  Verlangen  eines  sechs  wöchentlichen  Lagers  nninöglieh 
entsprechen  und  liess  sich,  da  er  Aachen  nicht  zu  zwingen  im  Stande  war, 
zu  Köln  krönen,  während  die  oben  wiedergegebene,  völlig  ül>erfltlssiir(^ 
theoretische  Anfrage  der  Fürsten  die  Aachener  Sigismund  gegenüber  nicht  /u 
thörichten  Forderungen  verführt  hat. 

In  Wirklichkeit  hat  es  ein  Königslager  vor  Aachen  nie  gegeben,  in 
Wirklichkeit  hat  die  Bulle  ürbans  IV.,  die  wahrscheinlich  nie  ein  Mensch 
in  Aachen  gelesen  hat,  hier  keinen  Einfluss  geübt,  in  Wirklichkeit  hat  die  Kni- 
nungsstadt  jedem  Herrscher  gegenüber,  welcher  Einlass  zur  Krönung  verlangte, 
nach  den  Eingebungen  des  Augenblicks,  wie  sie  die  politische  Lage  ergab, 
gehandelt.  Seitdem  sie  sich  als  ein  selbständiges  Gemeinwesen  fühlte,  hat 
sie  einfach  ihre  Thore  geschlossen  und  es  auf  die  Fährlichkeiten  und  Schreck- 
nisse emer  Belagerung  ankommen  lassen,  wenn  sie  glaubte,  den  Eintritt  zur 
Krönung  verweigern  zu  müssen.  Und  diesen  zu  verweigern,  hielt  sie  sich 
fär  berechtigt   und  verpflichtet,    so  lauge  ein  nach   ihrer  Auffassung   recht- 


252  Literatur. 

massig  gekrönter  König  im  Reiche  vorhanden  war.  So  ist  es  gekommen, 
dass  einige  Male  durch  ihre  Haltung  die  Krönung  anderwärts  stattgefunden 
und  erst  nach  dem  Tode  des  einst  in  ihrem  Münster  gekrönten  Vorgängers 
in  diesem  nachgeholt  worden  ist.  In  andern  Fällen  ist  sie  der  Gewalt  nach 
längerm  Widerstand  gewichen.  Hielt  Aachen  aber  den  die  Krönung  begeh- 
renden Fürsten  für  rechtmässig  gewählt  und  berechtigt,  so  hat  es  ohne 
Lager  ihm  seine  Thore  geöffnet. 

So  wäre  das  Aachener  Lager  einfach  zu  streichen.  Ob  es  dann  gelingt, 
das  aus  einem  erzwungenen  Zusammenhang  losgelöste  Frankfurter  Lager, 
befreit  von  unzutreffenden  Kombinationen  und  falschen  Analogien,  zu  einem 
Kochtsinstitut  zu  gestalten,  möchte  ich  bezweifeln.  31  it  Recht  weist  Schell- 
hass  S.  125  darauf  hin,  wie  leicht  jene  Zeit  „Gewohnheiten  schuf,  modificirte 
und  wieder  vernichtete,  um  neue  an  deren  Stelle  zu  setzen**.  Weun  wir 
uns  vergegenwärtigen,  wie  schwer  es  ist,  für  die  Entwicklung  der  Königs- 
wahl selbst  die  leitenden  Gedanken  zu  linden,  so  darf  es  nicht  befremden, 
wenn  dies  auch  nicht  gelingen  sollte  für  ein  mehr  zufälliges,  in  mehr  äusser- 
lichem  Zusammenhang  mit  ihr  stehendes  Moment,  wie  es  die  Frage  des  Ein- 
lasses in  die  Wahlstadt  ist.  Unzweifelhaft  spielen  in  die  Auffassung  und 
Darstellung  des  Königslagers  auch  die  Ideen  des  ausgebildeten  Ritterthums 
mit  seinen  Herausforderungen  und  „pas  d'armes"  hinein,  wie  dies  meines 
E nächtens  nicht  nur  die  Stelle  aus  dem  Roman  Loher  und  Maller,  sondern 
auch  die  Erzählungen  der  Villani  beweisen*. 

Bonn.  II.  Loetsch. 


Beiträge  zur  Genealogie  rheinischer  Adels-  und  Patrizier- 
familien nach  urkundlichen  Quellen  bearbeitet  von  Herm.  Fr.  Maeco. 
II.  Band.  Mit  6  Wappentafeln,  Originalzeichnungen  des  Malers  Georg  Macco 
in  Düsseldorf,  und  145  Siegelabbildungen.  Aachen,  Selbstverlag  des  Verfassers. 
1887.     rV  und  182  S.  kl.  Fol. 

Der  Inhalt  dieses  Bandes  ist  folgender;  I.  Abtheilung:  Genealogische 
Nachrichten  über  Aachener  Familien,  Rheinische  Familien.  II.  Abtheilung: 
Urkundliche  Beilagen  (Origiualkopien),  Mitgliederverzeichniss  der  ehemaligen 
Gesellschaft  zum  Bock  in  Aachen.  III.  Abtheilung:  Register  und  eine 
Bemerkung  zum  I.  Bande.  Der  Titel  ist  derselbe  wie  beim  I.  Bande  mit 
dem  Zusatz  „und  Patrizierfamilien**.  Der  Verf.  unterscheidet  nun  aber  im 
Text  nur  zwischen  Aachener  und  rheinischen  Familien,  lässt  den  Leser  also 
im  Ungewissen,  welche  Familien  er  unter  dem  Namen  „Patrizierfamilien" 
versteht.     Eine  Anzahl  der  von   ihm  berücksichtigten  Familien  sind   gute 


')  AiuU're  Anzt'igeu:  von  Below,  Deat^che  Litoratiir/i'itung,  Jaliri^Rng  lSh7, 
Sp.  1097;  W.  Schnitze,  Mittlieilxmgon  aiis  der  Historischen  Literatur.  Jahrg.  XVI, 
S.  12;   Liesegang.  Literarisches  Ceutralblatt.  Jahrg.  188S,  Sx>.  OCW. 


Literatur.  .     253 

hochachtbare  Bürgerfamilien,  für  welche  die  Bezeichnung  „Patrizierfamilien'* 
aber  durchaus  nicht  zutreffen  kann;  es  wäre  daher  korrekter  gewesen,  dem 
II.  Band  etwa  den  Titel  zu  geben:  Beiträge  zur  Genealogie  rheinischer 
Familien.  Für  den  Inhalt  des  vorliegenden  Bandes  kann  ich  nur  meine 
Schlussbemerkung  zum  I.  Bande  (diese  Zeitschrift  VIII,  S.  293)  wiederholen : 
, Hätte  der  Verf.  noch  einige  Jahre  mit  der  Veröffentlichung  des  so  mühsam 
zusammengetragenen  Materials  gewartet,  er  würde  sicher  nach  weitem 
Erfahrungen  und  erweiterten  heraldisch-genealogischen  Kenntnissen  manchen 
Theil  seiner  Beiträge  in  strengerer  wissenschaftlicher  Form,  einzelne  Theile, 
welche  seinem  Werk  nicht  geringen  Eintrag  thun,  wahrscheinlich  gar  nicht 
veröffentlicht  haben."  Wären  diese  Worte  von  Herrn  Macco  berücksichtigt 
worden,  so  wäre  ihm  vor  aUen  Dingen  der  arge  Schnitzer  nicht  passirt,  dass 
er  alle  Taufdaten  als  Geburtsdaten  angegeben  hat.  Bei  der  Geburt  hat  man 
bekanntlich  keine  Pathen,  und  letztere  hätten  an  seinen  Fehler  erinnern 
müssen,  als  er  die  Korrektur  seines  Werkes  besorgte.  Die  Einleitung  zur 
Genealogie  der  Familie  de  la  Valette  mit  ihren  fabelhaften  Abstammungen 
wird  sich  wohl  ebenso  wenig  beweisen  lassen,  wie  das  Recht  einer  Aachener 
Familie,  ein  Wappen  zu  führen,  von  dem  Herr  Macco  S.  93  sagt:  „Es  ist 
das  alte  Schaumburger  Wappen,  das  sich  auch  im  Holsteiner  und  Hessen- 
Kasserschen  Wappen  vorfindet."  Durch  diese  Bemerkung  stellt  also  der 
Verf.  diese  Familie  ohne  Weiteres  in  eine  Linie  mit  uralten  fürstlichen 
Geschlechtern!  Zu  diesem  heraldischen  Kuriosum  möchte  ich  noch  als  zweites 
den  auf  dem  Titelblatt  dargestellten,  mit  einem  Steinschlossgewehr  (!)  bewaff- 
neten Löwen-Schildhalter  als  Gegenstück  anftihren. 

Veröffentlichungen  aus  Kirchenbüchern  sind  ja  immer  dankenswerth,  sie 
bedürfen  aber  unbedingt  einer  Sichtung  und  Erklärung,  da  die  Namen  theil- 
weise  arg  verstümmelt  aufgezeichnet  werden.  AVo  also  ein  notorisch  falscher 
Xame  in  den  Kirchenbüchern  vorkam,  musste  in  einer  Anmerkung  der  rich- 
tige angegeben  werden,  so  z.  B.  S.  21  Ouren  (Bgstr.  Reuland)  statt  baronessa 
in  Düren,  S.  78  Wolfskeel  statt  AVolfskern,  S.  5  Brauhof  statt  Bawhoff,  S.  19 
Hersell  statt  Hessel  u.  A.  Auch  schlimme  Druckfehler  kommen  vor:  S.  130 
Sahtem  statt  Sechtem,  S.  135  Catum  statt  Latum  u.  a.,  von  denen  ich  nur 
noch  die  S.  71  erwähnte  „in  der  Primogenitur  erbliche  Baronin"  anstatt 
Baronie  anführen  will.  Folgende  Unrichtigkeiten  sind  mir  aufgefallen:  S.  5. 
Der  um  das  Aachener  Badewesen  im  17.  Jahrhundert  hochverdiente  Arzt 
hiess  nicht  Engelbert,  sondern  Franziskus  Blondel ;  auch  enthält  sein  Wappen 
im  nntem  Felde  nicht  drei  Pokale,  sondern  drei  Laufbnmnen.  S.  11.  Die 
Grafen  Schellart  sind  nicht  ausgestorben,  der  letzte  Graf  lebt  in  Berlin. 
Da88  der  Erbauer  des  Chors  am  Aachener  Münster  kein  Schellart  gewesen 
ist,  hat  schon  Quix  nachgewiesen.  S.  22.  Der  Name  Tunderfeldt  der  Kirchen- 
bücher ist  der  richtige.  S.  34.  Wenn  die  Herren  von  Fisenne  das  Recht 
besitzen,  den  Freiherrntitel  zu  führen,  so  hätte  das  Diplom  oder  die  Kabincts- 
ordre  erwähnt  werden  müssen,  welche  den  Titel  bestätigt.  Die  Familie 
von   Fisenne  wurde  bei  Errichtung  einer  Adelsmatrikel   der  Rheinproviuz  in 


254  Literatur. 

die  Klasse  der  Edelleute  eingetragen  (Bernd,  Wappenbuch  der  Rheinprovinz). 
S.  39.  Die  Herrschaft  Schönau  ist  niemals  im  Besitz  der  Herren  von  Hoch- 
kirchen gewesen.  S.  45.  Der  Verf.  gibt  der  Familie  Lognay  das  Prädikat 
„von",  davon  steht  in  den  Kirchenbüchern  nichts.  Die  Familie  nannte  sich 
meines  Wissens  zuletzt  „de  Lognay".  Der  preussische  Resident  Mathieu  Lognay 
(t  1769),  zugleich  Gastwirth  und  Weinhftndler,  hinterliess  ausser  den  von 
Macco  aufgeführten  fünf  Töchtern  einen  Sohn  gleichen  Vornamens,  der  seinem 
Vater  in  der  Stelle  eines  Residenten  folgte  (vgl.  Pick  in  den  Mittheilungen 
des  Vereins  f.  Kunde  der  Aach.  Vorzeit  I,  S.  93).  S.  46.  Die  hannoversche 
Familie  von  Meibom  hat  doch  zu  Aachen  gar  keine  Beziehungen  gehabt. 
Zufällig  ist  eine  Tochter  dort  geboren.  S.  68.  Nicht  Franz  Karl  Philipp 
von  Reuschenberg  war  aus  der  ersten  Ehe,  wie  angegeben,  sondern  seine  Frau. 
Er  gehörte  der  Linie  Berensberg  an  und  er,  nicht  seine  Frau,  besass  Berensberg. 
S.  69.  Die  mütterlichen  Ahnen  Randerath,  unter  Stroyff  nach  Devaux  ange- 
geben, sind  gänzlich  unrichtig.  S.  76.  Die  Ahnentafel  Horpusch  ist  sicher 
falsch  aufgelöst,  eine  genaue  Beschreibung  und  Reihenfolge  der  Wappen  des 
Grabsteins  wäre  zweckmässiger  gewesen.  S.  117.  Die  Eltern  der  Maria 
•Josepha  von  Friemersdorf-Pützfeld  waren  Johann  Thomas  Anton  Joseph,  geb. 
1692,  t  1749  zu  Kirspenich,  und  Maria  Franziska  Freiin  von  Eynatten- 
Wedenau,  f  1768.  Einige  Personen  in  der  obersten  Ahnenreihe  haben  das 
Prädikat  „von**  nicht  geführt,  so  sagt  S.  8  der  Verf.  selbst,  dass  Anna  Nacken 
eine  Aachener  Bürgerstochter  gewesen  sei.  In  der  Ahnentafel  der  Familie 
von  Niesewand  ist  die  oberste  Generation  falsch,  sie  muss  lauten:  Antonius 
Niesewand  auf  Poludniewo,  Burggraf  zu  Schmoleinen,  geb.  1686,  f  3.  Dezember 
1753,  vermählt  mit  Dorothea  von  Quoss  a.  d.  H.  Schönau -Rothenfliess, 
geb.  1700,  t  8.  März  1749.  Der  Sohn  hiess  Anton  Ludwig,  nicht  wie 
der  Verf.  angibt,  Johann*.  S.  163  hätte  erwähnt  werden  müssen,  dass 
Klemens  Joseph  von  Couven  in  die  Adelsmatrikel  der  Rheinprovinz  einge- 
tragen und  ihm  dadurch  das  Adelsprädikat  bestätigt  wurde.  Bei  den  Wappen- 
tafeln ist  mir  aufgefallen,  dass  im  Wappen  der  Thimus  der  Fuchs  eine  Ente 
in  der  Schnauze  trägt,  was  nach  den  S.  70  angeführten  Beschreibungen  und 
den  Zeichnungen  in  Bernds  Wappenbuch  unrichtig  ist.  Interessant  ist  die 
Angabe  S.  78,  dass  das  jetzige  Stadtwappen  von  Burtscheid  das  Wappen  der 
Familie  von  Woestenradt  ist.  Das  alte  AVappen  der  Abtei  Burtscheid  ist 
allerdings  ein  ausgezacktes  Kreuz.  Ich  möchte  annehmen,  dass  die  Familien 
in  der  Gegend  von  Burtscheid,  welche  das  ausgezackte  Kreuz  im  Wappen 
führten  (Gimmenich,  Wylre,  Frankenberg  u.  A.),  eher  als  Lehnsleute  der 
Abtei  das  abteiliche  Wappen  angenommen  haben,  wie  umgekehrt  mit  dem 
Verf.,  dass  die  Abtei  von  den  Gimmenich  das  Wappen  entnommen  haben 
soll.  Die  Stadt  Burtscheid  müsste  ihr  altes  Wappen  mit  dem  ausgezackten 
Kreuz  wieder  annehmen  und  das  irrthümlich  zum  Stadtwappen  gewordene 


»;  Diese  Angaben  über  die  Familie  Niesowand  verdanke  ich  Herrn  Major  Gallandi 
in  Schrimm,  einem  in  der  Provinz  Prenssen  sehr  bewanderten  Genealogen. 


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256  Literatur. 

Die  Landfriedensbünde  zwischen  Maas  und  Bhein  im 
14.  Jahrhundert.  Von  Dr.  Fritz  Joseph  Kelleter.  (Münsterische  Bei- 
träge zur  Geschichtsforschung,  herausgegeben  von  Theodor  Lindner,  Heft  XI.) 
Paderborn,  F.  Schöningh.  1888.  100  S.  S«. 

Auf  dem  engen  Raum  von  kaum  90  Seiten  hat  der  Verf.  das  Werden 
und  Wachsen,  die  Th&tigkeit  und  die  Verfassung  einer  Einrichtung  geschil- 
dert, welche  zu  den  bedeutsamsten  und  wichtigsten  Erscheinungen  der 
zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  in  den  niederrheinischen  Landen  gehört. 
Nach  einer  kurzen  über  Quellen  und  Literatur,  über  ältere  Bündnisse  von 
Landesherren  und  Städten,  wie  über  königliche  Landfrieden  orientirenden 
Einleitung  wird  zunächst  (S.  6 — 27)  über  den  Bund  berichtet,  den  am 
13.  Mai  1351  Erzbischof  Wilhelm  von  Köln,  Herzog  Johann  von  Brabant 
und  die  Städte  Köln  und  Aachen  auf  zehn  Jahre  schlössen,  um  in  ihren 
Gebieten  Handel  und  Wandel  zu  schützen,  Ruhe  und  Sicherheit  aufrecht  zu 
erhalten.  Der  grössere  Theil  der  Arbeit  (S.  27 — 94)  ist  dann  dem  aus  einem 
Bündniss  des  Herzogs  Wenzel  von  Brabant  mit  Aachen  vom  11.  April  1364 
hervorgegangenen  neuen  Landfriedensbuud  gewidmet,  der,  nach  und  nach 
erweitert,  durch  eine  Abmachung  vom  16.  Oktober  1369  in  seiner  Verfas^sung 
nicht  unwesentlich  umgestaltet,  am  25.  November  1374  sein  Ende  erreichte, 
jedoch  auf  kaiserlichen  Befehl  am  30.  März  1375  wieder  erneuert  wurde. 
Auf  das  Gebot  Karls  IV.  erfolgte  1378  eine  weitere  Erneuerung  für  fünf, 
1383  eine  solche  für  drei  Jahre,  dann  aber  die  thatsächüche  Auflösung. 

Der  Verf.  ist  mit  Erfolg  bestrebt  gewesen,  eine  möglichst  eingehende 
und  vollständige  DarsteUung  zu  geben,  er  hat  durch  archivalische  Forschung 
das  bisher  bekannte  und  benutzte  urkundliche  Material  in  sehr  erheblichem 
Masse  vermehrt  und  war  daher  in  der  Lage,  an  sehr  vielen  Stellen  auf 
ungedruckte  Urkunden  zu  verweisen,  von  welchen  er  sechs  in  einem  Anhang 
mittheilt.  Von  dem  Wirken  des  Landfriedens,  der  Thätigkeit  seiner  Organe, 
als  welche  auch  in  eigenthümlicher  und  beachtenswerther  Weise  die  landes- 
herrlichen Beamten,  die  Amtsleute,  zu  fungiren  haben,  von  seinen  Einkünften 
und  Ausgaben,  von  den  im  Innern  des  Bundes  bestehenden  Sonderbündnissen, 
welche  als  Keim  seiner  Auflösung  und  in  vielen  Fällen  als  Grund  seiner 
Erfolglosigkeit  anzusehen  sind,  gibt  uns  sein  Buch  eine  gute  Vorstellung. 
Die  Anordnung  desselben  bringt  es  mit  sich,  dass  die  Darstellung  der  Bun- 
desverfassung mehrfach  den  Bericht  über  die  Geschichte  'des  Bundes  unter- 
bricht; eine  sachliche  Trennung  wäre  hier  vielleicht  zweckmässiger  gewesen. 
Der  Erzählung  von  den  äussern  Schicksalen  des  Landfriedensbündnisses 
hätte  eine  zusammenfassende  Schilderung  seiner  Verfassung  angeschlossen 
werden  können,  in  der  dann  deren  allmähliche  Ausbildung,  der  Wechsel  der 
verwendeten  Organe,  das  Verfahren  bei  den  verschiedenen  Arten  von  Thätig- 
keit, welche  der  Bund  und  seine  Beamten  ausübten,  die  'Aufbringung  der 
Geldmittel  und  Anderes  in  systematischer  Folge  zur  Sprache  gekonuneu 
wären. 


Literatur.  257 

Aachen  hat  eine  bedeutende  Rolle  in  diesen  Landfriedenshündnisscn 
o^espielt.  Es  stand  damahj  auf  der  Höhe  seiner  mittelalterlichen  Entwick- 
lung und  wir  sehen  fast  mit  Staunen,  dass  seine  Leistungen  denen  des 
mächtigen  Köln  nur  wenig  nachstehen :  zu  der  Entschädigfung  von  2000  (i ul- 
den,  welche  ein  als  oberster  Beamter  des  Bundes  zeitweilig  fungirender 
Landfriedensvogt  erhielt,  steuern  die  Herzöge  von  Brabant  und  Jülich  je 
667,  Köln  342,  Aachen  324  Gulden  bei  (S.  35)  und  auch  die  Zahl  und  Qua- 
lität der  von  Aachen  gestellten  Mannschaften  ist  nicht  wesentlich  geringer 
als  die  der  Kölner  Kontingente  (S.  13,  27).  Aachener  Patrizier  haben  als 
Geschworene  des  Landfriedens  eine  rege  Thätigkeit  entfaltet,  die  Stadt 
wurde  häufig  als  Ort  der  mit  der  Handhabung  des  Bündnisses  verbundenen 
Zusammenkünfte  gewählt.  So  ist  denn  auch  heute  noch  das  Aachener  Stadt- 
archiv bei  Weitem  das  reichste  an  Urkunden,  welche  sich  atif  den  Bund 
beziehen,  wie  ein  Blick  auf  die  Anmerkungen  lehrt.  Aber  auch  das  Kölner 
Stadtarchiv  und  die  beiden  Staatsarchive  unserer  Provinz  enthalten  noch 
eine  Fülle  von  Material,  an  dessen  ausgiebiger  und  allseitiger  Verwerthung 
der  Verf.  bei  dem  ihm  gar  zu  knapp  zugemessenen  Kaum  nicht  hat  denken 
können.  Seine  Arbeit  wird  aber,  so  glaube  ich,  den  Wunsch  auch  in  weitem 
Kreisen  wecken,  alle  Dokumente,  welche  sich  auf  die  Landfricdensbündo 
zwischen  Maas  und  Khein  irgendwie  beziehen,  in  einer  Sammlung  vereinigt 
zu  sehen,  in  einem  Urkundenbuch  über  jene  eigenthümlicho  und  wichtige 
Erscheinung  des  territorialen  und  städtischen  Lebens.  In  einer  ausführlichen 
Einleitung  wäre  dann  namentlich  die  Verfassung  und  vor  Allem  das  bei  den 
Schiedssprüchen  und  sonstigen  Entscheidungen  des  Bundes  beobachtete  Ver- 
fahren, von  welchem  nach  Lage  der  Sache  die  Arbeit  des  Verf.  ein  genü- 
gendes Bild  nicht  geben  konnte,  an  der  Hand  der  Urkunden  genau  darzu- 
stellen. Diese  juristische  Seite  ist  von  hohem  Interesse;  es  bleibt  aber  hier 
noch  Alles  zu  thun.  Die  Bearbeitung  der  Urkunden  würde  dann  auch  zur 
sorgfältigen  Feststellung  der  in  denselben  so  zahlreich  vorkommenden  Per- 
sonen- und  Ortsnamen  führen,  welche  das  Buch  des  Verf.  noch  vielfach 
vermissen  lässt,  und  dadurch  auch  der  lokalen  Forschung  wesentliche 
Dienste  leisten.  Der  berufene  Herausgeber  dieses  Urkundenbuchs  wäre  aber 
in  der  Person  des  Herrn  Dr.  Kelleter  schon  gefunden,  das  beweist  die  schöne 
Erstlingsarbeit,  welche  wir  ihm  verdanken*. 

Bonn.  H,  Loersch» 


Mittheilungen  aus  dem  Stadtarchiv  von  Köln,  herausgegeben 
von  Professor  Dr.  Konstantin  Höhlbaum.  Mit  Unterstützung  der  Stadt 
Köln.  Fünf  Bände.  Köln,  Du  Mont-Schaubergsche  Buchhandlung.  1883-1888. 


>)  Andere  Anzetige :  Lampreoht  im  Korrespondeiusblatt  der  Westdeutschen  Zeit- 
schrift für  Geschichte  und  Kunst,  Jahrg.  VII,  Sp.  H2  f, 

17 


■i-t    hr'.VZtt-       «.-. 

V..r.i^h^r  4r»  K  ■.^' 
.i-.t  \>rwi;tsi=f  .1-^r  , 
Oflnao^ -I^r  iba  tii; 

nach  L'mf^ng  dt.-)  I 
fHAiMhi^a  AKhiTc 
Absicbl^n  bal  «r  -:: 

dir  Mitiheüanü'-a    > 

Arbfii-kraft  des  R.:- 
ab.  Von  mehr  al^  t 
da>s  dieM-s  jöngate 
weniger  ))ekanDt  iat, 
wird,  alä  im  Iniei 
wart'.  So  dürfte  es 
stiften,  wenn  der  Inl 
lichAten  Stücken  noc 

Zwei  grosse  B 
der  gannen  Zeitschi 
muiii^itc  Bedeutung. 
bcrubeiideD  Original 
hunUerts  begimnen, 
briufs,  einen  vorlilu 
nommen  worden  iat 
uiiifHsst  bis  zum  Ja 
beruht  im  Wcsentlji 
Keuüseii.  Ergftnzui 
liegosten  der  Ann  ä 
Irkunden  mit  übei 
Dr.  von  llevissen  d 
ein  kleiner  Nachtra 
steigen  somit  erhell 

Die  andere  ui 
llriili  abwechselnd 
4    S,  7,  10,  13  und 


ur.  21;  1 

äsenschnfteu,  deren  Thätigkeit  ganz 
auch  die  der  Badisohen  hiatoriachcn 
ilforscbung  vor  Allem  interessireadeu 
Lüde,  deren  verdienter  und  nuermüd- 
^kanDtlicb  ist,    g-elangen  regelmäasig 

ide  Zeitschrift,  die  zu  Frankfnit  a.M. 
Alterthumskunde  heraus  gegebenen 
:bon  NiicbabinaDg  gefunden  bat,  der 
irdignng  ihrer  Bedeutung  eine  nicht 
.ig  fortent  wie  kein,  mügen  ihre  Ver- 
ler Ton  neuen  Gesichtspunkten  aus- 
»sohe  ihres  ausgezeichneten  Leiters 
tlichen  Studium  dem  mau nigf altigen 
it  Köln  immer  näher  zu  führen". 
H.  Loerseh. 


r-Earls-Gymnasium  zu  Aachen 
I,  von  dem  Direktor  des  Gymnasiums 
:    Urkundliches    zur  Ge.-icUicbte  der 

q    40 

m  Aachen  bestehenden  Gymnaaiuni 
von  dem  neu  imi,htett,n  Raiser 
uera  dir  PtalzLapelle  und  des  eigtnt 
worden  ist  ging  ]n  der  Zeit  der 
voran  au»)  der  es  im  NR\cmher 
Inna  geschaffen  wurdp  Das  ältere 
it  1601  bestehenden  Icsuit«nacliule 
remdherrschaft  TuUjg  verfallen  «icit 
nie  Überhaupt  nii~bt  mehr  Er'>t  im 
Lmrichtung  cini^r  £.cüie  stcondairc 
e  d  Ai)l  la-Chapelle  be7e]Lh]iet  wird 
'orsi-hnftcn  eutsprecbeod  ein  liureau 
Ibcr  seine  VerhandlungLU  in  tiiiem 
irte  Die  so  entstandenen  Sitzung» 
}i>)  zum  23  Mai  1812  r  icbett  bat 
dig  zum  Abdruck  gcbraiht  mit  emir 
erläuternden  Bemi,rkungen  lericben 
ie  die  ganze  Geschichte  jener  fran- 
rillkommenen  Beitrag  sar  Gchcbichte 
pt. 

//.  Lofrach. 


258  Literatur. 

Seit  dem  Herbst  des  Jahres  1882  erscheint  diese  eigenartige  und  nütz- 
liche Zeitschrift ;  fünf  stattliche  Bände,  die  aus  fünfzehn  Heften  sich  zusam- 
mensetzen und  weit  über  1700  Seiten  umfassen,  sind  nunmehr  in  den  Händen 
der  Benutzer.  Mit  frischer  Kraft  und  unverzagter  Freudigkeit  hat  der 
Vorsteher  des  Kölner  Archivs,  nachdem  die  ersten  grossen  Schwierigkeiten  in 
der  Verwaltung  der  Anstalt  überwunden  und  die  nothwendigsten  Arbeiten  zur 
Ordnung  der  ihm  anvertrauten  Schätze  unternommen  waren,  diese  Uebersichten 
zu  veröffentlichen  begonnen,  welche  bestimmt  sind,  die  Kenntniss  von  den 
nach  Umfang  und  Inhalt  so  bedeutenden  Beständen  des  ersten  unter  den 
städtischen  Archiven  Deutschlands  in  weitere  Kreise  zu  tragen.  Seine 
Absichten  hat  er  eingehend  auseinandergesetzt  und  begründet  in  der  an  die 
Spitze  des  ersten  Heftes  gestellten  Abhandlung;  das,  was  die  fünf  Bände 
der  Mittheilungen  bieten,  legt  von  der  Einsicht,  dem  Geschick  und  der 
Arbeitskraft  des  Herausgebers  und  seiner  Mitarbeiter  rühmlichstes  Zeugniss 
ab.  Von  mehr  als  einer  Seite  ist  aber  die  Wahrnehmung  gemacht  worden, 
dass  dieses  jüngste  geschichtswissenschaftliche  Unternehmen  unserer  Provinz 
weniger  bekannt  ist,  als  es  zu  sein  verdient,  und  auch  wohl  weniger  benutzt 
wird,  als  im  Interesse  namentlich  der  lokalen  Forschung  zu  wünschen 
wäre.  So  dürfte  es  gerechtfertigt  erscheinen  und  vielleicht  einigen  Nutzen 
stiften,  wenn  der  Inhalt  der  Mittheilungen  an  dieser  Stelle  in  seinen  wesent- 
lichsten Stücken  noch  einmal  dargelegt  und  beleuchtet  wird*. 

Zwei  grosse  Reihen  von  Regesten  füllen  den  bei  Weitem  grössten  Theil 
der  ganzen  Zeitschrift  aus,  haben  aber  auch  die  umfassendste  und  allge- 
meinste Bedeutung.  Die  eine  ist  das  Verzeichniss  der  im  [Kölner  Archiv 
beruhenden  Originalurkunden,  welches  im  3.  Heft  mit  Urkunden  des  10.  Jahr- 
hunderts begonnen,  im  9.  Heft  mit  dem  Jahre  1396,  dem  Jahre  des  Verbund- 
briefs, einen  vorläufigen  Abschluss  fand,  im  12.  Heft  aber  wieder  aufge- 
nommen worden  ist,  dessen  Fortführung  bis  1513  in  Aussicht  steht.  Es 
umfasst  bis  zum  Jahre  1410,  wohin  es  nunmehr  reicht,  7957  Nummern  und 
beruht  im  Wesentlichen  auf  den  Arbeiten  von  Leonard  Korth  und  Hermann 
Koussen.  Ergänzungen  dazu  bieten  im  9.  Heft  die  bis  1375  gehenden 
Regesten  der  aus  der  Kölner  Gymnasienbibliothek  an  das  Archiv  gelangten 
Urkunden  mit  über  300,  im  12.  Heft  das  Verzeichniss  der  von  Geheimrath 
Dr.  von  Mevissen  dem  Stadtarchiv  geschenkten  Urkunden  mit  über  30,  sowie 
ein  kleiner  Nachtrag  von  5  Nummern ;  die  hier  verzeichneten  Urkunden  über- 
steigen somit  erheblich  die  Zahl  von  8200. 

Die  andere  nicht  minder  bedeutsame,  von  Keller,  Keussen,  Korth  und 
Ulrich  abwechselnd  bearbeitete  Regestenreihe  zieht  sich  durch  die  Hefte  1, 
4,  6,  7,  10,  13  und  15.     Sie  legt    den  Inhalt  dar   der   mit   dem  Jahre  1367 


»)  Auf  die  Bedeutung  der  Mittheüungen  im  Allgemeinen  ist  schon  im  V.  Bond 
dieser  Zeitschrift  (S.  152  ff.)  von  sachkundiger  8oite  aufmerksam  gemacht  worden. 
Einzelheiton  daraus  sind  hervorgehoben  Bd.  IV,  S.  362,  Nr.  8;  Bd.  V,  8,838,  Nr.  3;  Bd. 
VI.  S.  260,  Xr.  H;  Bd.  VII,  S.  318,  Nr.  9;  Bd.  VIIT,  S.  312,  Nr.  13. 


L 


LittHitor.  250 

einsetzenden  Kopienbücher  der  Stallt  Köln,  Tun  denen  182  FoliobÄnde  erhal- 
ten blieben,  unter  welchen  alM*r  leider  die  der  Jahre  1401 — 1411  fehlen  und 
anscheinend  spurlos  ver^jch wunden  <ind.  Die»e  Regesten  reichen  jetzt  bis 
zum  Jahre  1434.  Leider  sind  l>«i  ihn(;n,  abweichend  von  der  ersten  Reihe, 
Ordnnngsnummem  nicht  angebracht.  Das  erschwert  das  Citiren  und  gestattet 
nur  eine  Schätzung  ihrer  Zahl;  aber  auch  diese  geht  schon  sehr  hoch. 
Unzweifelhaft  sind  mehrere  Tausend  von  der  städtischen  Kanzlei  ausgegan- 
gene oder  bei  ihr  eingelaufene  (denn  auch  solche  wurden  bisweilen  kopirt) 
Schreiben  verzeichnet. 

Es  bedarf  nicht  der  Hervorhebung,  dass  die  nachweisende  Erschliessung 
dieser  Massen  von  Urkunden  und  Briefen  nicht  nur,  ja  nicht  einmal  vorzugs- 
weise der  Geschichte  von  Köln,  dass  sie  vielmehr  in  weit  höherm  Grad  der 
Geschichte  der  Rheinlande  und  Deutschlands  überhaupt,  Belgiens  und 
Hollands  zu  Gute  kommt.  Die  allseitige  Ausnutzung  dieser  Regesten,  ins- 
besondere auch  für  die  lokale  Forschung  ist  ermöglicht  durch  die  vortreff- 
lichen Register,  welche  jedem  Heft  beigegeben  sind  und  nicht  nur  aufs 
Gewissenhafteste  sämmtliche  in  demselben  vorkommenden  Personen-  und 
Ortsnamen  angeben,  sondern  auch,  was  besonders  dankbar  zu  begrttssen  ist, 
letztere  fast  immer  auf  die  heutige  Form  unter  Angabe  der  Lage  nach  Kreis, 
Bürgermeisterei  u.  s.  w.  zurückfuhren.  Diese  Register  zeigen  denn  auch, 
welche  Fülle  lokaler  Beziehungen  hier  aufgespeichert  ist  und  der  Vor- 
werthtmg  harrt. 

Neben  den  beiden  so  wichtigen  Reges tenroiben  bieten  die  Mitthei- 
lungen eine  grosse  Anzahl  von  Abhandlungen  und  Textpublikationen,  welche, 
den  verschiedensten  Gebieten  angehörig,  sammt  und  sonders  als  ausser- 
ordentlich werthvoll  und  nützlich  bezeichnet  zu  werden  verdienen.  Mag  der 
Wortlaut  der  Urkunden  und  Akten  vollständig  gegeben  werden  oder  nur 
eine  regestenförmige  Mittheilung  des  Inhalts  erfolgen,  stets  ist  durch  orien- 
tirende  Einleitungen  für  die  Würdigung  des  Gebotenen  Sorge  getragen. 

Einige  Arbeiten  sind  dem  Kölner  Archiv  selbst,  der  Geschichte  seiner 
Bestände  und  seiner  Verwaltung  gewidmet.  So  berichtet  Ulrich  über  die 
ältere  Geschichte  des  Archivs  in  Heft  10,  Hoeniger  in  Heft  1  über  den  ältesten 
Aktenbestand  der  städtischen  Verwaltung  Kölns,  die  seit  1877  durch  Ueber- 
tragung  von  dem  Speicher  des  Landgerichts  in  das  Archiv  vor  sicherra 
Untergang  geretteten  Schreinsurkunden  und  -bücher.  Aus  dem  Nachlass  des 
verdienten  Archivars  Fuchs  wurde  das  Inhaltsvcrzeichniss  zu  den  Farragiiu's 
der  Gebrüder  Gelen,  welche  das  Archiv  in  dreissig  handschriftlichen  Bänden 
bewahrt,  im  9.  Heft  mitgetheilt. 

Der  allgemeinen  Reiehsgeschichte  kommen  die  Präsenzliste  des  FttrHtcu- 
und  Städtetags  zu  Frankfurt  im  Mai  1397  (Heft  13),  die  BricJV  über  di.« 
Beziehungen  Kölns  zu  König  Ruprecht  (Heft  14),  Ulrichs  \io^i>Utu  lUr 
Bekgerung  von  Neuss  aus  den  Jahren  1474  und  147Ö  (Heft  8)  zu  Gule. 
Es  ist  natürlich,    dass   die  Mehrzahl   der  Arb<iiin    npeziell    Kölnit^cb«  |>in{/e 


260  Literatur. 

behandelt.  Wenn  freilich  Ferdinand  Frensdorff  im  2.  Heft  eine  mustergültige 
Ausgabe  der  iura  ministerialium  beati  Petri  in  ihrer  lateinischen  und  deut- 
schen Fassung  und  der  Aufzeichnung  de  servitio  cotidiano  Coloniensis  archi- 
episcopi  liefert,  so  ist  damit  zugleich  ein  Eechtsdenkmal  von  höchster  allge- 
meiner Bedeutung  endlich  in  korrekter  Gestalt  der  Benutzung  übergeben. 
Vielseitigen  Werth  beanspruchen  auch  Korths  Mittheilungen  über  ein  Kopiar 
des  Erzbischofs  Sifrid  und  die  Gütererwerbungen  des  Erzbischofs  Philipp 
von  Heinsberg  (Heft  12).  Eine  durch  grossen  Scharfsinn  und  schlagende 
Beweisführung  ausgezeichnete  Untersuchung  Keussens  im  15.  Heft  führt  den 
Nachweis,  dass  der  Stadtschreiber  Gerlach  vom  Hauwe  der  Verfasser  des 
Verbundbriefs  und  des  sog.  Neuen  Buches  ist.  Dem  Ausgang  des  14.  Jahr- 
hunderts gehören  ebenfalls  an  die  von  Keussen  mitgetheilten  Briefe  zweier 
Kölner  Gesandtschaften  nach  Rom  aus  den  Jahren  1393  und  1394  (Heft  12) 
und  die  von  Höhlbaum  herausgegebenen  und  erläuterten  Rechnungen  über 
eine  Kölner  Hansefahrt  im  Jahre  1399.  Ein  Verzeichniss  der  in  Köln  auf- 
bewahrten Urkunden  des  Hanse-Kontors  zu  Brügge- Antwerpen  ist  im  l.  Heft 
begonnen,  aber  nicht  fortgesetzt  worden.  Einen  höchst  interessanten  Stoff 
aus  dem  Gebiet  des  religiösen  und  literarischen  Lebens  des  15.  Jahrhunderts 
behandeln  Arbeiten  von  Korth  und  Keussen  im  13.  Heft,  wo  ersterer  die 
ältesten  Gutachten  über  die  Brüderschaft  des  gemeinsamen  Lebens,  dieser 
das  vom  päpstlichen  Delegaten  gefällte  Urtheil  gegen  den  die  Brüderschaft 
masslos  angreifenden  Dominikaner  Matthäus  Grabe w  veröffentlicht.  Auch 
die  Wirthschaftsgeschichte  ist  durch  eine  lehrreiche  Arbeit  im  11.  Heft 
gefördert.  Gecrings  statistische  Behandlung  und  Vcrwerthung  der  Aufzeich- 
nungen aus  der  Kölner  „Kraut wage"  geben  ein  Bild  des  Kölner  Kolonial- 
waarenhandels  vor  400  Jahren  und  gestatten  Einblicke  in  die  Küchenver- 
hältnisse der  Reichen  wie  der  Armen. 

Ich  übergehe  Vieles,  um  noch  einer  Rubrik  zu  gedenken,  welche  sieh 
in  jedem  Hefte  findet.  Unter  der  Bezeichnung  „Nachrichten"  wird  eine 
Fülle  kleinerer  Notizen  gebracht,  welche  für  die  Forschung  von  nicht 
geringem  Werth  sind.  Hier  finden  sich  auch  die  Mittheilungen  über  die 
zufalligen  und  doch  oft  so  wichtigen  und  erfreulichen  Erfolge,  über  die 
Funde,  AViederauf findungen  und  Entdeckungen,  welche  die  Neuordnung  einer 
so  grossartigen  Sammlung  mit  sich  bringt,  über  Erwerbungen  durch  Kauf 
und  Geschenk.  Kölner  Zunfturkunden,  Nekrologien  und  Universitätsakten, 
das  Wisbysche  Seerecht,  Kanzleitaxen,  Handschriften  von  Geschichtsquellen 
aller  Art,  Institutionenglossen,  die  älteste  Uebersetzung  der  Nachfolge  Christi, 
Inkunablen,  Karten  und  Globen,  die  verschiedensten  Briefe  und  Inventars 
kommen  hier  in  bunter  Reihenfolge  zur  Besprechung:  fast  für  jedes  Fach 
eine  Förderung  und  Erweiterung  des  Wissens.  Endlich  aber  wird  auch  an 
dieser  Stelle  Auskunft  gegeben  über  die  grossen  Unternehmungen  auf 
geschichtswissenschaftlichem  Gebiet.  Die  Berichte  der  Centraldirektion  der 
Monumenta  Germaniac  historica   und   der  historischen  Kommission   bei   der 


Literatur.  261 

Königlich  Baierischen  Akademie  der  Wissenschafteu,  deren  Thätigkeit  ganz 
Deutschland  umfasst,  nicht  minder  aher  auch  die  der  Badischen  historischen 
Kommission  und  der  die  rheinische  Lokalforschung  vor  Allem  interessirenden 
Gesellschaft  für  Rheinische  Geschichtskunde,  deren  verdienter  und  unermüd- 
licher Vorsitzender  der  Herausgeber  bekanntlich  ist,  gelangen  regelmässig 
zum  Abdruck. 

Möge  die  so  grossen  Nutzen  stiftende  Zeitschrift,  die  zu  Frankfurt  a.  M. 
in  den  vom  Verein  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  herausgegebenen 
Inventuren  des  dortigen  Stadtarchivs  schon  Nachahmung  gefunden  hat,  der 
auch  die  Stadt  Köln  in  einsichtiger  Würdigung  ihrer  Bedeutung  eine  nicht 
geringe  Subvention  gewährt,  sich  kräftig  fortentwickeln,  mögen  ihre  Ver- 
zeichnisse und  Uebersichten  immer  wieder  von  neuen  Gesichtspunkten  aus- 
gehen, CS  wird  ihr  dann  nach  dem  Wunsche  ihres  ausgezeichneten  Leiters 
gelingen,  „die  Genossen  im  wissenschaftlichen  Studium  dem  mannigfaltigen 
Inhalt  des  historischen  Archivs  der  Stadt  Köln  immer  näher  zu  führen". 

Bonn.  H.  Loersch, 


Jahresbericht  über  das  Kaiser-Karls-Gymnasium  zu  Aachen 
für  das  Schuljahr  1887/88.  Veröffentlicht  von  dem  Direktor  des  Gymnasiums 
Dr.  Heinrich  Schwenger.  Hierbei:  Urkundliches  zur  Geschichte  der 
Anstalt.    Von  dem  Berichterstatter.    56  S.  4*'. 

Dem  bis  vor  wenigen  Jahren  allein  in  Aachen  bestehenden  Gymnasium, 
welchem  nunmehr  zur  Unterscheidung  von  dem  neu  errichteten  Kaiser- 
Wilhelm-Gymnasium  der  Name  des  Erbauers  der  Pfalzkapelle  und  des  eigent- 
lichen Begründers  der  Stadt  beigelegt  worden  ist,  ging  in  der  Zeit  der 
französischen  Herrschaft  eine  Schule  voran,  aus  der  es  im  November 
1814  durch  Umwandlung  des  Lektionsplans  geschaffen  wurde.  Das  ältere, 
im  Jahre  1773  an  die  Stelle  der  seit  1601  bestehenden  Jesuitenschule 
getretene  Gymnasium  war  unter  der  Fremdherrschaft  völlig  zerfallen,  seit 
1802  gab  es  in  Aachen  eine  höhere  Schule  überhaupt  nicht  mehr.  Erst  im 
Jahre  1805  gelang  die  Gründung  und  Einrichtung  einer  ficole  secondaire 
communale,  welche  seit  1809  als  College  d'Aix-la-Chapelle  bezeichnet  wird. 
Für  diese  Schule  war,  den  gesetzlichen  Vorschriften  entsprechend,  ein  Bureau 
d*administration  eingerichtet,  welches  über  seine  Verhandlungen  in  einem 
Kegistre  des  d^liberations  Protokoll  führte.  Die  so  entstandenen  Sitzungs- 
berichte, welche  vom  8.  Oktober  1804  bis  zum  23.  Mai  1812  reichen,  hat 
der  Verf.  nebst  mehrern  Beilagen  vollständig  zum  Abdruck  gebracht,  mit  einer 
orientirenden  Einleitung  und  zahlreichen  erläuternden  Bemerkungen  versehen. 
Er  bietet  somit  in  dankenswert  her  Weise  die  ganze  Geschichte  jener  fran- 
zösischen Anstalt  und  liefert  einen  sehr  willkommenen  Beitrag  zur  Geschichte 
des  Aachener  ünterrichtswesens  überhaupt. 

Bonn,  II.  Loersch. 


264  Aus  Zeitschriften. 

Aus  Zeitschriften. 

1.  Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde, 
Bd.  XI,  S.  491 — 550:  J.  Hansen,  Chronik  der  Pseudorektoren  der  Benedikts- 
kapelle zu  Dortmund.  Darin  wird  (S.  546)  zum  Jahre  1385  ein  durch  keine 
sonstige  deutliche  Nachricht  verbürgter  Besuch  der  Königin  Margaretha  von 
Dänemark  in  Aachen  erwähnt.  —  S.  564:  E.  Bishop,  Ein  Schreiben  des 
Abts  Helisacher.  Dieses  Schreiben  ist  an  Erzbischof  Nidibrius  von  Narbonne 
gerichtet  und  gedenkt  der  gleichzeitigen  Anwesenheit  des  letztem  und  des 
Schreibers,  welcher  Kanzler  und  Vertrauter  Ludwigs  d.  Fr.  war,  im  Aachener 
Palast  mit  folgenden  Worten:  quando  apud  Aquasgrani  palatium  me  offitiura 
palatinum,  vosque  propter  ecclesiastica  diriraenda  imperialis  iussio  obstringcret, 
et  frequenter  una  nocturnis  horis  ad  divinum  celebrandum  offitium  conveni- 
remus.  Der  Aufenthalt  beider  Persönlichkeiten  fällt,  wie  durch  andere  Zeug- 
nisse feststeht,  in  das  Jahr  814.  —  S.  603:  S.  Löwenfeld,  Leo  lU.  weiht 
die  Kirchen  in  Hambach  und  Dirlo.  Die  Urkunde,  einer  Quixschen  Abschrift 
aus  dem  Chartular  des  Klosters  Fiissenich  entnommen,  wird  als  leicht  erkenn- 
bare Fälschung  erklärt.  Dirlo,  nach  Löwenfeld  „heute  nicht  mehr  in  der 
Aachener  Gegend  nswhweisbar",  ist  Dirlau,  Bgstr.  Sievemich,  Kr.  Düren.  — 
S.  642:  Kurze  Anzeige  von  St.  B eissei,  Die  Bilder  der  Handschrift  des 
Kaisers  Otto  (vgl.  diese  Zeitschrift  VIII,  S.  299).  Es  wird  hier  unter  Ver- 
weisung auf  N.  Archiv,  Bd.  V,  S.  433  die  Regierungszeit  des  Reichenauer 
Abts  Liutharius,  welche  Beissel  S.  60  in  die  Jahre  934—949  verlegt,  zwischen 
926—934  angesetzt. 

2.  Steinmeyer,  Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum,  Bd.  XXXI,  S.  354: 
R.  Much,  Germanische  Dative  aus  der  Römerzeit  (auf  einem  Votivstein  aus 
Rödingcn  bei  Jülich  und  andern  niederrheinischen  Inschriften).  —  Bd.  XXXII, 
S.  145:  Laistner,  lieber  den  Butzenmann  (in  Aachen:  Böamann). 

3.  Sitzungsberichte  der  Altertumsgesollschaft  Prussia  zu  Königsberg 
i.  Pr.  im  zweiundvierzigsten  Vereinsjahre  (November  1885—86),  S.  78 — 99: 
Bujack,  Ein  Trenck-Becher  (Zeichnungen  und  Dichtungen  seiner  eigenen 
Komposition,  welche  Freiherr  Friedrich  Wilhelm  von  der  Trenck  während 
seiner  Gefangenschaft  in  Magdeburg  auf  einem  Zinnbecher  eingekratzt  hat). 

4.  Deutsche  Litoraturzeitung,  1887,  Sp.  722:  Fr.  Schneider,  Anzeige 
von  St.  Beissel,  Die  Bilder  der  Handschrift  des  Kaisers  Otto  im  Münster 
zu  Aachen  (vgl.  diese  Zeitschrift  Vin,  S.  299).  —  Sp.  1697:  von  Below, 
Anzeige  von  K.  Schellhass,  Das  Königslager  vor  Aachen  und  vor  Frank- 
furt in  seiner  rechtsgeschichtlichen  Bedeutung  (vgl.  oben  S.  248). 

5.  Janitschek,  Repertorium  für  Kunstwissenschaft,  Bd.  X,  Heft  3: 
Frimmel,  Anzeige  von  Bd.  VIII  der  Zeitschrift  des  Aachener  G^schichts- 
vereins.  Mancherlei  Zusätze  über  den  alten  Mosaikschmuck  der  Münster- 
kuppel werden  hier  auf  Grund  der  vorhandenen  Literatur  beigefügt. 

6.  Sitzungsberichte  der  philosophisch-philologischen  und  historischen 
Classe  der  k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  München  1886,   Heft  m, 


Aus  Zeitschriften.  2Hft 

S.  445 — 470:  Stieve,  Ein  Nachwort  über  das  Stralondorflschc  (Jutachton. 
(Beleuchtung  der  unter  Nr.  17  angeführten  Abhandlung.)  1888,  Hoft  11, 
S.  288  —  296:  Ton  Giesebrecht,  Nekrolog  auf  Alfred  von  Koumont. 

7.  Publications  de  la  soci^t^  historiquc  et  arch^ologiquo  dann  lo  duchA 
de  Limbourg,  L  XXIV  (N.  S.  t.  IV),  p.  163-164:  Lyst  der  stcdon,  rljknhopr- 
lijkheden  en  schepenbanken,  die  in  hooger  boroep  zijn  gegaan,  of  adviojsen 
hebben  ingewonnen  bij  den  koninklijken  schepenstoel  te  Aken,  Bodort  hot  Jaar 
1400  tot  1461.  —  p.  165—166:  Matricule  van  Aken  1662.  Ver«oichnlH»  der 
Städte,  Frei-  und  Herrlichkeiten,  Schöffen-  und  Lchngorichte,  für  welche  dor 
Aachener  Schöffenstuhl  in  Berufungs-  und  Provokationssachon  Oberhaupt  war. 

8.  MittheUungen  des  K.  K.  Central-Commission  »ur  Krfornchung  «u«l 
Erhaltung  der  Kunst-  und  historischen  Denkmale,  N.  F.,  Hd.  XIII  (IHH7), 
S.  CXXVIII:  A.  Luschin  von  Ebengreuth,  OrabstÄtton  doutmher 
Studenten  in  Italien.  I.  Siena.  Zu  den  hier  Bestattoton  gehört  „Franclnou« 
GfUger,  Juliacensis.  Siena  1599,  11.  Nov.  Er  war  ein  Neffe  jene«  MathluH 
Gülger,  welcher  damals  Abt  zu  Wiener-Neustadt  war  und  später  Abt  ku 
Eeun  in  Steiermark  wurde.  Franz  Gülger  starb  kurz  vor  Erlangung  «br 
Doktorwürde". 

9.  Geschichts-Blätter  für  Stadt  und  Land  Magdeburg,  Jahrg.  XXIII 
(1888),  Heft  3,  S.  279-291:  A.  Klein  Schmidt,  Eine  SchwcHtor  Friedrich« 
des  Grossen  (Prinzessin  Amalia),  bringt  nobcnboi  eine  kurze  LcbonMb(»Hchrcn»ung 
des  Freiherm  Friedrich  von  der  Trenck.  Amalia  lernte  1768  bei  einem  Hudc- 
auf enthalt  in  Aachen  den  nach  Paris  reisenden  Vater  Mozart  mit  Koin«Mi 
Kindern  kennen. 

10.  Literarisches  Centralblatt,  Jahrg.  1888,  Sp.  898:  Liewc^ang, 
Anzeige  von  K.  Schellhass,  Das  Königslagor  vor  Aachen  und  vor  Frank- 
furt in  seiner  rechtsgeschichtlichen  Bedeutung  (vgl.  oben  S.  248). 

11.  Der  deutsche  Herold,  Jahrg.  XVIII  (1887),  Nr.  1,  S.  12:  J.  Haron 
d'Ablaing  von  Giessenburg,  Berichtigung  zu  einer  Mitthoilung  MaccoH 
betreffend  einen  Bongardtschen  Grabstein  in  Bocholt  (vgl.  diene  Zcitj^chrill 
Vm,  S.  812,  Nr.  16).  -  Nr.  4,  S.  47:  Anzeige  von  Macco,  BcitrÄgo  zur 
Genealogie  rheinischer  Adels-  und  Patrizierfamilien,  Bd.  II.  —  Nr.  6,  S.  70: 
Anzeige  von  K.  von  Mirbach,  Die  Freiherrn  und  Grafen  von  Mirbacb. 

12.  Annalen  des  historischen  Vereins  für  den  Niodcrrhcin,  Heft  XLIII 
(1885),  S.  1 — 79:  J.  J.  Merlo,  Haus  Gürzenich  zu  Köln,  sein  Saal  und  deHseu 
Feste.  S.  2  kommt  als  Mitankäuferin  des  Gürzenicher  Hofn  die  edle  Frau 
Helswindis,  Mutter  des  Aachener  Schultheissen  Arnold  von  Gimmenich,  vor, 
die  in  der  Schreinsurkunde  (S.  67)  auffallender  Weise  Helswindis  de  Frechene 
genannt  wird.  -  Heft  XL  VI  (1887),  S.  160—166:  E.  von  Oidtman,  Haus 
Kiffelberg  bei  Linnich.  Zugleich  ein  Nachtrag  zu  „Haus  Ertzelbach"  (Heft 
XXXV,  S.  160).  -  S.  177—178:  R.  Pick,  Zur  Geschichte  der  Stadt  Ander- 
nach. Bittschreiben  derselben  an  die  Geschworenen  des  Landfriedensbunds 
zwischen  Maas  und  Khein  vom  9.  November  1366   (Original  im  Stadtarchiv 


266  Aus  Zeitschriften. 

zu  Aachen).  —  S.  179--181:  E.  Pick,  Der  St.  Margarothenkonvent  im 
Beguinen Winkel  zu  Aachen.  —  S.  182:  R.  Pick,  Zu  dem  Raubzug  des 
Grafen  Engelbert  von  der  Mark  ins  Kölner  Erzstift  1391.  Bericht  des  Bür- 
germeisters Johann  Vorne  zu  Düren  an  die  Bürgermeister  Arnold  Volmer 
und  Johann  von  dem  Berge  zu  Aachen.  —  S.  191 — 194:  Vortrag  des  Pfar- 
rers Esser  über  Franziskus  Agricola  (geb.  zu  Lohn  bei  Aldenhoven).  — 
S.  195—197:  Vortrag  des  Domkapitulars  Schntttgen  über  den  Triumph- 
bogen in  der  Pfarrkirche  zu  Barmen  bei  Jülich.  —  S.  199:  R.  Pick,  Notiz 
über  den  Aachener  Arzt  und  Brunneninspektor  Franz  Blondel  und  seine 
Schrift :  Thermarum  Aquisgranensium  et  Porcetanarum  elucidatio.  —  Heft 
XL VII  (1888),  auch  unter  dem  Titel:  Wunderbare  und  denkwürdige 
Geschichten  aus  den  Werken  des  Cäsarius  von  Heisterbach  ausgewählt,  tiber- 
setzt und  erläutert  von  Alexander  Kaufmann,  Theil  I,  gibt  S.  25  ff. 
zahlreiche  Erzählungen  aus  Aachen  und  seiner  Umgebung. 

13.  Archiv  für  Post  und  Telegraphic,  Jahrg.  1887,  Nr.  16,  S.  501-506: 
M.  Schlesinger,  Das  Zeitungsmuseum  in  Aachen.  (Gründung  des  Bürger- 
meisters a.  D.  0.  von  Forckenbeck  daselbst.) 

14.  Mittheilungen  des  K.  K.  Oesterr.  Museums  für  Kunst  und  Industrie, 
N.  F.,  Jahrg.  II  (1887),  S.  331:  Fr(immel),  Anzeige  von  Bd.  VIII  der 
Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins.  —  R(ie)gl,  Anzeige  des  von 
Job.  Chorus  besorgten  neuen  Abdrucks  der  Noltenschen  Schrift:  Archäolo- 
gische Beschreibung  der  Münster-  oder  Krönungskirche  in  Aachen  u.  s.  w.  — 
Jahrg.  III  (1888),  Heft  10,  S.  223—224:  AussteUung  von  alten  Töpfer- 
waaren  und  Gläsern  zu  Köln  im  August  1888,  darunter  mehrere  Raerener 
Prachtstücke  (Krüge  mit  einer  Centaurenschlacht  und  einem  Bauerngelage, 
braune  Kanne  mit  der  Erzählung  von  der  Susanna  u.  s.  w.). 

15.  Studien  und  Mittheilungen  aus  dem  Benediktiner-  und  dem  Cister- 
cienser-Orden,  Jahrg.  VIII  (1887),  S.  398—406  und  593—602:  Schmid, 
Die  St.  Lambrechter  Todtenrotel  von  1501—1502.  Der  Rotelbote  des  Stifts 
St.  Lamprecht  in  Steiermark  besuchte  am  18.  Oktober  1501  das  Marienstift, 
den  Augustinereremiten-Konvent,  das  Dominikaner-  und  das  Karmeliten- 
kloster  zu  Aachen  (Nr.  117—120);  bei  den  Karmelitern  werden  die  „fratres 
Hubertus,  Gotschlinus  und  Gortfridus"  als  verstorben  erwähnt.  Am 
20.  Oktober  desselben  Jahres  besuchte  er  das  Franziskaner-,  das  Karmeliten- 
und  das  Wilhelmiterkloster  Paradies  zu  Düren  (Nr.  121—123).  —  Jahrg.  IX 
(1888),  S.  445—464:  H.  Höfer,  Die  Bcnedictinerstiftungen  in  den  Rhein- 
landen. Erwähnt  werden  aus  dem  Vereinsgebiet  die  drei  Reichsabteien  zu 
Burtscheid,  Cornelimüuster  und  Malmedy,  sowie  die  Propstei  Milien  bei 
Heinsberg.  Die  beigegebeuen  geschichtlichen  Nachrichten  und  Literatur- 
nachweise sind  äusserst  dürftig  und  theilweise  unrichtig. 

16.  Bulletin  de  l'institut  archeologique  Liögeois,  t.  XVII  (1883),  livr.  1, 
p.  13—40:  J.  Daris,  Notes  historiques  sur  les  commanderies  de  l'ordre 
Teutoniquo  au  diocese   de  Li^gC;   mit  Notizen    über  die  St.  Aegidiuskaiiellc 


Aa>  Zeitschriften.  2^7 

zu  Aachen.  —  p.  47 — 137:  S-,  Gres-cermmes  4  annoiries  Li<5geoise$s  mit 
Nachrichten  über  die  Adebfunilien  Bex,  Brempt,  Cortenbaeh,  i'ouTeji, 
Eynatten,  Hanxler,  Xerode,  Xes^elrode,  Palant,  Reusohenberg,  Schwarxcnberg, 
VTatten- 

17.  Markii^he  Forschungvn,  Bd.  XIX  (18S6K  S.  293—349:  Fr.  Mei- 
necke, Ihis  Stnüendorflf'^che  Outachten  über  den  Jülicher  Erb  fahrest  reit. 
(Die  Ent8tehnng  de«*  fiL«4chlich  dem  Reich?*Yizekanzler  Lippold  von  Stialen- 
dorflf  zugeschriebenen  Gutachtens  wird  ins  FrfÜyahr  1610  gesetzt  und  ver- 
muthet,  dass  die  Fäl<chnn^  aus  der  Spekulation  auf  den  Dank  und  die 
Erkenntlichkeit  der  brandenburgi!»chen  Rat  he  hervorgegangen  sei.) 

18.  Analecta  Kollandiana,  t  IT,  p.  356:  A.  Steffens,  De  ^anet(» 
Amoldo  confessore  in  pago  Amoldsweiler  in  agro  Juliacensl  notae  quaedam. 
Die  Bemerkungen  betreffen  die  in  der  vita  s.  Amoldi  (Arta  sanctorum,  t,  IV, 
Julii,  p.  449)  angeführten  Orte,  den  alten  Ktiltus  des  h.  Amoldus  tind  die 
Zeit  der  Abfassung  der  vita  s.  Amoldi  (Anfang  des  12.  Jahrhunderts). 

19.  Annales  de  la  societ6  arch^ologique  de  Tarrondissement  de  Nivelles, 
t.  III  (1887),  p.  129—175:  E.  van  Even,  La  demi^re  abbesse  de  Nivello^. 
In  dem  als  Beilage  mitgetheilten  Wahlprotokoll  vom  8.  und  9.  August  1774 
(p.  162-173)  werden  unter  den  Mitgliedern  des  adligen  Stifts  St.  Gertrud 
zu  Nivelles  aufgeführt:  p.  167  Regina  von  Leerodt,  geb.  auf  Schloss  Born 
im  Jtilichschen,  alt  31  Jahre,  ins  Stift  aufgenommen  am  3.  September  1754; 
p.  168  Maria  Anna  Berghe  von  Trips,  geb.  zu  Aachen,  alt  39  Jahre,  ins 
Stift  aufgenommen  am  22.  Jlai  1758;  p.  170  Louise  Berghe  von  Trips,  geb. 
im  Jttlichschen,  alt  15  Jahre,  ins  Stift  aufgenommen  am  18.  November  1770; 
p.  172  Johanna  Berghe  von  Trips,  geb.  im  Jttlichschen,  alt  12  Jahre,  ins  Stift 
aufgenommen  am  19.  November  1770. 

20.  Schnütgen,  Zeitschrift  für  christliche  Kuust,  Jahrg.  I,  Sp.  54: 
8t.  Beissel,  Das  karolingische  Evangelienbuch  des  Aachener  Münsters.  - 
Sp.  109:  H.  Loersch,  Zur  Geschichte  der  liturgischen  Tauben  (vcrwerthet 
eine  Notiz  des  Nekrologiums  des  Aachener  Marienstifts). 

21.  Geiger,  L.,  Zeitschrift  für  die  Geschichte  der  Juden  in  Deutsch- 
land, Bd.  I  (1886),  S.  199  (vgl.  S.  396):  M.  Stern,  Zu  den  Kämpfen  Ottos  IV 
und  Philipps  von  Schwaben  1198  und  1199.  Das  Gulphen  der  Reimchronik, 
wo  K.  Philipp  1199  lagerte,  ist  nach  der  vorliegenden  jüdischen  Quelle  mit 
Böhmer  und  Abel  in  Gulpen  zwischen  Aachen  und  Maastricht  zu  suchen  und 
nicht  mit  Ficker  in  Zülpich,  vgl.  Böhmer-Ficker,  Regesten  Nr.  30a. 

22.  Mittheilungen  des  Instituts  für  österreichische  Geschieh tsforschting, 
Bd.  \^I,  S.  436  ff.:  Mühlbacher,  Unedirte  Diplome.  Unter  diesen  Urkunden 
sind  zwei  hervorzuheben,  welche  den  Nachweis  des  Aufenthalts  Ludwigs  d.  Fr. 
in  Aachen  zum  30.  August  815  und  27.  April  819  durch  ihre  Datirung  lie- 
fern, femer  ein  Privileg  K.  Heinrichs  IV.,  Kaiserswerth,  26.  April  1057, 
wodurch  er  der  bischöflichen  Kirche  von  Verdun  curtira  nomine  Diurara 
in  pago  Rurgouue  (also  den  Reichshof  Düren)  schenkt. 


268  Aus  Zeitschriften. 

23.  Zeitschrift  des  historischen  Vereins  fttr  Niedersachsen,  Jahrg.  1886, 
S.  235—319:  Die  Beziehungen  zwischen  Frankreich  und  dem  Hause  Braun- 
schweig-Lüneburg  in  der  Epoche  der  Tripelallianz.  Als  Beilage  16  (S.  286  f.) 
ist  ein  Schreiben  des  Herzogs  Johann  Friedrich  von  Hannover  an  den  päpst- 
lichen Nuntius  in  Aachen  (ad  nuntium  apostolicum  Aquisgrani  conunorantem), 
d.  d.  Hannover,  29.  Dezember  1670  mitgetheilt. 

24.  Gazette  archöologique  1887,  Nr.  1  und  2:  Anzeige  von  E.  aus'm 
Weerth,  Die  Eeiterstatuette  Karls  d.  Gr.  aus  dem  Domo  zu  Metz  (vgl. 
diese  Zeitschrift  VII,  S.  155,  Nr.  9). 

25.  La  Revue  nouvelle  d'Alsace- Lorraine  et  du  Rhin,  8®  ann«5e 
(1888/89),  p.  194:  Anzeige  des  IX.  Bandes  und  des  Registers  zu  Bd.  I— VII 
der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins. 

26.  Grauert,  Historisches  Jahrbuch,  Bd.  VIII,  S.  629:  Job.  üebin- 
ger,  Kardinallegat  Nikolaus  Cusanus  in  Deutschland  1451 — 52.  (Aufenthalt 
in  Aachen  und  Umgegend  im  Oktober  1451,  Aufenthalt  und  längere  Krank- 
heit in  Aachen  von  Anfang  Dezember  1451  bis  Anfang  Januar  1452.  Der 
S.  663  genannte  Dekan  des  Marienstifts  hiess  nicht  Peter  Nymayr,  sondern 
Peter  Wimar  von  Erkelenz,  wurde  auch  erst  später  Dekan.)  —  Bd.  IX, 
S.  49:  Höfler,  Gedenkblatt  auf  das  Grab  Alfreds  von  Reumont. 

27.  Le  Correspondant,  10.  September  1886:  Gaidoz,  Malmiidy  et  la 
Wallonle  prussienne.  Notes  de  voyage,  aoüt  1885.  Enthält  mancherlei  Älit- 
theilungen  über  Sprache,  Sitte  und  Brauch. 

28.  De  Maasgouw,  Jahrg.  IX  (1887),  Nr.  27  und  28,  S.  105—110: 
Testament  des  Lambert  Munten,  Kanonikus  des  Marienstifts  zu  Aachen  (1558). 

29.  Archiv  fvlr  Litteraturgeschichte,  Bd.  XV  (1887),  S.  1—20:  H.  Varn- 
hagen,  Eginhard  und  Emma,  eine  deutsche  Sage  und  ihre  Geschichte. 

30.  Revue  des  traditions  populaires,  t.  II,  livr.  4:  P.  Söbillot, 
Le  folk-lore  de  Malm^dy. 

31.  Mittheilungen  aus  der  historischen  Literatur,  hrsg.  von  der  histo- 
rischen Gesellschaft  in  Berlin,  Jahrg.  XVI,  S.  12:  Schnitze,  Anzeige  von 
K.  Schellhass,  Das  Königslager  vor  Aachen  und  vor  Frankfurt  in  seiner 
rcchtsgeschichtlichen  Bedeutung  (vgl.  oben  S.  248). 

32.  Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins,  Bd.  XXII  (1886), 
S.  80 :  Plünderung  des  Klosters  Reichenstein  (bei  Montjoie)  durch  kaiserliche 
Truppen  im  Geldrischen  Kriege  1543,  geschildert  vom  Prior  des  Klosters 
Johann  Heep  (Urkunden-Abschrift  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf). 

33.  F.  von  Löher,  Archivalische  Zeitschrift,  Bd.  XI  (1886),  S.  85—93: 
R.  Pick,  Das  jetzige  Aachener  Stadtarchiv. 

34.  Bericht  über  die  Verwaltung  und  den  Stand  der  Gemeinde- 
Angelegenheiten  der  Stadt  Aachen  zu  dem  Haushaltsetat  des  Jahres  1887/88, 
gibt  S.  22—80  ausführlichere  Mittheilungen  über  das  städtische  Archiv,  ins- 
besondere über  die  demselben  im  Herbst  1886  aus  den  altem  Arclüvbeständen 


Aus  Zeitschriften.  269 

des  Königlichen  Landgerichts  daselbst  als  Depositum  überwieseneu  Protokoll- 
bücher und  Register,  zusammen  etwa  560  Bände. 

35.  Humann,  Archiv  für  kirchliche  Kunst  1887,  Nr.  8:  Anzeigte  von 
St.  Bei s sei,  Die  Bilder  der  Handschrift  des  Kaisers  Otto  im  Münster  zu 
Aachen  (vgl.  diese  Zeitschrift  VIII,  S.  299). 

36.  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins,  Bd.  II  (1887),  S.  59 

—  67:  H.  Forst,  Das  Kloster  Reichenstein  von  seiner  Gründung  bis  zu 
seinem  Untergange. 

37.  Korrespondenzblatt  des  Vereins  für  niederdeutsche  Sprachforschung, 
Heft  XII  (Jahrg.  1887),  S.  42,  57,  76:  Westfälisch  guorig  (Verweisungen 
auf  görrig  in  der  Aachener  Mundart  durch  J.  Peters  und  H.  Loersch). 

38.  Hettner  und  Lamprecht,  Westdeutsche  Zeitschrift  für  Geschichte 
und  Kunst,  Jahrg.  VI  (1887),  Heft  3,  S.  275—279:  H.  Loersch,  Anzeige 
der  Mittheilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit,  Jahrg.  I, 
Heft  1.  —  Jahrg.  VII  (1888),  Heft  3,  S.  804:  Fr.  Bernd t,  Bericht  über 
Erwerbungen  des  Aachener  Suermondt-Museums  im  Jahre  1887. 

39.  Hettner  und  Lamprecht,  Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen 
Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst,  Jahrg.  VI  (1887),  Nr.  6,  Sp.  138—140: 
Auszug  aus  dem  Bericht  des  Stadtarchivars  Pick  über  die  Verwaltung  des 
Archivs  der  Stadt  Aachen  im  Jahre  1886.  —  Jahrg.  VII  (1888),  Nr.  l,Sp.  5: 
R.  Pick,  Die  Funde  bei  den  Erdarbeiten  im  sog.  Gras  in  Aachen.  —  Nr.  2, 
Sp.  45  f.:  R.  Pick,  Zur  Geschichte  der  Siechenhäuser  (Melaten  bei  Aachen). 

—  Nr.  7,  Sp.  134:  Funde  von  räthselhaften  palisadenartigen  Gehäusen  auf 
dem  Terrain  der  frühem  sog.  Prinzenhofkaseme  in  Aachen.  —  Nr.  9  und  10, 
Sp.  197—200:  Auszug  aus  dem  Bericht  des  Stadtarchivars  Pick  über  die 
Verwaltung  des  Archivs  der  Stadt  Aachen  im  Jahre  1887. 

40.  Mittheilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit,  Jahrg. 
I,  S.  3—24:  R.  Pick,  Die  kirchlichen  Zustände  Aachens  in  vorkarolingischer 
Zelt.  —  S.  25 — 36:  E.  Pauls,  Fürstensagen  in  Aachen  und  seiner  Umgebung. 

—  S.  37—50:  K.  Wieth,  Aachens  Wurfgeschosse  im  14.  Jahrhundert.  (Mit 
Tafel.)  —  S.  51—57:  0.  Dresemann,  Die  Krönung  König  Wenzels  zu 
Aachen.  —  S.  58—63:  E.  Pauls,  Eine  verschollene  Schrift  über  Aachen 
aus  dem  Jahre  1701.  —  S.  64 — 83:  H.  F.  Macco,  Die  Mitglieder  der 
St.  Sebastianus-Bogenschützen-Gesellschaft  in  Burtscheid.  (Mit  Tafel.)  — 
S.  84—94:  R.  Pick  (Miscellen):  Eine  alte  Aachener  Wachtordnung.  —  Zur 
Geschichte  der  Aachener  Stadtsoldaten.  —  Vier  Briefe  Friedrichs  d.  Gr.  an 
die  Stadt  Aachen.  —  Der  Eid  des  Aachener  Scharfrichters  im  17.  Jahr- 
hundert. —  S.  95—96:  Fragen.  —  S.  97—111:  R.  Pick,  Kleinere  Beiträge 
zur  Aachener  Geschichte  und  Topographie.  I.  Wann  erhielt  Aachen  seine 
erste  Befestigung?  II.  Der  angebliche  Eisenmarkt  in  Aachen.  —  S.  112  — 
115:  S.  Planker:  Das  Deckengemälde  im  Querhaus  der  Pfarrkirche  von 
St.  Peter  zu  Aachen.    —    S.   116—142:   E.  Pauls,  Fürstensagen  in  Aachen 


270  Aus  Zeitschriften. 

und  seiner  Umgebung.  II.  —  S.  143—152:  K.  Wacker,  Die  vormalige  Bru- 
derschaft  vom   Leiden  Jesu   in   der   St.  Peterspfarre  zu  Aachen.  —  S.  153 

-  162:  E.  Pauls,  Aus  dem  Tagebuch  des  Aachener  Stadtsyndikus  Dr.  Peter 
Fell.  —  S.  163—176:  K.  Wieth,  St  Gertruden  Minne.  —  S.  177—180 
(Miscellen):  S.  Planker,  Der  abtrünnige  Mönch  und  Pfarrer  von  St.  Peter 
zu  Aachen,  Heinrich  Beyer  von  Capellen.  —  Der  Philosoph  Hegel  in  Aachen. 
—  R.  Pick,  Die  Bezeichnung  „upt  Yseren**.    —    S.  181  —  184:  Antworten. 

-  S.  185—190:  Chronik  des  Vereins.  —  Jahrg.  n  (unter  dem  Titel:  „Aus 
Aachens  Vorzeit"),  Nr.  1,  S.  1—4:  R.  Pick,  Der  angebliche  Aachener  Stadt- 
brand 1146.  —  S.  4—9:  C.  Rhoen,  Die  Aachener  Stadtpläne.  (Mit  Abbil- 
dung.) —  S.  10—12:  E.  Pauls,  Ein  in  Aachen  entstandenes  Schauspiel  und 
Siegeslied  zur  Befreiung  Wiens  von  den  Türken  im  September  1683.  — 
S.  12—16  (Kleinere  Mittheilungen):  R.  Pick,  Zur  Biographie  des  Pfarrers 
Heinrich  Brewer.  —  W.  Weitz,  Domgraf  und  Schuz.  —  R.  Pick,  Das 
Grundhaus  bei  Aachen.  —  S.  16:  Fragen. 

41.  Kölnische  Volkszeitung  vom  31.  Mai  1888,  Bl.  II:  Wanderungen 
durch  den  Kreis  Montjoie. 

42.  Deutscher  Reichs-Anzeiger  und  Königlich  Preussischer  Staats- 
Anzeiger,  Jahrg.  1888,  Nr.  221 :  Anzeige  von  Bd.  IX  der  Zeitschrift  des 
Aachener  Geschichtsvereins  nebst  Auszügen  aus  der  Chronik  desselben  1886/87. 

43.  Der  Friedensbote  (Beilage  zur  Aachener  Volkszeitung),  Jahrg.  I 
(1886),  Nr.  45—48:  Kessel,  Geschichte  des  Trappistenklosters  Maria wald 
bei  Heimbach.  —  Jahrg.  II  (1887),  Nr.  33  und  34:  E.  Müller,  Die  Bene- 
diktineriunen  in  Steinfeld.  —  Nr.  35  und  36:  E.  Müller,  Die  Prämonstra- 
tenser-Propstoi  Steinfeld.  —  Nr.  39 — 49:  E.  Müller,  Die  Prämonstratcnser- 
Abtei  Steinfeld.  —  Jahrg.  III  (1888),  Nr.  4—25:  E.  Müller,  Die 
Prämonstratenser- Abtei  Steinfeld.  —  Nr.  5:  Kessel,  Kirchlicher  Hymnus 
auf  Karl  d.  Gr. :  ürbs  aquensis,  urbs  regalis.  —  Nr.  9— 12:  J.  Th.  Laurent^ 
Die  Aachener  Heiligthumsfahrt.  -  Nr.  13:  Kessel,  Der  neueste  Gegner 
der  Aachener  Heiligthümer.  —  Nr.  14  und  15:  Kessel,  Die  Beziehungen 
Karls  des  Grossen  zu  Jerusalem,  Constantinopel  und  Rom.  —  Nr.l6:  Kessel, 
Hat  Karl  der  Grosse  dem  Aachener  Münster  mit  den  Heiligthümeni  nicht 
auch  Authentiken  über  ihre  Herkunft  und  Echtheit  übergeben?  Wo  sind  sie 
geblieben?  —  Nr.  17—20:  Kessel,  Reliquien- Verzeichnisse  der  Älünsterkirche 
vor  der  Zeit  Karls  d.  Gr.  bis  zum  Anfang  dieses  Jahrhunderts.  —  Nr.  21 
--  28:  Kessel,  Die  grossen  heiligen  Reliquien  der  Münsterkirche  zu  Aachen. 

-  Nr.  29—31:  Die  Heiligthumsfahrt  des  Metzer  Bürgers  Philipp  von  Vig- 
neulles  im  Jahre  1510.  (Ueber  denselben  Gegenstand  handelt  die  jüngst  zu 
Saargemünd  erschienene  lehrreiche  Schrift:  Philipp  von  Vigneulles'  Aachen- 
fahrt im  Jahre  1510  von  H.  Lempfrid.)  —  Nr.  31:  Kessel,  Das  Haupt 
der  heiligen  Anna  zu  Düren.  —  Nr.  32—36:  Kessel,  Das  Pfarrdorf  Rott 
am  Vichtbach  und  die  Andacht  zum  h.  Quirinus  daselbst. 


Aus  Zeitschriften.  271 

44.  Echo  der  Gegenwart,  Jahrg.  1887,  Nr.  15,  Bl.  I:  Anzeige  von 
Bd.  VIII  der  Zeitschrift  des  Aachener  Oeschichtsvereius.  -  Nr.  116,  Bl.  I: 
Die  Schlossruine  von  Montjoie.  -  Nr.  122,  Bl.  III:  Der  Malier  bei  Mont- 
joie.  —  Nr.  135,  Bl.  III:  Weisheitssprtiche  für  Rechtsuchende  und  Recht- 
sprechende  (aus  einem  Protokollbuch  des  Gerichts  zu  Horbach  bei  Aachen). 
—  Nr.  144,  Bl.  III:  Zur  Geschichte  Reichensteins.  ^  Nr.  149,  Bl.  IV:  Das 
Feythal  mit  der  Kakushöhle.  -  Nr.  170,  Bl.  I:  Der  „Meteorstein"  im  Poly- 
technikum (vgl.  unten  Nr.  46).  —  Nr.  176,  Bl.  II:  Aachener  Badedivertis- 
sements im  vorigen  Jahrhundert.  —  Nr.  211,  Bl.  U  —  213,  Bl.  II,  216,  Bl. 
II  und  217,  Bl.  11:  Eine  Wanderung  durch  die  vulkanische  Eifel.  —  Nr.  209, 
Bl.  I:  Aus  dem  rheinischen  Ruhrgebiet.  -  Nr.  227,  Bl.  I:  Die  katholische 
Pfarrkirche  in  Eilendorf.  —  Nr.  266,  Bl.  I:  E schwelle r,  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Aachener  Gaues  (Mundart  des  Ländchens  zur  Heiden).  — 
Nr.  237,  Bl.  II:  B( eissei)  S.  J.,  Zur  Erinnerung  an  Herrn  Direktor  Andreas 
Fey  (gest.  2.  September  1887).  ~  Jahrg.  1888,  Nr.  150,  BL  III:  Mtlnzfund  im  Venu 
zu  Aachen  (mittelalterliche  Aachener  Münzen).  —  Nr.  165,  Bl.  II:  Anzeige  von 
Bd.  IX  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins.  —  Nr.  186,  Bl.  III: 
Eine  Stimme  aus  der  Eifel  (betreffend  Schannats,  Bärschs  und  Schorns  Werke 
über  dieses  Land).  -  Nr.  202,  Bl.  II:  Eine  Wanderung  durch  das  Callthal. 
(Simona-Call  „verdankt  nach  der  Sage  seine  Entstehung  dem  Jagdaufeuthalt 
Karls  d.  Gr.  in  den  Ardennerforsten" ;  tlber  der  Thür  eines  alten  Hauses 
daselbst  in  Stein  die  „räthselhaften  Buchstaben"  S.  X.  K.  X.  A.  8.)  —  Nr.  207, 
BL  rt:  W.  Vonderkall,  Kipp-Lei  Sage  aus  dem  CallthaL  —  Nr.  211,  Bl.  II: 
Anzeige  von  0.  Dresemann,  Die  Jacobskirche  zu  Aachen.  --  Nr.  220,  BL 
II,  221,  BL  II  und  223,  BL  II:  Die  Aachener  Bäder  vor  zweihundert 
Jahren.  (Ausztlge  aus  F.  Blondeis  1688  in  3.  Auflage  erschienenem  Buche 
über  die  Aachener  und  Burtscheider  Thermalquellen.)  —  Nr.  236,  Bl.  11: 
Anzeige  der  Zeitschrift  „Aus  Aachens  Vorzeit",  Nr.  1.  —  Nr.  240,  BL  III: 
Bericht  tlber  die  am  11.  Oktober  1888  "gehaltene  Generalversammlung  des 
Aachener  Geschichtsvereins,  mit  zahlreichen  Einzelheiten  aus  den  Vorträgen  von 
Loersch  und  Pick  (vgL  unten  S.  280).  —  Nr.  262,  BL  I:  (Pick),  Der  lange 
Thurm  in  Aachen;  gibt  eine  Uebersicht  über  die  Schicksale  dieses  im  Anfang  des 
14.  Jahrhunderts  erbauten  Mauerthurras  und  empfiehlt  seine  Wiederherstellung 
in  der  ursprünglichen  Gestalt.  ~  Nr.  263,  Bl.  III:  Schulz,  Die  neue  Drei- 
faltigkeitsglocke von  St.  Jakob  in  Aachen.  —  Nr.  265,  Bl.  I:  Bericht  über 
die  Monatsversammlung  des  Aachener  Geschichtsvereins  vom  9.  November  1888, 
mit  vielen  Einzelheiten  aus  den  Vorträgen  von  Loersch  (Aufnahme  hervor- 
ragender Gebäude  Aachens  in  Aquatintamanier  von  J.  und  R.  Gardner  1788, 
2.  Aufl.  1792;  Kupferstich  von  J.  Luycken  [1649—1712],  das  Innere  eines 
Aachener  Bades  darstellend;  Bericht  Rudolfs  de  Rivo  [f  1403]  über  das 
Schliessen  des  Kaiserbads  in  Aachen)  und  Pick  (Rheinlieder  von  unbekannten 
Verfassern ;  mittelalterliche  Funde  auf  dem  Terrain  der  vormaligen  St.  Jakobs- 
kirche und  in  der  Vaelserstrasse  zu  Aachen;  Kreuz  mit  Inschrift  von  1460 
an  der  Landstrasse  zwischen  Walhorn  und  MeroLs;   Aachener  Strasscnnamen 


272  Aus  Zeitschriften. 

von  Gewerben).  —  Xr.  273,  BI.  11 :  Bericht  über  die  Monatsversammlung  des 
Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit  vom  21.  November  1888,  mit  Notizen 
über  prähistorische  Funde  in  Aachen  und  seiner  Umgebung  (von  Wie th  und 
Pick),  sowie  über  Uhren  (insbesondere  die  Uhrgloeke  im  Bathhaas)  und 
Uhrmacher  in  Aachen  und  im  Jülichschen  (von  Schaffrath  und  Pick). 

45.  Literarische  Beilage  zum  Echo  der  Gegenwart  1888,  Nr.  10 ;  Anzeige 
von  H.  Lempf  rid,  Philipp  von  VigneuUes'  Aachenfahrt  im  Jahre  1510.  (Vgl. 
oben  Nr.  48.) 

46.  Aachener  Zeitung,  Jahrg.  1887,  Nr.  5,  Bl.  I:  Anzeige  von  J.  Han- 
sen, Beiträge  zur  Geschichte  von  Aachen.  Heft  1.  —  Nr.  15,  Bl.  I:  Aachen 
als  Römerlager.  —  Nr.  56,  Bl.  I:  Die  Erfindung  der  Stahlfeder  (durch  den 
Bürgermeisterdiener  [nicht  „Bürgermeistereischreiber"]  Johann  Janßen  zu 
Aachen).  —  Nr.  77,  Bl.  I  —  79,  Bl.  I:  C.  Lemcke,  Barthold  Suermondt.  — 
Nr.  87,  BL  I:  Blocken-Poschen  (zur  Berichtigung  vgl.  diese  Zeitschrift  IX, 
S.  77,  Anm.  4).  —  Nr.  90,  Bl.  I:  Ignaz  Beissel  (gest.  26.  März  1887).  —  Nr.  107, 
Bl.  I:  F.  A.  Bacciocco,  Alfred  von  Reumont  —  Nr.  128,  Bl.  I  —  130, 
Bl.  I,  133,  Bl.  I  und  134,  Bl.  I;  Verkehrssicherheit  im  Mittelalter  (berück- 
sichtigt vornehmlich  den  Landfriedensbund  zwischen  Maas  und  Rhein).  — 
Nr.  170,  Bl.  I:  Die  im  Hofe  der  technischen  Hochschule  zu  Aachen  lagernde 
Eisenmasse;  sie  ist  kein  Meteorit,  sondern  besteht  nach  den  Untersuchungen 
des  Prof.  Arzruni  aus  den  Rückständen  geschmolzenen  Eisens,  hüttenmännisch 
„Rennfeuersau*^  genannt,  und  entstammt  einer  Zeit,  wo  es  noch  keine  Hoch- 
öfen gab,  sondern  nur  Schmelzöfen,  in  denen  kleinere  Mengen  Eisen  in  höchst 
unvollkommener  Art  geschmolzen  wurden.  —  Nr.  173,  Bl.  I,  175,  BL  I  und 
177,  BL  I:  Die  Eifel  (geschichtliche,  topographische  und  geologische  Nach- 
richten in  populärer  Form).  —  Nr.  247,  BL  I:  H.  Becker,  Zur  Erinnerung  an 
einen  vergessenen  Dichter  (Nikolaus  Becker).  —  Nr.  253,  Bl.  I:  D(rese- 
mann),  Städtische  Beamte  im  fünfzehnten  Jahrhundert.  Bemerkungen  zu 
den  in  Bd.  VUi,  S.  218  ff.  dieser  Zeitschrift  veröffentlichten  „Verpflichtungs- 
urkunden", mit  einzelnen  Unrichtigkeiten,  z.  B.  bezüglich  des  Benutzungs- 
rechts der  den  Thorwächtem  und  andern  Beamten  von  der  Stadt  gestellten 
freien  Wohnung.  —  Nr.  255,  BLI:  D(resemann),  Sprachliches  aus  und 
über  Aachen.  —  Nr.  264,  BL  I;  Ewerbeck,  Suermondt-Museum  (Besprechung 
einiger  interessanter  Abgüsse  von  Kunstwerken  des  Mittelalters  und  der 
Renaissanceperiode).  —  Jahrg.  1888,  Nr.  17,  BL  n  —  19,  BL  11:  Der  Aachener 
Henker.  —  Nr.  26,  Bl.  I:  Der  Zigeuner  im  Aachener  Dialekt.  —  Nr.  160, 
BL  II :  Die  mittelalterliche  Befestigung  der  Stadt  Aachen.  (Skizze  des 
Vortrags  des  Stadtarchivars  Pick  in  der  Monatsversammlung  des  Aachener 
Geschichtsvereins  vom  21.  Juni  1888.) 

47.  Aachener  Volkszeitung,  Jahrg.  1887,  Nr.  303:  St.  Hubertus,  der 
Schutzpatron  der  Jäger  und  seine  Beziehungen  zum  frühem  Herzogthum 
Jülich.  —  Nr.  314:  Zur  Erinnerung  an  einen  vergessenen  Dichter  (Nikolaus 
Becker).  —  Nr.  342:  Zur  Naturgeschichte  des  Bauernhauses  und  Hofes  im 


Aus  Zeitschriften.  273 

niederrheinischen  Lande.  —  Jahrg.  1888,  Nr.  1:  H.  Ah  eis,  Synchronistische 
Tabellen  aus  der  Aachener  Geschichte,  mit  mehrfachen  chronologischen  und 
sonstigen  Irrthtimem.  —  Nr.  2 :  Feld  und  Flur  und  ihre  Eintheilung  nach  Sitte 
und  Brauch  unserer  Altvordern.  —  Nr.  9 :  Wiese  und  Wald,  Busch  und  Bruch 
und  ihre  gemeinschaftliche  Benutzung  seitens  unserer  Vorfahren.  —  Nr.  34: 
H.  Böckeier,  Ürbs  aquensis  (Hymnus  auf  Karl  d,  Gr.).  —  Nr.  37:  Kessel, 
Erwiderung  auf  die  Bemerkung  des  Herrn  Böckeier  über  meinen  Aufsatz 
^jürbs  aquensis,  urbs  regalis**.  (Vgl.  oben  Nr.  43.)  —  Nr.  44 :  Alte  Fastnachts- 
gebräuche am  Niederrhein.  —  Nr.  63:  F.  Hermann,  Die  deutsche  Nadel- 
fabrikation (behandelt  namentlich  die  Aachener  Nadelmacherei).  —  Nr.  85: 
Das  Maiaufstecken  in  Aachen  (schon  1456  bezeugt).  —  Der  Name  des  Dorfes 
Raeren.  —  Das  Häckselstreuen  in  Aachen.  —  Der  Hühnermarkt  und  der 
Käsemarkt  (Hof)  in  Aachen.  —  Der  Mareillen-  oder  Marillenthurm  in  Aachen; 
sämmtliche  fünf  Artikel  sind  von  R.  Pick  verfasst.  —  Nr.  98:  Der 
Ortsname  Raeren.  —  Nr.  104:  Die  bürgerlichen  Unruhen  in  Aachen  am 
16.  März  1848  (nach  gleichzeitigen  Berichten  der  ,,Stadt- Aachener  Zeitung**). 
—  Nr.  109:  R.  Pick,  Aachener  Aktenstücke  im  Frankfurter  Stadtarchiv.  ~ 
Nr.  131:  Der  Ortsname  Qangelt.  —  Nr.  153  ff.:  C.  Rhoen,  Die  karolingische 
Pfalz  zu  Aachen.  Eine  „topographisch-archäologische  Untersuchung  ihrer 
Lage  und  Bauwerke*^,  die  an  dem  Mangel  sprachlicher  und  geschichtlicher 
Studien  des  Verf.  vielfach  scheitert.  —  Nr.  190—192  und  194:  (C.  Rhoen), 
Zur  Aachener  Befest igxmgsf rage.  Höchst  unkritische  Leistung,  welche  Picks 
Darstellung  der  Aachener  Stadtbefestigung  im  Mittelalter  (vgl.  oben  Nr.  4H 
a.  E.)  zu  widerlegen  versucht. 

48.  Aachener  Anzeiger,  Politisches  Tageblatt,  Jahrg.  1886,  Nr.  290, 
Abend-Ausg.  II,  296,  Abend- Ausg.  II  und  301,  Bl.  HI:  0.  Dr  esc  mann,  Die 
Freiheit  der  Reichsstadt  Aachen  im  vorigen  Jahrhundert.  —  Nr.  304,  Morgen- 
Ausg.:  Winfriedes  Haar.  Skizzenblatt  von  E.  Polko  (behandelt  die  Burg 
Raeren  und  die  Raerener  Kunsttöpferei).  —  Jahrg.  1887,  Nr.  9,  Abend-Ausg.: 
Anzeige  von  Bd.  VIII  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins.  — 
Nr.  16,  Morgen-Ausg.:  Das  alte  Wegenetz  zwischen  Köln,  Limburg,  Mastricht 
und  Bavai.  Besondere  Anzeige  des  in  Bd.  VIII,  S.  97  ff.  dieser  Zeitschrift 
unter  dem  nämlichen  Titel  erschienenen  Abhandlung  des  Generals  0.  von 
Veith.  —  Jahrg.  1888,  Nr.  170,  Ausg.  1,  Bl.  II:  Der  Landfrieden  zwischen 
Maas  und  Rhein  im  14.  Jahrhundert.  Anzeige  von  F.  J.  Kelleter,  Die  Land- 
friedensbünde zwischen  Maas  und  Rhein  (s.  oben  S.  256)  mit  eigenen  Zuthaton 
des  Recensenten.  Das  von  der  Stadt  Aachen  an  Ludwig  von  Reifferscheid 
und  Arnold  von  Hoemen  (nicht:  Hom)  wegen  Wegnahme  einer  Schiffsladung 
Tuch  gerichtete  Schreiben  ist  vom  Sonntag  nach  Reminiscere  ohne  Jahr 
datirt.  Es  muss  der  10.  März  1398  sein,  da  die  Kölner  Jahrbücher  des  14. 
und  15.  Jahrhunderts  berichten,  dass  der  Raub  in  der  Nacht  vom  8.  März  1807 
(nach  unserer  Zeitrechnung  1398,  Beweis  für  die  Osterrechnung  in  den 
Chroniken  I)  stattgefunden  habe.     1397  fiel  der  Sonntag  Reminiscere  auf  den 

18 


274  Aus  Zeitschriften. 

25.  März.  Das  Bekanutsein  eines  Vorfalls,  der  sich  in  der  Nacht  vom  8./9. 
März  bei  Köln  ereignete,  am  10.  März  in  Aachen  ist  wohl  kaum  ein  Beweis 
der  „für  damals  sehr  schnellen  Vermittlung  der  Posten". 

49.  (Aachener)  ünterhaltungsblatt,  Jahrg.  1887,  Nr.  41—45:  J.  von 
Morellen,  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Dynasten  von  Montjoie. 

50.  Local -Anzeiger  für  Aachen  und  Burtscheid,  Jahrg.  1888,  Nr.  3 
und  4:  Der  Teufel  im  Aachener  Sprüchwort  (so).  —  Nr.  23,  24  und  27: 
Alterthumsfande  auf  dem  Stephanshof  zu  Aachen  (mit  Zeichnung  in  Nr.  24). 
—  Nr.  57:  Funde  in  der  Komeliusstrasse  zu  Aachen.  Die  hier  gefundene 
Münze  Hadrians  (Mittelerz)  wird  nicht  erwähnt.  —  Nr.  58:  Der  Lokalname 
Zeise  (aus  Tzynse  =  Zins  entstanden?). 

51.  Wochenblatt  zum  Local -Anzeiger  für  Aaclien  und  Burtscheid, 
Jahrg.  I  (1888),  Nr.  1:  Der  Name  des  Dorfes  Raeren,  wird  hier  unrichtig 
mit  Rad,  Töpferscheibe  in  Verbindung  gebracht.  —  Nr.  2:  Zwei  alte  Ab- 
bildungen des  Aachener  Münsters.  —  Volksthümliche  Aufführungen  in  Aachen 
vor  hundert  Jahren  (Rathsedikt  vom  16.  Februar  1776),  —  Nr.  5:  Fremde 
Lehnworte  im  Deutschen.  (Versuch  einer  Erklärung  der  in  der  Aachener 
Mundart  vorkommenden  Ausdrücke  „Fommedreck"  und  „Gapstock".) 

52.  Dürener  Zeitung,  Jahrg.  1888,  Nr.  62,  Bl.  III:  F.  Ludwig,  Der 
Dürener  Frauen-Sieg  (St.  Anna-Haupt). 

53.  Dorf-Chronik  und  Grafschafter  (Anzeigeblatt  für  den  Kreis  Moers, 
Umgegend  und  den  Niederrhein),  Jahrg.  1888,  Nr.  7:  (Pieper),  Eine  Jülicher 
Volkssage.  (Entstehung  des  Namens  Vogelsang  für  die  ehemalige  Karthause 
bei  Jülich.) 

Loersch,'  Pick. 


Fragen. 


1.  Von  dem  schief eu  Thunn  zu  Dauscnau  an  der  Lahn  geht  die  Sage, 
dass  Einhard  und  Emma,  auf  ihrer  Flacht  ergriffen,  hier  eine  Zeitlang  von 
Karl  d.  Gr.  gefangen  gehalten  worden  seien.  (Vgl.  Spengler,  Der  Kurgast 
in  Ems,  2.  Aufl.  S.  358.)  Eine  andere  Version  lässt  beide  bekanntlich  in 
die  Gegend  der  Emmaburg  bei  Aachen  fliehen.  Wie  kam  die  Sage  nach 
Dausenau!^  R, 

2.  Wo  finden  sich  Nachrichten  über  die  Behalidlnng  Geisteskranker 
im  mittelalterlichen  Aachen?  P. 

3.  Wie  ist  der  in  der  Ausgabe-Rechnung  der  Stadt  Aachen  vom  J. 
1334/85  (Laurent,  Aachener  Stadtrechnungen  S.  111,2)  vorkommende  Lokal- 
name Schottenberg  zu  erklären,  und  welche  Oertlichkeit  ist  damit  gemeint? 

C. 

4.  Kann  Jemand  den  Aachener  Strassennamen  Krakaustrasse,  1632 
Krackow  (vgl.  Noppius,  Aacher  Chronick,  Th.  I,  S.  96),  deuten?  H. 

5.  Wo  wurde  der  aus  dem  Jttlichschen  stammende  beriüunte  Kunst- 
schmied Nikolaus  Windemaker,  welcher  um  1544  im  Verein  mit  dem  Fran- 
ziskanermönch und  Domprediger  Johann  von  Aachen  und  dem  gelehrten 
Buchdrucker  Dietrich  Zwivel  (aus  Zwcifall  bei  Montjoie)  die  von  den  Wieder- 
täufern zerstörte  Uhr  im  Dom  zu  Münster  i.  W.  wiederherstellte  (vgl.  Nord- 
h off  in  den  Bonner  Jahrbüchern  LUI.  LIV,  S.  63  und  91),  geboren? 

6.  Was  bedeutet  der  Posten  in  der  Ausgabe-Rechnung  der  Stadt 
Aachen  vom  J.  1385/86  (Laurent  a.  a.  0.  S.  335,2o):  Item  zwen  kneichten 
dat  eyrtze  zu  rümen  up  den  hoff  10  s.?  Hat  das  einen  Zusammenhang  mit 
dem  Gussblock,  der  auf  dem  Büchel  gefunden  ist  und  jetzt  im  Hofe  der 
technischen  Hochschule  liegt?  L, 

7.  An  das  Glockenspiel  auf  dem  Thurme  der  St.  Annakirche  zu  Düren 
knüpft  sich  die  Sage,  dass  der  Meister  desselben  nach  der  Herstellung  des 
Kunstwerks  geblendet  worden  sei.  Eine  ähnliche  Sage  haftet  an  der  Uhr 
des  Strassburger  Münsters  und  an  kunstvollen  Uhren  anderer  Orte  (Nürnberg, 
Danzig  u.  s.  w.).  Woher  entstand  die  geschichtlich  unbegrtlndete  Volkssage  ? 

D. 

8.  Die  jetzige  Hartmannstrasse  in  Aachen  hiess  bekanntlich  vormals 
Harduin-  oder  Hardewinstrasse  und  war  ohne  Zweifel  nach  einem  Manne, 
Namens  Harduin,  so  benannt.    Wer  war  dieser?  P. 

9.  Weiss  Jemand  eine  Erklärung  für  den  Ortsnamen  Geilenkirchen? 

J. 

10.  Welche  Beweise  gibt  es  für  die  Annahme,  dass  an  der  Stelle  des 
heutigen  Aachen  bereits  in  keltischer  Zeit  eine  Ansiedlung  bestanden  habe? 

W. 
18* 


Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins  1887/88. 

Während  im  Winter  1887/88  sich  Hindemisse  den  Monatsversammlungen 
entgegenstellten,  hahen  solche  im  Frühjahr  und  Sommer  1888  dreimal,  am 
18.  April,  25.  Mai  und  21.  Juni  stattfinden  können.  In  hunter  Reihenfolge 
sind  Fragen  der  lokalen  Geschichte,  Sprache  und  Topographie  Gegenstand 
der  Mittheilung  und  Erörterung  unter  den  stets  zahlreich  erschienenen  Mit- 
gliedern gewesen. 

In  der  ersten  Versammlung  vom  18.  April,  in  welcher  Herr  Professor 
Loersch  den  Vorsitz  führte,  berichtete  Herr  Gymnasiallehrer  Dr.  Wieth 
über  vier  auf  dem  Grundstück  des  Stephanshofs  in  der  Hartmannstrasse 
bei  Herstellung  von  Fundamenten  aufgedeckte  grosse  Gruben.  Diese,  durch 
Pfahle  und  Bohlen  kastenartig  hergestellt,  lagen  mit  ihrer  Sohle  4  m,  mit 
der  Oberkante  der  Verschalung  1*/»  ni  unter  dem  Strassenpflaster  und 
waren  mit  fettiger,  glänzender,  Massen  verfaulten  Strohs  enthaltender  Erde 
ausgefüllt,  in  welcher  Knochen,  ein  römischer  Trinkbecher,  zahlreiche  mittel- 
alterliche Thongefässe,  namentlich  aber  eine  frtlhmittelalterliche  gravirte 
Bronzeschüssel  von  24Va  cm  im  Durchmesser  gefunden  worden  sind.  Herr 
Stadtarchivar  Pick  gab  eine  genauere  Beschreibung  dieser  Funde,  von  denen 
ein  grosser  Theil  vorgezeigt  werden  konnte.  Die  Behälter  wurden  von  dem 
ersten  Redner  für  Senkgruben,  von  Andern  für  Lohgruben  oder  Cistemen 
gehalten,  jedoch  ohne  dass  eine  bestimmte  Meinung  zum  Ausdruck  gekom- 
men und  von  den  Anwesenden  gebilligt  worden  wäre.  Vorgelesen  wurde 
eine  Arbeit  des  Herrn  Apotheker  E.  Pauls  über  den  Aufenthalt  bekannter 
Persönlichkeiten  in  Aachen  während  der  Revolutionszeit.  Herr  Schollen 
hielt  schliesslich  einen  Vortrag  über  Pflasterung,  Reinigung  und  Beleuchtung 
der  Strassen  Aachens  in  früherer  Zeit. 

Die  Versammlung  vom  25.  Mai  eröffnete  der  Vorsitzende,  Herr  Pro- 
fessor Loersch,  mit  dem  Hinweis  darauf,  dass  dieser  Tag,  der  des  h.  ürbanus, 
in  reichsstädtischer  Zeit  der  Anfangstag  des  Regierungsjahrs  der  Bürger- 
meister und  des  Verwaltungsjahrs  gewesen,  der  Grund  für  die  Wahl  dieses 
Termins  jedoch  noch  völlig  unbekannt  sei.  Herr  Dr.  Wieth  berichtete  über 
die  Blosslegung  einer  fünften  Grube  auf  dem  Stephanshof  und  starker  Bal- 
ken und  Pfähle  in  grosser  Tiefe  bei  einem  Kanalbau  in  der  Komeliusstrasse, 
sowie  über  eine  in  dieser  Strasse,  nahe  beim  Büchel,  gefundene  bronzene 
Münze  Kaiser  Hadrians.  Herr  Stadtarchivar  Pick  erläuterte  eingehend  die 
auf  dem  Stephanshof  gefundpn^^n  Tönferwaaren,    die  er  zum  Theil  für  sehr 


Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins  1887/88.  277 

alt  erklärte.  Herr  Kaplan  Schnook  trug  einen  Abriss  der  Geschichte  des 
Stephanshofs  vor  unter  Verwerthung  von  Urkunden  und  Akten  des  Pfarr- 
archivs von  St.  Foilan.  Herr  Pick  besprach  die  Ableitung  des  Namens  der 
Heppionstrasse  und  einiger  anderer  Strassennamen.  Der  Vorsitzende  ftlhrto 
den  Nachweis,  dass  der  sog.  Junkerskirchhof  in  Aachen,  wie  an  andern 
Orten,  eine  Richtstätte  gewesen  sei.  An  jede  dieser  Mittheilungen  knüpfte 
sich  eine  lebhafte  Diskussion,  in  deren  Verlauf  weitere  zahlreiche  Einzel- 
heiten gestreift  wurden. 

In  der  Versammlung  vom  21.  Juni,  welche  Herr  Realgymnasiallehrer 
Dr.  Greve  leitete,  berichtete  Herr  Dr.  Wieth  über  Gruben  gleicher  Beschaf- 
fenheit und  gleichen  Inhalts  wie  die  des  Stephanshofs,  welche  bei  Legung 
der  Fundamente  des  neuen  Realgymnasiums  auf  dem  Terrain  der  ehemaligen 
Prinzenhof-Kaseme  gefunden  worden  sind.  Daran  schloss  Herr  Stadtarchivar 
Pick  Mittheilungen  über  diesen  nach  den  Eigenthtimem,  den  Fürsten  von 
Ligne,  genannten  und  den  daneben  gelegenen  Salm-Kyrburgschen  Hof.  Herr 
Schollen  besprach  die  Feier  der  Sonn-  und  Feiertage  in  Aachens  reichs- 
städtischer Zeit.  Herr  Pick  hielt,  nachdem  er  den  Druck  des  ältesten  der 
bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Schuldramen  des  Aachener  Jesuiteugymnasiums 
vom  Jahre  1699  und  einige  andere  seltene  Druckschriften  vorgelegt  hatte, 
einen  eingehenden  Vortrag  über  die  mittelalterliche  Befestigimg  Aachens 
und  die  verschiedenen  Abschnitte  ihrer  Entwicklung.  Er  führte  unter  Ver- 
lesung zahlreicher  Quellenstellen  und  steter  Berücksichtigung  der  abweichen- 
den Ansichten  aus,  dass  die  Stadt  vor  1171  mit  Wall  und  Graben  befestigt 
gewesen,  dass  die  in  diesem  Jahre  von  der  Bürgerschaft  eidlich  gelobte 
Anlage  des  Innern  Mauerrings  auch  bald  und  jedenfalls  vor  Ende  des 
12.  Jahrhunderts  vollendet  wurde  und  dass  die  Erbauung  des  äussern  Mauer- 
rings schon  im  13.  Jahrhundert  begann  und  letzterer  um  1320  in  seinen 
Haupttheilen  fertiggestellt  war. 

Die  Zahl  der  Vereinsgenossen  ist  langsam,  aber  stetig  gewachsen.  Von 
606,  welche  dem  Verein  am  31.  Dezember  1887  angehörten,  sind  bis  zum 
1.  Dezember  1888  7  gestorben,  25  ausgetreten;  bis  zum  letztgenannten  Tage 
sind  aber  neu  beigetreten  62,  so  dass  die  Gesammtzahl  nunmehr  auf  636 
gestiegen  ist.  Die  im  letzten  Jahresbericht  erwähnten,  Mittheilungen  über 
den  Zweck  des  Vereins  und  Aufforderung  zum  Beitritt  enthaltenden  Post- 
karten haben  sich  auch  in  diesem  Jahre  bewährt  und  werden  jedem  Vereins- 
mitglied seitens  des  Vorstands  bereitwilligst  zur  Verfügung  gestellt. 

Die  Zahl  der  Vereine,  Gesellschaften,  Institute  und  Redaktionen,  mit 
welchen  der  Verein  im  Austausch  der  Publikationen  steht,  ist  auf  147 
gestiegen.    Es  sind  neu  beigetreten: 

Historischer  Verein  für  Oberfranken  in  Bamberg.  1886. 

Historischer  Verein   für  die  Grafschaft  Ravensberg  in  Bielefeld.  1886. 

Gewerbeschule  in  Bistritz.   1886. 

Historische  Gesellschaft  des  Künstlervereins  in  Bremen.  1886. 


278  Chronik  des  Aachener  Geschichtsveroins  1887/88. 

Sociöt($  des  BoUandistes  in  Brüssel.  1888. 

Gelehrte  estnische  Gesellschaft  in  Dorpat.  1887. 

Historischer  Verein  des  Kantons  Aargau  in  Frauenfeld.  1886. 

Gesellschaft  für  Beförderung  der  Geschiehts-,  Altertums-  und  Volks- 
kunde von  Freiburg,  dem  Breisgau  und  den  angrenzenden  Land- 
schaften in  Freiburg.  1887. 

Glamer  historischer  Verein  in  Glarus.  1887. 

Direccion  general  de  estadistica  in  Guatemala.  1888. 

Verein  für  Hamburgische  Geschichte  in  Hamburg.  1888. 

Schleswig-Holsteinisches  Museum  vaterländischer  Alterthümer  in  Kiel. 
1887. 

Redaktion  der  Zeitschrift  für  christliche  Kunst  in  Köln.  1888. 

Maatschappij  der  nederlandsche  Ictterkundc  in  Leiden.  1887. 

Museum  Francisco-Carolinum  in  Linz  a.  D.  1887. 

Soci6t6  d*art  et  d*histoire  du  diocdse  de  Li^e  in  Ltittich.  1886. 

Geschichtsverein   für  Stadt  und  Land  Magdeburg  in  Magdeburg.    1886. 

Westfälischer  Provinzial -Verein  für  Wissenschaft  und  Kunst  in 
Münster  i.  W.  1886. 

K.  K.  heraldische  Gesellschaft  Adler  in  Wien.  1886. 

Antiquarische  Gesellschaft  in  Zürich.  1886. 

Altertnmsverein  für  Zwickau  und  Umgegend  in  Zwickau.  1887. 

Die  in  diesem  Tauschverkehr  erworbenen  zahlreichen  und  werthvoUen 
Bücher  und  Zeitschriften  wurden  der  Stadt  bibliothek  und  der  Handbibliothek 
des  Stadtarchivs  überwiesen.  Eine  interessante  Urkunde  vom  7.  August  1434, 
welche  der  Verein  zu  kaufen  Gelegenheit  fand,  hat  er  dem  Stadtarchiv 
geschenkt. 

Das  im  letzten  Jahresbericht  bereits  erwähnte  Register  zu  den  ersten 
sieben  Bänden  der  Vereinszeitschrift,  sowie  der  neunte  Band  der  letztern, 
welcher  zum  grossen  Bedauern  des  Vorstands  und  ohne  jedes  Verschulden 
von  seiner  oder  des  Herausgebers  Seite  erst  im  Juni  des  Jahres  1888  erscheinen 
konnte,  sind  durch  die  Cremer'schc  Buchhandlung  (C.  Oazin)  in  Aachen  aus- 
gegeben worden,  welche  den  Kommissionsverlag  und  die  Expedition  der 
Zeitschrift,  sowie  die  Einziehung  der  Jahresbeiträge  übernommen  hat. 

Die  jährliche  Generalversammlung,  die  erste  unter  der  Herrschaft  der 
am  1.  Oktober  in  Kraft  getretenen  neuen  Statuten,  hat  am  11.  Oktober  1888, 
6'/«  Uhr  Abends,  im  Gasthof  zum  Elephanten  stattgefunden.  Der  Vorsitzende, 
Herr  Professor  Loersch,  eröffnete  dieselbe  mit  folgender  Ansprache: 

„In  dem  Erinnerungswort,  das  ich  vor  elf  Monaten  unserm  verewigten 
Ehrenpräsidenten  Alfred  von  Reumont  widmete,  war  flüchtig  im  Zusammen- 
hang der  Darstellung  des  Kronprinzen  des  deutschen  Reiches  zu  gedenken. 
Indem  dies  geschah,  konnte  ich  mich  nicht  enthalten,  der  Sorge  um  die 
Gesundheit  des  hohen  Herrn  Ausdruck  zu  geben,  welche  in  jenen  Tagen 
gerade  mit  immer  steigender  (Jewalt  sich  unserer  Herzen  bemächtigte.  Aber 


Chronik  des  Aachener  Goschichtsvereins  1S8T/88.  279 

Niemand  unter  uns  hat  damals  geahnt,  welches  Uebermass  von  Trauer, 
welch  erschütternde  Verkettung  tragischer  Vorgänge  unserm  Herrscherhause 
und  dem  deutschen  Volke  bevorstand.  Am  9.  März  entschlief  der  greise 
Kaiser,  dessen  hohes  Alter  uns  gleichsam  des  Gedankens  entwöhnt  hatte, 
dass  auch  diese  Laufbahn  einmal  enden  werde,  dessen  Herrs(!hertugeuden  nicht 
nur  Vorbild  fftr  alle  seine  Nachfolger,  sondern,  was  fast  noch  mehr  sagen 
will,  auch  für  den  geringsten  seiner  Unterthanen  sind,  der  auch  den  Bestre- 
bungen der  Geschichtsforschung  in  gewohnter  Milde  und  Leutseligkeit  gern 
seinen  hohen  S«thutz  gewährte.  Todtkrank  hat  Kaiser  Friedrich  das  sonnige 
Land  verlassen,  dessen  herrliches  Klima  dem  unerbittlich  eilenden  Verderben 
vielleicht  einen  zögernden  Schritt  aufgezwungen  hätte,  um  in  unheilbrin- 
gender Jahreszeit  die  Regierung  zu  übernehmen,  der  die  kurze  Spanne  von 
nicht  hundert  Tagen  bemessen  sein  sollte. 

In  dieser  so  kurzen  Zeit  hat  der  Kaiser  aber  für  die  lokalen  Geschichts- 
vereine, zu  denen  auch  der  unserige  zählt,  sein  wohlwollendes  Interesse  in 
einem  Masse  bethätigt,  wie  keiner  seiner  Vorgänger.  Der  Verwaltungs- 
ausschuss  des  Gesammtvereins  der  deutschen  Geschichts-  und  Alterthums- 
vereine  hatte  schon  in  Folge  eines  im  September  des  vorigen  Jahres  zu 
3Iainz  gefassten  Beschlusses  den  deutschen  Kronprinzen  gebeten,  das  Pro- 
tektorat über  den  Gesammtverein  zu  übernehmen.  Von  Italien  aus  kam  die 
Antwort,  dass  er  gern  bereit  sei  und  Schritte  thun  werde,  um  die  vorge- 
schriebene Zustimmung  seines  Vaters,  des  Kaisers,  zu  erlangen.  Dazu  ist 
es  nicht  mehr  gekommen;  aber  ohne  irgend  welche  erneuerte  Anregung  hat 
dann  Kaiser  Friedrich  durch  eine  Kabinetsordre  vom  28.  April  dieses  Jahres 
das  Kaiserliche  Protektorat  über  den  Gesammtverein  —  und  damit  also 
auch  über  unsem  Verein  ~  übernommen. 

Ein  bitteres  Geschick  hat  uns  diesen  Schirmherrn  entrissen,  ohne  dass 
es  ihm  vergönnt  gewesen  wäre,  seine  auf  Stärkung  und  Förderung  deutscher 
Wissenschaft  und  Kunst  gerichteten  edlen  Absichten  auch  nur  zu  einem 
geringen  Theil  zu  verwirklichen.  Aber  atich  sein  Nachfolger  steht  unsem 
Arbeiten  und  Absichten  voll  Theiluahme  gegenüber.  Die  Entwicklung  des 
deutschen  Lebens,  namentlich  der  deutschen  Städte,  im  frühen  wie  im  späten 
31ittelalter  zieht  ihn,  wie  ich  aus  persönlicher  Wahrnehmung  und  Kenntniss 
bestätigen  kann,  vorzugsweise  an.  Er  verfolgt  die  darauf  sich  beziehende 
literarische  Thätigkeit,  die  Arbeiten  der  verschiedenen  Vereinigungen  mit 
warmem  und  verständnissvollem  Interesse.  So  dürfen  wir  also  auch  von 
seiner  Seite  Schutz  und  Förderung  vertrauensvoll  erwarten.  Mögen  seiner 
Regierung  lange  Jahre  inneni  und  äussern  Friedens,  materieller  und  ideeller 
Wohlfahrt  beschieden  sein!" 

Nachdem  der  Vorsitzende  der  verstorbeneu  Vereinsmitglieder,  namentlich 
des  Specialdirektors  der  Vereinigungsgesellschaft  für  Steinkohlenbergbau  im 
Wurmrevier,   Karl   Joseph   Ililt,    gedacht,    erstattete   er   Bericht   über   die 


280  Chrouik  des  Aaclicncr  Cieschichtsvereüis  1887/88. 

Thätigkeit  und   Lage  des   Vereins.     Dann  trug   der   Schatzmeister,    Herr 
Dr.  Wings,  die  Rechnung  des  Jahres  1887  vor. 

Danach  umfassten  die  Einnahmen  für  1887: 

1.  den  Kassenbestand  aus  dem  Vorjahre 2038  M.  44  Pf. 

2.  den  Beitrag  der  Stadt  Aachen 150  ^    —  „ 

3.  die  Beiträge  der  Mitglieder 2344  „    —  „ 

4.  den  Ertrag  aus  abgesetzten  Exemplaren  der  Zeit- 
schrift    24  „    —  „ 

5.  die  Zinsen  der  Sparkasse 49  „    76  ^ 


zusammen     .    .    4606  M.  20  Pf. 
Die  Ausgaben  betrugen    .    .    3403    ^    43 


T» 


Es  verblieb  ein  Kassenbestand  von    .     .     1202  M.  77  Pf. 

Das  Vereinsvermögen,  welches  Ende  1886  noch  2038  31.  44  Pf.  betrug, 
liat  sich  also  im  Jahre  1887  um  835  31.  67  Pf.  vermindert.  Diese  Ver- 
minderung ist  insbesondere  hervorgerufen  durch  die  Kosten  des  Registers 
fUr  die  ersten  sieben  Bände,  wofür  1253  31.  55  Pf.  verausgabt  wurden.  Auf 
die  sonstigen  Auslagen  entfallen  2149  M.  88  Pf. 

Die  am  10.  November  1887  gewählten  Revisoren  haben  die  Kassen- 
verwaltung für  das  Jahr  1887  am  28.  September  1888  geprüft.  Die  Ver- 
sammlung drückte  denselben,  sowie  dem  Schatzmeister  ihren  Dank  aus  und 
wählte  die  Herren  Dr.  med.  Ignaz  Beissel  und  Tuchfabrikant  Gustav 
Kesselkaul  wiederum  als  Revisoren  für  das  Jahr  1888. 

Es  wurde  dann  zur  Wahl  des  Vorstands  nach  Vorschrift  der  neuen 
Statuten  geschritten.  Durch  Zuruf  wählte  die  Versammlung  die  bisherigen 
Vorsitzenden  und  Schriftführer,  sowie  den  Schatzmeister  wieder.  Aus  der 
durch  Stimmzettel  vorgenommenen  Wahl  der  zehn  Beisitzer  gingen  die 
S.  282  genannten  Herren  mit  grossen  3Iehrheiten  hervor. 

Nach  Abschluss  des  geschäftlichen  Theils  hielt  Herr  Professor  Loersch 
einen  Vortrag  über  die  Geberin  eines  dem  Aachener  3Iarienstift  gehörigen 
prächtigen  3iessomats  aus  dem  15.  Jahrhundert  und  den  Anlass  diesem 
(teschenks.  Das  hoch  würdige  Stiftskapitel  hatte  in  zuvorkommendster  Weise 
die  Ausstellung  der  (iewänder  in  der  Versammlung  gestattet,  wofür  ihm  auch 
an  dieser  Stelle  wärmster  Dank  ausgesprochen  sei.  Darauf  besprach  Herr  Stadt- 
archivar Pick  den  am  20.  3Iärz  1S85  gemachten  Fund  eines  römischen  Grabes 
bei  Altst'hurzelt  unter  Vorlegung  von  äusserst  sorgfältigen  Zeichnungen, 
welche  das  verstorbene  Vereinsmitglied,  Herr  Ignaz  Beissel,  angefertigt 
hat^  und  behandelte  weiterhin  fünf  andere  bisher  unbekannte  Funde  römischer 


Chronik  des  Aachener  Gcächichtävereins  1887/8B.  281 

Gegenstände,  die  während  der  letzten  Jahre   im  Gebiet  der  Altstadt  zu 
Tage  getreten  sind. 

Der  nea  gewählte  Vorstand  hat  sich  in  einer  Sitzung  vom  9.  November 
1888  konstituirt  und  die  Herren  Bemdt  und  Pick  zu  Mitgliedern  des  Aus- 
schusses fQr  die  Heransgabe  der  Zeitschrift  (§13  der  Statuten),  die  Herren 
Dr.  Greve,  Kuetgens,  Pick  und  Sartorius  zu  Mitgliedern  einer  Kommission 
für  Vorbereitung  der  Monatsversammlungen  und  Ausflüge  (§  12  der  Statuten), 
sowie  die  auf  S.  282  f.  genannten  Herren  nach  §  3  der  Statuten  zu  korrespon- 
direnden  MitgUedem  ernannt. 


Verzeichniss 

%  der 

Mitglieder  des  Aachener  Geschichtsvereins. 

(Geschlossen  Ende  November  1888.) 


A.  Vorstand. 

Vorsitzender:  Loersch,  Dr.  H.,  ordentlicher  Professor  der  Rechte  in  Bonn. 
Stellvertretender  Vorsitzender:  Pick,  R.,  Stadtarchivar  in  Aachen. 
Schriftführer:   Berndt,  F.,   Hauptmann   a.  D.   und   Stadtverordneter   in 

Aachen. 
Schollen,  M.,  Sekretär  der  Staatsanwaltschaft  in  Aachen. 
Schatzmeister:  Wings,  Dr.  P.,  Rentner  in  Aachen. 
Wissenschaftlicher  Ansschnss:  Loersch  (s.  o.). 

Pick  (s.  0.). 
Berndt  (s.  o.). 
Beisitzer:  Cocls,  Dr.  Freiherr  von,  Landrath  des  Landkreises  Aachen  in 

Aachen. 
Greve,  Dr.  Th.,  Realgymnasiallehrer  in  Aachen. 
Kuetgens,  P.,  Stadtverordneter  in  Aachen. 
M  i  d  d  e  1  d  0  r  f ,  C,  Bürgermeister  der  Stadt  Burtscheid  in  Burtscheid. 
Oppenhoff,  Th.  F.,  Landgerichts-Präsident  in  Aachen. 
Pelz  er,  L.,  Oberbürgermeister  der  Stadt  Aachen  in  Aachen. 
Planker,  S.,  Ehrenstiftsherr  und  Stadtdcchant  in  Aachen. 
Sartori  US,  A.,  Major  und  Bezirks-Kommandeur  in  Aachen. 
Schwenger,  Dr.  H.,  Gjmnasial-Direktor  in  Aachen. 
Stracter,  Dr.  A.,  Arzt  und  Stadtverordneter  in  Aachen. 
Ehrenmitglied:  Weise,  L.  von,  Geheimer  Regierungsrath  und  Oberbürger- 
meister a.  D.  in  Aachen. 

B.  Korrespondirende  Mitglieder. 

Fürth,  Freiherr  H.  A.  von,  Landgerichtsrath  a.  D.  in  Bonn. 
Gross,  H.  J.,  Pf"  -  -  --  ^alk. 


Milz,  Professor  Dr..  OvÄiuLsi»J-l>ircktor  in  Küin. 

Oidtman,  £.  von,  Hjuiptnafis  und  Koinpiunii4^-Clit.'f  im  lU^g^iment  Königin 

in  Coblenz. 
Pauls,  E^  Apotheker  in  l;ed>nir£. 

Rovenhagen,  Eh*.  L^  Regj^miu:^  nud  ScLulrath  in  Dü>x'Morf. 
Scheins,  Dr.  M-,  ProeynuiAsiaJ-Kfktor  in  B<»pi»a.rd, 

C.  Verstorbene  Mitglieder. 

(Seit  der  Ausgabe  des  letzten  Ve^zeichüi^s^'^»  IM.  \1II,  S.  ^  ff.) 

B eissei,  Ignaz,  Rentner  in  Burt^^heid. 

flösset,  A.,  Rentner  in  Aachen. 

De  lins,  K.  sen.,  Fabrikant  in  Aachen. 

Fey,  Andreas,  Rektor  in  Aachen. 

Haas,  0.,  Rentner  in  Bnrt scheid. 

Hilgers,  Professor  Dr.  J.,  Geheimer  Regierungsrat h  in  .Vachcn. 

Hilt,  K.,  Bergwerks-Direktor  in  Aachen. 

Hocks-Gründgens,  J.,  Fabrikant  in  Aachen. 

Juchem,  Pfarrer  in  B*>uderath. 

Mooren,  Dr.  J.  H.,  Pfarrer  in  Wachtendonk. 

Nellesi^en,  Tb-,  Wittwe  in  Aachen. 

Pott  hoff,  H.  L.,  Oberpfarrer  in  Burtscheid. 

Reumont,  Dr.  A.,  Geheimer  Sanitatsrath  in  Aiirheu. 

Reumont,  Dr.  A.  von,  Excellenz,  Wirklicher  (tohoimratb  in  Hnrl^^lMld. 

Sittard,  K.,  Lehrer  in  Stammeln. 

Steenaerts,  J.,  Pfarrer  in  Nettesheim. 

Suermondt,  Barthold,  Rentner  in  Aachen. 

Vogeno,  M.,  Stiftsgoldschmied  in  Aachen. 

D.  Neu  beigetretene  Mitglieder. 

(Seit  der  Ausgabt^  des  letzten  Verzeichnisses  Ild.  VIII,  M.  ;i,i|    n  ) 
Adams,  J.  W.,  Gutsbesitzer  in  Elmpt.     1886. 

Banr,  A.,  Professor  in  Düsseldorf.     1887. 

Baur,  Bergrath  in  Aachen.     1888. 

Beaucamp,  Dr.  E.,  Lehrer  an  der  Provinzial-H(!lMinnnen-AuMuli 

in  Köln.     1887. 
Bernart s,  J.  W.,  Weinhändler  in  Aachen.     1887. 
Bibliothek  der* Gemeinde  Alsdorf.     1880. 
Bibliothek  der  Gemeinde  Broich.     1888. 
Bibliothek  der  Gemeinde  Eileudorf.     1888. 
Bibliothek  der  Gemeinde  Forst.     1888. 


284  Verzeichuiss  der  Mitglieder. 

Bibliothek  der  Gemeinde  Haaren.     1888. 

Bibliothek  der  Gemeinde  Weiden.     1888. 

Bibliothek  der  Gemeinde  Würselen.     1888. 

Bibliothek  des  Landrathsamts  in  Neuss.     1888. 

Bibliothek  der  Stimmen  ans  Maria  Laach  in  Exaeten.    1887. 

Blank art,  E.  von,  Kaufmann  auf  Haus  Broich.    1888. 

Boffin,  J.,  Gerichtsvollzieher  in  Euskirchen.     1888. 

Bongartz,  Dr.  in  Aachen.     1886. 

Broich,  Freiherr  von,  auf  Haus  Schönau.     1888. 

Bttllion,^raf,  K.  B.  Hauptmann  in  Würzburg.     1888. 

Clar,  M.,  Gymnasiallehrer  in  Aachen.     1886. 
Olosset,  Amtsrichter  in  Montjoie.     1886. 
Cockerill,  H.,  Bentner  in  Burtscheid.    1886. 
Coenen,  J.,  G^richtsschreiber  in  Geilenkirchen.     1886. 
Oompes,  Dr.  P.,  Arzt  in  Aachen.     1888. 
Conrad,  W.,  Apotheker  in  Aachen.     1887. 
Cüpper,  J.,  Tuchfabrikant  in  Burtscheid.     1888. 

Dahmen,  F.,  Kaufmann  in  Aachen.     1888. 
D ahmen,  Notar  in  Gangelt.     1887. 
Dantz,  Steuerinspektor  in  Geilenkirchen.  1886. 
De  den,  A.  Frau,  Rentnerin  in  Aachen.    1886. 
Delhaes,  P.  L.,  Kaufmann  in  Aachen.     1887. 

Ebbing,  Assessor  a.  D.,  Beigeordneter  in  Aachen.     1888. 
Emster,  C.  van,  Sparkassen-Beamter  in  Aachen.    1887. 
Erasmus,  Dr.  K.,  Chefarzt  in  Crefeld.     1887. 
Esser,  J.,  Kaplan  in  Aachen.    1888. 
Esser,  Vikar  in  Laurensberg.     1887. 
Esser,  J.  M.,  Lehrer  in  Aachen.    1887. 

Feiten,  Dr.  J.,  Professor  der  Theologie  in  Bonn.     1888. 

Fisenne,  L.  von,  Architekt  in  Meerssen.     1888. 

Flamm,  Kaufmann  in  Aachen.     1888. 

Frank,  Dr.  P.,  Sanitätsrath  in  Aachen.     1887. 

Frantzen,  Dr.  A.,  Assistent  an  der  technischen  Hochschule  in  Aachen.    1887, 

Frentzen,  Professor  an  der  technischen  Hochschule  in  Aachen.     1886. 

Fritz,  Dr.,  Gynmasiallehrer  in  Münster  i.  W.     1886. 

Frowein,  Verwaltungsgerichts-Direktor  in  Burtscheid.     1888. 

Fuhrmans,  Bürgermeister  in  Alsdorf.     1888. 

Geller,  J.,  Kaufmann  in  Aachen.     1888. 
Giesen,  Oberpfarrer  in  Reiffersoheid.     1887. 


Verzeichniss  der  Mitglieder.  2b 5 

Oiesen,  K.,  Notar  in  Aachen.     1887. 

Giesen,  K.  H.  J.,  Xadelfabrikant  in  Aachen.    188^. 

Qiesen,  Rechtsanwalt  in  Aachen.     1888. 

Gilson,  H.  M.,  Kanfmann  in  Aachen.     1887. 

Goeke,  Dr.,  Realgymnasial-Oberlehrer  in  Aachen.     1^87. 

Haas,  £.,  Rentner  in  Bnrtscheid.     1888. 

Havermann,  J.  W.,  Pfarrer  in  Setterich.     1888. 

Heinrichs,  Bürgermeister  in  Elmpt.    1886. 

Heller,  W.,  Kaiser).  Katasterkontroleur  a.  D.  in  Aachen.     1888.  ^ 

Hei  penstein,  D.,  Rechtsanwalt  in  Aachen.     18h7. 

Her  mens,  Dr.,  Dirisionspfarrer  in  Köln.     1887. 

Heu  seh,  Alex.,  Fabrikant  in  Aachen.     1888. 

Heynckes,  L.,  Kaufmann  in  Coblenz.     1886. 

Hochscheid,  Kaplan  in  Aachen.     1888. 

Ho e seh,  0.,  Agent  in  Aachen.     1886. 

Ho  Hing,  Freiherr  M.  von,  Rentner  in  Burtscheid.     1886. 

Hoyer,  A.,  Kanfinann  in  Aachen.     1888. 

Jansen,  K.,  Kaufmann  in  Aachen.     1888. 

Janssen,  W.  L.,  Landrath  z.  D.  in  Burtscheid.     1887. 

Kaatzer,  H.,  Buchdruckereibesitzer  in  Aachen.     1887. 
Käntzeler,  Vikar  in  Montzen-Moresnet.     1888. 
Kahlau,  H.  J.,  Kaufmann  in  Aachen.     1887. 
Kaufmann,  Dr.  M.,  Arzt  in  Aachen.     1886. 
Keller,  Dr.,  Kreisschulinspektor  in  Aachen.     1887. 
Kelleter,  Dr.  F.,  Archiv-Assistent  in  Burtscheid.     18S8. 
Kern,  A.,  Kratzenfabrikant  in  Aachen.     1887. 
Klaus  euer,  £.,  Kaufmann  in  Aachen.     1887. 
Klein,  Bürgermeister  in  Wassenberg.     1886. 
Konertz,  P.  J.,  Kratzenfabrikant  in  Burtscheid.     1886. 
Kratz,  R.,  Oberpfarrer  und  Definitor  in  Eschweiler.     1887. 
Krem  er,  F.,  Buchhändler  in  Aachen.     1887. 
Krichel,  L.,  Pfarrer  in  Anrath.    1887. 

Laaf,  Dr.  F.  J.,  Arzt  in  Burtscheid.     1888. 

Lamberz,  £.,  Ingenieur  in  Aachen.     1888. 

Leruth,  Aug.,  Rentner  in  Aachen.     1887. 

L Ingen s.  F.,  Tuchfabrikant  in  Aachen.     1886. 

Lingens,  H.,  Tuchfabrikant  in  Aachen.     1888. 

Linse,  E.,  Architekt  in  Burtscheid.     1887. 

Lochner,  E.,  Tuchfabrikant  und  Stadtverordneter  in  Aachen.     1887. 

Lo erper,  J.,  Pfarrer  in  Haaren.     1887. 

Luxembourg,  Dr.  M.  R.,  Arzt  in  Aachen.     1888. 


286  Verzeiclmiss  der  Mitglieder. 

Marjan,  H.,  Realgymnasial-Oberlehrer  in  Aachen.     1889. 

Mayer,  E.,  Rechtsanwalt  in  Aachen.     1887. 

Meessen,  J.  J.,  Architekt  und  Bauunternehmer  in  Forst.     1886. 

Merscheim,  Pfarrer  in  Kohlscheid.     1887. 

Mevissen,  Dr.  von,  Geheimer  Kommerzienrath  in  Köln.     1887. 

Middeldorf,  J.,  Rechtsanwalt  in  Aachen.     1888. 

Neilessen,  Dr.  iur.  Franz  in  Aachen.     1887. 

Neujean,  E.,  Maler  in  Aachen.     1887. 

Neuss,  Dr.,  Realgymnasial-Direkt or  in  Aachen.     1887. 

Oberländer,  Regierungs-Assessor  in  Aachen.     1887. 

Pelser-Berensberg,  von,  Sekonde-Lieutenant  in  Düsseldorf.     1886. 

PI  um,  Btlrgermeister  in  Büsbach.    1888. 

Pohl,  W.,  Bildhauer  in  Aachen.     1888. 

Prinz,  Dr.  P.,  Erster  Seminarlehrer  in  Comelimünster.     1888. 

Radermacher,  P.  iun.,  Ingenieur  in  Aachen.     1888. 

Rauschen,  Dr.  G.,  Rektor  in  B.-Gladbach.     1887. 

Regel,  Dr.,   Gymnasial-Oberlehrer  und  Dirigent  des   Kaiser  Wilhelm- 

Gymnasiums  in  Burtscheid.     1887. 
Reichensperger,  Karl,  Landrichter  in  Köln.     1888. 
Reinkens,  J.  M.,  Gymnasiallehrer  in  Düsseldorf.    1887. 
Reumont,  Dr.  A.,  Regienmgs-Referendar  in  Aachen.     1887. 
Rey,  Dr.  M.  van,  Assistenzarzt  in  Aachen.     1887. 
Ritter,  G.,  Tuchfabrikant  in  Burtscheid.     1888. 
Roderburg,  Pfarrer  in  Berkum.     1887. 

Savelsberg,  Dr.  H.,  Gymnasiallehrer  in  Aachen.    1886. 
Scheibler-Hülhoven,  R.  von,  Landrath  in  Heinsberg.     1887. 
Schervier,  E.,  Rentmeister  in  Düsseldorf.     1887. 
Schleicher,  Hugo  in  Düren.     1886. 
Schlesinger,  V.,  Gerichtsreferendar  in  Aachen.     1888. 
Schneider,  H.,  Spinnereibesitzer  in  Aachen.     1888. 
Schroers,  Dr.  J.  H.,  Professor  der  Theologie  in  Bonn.     1888. 
Schweitzer,  J.,  Buchhändler  in  Aachen.    1886. 
Schwickerath,  städtischer  Musikdirektor  in  Aachen.     1887. 
Senden,  Hauptmann  und  Batterie-Chef  in  Porta.     1886. 
Sommer,  A.,  Apotheker  in  Aachen.    1887. 
Startz,  K.,  Kaufmann  in  Hamburg.     1888. 
Straub,  W.,  Pfarrer  in  Burtscheid.     1887. 
Suermondt,  R.,  Banquier  in  Aachen.     1887. 


Verzeiehiiiss  der  Mitglieder.  287 

Talbot,  Dr.  G.,  Grerichtsrcferendar  in  Aachen.     1887. 

Theissen,  H.,  Gasthofsbesitzer  in  Aachen.     1887. 

Thisaen,  Dr.  J.,  Arzt  in  Aachen.     1888. 

Trost,  Dr.  F.,  Regiemngs-  und  Medizinalrath  in  Aachen.     1887. 

Vendel,  J.,  Religionslehrer  in  Aachen.     1886. 
Vonderbank,  P.,  Sandgrubenbesitzer  in  Aachen.     J888. 
Vossen,  L.,  Fabrikant  und  Stadtverordneter  in  Aachen.     1888. 

Weerth,  Dr.  E.  aus'm,  Professor  in  Kessenich.     1887. 
Welter,  E.,  Justizrath,  Rechtsanwalt  in  Aachen.     1H87. 
Wilms,  W.,  Kaufmann  in  Elrkelenz.     1887: 
Wirth,  Bürgermeister  in  Geilenkirchen.     1886. 
Wirtz,  L.,  Rendant  in  Burtscheid.     1888. 
Witkowsky,  S.,  Generalagent  in  Aachen.     1888. 
Wolff,  Pfarrer  iii  Elmpt.     1887. 

Zander,  A.,  cand.  phil.  in  Aachen.     1887. 
Zimmermann,  K.  von,  Kaufmann  in  Aachen.     1888. 


~  ZEITSCHRIFT 

)P 

%\  DES 

/)s4^AACHENER  GESCHICHTSVEREINS. 

v.i/ 

IM  AUFTRAG  DER  WISSENSCHAFTLICHEN  KOMMlSSKlN 


RICHARD  PICK, 

AECHIVAR  DER  STAIVT  AACHEN. 


ELFTER  BAND. 


AACHEN. 

KOMMISSIONS-VERLAO  DEH  CB£UER'SCHEN  BUCHHANnl.UNH  (C.  lAZlNj. 

1889. 


Die  verehrlichen  Herren  Mitarbeiter  werden  höflichst  ersucht, 
in  ihren  für  den  Druck  bestimmten  Manuskripten  nur  eine  Seite 
der  Blätter  nicht  zu  eng  zu  beschreiben  und  davon  die  Hälfte         l||n 
noch  völlig  frei  zu  lassen.    Der  Redaktion  wie  dem  Setzer  und 
Korrektor  wird  dadurch  viel  Zeit  und  Mühe  erspart. 

Die  Manuskripte  sind  zu  senden  an  Geheirarath  Loersch  in 
Bonn  oder  an  Stadtarchivar  Pick  in  Aachep. 


Um  das  durch  besondere  Verhältnisse  gebotene  rechtzeitige 
Erscheinen  der  Abhandlung  von  Dr.  P.  Clemen  in  diesem  Bande 
zu  ermöglichen,  sind  die  auf  dem  Umschlag  von  Band  X  an- 
gekündigten Aufsätze  der  Herren  R.  Pick,  S.  Plankeb  und 
M.  Schollen  mit  deren  freundlichst  gewährten  Zustimmung  für 
den  nächsten  Band  zurückgestellt  worden. 


Die  verehrlichen  Vereine,  Gesellschaften,  Anstalten  und 
Redaktionen,  mit  welchen  der  Aachener  Geschichtsverein  in 
Schriftenaustausch  steht,  bitten  wir,  uns  ihre  Veröffentlichungen, 
sofern  deren  Zusendung  nicht  direkt  durch  die  Post  erfolgt, 
durch  die  CnEMiER'scFrE  Buchhandlung  in  Aachen  gefälligst 
zugehen  zu  lassen. 

DER  VORSTAND. 


ZEITSCHRIFT 


AACHENER  GESCHICHTSVEREINS. 


IM  AUFTRAG  DER  WISSENSCHAFTLICHEN  KOMMISSION 


RICHARD  PICK, 

ARCHIV  AK  DES  STADT  AACHEN. 


ELFTER  BAND. 


AACHEN. 

VERLAQ  DEB  CRKHER-SCHEX  BUCHHiNDLUNQ  {C.  CAZlNj. 

1889. 


1^ 


Inhalt. 

t.  Ein  Sühnegesehenk  für  das  Aachener  Münster.    Von  H.  Loersoh  1 
2.  Die  Herren  von  Milendonk  ftos  dem  (leschlecht  der  von  Mirlaer. 

Von  E.  Yon  Oidtman 8 

8.  Ein  Aachener  Dichter  des  14.  Jahrhunderts.  Von  C.  NOrrenberg  60 

4.  Römerstrassen  im  Regierungsbezirk  Aachen.  I.  Von  J.  Schneider  67 

5.  Ans  der  Zeit  der  Fremdherrschaft  IV.  Zur  Geschichte  des  Assignaten- 

omlanfs  und  des  Gesetzes  ttber  das  Maximum  in  der  Aachener 

Gegend.    Von  E.  Pauls 75 

6.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  Von  W.  Graf  von 

Mirbach. 

Vorbemerkung 98 

I.  Wilhelm  IV.  von  Jülich  als  Wohlthäter  von  Kirchen  und 

Klöstern 100 

n.  Vasallen  und  Gebietszuwachs  unter  Graf  Wilhelm  IV.    .    .  111 

m.  Wilhelms  IV.  Gemahlin,  Brüder  und  ältester  Sohn  ....  128 

rV.  Rikarda  als  Gräfin  von  Jülich  1278—1283.  (Mit  Abbildung.)  188 

V.  Die  übrigen  Kinder  des  Grafen  Wilhelm  IV 142 

VI.  Walram  I.  Herr  zu  Bergheim 147 

7.  Der  Aachener  Domschatz  und  seine  Schicksale  während  der  Fremd- 

herrschaft.   Von  J.  Hansen 160 

8.  Die  Melodie  des  Aachener  Weihnachtslieds.    Von  H.  Böckeier     .  176 

9.  Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen.    Von  P.  Giemen. 

Einleitung 184 

I.  Das  gleichzeitige  literarische  Porträt 194 

n.  Das  gleichzeitige  künstlerische  Porträt. 

A.  Literarisch  als  gleichzeitig  beglaubigte  Darstellungen. 

1.  Siegel  und  Münzen.   (Mit  Abbildung.) 206 

2.  Das  Grabmal  in  Aachen 210 

8.  Die  Wandgemälde  im  Kaiserpalast  zu  Aachen    .    .    .  214 

4.  Der  Bilderkreis  der  Pfalz  zu  Ingelheim 218 

5.  Die  Statue  ün  Klosterhof  zu  Lorsch 222 

6.  Die  Mosaik  hn  Triklinium  des  Lateran.  (Mit  Abbildung.)  224 

7.  Die  Mosaik  in  Santa  Susanna  zu  Rom 228 


v> 


in  Sühnegeschenk  for  das  Aachener  Münster. 

Von  H.  Loersch. 

Zu  der  ebenso  reichhaltigen  wie  lehrreichen  Sammlung  kirch- 
licher Kunstwebereien  und  alter  Stickereien,  welche  im  Oktober 
und    November   1887   zu  Krefeld  in  den  schönen  Räumen  der 
königlichen  Webeschule  unter  dem  Protektorat  des  Herrn  Erz- 
bischofs von  Köln  ausgestellt  war,  hat  das  Aachener  Münster 
aus  seiner  Schatzkammer  nicht  weniger  als  zwei  volle  Dutzend 
liturgischer  Gewänder  beigesteuert.     Diese  prachtvolle  Reihe, 
beginnend  mit  dem  weithin  bekannten  Messgewand  des  h.  Bern- 
hard, mit  zwei  den  kunstfertigen  Händen  der  Schwestern  vom 
armen  Kinde  Jesu   entstammenden   Kasein  abschliessend,   ver- 
gegenwärtigte Entwicklung,  Umgestaltung,  Verfall  und  Wieder- 
geburt der  kirchUchen  Zwecken  dienenden  Weberei  und  Stickerei 
von  der  Mitte  des   12.  bis  zum  Ende  des  19.  Jahrhunderts  in 
den    kostbarsten,    zum    grössten    Theil    vorzüglich   erhaltenen 
Exemplaren.  Zu  den  bisher,  so  viel  ich  sehe,  niemals  besprochenen 
Stücken  der  glänzenden  Aachener  Sammlung  gehört  ein  voll- 
ständiger wohl  erhaltener  Messornat,   den   der  Katalog  unter 
Nr.  27  und  28  aufführt,  Kasel  und  zwei  Dalmatiken  von  gleich- 
massig  blassgrüner  Farbe.    Den  Stoff  bildet  ein  sehr  reiches 
Muster  in  Sammt  auf  Atlasgrund  ^    Das  Kreuz  der  Kasel  wie 
die   Stäbe   und   Aerraeleinfassungen   der   Dalmatiken   sind   aus 
golddurchwirkten  sog.  Kölnischen  Borten  mit  rothem  Seidengrund 
hergestellt.     Die   technische   und   ästhetische   Würdigung   des 
Stoffes  und  der  Borten,  sowie  den  Nachweis  des  Entstehungs- 


*)  Vgl.  hierza  Fr.  Bock,  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder  des 
Mittelalters  I,  S.  98  ff. 

1 


2  H.  Loorsoh 

orts  des  erstem  kann  hier  nicht  versuclit,  es  soll  nur  auf  einige 
Umstände  hingewiesen  werden,  die  der  Katalog  nicht  erwähnt 
und  welche  gestatten,  die  Schenkerin  des  schönen  Ornats  mit 
voller  Sicherheit,  den  Anlass  des  Geschenks  mit  einem  hohen 
Grade  von  Wahrscheinlichkeit  zu  bestimmen. 

Das  den  Borten  eingewebte  reiche  Pflanzenornament  wird 
nämlich  an  gewissen  Stellen  unterbrochen  oder  vielmehr  ersetzt 
durch  ebenfalls  eingewebte  Worte,  welche  eine  zusammenhängende 
Inschrift  bilden;  ausserdem  findet  sich  an  der  Kasel  ein  schön 
und  in  ziemlich  grossem  Massstab  (10 — 12  Centimeter  Höhe), 
der  Hauptsache  nach  in  Weberei,  zum  Theil  in  Stickerei  aus- 
geführtes Wappen,  das  auch  auf  der  Vorderseite  der  beiden 
Dalmatiken  angebracht,  hier  aber  leider  durch  eine  Reparatur 
verstümmelt  ist.  Die  Inschrift  besteht  aus  drei  Stücken,  welche 
sich  jedesmal  auf  zwei  Zeilen  vertheilen.  Sie  ist  überall  in 
schön  gezeichneten  4 — 4^2  Centimeter  hohen  gothischen  Minus- 
keln hergestellt.  Der  erste  und  der  letzte  Buchstabe  jeder 
Zeile  geht  bei  den  auf  den  Dalmatiken  stehenden  Stücken  der 
Inschrift  mit  zierlichen,  aus  seinen  Strichen  erwachsenden,  ranken- 
artigen Ausläufeni  in  das  rechts  und  links  befindliche  Ornament 
über,  so  dass  die  Worte  fast  unbemerkbar  mit  diesem  abwechseln. 
Auf  der  Kasel  dagegen  unterbricht  die  Inschrift  das  senkrecht 
aufsteigende  Ornament  der  Borte,  ohne  sich  mit  ihm  zu  ver- 
ästeln. Der  Anfang  der  Inschrift  befindet  sich  auf  der  Rückseite 
der  Kasel,  unmittelbar  über  der  Stelle;  wo  die  deren  Kreuz 
bildenden  Borten  sich  schneiden,  und  lautet: 

walburch 
vä  moirs 

Die  beiden  Fortsetzungen  stehen  auf  den  Dalmatiken,  ebenfalls 
auf  deren  Rückseiten  und  zwar  auf  dem  die  beiden  senkrecht 
herablaufenden  Stäbe  vereinigenden  Querstück;  ihre  Reihenfolge 
ist  durch  das  Vorkommen  des  Wortes  „und"  in  unzweifelliafter 
Weise  gekennzeichnet.    Die  erste  lautet: 

vrauwe  zo  die  zweite:  ind  tzo  le 

hensberghe  weberge 

Durch  Zusammensetzung  der  drei  Theile  unter  Auflösung  der 
Abkürzungen  wird  die  folgende  Inschrift  gewonnen: 

Walburch  van  Moirs, 
vauwe  zo  Hensberghe  ind  tzo  Lewenberge. 


Ein  Stthnegeschenk  für  das  Aachener  Münster.  3 

Das  auf  der  Kasel  und  den  Dalmatiken  an  der  Brustseite 
angebrachte  Wappen,  dem  kein  Helm  aufgesetzt  ist,  hat  Herr 
Ernst  von  Oidtman  nach  meiner  ihm  übersandten  Skizze  zu 
bestimmen  die  Güte  gehabt.  Es  ist,  wie  er  schreibt,  ein  Alliance- 
wappen.  Senkreclit  getheilt,  enthält  es  heraldisch  rechts  das 
Wappen  der  Grafen  von  Moers:  in  goldenem  Feld  ein  blauer 
Querbalken,  heraldisch  links  das  Heinsbergische  Wappen,  näm- 
lich ein  quergetheilter  Schild,  unten  in  rothem  Feld  ein  silberner 
aufgerichteter  auswärts  gewendeter  Löwe  (das  Heinsbergische 
Stammwappen),  oben  senkrecht  getheilt,  vom  in  rothem  Feld 
zwei  goldene  senkrecht  mit  den  Köpfen  auswärts  gestellte  Fische, 
von  goldenen  Kreuzchen  begleitet  (Grafschaft  Chiny),  hinten 
von  Roth  und  Gold  zehnmal  quergetheilt  —  oder  auch  in  Roth 
fünf  goldene  Querbalken  —  (wegen  der  Grafschaft  Ijoos).  In 
der  Mitte  des  AUiancewappens  ist  auf  der  Heinsbergischen 
Seite  an  der  Spaltliuie  der  halbe  Löwenbergische  Herzschild, 
von  Roth  und  Silber  abwechselnd  in  zehn  Plätze  getheilt,  angebracht. 
Die  fehlende  Helmzier  würde  über  dem  Moersischen  Wappen 
ein  Hundekopf  mit  blauem  Querbalken,  über  dem  Heinsbergischen 
ein  Helm  sein,  aus  dessen  Laubkrone  ein  paar  Hasenohren 
eraporstehen.  Die  heraldische  Seltenheit  eines  halben  Herz- 
schilds weisen  Siegel  von  Angehörigen  des  Loen-Heinsberg- 
Löwenbergischen  Geschlechts  mehrfach  auf,  so  z.  B.  die  Siegel 
Wilhelms  I.  von  Loen,  Herrn  zu  Jülich,  Grafen  von  Blanken- 
heim  (1411,  1431,  1434),  sowie  das  der  Maria  von  Croy,  der 
Gemahlin  Wilhelms  n.  von  Jülich-Blankenheim  (1462).  Das 
vorliegende  Alliancewappen  ist  aber  unrichtig  geordnet,  da 
heraldisch  rechts  Heinsberg,  das  Wappen  des  Mannes,  links 
Moers  stehen  müsste.  Es  geschah  im  15.  Jahrhundert  nicht 
selten,  dass  das  Wappen  der  Frau  heraldisch  rechts  angebracht 
wurde,  wenn  ihr  Haus  ein  vornehmeres  war,  als  das  des  Mannes. 
Das  trifft  jedoch  hier  keineswegs  zu,  da  Moers  wie  Heinsberg 
gleich  vornehme  Geschlechter  waren.  Die  Wappenzeichner 
jener  Zeit  scheinen  noch  nicht  so  streng  verfahren  zu  sein  wie 
die  späterer  Jahrhunderte,  denn  man  begegnet  solcher  verkehrten 
Stellung  häufig,  wie  sich  ja  auch  Willkürlichkeit  oder  Unkennt- 
niss  der  Maler  oder  Stecher  in  Bezug  auf  manche  Geschlechts- 
wappen und  -Siegel  nachweisen  lassen. 

Wappen  und  Inschrift  ergänzen  sich  gegenseitig  und  gewähren 
genaue   Auskunft   über   die   Persönlichkeit  der  Geberin.    Das 


6  H.  Loersch 

als  eine  freiwillige,  nur  indirekt  das  verübte  Unrecht  aner- 
kennende und  sühnende  Gabe  möchte  ich  sie  angesehen  wissen, 
und  wahrscheinlich  erst  geraume  Zeit  nach  dem  Abschluss  der 
vermuthlich  ohnehin  langwierigen  Verhandlungen  werden  sie 
überreicht  worden  sem.  Dass  eine  Frau  des  Heinsbergischen 
Hauses  auf  der  Inschrift,  welche  sie  tragen,  als  die  Spenderin 
genannt  ist,  haben  wir  aufzufassen  als  eine  naheliegende  Rück- 
sicht gegenüber  dem  regierenden  Herrn,  dem  die  Verantwort- 
lichkeit für  den  schnöden  Angriff  eigentlich  zufiel,  den  man  aber 
aus  vielen  Gründen  zu  schonen  hatte.  Es  liegt  darin  eine 
geschickte  Verhüllung  des  eigentlichen  Charakters  des  Geschenks. 
Dass  dieses  erst  in  den  dreissiger  Jahren  des  15.  Jahrhunderts, 
vielleicht  erst  nach  dem  Antritt  der  Herrschaft  durch  Johann  in. 
im  J.  1438  gestiftet  worden,  beweist  eben  die  Nennung  der 
Frau  Walburgis.  Uebrigens  war  die  zweite  Gemahlin  Johann  II., 
Anna  von  Solms,  spätestens  1433,  vielleicht  noch  früher  ver- 
storben \  und  schon  seit  diesem  Zeitpunkt  hatte  somit  Wal- 
burgis das  Recht  wie  die  Pflicht,  aufzutreten,  wenn  es  sich  um 
die  Repräsentation  des  Heinsbergischen  Dynastengeschlechts 
durch  eine  Dame  handelte.  Gewissheit  wäre  auch  hier  nur  aus 
Briefen  oder  andern  urkundlichen  Aufzeichnungen,  namentlich 
aber  aus  den  altern  Schatzverzeichnissen  der  Marienkirche  zu 
schöpfen. 

Mag  nun  die  Uebergabe  des  Ornats  früher  oder  später 
erfolgt  sein,  unter  allen  Umständen  hatte  bereits  eine  zweite 
Frevelthat  ihn  thatsächlich  zu  einem  doppelten  Sühnegeschenk 
gestempelt,  denn  es  war  Johann  II.  von  Heinsberg,  der  in  der 
Nacht  vom  1.  zum  2.  Oktober  1429  die  Schaar  von  Adeligen 
anführte,  welche  durch  Verrath  die  Stadt  Aachen  überfiel,  die 
sich  zur  Wehr  setzenden  Bürger  niedermachte  und  dem  von 
diesen  beseitigten  Rath  wieder  zur  Herrschaft  verhalf  ^.  Frau 
Walburgis  wird  die  Handlung,  ihres  Schwiegervaters,  der  mehr 
als  einen  derartigen  Anschlag  auf  dem  Gewissen  liatte,  zwar 
nur  als  die  vollkommen  berechtigte  Niederwerfung  frecher  Em- 
pörung angesehen  haben;  das  schliesst  aber  eine  Regung  weib- 
lichen Mitleids  imd  christlicher  Theilnahme  für  die  Opfer  dieser 


')  Kremer  a.  a.  0.  I,  S.  55  f. 

^)  Eine  genaue  Darstellung  dieser  Vorgänge  gibt  Loersch  bei  Haageu, 
( geschieh te  Achens  II,  S.  582  flf. 


Ein  Stthuegescheuk  für  das  Aachener  Münster.  7 

gewaltsamen  Herstellung  der  Ordnung  nicht  aus.  Sie  mag  auch 
der  Seelenruhe  der  Erschlagenen  und  Hingerichteten  gedacht 
haben,  indem  sie  der  Marienkirche  ihre  schöne  Gabe  tibersandte. 
Verknüpft  sich  mit  dieser  die  Erinnerung  an  ein  gewaltthätiges 
Geschlecht  und  blutigen  Kampf,  so  liegt  doch  auch  gerade  in 
der  Walü  des  Geschenks  ein  versölinender  Hinweis  auf  die 
sühnende  Wirkung  des  Messopfers,  zu  dessen  Darbringung  es 
zu  dienen  bestimmt  war. 


Die  Herren  von  Müendonk  aus  dem  Geschlecht  der 

von  Mirlaer. 

Von  E.  von  Oidtman. 

Milendonk  im  Kreise  Gladbach,  noch  jetzt  eine  stattliche 
Burg,  mit  Thürmen  und  Brücken  versehen  \  gab  einem  Edel- 
herrengeschlecht  den  Namen.  Dasselbe  erscheint  Mitte  des 
12.  Jahrhunderts  urkundlich  2.  Diesem  Edelherrengeschlecht 
gehörte  der  bekannte  Cäsarius  von  Milendonk  an,  welcher  von 
1212—1217  Abt  zu  Prüm  war  und  späterhin  (1222)  als  Mönch 
zu  Heisterbach  eine  noch  im  Original  vorhandene  Beschreibung 
der  Güter  und  Einkünfte  der  reichen  Abtei  Prüm  für  seinen 
Nachfolger,  den  Abt  Friedrich  von  der  Leyen,  verfasste^.  Die 
letzten  Mitglieder  des  Geschlechts  werden  in  einer  Urkunde 
vom  J.  1278  erwähnt,  in  welcher  Adolf  und  Walram  von  Milen- 
donk, aus  der  Haft  entlassen,  erklären,  dass  sie  Alles  billigen 
wollen,  was  ihr  Bruder  Gerhard  und  ihre  Mutter  Hadwig^ 
wegen  der  Güter  zu  Jüchen  mit  dem  Erzbischof  von  Köln  ver- 
einbart haben  imd  was  Schiedsrichter  wegen  des  Schlosses 
Milendonk  bestimmen  werden.  Die  Urkimde  besiegelten  Wilhelm 


*)  Abgebildet  bei  Dunker,  Die  Rittergüter  der  preussischen  Monarchie. 
In  der  Gladbacher  Zeitung,  Jahrg.  1888,  Nr.  86,  95,  100  und  107  ver- 
öffentlicht Lentzen  eine  Abhandlung  über  „die  Dynasten  von  Milendonk,  ihre 
Burg  und  ihr  Land",  in  welcher  viele  genealogische  Unrichtigkeiten  ent- 
haltep  sind. 

*)  Kremer,  Akademische  Beiträge  II,  S.  228  und  246;  Günther, 
Codex  dipl.  Rheno-MoseUanus  I,  p.  387,  423  und  457. 

•)  Das  Original  im  Staatsarchiv  zu  Coblenz.  Letzte  Ausgabe  im 
Mittelrheinischen  ürkundenbuch  I,  S.  142  ff.  Vgl.  dazu  Lamprecht,  Deut- 
sches Wirtschaftsleben  II,  S.  59  ff.;  auch  Barsch,  Eiflia  illustr.  I,  1,  p.  169. 

*)  Auch  bei  Fahne,  Kölnische  Geschlechter  II,  S.  95  als  Wittwc 
Dietrichs  von  Milendonk  erwähnt.  Daselbst  ist  auch  ihr  Siegel  beschrieben, 
das  indess  keinen  Wappenschild  zeigt.  In  den  Urkunden  werden  diese  Milen- 
donk stets  mit  dem  Beinamen  nobilis  oder  nobilis  dominus  angeführt. 


Die  Herren  von  Milendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.         9 

von  Helpenstein,  N.  Vogt  zu  Neersen,  Gerhard,  Edelvogt  zu 
Köln,  Arnold  von  Hostaden,  Wierich  von  Bacheim,  die  Brüder 
Heinrich  und  Rembodo  von  Boedberg  und  Adolf  von  Rimenzheim  ^ 
Die  drei  Gebrüder  Milendonk  kommen  noch  1290  urkund- 
lich vor^,  sie  genehmigen  nämlich  in  diesem  Jahre,  dass  der 
deutsche  Orden  von  ihren  Eltern  einen  zinspflichtigen  Mann 
zu  Elsen  erlialten  hat.  Die  Urkunde  besiegelten  als  Zeugen 
Johann  von  Reifferscheid  und  Ritter  Heinrich  von  G^venich, 
Marschall  im  Bruch.  Da  bereits  1300  Rudolf  Edelherr  von 
Reifferscheid  (Sohn  Johanns)  vom  Grafen  Reinald  von  Geldern 
mit  Milendonk  belehnt  wird^  und  Johann  von  Reifferscheid  die 
eben  erwähnte  Urkunde  der  Edelherren  von  Milendonk  besiegelt 
hat,  so  liegt  die  Annahme  nahe,  dass  die  Reifferscheid  durch 
Verwandtschaft  mit  den  Milendonk  in  den  Besitz  des  Schlosses 
Milendonk  gelangt  sind.  Rudolf  von  Reifferscheid  und  von 
Malberg*  empfängt  am  7.  Juni  1300  die  Burg  Milendonk  vom 
Grafen  Reinald  von  Geldern  zu  Lehn  und  als  Offenhaus.  Die 
Vorburg  soll  des  Grafen  AUod  werden  ^  Rudolf  kommt  mit 
seiner  Gattin  Aleidis  und  seinem  Sohn,  dem  Ritter  Friedrich, 
1321  urkundlich  als  Herr  zu  Milendonk  vor®.  Er  war  1329 
todt,  denn  in  diesem  Jahr  bekennt  Friedrich  von  Reifferscheid, 
Herr  zu  Milendonk,  dass  ihm  von  der  Stadt  Köln  900  Mark 
gezahlt  worden  seien,  die  seinem  Vater  Roland^  wegen  des 
Kampfes  vor  Brühl  nach  dem  Sühnebrief  zugestanden  hätten. 
Im  J.  1346  wird  Friedrich  Anverwandter  des  Grafen  Friedrich 
von  Moers  genannt®;   1351  ist  bereits  Jakob  von  Mirlaer  Herr 

*)  Die  Urkunde  ist  abgedruckt  bei  L.  Korth,  Liber  privilegiorum 
maioris  ecciesiae  Coloniensis  im  3.  Ergänzungsheft  der  Westdeutschen  Zeit- 
schrift fiir  Geschichte  und  Kunst  S.  270;  vgl.  die  Urkunde  vom  23.  Juni  1276 
da^.  S.  246. 

*)  Hennes,  Urkundenbuch  des  deutschen  Ordens  Nr.  307  (Original  im 
Staatsarchiv  zu  Düsseldorf);  Günther  1.  c.  II,  p.  364  und  Korth  1.  c.  p.  246. 

*)  Die  Urkunde  ist  abschriftlich  im  10.  Bande  der  Red  in  ghoven  sehen 
Sammlung  enthalten. 

*)  Schloss  Malberg  an  der  Kyll  in  der  Eifel. 

*)  Nijhoff,  Gedenkwaardigheden  I,  no.  71,  wo  aber  nur  ein  kurzes 
Regest  der  Urkunde  mitgetheilt  ist. 

«)  Hennes  a.  a.  0.  Nr.  412—415. 

^)  Höhlbaum,  Mittheilungen  aus  dem  Stadtarchiv  von  Köln  V,  S.  73, 
Nr.  1279.  Der  Name  Roland  dürfte  auf  einen  Schreibfehler  des  Ausfertigers 
der  Urkunde  zurückzuführen  sein. 

*)  Lacomblet,  Urkundenbuch  HI,  Nr.  429. 


10  E.  von  Oidtman 

ZU  Milendonk^  Er  hatte  Beatrix  von  Reifferscheid  zur  Frau, 
welche  wohl  eine  Schwester  des  obenerwähnten  Friedrich  von 
Reiflferscheid  war.  Milendonk  blieb  nun  beinahe  drei  Jahrhun- 
derte lang  im  Besitz  des  Geschlechts  Mirlaer*,  welches  sich 
späterhin  ausschliesslich  „von  Milendonk"  nannte.  Dasselbe 
nimmt  unter  den  Uradelsgeschlechtern  des  Niederrheins  vom 
13. — 18.  Jahrhundert  eine  hervorragende  Stellung  ein,  sowohl 
durch  seinen  grossen  Besitz  —  gehörten  ihm  doch  die  Herr- 
schaften Milendonk,  Schönau,  Warden,  Fronenbruch-Hörstgen, 
Drachenfels,  Meiderich  und  zahlreiche  andere  Besitzungen  — 
als  auch  durch  einzelne  thatkräftige  und  entschlossene  Männer. 
Eine  Zeit  lang  bekleideten  Mitglieder  des  Geschlechts  das 
Erbdrostenamt  des  Herzogthums  Geldeni.  Den  Glanzpunkt 
erlangte  die  Familie  durch  die  Heirath  Dietrichs  Herrn  zu 
Milendonk  mit  der  Erbtochter  des  Burggrafen  von  Drachenfels. 
Dietrich  nahm  als  Herr  der  Herrschaft  Schönau  das  Münzrecht 
für  sich  in  Anspruch  und  liess  silberne  Münzen  mit  seinem 
Bildniss  schlagen. 

Einen  Hauptzankapfel  innerhalb  der  Familie  bildete  die 
freie  Herrschaft  Schönau,  um  die  Jahrhunderte  lang  prozessirt 
wurde  und  die  aus  einer  Hand  in  die  andere,  theilweise  mit 
Gewalt,  überging.  Ueberhaupt  waren  die  Herren  von  Milendonk 
in  eine  Menge  von  Prozessen  verwickelt,  ganze  Stösse  von 
Akten  in  dem  Archiv  des  Reichskammergerichts  beweisen  es. 
Das  bedeutendste  Streitobjekt  war  die  Grafschaft  Hom  im  Erz- 
stift Lüttich,  welche  den  Herren  von  Milendonk  und  ihren 
Rechtsnachfolgern,  den  Herren  von  dem  Knesebeck,  vom  Fürst- 
bischof von  Lüttich  vorenthalten  wurde.  Die  Ansprüche,  selbst 
durch  Friedrich  den  Grossen  aufs  Angelegentlichste  unterstützt, 
dauerten  bis  in  das  19.  Jahrhundert  fort,  hatten  indess,  obwohl 
durchaus  begründet,  keinerlei  Erfolg. 

Die  Linien  Schönau  und  Fronenbruch  der  Herren  von  Milen- 
donk geben  ein  Bild  der  Junker  des  16.  und  17.  Jahrhunderts: 
Familienzwist,  Prozesse  und  Maitressenwirthschaft  —  wie  es 
Ferber  in  seiner  kleinen  Schrift  „Die  Niersjunker"  so  treffend 
geschildert  hat.    Auf  die  drastischen  Einzelheiten,  welche  die 


>)  Höhlbaum  a.  a.  0.  VII,  S.  4,  Nr.  1998. 

')  Das  Wappen  war  ein  von  Schwarz  nnd  Gold  sechsmal  quergetheilter 
Schild.  Der  Helm  zeigte  zwei  spitze  Büffelhörner,  auswärts  mit  je  drei  Pfeil- 
Anden  besteckt. 


Die  Herren  von  Milendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       11 

Prozessakten  im  Staatsarchiv  zu  Wetzlar  bieten,  einzugeben, 
muss  ich  aus  verschiedenen  Rücksichten  mir  versagen.  Die 
bisher  gednickten  Genealogien  der  Herren  von  Milendonk,  z.  B. 
bei  Fahne,  Barsch  u.  A.,  sind  voller  Unrichtigkeiten;  einzehie 
Generationen  sind  ganz  falsch  dargestellt,  der  Linie  zu  Pley 
ist  bisher  überhaupt  keine  Erwähnung  geschehen. 

Eine  zusammenhängende  Stammreihe  lässt  sich  erst  auf- 
stellen mit: 

I. 

Jakob  von  Mirlaer,  Ritter.  Er  wurde  an  der  ülrepforte 
zu  Köln  im  Gefecht  von  den  Kölnern  erschlagen^. 

II. 

Sein  Sohn  Jakob  von  Mirlaer  schwur  1297  mit  Jakob  von 
Appeldeme  der  Stadt  Köln  Urfehde  und  versprach,  sich  wegen 
des  an  der  Ülrepforte  erschlagenen  Ritters  Jakob  von  Mirlaer 
nicht  rächen  zu  wollen  *.  Jakob  erscheint  in  zahlreichen  Urkunden 
von  1313 — 1341  *  als  Zeuge,  so  1322  als  Rath  des  Grafen  von 
Geldern,  1324  als  Jakobs  Sohn  mit  Jakob  von  Mirlaer*.  In 
demselben  Jahre  empfing  er  mit  seinem  Sohn  Jakob  vom  Grafen 
von  Jülich  den  Hof  zu  Mergentzheim  mit  Gericht,  Lehnmannen 
und  Zubehör  zu  Lehn*.  Er  wurde  1326  vom  Grafen  von  Geldern 
mit  einem  Burglehn  zu  Montfort  belehnt.  1327  wird  er  in 
mehrern  Urkunden  „der  Alte"  genannt.  Im  Oktober  1331 
wurde  er  mit  den  geldrischen  Räthen  Otto  Herrn  von  Kuyck 
und  Rikald  von  Heeswick,  Propst  zu  Utrecht,  als  Gesandter 
des  Grafen  Reinald  von  Geldern  nach  England  geschickt^; 
1339  ernannte  ihn  derselbe  Graf,  als  Kaiser  Ludwig  Geldern 
zum  Herzogthum  machte,  zum  geldrischen  Erbdrosten  (dapifer)  \ 


')  Höhlbauxn  a.  a.  0.  IV,  S.  37,  Nr.  624. 

')  Ennen,  QueUen  III,  Nr.  452.    Aus  der  Urkunde  geht  nicht  hervor, 
dass  die  sog.  Schlacht  an  der  Ülrepforte  gemeint  ist. 

')  van  Spaen,  Historie  van  Gelderland  I,  p.  365,  375  und  Nijhoff, 
Gedenkwaardigheden  I. 

*)  Nijhoff  1.  c.  I,  no.  198.   Der  letztgenannte  Jakob  ist  der  unter  HI 
erwähnte. 

^)  Jülichsche  Lehnregister  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf. 

*)  van  Spaen  1.  c.  I,  p.  471. 

^)  van  Spaen,  Inleiding  tot  de  historie  van  Gelderland  II,  no.  42. 


12  E.  von  Oidtman 

was  Jakob  1342  erklärt,  indem  er  bekennt,  den  „geldrischen 
Weerd"  im  Kirchspiel  Gent  mit  100  Pfund  Pfennigen  jährlich 
als  Erblehn  erhalten  zu  haben  und  dem  Herzog  dessen  Ein- 
lösung mit  1000  Pfund  Pfennigen  zugesteht  ^  Jakobs  Kinder 
waren : 

1.  Johann  von  Mirlaer,  Ritter,  kommt  in  zahlreichen  Ur- 
kunden von  1353 — 71*  vor,  1359  wird  er  Rath  des  Herzogs, 
Erbhofmeister  des  Herzogthums  Geldern,  Burgvogt  und  Amt- 
mann zu  Montfort  genannt*.  Im  J.  1372  war  er  verstorben, 
denn  es  bekennen  die  Söhne  Rolmanns  von  Arendal  in  diesem 
Jahre,  dass  sie  jene  Güter,  welche  nach  dem  Tode  Johanns 
von  Mirlaer  ihrem  Vater  in  der  Theilung  mit  Jakob  von  Mirlaer 
und  Hermann  von  Lievendal  zugefallen  waren,  erhalten  haben, 
davon  solle  der  Hof  zu  Erkelenz,  der  Zehnte  zu  Rheinberg, 
die  Pacht  zu  Ole  und  der  Zoll  zu  Straelen  ausgenommen  sein, 
dies  solle  der  Vater  bezw.  die  Mutter  zu  einem  Drittel  als 
Leibzucht  besitzen.  Zu  der  Erbschaft  gehörten  auch  die 
Schlösser,  Dörfer,  Gerichte,  Land  und  Leute  zu  Hurst  und  Well, 
welche  die  Eltern  1373  ihrem  Sohn  Salentin  von  Arendal  abtraten, 
mit  der  Verpflichtung,  die  von  Johann  von  Mirlaer  hinterlassene 
Schuld,  sofern  sie  seinen  Vater  betrefi^e,  zu  berichtigen.  Damit 
er  das  desto  besser  könne,  überlässt  ihm  der  Vater  auf  sechs 
Jahre  Haus  und  Hof  auf  dem  Weerde  mit  Zubehör,  wie  er  sie 
in  der  Theilung  mit  Hermann  von  Lievendal  erhalten  hatte*. 

2.  Eine  Tochter,  vermählt  mit  Johann  de  Cock,  Herrn 
zu  Werdenburg  ^ 

3.  Heinrich  von  Mirlaer,  1337  zimi  Dompropst  von  Utrecht 
erwählt,  starb  am  21.  Januar  1362. 

4.  Jakob  folgt. 


>)  Nijhoff  I.  c.  I,  no.  886. 

*)  Nijhoff  I.  c.  n  und  Lacombict,  ürkundenbuch  III,  Nr.  512,  555 
und  655. 

»)  Nijhoff  1.  c.  n,  p.  142,  not.  3. 

*)  Strange,  Beiträge  X,  S.  49  und  50,  Anm. 

^)  Fahne,  Köln.  Geschlechter  ü,  S.  220;  van  Spaen,  Inleiding  III, 
p.  290  gibt  an,  der  Sohn  Johanns  de  Cock  habe  das  Erbhofineisteramt  von 
Geldern  an  seinen  „Neef*  Herrn  Jakob  von  Mirlaer  vorerbt.  Seine  Enkelin 
habe  Wilhelm  von  Broichhausen  geheirathet.  Ersteres  ist  aber  nach  Nijhoff, 
Gedenkwaardigheden  in,  p.  163  ein  Irrthum,  da  Jakob  von  Mirlaer  das 
*"•*  verkauft  hat. 


Die  Herren  Yon  Milendonk  ans  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       13 

m. 

Jakob  von  Mirlaer,  1328  der  Junge  und  Ritter  genannt, 
in  zahlreichen  Urkunden  von  1328 — 1368  als  Zeuge  aufgeführt. 
Eine  Urkunde  von  1331,  in  welcher  er  als  Zeuge  vorkommt, 
ist  wegen  Erkelenz  bemerkenswerth.  Tielken,  Godart,  Heinrich, 
Christine,  Katharina,  Aleid  und  Bela,  Geschwister  von  dem 
Gruithuis,  tragen  dem  Grafen  von  Geldern  die  Gruit  zu  Erkelenz 
als  Lehn  auf.  Ausser  Jakob  von  Mirlaer  siegelt  auch  Walter 
von  Vossem.  Das  Schöffensiegel  von  Erkelenz  zeigt  oben  den 
wachsenden  Löwen,  unten  die  Mispelblüthe  ^  Im  J.  1351  stthnt 
sich  Herr  Jakob  von  Mirlaer  und  Milendonk  als  Helfer  Wal- 
rafs  von  Falkenburg  mit  der  Stadt  Köln^.  In  diesem  Jahre 
besass  er  also  schon  Milendonk.  Im  J.  1359  stellten  Jakob 
Herr  von  Mirlaer  und  Johann  von  Mirlaer  zwölf  gewappnete 
Reiter  für  den  Landfriedensbund';  1360  besitzt  Jakob  ein 
Drittel  der  Herrlichkeit  Afferden  als  Lehn  der  Edelherren  von 
Kuyk*;  1368  lebte  er  noch^.  Mit  seiner  Gattin  Beatrix  von 
Reifferscheid,  Tochter  zu  Milendonk,  hatte  er  folgende  Kinder: 

1.  Jakob,  folgt. 

2.  Christine  von  Mirlaer,  Gattin  des  Ritters  Roilman  von 
Ahrenthal  1370. 

3.  Johann  von  Mirlaer,  1397  Herr  zu  Milendonk  ^ 

4.  Mettel  von  Mirlaer,  wird  1370  mit  ihrem  Gatten,  dem 
Ritter  Hermann  von  Lievendal,  vom  Erzbischof  von  Köln  mit 
der  Burg  Lievendal  belehnt. 

IV. 

Jakob  von  Mirlaer,  Herr  zu  Mirlaer  und  zu  Milendonk, 
verzichtet  1386  auf  sein  Recht  auf  freies  Geleit  im  Land  von 
Geldern,  nachdem  er  sein  Haus,  Schloss  und  Land  von  Milen- 
donk mit  Renten,  Gülten  und  Zubehör  auf  sechs  Jahre  dem 
Herzog  Wilhelm  von  Jülich  zu  Lehn  aufgetragen  und  im  Lande 
von  Jülich  und  von  Geldern  auf  sechs  Jahre  lang  freies  Geleit 


*)  Nijhoff,  Gedenkwaardigheden  I,  p.  259. 

«)  Höhlbaum,  Mittheilungen  VII,  S.  4,  Nr.  1998. 

*)  Nijhoff,  Gedenkwaardigheden  11,  no.  89,  p.  128. 

*)  F  er  her,  Geschichte  der  Schenk  von  Nideggen  S.  20. 

•)  Nijhoff  1.  c.  p.  282  und  236. 

«)  Ferber  a.  a.  0.  S.  20  und  21. 


H  E.  von  Oidtman 

erhalten  hattet  Am  7.  Oktober  1387  trägt  er  für  sich,  seinen 
Sohn  Johann  und  dessen  Frau  Bela  Scheiffart  von  Merode  sein 
Haus  Milendonk  mit  Thoren,  Mauern,  Gräben  und  Befestigimgen 
dem  Herzog  von  Jülich  als  Lehn  und  Oifenhaus  auf.  Er  besiegelt 
die  Urkunde  mit  sechsmal  quergetheiltem  Schild,  der  Helm 
zeigt  die  Büffelhörner  2.  Im  J.  1390  bekennt  er  mit  seiner 
Gattin  Johanna  unter  IVßtbesiegelung  der  Söhne  Johann  und 
Heinrich  und  mit  Zustimmung  des  Herzogs  von  Jülich-Geldern, 
dass  er  das  Erbdrost-  und  Erbhofmeisteramt  von  Geldern  an 
Wilhelm  von  Broichhausen  verkauft  habe^.  Am  30.  November 
1397  erklärt  er  unter  Mitbesiegelung  seines  Bruders  Johann 
Herrn  zu  Milendonk,  und  seines  Neffen  Rolmann  von  Arendal, 
Herrn  zu  Well,  dass  er  und  seine  Erben  kein  Recht  an  der 
Herrschaft  Afferden  haben.  Er  gelobt,  den  Sibrecht  von 
Blitterswich  im  Besitz  dieser  Herrlichkeit  nicht  stören  zu 
wollen  *. 

Jakobs  Gattin  hiess  Johanna  von  Broichhausen,  Johanns 
Tochter.    Aus  dieser  Ehe  gingen  folgende  Kinder  hervor: 

1.  Johann,  folgt. 

2.  Heinrich  von  Mirlaer,  1390  mit  dem  Vater  ^,  1400  allein 
als  Zeuge  genannt^;  1405  sagte  er  mit  Johann  Herrn  zu  Milen- 
donk, Johann  von  Hoemen  u.  A.  auf  Seite  des  Erzbischofs  von 
Köln  dem  Herzog  Adolf  von  Berg  Fehde  an^. 

3.  Guda  (Goetken)  von  Mirlaer,  auch  von  Meirle  genannt, 
erhielt  1406  vom  Vater  die  Herrlichkeit  Mirlaer  und  brachte 
dieselbe  an  ihren  Gatten  Karl  Spede  (Spee®). 

4.  Mettel  von  Mirlaer,  Gattin  Gottschalks  von  Stommel, 
1397  und  1417  erwähnt». 

5.  Luckardis,  Gattin  Rutgers  von  Alpen,  Herrn  zu  Gars- 
dorp.    Beide  schliessen  1405  mit  Winand  Schenk  von  Nideggen 


>)  Nijhoff  1.  c.  m,  no.  116. 

*)  Lacorablet,   ürkundenbuch   HI,   S.    810  und  Redinghovensche 
Sammlung. 

8)  Nijhoff  1.  c.  III,  no.  163. 

*)  Ferber  a.  a.  0.  S.  20—21. 

»)  Nijhoff  1.  c.  m,  no.  168. 

«)  Ebendas.  no.  234. 

0  Redinghovensche  Sammlung  XXII,  S.  82. 

*)  Fahne,  ürkundenbuch  des  G^eschlechts  Spee. 

®)  Fahne,  Köln.  Geschlechter  unter  Stommel. 


Die  Herren  von  Milendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       15 

und   seiner  Frau  einen  Tauschvertrag  wegen   Güter  ab.    Sie 
war  1426  verstorben  ^ 

V. 

Johann  von  Mirlaer,  Herr  zu  Milendonk,  wird  mit  dem 
Vater  1380,  1387  und  1390  erwähnt.  Die  Urkunde  von  1387 
besiegelte  er  mit  einem  Turnierkragen  im  Schildeshaupt  ^;  1405 
war  er  mit  seinem  Bruder  zusammen  in  Fehde  gegen  Herzog 
Adolf  von  Berg  ^.  In  einer  andern  Fehde  wurde  er  bei  Goriechem 
gefangen  genommen.  Johann  war  Rath  des  Herzogs  von  Geldern, 
das  Nekrologium  der  adligen  Abtei  zu  Roermond  nennt  ihn 
eques  auratus*.  Im  J.  1426  verkaufte  er  die  Einkünfte  aus  einem 
in  Erbpacht  gegebenen  Zehnten,  die  er  von  seiner  Schwester 
Luckardis,  der  Wittwe  Rutgers  von  Alpen,  ererbt  hatte,  an 
Dietrich  Schenk  von  Nideggen  °.  Seine  Gattin  Bela  war  eine 
Tochter  des  Heinrich  Scheiffart  von  Merode-Hemmersbach  ^  und 
der  Liburgis  von  Vlatten. 

Kinder  ^ : 

1.  Johann,  folgt. 

2.  Bela  von  Mirlaer,  1447  zur  Äbtissin  des  adligen  Klos- 
ters U.  L.  Fr.  zu  Roermond  erwählt  und  als  solche  am  30. 
September  1459  gestorben  ^ 


')  Ferber  a.  a.  0.  S.  25—26. 

')  Bedinghovensche  Sammlung  LXVI.  Der  Turnierkragen  ist  somit 
hier  das  Wappen-Abzeichen  des  Sohnes  im  Gegensatz  zum  Wappen  des 
Vaters,  welches  nur  die  sechsfache  Quertheilung  zeigt. 

')  Vgl.  oben. 

*)  Er  hatte  also  das  Recht  goldene  Sporen  zu  tragen,  eine  besondere 
Auszeichnung,  etwa  wie  jetzt  ein  hoher  Orden. 

*)  Ferber  a.  a.  0.  S.  26. 

•)  Lacomblet,  Urkundenbuch  HI,  S.  810  und  Nekrologium  der  Abtei 
C.  L.  Fr.  zu  Eoermond. 

')  Lefort  (Sammlung  im  Staatsarchiv  zu  Lüttich)  gibt  den  Eheleuten 
Mirlacr-Merode  einen  Sohn  Johann,  Yermählt  mit  Reinera  von  Boxmer,  und 
nennt  deren  Sohn  Dietrich,  vermählt  mit  einer  Vlodorp.  Fahne,  Köln. 
Greschlechter  gibt,  wahrscheinlich  nach  Lefort,  dasselbe  an ;  in  seiner  Geschichte 
der  Salm-Reifferscheid  I,  1,  S.  67  bringt  er  dagegen  eine  ganz  andere,  eben- 
falls falsche  Stammreihe. 

«)  Nekrolog  der  Abtei  U.  L.  Fr.  zu  Roermond  und  Fahne,  Bocholtz 
I,  1,  S.  145. 


16  E.  von  Oidtman 

VI. 

Johann  von  Mirlaer,  Herr  zu  Milendonk,  Ritter,  Drost  zu 
Wachtendonk  1440 ^  1452  Zeuge*;  1453  gibt  ihm  Herzog 
Gerhard  von  Jülich  sein  Recht  an  dem  Hause  Schinnen  im  Lande 
Valkenburg^;  1455  besitzt  er  und  seine  Gattin  Haus  und  Hof 
mit  Gräben,  Weihern  und  Zubehör  zu  Mostorf  bei  Warden.  Im  J. 
1461  kaufte  er  den  Herdingerhof  in  der  Maximinstrasse  zu 
Köln*;  1463  besitzt  er  einen  Theil  der  Herrschaft  Warden*. 
Johann  war  vermählt  mit  Odilia  von  Vlodorp,  Tochter  Gerhards, 
Erbvogts  zu  Roermond,  und  der  Elisabeth  von  Schönau^. 

Söhne: 

1.  Johann,  folgt. 

2.  Wilhelm,  Dechant  zu  St.  Georg  in  Köln,  1476  und 
1477  urkundlich  erwähnte 

vn. 

Johann  von  Mirlaer,  1456  Sohn  zu  Milendonk,  mit  dem 
Vater®,  1457  Sohn  zu  Milendonk  und  Ritter  genannt^.  Als 
Vasall  der  Stadt  Köln  musste  er  1473  60  Reiter  und  50  Fuss- 
soldaten  stellen;  1478  war  er  todt,  seine  Söhne  Johann  und 
Kraft  werden  als  minderjälirig  bezeichnet.  Johann  war  in  erster 
Ehe  mit  Kunigunde  von  Birgel,  Tochter  des  Erbmarschalls 
Engelbrecht  und   der  Adelheid  von  Gronsfeld,   vermählt,   aus 


*)  Niederrheinischer  Geschichtsfreund,  Jahrg.  1880,  S.  99. 

*)  A 1  f  t  e  rsche  Sammlung  in  der  Hof  bibliothek  zu  Darmstadt  XXXIV,  S-  28. 

»)  Redinghovensche  Sammlung  LXVI. 

*)  Fahne,  Forschungen  I,  1,  S.  48. 

*)  Beiträge  zur  (beschichte  von  Eschweiler  und  Umgegend  ü,  S.  120. 
In  dieser  Urkunde  von  1463,  mittelst  deren  der  Kölner  Weihbischof  Heinrich 
Streitigkeiten  schlichtet,  welche  wegen  der  Rechte  der  KapeUc  zu  Warden 
entstanden  waren,  werden  Johann  von  Milendonk  und  Heinrich  von  Reuschen- 
berg-Setterich „Herren  der  Herrlichkeit  zu  der  Warden"  genannt.  Graf 
Mirbach,  Territorialgeschichte  I,  S.  7  nahm  an,  dass  Warden  erst  seit 
etwa  1530  Unterherrschaft  geworden  sei.  Diesen  Theil  von  Warden  hatte 
wohl  Odilia  von  Ylodorp  nebst  der  Herrlichkeit  Schönau  mit  in  die  Ehe 
gebracht. 

•)  Wegen  dieser  Eheleute  vgl.  diese  Zeitschrift  Vin,  S.  129,  180  und  218. 

^  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Karmeliterkloster  zu  Köln,  Urkunden  98 
und  99. 

•)  Vgl.  Anhang  I,  Nr.  1. 

^)  Alft ersehe  Sammlung  in  der  Hofbibliothek  zu  Darmstadt  XXXIV. 


Die  Herren  von  Milendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.        17 

welcher  Ehe  zwei  Kinder  in  jugendlichem  Alter  starben.  Seine 
zweite  Gemahlin  war  Belie  (Sibilla)  Steck,  Tochter  des  Ritters 
Kracht  Steck,  Herrn  der  Herrlichkeit  Meiderich,  und  Ludgardis, 
Tochter  zu  Limburg.  Belie  Steck,  Wittwe  und  Frau  zu  Milen- 
donk, und  ihr  Sohn  Johann  entlassen  1484  aus  dem  Lehns- 
verband zu  Gunsten  des  Klosters  Neuwerk  vier  Morgen  Wiesen, 
die  sog.  Buscherbenden,  welche  von  dem  Hause  Milendonk 
lehnrührig  waren  ^  Aus  der  zweiten  Ehe  sind  folgende  Kinder 
bekannt  * : 

1.  Johann,  folgt. 

2.  Johanna,  Gattin  Johanns  von  der  Reck  zu  Steinfurt  ^. 

3.  Kraft  oder  Kracht  von  Milendonk,  Ritter,  Herr  zu  Meiderich 
und  Schönau,  Amtmann  zu  Blankenstein,  eques  auratus^  1495. 
Amt  und  Schloss  Blankenstein  besass  er  pfandweise  und  ver- 
kaufte die  Pfandschaft  für  5000  Gulden  an  Bertram  von 
Lutzenrath  ^ 

vm. 

Johann  von  Mirlaer^,  Herr  zu  Milendonk,  1478  minder- 
jährig, 1484  mit  der  Mutter  urkundlich  erwähnte  Im  J.  1493 
verkauft  er  mit  seiner  Gattin  Agnes  von  Hoemen  eine  Erbrente 
von  11  Gulden  an  Heinrich  Schümer,  Bürger  zu  Gladbach®; 
1497  entlassen  die  Eheleute  die  „Grutersbenden"  in  der  Herr- 
lichkeit Milendonk  zu  Gunsten  der  Abtei  Gladbach  aus  dem 
Lehnsverband.  Das  Siegel  Johanns  zeigt  den  sechsmal  quer- 
getheilten  Schild*.  Durch  Johanns  Gattin  Agnes,  Tochter 
Johanns  von  Hoemen,   Burggrafen  zu  Odenkirchen,   und   der 


')  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Kopiar  des  Klosters  Neuwerk,  Bl.  7  und  8. 

*)  Ein  Sohn  war  wohl  noch  Theoderikus  von  Müendonk,  welcher 
1507—1534  Kanonikus  des  Aachener  Münsterstifts  war  (Manuscr.  Boruss. 
fol.  784  in  der  Kgl.  Bihliothek  zu  Berlin). 

')  Fahne,  Salm  I,  1,  S.  67  und  von  Steinen,  Westphälische  Geschichte 
III,  S.  98  und  106. 

*)  Brosy,  Annales  II,  p.  75. 

*)  Vgl.  Anhang  I,  Nr.  5.  Das  Amt  Blankenstein  gehörte  zur  Graf- 
schaft Mark. 

^  Er  ist  der  letzte  seines  Geschlechts,  welcher  noch  den  Staramnamen 
Mirlaer  führte,  die  Söhne  nennen  sich  nur  Milendonk. 

^  Vgl.  Anhang  I,  Nr.  2. 

•)  Inventaris  van  het  oud  Archiv  van  Boermond  HI,  p.  42. 

»)  Vgl.  Anhang  I,  Nr.  4. 

2 


18  E.  von  Oidtman 

Margaretha  von  Palant  zu  Reuland,  kam  ein  Theil  der  Herr- 
lichkeit Reuland  an  seine  Nachkommen. 
Söhne : 

1.  Johann  von  Milendonk,  ältester  Sohn,  erhielt  1514  das 
Schloss  Milendonk,  in  seinen  Gräben  und  Zäunen,  mit  der  Hoheit, 
den  Diensten,  Gebot  und  Verbot,  dem  hohen  und  niedem  Gericht. 
Bei  der  Theilung  der  übrigen  Güter  soll  ihm  dieser  Besitz 
nicht  angerechnet  werdend  Johann  scheint  früh  gestorben 
zu  sein. 

2.  Dietrich,  folgt. 

3.  Heinrich  von  Milendonk,  besass  die  Herrlichkeit  Meiderich, 
war  Amtmann  zu  Orsoy  und  Ruhrort  und  starb  1525. 

IX. 

Dietrich  von  Milendonk,  Herr  zu  Milendonk  ^  und  Schönau  *, 
erhielt  1525  nach  dem  Tode  seines  Bruders  Heinrich  auch  die 
Belehnung  mit  dem  Gericht  zu  Meiderich  und  dem  Hof  zum 
Eicken*;  1533  erhielt  er  als  Amtmann  zu  Ruhrort  im  Namen 
seiner  Schwiegermutter  die  Belehnung  mit  dem  Lehn  „die  Pley 
oder  Hermannswart"  im  Land  Huyssen,  mit  der  Fischerei  in 
dem  Rhein,  Wasser,  Weiden  und  allem  Recht  und  Zubehör  ^ 
Seine  Gattin  Agnes,  Tochter  des  Burggrafen  Gotthard  von 
Drachenfels  und  der  Elise  von  Montfort,  brachte  ihm  reiche 
Besitzungen  zu,  nämlich  einen  Theil  der  Burggrafschaft  Drachen- 
fels ^,  Güter  zu  Wolkenburg,  Königswinter,  die  Herrschaften 
Goer,  Fronenbruch  ^  und  Meyl.  Dietrich  Hess  1542  silberne 
Münzen  schlagen  mit  seinem  Bildnissund  der  Aufschrift:  „Theod.D. 
in  Milendonk  z.  Schonawe".  Der  Revers  der  Münze  zeigte  die 
vereinigten  Wappen  Milendonk  und  Drachenfels  mit  der  Um- 
schrift: „Mone.  no.  dom.  Schonawensis  1542"®.    Dietrich  kommt 


*)  Urkunde  1  im  Anhang  II. 

')  Nach  dem  Tode  semes  Bruders  Johann. 

*)  Nach  dem  Vergleich  vom  12.  Dezember  1523  mit  Werner  von 
Schönrode. 

*)  Diese  Belehnung  wurde  1540  wiederholt. 

^)  Das  Wort  „Pley**  bezeichnet  einen  Grasplatz.   Vgl.  Anhang  I,  Nr.  11. 

^)  Er  erhielt  durch  Vergleich  1519  den  dritten  Theil  des  Schlosses  und 
der  Herrlichkeit  Drachenfels. 

^)  üeber  Fronenbruch  vgl.  Anhang  HI. 

")  Die  Münze  ist  abgebildet  in  Quix,  Geschichte  der  Schlösser  Schonau 
und  üersfeld. 


Die  Herren  von  Milendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirliier.       19 

1543  als  Drost  zu  Montfort  vor.    Er  starb  am  15.  MÄrz  154»', 
seine  Grattin  am  5.  Juni  1557*. 
Kinder: 

1.  Dietrich,  folgt  unter  Linie  Milendonk-Drachonfels. 

2.  Elisabeth  von  Milendonk,  heirathete  1541  Adolf  von 
Wylich  zu  Diersfort,  welcher  1591  starb. 

3.  Kraft  von  Milendonk,  Herr  zu  Meiderich,  Zoron*  und 
Schönau,  starb  am  2.  Mai  1574  kinderlos.  Seine  Gattin  Mar^a- 
retha,  Tochter  Heinrichs  von  Merode  und  der  Maria  von  Bredorode, 
testirte  am  25.  Oktober  1575*  und  starb  in  demselben  Jahre. 

4.  Heinrich  von  Milendonk,  Kanonikus  des  Mttnsterstifts 
zu  Aachen  1534—1547,  starb  1572. 

5.  Gotthard,  folgt  unter  Linie  Goer-Fronenbruch. 

6.  Alveradis  von  Milendonk,  in  erster  Ehe  mit  Philipp 
Dietrich  von  Braunsberg  zu  Brohlburg,  Merxheim,  Alken  und 
Brohl,  Pfandherrn  zur  Nürburg  (gest.  am  14.  April  1551),  in 
zweiter  Ehe  mit  Franz  Konrad  von  Sickingen  vermählt.  Hie 
starb  am  25.  September  1564  ^ 

Linie  Milendonk-Drachenfcls. 

X. 

Dietrich  von  Milendonk,  Ritter,  Besitzer  der  Herrlichkeiten 
Milendonk  und  Drachenfels,  Mitherr  zu  Reuland,  Wolkenburg 
und  Königswinter,  Burggraf  des  Erzstifts  Köln «.  In  den  Jahren 
1550,  61,  72  und  77  erhielt  er  Belehnung  mit  Schloss  und 
Herrlichkeit  Drachenfels,  1589  war  er  todt.  Dietrich  war  zuerst 
seit    1548  mit  Theodora^  Tochter,  Johanns  von  Bronckhorst- 


')  Altes  Drachenfelsor  Missale  im  Gudenauer  Archiv  (SchloHH  Harff). 

•)  Nekrolog  der  Abtei  U.  L.  Fr.  zu  Rocrmond. 

»)  Die  Herrschaft  Zoron  oder  Soyron  lag  in  der  Lunburgischen  Hoch- 
bank  Herve.    Ueber  Kraft  von  Milendonk  vgl  Strange,  Bongart  S.  71  ff. 

*)  VgL  Anhang  I,  Nr.  15. 

»)  Der  Grabstein  des  Dietrich  von  BrauMbcrg  und  der  Alveradi«  mit 
lebau^gn^^^en  Figuren  befand  sich  in  der  Kirche  der  Abtei  Eommer^dorf  bei 
Engers:  vgL  die  Beschreibung  bei  J.  Wegeier,  Die  Prämon)rtratenHer-Abt<;i 
Komaaendtfrf  S.  77  f. 

*)  Dietrich  war  auch  1569—70  im  Pfandb.sitz  de^  Schlof^iW'»  Krakau 
bei  Krefeld  (vgL  Gladbacher  Zeitung  ISbH,  Nr.  8«:  «Die  Dynasten  von 
Mikad(«k  ihre  Burg  und  ihr  Land*"). 

V  •">-  war  Wittwe  des  Franz  von  Schönrode  zu  Hejden. 

2* 


20  E.  von  Oidtman 

Battenburg,  Herrn  zu  Rimburg,  und  der  Gertrude  von  Loe, 
vermählt  und  heirathete  in  zweiter  Ehe  Maria  von  Vlodorp. 
Kinder  erster  Ehe: 

XI. 

1.  Dietrich  von  Milendonk,  starb  jung. 

2.  Johann  von  Milendonk,  Herr  zu  Milendonk,  Drachen- 
fels, Meiderich  und  Mitherr  zu  Reuland,  Oberst  in  spanischen 
Diensten,  war  1586 — 1593  Kommandant  zu  Neuss.  Er  erhielt 
1590  die  Belehnung  mit  Drachenfels  ^  Johann  heirathete  1596 
Maria  Gräfin  von  Limburg-Styrum  *,  Tochter  des  Hermann 
Georg  und  der  Gräfin  Maria  zu  Hoya.  Er  starb  1621  kinder- 
los und  seine  Besitzungen  fielen  an  seine  Schwestern,  bezw. 
deren  Erben. 

3.  Gertrud  von  Milendonk  heirathete  Jakob  Grafen  von 
Bronckhorst-Anholt,  kaiserlichen  Generalfeldmarschall.  In  Folge 
der  Heirath  ihrer  Enkelin  Maria  Anna  Gräfin  von  Bronckhorst 
kamen  die  Herrschaften  Anholt  und  Meiderich  an  deren  Gemahl, 
den  Rheingrafen  Leopold  Philipp  Karl  von  Salm-Kirburg. 
Gertruds  Tochter  Isabella  Gräfin  von  Bronckhorst  brachte  die 
Herrschaften  Milendonk,  Drachenfels,  Moyland  und  andere  Güter 
an  ihren  Gemahl  Jakob  Philipp  Fürsten  von  Croy.  Dessen 
Sohn  Karl  Eugen  Herzog  von  Croy,  Markgraf  von  Montecornet 
u.  s.  w.  verkaufte  im  J.  1600  die  Herrlichkeit  Milendonk  an 
Maria  Gertrud  Gräfin  von  Berlepsch^,  geb.  Wolfl'  von  Guden- 
berg^.     Ihre  Enkelin   Maria   Karolina   Gräfin   von   Berlepsch 


*)  Die  Belehnungen  mit  Drachenfels  sind  nach  den  kurkölnischen  Lehns- 
akten im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  angegeben;  1615  wurde  der  BevoU- 
mächtigte  Johanns  mit  Drachenfels  belehnt,  da  Johann  „leibesschwach**  war. 

^)  Regest  der  Heirathsberedung  s.  Anhang  I,  Nr.  21. 

^)  Unter  ihr  wurde  die  Herrschaft  Milendonk  reichsunmittelbar.  Der 
Besitzer  erhielt  1701  einen  Sitz  auf  der  westfälischen  Grafenbank.  Die 
Herrschaft  musste  zum  Reichskontingent  4  Mann  zu  Fuss  steUen  und  16  Fl. 
zahlen;  sie  umfasste  1794,  als  die  Franzosen  der  Reichsherrlichkeit  ein  Ende 
machten,  8  Dörfer  mit  6656  Morgen  und  1666  Einwohnern.  (Hierunter  ist 
selbstverständlich  das  ganze  Gebiet,  nicht  die  der  Herrschaft  und  zum 
Schloss  gehörigen  Ländereien  zu  verstehen.) 

*)  Sie  war  mit  Wilhelm  Ludwig  Freiherm  von  Berlepsch  vermählt,  war 
Oberhofmeisterin  am  Hofe  des  letzten  habsburgischen  Königs  Karl  11.  in 
Spanien  und  vertrat  während  des  spanischen  Erbfolgestreits  mit  ihrem  bedeu- 
tenden Einfluss  das  österreichische  Interesse;  1700  musste  sie  aus  Spanien 


Die  Herren  von  Milendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       21 

heirathete  1732  einen  Grafen  Ostein.  Milendonk  blieb  nun  im 
Osteinschen  Besitz  bis  zur  französischen  Okkupation.  Die 
Osteinschen  Erben  (die  Grafen  von  Waldbott-Bassenheim)  wurden 
durch  §  24  des  Reichsdeputations-Rezesses  vom  25.  Februar  1803 
mit  der  Abtei  Buxheim,  der  sog.  Reichskarthaus,  bei  Memmingen 
in  Bayern  entschädigt  K  Schloss  Milendonk  mit  den  Ländereien 
kaufte  1803  von  der  französischen  Regierung  der  Landrath 
des  Kreises  Gladbach,  Franz  Gottfried  von  Maercken,  dessen 
Vater  Amtmann  der  Herrlichkeit  Milendonk  gewesen  war.  Seine 
Schwestertochter  Konstantia  Elisabeth  Le  Fort  heirathete  1832 
den  Freiherrn  Joseph  Theodor  von  WüUenweber,  welcher  jetzt 
Schloss  Milendonk  besitzt  und  bewohnt*. 

4.  Elisabeth  von  Milendonk,  Erbin  der  Hälfte  der  Herr- 
lichkeit Reuland,  heirathete  am  11.  Februar  1589^  Balthasar 
Freiherrn  von  Pallant,  welcher  1625  starb*. 

5.  Agnes  ^,  die  jüngste  Tochter,  wird  1589  erwähnt. 

Linie  Goer-Fronenbruch. 

X. 

Gotthard  von  Milendonk,  Herr  zu  Goer,  Meyl,  Fronenbruch 


flüchten.    Kaiser  Leopold  erhob  sie  in  den  erblichen  Reichsgrafenstand  und 
Kaiser  Joseph  I.  zur  gefürsteten  Äbtissin  von  Prag.    Sie  starb  1723; 

*)  Unter  der  Verpflichtung,  jährlich  9000  Gulden  zu  zahlen,  nämlich 
an  den  Grafen  Battenburg  1300,  den  Grafen  Plettenberg  6000  und  den  Grafen 
Goltstein  1700  Gulden.  Vgl.  H.  Berghaus,  Deutschland  vor  fünfzig  Jahren 
I,  S.  334  fif. 

*)  Nach  von  Mülmann,  Statistik  des  Reg.-Bez.  Düsseldorf  befindet  sich 
zu  Schloss  Milendonk  ein  umfangreiches  Archiv,  welches  mir  leider  unzugäng- 
lich geblieben  ist,  in  genealogischer  Beziehung  aber  kaum  nova  enthalti*n 
dürfte.  Vgl.  auch  von  der  Nahmer,  Handbuch  des  Rheinischen  Particuliir- 
Rechts  ni,  S.  816,  §  502;  von  Restorff,  Topographisch -statistiiwJü 
Beschreibung  der  K.  Preussischen  Rheinprovinzen  S.  20,  60,  484. 

*)  Die  Heirathsberedung  s.  Anhang  I,  Nr.  19. 

*)  Er  besass  die  andere  Hälfte  von  Reuland.  Die  Eheleute  sind  i«  4if 
Kirche  zu  Reuland  begraben.  Ucber  diese  Herrschaft  vgl.  BärHch,  y,;*',^ 
iUustrata  11,  2,  S.  173  und  Geschichte  der  Herren  von  PaUant,  hitrliu  <*->-?, 
S.  63,  Anm.  1. 

*)  Eine  Stammtafel  aus  dem  frühem  Archiv  Schönau  gil/<    iin  *  w » 
Grafen  von  Berg  zum  Gatten.    Ich  habe  diese  Verbindung  mmM  ai •*/'*''''**'/ 
bestätigt  gefunden;  sie  beruht  jedenfalls  auf  einer  willkürli<'h«  *j  i  *  * .  •  ",« 
weil  die  Grafen  von  Berghes  später  die  Herrschaft  Reuknd  »>*b*»i>i^     r;y 
Geschichte  der  Herren  von  PaUant  S.  64  und  65.) 


22  E.  von  Oidtinan 

und  Pley*,  erbte  von  seinem  Bruder  Kraft  die  Herrschaften 
Zoron  und  Schönau.  Im  Jahre  1568  schenkte  ihm  sein  Schwager 
Balthasar  Herr  von  Brederode  die  Herrlichkeiten  Vyanen  und 
Ameiden  mit  allen  Stä-dten,  Schlössern,  Dörfern,  Gericht  und 
Zubehör  2.  Gotthard  war  1579  verstorben.  Seine  Gattin  war 
Maria  von  Brederode,  Tochter  Walrams  und  der  Anna  Gräfin 
von  Neuenahr. 
Kinder: 

1.  Gottfried  von  Milendonk,  Herr  zu  Zoron,  starb  kinderlos. 

2.  Hermann  Dietrich,  folgt  unter  Linie  Goer. 

3.  Elisabeth,  starb  jung. 

4.  Kraft,  folgt  unter  Linie  Fronenbruch. 

5.  Agnes  von  Milendonk,  vermählt  zuerst  mit  Hermann 
von  Felden  genannt  Cloudt  *,  Kommandanten  zu  Neuss,  bei  der 
Erstürmung  1586  umgebracht,  dann  mit  Maximilian  von  Hörn 
zu  Lockeren. 

6.  Balthasar,  folgt  unter  Linie  Schönau. 

Linie  zu  Schönau. 

XI. 

Balthasar  Freiherr  von  Milendonk*  setzte  sich  1589  mit 
seinem  Bruder  wegen  der  Güter  auseinander,  er  erhielt  die 
Herrschaft  Zoron  ^,  Schönau  und  die  Hälfte  der  Herrschaft 
Warden,  während  Kraft  die  Herrlichkeit  Fronenbruch-Hörstgen 
und  18  600  brabanter  Gulden  bekam.  Derselbe  behielt  sich 
ausserdem  die  Titel  Herr  zu  Schönau  und  Warden  lebens- 
länglich vor^    Von  seiner  Tante,   der  Gräfin  Walburga   von 


*)  Er  erhielt  durch  Testament  seines  Vaters  das  Lehngut  Pley  und 
wurde,  nachdem  sein  Bruder  Dietrich  auf  aUe  Ansprüche  daran  verzichtet 
hatte,  1550  damit  belehnt. 

')  Inventaris  van  het  oud  Archiv  van  Roermond. 

^)  Ferber,  Geschichte  der  Schenk  von  Nideggen  S.  208,  Anm.  nennt 
ihn  als  Sohn  Johanns  von  Cloedh  auf  Narteln  und  Lauterbeck  aus  einer  west- 
fälischen Familie.  Ich  habe  ihn  sonst  aber  überaU  als  Angehörigen  der 
Familie  Felden  genannt  Cloudt  gefunden. 

*)  Den  Freiherrntitel  legten  sich  die  Herren  von  Milendonk  wahrschein- 
lich wegen  der  sog.  reichsfreien  Herrschaften  Schönau  und  Fronenbruch- 
Hörstgen  zu. 

*)  Die  Herrlichkeit  Zoron  verkaufte  Balthasar  am  13.  September  1591 
an  den  kurkölnischen  Kammerrath  Karl  BiUeus,  welcher  ihm  5000  Gulden 
vorgeschossen  hatte. 

*)  Staatsarchiv  zu  Wetzlar,  Prozessakten  Milendonk  gegen  Blanche. 


Dio  Herren  von  Milendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       23 

Neuenahr,  erbte  Balthasar  1594  einen  Theil  der  Herrlichkeit 
Hüls.  Er  war  vermählt  mit  Maria  von  Beek  zu  Kipshoven, 
aus  welcher  Ehe  eine  Tochter  Agnes,  vermählt  mit  Johann 
von  Kessel,  stammte.  Da  er  keine  ehlichen  Söhne  hatte,  so 
vermachte  er  testamentarisch  seinem  Bruder  Kraft  Schönau  und 
die  halbe  Herrschaft  Warden.  Dieses  Testament  aber  wieder- 
rief  er  zwei  Tage  vor  seinem  Tode  und  heirathete  Helena 
Brauhoff  ^ 

Die  drei  Kinder,  welche  er  mit  ihr  erzeugt  hatte,  legitimirte 
er  und  bestimmte  sie  zu  seinen  Erben*;  er  starb  am  8.  März 
1629  zu  Schönau». 

Die  legitimirten  Kinder  waren  folgende: 

1.  Amandus,  folgt. 

2.  Anna  Maria,  heirathete  1637  Adolf  von  Hillensberg. 
Sie  war  1671  Wittwe  und  starb  1676. 

3.  Agnes*,  Gattin  des  Balthasar  Brauhoff,  welcher  in 
staatischen  Diensten  zu  Rees  war.  Sie  starb  am  8.  November  1639*, 

XII. 

Amandus  Freiherr  von  jüilendonk  Hess  sich  1629  in  der 
Herrschaft  Schönau  huldigen  ^.    Er  sollte  sich  aber  nicht  lange 


*)  Der  reformirte  Prediger  Johannes  Orthius  bescheinigte  die  am  6.  März 
1 629  von  ihm  vorgenommene  Trauung,  welche  auch  bezeugt  wird  von  Junker 
Hermann  von  Hirtz-Landskron,  Johann  Jakob  und  Isaak  von  Streithagen 
zu  ürsfeld,  Mathias  Brüll,  Handelsmann  zu  Aachen,  Quirin  Becker,  Johann 
und  Lemmen  Ortmans,  Untersassen  der  Herrlichkeit  Schönau. 

*)  Das  heisst:  Amandus  sollte  dio  Schwestern  abfinden. 

')  Staatsarchiv  zu  Wetzlar,  Prozessakten  Milendonk. 

*)  Ihre  Tochter  Anna  Maria  Brauhoff  heirathete  Wilhelm  von  Blanche 
zu  Radelo,  dessen  Nachkommen  durch  Prozess  Schönau  erlangten,  da  Anna 
Maria  von  HiUensberg  geb.  von  Milendonk  1676  testamentarisch  Isaak  Lambert 
von  Blanche,  ihrem  Neflfen,  Schönau  vermacht  hatte. 

*)  Stammtafel  bei  den  Prozessakten  im  Staatsarchiv  zu  Wetzlar. 

*)  Die  nähern  Umstände  der  Huldigung  gibt  Strange,  Bongart  S.  74—75 
an.  Dass  Schönau  bereits  im  14.  Jahrhundert  eine  Herrlichkeit  war,  geht 
aus  den  Urkunden  bei  Quix,  Schönau  S.  41  ff.  und  Strange,  Bongart  S.  97, 
sowie  aus  der  in  dieser  Zeitschrift  VIII,  S.  143  ff.  veröffentlichten  Urkunde 
von  1391  deutlich  hervor.  Ob  aber  Schönau  eine  reichsunmittelbare  Herr- 
schaft gewesen  ist  und  ob  die  Urkunde  des  Königs  Albrecht  von  1302  (diese 
Zeitschrift  VI,  S.  102),  wodurch  Gerhard  von  Schönau,  sowie  sein  castrum 
und  dominium  de  Schonauwen  in  des  Reiches  Schutz  genommen  wird,  echt 
ist,  möchte  ich  dahingesteUt  sein  lassen. 


24  E.  von  Oidtmau 

des  Besitzes  seines  Sonnenlehns  erfreuen,  denn  als  er  die  Leiche 
seines  Vaters  nach  Fronenbruch  zur  Familiengruft  brachte, 
setzte  sich  der  Bevollmächtigte  des  Freiherm  Adolf  von  Milen- 
donk^  Dr.  Hawicken,  mit  Hülfe  von  Soldaten  in  den  Besitz 
von  Schönau  und  verjagte  die  AVittwe  Balthasars  mit  ihren 
Töchtern.  Sie  flüchteten  nach  Fronenbruch,  wo  sie  mit  Amandus 
lange  Jahre  bei  ihrem  Onkel  Kraft  und  dessen  Sohn  Maximilian 
wohnten  ^. 

Aus  Dankbarkeit  verschrieb  Amandus  1669'  seinem  Vetter 
Maximilian  die  halbe  Herrlichkeit  Warden  mit  dem  Zehnten 
und  Ländereien  zu  Niedermertz,  sowie  dem  Zehnten  zu  Nieder- 
zier zu  seinem  Eigenthum.  Erst  nach  dem  Tode  des  Freiherrn 
Adolf  von  Milendonk  1657  gelangte  Amandus  wieder  in  den 
Besitz  von  Schönau  und  überliess  das  Schloss  seinem  Schwager 
Hillensberg  zur  Wohnung,  während  er  selbst  in  Fronenbruch 
blieb,  wo  er  am  20.  Dezember  1674  starb.  Amandus  hatte 
seine  Schwester,  die  Wittwe  Hillensberg,  zur  Erbin  von  Schönau 
bestimmt.  Dieselbe  war  indess  durch  Maximilian  von  Milendonk 
schon  1671^  nach  dem  Tode  ihres  Mannes  von  Schönau  ver- 
trieben worden  *  und  Maximilian  blieb  bis  zu  seinem  1692  erfolgten 
Tode  im  Besitz  der  Herrschaft.    • 

Linie  zu  Fronenbruch. 

XI. 

Kraft  Freiherr  von  Milendonk  vergleicht  sich  1589  mit 
dem  Bnider  Balthasar  und  erhält  die  Herrlichkeit  Fronenbruch- 
Hörstgen  nebst  18600  brabanter  Gulden.  Ausserdem  besass 
Kraft  noch  mehrere  Höfe  bei  Wachtendonk  und  erbte  auch  von 
seiner  Tante  Walburga  Gräfin  von  Neuenahr  die  halbe  Herrlich- 
keit Budberg  bei  Rheinberg.     Trotzdem  scheinen  seine  Ver- 


*)  Präsident  des  Reichskammergericbts. 

*)  Prozessakten  im  Staatsarchiv  zu  Wetzlar,  Milendonk  gegen  Blanche. 
Vgl.  Anhang  I,  Nr.  39. 

«)  Vgl.  Anhang  I,  Nr.  38. 

*)  Strange,  Bongart  S.  77. 

*)  Amandus  hatte  am  4.  März  1661  die  halbe  Uerrschaft  Warden  dem 
Johann  Buirette  verpfändet  und  Maximilian  woUte,  auf  die  oben  angeführte 
Schenkung  von  1669  gestützt,  durch  die  Besitznahme  von  Schönau  sich  schad- 
los halten. 


Die  Herren  von  Milendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       25 

mögensverhältnisse  nicht  günstig  gewesen  zu  sein^  Er  starb 
1632.  Mit  seiner  Magd  ^  Margaretha  Eykelberg  hatte  er  folgende 
Kinder,  welche  durch  die  1622  erfolgte  Heirath  legitimirt 
wurden  ^. 

1.  Gotthard,  wohnte  zu  Fronenbruch  undi  lebte  noch  1662*; 
mit  seiner  Frau,  einer  geborenen  von  Langen*,  hatte  er  keine 
Kinder. 

2.  Adolf  Walraf  1634. 

3.  Hans  Wolf  1638. 
4*    Maximilian,  folgt. 

5.  Agnes  1634. 

6.  Anna  Maria  1634. 

XII. 

Maximilian  Freiherr  von  Milendonk  war  1632  noch  unmün- 
dig ^  besass  in  Gemeinschaft  mit  seinen  Geschwistern  die  Herr- 
lichkeit Fronenbruch-Hörstgen  und  scheint  alle  seine  Geschwister 
überlebt  zu  haben.  1668  nennt  er  sich  in  einem  Akt'  auch 
Herr  zu  Schönau,  Hüls  und  Warden.  Sein  Vetter  Amandus 
hatte  ihm  die  halbe  Herrschaft  Warden  1669  abgetreten.  1671 
setzte  er  sich  mit  Gewalt  in  den  Besitz  von  Schönau  und 
behauptete  sich  darin  bis  zu  seinem  Tode.  Er  starb  am 
20.  Dezember  1695  auf  Schönau.  Mit  Margaretha  von  Tegelen® 
hatte  Maximilian  zwei  Töchter,  welche  vermittelst  der  am 
24.  August  1677  durch  einen  reformirten  Prediger  aus  Aachen 
in  Schönau  vollzogenen  Trauung®  legitimirt  wurden. 


^)  Er  nahm  1605,  seine  Kinder  nahmen  1684  bedeutende  Kapitalien  auf 
die  Güter  auf. 

2)  So  Lefort  und  die  Prozessakten  im  Staatsarchiv  zu  Wetzlar. 

^  Akten  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  unter  Fronenbruch. 

*)  Akt  aus  dem  ehemaligen  Archiv  zu  Schönau  im  Besitz  des  Herrn 
J,  Leydel  zu  Bonn. 

*)  Stammtafel  bei  den  Prozessakten  im  Staatsarchiv  zu  Wetzlar. 

*)  Prozessakten  zu  Wetzlar. 

0  Im  Besitz  des  Herrn  J.  Leydel  zu  Bonn,  aus  dem  frühem  Archiv 
Schönau. 

®)  Diese  nicht  adlige  Familie  kommt  noch  Ende  des  18.  Jalirhunderts 
in  der  Aachener  Gegend  vor  und  darf  nicht  verwechselt  werden  mit  den 
gleichnamigen  adligen  Geschlechtern,  welche  im  14.  und  15.  Jahrhundert 
vorkommen. 

*)  So  gibt  Gotthard  Kraft  von  Milendonk  in  Prozessakten  Milendonk 
gegen  Blanche  an  und  beruft  sich  auf  das  Zeugniss  des  Predigers  und  Vor- 


26  E.  von  Oidtman 

XIII. 

1.  Anna  Maria  Freiin  von  Milendonk,  un vermählt. 

2.  Margaretha  Elisabeth  Freiin  von  Milendonk,  heirathete 
am  2.  März  1695  ihren  Vetter  Gotthard  Kraft  Freiherrn  von 
Milendonk  aus  der  Linie  Pley  und  brachte  ihm  die  Herrlichkeit 
Fronenbruch-Hörstgen  in  die  Ehe. 

Linie  zu  Goer  und  Pley. 

XI. 

Hermann  Dietrich  von  Milendonk,  Herr  zu  Goer,  Meyl  und 
Pley,  versuchte  vergeblich  in  den  Besitz  der  ihm  vermachten 
Herrlichkeiten  Vyanen  und  Ameiden  zu  gelangend 

Von  seiner  Tante,  der  Gräfin  Walburga  von  Neuenahr,  erbte 
er  einen  Maas-Zoll,  genannt  der  brabantsche  Landzoll;  1600 
ergriff  er  auch  für  sich  und  seine  Brüder  von  der  Grafschaft 
Hom  Besitz,  konnte  sich  aber  gegen  den  Bischof  von  Lüttich 
nicht  darin  behaupten*. 

Hermann  Dietrich  starb  am  29.  November  1620  zu  Huy^ 
Seine  erste  Gattin  war  Franziska  von  Goer,  Tochter  Heinrichs 
von  Goer  zu  Pesch,  Villain,  Adriamont,  Forges,  Brouennes, 
Bronelle,  La  Tour-Lamay  und  der  Franziska  von  Vaudemont. 
Sie  starb  1604,  worauf  Hermann  sich  am  24.  Januar  1618  mit 


Stehers  der  reformirten  Gemeinde  zu  Aachen.  Dagegen  behauptete  die  Freiin 
Antonette  von  Blanche  in  einem  gerichtlichen  Verhör  1737,  dass  in  ihrer 
Gegenwart  die  Trauung  unter  ganz  besondem  Verhältnissen  durch  einen 
katholischen  Pfarrer  zu  Berg  (Laurensberg),  Johann  Baptist  Bex,  vorgenommen 
worden  sei.  (Das  interessante  Verhör  befindet  sich  bei  den  Prozessakten  im 
Staatsarchiv  zu  Wetzlar.) 

*)  Prozessakten  Milendonk  gegen  Blanche  im  Staatsarchiv  zu  Wetzlar. 

^  Den  Besitz  der  Grafschaft  Hom  im  Ftirstbisthum  Lüttich  bean- 
spruchten die  Herren  von  Milendonk  als  Rechtsnachfolger  der  Gräfin  Walburga 
von  Neuenahr.  Die  sehr  verwickelten  Rechtsverhältnisse  sind  ausführlich 
auseinander  gesetzt  in  einer  grossen  Deduktion  vom  Jahre  1754,  in  welcher 
die  Rechtsansprüche  der  Herren  von  Milendonk  und  ihrer  Erben,  der  Herren 
von  dem  Knesebeck,  auf  die  Grafschaft  Hom  als  nächste  Erben  der  Gräfin 
Walburga  von  Neuenahr  ausführlich  dargelegt  werden.  Die  Prozesse  beim 
Reichskammergericht  waren  Ende  des  18.  Jahrhunderts  noch  anhängig.  Nocli 
1815  erschien  eine  Schrift:  Das  Lehnfolgerecht  der  Familie  von  dem  Knese- 
beck  zu  Tylsen  auf  die  Grafschaft  Hom. 

^)  Stammtafel  bei  Prozessakten  Milendonk  gegen  Blanche.  Eis  heisst 
dort:  obiit  in  carcere.    Der  Grund  der  Inhaftimng  ist  nicht  angegeben. 


Die  Herren  von  Mileudonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       27 

Anna  von  Hemmerich  zu  Rautenburg  vermähltet 

a)  Kinder  aus  erster  Ehe: 

1.  Johann  Pankratius,  folgt  unter  Linie  Pesch-Goer. 

2.  Maria,  unvermählt. 

3.  Adolf  Reichsfreiherr  *  von  Milendonk,  Besitzer  der  Güter 
Pesch,  Brouennes,  Ginvry,  Nepvant  und  Herfte  ^,  war  Präsident 
des  Reichskammergerichts  zu  Speyer.  1635  belehnte  ihn  der 
Pfandherr  des  Amtes  Huyssen,  Graf  Adam  von  Schwartzenberg, 
mit  Pley.  Diese  Belehnung  erneuerte  1654  der  Kurfürst  von 
Brandenburg*.  Mit  seinen  Verwandten  war  Adolf  fortwährend 
in  Prozesse  verwickelt.  Nach  dem  Tode  seines  Onkels  Balthasar 
1629  setzte  er  sich  mit  Gewalt  in  den  Besitz  der  Herrschaft 
Schönau  und  behauptete  sich  darin  bis  zu  seinem  Tode  1657. 

4.  Walpurgis,  unvermählt. 

b)  Aus  zweiter  Ehe: 

5.  Hans  Kraft,  folgt  unter  Linie  Pley. 

6.  Anna  Maria  1658  ^ 

7.  Agnes  1658  ^ 

Linie  zu  Pley. 

xn. 

Hans  Kraft  Freiherr  von  Milendonk  erhielt  am  10.  Septem- 
ber 1657  nach  dem  Tode  seines  Stiefbruders  Adolf  die  kur- 
brandenburgische  Belehnung  mit  Pley.  Seine  Wittwe,  Anna 
Maria  Doublet  ^,  wurde  für  ihren  minderjährigen  Sohn  Gottfried 
Kraft  1682  und  1692  mit  Pley  belehnt.  Das  Gut  war  späterhin 
sehr  verschuldet  und  musste  1715  auf  Drängen  der  Gläubiger 
verkauft  werden.    Käufer  war  ein  Graf  Hoensbroech. 


*)  Sie  war  zuerst  Nonne  im  Kloster  Kaisersbosch  und  Hess  sich  protes- 
tantisch trauen.  Ihre  Mutter  wird  in  einer  gemalten  Ahnentafel  im  Archiv 
zu  Karwe  Anna  von  Eyl  genannt. 

*)  Fahne  gibt  an,  er  sei  in  den  Reichsfreiherrenstand  erhoben  worden. 

')  Seinen  Antheil  an  der  hohen  Gerichtsbarkeit  von  Nepvant  (^/g)  ver- 
kaufte er  an  die  Eheleute  Wilhelm  de  Habert  und  Anne  de  Hezecques  für 
17000  Livres. 

*)  Vgl.  Anhang  I,  Nr.  33. 

5)  Vgl.  Anhang  I,  Nr.  35. 

*)  Ihre  Eltern  hiessen  Peter  Doublet  und  Jakobea  Sproussen.  Sie  war 
in  erster  Ehe  mit  dem  Jonkherr  Reiner  von  Naeltwyck-Brantwyck  ver- 
heirathet.  Die  Familie  Doublet  ist  eine  alte  Juristenfamilie,  welche  aus 
Beauvais  stammte.    Vgl.  über  sie:  Het  geslacht  Doublet,  Zutphen  1879. 


28  E.  von  Oidtmiin 

Kinder: 

1.  Gotthard  Kraft,  folgt. 

2.  Franz  Heinrich  Freiherr  von  Milendonk  fiel  als  preussi- 
scher  Major  des  Leib-Grenadier-Regiments,  beim  Angriff  auf  ein 
Aussenwerk  bei  der  Belagerung  von  Douay  1710. 

3.  Dorothea  Adriana,  geboren  1660,  heirathete  1689  Wilhelm 
Ludwig  von  dem  Knesebeck  auf  Tylsen,  preussischen  Geheim- 
rath,  Landeshauptmann  der  Altmark.   Sie  starb  28.  März  1731  ^ 

xm. 

Gotthard  Kraft  Freiherr  von  Milendonk,  geboren  1672, 
preussischer  Oberst  der  Kavallerie.  Durch  seine  erste  Frau 
besass  er  die  Herrlichkeit  Fronenbruch-Hörstgen  und  nennt  er 
sich  in  den  Erlassen  an  seine  Unterthanen:  Reichsfreiherr  von 
Milendonk,  Graf  zu  Hom^,  Herr  zu  Hörstgen,  Fronenbruch, 
Schönau,  Bedbur,  Hüls  und  Warden.  Durch  letztere  Titel 
wollte  er  seine  Ansprüche  auf  die  Grafschaft  Hörn  und  andere 
Milendonksche  Güter,  welche  er  aber  nicht  besass,  darthun. 
Seine  Prozesse  beim  Reichskammergericht  gegen  die  Erben 
Blanche  wegen  der  Herrlichkeiten  Schönau  und  Warden 
hatten  nur  grosse  Kosten  zur  Folge  ^.  Als  die  erste  Gemahlin 
Margaretha  Elisabeth  Freiin  von  Milendonk,  aus  der  Fronen- 
brucher  Linie,  starb,  erbte  Gotthard  Kraft  die  Herrlichkeit 
Fronenbruch-Hörstgen*.  Die  zweite  Gemahlin  seit  1.  Septem- 
ber 1730  war  Christine  Charlotte  Elise  Freiin  von  Wylich  zu 
Diersfort,  Tochter  Dietrichs  und  der  Anna  Reichsfreiin  von  Spaen 
zu  Moyland.  Gotthard  Kraft  Freiherr  von  Milendonk  starb 
als  letzter  Mann  des  ganzen  Milendonkschen  Geschlechts  am 
28.  Mai  1749. 


*)  Archiv  zu  Karwe  und  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  unter  Fronenbruch. 
Barsch  und  Andere  führen  sie  fälschlich  als  eine  Tochter  der  Linie  Goer  an. 

*)  üeber  die  Rechtsansprüche  der  Herren  von  Milendonk  an  die  Graf- 
schaft Hom  s.  oben  S.  26,  Anm.  2. 

*)  Die  Prozesse  über  den  Besitz  der  Herrlichkeiten  Schönau,  Warden 
und  Fronenbruch,  sowie  der  Grafschaft  Hom  waren  Goldgruben  für  die  Pro- 
kuratoren und  Advokaten  beim  Eeichskammergericht,  wenn  man  bedenkt, 
dass  sie  vom  Beginn  des  17.  bis  Ende  des  18.  Jahrhunderts  dauerten. 

*)  Das  Testament  der  ersten  Frau  ist  vom  4.  März  1728.  Die  Ehe- 
beredung  vom  2.  März  1695  sagte  schon  dem  Ehehcrm  bei  kinderloser  Ehe 
den  Besitz  der  Herrlichkeit  zu  (Staatsarchiv  zu  Wetzlar). 


Die  Hffrai  rc-n  HHctJ-ak  *a>  d^m  GT-i<hle»-bi  der  t.-o  MlrUer.        :?9 

Sein  Siegel  zeigte  den  gevierteten  Müendonk-Draohen- 
felsschen  Schild.  Die  beiden  Helme  mit  Helmwulsten  tragen 
BuffelhOmer,  der  linke  zeigt  dazwischen  einen  wachsenden 
DracheiL     Als  Schildhalter  stehen  Drachen  *. 

Die  Wittwe  des  Gtjtthard  Kraft,  welche  die  Leibzucht  an  der 
Herrlichkeit  Fn^nenbruch-Hürstgen  hatte,  nennt  sich  in  einem 
Akt  von  1753  folgendermassen : 

,Wir  Christine  Charlotte  Elisabeth  verwittwete  Reichsfrei- 
frau Ton  Milendonck,  getxirene  Freün  von  Wylich  u.  s.  w. 
Gräfin  zu  Hora,  regierende  Landsfrau  der  reichsimmediaten 
freien  Herrlichkeit  Hörstgen,  zu  Fronenbroich,  Frau  zu  Bedbur, 
Schönau  und  Warden*.' 

Nach  ihrem  Tode*  erbten  die  Enkel  des  oben  erwähnten 
Herrn  von  dem  Knesebeck  die  Herrschaft  Fronenbruch-Hörst- 
gen*.  Dieselben  theilten  die  Güter  derart,  dass  Karl  Franz 
Paridam  Kraft  Fronenbruch-Hörstgea,  Heinrich  Wilhelm  Bodewin 
das  väterliche  Gut  Tylsen  erhielt.  Der  Erstgenannte  wohnte 
hierauf  zu  Fronenbruch.  Als  die  fiunzosischen  Bevolutionsheere 
das  preussische  Geldern  besetzten,  verliess  1793  Herr  von  dem 
Knesebeck  seine  Herrschaft  und  begab  sich  nach  Wesel.  Fronen- 
bruch wurde  geplündert  und  verheert.  Durch  Aulhebung  der 
Hoheitsrechte,  der  Zehnten  und  Abgaben  ging  der  grosste  Theil 
der  Einnahmen  ^  verloren,  so  dass  von  der  frühem  Landeshoheit 
mit  eigener  Grerichtsbarkeit  imd  vielfachen  Privilegien  nur  ein 
bescheidenes  Eittergut  übrig  blieb.  Karl  Franz  von  dem  Knese- 
beck starb  als  Domherr  zu  Magdeburg,  80  Jahre  alt,  im  Jahre 
1828,  nachdem  er  seinen  Neffen,  den  Sohn  seiner  Schwester, 
den  spatem  Generalfeldmarschall  Karl  Friedrich  von  dem  Knese- 


')  OriginaLsiegel  auf  einer  landesherrlichen  Verordnung  an  die  Unter- 
tbanen  der  Herrlichkeit  Fronenbruch-Hörstgen.  Die  Helmzierden  weichen 
*1^  wesentlich  von  denen  der  Stammwappen  Milendonk  und  Drachenfols  ab. 

*)  Akt  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  unter  Fronenbruch. 

*)  Sie  starb  1753  oder  1754, 

*)  Sie  machten  auch  ihre  Rechte  auf  die  Grafschaft  Hom  gegen  den 
J^tetbischof  von  Lüttich  geltend.  Friedrich  der  Grosse  Terwandte  sich  1755 
n»  emem  Kabinetsschreiben  an  den  Fürstbischof  energisch  ftlr  ihre  Rechte 
(s.  Anhang  n,  Urk.  3),  indess  es  wurde  nichts  erreicht 

')  Wie  bedeutend  dieselben  waren,  geht  aus  dem  Anschlag  von  1789, 
^w  allerdings  sehr  übertrieben  gewesen  sein  dürfte,  hervor.  (Picks  Monats- 
schrift n,  S.  487.) 


30  E.  von  Oidtman 

beck^  auf  Karwe  zum  Erben  von  Tylsen  und  Fronenbruch 
bestimmt  hatte.  Letzterer  liess  die  Ländereien  von  Fronenbruch 
parzellenweise  verkaufen. 

Linie  zu  Pesch  und  Goer*. 

XII. 

Johann  Pankratius,  auch  Hans  Kraft  genannt,  Freiherr  von 
Milendonk,  Baron  von  Pesch,  Herr  zu  Pesch,  Goer,  Willaert, 
Andrimont,  Bethoven,  Fernelmont,  Surice  u.  s.  w.  Im  J.  1615 
wurde  er  und  sein  Bruder  Adolf  mit  den  mütterlichen  Gütern 
Brouennes  (bei  Montmedy),  Bronelle  und  La  Tour-Lamay  belehnt  *. 
Er  prozessirte  schon  im  19.  Lebensjahr  gegen  seinen  Vater,  von 
dem  er  behauptete,  dass  er  die  Güter  der  Mutter  schlecht  ver- 
waltet habe;  gleichzeitig  verlangte  er  Vormundschaft*.  Seine 
erste  Gattin  seit  1607  ^  war  Agnes,  Tochter  Arnolds  de  Marbais, 
seigneur  de  Louvirval  et  de  Fernelmont,  grand  bailly  d'Entre- 
Sambre  et  Meuse,  und  der  Agnes  du  Chasteler ;  die  zweite  Frau 
seit  1612  war  Margaretha,  Tochter  des  Grafen  Klaudius  de 
Joyeuse,  Grafen  de  Grandpr6,  Gouverneur  der  Städte  Mouzon 
und  Beaumont,  und  der  Philiberte  de  Saux;  sie  heirathete  in 
zweiter  Ehe  1624  Franz  Anton  de  Joyeuse.  Hans  Kraft  starb 
1616  zu  Lüttich  „unglücklich  erstochen*' ^ 

xm. 

Sohn  zweiter  Ehe: 

Hermann   Klaudius'  Freiherr   von  Milendonk,   Baron   von 


*)  Sein  Sohn  erhielt  durch  Kabinete-Ordre  vom  10.  März  1870  die 
Befugniss,  sich  Freiherr  von  dem  Knesebeck-Milendonk  zu  nennen  und  das 
Milendonksche  Wappen  mit  dem  Knesebeckschen  vereinigt  zu  führen,  üeber 
Fronenbruch-Hörstgen  vgl.  von  der  Nahmer  a.  a.  0.  S.  816,  §  503;  von 
Restorf f  a.  a.  0.  S.  48,  60,  536  f.;  Berghaus,  Deutschland  vor  hundert 
Jahren  I,  S.  155  und  die  Uebersicht  in  Anlage  in. 

*)  lieber  diese  Linie  handelt  ausführlich:  Villermont,  Fesches,  Anvers 
1886,  p.  130  sqq.  Die  Baronie  Pesch  wurde  im  16.  Jahrhundert  aus  einem 
Theil  der  Baronie  Florennes  im  Lande  d'Entre-Sambre  et  Meuse  gebildet. 

')  Jeantin  p.  289  sqq. 

*)  Er  erhielt  1606  als  Vormünder  Krato  von  Milendonk,  Herr  zu  Fronen- 
bruch, Herr  von  Bocholz,  Propst  zu  Hildesheim,  und  Gerhard  von  Horion, 
Herr  zu  Colonster.  (Prozessakten  im  Staatsarchiv  zu  Wetzlar,  Milendonk 
Nr.  2845.) 

*)  Hans  Kraft  war  also  bei  seiner  Heirath  erst  19  Jahre  alt. 

•)  Prozessakten  zu  Wetzlar. 

')  So  lautet  der  Name  richtig,  nicht  Gladius,  wie  einige  Genealogen  angeben. 


Die  Herren  von  Milcndonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       31 

Pesch,  Besitzer  der  Güter  Pesch,  Goer,  Willaert,  Surice,  Rome- 
denne,  Lothenne,  Andrimont,  Bethoven,  Brouennes,  Cerfontaine, 
Bemissart,  Achem,  Sötte ville,  geboren  1613,  gestorben  1658. 
Er  hatte,  erst  21  Jahre  alt,  am  2.  Januar  1635  Maria  de  Failly, 
Tochter  Johanns  de  Failly,  Herrn  zu  Bernissart,  und  der  Maria 
de  Gognies,  geheirathet. 
Kinder : 

1.  Ludwig  Hermann  Franz,  folgt. 

2.  Margaretha  Louise,  vermählt  mit  Eugen  Ludwig  de 
Berghes-Saint-Winock,  prince  de  Raehe^,  grand  bailly  de  Hai- 
naut,  Ritter  des  goldenen  Vliesses,  welcher  am  14.  April  1688 
kinderlos  zu  Mons  starb. 

3.  Max  Heinrich  Graf*  von  Milendonk,  Baron  von  Pesch, 
war  1688  Kavallerie-Major  in  spanischen  Diensten. 

4.  Eine  Tochter,  vermählt  mit  einem  Marquis  du  Forest. 

XIV. 

Ludwig  Hermann  Franz  Graf  von  Milendonk,  Baron  von 
Pesch,  Herr  zu  Pesch,  Goer,  Cerfontaine,  Surice,  Bernissart, 
Romedenne  u.  s.  w.  *,  starb  zu  Pesch  und  wurde  in  der  dortigen 
Kirche  beigesetzt.  Er  war  vermählt  mit  Isabella  Philippine 
Therese  de  Mailly,  Tochter  Wilhelms  de  Mailly,  marquis  de 
Quesnoy,  vicomte  d'Erps,  und  der  Isabella  Margaretha  Karoline 
de  Croy-Solre.    Sie  starb  im  Wochenbett  1690. 

XV. 

1.  und  2.    Zwei  Töchter,  starben  jung. 

3.  Maria  Margaretha  Louise  Gräfin  ^  von  Milendonk,  geboren 
1690,  heirathete  am  15.  Juli  1716  auf  dem  Schlosse  Quesnoy 
Philipp  Alexander  Emanuel  prince  de  Croy  de  Solre  et  de 
Moeurs,  französischen  Generallieutenant,  gestorben  1723.  Sie 
starb  als  letzte  des  ganzen  Milendonkschen  Geschlechts  am 
23.  August  1768,  77  Jahre  alt«. 

*)  Nicht  Roche,  wie  er  fälschlich  genannt  wird. 

*)  Lefort  sagt  in  seiner  Sammlung:  titre  de  courtoisic! 

*)  Vgl.  die  vorhergehende  Anmerkung. 

♦)  BroneUe  verkaufte  er  (Jean t in). 

*)  Dieser  Titel  wird  ihr  im  Ehevertrag  gegeben,  ihr  Vater  wird  darin 
Graf  genannt  (Villermont,  Pesches). 

«)  Die  meisten  Einzelheiten  über  diese  Linie  verdanke  ich  dem  Herrn 
Grafen  Ernst  von  Mirbach-Harff. 


32  E.  von  Oidtman 


Anlagen. 


I.  Regesten^ 

1.  Graf  Vincenz  von  Moers  und  die  Gebrüder  Arnd  und  Johann  von 
Hoemen,  Burggrafen  zu  Odenkirchen,  vermitteln  einen  Vergleich  zwischen 
Werner  Scheiffart  vamme  Koide,  Herrn  zu  Clermont,  Amtmann  zu  Liedberg, 
und  Johann  von  Mirlair,  Herrn  zu  Milendonk,  nebst  seinem  Sohne  Johann, 
Sohn  zu  Milendonk.  Der  Vergleich  betrifft  Wege  und  Brückengerechtsame 
zwischen  Liedberg  und  Milendonk.  Es  siegeln  ausser  den  obengenannten 
Vermittlem  auf  Seite  ihres  lieben  Neffen  und  Bruders  Werner  Scheiffart 
vamme  Roide :  Simon  von  Vellbrüggen  und  Scheiffart  vamme  Beide,  Herr  zu 
Hemersberg,  auf  Seite  ihres  Schwagers  und  Neffen  von  Milendonk:  Wilhelm 
von  Vlodorp,  Erbvogt  zu  Roermond,  Ritter,  und  Goidert  von  Vlodorp,  Herr 
zu  Leute.  —  1456,  April  5. 

Von  den  ursprünglich  angehängten  7  Siegeln  sind  nur  noch  die  der 
Gebrüder  von  Hoemen  erhalten. 

Orig.-Ürk.  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Kurköln  Nr.  1961a. 

2.  Bilie  Steck,  Wittwe,  Frau  zu  Milendonk,  und  Johann,  ältester  Sohn 
zu  Milendonk,  geben  zu  Gunsten  des  Klosters  Neuwerk  4  Morgen  Wiesen, 
„die  Buscherbenden*^,  welche  von  dem  Hause  zu  Milendonk  lehnrührig  sind, 
aus  dem  Lehnsverband  frei.  —  1484,  September  7. 

Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Kopiar  des  Klosters  Neu  werk  Bl.  7/8. 

3.  Kracht  von  Milendonk,  Ritter,  Amtmann  zu  Blankenstein,  verpflichtet 
sich,  den  zwischen  seinem  Herrn,  Herzog  Johann  von  Kleve,  und  der  Äbtissin 
von  Essen  abgeschlossenen  Vertrag  in  seiner  Eigenschaft  als  Amtmann  zu 
achten.  —  1495,  Oktober  21. 

Orig.-Ürk.  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Stift  Essen  Nr.  886. 

4.  Johann  von  Myrlair  und  Agnes  von  Odenkirchen,  seine  Gemahlin, 
Herr  und  Frau  zu  Milendonk,  geben  die  Grütersbenden  der  Abtei  Gladbach  in 
der  Herrlichkeit  Milendonk  aus  dem  Lehnsverband  frei.  —  1497,  Dezember  16. 

Das  Siegel  des  Johann  von  Milendonk  zeigt  3  Querbalken,  ausserdem 
hängt  das  Siegel  der  Schöffen  von  Kirsmich  (Korschenbroich)  an. 

Orig.-Ürk.  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Abtei  Gladbach  Nr.  229. 

5.  Revers  Bertrams  von  Lutzenrath,  Herrn  zu  Hardenberg,  gegenüber 
Herzog  Johann  von  Kleve  bezüglich  der  Belehnung  mit  dem  Amt  und  Schloss 

*)  Die  von  Urkunden  des  Düsseldorfer  Staatearchivs  entnommenen  Regesten 
wurden  mir  freundlichst  von  dem  Freiherrn  von  Knesebeck-Milendonk  auf 
Karwe  mitgetheilt. 


Die  Herren  von  Milendonk  ans  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       33 

Bl&nkenstein,  die  er  von  Kraft  von  Milendonk,  welcher  sie  bisher  pfandweise 

innegehabt  hatte,  mit  5000  Henkelgnlden  an  sich  gebracht  hat.  —  1501,  Mars  2. 

Orig.-Urk.  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Kleve-Mark  Nr.  1737. 

6.  Herzog  Johann  von  Kleve  belehnt  Dietrich,  Herrn  zu  Milendonk,  mit 
dem  Gericht  zu  Meiderich  und  dem  Hof  zom  £icken,  wie  es  sein  Bruder, 
der  unlängst  verstorbene  Heinrich  von  Milendonk,  Amtmann  zu  Orsoj  und 
Rnhrort,  zu  haben  pflegte  und  wie  es  früher  Qoesen  Steck  und  nach  diesem 
Herr  Kracht  und  Heinrich  von  Milendonk  besessen  haben.  Zeugen:  Herr 
Wilhelm  von  der  Horst,  Erbmarschall,  und  Herr  Johann  von  Wylick,  Hof- 
meister, beide  Ritter,  sowie  Johann  von  Bronckhorst  und  von  Bathenberg, 
Landdrost.  —  1525,  Januar  29. 

Klever  Lehnbuch  C  15,  S.  60  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf. 

7.  Dietrich,  Herr  zu  Mylendonk  und  Drachenfels,  bekennt  von  Herzog 
Johann  von  Kleve  mit  einem  Mannlehn  von  20  rheinischen  Qulden,  das 
ehedem  sein  Oheim  Heinrich,  Herr  zu  Drachcnfeln,  innegehabt  hat,  belehnt 
worden  zu  sein.  -—  1531,  Juli  15. 

Orig.-Urk.  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Jülich-Berg  A  I^  Nr.  37U. 

8.  Herzog  Johann  von  Kleve  belehnt  Dietrich,  Herrn  zu  Milendonk, 
Amtmann  zu  Ruhrort,  im  Namen  seiner  Schwiegermutter  Elisabeth  von 
Montfort,  nachgelassener  Wittwe  Wilhelms  von  Vlodorp,  mit  dem  Lehn  Pleye 
oder  Hermannswart,  gelegen  im  Lande  Huyssen,  in  dem  Rhein  mit  der  Fischerei, 
Wasser,  Weiden,  sowie  mit  allen  Rechten  und  Zubehör,  wie  früher  die  von 
Ghoer  und  Vlodorp  damit  belehnt  waren.  Zeugen:  die  Heben  Räthe  und 
Getreuen  Johann  von  Bronckhorst  und  Batenburg,  DroHt,  und  Derick  van  den 
Boetzeler,  Erbschenk  des  Lands  Kleve.  —  1588,  März  20. 

Klever  Lehnbuch  .1522—1539  (C  15)  S.  102  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf. 

9.  Ebensolche  Belehnung  Seitens  des  Herzogs  Wilhelm  für  denselben. 
—  1540,  Juni  2. 

Ebendaselbst  1540—1591  S.  13. 

10.  Herzog  Wilhelm  von  Kleve  belehnt  Dietrich,  Herrn  zu  Mylendonk, 
mit  dem  Gericht  zu  Meiderich  und  dem  Hof  zum  Eicken.  —  1540,  Juni  2. 

Ebendaselbst  A  S.  13. 

11.  Herzog  Wilhelm  von  Kleve  belehnt  Goedert  van  Mylendonk  zu 
Ghoir,  dem  nach  dem  Testament  seines  Vaters  Dietrich,  Herrn  zu  Mylendonk, 
die  Pley  (Hermannswart)  zugefallen  ist,  mit  diesem  Lehn,  nachdem  Goederts 
ältester  Bruder,  Dietrich,  Herr  zu  Milendonk,  auf  alle  Ansprüche  an  dasselbe 
verzichtet  hat.  —  1550,  Februar  7. 

Klever  Lehnbuch  1540—1591  S.  96  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf. 

12.  Herzog  Wilhelm  von  Kleve  belehnt  Kracht  von  Mylendonk  mit 
dem  Gericht  zu  Meiderich  und  dem  Hof  zum  Eicken,   wie  sie  von  dessen 

3 


84  E.  Ton  Oidtman 

Vater  Dietrich,  Herrn  zu  Mylendonk,  besessen  worden  und  ihm,   Kracht,   in 
der  Theilung  zugefallen  sind.  -—  1550,  April  18. 
£bendaselbst  A  S.  99. 

18.  Lehnrevers  Dietrichs  von  Mylendonk,  Burggrafen  zu  Drachenfels, 
gegenüber  Erzbischof  Adolf  von  Köln  über  Schloss  und  Herrlichkeit  Drachen- 
fels. Zeugen:  Kanzler  Bernhard  von  Hagen,  Doktor  und  Propst,  Wilhelm 
Haes  zu  Conratzheim,  Marschall,  und  Wilhelm  Freiherr  von  Schwartzburg, 
Thürwärter  des  Erzbischofs.  —  1550,  Mai  12. 

Siegel  des  Dietrich  erhalten:  gevierteter  Schild,  im  1.  und  4.  Felde 
die  8  Querbalken,  im  2.  und  8.  ein  geflügelter  Drache ;  Helmzier :  Büffelhömer. 

Orig.-Ürk.  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Kurköln  A  III,  Nr.  2891. 

1 4.  Dietrich  und  Gotthard,  Herren  zu  Meilendonck,  Drachenfei tz  und  Ghoer, 
Dietrich  von  Dalberg  für  seinen  Vater,  den  Kämmerer  Friedrich  von  Worms 
genannt  von  Dalberg,  als  Vormünder  Wilhelms  von  Braunsberg,  des  Sohnes 
Philipp  Diethers  von  Braunsberg,  gewesenen  Amtmanns  zur  Nürburg,  und 
Franz  Konrad  von  Sickingen,  Gemahl  der  Wittwe  von  Braunsberg,  bezeugen, 
dass  Erzbischof  Adolf  von  Köln  die  Pfandschaft  des  Hauses  und  Amtes  Ntürburg 
mit  1 1  000  rheinischen  Gulden  abgelöst  hat. 

Eigenhändige  Unterschrift  der  Gebrüder  von  Milendonk.  Die  Siegel 
sehr  undeutlich.  —  1556,  November  19. 

Orig.-Urk.  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Kurköln,  Suppl.  228. 

15.  Testament  der  Margaretha  von  Merode,  Wittwe  von  Milendonk.  — 
Duisburg,  1575,  Oktober  25. 

üniversalerbin  ist  die  Nichte  Odilia  von  Merode.  Die  Gebrüder  von 
Milendonk  und  von  Goer  erhalten  nichts,  weil  sie  den  zu  Aachen  abge- 
schlosseneu und  besiegelten  Vertrag  nicht  gehalten  haben.  Die  Kinder  von 
Milendonk  und  von  Goer  erhalten  wie  die  Kinder  von  Wylich  einen  goldenen 
Bing  mit  einem  Todtenkopf,  ein  jedes  zum  Andenken.  Ihres  verstorbenen 
Gemahls  natürlicher  Sohn  Kraft  erhält  neue  Kleidung  und  25  Thaler.  Das 
rückständige  Leibgeding  von  jährlich  1000  Thalem  soll  der  Herr  von  Merode 
von  den  Gebrüdem  von  Milendonk  eintreiben  und  damit  verschiedene  Legate 
auszahlen.    Es  siegeln  die  Schöffen  zu  Duisburg. 

Nach  einer  notariellen  Abschrift,  mitgetheilt  von  Graf  Mirbach-Harff. 

1 6.  Herzog  Wilhelm  von  Kleve  belehnt,  nachdem  Goedert  von  Milendonk 
zu  Goir  gestorben,  den  Edmund  Gruyter  im  Namen  seines  Herrn,  Hermann 
Dieter,  Herrn  zu  Milendonk  und  Goir,  mit  dem  obengenannten  Lehn.  —  1579, 
September  15. 

Klever  Lehnbuch  B  S.  45  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf. 

17.  Vertrag  zwischen  Herzog  Wilhelm  von  Jttlich-Kleve-Berg  und 
Johann  von  Mylendonk,  Herrn  zu  Meiderich,  bezüglich  des  Gerichts  zu 
Meiderich  und  des  Hofs  zu  Lacknm.  —  1582,  April  5. 


Die  Herren  Ton  Milendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlacr.       35 

Nachdem  im  Juni  1581  Verhör  und  Handlung  zu  gütlichem  Vergleich  statt- 
gefunden, wurde  der  Vertrag  am  5.  April  1 582  folgendermassen  ahgeschlossen : 

1.  Soll  dem  Herzog  als  Landesfursten  über  das  Kirchspiel  Ober-  und 
Nieder-Meiderich  das  ins  collectandi  in  Reichs-  und  Landsteuersachen 
ungeschmälert  bleiben,  die  Umlegung  der  Steuer  jedoch  unter  Ver- 
mittlung des  Herrn  zu  Meiderich  und  des  Rentmeisters  von  Dins- 
laken als  Hofrichters  zu  Lackum  erfolgen. 

2.  Alle  herzoglichen  Hofs-  und  Zinsleute  u.  s.  w.  zu  Meiderich,  die 
zum  Hof  zu  Lackum  gehören,  sollen  ihre  Dienste  u.  s.  w.  fortleisten, 
während  der  Herr  zu  Meiderich  die  seinigen  behalten  soll. 

3.  Der  Glockenschlag  und  die  Landfolge  verbleiben  dem  Herzog,  doch 
darf  der  Herr  zu  Meiderich  erstem  auch  in  seinen  Jurisdiktions- 
sachen gebrauchen. 

4.  Das  Recht  der  kirchlichen  Proklamation  bleibt  in  den  beiderseitigen 
Jurisdiktionsbezirken  unverändert. 

5.  Die  Eingesessenen  von  Meiderich  sollen  wie  die  des  Amtes  Dinslaken 
überhaupt  auf  Erfordern  zur  Huldigung  erscheinen,  doch  darf  sich 
auch  der  Herr  zu  Meiderich  Huldigung  und  Eid  leisten  lassen. 

6.  Die  aus  Meiderich  zum  Hof  zu  Lackum  Gehörigen  suchen  Recht 
bei  den  herzoglichen  Gerichten,  während  auch 

7.  die  Appellationsinstanz  von  den  herzoglichen  Gerichten  (Schöffen- 
gericht zu  Wesel  u.  s.  w.)  gebildet  wird. 

Die  Nrn.  8—11  betreffen  die  Regelung  der  Zollgerechtsame,  des 
Geleitsrechts,  des  Acciserechts  und  der  Fischereigerechtigkeit  in 
der  Ruhr. 

Es  hängt  noch  das  herzogliche  Siegel  an,  während  das  des  Johann  von 
Mylendonk  abgefallen  ist. 

Orig.-Urk.  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Kleve-Mark  Nr.  2022. 

18.  Herzog  Wilhelm  bekennt,  dass,  nachdem  Kracht  von  Mylendonk, 
der  ehedem  mit  dem  Gericht  zu  Meiderich  belehnt  gewesen,  ohne  Hinter- 
lassung von  Leibeserben  gestorben  und  dann  dessen  Brüder  Dietrich  und 
Goddert,  Herren  zu  Mylendonk  und  Ghoer,  zwar  um  Belehnung  angehalten, 
aber  vor  Erlangung  derselben  ebenfalls  gestorben  seien,  deren  Söhne  Dietrich 
und  Johann  um  Ausstand  bezüglich  der  Lehnsempfangnng  gebeten,  bis  sie 
die  Erbschaft  Krafts  von  Mylendonk  getheilt.  Da  nun  das  Gericht  zu 
Meiderich  und  der  Hof  zum  Eicken  dem  Johann  von  Mylendonk  zugefallen 
sei,  habe  er  diesen  auch  mit  dem  genannten  Lehn,  wie  es  Kraft  von  Mylendonk 
besessen,  jedoch  unter  Berücksichtigung  des  am  5.  April  1582  geschlossenen 
Vergleichs  belehnt.  —  1582,  April  7. 

Staatsarchiv  zu  Düsseldorf. 

19.  Eheberedung  zwischen  Balthasar  Herrn  von  Pallant,  zu  Ruiff  und 
Reuland  und  Elisabeth  von  Milendonk.  —  1589,  Februar  11. 

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Die  Herren  von  Mileudonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  Mirlacr.       37 

Walburga  Gräfin  von  Neaenahr  und  Moers,  Frau  zu  Bedburg,  Weerdt 
u.  8.  w.  bestimmt  testamentarisch.  Folgendes :  Prinz  Moriz  von  Oranien,  Graf 
von  Nassau,  Marquis  van  de  Veere  u.  s.  w.,  ihr  lieber  Neffe,  soll  succediren 
in  Grafschaft,  Stadt,  Schloss  und  den  Besitzungen  von  Moers,  sowie  in  dem 
Hause  Krakanwen,  unter  der  Verpflichtung,  dass  die  christlich  reformirte 
Religion  darin  erhalten  bleibt.  Uir  lieber  Neffe  Adolf,  zweiter  Sohn  ihres 
lieben  Bruders  Arnolds  Grafen  von  Bentheim,  Steinfurt,  Tecklenburg  u.  s.  w., 
soll  succediren  in  Schloss,  Stadt  und  Herrlichkeit  Bedbur  mit  allem  Zubehör, 
in  der  Herrlichkeit  Garstorp,  Rosborch,  den  Gütern  zu  Marick ;  er  soll  erben 
den  Weerd  zu  Merkenich  und  Alles,  was  sie  von  Kurköln  zu  Lehn  empfangen 
hat,  den  Antheil  an  der  Herrlichkeit  Boedberg,  den  Zoll  zu  Kaisers werth, 
die  Zollrenten  zu  Linn  und  Alles,  was  im  Erzstift  Köln  und  im  Herzogthum 
Jülich  gelegen  ist.  Ihr  lieber  Neffe  Georg  Gerhard  Graf  von  Solms  soll 
erben  die  Grafschaft  Hom,  die  Herrlichkeiten  Weerdt,  Wissem,  Kortersom, 
Borcholt,  die  Vogtei  von  Toom,  den  Brabanter  Landzoll,  die  Pfandschaft  in 
den  gräflichen  Gütern  in  den  Aemtem  Kessel  und  Kriekenbeck,  alle  Güter, 
welche  von  den  Herzogen  von  Brabant  und  Geldern,  sowie  von  dem  Bischof 
von  Lüttich  als  Grafen  von  Loon  zu  Lehn  gehalten  werden,  sowie  alle  andern 
Güter,  Mobüien  und  Immobilien.  —  Es  folgen  verschiedene  Legate  an  gräf- 
liche Personen:  Bentheim,  Falkenstein,  Brederode  u.  s.  w.  Wörtlich  heisst 
es  dann  weiter:  Item  aen  Herman  Diedrich  van  Mieleudonck,  beere  tot  Goor, 
onsen  toi  aen  de  Mase  genaemt  der  Brabantsen  lanttol;  aen  jonkheer  Balthasar 
van  Mylendonck  onse  partie  in  die  heerlicheit  van  Hülst  mit  den  incomen 
daertoe  behoorende  en  aldaar  vallende;  item  aen  vrouwe  Agnes  van  Milen- 
donck,  vrouwe  van  Loockeren,  en  karkant,  gekoomen  van  beere  grootmoeder; 
ende  aen  Adolph  Philips,  haeren  soon,  en  jaerlike  losrente  van  vifhondert 
Brabantse  gülden,  ende  soo  hi  komt  te  sterven  voor  ons  testatrice,  verstaan 
wi,  dat  de  vors,  vrouwe  van  Lockeren  in  deselve  rente  succederen  sal.  Noch 
aen  jonkher  Kracht  van  Milendonck  onse  halve  heerlickheit  van  Bodtbergen 
bi  Berck  u.  s.  w.  Op  heeden  den  laetsten  october,  anno  1594  stilo  veteri, 
compareerde  voor  mi,  Jan  van  der  Wiel,  notaris  publici  bi  den  hove  van 
Utrecht  u.  s.  w.  * 

Notarielle  Abschrift  aus  dem  Oranischen  Archiv  Moers,  Nr.  25,  im 
Archiv  Tylsen. 

21.  Heirathsvertrag  zwischen  Johann,  Herrn  zu  Milendonk,  und  Maria 
Gräfin  zu  Limburg  und  Bronckhorst.  —  1596,  April  2. 

Der  edle  und  wohlgeborene  Herr  Johann,  Herr  zu  Milendonk,  Drachen- 
fels, Meiderich  und  Beuland,  jüngster  Sohn  Dietrichs  und  der  Theodore, 
geborenen  von  Bronckhorst  und  Battenburg,  Tochter  zu  Rimburg  und  Grons- 
feld  selig,  und  die  wohlgeborene  Fräulein  Maria  Gräfin  zu  Limburg  und 


*)  Das  Testament  dürfte  wohl  zu  Erbstreitigkeiten  Anlass  gegeben  haben,  da 
■owohl  die  halbe  Herrlichkeit  Boedberg,  als  auch  der  Brabanter  Landzoll  zweimal 
vermacht  worden  sind. 


38  £.  von  Oidtman 

Bronckhorst,  FrSalein  zu  Stimm,  jüngste  Tochter  des  wohlgcborenen  Herrn 
Hermann  Georg  Graf  zn  Limburg  und  Bronckhorst,  Herrn  zu  Stimm,  Wisch 
and  Brockelha  *  selig,  und  der  wohlgeborenen  Maria,  geborenen  Gräfin  zu  Hoya 
und  Brochhausen,  Gräfin  und  Frau  daselbst,  schliessen  einen  Heirathsvertrag. 
Der  Bräutigam  bringt  in  die  Ehe  als  Mitgift  die  Schlösser  und  Häuser 
Milendonk,  Drachenfels,  Meiderich  und  Renland  mit  zugehörigen  Herrschaften, 
Herrlichkeiten  und  Gerichtsbarkeiten,  sowie  allem  Zubehör,  wie  er  alles  von 
seinen  verstorbenen  Eltern  geerbt  hat.  Die  Braut  bringt  in  die  Ehe  4000 
Beichsthaler,  welche  innerhalb  6  Jahren  bezahlt  sein  sollen.  Die  Brtider  der 
Braut,  die  Grafen  zu  Limburg  und  Bronckhorst,  sollen  ihre  Schwester  mit 
Kleidern,  Kleinodien  und  Leibzierrathen  aussteuern,  so  dass  dieselbe  bei  ihren 
Verwandten  und  Freunden  zu  Ehren  bestehen  kann,  wie  bei  der  altem 
Schwester.  Wenn  die  Brüder  in  den  Besitz  der  Herrschaft  Burgkho'  mit 
Zubehör  gelangen,  so  sollen  sie  der  Schwester  noch  2000  Reichsthaler 
zahlen.  Hierfür  wird  das  Haus  zur  Burg  mit  Zubehör  zum  Pfand  gesetzt, 
wofür  die  Schwester  auf  alle  elterlichen  Güter  verzichtet.  Sollten  die  Brüder 
ihren  Verpflichtungen  gegen  die  Schwester  nicht  nachkommen,  so  soll  sie 
eine  unverziehene  Tochter  sein  mit  Ansprach  an  die  Güter.  Stirbt  der 
Bräutigam  vor  der  Gattin,  so  beerbt  sie  ihn  und  behält,  auch  wenn  sie  sich 
zum  zweiten  Mal  verheirathen  sollte,  die  Leibzucht  an  allen  seinen  hinter- 
lassenen  Gutem;  stirbt  dagegen  die  Gattin  zuerst,  so  behält  der  Gatte  die 
Leibzucht  an  ihrem  Vermögen*. 

Nach  dem  Tode  des  letztlebenden  TheiLs  soll  das  beiderseitige  Ver- 
mögen an  die  Seitenverwandten  fallen,  von  denen  es  herrührt.  Bei  den 
Gutshäusem  soll  alle  Munition  und  was  sonst  zur  Wehr  dienlich  und  nagel- 
fest ist,  verbleiben. 

Ausser  Braut  und  Bräutigam  besiegeln  die  Urkunde  der  wohlgeborene 
Herr  Graf  zu  Salm,  Herr  zu  Reiiferscheidt,  Dick  und  Alfter,  ihr  freundlich 
lieber  Vetter,  die  wohlgeborene  Frau  Maria,  geborene  Gräfin  zur  Hoya  und 
Brochhausen,  Gräfin  zu  Limburg  und  Bronckhorst,  Frau  zu  Stimm,  Wisch 
und  Borckeloe,  Wittwe  und  Mutter  der  Braut.  Auf  Seite  des  Bräutigams 
siegeln  die  edlen  und  wohlgeborenen  Herrn  Balthasar  von  Pallant,  Herr  zu 
Reuland,  Dietrich  und  Johann  Jakob  von  Bronckhorst  und  Battenburg, 
Gebrüder,  Freiherren  zu  Anholt,  des  Fürstenthums  Geldem  Bannerherren  zu 
Bahr  und  Lathum,  Pfandherren  zu  Bredenfort,  Wilhelm  von  Braunsberg, 
Herr  zu  Brohlburg,  Merxem  und  Alcken,  Maximilian  von  Bronckhorst  und 
Battenburg,  Freiherr  zu  Battenburg  und  Stein,  Herr  zu  Becht  und  Beren- 
drecht,  Florenz  Hartart  von  den  Botzeler,  Freiherr  zu  Ascheren  und  Langerach, 
Herr  zu  Odenkirchen,  Arnold  Adrian  von  dem  Bylandt,  Freiherr  zu  Rheidt, 
Herr  zu  Brempt,  liebe  Schwäger,  Vettern  und  Blutsverwandte.    Auf  Seite 


I)  Borkelo. 

*)  Die  in  der   Heirathsberedong  angeführten   Fftlle,   wenn  Kinder  aas  der  Ehe 
erzielt  würden,  sind  liier,  da  die  Ehe  kinderlos  blieb,  weggelassen  worden. 


Dia  Herren  von  Milcndonk  aii^  dem  Geschluirlit  der  rou  Uirlaer.       39 

der  Braut  siegeln  BchlieBslich  noch  ihre  lieben  Brüder,  die  wohlgcborenen 
Herren  JoHt  und  Johann,  Grafen  zu  Limburg  und  Bronckhorst,  Herren  zn 
Stinim,  WiBch  und  Burglho. 

Abschrift  auf  Papier  in  der  Alfterschen  Sammlung  in  der  Hofbibliothek 
sn  Dannstadt. 

22.  Johann  von  Milendonk,  bezw.  dessen  Bevollmächtigter  Pet«r  von 
Sam,  Gerichtasch  reiber  zu^eiderich,  wird  durch  Herzog  Jiihanu  Wilhelm 
aufs  Nene  belehnt.  —  1596,  November  23. 

Staatsarchiv  %n  Düsseldorf. 

23.  Revers  des  Johann  von  Grass,  Lizentiat  der  Rechte,  als  Bevoll- 
niäditigt«n  der  Gebrüder  Kraft  und  Hermann  Dictricli  von  Heilendunckb,  Herren 
m  Pronenbroich  und  Goir,  tlher  die  laut  eingereiebt«m  Lehnbriof  von  dem 
gleichen  Datum  von  Erzbischof  Ernst  von  Köln  empfangene  Belehnnng  mit 
dem  Hof  und  den  Gttt«rn  zu  Horickh,  die  vordem  die  GrUfin  Walburgis  zu 
Neuenabr  und  deren  Bruder  Graf  Hennann  innegehabt  haben.  Desgleichen 
Über  die  Belehnnng  mit  der  Gruitb  in  der  Stadt  Berckb  (Rheinberg).  —  1602, 
Harz  2S. 

Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  KnrkdluiHche  Lohnsurkunden, 

24.  Diesetben  Personen  und  derselbe  Gegenstand  wie  Nr.  2Z.  —  1602, 
April  i. 

Staatsarchiv  zn  Düsseldorf. 

25.  Herzog  Johann  Wilhelm  gestattet  dem  Hermann  Dieter  von  Milen- 
donk, auf  das  Lehngnt,  die  Plej  oder  Hermannswart  genannt,  dessen  Gebttude 
in  den  damaligen  KriegsUuften  völlig  zerstürt  wurden  und  das  auch  durch 
die  Ueberschwcmmnngen  des  Rheins  und  der  Insel  stark  beschädigt  sei,  zur 
Wiederherstellung  und  Wiederanfbesserung  desselben  3000  Reicbsthaler  auf 
acht  Jabre  anfzunebmen.  —  1605,  Februar  23. 

Klever  Lehnbnch  I5S3  3.  131  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf. 

26.  Herzog  Johann  Wilhelm  gestattet  dem  Johann  von  Mylendonk, 
welcher  mehrmals  um   Bewilligung  pro  dispositione  testamentaria  vel  inter 

zu  Meiderich  und  des  Hofs  zum 
1lgen,  jedoch  mit  der  Bedingung, 
i  bestimmen,  und  vorbehaltlich  aller 
;s  Johann,  Maria  Gräfin  zu  Stjnun, 
ember  18. 
'chiv  zu  Düsseldorf. 

borgen  Land  von  der  Pleyen  belehnt, 
zn  Goer  verpfändet  hat,  vorbehält' 
und  des  Pfandherm  zn  Ghoer.  — 


36  E.  von  Oidtman 

Die  Heirath  wird  geschlossen  zwischen  dem  wohledlen  Balthasar  Herrn  von 
Pallant,  Herrn  zn  Buiif  ond  Reuland,  ältestem  Sohn  des  Karsilius  Herrn  von 
Pallant  und  der  Odilia  von  Flodorp,  einerseits  und  der  wohledlen  Jungfrau 
Elisabeth,  geborener  Tochter  zu  Milendonk,  des  wohledlen  Dietrich  Herrn 
zu  Milendonk,  Drachenfels,  Meiderich  und  Reuland  und  der  Diederikavon  Bronek- 
hörst  und  Batenberg,  Eheleute,  gottseligen  Gedächtnisses  jtlngster  Tochter. 
Balthasar  bringt  in  die  Ehe  die  halbe  Herrschaft  Reuland  mit  allem  Zubehör, 
wie  dieselbe  seinen  Eltern  durch  den  verstorbenen  wohledlen  Balthasar  von 
Flodorp,  Herrn  zu  Leut,  eingeräumt  worden  und  wie  sie  jährlich  500  Gold- 
gulden Renten  abwirft.  Nach  dem  Tode  der  Eltern  soll  Balthasar  aus  den 
andern  elterlichen  Gütern  so  viel  zubekommen,  dass  er  im  Ganzen  1000 
Thaler  jährliche  Renten  hat,  womit  er  auf  alle  sonstigen  Güter  verzichtet, 
ausgenommen  die  Forderung  auf  die  Herrlichkeit  Alpen,  worüber  beim  Reichs- 
kammergericht ein  Prozess  schwebt. 

Elisabeth  bringt  in  die  Ehe  aus  den  väterlichen  Gütern  12000  Brabanter 
Gulden  und  aus  dem  Erbe  ihres  verstorbenen  Bruders  Dietrich,  Herrn  zu 
Milendonk  und  Drachenfels,  4000  Gulden,  deren  Zinsen  ihr  Bruder  Johann, 
Herr  zu  Milendonk,  Drachenfels,  Meiderich  und  Reuland,  ihr  mit  5^/o  zahlen 
soll,  wofür  er  die  halbe  Herrschaft  Reuland  mit  allem  Zubehör  zu  Pfand 
setzt.  Wegen  der  mütterlichen  Güter  schwebt  zu  Brtlssel  noch  ein  Prozess, 
fällt  derselbe  zu  Gunsten  des  Bruders  aus,  so  soll  er  ihr  noch  6000  Gulden 
ausserdem  zahlen,  fällt  der  Prozess  ungünstig  aus,  so  soll  EUsabeth  für  die 
Prozesskosten  mit  aufkommen.  Femer  soll  die  Braut  mit  Kleidern,  Kleinodien 
und  Zierrath,  wie  ihrem  Stand  wohl  ansteht,  ausgesteuert  werden,  nämlich  mit 
2000  Thalern,  wogegen  sie  auf  die  väterlichen  und  mütterlichen  Güter  und 
sonstiges  Erbe  verzichtet.  Stirbt  der  Bruder  Johann  von  Milendonk  ohne 
Erben  und  Testament  vor  seinen  drei  Schwestern,  so  soll  zuerst  Gertrud 
Frau  zu  Anholt  als  älteste  Tochter  den  Vorzug  an  der  Erbschaft  haben. 
Der  Ueberlebende  der  zukünftigen  Ehegatten  behält  die  Leibzucht  an  den 
Gütern.  Bei  Streitigkeiten  mit  den  Kindern  soll  er  nur  verpflichtet  sein,  diesen 
die  Güter  des  verstorbenen  TheiLs,  mit  Abzug  einer  jährlichen  Rente  von 
200  Thalem  aus  denselben  für  ihn,  abzutreten. 

Zeugen:  Karsilius  Herr  von  Pallant,  Herr  zu  Ruiff  und  Reuland,  seine 
Gattin  Odilia,  Tochter  von  Flodorp  zu  Leut,  Rickalt,  Well  und  Morstorff, 
Christoph  von  Wylich,.  Herr  zu  Craunstein,  Lottum,  Gribbenvorst,  Drost 
in  der  Hetter,  Johann  von  Pallant,  Herr  zu  Gladbach,  und  Christoph  von 
Pallant,  Sohn  zu  Breidenbent,  einerseits,  Johann,  Herr  zu  Milendonk, 
Drachenfels,  Meyderich  und  Reuland,  und  Kraft  von  Wylich,  Sohn  zu  Diers- 
fort,  andererseits. 

Notarielle  Abschrift  in  der  Alfterschen  Sammlung  in  der  Hofbibliothek 
SU  Darmstadt,  Bd.  X. 

Auszug  aus  dem  Testament  der  Gräfin  Walburga  von  Neuenahr. 
,  Oktober  31. 


Die  Herren  von  Milendonk  mos  dem  Geschlecht  der  vtm  MirUer.       41 

Wi  Godhart  freiberr  zu  Milendimk  thnn  kund,  das  der  ehrcnyester 
Gerhard  Grans  nS  onser  instendich  gesinnen  nnd  begehren  nns  Torschossen 
nnd  in  bahrem  gelde  aasgelacht  hat  die  somme  Ton  sesshondert  reich  sthaler 
behalven  die  5360  reichsthaler  nnd  also  unsere  gelegentheit  gegenwirtig  nicht 
erleiden  kan,  ihm  diese  pfennige  wieder  zn  erlagen,  geloben  daerran  gebner- 
liehe  Interesse  zn  geben  nach  adTenant  funf  nnd  ein  halben  vom  hondert, 
macht  jairlichs  33  reichsthaler.  Zur  Sicherheit  werden  alle  Güter  lum  Pfand 
gesetzt.  Gegeben  zu  haus  Fronenbroch,  den  letzten  december,  anno  1638. 
Unterzeichnet:  G.  her  zo  Milendonck,  Hans  Wolfart  von  Milendonck,  Maxi- 
milian de  Milendonck. 

Urkunde  im  Besitz  des  Herrn  Kaplan  Henrichs  zu  Nieukerk. 

83.  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  Ton  Brandenburg  erneuert  Adolf  Frei- 
herm  zu  Milendonk  die  bereits  am  23.  Juni  1635  durch  Graf  Adam  von 
Schwartzcnberg  als  Pfandherm  des  Amtes  Hnyssen  geschehene  Belehnung  mit 
der  Pley  und  gestattet  diesem  zugleich  unter  dem  9.  September,  3000  Reichs- 
thaler auf  das  Lehn  aufzunehmen.  —  1654,  September  8. 

Staatsarchiv  zn  Düsseldorf. 

34.  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  belehnt  nach  dem  Tode  Adolfs  von 
Mylendonk  dessen  Bruder,  den  Freiherm  Hans  Kracht  von  Mylendonk,  und 
gestattet  ihm  unter  dem  16.  November  desselben  Jahres,  400  Reichsthaler 
auf  das  Lehn  aufzunehmen.  —  1657,  September  10. 

Ebendaselbst. 

35.  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  belehnt  auch  die  Schwestern  des  Frei- 
herm Hans  Kracht  von  Milendonk,  Anna  Maria  und  Agnes  von  Milendonk, 
mit  der  Pleye  und  gestattet  ihnen,  800  Reichsthaler  darauf  aufzunehmen.  — 
1658,  Januar  4.  (Mit  Bewilligung  des  LandeHbcrm  nehmen  Hans  Kracht 
und  dessen  Schwestern  auf  das  Lehn,  die  Pley  genannt,  weiter  auf  2600  Reichs- 
thaler am  11.  April  1658,  500  holL  Gulden  am  5.  April  1659,  6000  Gulden 
am  16.  Oktober  1659,  6000  Gulden  am  19.  Januar  1660,  6000  Gulden  am 
1.  April  1662.) 

Ebendaselbst 

36.  Karl  Dietrich  Otto  Fürst  zu  Salm  wird  mit  Meiderich  belehnt.  — 
1663,  November  9. 

Ebendaselbst. 

37.  Die  Schwestern  Anna  Maria  und  Agnes  von  Milendonk  schliessen 
mit  den  Erben  Adrians  von  Riemsdick  wegen  einer  von  ihrem  Vater  Hermann 
Dietrich  von  Mylendonk  herrührenden  Schuld  von  40000  Gulden  einen  Ver- 
gleich, wodurch  die  genannten  Erben  mit  landesherriichcr  Bewüligung  vom 
30.  Juli  auf  Va  der  Schuld  die  Einweisung  in  das  Lehn  die  Pleye  erhalten, 
wogegen  Hans  Kracht  mit  seinem  '/s  jedoch  protestirt.  —  1663.  (Hans  Kracht 
nimmt  dann  1669  noch  weitere  Kapitalien  auf  das  Lehn  auf.) 

Ebendaselbst. 


42  E.  von  Oidtman 

38.  Amandas  Freiherr  von  Milendonk  gibt  aus  Dankbarkeit  gegen  seinen 
lieben  Herrn  Ohm  selig  und  seinen  Vetter,  Freiherren  von  Milendonk  zu  Fronen- 
bruch und  Hörstgen,  wegen  viel  und  mannigfaltig  empfangener  und  genossener 
grosser  Gut-  und  Wohlthaten  die  halbe  Herrschaft  und  Herrlichkeit  Warden 
nebst  den  Zehnten  und  Ländoreien  zu  Niedermertz  und  dem  Zehnten  zu 
Niederzier  mit  allem  Zubehör  seinem  lieben  Vetter  Maximilian  Freiherrn  von 
Milendonk,  Herrn  zu  Fronenbruch  und  Hörstgen,  zu  seinem  Eigenthum.  Zeugen 
waren:  N.  v.  Ehede,  Ritter,  Herr  zum  Laugeuhorst,  Komthur  vom  Rhein 
und  Isselstrom,  Johann  Heinrich  Droste,  Herr  zur  Stegen,  Dr.  Hanekroth  und 
Heinrich  Marcoer.  —  Haus  Fronenbruch  1669,  Juli  1. 

Aus  den  Prozessakten  Milendonk  gegen  Blanche  Nr.  2890  im  Staats- 
archiv zu  Wetzlar. 

39.  Die  Schöffen  des  Gerichts  der  Freiherrschaft  Hörstgen  bescheinigen, 
dass  sie  ihr  Herr  Maximilian  Freiherr  von  Milendonk,  Herr  zu  Fronenbruch 
und  Hörstgen,  ersucht  habe  auszusagen,  welche  Gut-  und  Wohlthaten  sein 
Herr  Vetter,  Amand  Freiherr  von  Milendonk,  Herr  zu  Schön  au.  Hüls  und 
Warden,  wie  auch  seine  Mutter  und  Schwester  nach  dem  Tode  des  Freiherm 
Balthasar  von  Milendonk  zu  Schönau,  Hüls  und  Warden  jederzeit  auf  dem 
Hause  Fronenbruch  genossen  hätten.  Freiherr  Adolf  von  Milendonk,  Herr 
zu  Goer,  Kammerpräsident  zu  Speyer,  habe  1629  die  Wittwe  des  Balthasar 
von  Milendonk  mit  ihren  Töchtern  von  dem  Hause  Schönau  vertrieben  und 
dieselben  hätten  lange  Zeit  auf  dem  Hause  Fronenbruch  Unterhalt  und 
Zuflucht  gefunden.  Amandas  habe  ungefähr  40  Jahre  seinen  Unterhalt  in 
Fronenbruch  genossen.  Wenn  der  Vetter  Herr  Amandus  sich  habe  „vertreten 
und  lustig  machen  wollen",  so  habe  Maximilian  für  ihn  bei  den  Wirthen  zum 
Hörstgen  gut  gesagt.  Die  Schöffen  bestreiten,  dass  Maximilian  irgend  ein- 
mal den  Amandus  habe  verhindern  wollen,  den  Besitz  der  Fronenbruch-Hörst- 
genschen  Güter  anzutreten. 

Unterschrieben  vom  Gcrichtsschreiber  Tilmann  Hermans.  —  Hörstgen 
1674,  März  26. 
Ebendaselbst. 

40.  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  belehnt  nach  Hans  Krachts  Tode  auf 
Bitten  dessen  Wittwe  Maria  Doublet  und  deren  noch  minderjährigen  Sohnes 
Gottfried  Kracht  Freiherrn  von  Mylendonk  mit  dem  genannten  Lehn.  — 
1682,  Februar  3. 

Staatsarchiv  zu  Düsseldorf. 

41.  Kurfürst  Friedrich  III.  wiederholt  die  Belehnung  für  Mutter  und 
Sohn,  welcher  noch  minderjährig  ist.  —  1692,  Juni  2. 

Ebendaselbst. 

42.  Heirathsberedung  zwischen  Gotthard  Kraft  Freiherrn  von  Milen- 
donk, Herrn  zu  Pley,  und  Margaretha  Elisabeth  Freifräulein  von  Milendonk 


Die  Herren  von  Milendonk  aas  dem  Geschlecht  der  von  Mirlaer.       43 

zu  Fronenbruch,  Schönau  und  Hörstgen,  Fräulein  zu  Hüls  und  Warden.  Clau- 
sula concemeus.  Dafeme  sechstens  der  ganz  unverhofft  zufall  sich  begeben 
würde,  dass  diese  ehe  unfruchtbar  were,  oder  sonsten  die  erweckende  kinder 
zu  sterben  kommen  sollten,  auf  den  fall  thut  die  fräulein  braut  vermöge 
erlangter  oktroy  aufgerichteten  testament,  so  hiermit  confirmirt  wird,  oder 
wie  solches  sonst  am  besten  kraft  dem  oktroy  geschehen  kann,  alle  obgemclten 
frei-  und  herrschaften,  aktionen  und  guter  hiermit  dem  horm  bräutigam 
schenken,  auftragen  und  zu  dessen  völliger  disposition  stellen.  Zeugen 
waren:  A.  Fetmenger,  Gerhard  Hermans,  Balthasar  Hermans  und  auf  Seite 
der  Braut:  A.  Loers  und  Hermann  Marthens.  —  Hörstgen  1695,  März  2. 

Aus  den  Prozessakten  Milendonk  gegen  Blanche  Nr.  2890  im  Staats- 
archiv zu  Wetzlar. 

43.  König  Friedrich  Wilhelm  I.  bevollmächtigt  den  Dr.  Mathias  Knops 
als  Kurator  in  dem  Prozess  der  Mylcndonkschen  Gläubiger,  das  Lehngut  Pley 
zu  verkaufen,  welches  darauf  an  die  Grafen  von  Hoensbroeck  gelangt.  — 
1715,  September  28. 

Staatsarchiv  zu  Düsseldorf . 


II.  Urkunden. 


1.     Th^iluDg  der  Brüder  Johann,  Dietrich  und  Heinrich  von 

Milendonk  ^  —  1514,  Januar  28. 

Dis  is  ein  besiegelte  uispraich  tuschen  den  drei  gebruederen  van  Milen- 
donck,  oevermitz  raede  des  fuerstendoms  von  Guilge  zu  Ouilge  gescheit  ist. 

As  missel  gethain  ind  gebrechen  sich  halden  zuischen  den  gebruederen 
van  Milendonck,  nemblich  Johan,  Dederich  und  Hinrich,  von  wegen  der  deilongen 
des  haus,  herlicheit  und  guedere  zu  Milendonck,  ires  vederlichen  und  moder- 
lichen guets,  soe  dat  sie  umb  der  entscheidongen  wiUe  niet  broederlich  dan 
vast  onguetlich,  frevelich  und  unfreundlich  sich  onder  malckanderen  dae  ino 
vorgenomen,  nae  irem  eigenen  seinen  und  willen  etlicher  maissen  gar  unge- 
schickelich  gehalten,  weit  und  schwoirlich  darinnen  verlaufifen  und  dat  seif 
eine  zeit  bis  ainher  beheet.  Doch  nae  vil  und  mancherlei  onerferungen  haut 
die  vurschreven  drei  gebruedere  ire  sammen  stoiss  und  gebrechen  mit  irs  selfs 
beden  und  begeren  mondlich  und  schriftlich  aiu  den  durchleuchtig  hochgeboren 
fuersten  und  herren,  herren  Johan,  alsten  soeu  zu  Cleve,  herzogen  zu  Guilgo, 
zu  den  Berge,  graven  zo  der  Marck,  zo  Ravensberg  ind  zo  Katzenellenbogen, 
bracht  imd  gelangen  laissen,  der  vurschreven  seiner  genaden  reden  des  lantz 
von  Guilge  hernae  benent  daironune  in  seiner  genaden  stat  Guilge  geschickt 
und  verordnet  halt,  umb  dae  inne  in  der  guetlicheit  oder  mit  recht  zo  handelen. 


*)  Diese  Urkunde  enthält  ein  sehr  interessantes  Zciig^niss  über  das  bei  Tlieilungon 
in  den  Familien  der  Jlilichschen  Bitte rschafb  beobachtete  Gewohnheitsrecht. 


44  E.  von  Oidtman 

daromme  wir  mit  vilflissicher  moehe  und  arbeit  versoicht  und  understanden, 
die  genante  gebruedere  der  deilongen  in  der  freundschaft  zu  entscheideSf  hat 
niet  stat  moegen  hain,  dan  die  genannte  gebruedere  haint  dae  inne  behent 
gebeden  und  begert  mit  recht  von  uns  dairoever  zu  erkennen  nae  gewoiuheit 
des  fuerstendombs  Ton  Guilge.  Demnae  han  wir  mit  gueden  reifen  rade  mit 
fleiss  und  arbeit  uns  bedacht  und  erfemiss  gedain  ind  en  yrieden  nit  dat 
suicher  geferlicher  und  onfreundlich  deilongen  znschen  gebruederen  Ton  ritter- 
Schäften  des  fuerstenthombs  van  Guilge  iet  vil  zudon  gewest  sei.  Aver  wir 
befinden  sulche  aide  guede  herkommen,  oevung  ind  gebruchung  des  fuersten- 
thombs von  Guilge  under  der  ritterschaft,  so  dat  der  eiste  soen  hauis  und 
herlicheit  des  ainsedels  binnen  sinen  graven  oder  zeunen,  mit  den  gerichten, 
herlicheiden  ind  gerechtigeiden,  dae  die  also  gelegen  sein,  zuvorentz  uiss- 
haven  und  behalden  sali,  wilch  guet  alt  herkommen  soe  lange  in  gueder 
oevongen  ind  gebruichonge  gehalten  is,  dat  sulchs  vur  recht  gchalden  wird, 
in  Sonderheit  angesehen,  dass  lehenguedere  nit  beswert  noch  verdeilt  sullen 
''werden  bnissen  wist  ind  willen  des  lehenherm.  Dem  alles  nae  und  so  die 
vurgenante  gebrueder  uns  rede  hemae  benent  gebeden  und  an  uns  begert 
hain,  dairoever  mit  recht  zu  erkennen  in  maissen  vurschreven,  so  sprechen 
wir  verordnete  rede  nae  befindongeu,  oevongen,  alden  herkommen  und 
gebruichonge  des  fuerstendomps  von  Guilge  vur  recht,  dat  Johan  van 
Milendonck  als  der  alste  soen  dat  sloss  zu  Milendonck  binnen  seinen  graven 
und  ederzeunen  zovorrentz  uisshaven  und  behalten  sali  mit  der  hoicheit, 
diensten,  geboiden  und  verboiden,  mit  den  gerichten  hoch  ind  neder.  Sulches 
allit  en  sali  Johan  in  siner  forderdeilongen  niet  afslach  gerechent  werden, 
dan  wat  forder  dan  vurschreven  van  erftzalen,  renten  ind  gereiden  guederen 
aldae  in  der  herlicheit  oder  anderswae  dairzu  gehoerich  ist,  sullen  die  drei 
gebroeder  van  Milendonck  vurgenant  zo  gelicher  deilonge  stain  und  sullen 
dairzu  ire  freunde  keisen,  umb  die  vurgenante  gueder  in  drei  gliche  deil 
soe  vill  moeglich  zo  vergleichen,  doch  sollen  alsdan  die  gekoren  freunde 
Johan  vurschreven  dat  deil  dem  hauise,  dat  gelegcns  is,  vur  sein  gedeils 
zofoigen.  Ouch  is  mit  gesprochen,  dat  wilcher  broeder,  der  in  die  herlicheit 
wie  vurschreven  gedeilt  wirdet,  off  der  zu  seiner  onbezalnng  des  boeden 
bedorfte,  umb  seine  gulde  ind  rente  uszopenden,  sali  des  beiden  ain  dem 
vaide  oder  scholtis  daeselfs  gesinnen  und  sali  eme  nit  geweigert  werden, 
alles  beheltlich  der  herlicheit  in  irer  hoheit,  geboide,  verboide  und  gerechtigeit 
zo  bliven.  Ind  sein  dieser  spruchen  drei  gemacht  gelich  landen,  der  jeder 
vurschreven  broder  eine  ontfangen  hait  Dis  alles  zu  ewiger  erflicher  vesticheit 
also  wie  vurschreven  gehalten  zo  werden,  so  han  wir  Daim  van  Harve,  land- 
drust,  Dederich  von  Boirtscheidt,  erfhofmeister  des  lands  von  Guilge,  Raebet 
von  Plettenberg,  hauishofmeister  ind  ambtman  zu  Berchem,  Wilhelm  von 
Gertzen,  her  zo  Sinssich,  ambtman  zo  Monstereiffel  ind  zo  Euiskirchen, 
Carsillis  von  Pallandt,  her  zo  Breidenbendt  ind  ambtman  zo  Bösseler,  Wemher 
von  Pallandt,  ambtman  zo  Wassenberg,  Johan  von  Pallandt,  her  zo  Wilden- 
berg,  zo  Berghe,   zo  Vrechen   ind   zo  Bachern,   amptman  zo   Willemstein, 


Die  Herren  von  MHendonk  aus  dem  Geschlecht  der  von  MirUor        «> 

Herman  von  Hochsteden,  ambtmaii  zo  des  Greven  Brooh,  as  re<lo  do>  Uihl^ 
Ton  Gnilge  Ton  onsen  genedigen  liefsten  herm  herzog  zo  Guilgti»,  »o  do« 
Berge  ynrgen&nt  zo  diesen  Torgenanten  sprach  verordnet,  ingeclich  vim  «n> 
seinen  insiegel  ain  diesen  vnrschreven  rechtspruch  und  brief  gt^han^^^n,  dor 
gemacht  ind  gegeven  is  zu  Guiiich  in  dem  jair  ons  herrn  as  man  «\'hri'U' 
nae  der  gebort  Christi  nnsers  herren  dnisent  vonfhondert  ind  vierz^ben,  uf 
den  irsten  aaeterdag  nae  sanct  Paawels  dag  converaio. 

Abechrift  auf  Papier  ans   dem   16.  Jahrhundert   im   froiherrlicb   vxm 
Harffschen  Archiv  zu  Dreibom. 


2.    Dietrich,   Herr  zu  Milendonk,  bezeugt  die  VeiH>rlmnflr  ilor 
Herrlichkeit  Opey  von  seinen  Vorfahren  auf  Johann  Hunlt  von 

Schöneck.  —  1543,  November  6. 

Ich  Dietherich,  here  za  Milendonck,  zn  Drachenfels  und  zu  Mcidoricb, 
drost  zu  Montfort,  doen  knnt  aUen  und  jecklichen  richtem  und  geriohten« 
den  dis  offen  placat  furbracht  wird,  euch  sehen  ofte  hoeren  lesen,  hiemit  als 
für  ein  gezuich  der  warheit  bekennende,  mir  wissich  und  kundich  sein,  das 
weilant  meine  werdige  lieve  anchere  der  gestrenge  ernveste  und  frome  her 
Johan  van  Mirlar,  here  zu  Milendunck,  ritter,  mit  weilant  der  dugenhaftiger 
und  firommen  franen  Coenen  van  Birgel,  ehelig  und  naturlicher  dochter  des 
gestrengen  emvesten  und  fromen  heren  Engelbrechts  Nydt  van  Birgel,  ritters, 
erbmarschalks  des  fnrstenthumbs  Gülch,  zu  ehe  gcgrieffen  hat,  der  aller 
seien  gott  benade,  und  staender  und  werender  ehe  haven  itzt  angezeigte 
ehelude  die  herlicheit  Ope  mit  allem  seine  in  und  zubehoer  besessen  und 
gebraucht  und  sogemelte  fraue  Coene  vnrschreven  den  vnrschreven  minen 
ancheren  mit  dot  verfaUeu,  und  zwei  ehelige  kinder  nach  sich  verlassen,  die 
euch  mit  dode  verfallen,  hat  folgen ts  gedachter  meine  anchere  zur  zweiter 
ehe  mit  weilant  der  doegenhaftiger  und  f romer  frauen  Belien  Steck,  frauon 
zu  Milendunck,  gegrieffen  und  bis  in  seinen  sterftag  die  vurgenante  herlicheit 
Ope  mit  allem  seinem  in  und  zubehoer  vestlichen  und  friedlich  besessen, 
genutzt  und  gebraucht.  Nae  wilches  vilgemelten  meines  anchem  doetlich 
affgank  ist  gedachte  fraue  Belle  Steck,  meine  anchfranwe,  in  wedoms  statt 
verbleven  und  hat  weilant  der  ernveste  und  frome  Johan  Hurdt  von  SchOneck 
als  man  und  mombir  der  dugenthaftiger  und  fromer  Johanne  van  Birgelen, 
seiner  ehelig  hausfrauen,  der  vnrschreven  fraue  Coene,  eheliger  und  natürlicher 
suster,  die  vur  angezeigte  herlicheit  Ope  mit  aUen  seinen  in  und  zubehoer 
an  sich  geschlagen  und  genomen.  Urkund  der  warheit  meins  innigen  ange- 
boren siegeis  herunden  getruckt  am  dienstach  nae  sent  Hnperts  tag  des 
heiligen  bischoffs,  anno  drei  und  vierzig. 

NotarieU  beglaubigte  Abschrift  in  der  Alftcrschen  Sammlung  in  der 
Hofbibliothek  zu  Darmstadt,  Bd.  XXXIV. 


46  E.  von  Oidtman 

3.  Kabinetssclireiben  Friedrich  des  Grossen  an  den  Fürstbischof 

von  Lüttich  in  Sachen  der  Herren  von  dem  Knesebeck  wegen 

der  Grafschaft  Hom.  —  Berlin,  1755,  November  22. 

Von  gottes  gnaden  Friderich,  könig  in  Preußen,  marggraf  zu  Branden- 
burg, des  heil,  römischen  reichs  ertz-kämmerer  und  churfürst  u.  s.  w.  unsere 
freundschaft  und  was  wir  sonst  mehr  liebes  und  gutes  vermögen  zuvor. 

Hochwürdigster,  durchlauchtiger  fttrst,  freundlich  lieber  vetter. 

Daß  wir  an  ew.  liebden  gegenwärtiges  schreiben  zu  erlaßen  uns  die 
ehre  geben,  darzu  veranlaßet  uns  die  von  unserem  kammerherm  Karl  Ludwig 
von  dem  Knesebeck  vor  sich  und  namens  seines  vettern  Wilhelm  Friedrich 
Leopold  von  dem  Knesebeck  bei  uns  übergebene  unterthänigste  vorsteUung 
und  bitte,  um  ihm  unsere  assistenz  und  vorwart  dahin  angedeihen  zu  laßen, 
damit  er  wegen  seines  gerechten  anspruches  auf  die  succession  in  die  von 
dem  hochstift  Lüttich  bishero  detinirte  freie  reichsgrafschaft  Hoom,  womög- 
lich ohne  processuirliche  Weiterung  zur  satisfaction  gelangen,  oder  doch  des- 
halb eine  gütliche  auskunft  befördert  werden  möge.  Ew.  liebden  woUen  wir 
mit  weltläifiger  anführung  der  vor  den  p.  von  Knesebeck  streitenden  rechts- 
gründe dermalen  nicht  beschwerlich  fallen,  sondern  nur  dieselbe  ersuchen, 
sich  aus  dem  hiemeben  gefügten  impresso  gelegentlich  vortragen  zu  lassen, 
welchenfalls  wir  uns  von  ew.  liebden  erleuchteten  einsieht  und  belobten  lustiz- 
eifer  gewiß  versprechen,  dieselben  geruhen  werden,  die  gerechtsame  des  p. 
von  Knesebeck  und  seiner  mitinteressenten  nicht  allein  anzuerkennen,  sondern 
auch  die  billigkeit  einzusehen,  dieselbe  in  vorenthaltung  des  ihrem  Stamm- 
vater vorlängst  gebührten  und  auf  sie  transmittirten  successionsrechtes  nicht 
länger  zu  kränken,  vielmehr  die  Verfügung  überaU  dahin  ergehen  zu  laßen 
belieben,  damit  den  supplicanten  das  altväterliche  fideicommissum  der  graf- 
Schaft  Hoom  wiederum  eingeränmet  oder  ihm  doch  deshalb  solche  annehm- 
liche Vergleichs-vorschläge  gethan  werden  mögen,  wodurch  er  und  seine  mit- 
interessenten billig  mäßig  indemnisiret  und  weitläufigen  proceßhändel  ver- 
mieden werden  können.  Ew.  liebden  ersuchen  wir  um  eine  solche  beliebige 
einleitung  der  sache  angelegentlich  und  werden  uns  dagegen  ein  besonders 
vergnügen  sein  laßen,  deroselben  in  solchen  und  anderen  vorfäUen  thätig  zu 
zeigen,  wie  sehr  wir  ew.  liebden  zu  erweisung  angenehmer  freundvetterlicher 
gefälligkeiten  stets  geflißen  beharren. 

Berlin  den  22^  november  1755. 

Ew.  liebden 

An  den  herm  freundwilliger  vetter 

bischof  von  Lüttich.  F. 

Originalschreiben  im  Archiv  Karwe.         (gegengez.)  Podewils,  Finckenstein. 


r>ie  Herren  tob  MileDdonk  aus  dem  ffe^(bl*'*'bt  cL-r  von  VliUA^j        41 


EDL  GesdüehÜidie  Uebersk^t  aber  dk  Herrlidbk*^H 

Fronenbrneh-Hörst^eiL 

Frcmenlmich  war  ein  Lelin  d«r  <^Traf«D  toü  iit-M^-ru.   hu  J    ]'Mt4  »-ui^tUti^, 
es  Johann  von  Sünden  Tom   Grafen  Beinuld  von  f^»;i(i»'nj  ' .    ini^t  iM  .hth^inu 
von  Wachtendonk  Besitzer,  er  must^te  löDW  mit  M-iuem  NVfiiTti  vou  Vf«/u»*u 
broeke  ,6  Gewappnete"  zum  Landiri^deuHbund  »rt^jik-ii*;    J4lfc  »aiu-.h  Hui^i^t 
von  Vlodorp   und   seine   Gattin  Elinabetb  v<iu  Wa^bu-ndoük  *^iii<    Kitp**Jii   /,u 
FronenbmclL    Butlers  Schwetrt^T  Aümet»  wurde  Guttui  Joimuui-  h>*'b«i)Ur<  %</ij 
Obbeadorf^  geldriseben  Hofmeixterfe.     Ilir  Tucbi»'ritiunu    V\  iliji^iiu    m/u   tn^if 
nennt  sidi  Herr  zn  Fronenbrncb.   N^-in  S<ibu  Wi)h<'lui  tfuj:i  am  ♦*    N«/v**MiU# 
1460  Vroonbroek  dem  Herzog  AduH  vuu  Geld*  rn  £u  L^btJ  auf,  dituiii  <i»^U'i 
hin  Dirk  von  Bronckhorflt,  sein  Stiiwiegerbolm,  d^mH  U^i^^btit  ^tnU^t'  ^mm " 
Letzter»  ne&nt  sich  dann  in  der  Folge  Herr  zu  »uueubfucb     Un  h'timiAtw 
des  1460  belelinten  Wilhelm  von  Goer,  EÜsabetb,  beiralbt^«  d'-ij  liiiu-.r  Jwb*iiiü 
von  Montfort.     Ihre   Tochter  brachte   Goer  nud   »ou<juiiru»;b  au  d^u  Jiui^ 
grafen  Gotthard  von  Drachenfels.   iHirch  die  ErbtochU^r  i>rti4iUi',uinir  Ki^UoKU 
Fronenbroeh   sodann   an   die  Herren  von  Milendonk.     l'eU^r  di«;  Kiy;t'Mt'.iiu.U 
Fronenbmcfas  als  geldrische«  Lehn   enthält  eine  (Jitation   bei  ynt/Athi-akUu* 
vom  J.  1637  folgende  Passus:  Gotthard  Freiherr  zn  JtfilenduD^'k  uud  di-itiH'ü 
Vorehem  die  von  Milendonck  haben  das  Haus  Froenenbrufb  «ambt  d^uj  Dorf 
Hörstgen    mit    allem    Zubehör,    Markt,    Marktrechten,    NulzuugHu,    ÜMutf.ü, 
Gefällen,  Schätzungen,  Civil-  und  Kriminal-Jurisdiktion,  aller  Obcrberrliobkitit 
und  Gerechtigkeit,  viel  iSnger  denn  Menschen  Gedenken  erreicbcu  ma^,    vou 
dem  Herzogthum  Geldern  zu  Lehn  getragen.  Ein  Berieht  vom  J.  llbH  txU'r 
Hörstgcn-Fronenbruch ^   führt  an,    dass  das  Schloss  Froneubrucb    mit    vur 
Thürmen,  Wassergräben  und  Brücken  versehen  sei  und  dazu  alis  herrbibufi 
liehes  Land  10  Morgen  Garten,   100  Morgen  Ackerland,  50  M.ort<«^u  h^'Muh 
und  eine  Hutung  gehörten. 

Die  Herrlichkeit  Hörstgen,  aus  einem  Kirchdorf  mit  einigen  uiüUi'.g**udi'ü 
Höfen  bestehend •,  nmfasste  im  J.  1794  mit  Fronenbrueh  zu*aiuiM**jü  tjmu 
Bezirk  von  1636  Morgen  mit  404  Einwohnern  ^  Das  Dorf  Ja*?  JO  UmuU^« 
von  Schloss  Fronenbruch,  wo  der  Besitzer  der  Herrlichkeit  wohui*-,  tuUt^t^i  *, 


«)  Bedinghovensche  Sammlung  X,  S.  lia  Da«  L«l»n  wm"4  xu  4m  i'rk^n^^t 
„Barg  Yronenbroeck"  gexuumt 

«)  NijUoff,  GJedenkwaardigheden  11,  no.  Ö9. 

s)  Ebenda  IV,  Regest  854. 

*)  Staatsarchiv  «u  Wetalar,  M.  Nr.  2882. 

»)  Bericht  de«  Hofraths  Göbel  eu  Rheinberg,  angeführt  in  PWk  •  !!//»/*<«•'  hrif»  ttt, 
8.  487,  wo  sich  noch  sonstige  interessante  Nachrichten  üb«-  VtmmtSfruth  «»4  #rJri« 
im  J.  1790  stattgehabte  Taxation  der  Herrlichkeit  findet. 

«)  Vgl.  Annalen  des  bist.  Vereins  f.  d.  Niederrhein  XXXJX,  B,  », 

7)  von  Mülmann,  Statistik  des  Reg.-Bez.  Düsseldorf  I,  8.  dtft-^. 

■)  Picks  Monatsschrift  IH,  S.  4X7. 


48  E.  von  Oidtman 

Letzterer  beanspruchte  für  die  Herrlichkeit  die  Reichsoninittelbarkeit ',  was 
ihn  aber  nicht  abhielt,  seine  Besitzung  als  Lehn  der  Grafschaft  Moers  sowohl 
Ton  den  Prinzen  von  Oranien  als  yon  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  zu 
empfangen. 

Wahrscheinlich  hat  sich  der  Anspruch  auf  Reichsfreiheit  aus  einer  Laeten- 
oder  Enrmoeden-Gerichtsbarkeit,  welche  den  Besitzern  Fronenbruchs  im  Dorf 
Hörstgen  zustand,  entwickelt.  Thatsächlich  gehörte  die  Herrlichkeit  Hörstgen 
zum  Fürstenthum  Moers  und  in  der  Eigenschaft  als  adliges  Lehngut  mit 
eigener  Gerichtbarkeit  und  sonstigen  Prärogativen '  also  im  18.  Jahrhundert 
zum  Königreich  Preussen.  Mit  Kurköln,  welches  eine  Eeichsunmittelbarkeit 
der  Herrlichkeit  bestritt  und  behauptete,  das  Kirchdorf  Hörstgen  habe  früher- 
hin  zum  Amt  Kheinberg  gehört',  waren  die  Besitzer  yon  Hörstgen  in  fort- 
währende Streitigkeiten  verwickelt.  Prozesse  darüber  schwebten  noch  beim 
Reichskammergericht,  als  dasselbe  aufgehoben  wurde  ^. 

Das  Kirchspiel  Hörstgen  hatte  schon  vor  dem  Jahre  1624  ein  eigenes 
reformirtes  Konsistorium  und  der  reformirte  Pfarrer  nahm  mit  Dispens  und 
Konsens  „des  gnädigen  Landesherrn^  Trauungen  solcher  heirathslustigen 
Personen  vor,  welchen  das  Gesetz  anderwärts  unübersteigliche  Schwierig- 
keiten in  den  Weg  legte  ^  Die  Einkünfte,  welche  hierdurch  „der  Landes- 
herr von  Hörstgen**  bezog,  sollen  sich  in  einzelnen  Jahren  bis  zu  200  Thaler 
belaufen  haben. 


Nachtrag. 

Ein  Brief  Johanns  von  Mirlaer,  Herrn  zu  Milendonk,  an  Ritter  Kuno 
von  dem  Eichhorn  zu  Aachen  gerichtet,  findet  sich  in  Quix,  Geschichte  der 
St.  Peter-Pfarrkirche  S.  32.  Der  Brief  ist  nicht  datirt,  da  Kuno  von  dem 
Eichhorn  im  Jahre  1487  starb  (vgl.  Loersch  in  den  Annalen  des  bist.  Vereins 
f.  d.  Niederrhein  XXI.  XXII,  S.  252),  so  wird  der  Verfasser  des  Briefes 
derjenige  Johann  von  Milendonk  sein,  welcher  Schwiegersohn  Heinrichs 
Schei£fart  von  Merode-Hemmersbach  war  (vgl.  oben  S.  15).  Johann  scheint 
Forderungen  an  die  Stadt  Aachen  gehabt  und  deshalb  wiederholt  einen  Ver- 
gleich vorgeschlagen  zu  haben.    Da  die  Stadt  ihm  aber,  nach  dem  Schreiben 


*)  Die  Prozessakten  im  Staatsarchiv  zu  Wetzlar  enthalten  ein  Original-Mandat  des 
Kaisers  Leopold  vom  J.  1700,  worin  gesagt  wird,  dass  Kläger  (Gotthard  von  Milendonk) 
sowohl  wegen  seiner  Person,  als  auch  der  Herrlichkeit  Hörstgen  dem  heiL  ri^misohen 
Beich  unmittelbar  unterworfen  sei,  also  vor  keinem  Gericht  angeklagt  werden  könne, 
noch  davor  zu  erscheinen  brauche. 

*)  Prozessakten  im  Staatsarohiv  zn  Wetzlar,  Milendonk  Nr.  2882.  Die  Prärogative 
scheinen  in  der  Ausdehnung  thatsächlich  bestanden  zu  haben,  wie  sie  die  oben  erwähnte 
Citation  vom  J.  1687  anftlhrt. 

s)  Annalen  des  bist.  Vereins  f.  d.  Niederrhein  XXXTX,  S.  20. 

*)  Hauptsächlich  wegen  Gerichtsbarkeit  und  Jagdgerechtsamen.  Vgl.  Annalen 
XXXIX,  S.  29.  Die  Verbrennung  des  von  dem  Herrn  von  Milendonk  aufgerichteten 
Galgens  (Halsgericht)  wird  auch  in  den  Prozessakten. als  im  J.  1688  vorgefallen  erwähnt. 

*)  Eine  Anzahl  solcher  Trauungen  sind  angeführt  in  P  i  e  k  s  Monatsschrift  II,  S.  487. 


Die  Herren  von  Milendonk  ans  dem  Geschlecht  der  Ton  Mirlaer.       49 

zn  nrtheileiL,  üherhanpt  nicht  antwortete,  so  gah  Johann  Ton  Mirlaer  dem 
Knno  Ton  dem  Eichhorn  kond,  dass  er,  falls  jene  seinetwe^n  in  Anspruch 
genommen  wfirde,  dieserfaalb  unangefochten  (onbededynk)  bleiben  wolle.  Ein 
weiteres  Zengniss  über  diese  Angelegenheit  ist  bisher  nicht  bekannt  geworden. 
Als  1367  Werner  Herr  tu  Tombarg  und  seine  Söhne  Konrad  und  Friedrich 
sich  mit  den  Verbflndeten  des  Landfriedens  zwischen  Maas  und  Rhein  wegen 
▼erschiedener  Entschädigungen,  welche  sie  gefordert  hatten,  Terglichen,  wurde 
Q.  A.  auch  bestimmt,  dass  Jakob  ron  Mirlaer  (s.  oben  S.  13)  das  Haus  Montfort 
im  Geldrisehen  an  Herrn  Johann  Ton  Kessel  übergeben  solle.  Die  Geschworenen 
des  Landfriedensbunds  würden  dem  Jakob  einen  Tag  ansetzen,  an  welchem 
ihm  durch  den  Herzog  Ton  Jülich,  sowie  andere  Herren  und  die  StAdte  des 
Landfriedensbunds  Recht  gesprochen  würde.  (Manuscr.  Boruss.  fol.  846  in 
der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin.) 


Ein  Aachener  Dichter  des  14.  Jahrhunderts. 

Von  C.  Nörrenberg. 

Die  Pergamenthandschrift  in  Quart  Nr.  332  der  Amploniana 
in  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Erfurt  stammt  aus  England, 
wo  sie  ihren  Hauptinhalt  im  14.  Jahrhundert  erhielt.  (Vgl. 
Schum,  Beschreibendes  Verzeichniss  der  Amplonianischen  Hand- 
schriften-Sammlung zu  Erfurt  S.  566  flf.)  Gegen  Ende  des  14. 
Jahrhunderts  war  sie  in  Aachen;  dort  hat,  wie  es  scheint, 
eine  und  dieselbe  Hand,  wenn  auch  mit  ungleicher  Tinte  und 
ungleich  starken  Zügen  den  leeren  Raum  der  ersten  und  letzten 
Blätter  mit  einer  ganzen  Anzahl  verschiedener  Kleinigkeiten 
ausgefüllt,  von  welchen  die  für  die  Geschichte  der  Katharinen- 
kapelle  beim  Aachener  Münster  werthvoUen  in  dieser  Zeitschrift 
Bd.  X,  S.  95 — 137  ausgenutzt  und  veröffentlicht  sind  von  Herrn 
Geheimrath  Loersch,  dessen  Freundlichkeit  ich  es  verdanke, 
auf  die  folgenden  Stücke  hingelenkt  zu  sein. 

Es  sind  dies  (mit  Schums  Nimierirung)  zunächst  eine  Anzahl 
Gedichte,  in  deutscher  Sprache  ein  politisches  (Nr.  8),  fünf 
lyrische  (Nr.  4,  6*,  9,  16,  20)  und  ein  Bruchstück  eines  mehr 
didaktischen  (Nr.  17);  in  lateinischer  Sprache  acht  (Nr.  5,  6^', 
10,  12,  13,  19,  24,  25,  26);  ferner  zwei  Weihnachtsgesänge 
„Sijs  mllekometi^  und  „Gloria  in  excelsis"  mit  Noten  (Nr.  21  und 
27),  ferner  Sammlungen  von  Keimwörtern  mit  Versuchen  von 
Versen,  deutsch  (Nr.  18)  und  kteinisch  (Nr.  11,  18'\  19  und 
ein  von  Schum  übersehenes  Stück,  Bl.  105  vor  Nr.  21);  dann  ein 
lateinisches  Stück  in  Prosa,  überschrieben :  „Protestacio  laudabilis 
in  disputacione  a  respondente  premittenda",  anscheinend  ein 
Formular  für  die  Rede  des  zu  promovirenden  Respondenten  bei 
der  Disputation;  schliesslich  ärztliche  Rathschläge:  Rezepte 
in  deutscher  Sprache  (Nr.  22^")  und  in  lateinischer  (Nr.  23  und 


Ein  Aachener  Dichter  des  14.  Jahrhunderts.  51 

28)  und  Vorscliriften  für  den  Aderlass,  deutsch  (Nr.  22'').  Die 
meisten  dieser  Stücke  sind  ziemlich  schwer  zu  entziffern. 

Der  Schreiber  dieser  Stücke  war,  wie  Loersch  a.  a.  0. 
nachgewiesen  hat,  Kapellan  an  der  Katharinenkapelle ;  als  solchen 
nennen  Peter  Hankart  die  Stadtrechnungen  von  1385/86, 
Johann  Barba  die  von  1394/95  (Loersch  a.  a.  0.  X,  S.  97, 
Laurent,  Stadtrechnungen  S.  346,  Z.  32  und  S.  398,  Z.  39); 
die  Waarenpreise  Bl.  2  (Schum  Nr.  7)  beziehen  sich  auf  1391 
und  1392;  der  terminus  ad  quem  ist  1398  (Loersch  S.  101);  das 
politische  Spottgedicht  (s.  u.)  lässt  sich  am  besten  aus  den  Zuständen 
der  Mitte  dieses  Jahrzehnts  verstehen :  die  grosse  Wahrschein- 
lichkeit ist  also  für  Barba,   d.  i.  wohl  =  Bart  als  Schreiber. 

Ob  auch  als  Verfasser?  Direkt  dagegen  spricht  nichts, 
dafür  Folgendes.  Zunächst  sind  die  poetischen  Stücke  sicher- 
lich nicht  von  aussen  nach  Aachen  importirt  worden;  schon 
Loersch  hat  darauf  hingewiesen,  dass  eins  der  lateinischen  (unten  II, 
Nr.  3,  Schum  Nr.  10)  die  Heilige  der  Katharinenkapelle  zum 
Gegenstand  hat;  in  drei  andern  kommt  der  Name  Karolus  vor 
(2,2o;  6,11 ;  8,ii);  die  deutschen  Stücke  zeigen  da,  wo  nicht  ein 
anderer  mit  Absicht  verwendet  ist,  den  Aachener  Dialekt  und 
Schreibgebrauch,  der  nirgends  mit  den  Reimen  in  Widerspruch 
steht,  wie  wenn  etwa  Umschrift  aus  einem  andern  Dialekt  statt- 
gefunden hätte;  der  Aachener  Gebrauch  des  Akkusativs  statt 
des  Dativs  erscheint  oft:  dich  statt  dir  1,2;  mich  statt  mir  3,1.»; 
5,7;  6,20;  si  statt  eir  3,14;  4,13;  der  Aachener  Ursprung  ist  also 
zweifellos.  Dass  der  Schreiber  sich  auch  mit  Dichten  beschäf- 
tigte, zeigen  die  Reimsammlungen  mit  eingestreuten  Ansätzen 
zu  ganzen  Versen;  dass  er  gerade  diese  Gedichte  nicht  nur 
geschrieben,  sondern  auch  verfasst  hat,  schliessen  wir  aus  der 
Art  und  Weise,  wie  er  mit  ihnen  verföhrt:  zwei,  das  deutsche 
Nr.  4  (Schum  Nr.  9)  und  das  lateinische  Nr.  3  (Schum  Nr.  10), 
hat  er  zweimal  aufgezeichnet,  das  erstere  mit  kleinen  Varian- 
ten; das  erste  deutsche  Lied  (Nr.  2,  Schum  Nr.  4)  ist  in  zwei 
Aufzeichnungen  da  (Bl.  1  und  3),  die  in  Vers  1,  3,  5,  6,  8,  10 
völlig,  in  Vers  12,  14  zum  Theil  gleich  lauten  und  in  den  übrigen 
metrisch  und  inhaltlich  von  einander  abweichen:  ein  kleines 
poetisches  Kunststück,  welches  man  vielleicht  für  sich  selbst 
niederschreibt,  aber  nicht  leicht  von  einem  andern  abzuschreiben 
und  weiter  zu  überliefern  in  die  Lage  kommt.  An  mehrem 
Stellen  endlich  hat  der  Schreiber  Worte  im  Text,  welche  ganz 


52  C.  Nörrenberg 

wohl  in  Sinn  und  Reim  passen,  also  nicht  gut  durch  Gedächtniss- 
irrthum  hinein  gekommen  sein  können,  getilgt  und  durch  andere 
ersetzt,  so  2,u  der  ersten  und  2,i3  der  zweiten  Fassung;  3,2; 
6,13;  alles  Umstände,  die  sich  nicht  besser  erklären  lassen,  als 
wenn  man  Barba,  den  Aufzeichner,  auch  für  den  Dichter 
hält.  Dafür,  dass  die  deutschen  und  die  lateinischen  Gedichte 
vom  selben  Verfasser  sind,  zeugt  die  Aehnlichkeit  und  Gleich- 
heit des  Metrums,  auf  welche  die  üeberschriften  der  lateinischen 
Gedichte  noch  besonders  aufmerksam  machen.  Verbreitung 
scheinen  seine  Lieder  nicht  gefunden  zu  haben,  es  war  mir 
wenigstens  nicht  möglich,  anderwärts  Spuren  zu  entdecken, 
auch  nicht  in  der  Limburger  Chronik,  welche  nur  nahe 
Verwandtes  (zu  3)  enthält  (Kap.  67,  zu  den  Jahren  1362 — 65). 
Die  Lieder  lesen  sich  flott  und  angenehm,  doch  sind  sie  wenig 
konkret  und  individuell  und  scheinen  mehr  Produkt  überlieferter 
Motive  und  Technik  als  der  Individualität  des  Dichters.  Diese 
tritt  mehr  in  dem  politischen  Gedicht  hervor.  Dasselbe 
steht  in  vier  Abschnitten  vertheilt  auf  Bl.  2 ;  den  Anfang  bezeichnet 
eine  schwer  lesbare  üeberschrift  mit  starken  Abkürzungen,  zwei 
Worte,  hinter  denen  noch  die  Buchstaben  7  oä  mehr  zu  vermuthen 
als  zu  erkennen  sind.  Gleich  der  erste  Vers:  nWat  sais  du 
hnsschof  happerteseh*' ,  „Was  sagst  du,  Bischof  Räubertasche** 
(happen  =  arripere,  celeriter  rapere  etc.  Kilian)  bezeichnet  den 
Gegenstand  des  Pamphlets.  Welcher  Bischof  gemeint  ist,  ergibt 
sich  zimi  Theil  aus  der  Wahl  der  niederländischen  Sprache  für 
einen  Abschnitt  (v.  37 — 58),  also  wohl  einer  auf  niederländischem 
Sprachgebiet;  dann  aus  der  Wahl  des  Oberdeutschen  für  andere 
Abschnitte  (v.  59 — 78),  welche  mit  ihrer  Orthographie  (t,  p  für 
d,  b,  e  für  ö,  an  für  an)  die  oberdeutsche  Sprache  des  Angegriffenen 
verspotten  und  ihn  geradezu  einen  Baiern  nennen,  v.  74: 
Fach  tich  payer  vß  dem  lande.  Alles  dies  lässt  kaum  einen 
Zweifel  daran,  dass  kein  anderer  gemeint  sein  kann,  als  Johann 
von  Baiern,  der  1390  als  siebzehnjähriger  und  als  Bischof  in 
Lüttich  eingezogen  war  und  während  seines  Episkopats  die 
schwersten  Fehden  mit  Lüttich  und  andern  Städten  auszufechten 
hatte.  Es  ist  dies  derselbe  Johann  von  Baiem,  gegen  den 
im  J.  1420  Johann  ü.  von  Nassau-Dillenburg  einen  Scheltbrief 
wegen  verfallener  Ehrenschulden  ausgehen  liess  (Picks  Monats- 
schrift rV^  S.  70—73).  Der  erste  heftige  Konflikt  fiel  in  das 
Jahr  1395  (Löher,  Jacobäa  von  Bayern  I,  S.  208  ff.);  die  Städte 


Ein  Aachener  Dichter  de:«^  U.  Jahrhnndorts.  ^3 

der  nähern  und  fernem  Nachbarschaft  nahmen  wenigsten»  mit 
Gesinnung  und  Worten  gegen  ihn  Partei,  und  in  diese  Stimmung 
passt  unser  Gedicht  hinein;  die  einzelnen  Anspielungen  desselben 
wird  nur  der  genaue  Kenner  der  Zeitgeschichte  verstehen. 

Wir  lassen  hier  zunächst  die  eigenen  Gedichte  unseres  Ver- 
fassers folgen,  zuerst  die  deutschen;  ihr  Abdruck  ist,  bis  auf 
die  Auflösung  der  Abkürzungen,  den  Ersatz  der  Versstriche 
durch  Zeilentrennung  und  die  ZuftLgung  der  Interpunktion 
diplomatisch  genau,  in  den  lateinischen  ist  ausserdem  die  Ver- 
theilung  von  ii/r  geregelt  und  statt  /:s  gesetzt;  wir  haben 
auch  nicht  weggelassen  die  Worte,  welche  Strophenabsätze 
bezeichnen;  Ergänztes  ist  eingeklammert,  Unleserliches  durch 
Punkte  ersetzt;  letzteres  leider  häufig  in  den  lateinisclien 
Stücken,  deren  völlige  Entzifferung  einem  bessern  Kenner  des 
mittelalterlichen  Latein  vielleicht  da  gelingt,  wo  uns  die  Un- 
deutlichkeit  der  Handschrift  im  Stiche  Hess*.  Den  deutschen 
Gedichten  ist  am  Schlüsse  das  deutsche  Weihnachtslied  (Nr.  2 1 , 
Bl.  105)  beigefugt,  das  lateinische  (Nr  27,  Bl.  105'  und  106') 
enthält  nur  die  bekannten  Worte:  Gloria  in  excelsis  deo  et  in 
terra  pax  hominibus  bone  voluntatis.  Von  den  Keimsammlungen 
lassen  wir  nur  die  deutschen,  der  Sprache  wegen,  folgen;  die 
lateinischen  sind  ganz  ähnlich,  z.  B.  (Nr.  11,  Bl,  101):  vulgat^s, 
amaris,  avaris  etc. ;  elicui,  perspicui  etc. ;  plumizantes,  stuHizanies  etc. ; 
(Nr  18^  Bl.  104'):  nobilissima,  vüissima;  (Nr.  19,  Bl.  104'): 
salutiferum,  inortiferum  etc.;  (es  folgen  noch  prosaische  Stil- 
übungen): Bl.  105  stehen  noch  Verse  ohne  Zusammenschluss, 
Ansätze  zu  Strophen. 

Einige  Zeilen  auf  Bl.  101  oben,  über  Nr.  9,  von  Schmu 
tibersehen,  und  ziemlich  unverständlich,  vernachlässigten  wir 
ebenfalls.  Von  den  ärztlichen  Rathschlägen  schliesslich  drucken 
wir  die  deutschen  ab,  da  sie  auch  sprachliches  Interesse  haben. 

Herrn  Bibliothekar  Dr.  Auermann  in  Erfurt  gebührt  unser 
Dank  für  die  Ueberlassung  der  Handschrift  zur  längern 
Benutzung  in  der  Universitäts-Bibliothek  zu  Marburg. 


*)  Worte,  die  mir  unvcrständlicli  waren,  liabc  ich  durcliwcg  niclit  mit 
Fragezeichen  oder  Bemerkungen  versehen. 


54 


C.  Nörrenbcrj; 


I.  Deutsche  Gedichte. 


[BL  2' 
unten  links] 


10 


15 


20 


IBl,  2' 
unten  rechts] 


25 


30 


1.    (Schum  Nr.  8.) 

wat  sais  du  bftsschof  happertesch! 

(lat  dich  entfallen  müys  dijn  flesch 

mit  dem  wijn,  as  du  salt  drencken! 

weyns  du  ons  eyn  hoir  hy  krenken? 

nummer  salt  du  des  gedenken; 

in  di  hei  müys  dy  senken, 

dat  dft  ons  mit  dinen  genoissen 

nft  ze  moil  wolt  ver...ois8en*. 

sehenden  m&ys  dich  sent  hefforis, 

want  du  bis  eyn  hokedoris, 

de  des  drecks  eyn  meyster  is; 

kftm  in  drenck,  wanne  ich  pis! 

dat  dich  der  keym  p..t**  mftys  bestoin 

ind  der  pips  ouch  ane  goen, 

so  solts  dft  seiden  genesen, 

haen  ich  in  den  bftchen  gelesen, 

dy  der  leymbecker  is  genant. 

var  bald  viedelen  in  den  sant, 

da  dich  der  sne  verbernen  moiclit, 

des  ich  alre  deng  geloicht. 

wisschaf  spreich  ich  doch  dar  zft, 

want  dft  boiks  reicht  as  eyn  kfte; 

der  vladem  dat  is  rftntschel  drec, 

des  bedrflyf  dich  noch  eyn  sleck. 

sag  dft  kftkftk  kinbaks  wang, 

dat  dich  der  mort  ind  oich  der  wrangt 

irsloin  müys  as  eyn  Hollents  rent! 

weins  dft  dat  wir  nft  sint  kent^ 

ind  vnmirclich  in  den  sinnen, 

dft  moichts  dich  doch  wael  bas  versinnen. 

dft  bis  eyne  gans  ind  oich  eyn  schrants, 

as  dft  ringeis  aen  den  dants, 

ind  stinks  recht  as  eyn  libart^ 

eyn  rabias  ind  grijnnart 


')  nur  z,  Th.  sicher,  anscheinend  verarspoissen.     ^)  plat? 
')  Aussatz.    '^)  Kinder.    ^)  Leopard. 


Ein  Aachener  Dichter  des  14.  Jahrhuudertd.  55 

35    ind  der  mede  sftndach  gants 
•  .  net*  bis  dft 

[BL  2'  oben  rechts]  brabants 

0  gi  mobac^  turelijer^, 

verbrandeii  muyt  gi  in  eyn  vijer, 

dat  i  ons  altoes  verschaempt! 
40   vmmer  mftyt  gi  sijn  gepraerapt 

ind  dar  tu  hebben  quaden  ramp^, 

dat  gi  maickt'  as  groten  schamp. 

ic  sect  V  bi  den  gftden  t&yn, 

ic  woud  V  scheten  v  kaprftyn! 
45   gi  sijt  eyn  lecfriten  eter, 

des  in  sijt  di  niet  de  beter. 

wi  sijn  blasse  vri  gesellen, 

dy  dar  lopen  mit  den  vellen. 

arm  gesellen  mftten  teren, 
50    dar  no  dat  si  sich  generen 

ind  blidelike  leuen 

van  dien  dat  yn  gftyd  liet  geuen. 

oc  merr  sijt  gi  seiden  Wide 

inde  stinket  as  eyn  pride^ 
55    van  dien  knoifloic  dat  gi  eten 

heb/  ind  dar  tfi  wel  gescheten. 

sect  gi  galppart*'*  quait  katijf 

,  .  lic^  varen  mftyt  v  lijf! 

aliter. 

was  ^reidts  du  grober  wirre  war, 
60    tu  pist  irstalt  recht  sum  eyn  narr 
das  tu  has  of  ons  geworfen 
haibst,  wir  teynre  nindert  dftrfen. 
tu  pist  gar  ein  hfipscher  man, 
der  t  Iftyt  weirlijn  tüysschen  kan 


')  nur  2.  Th.  leahar^  der  Vers  unroüständig,  '')  mobac  nicht  ganz 
sicher f  turelijer  aus  turelftyr  korrigirt.  '')  maickt  oder  maicht.  '')  hebd? 
')  galspart?  ')  das  erste  Wort  nicht  sicher,  «)  vor  reidts  ist  sais  durchstrichen, 

*)  Vgl.  verturcluren,  durchbringen,  Wink  1er,  Nederd.  Dialccticon  11, 214 
(Vers  30)  und  360  (zv  ^  Krampf;  FallHUcht.    ')  Aa8.    *)  Heuler  ? 


56 


C.  Nörrenberg 


65   ind  gar  woel  betrigen 
ind  vürbas  schoenre  ligen*. 

[Bl  2  oben  links]  oberteuts 

tu**  pist  gar  onsubir, 

tas  tu  aebgreyfst  onsern  zftber. 

tu  pist  eyn  ongenemer 

70   geleich  den  groben  pemer^, 
den  dy  gnipen  gar  wael  laben, 
vorbas  schol  man  ymmer  straben* 
teynen  laster  ind  oich  schände. 
Foch  tich  payer  vß  dem  lande! 

75    das  tich  tey  ferher  woil  befeisten! 
wolt  dft  of  ons  swerlijn  leysten, 
wir  woltens  an  teyme  drlssel*  reychen, 
das  dirs  hert  mlys  vermeychen. 

2.     (Schum  Nr.  4.) 


Ä.    Bl.  1,  unterer  Rand, 

lust  des  somers  wonnenclijch 
kan  verdriuen  trürich  sichten* 
ind  schoen  blftmen  minnenclijch, 
die  datherts  mit  gftden  vr  flehten 
5    dftent  in  blijtschaf  sweuen. 


versus. 


Op  der  grftynre  boume  zwijch 
schallen  vogel  mit  gerftchten^ 
sftyssen  sanc  gar  lovelijch, 
da  si  menchen  mit  irlflchten. 

Rep.  lust  etc, 

10  dijsprijsgeytopwijfsgelijch, 
want  si  kan  mit  eren  zftchten 
sijch  irgeuen  ordenclijch, 
dy  al  vnsted  wilt  versftchten 
*^ind  in  trftwen  leuen. 


B.    Bl.  3,  unterer  Rand. 

lust  des  somers  wonnenclich 
kan  verdriuen  ongeval 
ind  schoen  blftmen  minnenclicli 
dy  dat  hertzchyn  bauen  al 
dftent  in  blijtschaf  sweuen. 

versus. 

Op  der  grftynre  boyme  zwijcli 
sengen  vogel  mit  geschal 
sftyssen  sanc  gar  lovelich, 
beyde  berch  ind  oich  in  dal, 

versus  rep.  lust  etc. 

dis  prijs  geyt  op  wijfs  gelijch, 
want  si  lucht  as  eyn  coral 
in  viel  doigden  ordenclich, 
der  al*"  onsteyt  is  eyn  quäl 
si  kan  trftwen  leuen. 


*)  nach  V.  66:  quere  in  precedenti  latere  huius  folio  f  talem  cmcem. 
Reste  eines  Kreuzes  vor  V.  67.  •*)  das  t  unsicher.  ^)  vor  onsteyt  ein  Wort 
durchstrichen,  anscheinend  ondoich[d].  **)  hiervor:  ind  dar  weder  strenen,  äie 
3  letzten  Worte  getilgt. 

*)  Böhmer.  *)  VieUeicht  vermeintUch  hochdeutsche  Form  für  „strafen". 

»)  Kehle.    *)  Seufzen.    *)  Klängen. 


Ein  Aachener  Dichter  des  14.  Jahrhunderts.  57 

3.     (Schum  Nr.  6\) 

sequitur  kantilena  primo  in  teutonico,  post  in  latino. 
[BL  2  Mitte]      och  wat  sal  mich  nft  dat  leuen; 

Widder  min^  kan  wenden*; 
wa  ich  koim,  do  is  gegeuen 
oigen  cloir  verblenden 
5  ...  **mich  steit  dis  werhelt  schijn. 

Ich  wil  stede  in  hoffen  sweven 
meyes  Iftst  zeprenden, 
de  mich  minen  m&it  .  .  heven 
deit  ind  kftrtzwijl  venden.  verstis  rep.  och  wat  hc. 
10    Dych  ant  vröulijn  mftys  ich  cleuen, 
dat  si  mir  wil  senden 
troist,  da  van  ich  niet  gesueven 
moig  yß  eren  benden 

bi  si  vro  ind  blijd  zo  sijn. 

4.  (Schum  Nr.  9.) 

A,    Bl.  101.    B.    Bl.  105. 

[A]    AI  denc  min  verwinnen*'  kan 
nä  regnieren''  der  naturen, 
as  bevenden  wijf  ind  man, 
dy  dat  wael  ze®  grftnd  irpftren 
5  mit  subtilen  sinnen,    versus  etc. 

Ich  ny  lyeners'  in  gewan 
onder  zarten  creaturen 
dan  eyn  wijflijch  bield,  da  van 
ich  verblijd  in  allen  vren.  versm  rep.  AI  denc  de 
10    Si  is  da  mijn  troist  lijt  an 

ind  mach  lesschen  mir^  mijn  trftren, 
dar  van  ich  eir  als  gftyts  gan 
trftlich  bi  eir^  vort  ze  dftren 
in  gerechter  minnen. 

5.  (Schum  Nr.  16.) 

kantilena  teutonicalis. 
[El.  104]  N&  der  lieuer  zallen  ziden 

*)  kan  wenden  ist  übergeschrieben;  darunter  durch  Funkte  getilgt:  blijft 
henden.  **)  vw  mich  ein  unleserliches  Wort,  *)  verwennen  B,  *)  regnierug  B. 
«)  wal  zÄ  B.  0  lieuers  B,    »)  ind  di  lesschen  mach  B.    »•)  bi  sij  trülijch  B, 

')  Gegenliebe. 


58  C.  Nörrenbcrg 

denck  ich,  dy  mijn  herts  gewont 

hait  ind  kan  mich  wael  verbliden 

ind  oich  machchen  recht  gesünt, 
5  wold  mir  heil  van  eir  geschien. 

wilt  si  sfinder  widderstriden 

mich  eir  help  dftyn  trfllich  kftnt, 

mir  in  rftyet  niet  wat  liden, 

kftnd  ich  venden  sülchen  vont.    versus  rep.  nd. 
10   Nyeman  wil  mir  des  beniden, 

dat  si  mich  in  kftrter  stftnt 

mach  irgetzen  ind  af  sniden 

trftren  vß  mijns  hertzen  grftnt, 

mftys  ich  in  der  wairheit  gieu. 

6.     (Schum  Nr.  20.) 
teutonicalis  kantilena. 

fBi.  104']  Vrov  mit  herzen  sin  ind  mftyt 

sets  ich  gants  in  dijnre  hant, 

al  gevangen  lijf  ind  gftit, 

dar  vmb  trälich  bi  mir*  stant: 
5  dft  bis  di  ich  meyne.   versm. 

Min  bi  widder  min  wael  rftyt, 

want  si  bint  ind  is  berant, 

nochtan  velt  si  onverhuyt 

ee  si  kleirlich  werd  bekant.    versus  rep.  vr<w  etc. 
10   Lang  haen  ich  dijn  gunst  gesftyt 

vp  dat  du  mir  kftyls  den  brant 

den  ich  lijd  in  mijnre  sftyt, 

doch  in  ger  ich  des  gein  pant, 
ich  getrü  dir  reyne.    veistuf. 
15    Nu  schenck  ich  in  guder  spftyt 

dir  mijn  herts  z6  eym  presant, 

wan  dft  bis  eyn  edel  blftyt 

dat  mich  hait  zft  dir*"  gewant.    versus  vrou  etc. 

Lief  in  züchten  wael  behftyt, 
20    tröist  ind  help  mich  al  zft  hant, 

dat  ich  kftmmers  si  gebftyt; 

war  ich  koim  in  eynich  lant, 
lois  micli  niet  alleyne. 

*)  bi  mir  zweimal.    ^)  vor  gewant  durchstrichen:  gessant. 


Ein  Aachener  Dichter  des  14.  Jahrhunderts.  59 

7.     (Schum  Nr.  17.) 

sequitur  teutonicum. 

[BL  103*]  Wan  du  dinen  onwil  sijs, 

niet  dijn  herts  ze  seir  in  rijs 

ride  ich  dir  in  sinnen; 

vilt  dich  alzijt  niet  dijn  wil, 
5    haf  gedolt  ind  swich  al  still. 

kumpt  dir  onmftyt  varen  aen, 

niet  ze  groissen  onraoyt  haen 

Salt  du  des  van  binnen, 
vort  vß  der  groisser  düytscher  kantilenen  .  .  .  dricht 
...    .de  mijn  sftnder  widder  rainn  .... 
iemerlich.  — 

Gegenüber  auf  BL  104  steht  in  gleicher  Höhe  wie  die  oberste  ZeÜe  des  obigen 
C=   V.  1—3): 

du  moichts  deym  dijn  leyt  irklaen 
de  dirs  vil  me  zft  sftld  draen 
is  nft  .  .  der  lüde. 

8.      WeihnaeUslied  (Schum  Nr.  21.)     BL  105. 

sijs  willekomen  heirre  kerst, 

want  du  onser  alre  heirre  bis, 

sijs  willekomen  lieue  heirre, 

her  in  ertriche  also  schone,    kirieleis*^ 

9.     (Schum  Nr.  18\)    Bl.  104. 

rijch  dicli  mich  swijch  gelijch  zwicli  krijch  wich  slijch. 

wijf  lijf  verdrijf  stijf  schijf  bUjf  becUjf  sijf  knijf  pijf  schrijf 

grijf  slijf. 

schrftwen  verspuen  cluen  brftwen  kuwen  irnftwen  suen  rftwen 

truwen  schftwen  blüen  hftwen. 


')  der  Text  wiederholt  sich  noch  zweimal  genau  gleichlautend. 

*)  Einen  etwas  andern  Wortlaut  des  Aachener  Christnaehtslieds,  welches 
der  Älteste  Schöffe  am  Weihnachtsfest  in  der  Münsterkirche  nach  dem  Evange- 
lium der  Mittemachtsmesse  anstunmtc,  gibt  Qu  ix,  Historische  Beschreibung 
der  Mttnsterkirche  S.  119.  Vgl.  dazu  die  Bemerkungen  von  Hilgers  und 
Pauls  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Gcschichtsvercins  IV,  S.  149  ff.  und 
Schollens  Notiz  ebenda«.  X,  S.  196.  Vgl.  auch  Bäumker,  Vierteljahrsschrift 
fttr  Musikwissenschaft  IV,  S.  158.  —  In  unserer  Handschrift  Bl.  105  ist  zu 
der  ersten  Strophe  des  Lieds  auch  die  dazu  gehörige  Melodie  verzeichnet. 


60  C.  Nörrenberg 

minnen    sinnen   binnen   gewinnen   innen  zinnen  rinnen    .  .  .  • 
beginnen  besinnen. 

zart  lief  edel  züchtich  wijf 

guder  mftyt  is  haluer  lijf 

dft  bis  gants  eyn  leyt  verdrijf 

minen  hertzen  binnen. 

eir  edel  seden  ind  zftchtich  gelois 

kör  ich  vor  der  vogel  sanc 

ind  vor  sftysser  pijffen  klanc 
lanc  kranc  gedanc  wanc  gemanc  hanc  ranck  vi-anck  stanc  banc 
bedtbanc  hauedanc  vanc  anevanc  ganc  quanc  dranck. 


II.  Lateinische  Poesie. 

1.     (Schum  Nr,  5.)   Vorsetzblatt,  Rückseite, 

lust  des  somers.   kantilena  latinalis  super  isto. 

morbis  heu  gravissimis 
multi  Spiritus  fedati 
penis  amarissimis 
erunt  tandem  crucidati 
5  cane  stigiali.         versmt, 

factis  benignissimis 
dulie*  divine  dati 
studiis  tutissimis 

COnseruntur  pietati.       ^versus  rep,  morbis, 

10    Cordibus  purissimis 
ut  ex  deo  procreati 
''ipsum  simus  contemplautes 
oculis  purissimis 
vita  deicali. 

2.     (Schum  Nr.  6\)    Bl.  2. 

seqiütur  p  .  .  .  .  atino 

Tuura  accidens  plectentes*" 

in  coniunctione 

vires  gravatum  cernentes 


')  vor  versus  durchstrichen:  Cordlbns  purissimis.  **)  von  hier  ab  ist  der 
Versbau  gestört,  ^)  darunter  getilgt:  ponentes. 
J)  =  griech.  douleia. 


s  supcrant  ,  ,  ick 

Primo  .  ,  ,  porluoauo.^ 
stat  confusioiio 
predes  inopes  praueutcs 
ex  elacione  r«^  p^  t^^m  h,^ 

10   Hie  figuram  protuentc^ 
in  ...  .    one 
personarum  coufaventevS 
constat  ut  sermone 

via  per  indicia         m^n, 
15   demum  ordinem  volventes 
cum  ambicione 
reliquis  se  preferentes 
Iionoracione.        rtr$u9. 
Summa  mater  ol  placento« 
20   Karoleque  bone 

aquis  prorsuH  eminente» 
die  sunt  .  .  . 

vobis  epinicia.     f,#r/w#, 
Impetrate  no«  degentcH 
25    tribulacione 
pul  .  .  . 

baratri  latone, 

Hanc  poni  vita  •cnte« 


^1 


30    Äimn»  deo  (:fmrirenif:i^ 

Z.    rH^h>fm  Sf.  10,;     Hf,  1h  U 

Sequitnr  kantii^n^t  lafir.alu  rle  .^an*^u  ÄTatnem*  .^^,iai iMr, 

p^TliiHfrans   /'irai^ia 
■"•an^lira  pf,Mf  monr**   ^'y.^a 


62  C.  Nörrenberg 

salutaris  medicina 
reis  dans  solacia 

vini  fontis  cum   propina.      versus  rep.  dim  etc. 

10   ad  celi  palacia* 
te  precavi  vi  divina 
mundi  de**  fallacia 

prope  spons nos  mina 

perpetim  regnando. 

4.     (Schum  Nr,  12,)     Bl,  101. 

Nota  principium  aliquale  kantileue  latinalis  de  beata  virgine. 

demicatrix  veritatis 
consolatrix  desolatis 
miseratrix  sceleratis 
medicatrix  infinnitatis 
5    instauratrix  sanitatis 
adamatrix  deitatis 
operatrix  pietatis 
infringatrix  falsitatis. 

5.  (Schum  Nr.  13.)     Bl,  101, 

Modus  est  indicativus 
verbi  turpis  expressivus 
praxis  demum  quem  fusivus 

cosmi  Status  nunc  pravatur.     versus. 
5    peregrina  quondam  gentes 
rem  iniquam  rapientes 

nulli  carni  sunt  p  .  .  entes.     versus  rep.  Modus  etc, 

Arrogans  imperativus 
Violen  ciae  lativus 
10    timens  ut  undosus  rivus 

exessive  d  .  .  .  .  atur.       versus. 
Surgunt  veris  abutentes 
falsitates  pertegentes 

digitOS  post  pertuentes.      versus  rep.  Modus  etc. 

15    gloriarum  optativus 
cassarum  perterritivus 
loricarum  neglectivus 

in  plerisque  ventilatur.    versus. 
Astus  varios  fingentes 


■)  zweite  Aufzeichnung  Bl.  105:  paUacia.    ^)  de  mundi. 


Ein  Aachener  Dichter  des  14.  Jahrhiiudert«.  68 

20    virus  lolii  serentes 

reputantur"  proch  pudentes.    rersus  rep.  Modus, 

Indecentis  convinctivus 

contubernii  tractivus 

mellitorura  insectivus 
25  sanguis  siraplex  defraudatur.    versus. 

Et  fac  orchi  que  serpentes 

cuncto  bona  suggerentes 

non  inquinent  nostras  mentes.  ver$us  rep.  Modus  eu. 

Tu  qui  es  infinitivus 
30    sumraus  herus  vere  divus 

lionun  quivis  tecum  vivus 
cell  paceque  fruatur. 

6.     (Schum  Nr.  24.)     Bl.  106. 

kantllena  latinalis  prima  super  no  der  lieuer. 

0  quam  turpis  et  brutalis 
furens  ex  nequitiis 
microcosmus  cronicalis 
sordescit  segniciis 
5  meando  per  ama.    versus. 

amor  heu  nunc  fratemalis 
desinit  maliciis 
patruusque  filialis 

perditis  periciis.      versus  rep.  o  quam  tufpis  etc. 

10    Christi  mater  principalis 

Karole  diviciis 

aquis  qui  vi  supemalis 

celieis  .  .  .  iciis 

omastis  et  gnama.     rersus. 
15    Exoretur  umis  alis 

ne  sedemur  viciis 

deum  qui  est  immortalis 

Stigis  et  SUppliciis.      versus  rep.  o  quam  etc. 

Rex  quapropter  deicalis 
20    cordis  ex  puriciis 
regni  da  nos  etemalis 
ronsortes  deliciis 

obtenturos  brama. 

■)  vor  proch  getiJti*  «onionti.s. 

J 


64  C.  Nörrenberg 

7.  (Schum  Nr.  25.)     Bl.  106. 

alia  super  vrov  mit  hertzen  sin  ind  muyt  etc. 

Pluriraorum  vicia 
nimis  horribilia 
quae  sunt  multiplicia 
simul  et  flebilia 
5  proch  nunc  invalescunt.       versus, 

Eancor  iniustic(ß. 
regnantes  per  miUa 
vilis*  ac  stulticia 

gignunt  inutilia.      versus  rep.  plurimorum  ete, 

10   Jus  lex  pax  iusticia 

congrua  consilia 

veritas  pericia 

virtutumque  lilia 

prorsus  evanescunt.     versus, 
15   Pravi  de  malicia 

demonis  familia 

dantur  ad  supplicia 

sibi  difficilia.        versus  rep.  plur. 

Torda  sed  felicia 
20   quelibet  humilia 
summa  cum  leticia 
refutando  vilia 

in  deo  quiescunt. 

8.  (Schum  Nr.  26.)    Bl.  106. 

sequitur  cantilena  latinalis  super  lust  des  somers  etc. 

Cosmi  proch  inicium 
casus  Ade  primitivi 
perpetrantis  vicium 
in  plerisque  genitivi 
5  morbi  nocualis.      versus. 

Sunt  in  praecipicium 
necis  corporum  dativi 
parvarum  et  licium 

prorsus  in  aCCUSativi.      v^-sus  rep.  cosmi  etc. 

10   Mater  infelicium 
Karoleque  vocativi 


')  über  vilis  steht  cassis. 


Ein  Aachener  Dichter  des  14.  JahrhondertA.  65 

vestrum  per  servicium 
ad  el  sitis  precat'm 

relaxando  maus.    rer»us, 
15    Qui  per  beneficiuni 
aquis  estis  lastratiTi 
manenim  felicium 

luce  rivo  .   .   .  ornativi.     i^rsys  rep,  cosmi  etc, 

Teilens  maleficium 
20   Christe  stigris  ablativi 
fac  quod  ad  hospicium 
cell  sinins  volativi 
congaudentes  ealis. 


.  Aerztliches. 

1.     (Schum  Nr.  22  \)     BL   105*. 

Widder  dy  sflygde  van  den  drilsen  as  dy  Iftde  zemoil 

seir  storuen,  dft  yn  dese  bftys. 

Nem  vj  of  vij  bechelers  körn '  inde  ij  of  iij  wortzelon 
gemeyns  reytchijns^  ind  siede  dat  zesamen  mit  gftden 
wine,  ind  gef  dat  also  deme  siechen  ze  drenkon,  ind  decken 
as  warm  dat  he  sweys,  ind  schi(*ko  bi  eme  yman  stai'kers, 
de  sijnre  ward  neme,  dat  he  sich  niet  in  entdeck  noch 
vß  den  sweys  in  werp. 

Vort  is  eyne  andere  •bftys  widder  di  seine. 

Nem  bieuerts  ^  ind  musschoten  blftmen  *  ij  dragmen  item 
beverel'^,  becheler  ind  tormentil  mallich  gelijch  iij  dragmen 
ind  des  besten  driakels"  oich  an  viel. 

Ind  dese  ander  bftys  schrijft  ze  latijn  alsus  der  apoto- 
ker:  Reo.  castorij  macis  3  ij,  pipenelh»,  baccarum  lanri, 
tormentille  ana  5  üj,  tiriaco  bone  et  elce  ...  ad  pondns 
om  . ,  sicut  de  priore. 


■)  vor  büys  durchstrichen:  HÖychdc  widdcT. 

0  Lorbeeren.    •)  Rettig.    ')  Bibergeil.    *)  MuHkatblüthe.    *)  Pimpinella. 

«)  Theriak. 


66  C.  Nörrenberg 

2.     (Schtm  Nr.  22^,)   Daselbst. 

hi  onden  vints  dft  in  wilchen  dagen  id  gftyt 

of  quoit  loissen  is. 

zer  äderen  loissen  is  it  gftyt  van  onser  vrowen  dage  dat 
si  geboitschaft  wart  bis  zft  sint  iohans  dach  baptisten,  dat 
he  geboren  wart,  nier  wanne  dat  liet  alt  is  v  dage,  x  dage, 
XV  dage,  xx  dage,  xxv  dage  of  xxx  dage,  so  in  sal  nyeraan 
loissen  de  niet  alze  grois  noit  dar  zft  in  hait,  want  dy 
heyden  spreychen  also,  dat  alsulche  dage  kranck  sint,  ind 
vmb  naturen  wil  des  raoynts  loyf  so  sterven  alze  viel  lüde 
van  loyssen  in  den  dagen.  Oych  vort  sal  man  sich  h4den 
vor  dy  hftntdage,  dy  geynt  aen  by  sint  margrieten  messe 
ind  d&ren  bi  sint  barthelmeis  mes,  ind  so  d[ie]  hftntdage 
de  heysser  sint,  so  sorchlicher.  vort  sint  dri  alze  sorch- 
lich[er]  dage  in  deme  ioir,  so  we  in  der  drier  dage  eynchen 
zer  äderen  lies,  it  weir  minsch  of  beyst,  de  stürve  quoits 
doyts.  der  eyn  is  onser  vrow[en]  ävent  dat  si  geboitschaft* 
wart,  der  ander  sinte  peters  dach,  as  man  dy  erts  ist,  ind 
v6r  dy  gevangen  wacht,  ind  is  der  eirste  dach  in  den 
austmoynde,  der  derde  is  sint  siluesters  dach,  der  lest  in 
deme  iore,  genant  ioirs  ävent. 

vort  in  clären  weder  [is]  it  bequeymlicher  loissen  dan 
in  druven,  mer  in  drüven  weder  is  it  gftyt  erzedy  of  dranck 
nenien  van  gftden  sirop  den  is  noit  is. 

oich  wanne  it  ze  viel  bftyssen  moissen  kalt  is  of  zeviel 
warm  is,  of  alze  dröve  weder  is  van  wende  of  reyne,  so 
in  ist  niet  vrberlich  loissen.  oich  me  so  wi  doch  dy  hftnt- 
dage sorchlich  sint,  so  is  noit  sich  ^  bi  wilen  vßgescheiden 
in  alsulcher  vügen  of  eynich  minsch  eyne  söychde  hed  dy 
eme  aen  comen  weir  van  quoitsblftyts  wegen,  of  van  ze 
viel  blftyts  w[egen]  sijns  ertzeters. 

Vort  wis  dat  niet  allen  luden  in  gebftrt  zeloissen,  also 
as  jftngen  luden  beniden  x  ioren,  di  in  solen  *"  niet  loissen, 
noch  over  aide  lüde  dye  siech  sint  van  alder,  noch  dy 
sich  verwachchen  of  vervasten,  of  dy  verkrenckt,  verdftrt 
of  verswacht  sint  mit  arbeyt  of  mit  anderen  Sachen,  of  oich 
aide  lüde  dy  is  niet  sich  geweynt  in  haint  van  juncheyt. 


•)  dat  si  geboitschaft  doppelt,  ^)  noit  sich  oder  noit  sach?  *)  sulenP 


Bomerstarassen  im  Regierungsbezirk  Aachen« 

Von  J.  Schneider. 
I. 

Die  vier  alten  Strassen,  welche  sich  innerhalb  der  jetzigt^n 
Stadt  Aachen  durchschneiden,  sind  in  Bd.  VII,  S.  173  ff.  unserer 
Zeitschrift  im  Allgemeinen  behandelt  worden.  Hierbei  ist  zu 
bemerken,  dass  diese  Strassen  sich  nicht  sämmtlich  in  einem  und 
demselben  Punkte  treffen,  indem  die  Erfahrung  lehrt,  dass  da,  wo 
sich  z.  B.  drei  Strassen  durchkreuzen,  die  dritte  die  beiden 
andern  in  verschiedenen  Punkten  schneidet,  so  dass  ein  Dreieck 
entsteht,  was  bei  Bestimmung  der  Strassen  innerhalb  des  Stadt- 
bezirks zu  beachten  ist.  Wir  wollen  nun  zunächst  die  genannten 
Strassen  ihrem  Lauf  nach  einer  nähern  Betrachtung  unterziehen. 

Die  erste,  von  Westen  nach  Osten  ziehende  Strasse  läuft, 
wie  bereits  früher  angegeben,  von  Mastricht  über  Gülpen  nach 
Aachen,  dann  über  Eilendorf  und  Stolberg  na^;h  Gresnenich,  und 
von  da  bis  Gürzenich  und  Dürens 

Die  Fortsetzung  ist  noch  nicht  aufgefunrlen,  geht  aber 
wahrscheinlich  in  der  bisherigen  Richtung  über  Lochen  ich  *  nach 
dem  Rhein.  Der  Verfasser  kann  die  Richtung  l>üren-Ker|)en- 
Köln  nicht  als  die  Fortsetzung  anwehen,  da  <li<*hc  die  direkte 
Fortsetzung  einer  über  Montjoie  nach  l)üren  führenden  HtranHc 
ist.  In  dem  ganzen  Verlauf  unserer  StranKC  «ind  Funde  rßnii- 
scher  Alterthümer  in  ihrer  Nähe  gemacht  wonlen,  worunU^r 
diejenigen  bei  den  Dörfern  Gressenich  und  Gürzenich  die  be- 
deutendsten sind.     Nehmen  wir  Mastricht  alji  eine  Manniun  an 


')  Die  Strasse  ist  in  dieser  Strecke  gezei«*lmet  iu  «Jer  Kartei  de«  U,  IhfUtn 
der  von  mir  herausgegebenen  alten  H*'er-  und  Hanrlt^JHwrt^e  Jin  deutHcheii 
Reiche,  Leipzig  1886.  — Die  Angabe  de»  Ober»tlieutenaut  H<'ljraidt  (IJouner 
Jahrbücher  XXXI),  dass  eine  KomerHtrabüe  von  Ore**beui«;h  über  WeiHWeller 
geführt  habe,  hat  sich  nicht  bestätigt. 

*)  In  Lechenich  und  der  nächsten  Umgebung  »lud  zahlreiche  fmä$ 
römischer  lUtertl' **"*--  "'•""4>jit  worden. 


68  J.  Schneider 

der  Strasse  an,  so  lag  in  der  Entfernung  von  4  Meilen  zu  Aachen 
die  zweite,  und  in  der  Entfernung  von  3^2  Meilen  in  Gürzenich 
die  dritte  Mansion.  Zwischen  Aachen  und  Gürzenich,  fast  in 
der  Mitte,  liegt  Gressenich,  wo  demnach  die  zugehörige  Mutation 
lag,  welcher  die  dortigen  zahlreichen  römischen  Alterthümer 
entsprechen,  während  die  in  geringer  Entfernung  südlich  davon 
befindlichen  Baureste  den  industriellen  Etablissements  des  bereits 
zur  Römerzeit  daselbst  betriebenen  Bergbaus  angehören.  Alle 
sonstigen  Deutungen,  die  man  an  diese  Oeiilichkeit  geknüpft, 
entbehren  des  hinreichenden  Grundes,  namentlich  fehlt  jede  Spur 
einer  Befestigung.  Noch  bedeutender  und  zahlreicher  als  bei 
Gressenich  sind  die  Alterthumsfunde  bei  Gürzenich,  die  jedoch 
bisher  nicht  in  dem  Maße  beachtet  worden,  wie  sie  es  verdienen. 
Es  ist  schon  früher  von  Andern  auf  dieselben  kurz  hinge\\iesea 
worden  \  und  wir  haben  uns  an  Ort  und  Stelle  von  den  unter- 
irdischen römischen  Bauresten,  sowie  zahlreichen  Gräbern  und 
sonstigen  Alterthumsfunden  überzeugt.  Planmässige  Nach- 
grabimgen  haben,  so  wünschenswerth  sie  auch  sind,  bis  jetzt 
nicht  stattgefunden,  und  die  zufällig  von  Zeit  zu  Zeit  auf- 
gefimdenen  Gegenstände  sind  in  die  Hände  von  Privaten,  grossen- 
theils  nach  Düren,  gelangt.  Es  durchschnitten  sich  hier,  ein 
Dreieck  einschliessend,  drei  Strassen,  nämlich  ausser  der  in 
Rede  stehenden  eine  zweite,  von  der  Maas  bei  Venlo  südwärts 
nach  der  P^ifel,  und  eine  dritte  von  Köln  über  Düren  und  Mont- 
joie  gleichfalls  nach  der  Eifel-.  Inner-  und  ausserhalb  dieses 
Dreiecks  liegen  in  weiter  Ausdehnung  die  römischen  Alterthums- 
reste,  und  es  macht  ganz  den  Eindruck,  als  hätten  hier  zur 
Römerzeit  zwei  Ortschaften  neben  einander,  und  zwar  an  zwei 
verschiedenen  Strassen  bestanden,  nämlich  die  eine  an  der  Süd- 
ostseite unserer  Strasse,  nach  Rölsdorf  zu,  die  andere  auf  der 
Nordwestseite,  nach  Derichsweiler  hin^ 


>)  Bonner  Jahrbttcher  XXIX  und  XXX,  S.  66. 

*)  Diese  Strassen  sind  gezeichnet  in  der  Karte  des  5.  Heftes  der  alten 
Heer-  und  Handels  wcf^e. 

*)  Ein  solcher  Fall,  dass  zwei  Römerorte  nahe  bei  einander  zu  liejjen 
kamen,  konnte  sich,  wenn  auch  nur  selten,  dadurch  ereignen,  dass  jede 
Strasse  ihre  eigenen  Mansionsgebäude  hatte,  die  in  regelmässigen  Abständen 
von  einander  lagen.  Wo  nun  zwei  Römerstrassen  zusammen  liefen,  konnte 
es  sich  treffen,  dass  auch  zwei  ihrer  Mansionen  nahe  neben  einander  zu 
liegen  kamen,  und  aus  den  Mansionen  bildeten  sich  später  Ortschaften.  Wir 
werden  bei  einer  andern  Gelegenheit  zeigen,  dass  derselbe  Fall  atich  bei  den 


Bömcr^trasseu  im  Regierungsbezirk  Aaeheu.  69 

Nun  findet  sich  in  der  Peutingerschen  Tafel  eine  Stelle, 
wo  die  Namen  zweier  Stationen  dicht  neben  einander  verzeichnet 
sind,  nämlich  auf  der  Route  von  Rlieims  nach  Köln.  Die  Namen 
dieser  Kömerorte  sind  „Ozunerica"  und  ,,Lindesina**  *,  und  es 
wird  die  naheliegende  Vermuthimg  zu  prüfen  sein,  ob  die  an- 
gezeigten Römerorte  bei  Gürzenich  mit  den  in  der  Tafel  neben 
einander  genannten  Orten  „Ozunerica*  und  „Lindesina"  identisch 
sind,  oder  mit  andern  Worten,  ob  die  römische  Fundstätte  bei 
Gürzenich  aul*  der  Route  der  Tafel  von  Rheims  nach  Köln  liegt 
und  ob  die  in  der  Tafel  enthaltenen  Entfernungsangaben  damit 
stimmen.  Es  wird  zunächst  daran  zu  erinnern  sein,  wie 
wir  zu  wiederholten  Malen  nachzuweisen  gesucht  haben  ^,  dass 
die  römischen  Itinerarien  im  Allgemeinen  nicht  Strassen,  son- 
dern Routen  (Marschlinien)  enthalten,  die  bald  auf  der  einen, 
bald  auf  einer  andern  Strasse  laufen  ^.  Nun  liegt  auf  der  Rheims- 
Kölner  Strasse,  auf  welcher  die  Route  der  Tafel  vorher  gegangen, 
die  Station  Tolbiacum  (Zülpich),  über  welchen  Ort  die  Route, 
wenn  sie  der  Rheims-Kölner  Strasse  folgte,  weitergehen  müsste. 
Aber  die  Tafel  enthält  auf  dieser  Strecke  den  Ort  Tolbiacum 
nicht,  woraus  nothwendig  folgt,  dass  die  R(mte  der  Tafel  der 
Rheims-Kölner  Strasse  nicht  über  diesen  Ort  hinaus  bis  Köln 
gefolgt,  sondern  an  einem  gewissen  Punkte  vorher  von  der 
Rheims-Kölner  auf  eine  andere  nach  Köln  führende  Strasse 
übergegangen  ist.  Nun  schneidet  die  obengenannte,  aus  der 
Eifel  über  Montjoie  und  Düren  nach  Köln  laufende  Strasse  die 
Rheims-Kölner  bei  BüUingen,  und  es  kann  daher  nicht  zweifel- 
haft sein,  dass  die  Route  an  diesem  Punkte  von  der  Rheims- 
Kölner  auf  die  letztgenannte  Strasse  übergegangen,  da  es  keine 
andere  Strasse  gibt,  welche  die  Rheims-Kölner  Strasse  schneidet 
und  zugleich  nach  Köln  führt.    Da  wir  nun  statt  der  Station 


Etappenlagern  (Mausiouen)  auf  der  rechten  Rheinseite  vorkommt,  wo  sich 
manchmal  ebenfalls  zwei  solcher  Lap^cr  nahe  bei  einander,  aber  an  verschie- 
denen Strassen,  vorfinden. 

*)  Dies  sind  die  richtigen  Lesarten,  wie  sie  bereits  in  der  Ausgabe  von 
Desjardins  und  neuerdings  in  der  von  Miller  enthalten  sind.  Die  altern 
Lesarten  Munerica  und  Indesina  sind  unrichtig. 

^)  8.  die  alten  Heer-  und  Haudelswege,  Heft  2,  3  und  4. 

^)  Diese  Auffassung  des  Verfassers  ist  u.  A.  auch  von  dem  neuesten 
Herausgeber  der  Peutingerschen  Tafel,  Professor  Dr.  Miller  in  Stuttgart, 
als  die  richtige  bestätigt  worden.  Vgl.  K.  Miller,  Die  Weltkarte  des 
Castorius  jjenannt  die  Peutingersche  Tafel,  Ravensburg  1888,  S.  8L 


70  J.  Schneider 

Tolbiacum,  welche  auf  der  Rheims-Kölner  Strasse  liegt,  in  der 
Tafel  den  Doppelort  Ozunerica-Lindesina  finden,  so  kann  es 
ebenso  wenig  zweifelhaft  sein,  dass  Ozunerica-Lindesina  auf  der 
Montjoie-Düren-Kölner  Strasse,  auf  welcher  nunmehr  die  Route 
nach  Köln  ging,  gelegen  hat,  also  auf  derselben  Strasse,  an 
welcher  auch  Gürzenich  liegt  ^  Prüfen  wir  nun  weiter  die  Ent- 
fernungsangaben der  Tafel.  Die  Entfernung  von  Lindesina  nach 
Köln  beträgt  nach  der  Tafel  16  Leugen  =  48000  Schritt  und 
die  Entfernung  von  Gürzenich  bis  Köln  beträgt,  hinreichend 
damit  übereinstimmend,  50  000  Schritt.  Für  das  neben  Lindesina 
gelegene  Ozunerica  hat  die  Tafel  die  Entfemungszahl  VI.  Da 
aber  Ozunerica  ebenso  weit  von  Köln  entfernt  war,  wie  Lin- 
desina, indem  beide  neben  einander  lagen,  so  muss  man  annehmen, 
dass  die  Zahl  X  ausgefallen,  und  auch  hier,  wie  bei  Lindesina, 
ursprünglich  die  Zahl  XVI  stand  *.  Wir  glauben  damit  gezeigt 
zu  haben,  dass  an  der  Identität  der  Ansiedlungen  bei  Gürzenich 
und  des  Doppelorts  Ozunerica-Lindesina  nicht  gar  zu  viel  aus- 
zusetzen ist.  Sogar  der  Name  „Ozunerica"  scheint  auf  Gürzenich 
hinzuweisen,  da  dieses  in  altem  Urkunden  „Gorzenic**  heisst*, 
so  dass  es  scheint,  als  habe  in  der  Tafel  ursprünglich  „Gorzu- 
nerica"  statt  „Ozunerica**  gestanden,  wovon  leicht  „Gorzenic" 
und  dann  „Gürzenich**  abzuleiten  ist. 

Die  zweite,  ebenfalls  von  der  Maas  kommende  und  über 
Heerlen  durch  Aachen  führende  Strasse  ist  ein  Zweig  einer 
nördlich  von  St.  Vith  von  der  Rheims-Kölner  abgehenden  Strasse, 
und  bietet  dadurch  ein  besonderes  Interesse,  dass  eine  Route 
des  Antoninischen  Itinerars  eine  kurze  Strecke  weit  auf  der- 
selben läuft.  Diese  Route  geht  nämlich  auf  einer  vom  Rhein  bei 
Xanten  über  Sonsbeck,  Kaldenkirchen  und  Tüdderen  führenden 


*)  Der  gelegentlich  bei  Tacitus  (Hist.  IV,  28)  genannte  Ort  Marcodoram 
(Düren)  lag  ebenfaUs  auf  dieser  Eoute,  wird  aber  in  der  Tafel  darum  nicht 
genannt,  weil  er  ein  übierdorf  war,  wo  sich  keine  römische  Mansion  befand, 
weshalb  dort  auch  niemals  römische  Alterthümer  gefunden  wurden;  die  Mansion 
und  der  zugehörige  Römerort  lagen  daneben,  bei  Gürzenich. 

•)  Vielleicht  hat  ein  späterer  Abschreiber  absichtlich  die  Korrektur  VI 
statt  XVI  vorgenommen,  in  der  Meinung,  dass  beide  Orte  eine  Strecke  aus- 
einander gelegen  (wie  ja  auch  noch  heutzutage  gewöhnlich  angenommen  wird), 
so  dass  er  die  doppelt  vorkommende  Zahl  XVI  ftlr  ein  Versehen  eines  frühem 
Abschreibers  halten  musste. 

')  Herimannus  de  Gorzenic  im  J.  1192  s.  Aunalen  des  hist.  Vereins  f.  d. 
Niederrhein  XLID,  S.  2. 


Strasse;  jenseits  des  letztern  Orts,  b*ri  SiiianL  wird  diose 
Strasse,  die  bis  Falkenbarz  weiterfahrt,  von  der  in  Erde  stehen- 
den dorchschnltteD.  und  n:Ln  geLt  die  Eoute  des  Itiaerars  t.'ü 
dem  Darchsclmittsp:inkt  an  auf  unsere  Strasse  ül»er  und  läuft 
auf  derselben  bis  nach  Heerleü,  wo  die  letztere  von  der  Mastriobt- 
Kölner  Strasse  ge-i:hnineü  wird.  Von  dem  Durchschnitt >i<i:ikt 
läuft  dann  die  Bo  ^te  zuletzt  ül»er  J  iüch  nach  Köln  *.  Wir  haben 
hier  ein  recht  handgreifliches  Beispiel  zur  Bestätig^msr  unserer 
eben  angezogenen  Behau[»tuD£r,  dass  das  It int-rarium  im  Allgemeinen 
nicht  Strassen,  sondern  Beisentuten  aniribi,  die  auf  verschiedenen 
Strassen  von  einer  zur  andern  gehen,  indem  wohl  Niemand  zugeben 
wird,  dass  die  Bömer  zwischen  Xanten  und  Köln  eine  Strasse 
angelegt,  die  von  dem  erstem  Orte  bis  in  die  Gegend  von 
Aachen  und  dann  in  einem  R.tgen  zurück  nach  Köln  geführt 
habe. 

Die  dritte  durch  Aachen  laufende  Strasse  kommt  gleichfalls 
von  der  Maas,  bei  Boermond-,  geht  südlich  über  Eupen  nach 
Maison  Hestreux,  und  die  fernere  Untersuchung  hat  ergeben, 
dass  sie  hier  nicht  abzweigte,  sondern  weiter  über  Kapelle  Fisch- 
bach und  zwar  zuerst  über  die  Hochfläche  an  Xhofl'raix  vorbei 
und  zuletzt  durch  das  Thal  der  Warche  nach  Mahnedy  zieht.  Von 
diesem  Orte  lauft  sie  dann  in  südlicher  Bichtung  weiter  nach  Pont, 
wo  sie  die  Warche  überschreitet,  hierauf  rechts  neben  der  Chaussee 
bis  zur  Kaiserbaracke,  von  wo  sie  mit  der  Chaussee  über  St.  Vith, 
nachdem  sie  die  südöstliche  Bichtung  angenommen,  nach  Breit- 
feld, Winterspelt  und  Habscheid,  dann  über  das  Thal  der  Prüm 
nach  Pronsfeld  fuhrt.  Sie  hält  in  ihrem  Laufe  stets  die  Wasser- 
scheiden ein  und  weicht  an  mehrern  Stellen  bald  rechts,  bald 
ünks  von  der  Chaussee  ab.  Von  Pronsfeld  zieht  sie  über  Lune- 
bach  nach  Pintesfeld  und  Waxweiler,  dann,  wie  bisher  stets  die 
Wasserscheide  innehaltend,  über  Greimelscheid,  Ober-  und  Nieder- 
weiler  nach  der  Trier-Bonner  Heerstrasse,  die  sie  nördlich  von 
Bitburg  erreicht.  Die  Strasse  ist  von  zahlreichen  römischen 
Alterthümern  begleitet:  ausser  den  bekannten  zu  Odilienberg, 
Aachen,  Eupen,  Malmedy  und  St.  Vith  wurden  in  dem  fernem 
Verlauf  auch  römische  Ueberreste  an  der  Oertlichkeit  „auf 
Lochen",  westlich  von  Habscheid  3,  ebenso  östlich  des  genannten 

*)  S.  die  Karte  zu  Heft  5  der  alten  Heer-  und  Handelswege. 
")  S.  die  Karte  zu  Heft  5  der  alten  Heer-  und  Handelswege. 
')  Bormann,  Beitrag  zur  Geschichte  der  Ardennen  H,  S.  107. 


72  J.  Schneider 

Ortes  „auf  dem  Einrieb"^,  ferner  zu  Pronsfeld*,  Waxweiler' 
und  Greimelscheid  *  entdeckt. 

Die  vierte  Strasse  kommt  von  der  Maas  bei  Lüttich,  geht 
in  nordöstlicher  Richtung  durch  Aachen  nach  Jülich  und  ist  in 
ihrem  fernem  Laufe  bereits  früher  beschrieben  und  gezeichnet  ^. 
Sie  zieht  in  nördlicher  Richtung  über  Gladbach  und  Goch,  setzt 
bei  Cleve  über  den  alten  Rhein  und  zieht  dann  jenseits  des 
Stromes  über  Elten  die  Yssel  hinab  zur  Zuidersee  hin. 

Von  allen  vier  Strassen  lässt  sich  bis  jetzt  keine  als  eine 
Hauptstrasse  erweisen,  obgleich  sie  zum  Theil  eine  nicht  unbe- 
deutende Länge  besitzen.  Die  erste  —  von  Mastricht  nach 
dem  Rhein  —  hat  wahrscheinlich  ihre  Fortsetzung,  von  Mas- 
tricht aus,  in  der  Römerstrasse,  die  bis  Hasselt,  im  belgischen 
Limburg,  aufgefunden  ist  ^,  und  würde  etwa  die  Richtung  nach 
der  Scheidemündung  haben.  Die  ganze  bis  jetzt  bekannte  Länge 
der  Strasse  beträgt  11^2  Meilen.  Die  zweite  Strasse,  welche 
von  der  sogenannten  Kupferstrasse  ab  zur  Maas  führt,  ist  ent- 
schieden eine  Zweigstrasse,  und  wir  heben  bei  dieser  Gelegen- 
heit die  sehr  beachtenswerthe  Thatsache  hervor,  dass  imter 
den  drei  Strassen,  über  welche  die  oben  genannte  Route  des 
Antoninischen  Itinerars  geht,  sich  zwei  Zweigstrassen  befinden, 
nämlich  ausser  der  vorliegenden,  auch  die  von  Xanten  kommende, 
welche  sich  in  der  Nähe  von  Falkenburg  von  der  Mastricht- 
Kölner  Strasse  abzweigt.  Wir  erkennen  also  auch  hier,  wie  es 
bereits  bei  der  Rheinstrasse  nachgewiesen  ist  \  dass  die  Routen 
der  Itinerarien  nicht  bloss  auf  den  Haupt-,  sondern  auch  auf 
den  Nebenstrassen  laufen.  Wir  machen  aber  auch  femer  die 
wichtige  Beobachtung,  dass  diese  Nebenstrassen  ebensowohl 
wie  die  Hauptstrassen  amtlich  vermessen  und  in  die  offiziellen 
Strassenverzeichnisse  eingetragen  waren,  aus  denen  dann  die 
einzelnen   Routen    in    die    verschiedenen    Itinerarien    mit   den 


*)  Bormann  a.  a.  0.    *)  Bormann  a.  a.  0.  II,  S.  113. 

«)  Bonner  Jahrbttcher  in,  S.  61 ;  XXV,  S.  204. 

*)  Bormann  a.  a.  0.  11,  S.  109. 

^)  S.  die  Karte  zu  Heft  5  der  alten  Heer-  und  Haudelswege;  ferner 
Picks  Monatsschrift  VI,  S.  256  ff.;  Bonner  Jahrbücher  LXXV,  S.  18  ff.; 
LXXVI,  S.  23. 

•)  C.  van  Dessel,  Topographie  des  voies  romaines  de  la  Bclgique, 
Bruxelles  1877. 

0  S.  die  alten  Heer-  und  Handelswege,  Heft  2,  3  und  4. 


Römerstroätfen  im  RegierongHbezirk  Aachen.  73 

Vermessungs-  bezw.  Entferaangsangaben  tiberaomraen  worden 
sind.  Die  bis  jetzt  bekannte  Länge  der  Strasse  beträgt  6Vs  M. 
Die  dritte  Strasse  ist  eine  Zweigstrasse  der  Trier-Bonner  Haupt- 
strasse. Ihr  fernerer  Verlauf  über  Roermond  jenseits  der  Maas 
ist  unbekannt;  die  bis  jetzt  bekannte  Länge  beträgt  21  M. 
Die  vierte  Strasse  endlich,  die  aus  Belgien  bei  Lüttich  von  der 
Maas  kommt,  läuft  dann  über  deutsches  und  holländisches  (Tcbiet 
wahrscheinlich  bis  zu  dem  Kastell  Flevum  an  der  Zuidersee, 
wo  sich  auch  noch  mehrere  andere  Strassen  treffen.  Der  Anfangs- 
punkt der  Strasse  ist  unbekannt;  sie  scheint  aber  eine  Zweig- 
strasse der  Maasstrasse  des  rechten  Ufers  zu  sein,  die  ebenfalls 
nach  der  Zuidersee  ftilul.  Die  Länge  von  Lüttich  bis  zu  ihrem 
Endpunkt  beträgt  ungeföhr  35  Meilen  ^ 

Es  bleiben  noch  zwei  Xebenstrassen  anzuführen,  welche 
von  den  genannten  Strassen  abgehen.  Von  Nr.  4  nämlich  geht 
eine  Nebenstrasse  südlich  von  Goch  ab  über  Geldern  und  an 
den  Rhein  bei  Friemersheim.  Von  dieser  geht  wiederum  ein 
Ann  bei  Tönnisberg  ab  über  Krefeld  und  an  den  Rhein  bei 
Neuss. 

Der  Verfasser  hat  bereits  früher  die  Ansicht  ausgesprochen, 
dass  zu  Aachen,  wo  sich  alle  vier  Strassen  durchkreuzen,  ebenso 
wie  zu  Jülich,  eine  Militärstation  bestand,  die  das  ehemalige 
Vorhandensein  eines  Kastells  voraussetzt.  Als  Hauptgrund 
heben  wir  nochmals  die  nicht-  unbedeutende  Zahl  v(m  Legions- 
stempeln  hervor,  die  hier,  ebenso  wie  in  Jülich,  wo  aus  dem- 
selben Grunde  allgemein  ein  Kastell  angenommen  wird,  gefunden 
worden  sind.  Am  wahrscheinlichsten  wird  man  die  Lage 
dieses  Kastells  auf  der  erhöhten  Fläche  des  Marktplatzes  an- 
nehmen dürfen,  wenn  auch  hier,  ebenso  wenig  wie  zu  Jülich, 
die  Fundamente  bis  jetzt  aufgefunden  sind. 

Zum  Schluss  wollen  wir  noch  diejenigen  Strassenrichtungen 
namliaft  machen,  die  in  dem  folgenden  Abschnitt  zur  nähern 
Besprechung  gelangen  sollen. 


*)  Von  der  Strasse  Nr.  1  wird  die  Strecke  von  Aachen  bin  Düren  aueli 
erwähnt  von  Kessel,  Zeitschrift  des  Aachener  (icHchichts Vereins  I,  S.  75, 
und  die  Strecke  von  Stolberg  bis  Gressenich  von  Üerudt,  ebend.  IV,  S.  179; 
die  Strecke  von  Mastricht  bis  Düren  ist  j^ezeichuet  von  K.  von  Vcith, 
ebend.  VIII,  Karte,  el>enso  von  Nr.  2  die  Strecke  von  Ileerlen  bis  Friesenrath, 
von  Nr.  3  das  Stück  von  Aachen  bis  zur  Mastricht-Kölner  Heerstrasse  und 
von  Nr.  4  das  Stück  zwischen  Aachen  und  der  Alastricht-Kölner  Heerstrasse. 


74  J.  Schneider,  Römerstrassen  im  Regierungsbezirk  Aachen. 

1.  Von  Walerode  über  Jülich  nach  Neuss. 

2.  lieber  Schönecken,  Prüm,  Schönberg  und  Malmedy  nach 
Belgien. 

3.  Ueber  Gondelsheim,  Ormont,  Büllingen   und  Malmedy 
nach  Belgien. 

4.  Ueber  Dalheim,  Elsenborn,  Sourbrodt  nach  Belgien. 

5.  Ueber  Lichtenborn,  Schönberg,  Büllingen,  Montjoie  nach 
Köln. 


Aus  der  Zeit  dar  Fremdherrschaft. 

Ton  E.  Paste. 

IV.    Zur  Geschichte   des   As?tignatenumlaufs   und   des 
Gesetzes  über  das  Maximum  in  der  Aachener  Gegend. 

Nachdem  die  französische  Nationalversammlung  im  April  1790 
die  Verausgabung  von  Papiergeld,  der  sog.  Assignate,  beschlossen 
hatte,  war  sie  im  Laufe  der  folgenden  Jahre  zur  Vermeidung 
des  Staatsbankerotts  genOthigt.  den  Werth  der  Assignate  zu 
einer  fast  unendlichen  Summe  anschwellen  zu  lassen.  Bis  zum 
1.  Januar  1793  waren  für  3600  llillionen  Livres*,  bis  zum 
Herbst  1795  für  27  3Iilliarden  und  bis  zu  der  Anfangs  1796 
auf  immer  geschlossenen  Herstellung  sogar  für  45  Milliarden 
Assignate  ausgegeben  worden*.  Zu  den  echten  Assignaten 
gesellte  sich  eine  grosse  Menge  unechter,  welche  zur  Erzielung 
leichten  Gewinns  meist  im  Ausland  hergestellt  und  namentlich 
von  England  aus  nach  Frankreich  eingeschmuggelt  wurden. 
Anfänglich,  so  lange  die  Assignate  auf  ziemlich  sicherm 
Unterpfand  ruhten  und  Fälschungen  nicht  zu  häufig  waren, 
erfreuten  sie  sich  eines  l>erechtigten  Ansehens,  später  sank 
niit  jeder  neuen  Verausgabung  ihre  Bedeutung  und  ihr  Werth. 
Immer  wirrer,  zerrütteter  und  schrecklicher  gestalteten  sich 
die  Verhältnisse  in  Frankreich.  Seit  März  1793  konnte  die 
Lohnung  der  franzosischen  Armee  nur  in  Assignaten  erfoliren; 
damit  der  Soldat  nicht  verhungere,  wurde  gleichzeitig  Je*ier- 

0  Der  am  1795  eingeführte,  bis  jetzt  unverändert  gebliebene  Frank 
ist  um  etwa  ein  Achtzigstel  grösser  als  die  Livre. 

*)  Die  wenigen  Angaben  über  die  allgemeine  Geschichte  der  Assignate 
ond  da«  Gesetz  des  Maxünnm  entnehme  ich  mei-st  H.  Ton  Sybels  Geschichte 
der  französischen  Kevolution.  Nach  der  Erklärung  Ton  Camus  am  23.  Febraa? 
noe  waren  von  den  45  Milliarden  39  Müliarden  im  Umlauf. 


76  E.  Pauls 

mann  verpflichtet,  bei  Vermeidung  sechsjähriger  Eisenstrafe  ^ 
im  Verkehr  die  Assignate  zu  ilirem  vollen  Nenn  wer  th  anzu- 
nehmen. Die  Folge  war  em  unerhörtes  Steigen  der  Preise  aller 
Lebensmittel.  Diesem  Missstand  suchten  die  Republikaner  durch 
das  Gesetz  des  Maximum  abzuhelfen,  welches  darin  bestand, 
dass  Zwangstaxen '(Maximalverkaufspreise)  für  Lebensmittel  und 
Waaren  festgesetzt  wurden.  Das  Gesetz  erwies  sich  als  unhalt- 
bar, denn  Mangel,  Lähmung  jeder  Thätigkeit  und  Entwerthung 
des  Papiergelds  traten  nimmehr  erst  recht  zu  Tage.  Dem  zu 
Ende  1794  erfolgten  Fall  des  Maximum  reihte  sich  bald  ein 
völliges  Sinken  der  Assignate  an.  Diese  verloren  im  ersten 
Jahr  ihres  Bestehens  nur  4 — 6^/o  gegen  Silber,  um  1791  schon 
8— lO^/o.  Im  November  1792  war  der  Kurs  auf  60  ^/o  des 
Nennwerths  gefallen,  und  nachher  koimten  selbst  Robespierres 
Schreckensmaßregeln  das  Fallen  auf  40  ^/o  nicht  verhindern.  In 
der  letzten  Hälfte  des  J.  17*94  sanken  sie  auf  20 — 16^/o^  dann 
bis  zum  August  1795  auf  2V2%,  bis  zu  Ende  1795  auf  V2^/o, 
und  kurz  vor  der  Vernichtung  der  Assignatenpresse  wurde  für 
100  Franks  Assignate  nur  Vs — V*  Frank  in  Baar  gezahlte 

Die  erste  Besetzung  Aachens  durch  die  Franzosen  (16. 
Dezember  1792 — 2.  März  1793)  fiel  in  eine  dem  Werth  der 
Assignate  nicht  zu  ungünstige  Zeit,  denn  noch  war  das  Papier- 
geld nicht  übermächtig  geworden.  Kaum  eine  andere  Notiz 
findet  sich  daher,  als  die  bald  nach  dem  Abzug  der  Republi- 
kaner erschienene  Anzeige  einer  Handlung  in  Eschweiler,  welche 
sich  erbietet,  Assignate  gegen  Baar  umzuwechseln*.  Wenige 
Wochen  später  wurde  es  anders.  Die  ausschliessliche  Löhnung 
der  französischen  Armee  mit  Papiergeld,  der  demselben  in 
Frankreich  beigelegte  Zwangskurs  und  die  Ueberfluthung  des 
Markts  mit  Assignaten  drückte  deren  Werth  aufs  Aeusserste 
und  rief  im  französischen  Reich  eine  allgemeine  Verarmung 
hervor.  Wo  immer  ausserhalb  Frankreichs  Zeitungen  erschienen, 
meldeten  sie  ihren  Lesern  das  unbeschreibliche  Elend,  welches 


*)  Diese  Strafe  wurde  unter  Robespierrc  auf  20  Jahre  Eisen  erhöht. 

^)  H.  von  Sybcl  u.  A.  geben  22 ^/o  an;  für  unsere  Heimath  dürften 
20— I6<*/o  richtiger  sein,  wie  im  Nachfolgenden  erläutert  wird. 

^)  Die  wichtigsten  der  zahlreichen  Bestimmungen  über  Assignate  finden 
sich  in  dem  Handbuch  über  die  Gesetze  zur  Zeit  der  Fremdherrschaft  von 
Bormann -Daniels. 

*)  Aachener  Zeitung  vom  30.  März  1793. 


Aus  der  Zeit  dor  Fremdherrsohaft,  TT 

die  Assi^atenwirtlischaft  über  Frankreich  f^>l>n\oht  hatte.  Aueh 
des  Papierg-elds  wegen  ging"  der  Schrecken  der  republikauischeu 
Annee  voraus.  Durch  rohe  Misshandlungeu  erzwang'  das  von 
Allem  entblösste  Heer  in  den  von  ihm  eroberten  (.legenden  die 
Annahme  der  Assignate ;  fast  überall  wiederholte  sich  tlas  Spiel, 
dass  sich  die  Kaufläden  nach  dem  Einrücken  der  Franzosen 
schlössen,  um  bald  nachher  zwangsweise  geöifnet  und  gegen 
Assignate  ausverkauft  zu  werden.  Ganz  Belgien  wurde  beim 
Vordringen  der  Republikaner  im  Sommer  1794  mit  Assignaten 
überschwemmt,  seine  öffentlichen  Kassen  mussten  ihren  Baar- 
vorrath  abgeben  und  sich  statt  dessen  mit  Papiergeld  begnügen. 
Jedenfalls  sehr  übertrieben  hiess  es  sogar,  dass  die  Franzosen 
25  Lütticher  Kaufleute  wegen  Verweigening  der  Annahme  von 
Assignaten  theils  erschossen,  theils  zur  Aburtheilung  nach  Paris 
geschickt  hätten  ^ 

Am  23.  September  1794  nahmen  die  Franzosen  Aachen  zum 
zweiten  Mal  in  Besitz.  Nur  mit  Mühe  konnten  die  erbitterten  * 
Republikaner  von  Gewaltthätigkeiten  schlimmster  Art  gegen  die 
wehrlose  Stadt  abgehalten  werden,  sie  setzten  aber  an  die  Stelle 
der  offenen  Plünderung  ein  durchdachtes  Aussaugesystem,  wobei 
das  Papiergeld  nicht  die  kleinste  Rolle  spielte.  Mit  Gewalt 
und  mit  schönen  Worten  wurde  das  Mögliche  zur  Hebung  der 
Assignate  versucht. 

Wir  lesen  nicht,  dass  die  Besitzer  von  Kaufläden  in  Aachen 
die  Annahme  von  Assignaten  nach  dem  Einrücken  der  Franzosen 
beanstandet  hätten.  Ein  solcher,  ohnehin  fruchtloser  Wider- 
stand wäre  angesichts  der  hochgradigen  Erbitterung  wegen 
der  Vorfälle  am  2.  März  1793  der  Stadt  wahrscheinlich  ver- 
hängnissvoll geworden.  Jedenfalls  ging  es  in  Aachen  wie  so 
vielfach  andei-wärts:  die  Läden  waren  bald  ausverkauft  und 
baare  Münze  selten  geworden^.    Schon  am  26.  September  1794 


*)  Aachener  Wahrheitsfreund  vom  29.  August  1794;  vgl.  auch  Aachener 
Zeitung  vom  9.  August  1794  und  unten  S.  96. 

*)  Bei  der  Vertreibung  der  Franzosen  aus  Aachen  am  2.  März  1793  hatten 
sich  die  Einwohner  zu  Gunsten  der  Oesterreicher  in  den  Kampf  eingemischt. 
Vgl.  meinen  Aufsatz  in  Bd.  X  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins. 
^)  In  der  französischen  Armee  war  damals  der  Spottvers: 

^'a  ira,  ga  ira,  ?a  ira 
L'argent  vaut  mieux 
Quc  des  Assignats 
sehr  verbreitet.    Unter   Alwinfninrr  dieses   Liedes   warfen  unmittelbar   nach 


78  E.  Pauls 

erliess  der  Volksrepräsentant  Gillet  vom  Hauptquartier  Burt- 
scheid  aus  eine  Verfügung,  laut  welcher  die  Assignate  dem 
haaren  Geld  für  den  Betrag  ihres  Nennwerths  gleich  sein 
sollten ;  gleichzeitig  wurde  die  Errichtung  eines  „ Verifikations- 
Bureaus**  im  Hause  des  Bürgers  Massardo  in  der  Komphaus- 
badstrasse  angeordnete 

Man  prüfte  in  diesem  Bureau  die  Assignate  auf  ihre  Echt- 
heit, wobei  falsche  ohne  Weiteres  angehalten  wurden.  Später 
reiste  sogar  ein  eigens  angestellter  Beamter  in  die  benachbarten 
Gemeinden,  um  auch  dort  eine  solche  Prüfung  vorzunehmend 

Für  Aachen  und  seine  nächste  Umgebung  mag  diese  Maß- 
regel doppelt  nothwendig  gewesen  sein,  denn  Niemand  anders 
als  —  Danton  und  Lacroix  hatten  früher  daselbst  eine  Fabrik 
falscher  Assignate  angelegt^,  auch  liessen  Aachens  Handels- 
beziehungen zu  England  den  Umlauf  von  vielem  falschen  Papier- 
geld ahnen.  Besondern  Vertrauens  dürfte  sich  das  Bureau 
schwerlich  zu  erfreuen  gehabt  haben,  denn  in  Aachen  wird  es 
wie  in  Bonn  gewesen  sein,  wo  man  allgemein  glaubte,  falsche 
und  echte  Assignate  würden  mit  Beschlag  belegt*. 

Der  ersten  Verfügung  über  die  Assignate  folgten  bald 
viele  andere.  Jedenfalls  unter  dem  Druck  der  Gewalt  bestimmte 
der  Aachener  Rath  am  10.  Oktober  1794,  dass  bei  der  Ausgabe 
und  Einnahme  der  Pfander  im  Lombard  die  Assignate  „vollen 
Lauf"  haben  sollten*.  Wie  es  scheint,  wimmelte  es  damals 
von  falschen  Assignaten,  denn  die  Rathsverordnung  trifft  Maß- 
regeln zur  Verhütung  der  Annahme  von  Fälschungen.   Eine  Vor- 


der Einnahme  einer  Stadt  die  Franzosen  Assignate  auf  die  Tische  der  Kauf- 
läden, kauften,  was  ihnen  gefiel,  und  waren  mit  jeder  ihnen  zur  Ausgleichung 
gegebenen  klingenden  Münze  zufrieden.  Vgl.  die  Schilderungen  bei  W.  Hesse, 
Geschichte  der  Stadt  Bonn  während  der  französischen  Herrschaft  S.  89,  40, 
41  und  52.  Das  Qa  ira  findet  sich  auch  in  unserer  Gegend  als  Gesang  der 
Franzosen  in  den  Laufgräben  vor  Mastricht  erwähnt. 

')  Aachener  Zuschauer  1794,  Nr.  117,  S.  934.  Zu  der  hier  angedeuteten 
Bekanntmachung,  laut  welcher  auf  Verbreitung  oder  Verhehlung  falscher 
Assignate  die  Todesstrafe  stand,  bemerkt  Quix:  „welches  sich  doch  hier  nie 
ereignet  haf*. 

')  So  in  Komelimtlnster,  wie  aus  urkundlichem  Material  hervorgeht. 

•)  Milz,  Programm  des  Königlichen  Gymnasiums   zu  Aachen  1871/72, 

Q      11 

Tesse  a.  a.  0.  S.  55. 
Wochenblatt  fUr  Aachen  und  Umgegend  1837,  Nr.  1,  S.  1. 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  79 

Ordnung  vom  selbigen  Tage  *  brachte  den  Aachenern  eine  Probe 
vom  Gesetz  des  Maximum.  „Missföllig'',  so  heisst  es,  ,, vernimmt 
die  Munizipalität,  dass  vielfach  die  Preise  der  Lebensmittel 
^willkürlich  tibertrieben  werden,  Jedermann  weiss  doch,  dass 
die  Assignate  dem  Baargeld  gleichwerthig  sind.  Bis  auf  Weiteres 
stellen  wir  daher  für  die  unentbehrlichsten  Lebensbedürfnisse 
folgende  Preise,  welche  in  Assignaten  zu  verstehen,  anzunehmen 
und  zu  zahlen  sind,  fest  u.  s.  w.**  Augenscheinlich  hatte  sich  also 
bereits  ein  gewisser  Assignatenhandel  bemerkbar  gemacht  und 
eine  bedeutende  Vertheuerung  der  Lebensmittel  hervorgerufen. 
Maueranschläge  und  Bekanntmachungen  in  den  Zeitungen 
brachten  im  Oktober  die  lange  Verfügung,  welche  die  Volks- 
repräsentanten bei  der  Nord-Sambre-  und  Maasarmee  am  14. 
August  1794  zu  Brüssel  als  Richtschnur  für  die  Verwaltung 
der  eroberten  Gebiete  erlassen  hatten*.  Die  hier  gegebenen 
Vorschriften  über  den  Umlauf  der  Assignate  machen  den  Ein- 
druck einer  schamlosen  Erpressung.  Papiergeld,  dessen  Ver- 
silberung zu  einem  Fünftel  des  auf  ihm  verzeichneten  Betrags 
kaum  möglich  war,  erhielt  zum  vollen  Nennwerth  Zwangskurs 
bei  allen  Zahlungen.  Dagegen  wurden  alle  Pfandhäuser  ihrer 
goldenen  und  silbernen  Werthsachen,  alle  öffentlichen  Kassen 
ihres  Baarvorraths,  selbst  die  Notare  und  Bankhäuser  der 
ihnen  anvertrauten  Gelder  beraubt,  um  statt  dessen  Assignate 
zu  erhalten.  Zur  Erreichung  dieses  Zwecks  waren  Haus- 
suchungen zulässig,  und  „um  der  Preiserhöhung  vorzubeugen, 
womit  Uebelgesinnte  wegen  des  Umlaufs  der  Assignate  die 
Waaren  und  Lebensmittel  des  Landes  belegen  dürften,  soll  das 
für  die  Stadt  Lille  festgesetzte  Maximum  vorläufig  in  den 
eroberten  Ländern  befolgt  werden,  bis  ein  besonderes  Maximum 
für  diese  Länder  verkündigt  sein  wird^."  Selbstredend  ist  in 
der  Verfügung  von  Leistungen  aller  Art,  darunter  sogar  von  der 
Lieferung  von  Gemälden  für  das  „Innere*'  der  Republik  die  Rede, 
und  vorsichtig  heisst  es,  dass  Zahlungen  in  Assignaten  bei  den 
von  den  Generälen  ausgeschriebenen  Geldkontributionen  unzu- 
lässig seien. 


*)  Wochenhlatt  1837,  Nr.  2,  S.  5. 

»)  Wochenhlatt  1837,  Nr.  74,  S.  296  ff. 

')  Die  ähnhche  Verfügung  der  Volksrepräsentanten  Haussmann,  Fr§cine 
und  Jouhert  (Köln,  14.  November  1794)  brachte  für  die  Assignate  die  gleichen 
Bestimmungen. 


80  E.  Pauls 

Hiermit  war  es  um  das  Ansehen  der  Assignate  bei  der 
Bevölkerung  geschehen,  denn  die  Absicht  der  Täuschung  lag 
gar  zu  klar  zu  Tage.  War  wirklich  das  Papiergeld  trotz 
seines  niedrigen  Kurses  vollwichtig,  so  brauchte  nicht  alles 
Baargeld  kraft  des  Rechts  des  Stärkern  den  öffentlichen 
Kassen  entnommen  zu  werdend  Es  befremdete  und  erbitterte 
anderseits,  dass  die  Kriegssteuem  in  Baar  gezahlt  werden 
mussten,  dass  alle  werthvollen  Metalle,  sogar  Medaillen  und 
Orden  früherer  Zeiten  ^  nach  Paris  in  die  Münze  wanderten, 
und  dass  vor  der  Münzschmelze  Kirchenglocken  ^,  Kirchensilber 
und  selbst  Metallsärge  nicht  sicher  waren.  Gegen  die  Logik 
der  Thatsachen  und  das  deshalb  sehr  berechtigte  Misstrauen 
kämpften  alle  schönen  Redensarten  und  Versprechungen  der 
Republikaner  um  so  mehr  vergeblich,  als  recht  bald  die  bitterste 
Noth  der  Verdrängung  des  Baargelds  auf  dem  Fusse  folgte. 

Ende  Oktober  1794  setzte  der  Volksrepräsentant  Fr6cine 
zu  Aachen  eine  Centralverwaltung  für  die  Länder  zwischen 
Maas  und  Rhein  ein,  deren  Rechte  und  Pflichten  öffentlich 
bekannt  gemacht  wurden  *.  Wie  aus  der  Verfügung  hervorgeht, 
bestand  damals  schon  ein  Revolutionstribunal  zu  Aachen, 
welches  namentlich  Vergehen  gegen  die  Gesetze  über  Assignate 
und  den  Preis  der  Lebensmittel  bestrafte.  Wenige  Tage  später 
wandte  sich  die  neu  errichtete  Centralverwaltung  mit  einer 
pomphaften  Ansprache  an  ihre  Mitbürger.  Während  der  Hunger- 
tod an  die  Thür  klopfte,  wagte  es  diese  Behörde,  ihre  Ansprache 
mit  einem  Hinweis  auf  die  Morgenröthe  des  schönen  Tages, 
welcher  jetzt  angebrochen  sei,  zu  beginnen.  Bezüglich  der 
Assignate  warnte  die  Centralverwaltung  vor  den  elenden 
Wucherern  und  Betrügern,  die  sich  bemühten,  die  Bürger 
gegen   diese  Münze  der  Freiheit   aufzuwiegelnd     „Wirklich*', 


*)  Nach  der  Anfangs  1796  erschienenen  Denkschrift  von  Bouget-Vossen- 
Cromm  hat  diese  Bestimmung  die  Kassen  der  Waisen-  und  Armeninstitute, 
sowie  der  Gemeinden  zwischen  Maas  und  Rhein  um  3  Millionen  Livrcs  in 
Baar  gebracht. 

*)  Beschlttss  der  Centralverwaltung  im  J.  1795,  wie  aus  urkundlichem 
Material  zur  Geschichte  Kornelimünsters  hervorgeht. 

^  Kaum  bekannt  ist  es,  dass  die  Seile  der  Kirchenglocken  in  der 
französischen  Marine  Verwendung  fanden  (Aachener  Zuschauer  1795,  S.  256). 

*)  Aachener  Zuschauer  1794,  Nr.  130  und  131. 

^)  An  die  schönen  Worte  über  den  Werth  der  Assignate  haben  wohl 
manche    Mitglieder    dieser   Behörde    selbst    nicht    geglaubt.     Nachweislich 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  81 

SO  heisst  es,  „sind  Viele  von  euch  so  verblendet  zu  glauben, 
dass  diese  Nationalmünze  ihr  Eigenthum  vernichten  werde. 
Trauet  den  Verräthem  nicht!  Bald  wird  die  Republik  uns 
als  ihre  Kinder  aufnehmen,  unserm  Handel  ihre  Heerstrasse 
öffnen,  und  dann  werden  diese  Assignate  unser  Reichthum 
sein.  Denkt,  wie  unendlich  die  Sicherheit  der  Assignate 
sei,  da  das  ganze  Vermögen  einer  freien,  biedern  Nation 
dafür  haftet.  Sollten  sich  aber  Frevler  finden,  welche  diese 
Nationalmünze  nicht  annehmen,  vermindern  oder  verschreien 
wollten,  oder  welche  gegen  das  Gesetz  des  Maximum  handeln 
würden,  so  wird  das  Revolutionsgericht  schrecklich  mit  den 
Schuldigen  verfahren!"  Offen  wird  hier  zugegeben,  dass  die 
Bevölkerung  den  Assignaten  misstraute,  und  noch  deutlicher 
sagt  eine  Verfügung^  vom  8.  November  1794:  „Unsere  Mit- 
bürger haben  trotz  aller  brüderlichen  Ermahnungen  das  Gesetz 
über  die  Gleichwerthigkeit  von  Assignaten  und  baarem  Gelde 
nicht  befolgt.  Aber  nun  wird  das  fürchterliche  Revolutions- 
gericht zur  Bestrafung  der  Frevler  aufwachen;  nur  der  Böse- 
wicht verkennt  die  Pflicht,  seinem  darbenden  Mitbruder  zu 
helfen,  nur  Irrthum  und  Verblendung  träumt,  dass  die  Assig- 
nate keinen  innern  Münzwerth  haben,  es  haftet  ja  das  Vermögen 
der  ganzen  Nation  dafür!**  Doch  vergebens  waren  Ermahnungen 
und  Drohungen.  Am  15.  November  erklärte  der  Nationalagent 
Driessen  *,  dass  Uebelgesinnte  nicht  aufhörten,  die  Assignate  in 
Misskredit  zu  setzen  und  ihre  Annahme  zu  verweigern.  Hierdurch 
würden  die  Lebensmittel  so  vertheuert,  dass  die  arbeitende 
Klasse  ihren  Unterhalt  nicht  mehr  zu  erwerben  im  Stande  sei. 
Driessen  setzte  deshalb  zu  Aachen  einen  Obhutsausschuss  *  ein, 

wandte  sich  im  J.  1795  der  Vertreter  Kornellmünsters  in  der  Centralver- 
waltnng  an  die  Munizipalität  daselbst  mit  dem  erfolgreichen  Gesuch  um 
Oeld.  Er  habe,  so  führte  er  an,  sein  Gehalt  in  Aachen  nur  in  gering- 
werthigen  Assignaten  erhalten  und  Schulden  machen  müssen.  Ohne  Zweifel 
haben  damals  viele,  ausschliesslich  mit  Assignaten  besoldete  Beamte  bitter 
darben  müssen;  für  einzelne -dagegen  wird  wohl  von  der  haar  gezahlten 
Kriegssteuer  etwas  „erübrigt"  worden  sein. 

')  Beschluss  der  General-Administration  von  Aachen,  Jülich  u.  s.  w., 
betreffend  die  Festsetzung  der  Preise  der  Lebensmittel. 

»)  Wochenblatt  1837,  Nr.-  95,  S.  881. 

*)  Ueber  die  Wirksamkeit  der  beiden  bald  aufgehobenen  Behörden,  des 
Revolutionstribunals  und  des  Obhutsausschusses,  findet  sich  kaum  etwas  anders 
verzeichnet,  als  dass  sie  sich  im  Januar  1795  aus  den  KeUem  der  Aus- 
gewanderten mehrere  Ohm  Wein  verabfolgen  Hessen. 

6 


82  E.  Pauls 

dessen   Pflicht   es   war,   über   den   Umlauf  der  Assignate   zu 
wachen. 

Nochmals  forderte  im  November  1794  die  Centralverwaltung 
die  Stadt-  und  Landbewohner  im  Namen  des  Gesetzes  auf,  die 
Assignate  zu  ihrem  vollen  Werthe  anzunehmen.  „Wir  bemerken 
euch  nur,"  so  hiess  es,  „dass  es  nichts  als  die  Erfüllung  der 
ersten  Menschenpflicht  ist,  diese  Nationalmünze  von  dem  Mit- 
bürger als  Zahlung  anzunehmen  ^"  Inzwischen  hatten  die 
schonungslosen  Requisitionen,  sowie  namentlich  auch  das  Papier- 
geld eine  furchtbare  Noth  in  Aachen  und  seiner  nächsten  Um- 
gebung hervorgerufen  *.  Der  Frucht-  und  Viehhandel  stockte ', 
weil  Niemand  gewillt  war,  Papiergeld  zum  Sechsfachen  seines 
Werths  in  Zahlung  zu  nehmen.  Auch  die  Preisbestimmung 
der  Lebensmittel  konnte  deren  Beschaffung  nicht  erleichtern; 
manche  Geschäfte  gingen  ein,  andere  erklärten  sich  zur  Erneue- 
rung ihrer  Vorräthe  ausser  Stande.  „Hier  herrscht  grenzen- 
loses Elend",  meldete  die  Munizipalität  von  Kornelimünster 
nach  Aachen,  und  in  der  alten  Reichsstadt  selbst  war  es 
schon  im  November  1794  so  weit  gekommen,  dass  36  Bäcker 
der  Stadt  täglich  von  der  Munizipalität  36  Malter  Frucht  zur 
Speisung  ganzer  Reihen  von  Bedürftigen  erhielten,  wobei 
Soldaten  die  Ordnung  aufrecht  halten  mussten  *.  Schlicht  meldet 
zum  Advent  1794  das  Tagebuch  des  Priesters  und  Rechts- 
gelehrten Forst  zu  Kornelimünster:  „Hier  ist  öffentlich  ver- 
kündigt worden,  dass  Jedermann  die  französischen  Assignate 
so  wie  baares  Geld  annehmen  müsste.  Diesem  ingefolg  wurden 
den  Wirthen  ihre  Weine  und  Biere,  den  Bäckern  ihr  Brod  für 
Assignate  abgeholt.  Das  Papiergeld  macht  viele  grosse  Unge- 
rechtigkeiten. Die  Schuldner  bezahlen  damit  ihre  Obligationen, 
der  Gläubiger  verliert  aber  dabei  */«  seiner  Forderung.  Waaren 
und  Lebensmittel  können  mit  Papier  entweder  gar  nicht   oder. 


>)  Wochenblatt  1837,  Nr.  104,  S.  417. 

»)  Milz  a.  a.  0.  S.  14. 

")  Bericht  der  ManizipaUtät  von  Kornelimünster;  Wochenblatt  1837, 
Nr.  113,  S.  453. 

*)  Wochenblatt  1837,  Nr.  108,  S.  433  und  Nr.  111,  S.  445.  Abgesehen 
von  den  aus  milden  Stiftungen  untersttttzten  Armen  wies  die  Armenliste  aus 
jeder  der  neun  Grafschaften  Aachens  200  (!)  der  bedürftigsten  Haushaltungen 
auf.  Aehnlich  war  es  in  Paris  selbst,  wo  die  Bäckerläden  an  jedem  Morgen 
von  Schaaren  hungeriger  und  frierender  Bettler  umlagert  wurden. 


Aas  der  Zeit  der  Fremdherrscliaft.  8d 

wenn  Zwang  hinzukommt,   anders  nicht  als  fünfmal  so  theuer 

eingekauft  werden Unser  Elend  dauert  noch  fort  und 

es  ist  kein  Ansehen  zum  Ende  ^^ 

Statt  Erleichterungen  brachte  der  Dezember  1794  der 
schwer  heimgesuchten  Aachener  Gegend  nur  weitere  Bedrückun- 
gen. Immer  noch  suchten  die  Republikaner  den  Umlauf  und 
Werth  der  Assignate  in  jeder  Weise  zu  heben,  legten  aber 
ausserdem  ein  Hauptgewicht  auf  die  Befestigung  der  stärksten 
Stütze  der  Assignate,  das  Gesetz  des  Maximum.  Eine  Reihe 
von  Bestimmungen*  setzte  den  äussersten  Preis  von  Lebens- 
mitteln und  Waaren  fest,  und  den  Munizipalitäten  wurde  aufge- 
geben, auf  den  Umlauf  der  Assignate  und  die  Beobachtung  der 
Bestimmungen  über  das  Maximum  ein  besonderes  Augenmerk 
zu  richten'.  Die  seitherigen  Mitglieder  des  Obhutsausschusses 
in  Aachen  erhielten  ihre  Entlassung*,  zwölf  andere  traten  an 
ihre  Stelle.  Offen  gab  die  Behörde  den  herrschenden  Frucht- 
mangel und  die  Noth  zu.  Es  mangelte  an  Seife,  Salz,  Oel, 
Kohlen  und  Lichtern  *,  die  Aachener  Munizipalität  konnte  Abend- 
sitzungen nicht  mehr  abhalten.     „Wir  sind  ohne  Brod,    ohne 


')  An  einer  andern  SteUe  seines  Tagebuchs  spricht  Forst  Ton  ganzen 
Prozessionen  von  Bettlern,  weiche  damals  durch  die  Strassen  Korneliinünsters 
zogen.  An  einzelnen  Tagen  erschienen  an  Forsts  Thür  80ü  -ÖOÜ  Anno. 
Die  Angaben  von  Forst  sind  auch  deshalb  von  Intorosso,  weil  sie  beweisen, 
dass  die  Bestimmnngen  über  das  Maximum  und  die  Assignate  bei  uns  genau 
dieselben  Zustände  im  Gefolge  gehabt  hatten  wie  in  Frankreich,  nämlich,  abge- 
sehen von  Verarmung,  eine  Untergrabung  des  RochtngefUhls.  Hierüber  hiesi  es 
im  Konvent  selbst:  „AUe  öffentlichen  und  Privatverträge  sind  allmähücli  in 
Verwirrung  gerathen.  Die  Staatsgläubiger,  die  offen tlidum  Beamten,  die 
Eigenthümer,  welche  ihre  Grttnde  in  Pacht  gegeben  haben,  erhalten  weit 
weniger  als  die  ihnen  gebührenden  Beträge.  Alle,  welche  Zahlungen  zu 
leisten  haben,  gewöhnen  sich  dabei  an  eine  Unredlichkeit,  welche  sie  sogar 
sich  nicht  mehr  vorwerfen,  und  schieben  die  Hchuld  auf  die  ZeitverhältniHNe 
und  die  Zufälle  der  Revolution.  Diejenigen,  welche  (ield  zu  oinpfaugen 
haben,  sehen  ihr  Vermögen  zu  Grunde  gehen  und  murren  wider  (iesetze, 
welche  die  Öffentliche  Moral  untergraben.  Ks  ist  Zeit,  diem^m  leidigen  System 
ein  Ende  zu  machen.  ** 

*)  Wochenblatt  1887,  S.  461,  480,  525. 

*)  Ebendaselbst  S.  461. 

«)  Ebendaselbst  S.  454. 

*)  Ebendaselbst  S.  460,  464,  480.  Trotz  dieser  Nothlage  wurd(;n  für 
die  in  Aachen  anwesenden  Volksrepräscntanten  zu  Ende  De/ember  OUnse, 
Enten,  Eier,  Schafe,  „Erdäpfel",  Erbsen,  Bohnen,  Sauerkraut,  llahuen,  HlUiner, 
Speck  und  Zucker  gefordert. 

6* 


84  E.  Pauls 

Lichter,  und  aller  Lebensbedürfnisse  beraubt**,  schrieben  die 
Behörden  der  Kantone  Aachen  und  Burtscheid  dem  Volks- 
repräsentanten Joubert  * ;  allen  Ernstes  dachte  sogar  die  franzö- 
sische Armee  an  ihren  Eückzug  aus  dem  gänzlich  erschöpften 
Lande  *.  Eine  Verordnung  Fröcines  vom  8.  Dezember  schädigte 
mit  roher  Gewalt  die  Grundbesitzer  auf  das  Empfindlichste^. 
Sehr  viele  Pachtbriefe  früherer  Jahre  lauteten  nämlich  auf 
Lieferungen  von  Getreide.  Fr6cine  entschied,  dass  die  Eigen- 
thümer  statt  dieses  Getreides  mit  Assignaten  abgefunden  werden 
könnten,  wobei  sie  den  üblichen  Preis  des  Getreides  erhalten 
sollten.  Hierdurch  verloren  die  Grundbesitzer  etwa  ^/,o  der 
Einnahme  aus  solchen  Lieferungen.  Denn  die  zum  vollen  Nennwerth 
ihnen  aufgezwungenen  Assignate  entsprachen  in  Baar  höchstens 
einem  Fünftel  des  auf  ihnen  verzeichneten  Betrags;  anderseits 
stand  trotz  des  Maximum-Gesetzes  das  Getreide  in  der  Regel 
wohl  doppelt  so  hoch,  als  die  festgesetzte  Taxe  betrug. 

Unter  so  traurigen  Verhältnissen  *  verfielen  die  Republikaner 
auf  den  recht  bald  kläglich  gescheiterten  Versuch,  einen  Tempel 
der  Vernunft  in  Aachen  zu  gründen^.  Derselbe  wurde  am 
20.  Dezember  feierlich  eröffnet,  wobei  Portiez  und  Dorsch  die 
Festredner  waren.  Portiez  bat  die  Anwesenden,  den  auf  uner- 
messlicher  Hypothek  beruhenden  Assignaten  ihren  Werth  zu 
geben,  namentlich  aber  den  Landmann  über  die  Güte  dieser 
republikanischen  Münze  aufzuklären.  Nicht  ganz  mit  Unrecht 
schob  Portiez  die  herrschende  Noth  theilweise  dem  Widerwillen 
des  Landmanns  gegen  die  Assignate  zu,  weil  derselbe  lieber  sein 
Getreide  verberge  oder  es  ungedroschen  lasse  ^,  als  dass  er  es 
gegen  Assignate  veräussere.  Dorsch  hatte  die  Stirne,  von  einer 
hauptsächlich  auf  der  ärmern  Klasse  haftenden  scheinbaren 


»)  Ebendaselbst  S.  464. 

*)  Ebendaselbst  S.  454. 

')  Ebendaselbst  S.  465  im  Auszug;  den  Wortlaut  enthält  ein  mir  vor- 
liegendes Flugblatt. 

*)  Erwähnt  sei  noch,  dass  im  Dezember  1794  die  französische  Republik 
die  Aachener  Stadtkasse  mit  Beschlag  belegte.  Zudem  steUte  sich  damals 
heraus,  dass  Aachen  bei  den  anhaltenden  militärischen  Einquartierungen  über 
das  Doppelte  der  gesetzlich  zulässigen  Höhe  belastet  gewesen  war. 

'')  Näheres  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts Vereins  VI,  S.  227. 

•)  Heute  noch  weiss  steUenweise  in  der  Aachener  Gegend  die  Üeber- 
lieferung  zu  berichten,  dass  vor  90—95  Jahren  der  Assignate  und  Requi- 
sitionen wegen  viel  Getreide  verborgen  wurde. 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrscliaft.  85 

Noth  zu  sprechen,  welche  auch  er  auf  das  geringe  Ansehen  der 
Assignate  zurückführte.  „Frankreich",  so  sagte  Dorsch,  „ist 
1 4  000  Millionen  ^  reich,  es  kann  die  Assignate  täglich  einlösen. 
So  lange  ihr  nach  dem  Beispiel  der  Despoten  einen  Unterschied 
macht  zwischen  Assignaten  und  klingender  Münze,  seid  ihr 
keine  echten  Freunde  der  Republik,  aber  Feinde  eurer  dürftigen, 
vom  Ertrag  ihrer  Handarbeit  sich  nährenden  Mitbürger.*' 
Eine  ähnliche  Rede  hielt  am  30.  Dezember  Simeon  im  Aachener 
Vernunfttempel.  Er  sprach  von  schändlichen  Wucherern,  welche 
an  den  Assignaten  500 — 600 °/o  verdienen  wollten;  der  Kurs 
der  Assignate  stand  also  weit  unter  20  ^/o. 

Während  der  Tempel  der  Vernunft  in  Aachen  von  so 
hohlen,  zu  tauben  Ohren  gesprochenen  Redensarten  wieder- 
hallte, war  an  entscheidender  Stelle  in  Paris  eine  merkwürdige 
Wendung  der  Dinge  eingetreten.  Allerdings  dachte  man  im 
Konvent  noch  kaum  an  die  Beseitigung  des  Zwangskurses  der 
Assignate,  aber  die  Aufhebung  des  Gesetzes  des  Maximum  und 
damit  der  bahnbrechende  Schritt  zu  einer  gerechtern  Regelung 
des  Umlaufs  des  Papiergelds  hatte  sich  als  eine  unaufschiebbare 
Nothwendigkeit  herausgestellt  ^  Längst  war  nämlich  das  Maxi- 
raum an  der  Gewalt  der  Thatsachen  gescheitert.  Die  Konvents- 
raitglieder  selbst  übertraten  täglich  dieses  Gesetz,  die  Aufrecht- 
erhaltung des  todten  Buchstabens  lähmte  indess  jeden  Handel 
und  jede  gewerbliche  Thätigkeit.  Am  24.  Dezember  erklärte 
der  Konvent  alle  Preistaxen  für  Waaren  aller  Art  für  aufge- 
hoben. Nunmehr  lag  es  in  der  Hand  der  Verkäufer,  den  Unter- 
schied zwischen  dem  Nenn-  und  Kurswerth  der  Assignate  durch 
die  Forderung  hoher  Preise  passend  auszugleichen,  damit  aber 
war  die  Beseitigung  des  Zwangkurses  des  Papiergelds  nur 
noch  die  Frage  einer  ziemlich  nahen  Zeit  geworden.  An  den 
Verhältnissen  in  Aachen  ging  der  Umschwung  der  Lage  in 
Frankreich  vorläufig  ziemlich  wirkungslos  vorüber.  Wohl  wurde 
bei  uns  die  Aufhebung  des  Maximum  schon  gegen  Ende  Dezember 
bekannt,  aber  bereits  am  4.  Januar  1795  verfügte  der  Volks- 
repräsentant,  dass  in  den  Ländern  zwischen  Maas  und  Rhein 


')  Diese  Zahl  wird  anch  in  andern  Bekanntmachungen  der  damaligen 
Zeit  Tiel  genannt. 

*)  Widerspruchslos  hiess  es  im  Konvent,  das  Maximum  sei  die  Guillotine 
des  Handels  und  habe  den  Ackerbau  getödtet;  bliebe  es  noch  einige  Monate 
bestehen,  so  würde  die  nächste  Märzsaat  in  Frankreich  unterbleiben. 


86  E.  Pauls 

das  Maximum  bis  auf  Weiteres  aufrecht  erhalten  bleiben  sollte'. 
Die  wilden  Fremdlinge  und  herzlosen  Blutsauger,  wie  Milz 
die  damaligen  Republikaner  treffend  nennt,  hatten  keine  Eile, 
der  Aachener  Gegend  Erleichterungen  zu  gewähren  *,  auch  mag 
die  Rücksicht  auf  die  bedeutenden  zwischen  Maas  und  Rhein 
lagernden  französischen  Truppenmassen  auf  diesen  Beschluss  ein- 
gewirkt haben*. 

Die  Ereignisse  des  Januar  1795  waren  für  Aachen  und  seine 
Umgebung  meist  sehr  unerfreulicher  Art.  Mehrere  amtliche  Bekannt- 
machungen reden  von  herrschender  Hungersnoth  und  Elend,  von 
den  geringen  vorhandenen  Hülfsmitteln  zur  Linderung  der  Noth, 
von  „in  Elend  verdorrten  Herzen",  von  ungedroschen  geblie- 
benen Früchten,  von  vielen  unbebaut  gelassenen  Ländereien. 
Es  war  der  Beginn  eines  Jahres,  in  welchem  der  Hungertod  in 
unserer  Heimath  reiche  Ernte  hielt*.  Trotz  der  überaus  trüben 
Zeit  bestanden  indess  die  Republikaner  auf  Leistung  der 
drückendsten  Kriegssteuern  und  auf  Anerkennung  des  Voll- 
werths  der  Assignate.  In  den  ersten  Tagen  des  Januar  wurde 
bekannt  gemacht,  dass  der  Bezirk  der  Verwaltung  zu  Aachen 
mit  einer  Kriegssteuer  von  5  Millionen  Livres,  zahlbar  in 
metallenen  Geldsorten,  belegt  worden  sei^  Zum  ersten  Mal 
seit  der  zweiten  Besetzung  Aachens  wird  bei  dieser  Gelegenheit 
amtlich  zugegeben,  dass  nicht  nur  bei  der  Zahlung  von  Kriegssteuem 
dieklingendeMünzederpapiemenvorzuziehen  sei.  Der  Distriktsver- 
waltung von  Aachen-Jülich  war  nämlich  aufgegeben  worden,  die 
Last  der  5  Millionen  passend  auf  die  einzelnen  Ortschaften  zu  ver- 
theilen.  In  richtiger  Erkenntniss  der  Unmöglichkeit,  eine  so  unge- 
heuere Summe  aufzubringen,  versuchte  diese  Behörde  ein  seltsames 
Mittel.  Sie  stellte  die  Zwangsbeiträge  der  einzelnen  Gemeinden 


*)  Bormann-Daniels  a.  a.  0.  VI,  S.  279. 

*)  Auch  schon  ans  Erbitterung,  denn  sehnsüchtig  wünschte  sich  das 
alte  Eburonenland  die  „Tyrannen''  und  Zustände  zurück,  über  deren  Beseiti- 
gung die  Republikaner  so  laut  jubelten. 

*)  Man  fürchtete  wohl,  dass  bei  Preissteigerungen  die  nur  mit  Assig- 
naten besoldete  Armee  ausser  Stande  sein  werde,  sich  die  nothwendigen 
Lebensbedürfnisse  zu  beschafifen.  Trotzdem  stand  seit  Ende  1794  das  Maximum 
bei  uns  auf  der  Aussterbeliste;  nach  Neujahr  1795  sind  nur  in  sehr  verein- 
zelten FäUen  Zwangspreise  von  Lebensmitteln  verfügt  worden. 

*)  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  VI,  S.  233. 

*)  Aachener  Zuschauer  1795,  Nr.  3,  S.  23.  Diese  unerschwingliche 
Steuer  wurde  später  gemindert;  vgl.  unten  S.  89. 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  87 

fest,  bat  aber  gleichzeitig  unter  Hinweis  auf  die  trostlose  Lage 
die  Besitzer  Ton  baarem  Geld  oder  von  goldenen  und  silbernen 
Gtefässen  um  leihweise  Ueberlassung  bezw.  Genehmigung  der 
Einschmelzung  zu  Gunsten  der  Deckung  der  Kriegssteuer.  Feier- 
lich versprach  sie  dabei,   später  das  Kapital  nebst  den  Zinsen 
in  baaren  klingenden  Münzen  zu  erstattend   Ohne  Zweifel 
blieb  der  Aufruf  ohne  jeden  Erfolg.    Welches  Vertrauen  ver- 
dienten Versprechungen,  nachdem  so  manche  Bestimmungen  über 
das  Maximum  und  das  Papiergeld  noch  so  verbriefte  Rechte  des 
EinzeUien  rücksichtslos  beseitigt  hatten  P  Zudem  wurden  gerade 
damals,  vielleicht  in  richtiger  Ahnung  der  bevorstehenden  Aender- 
ungen  und  gleichsam  als  letzter  Versuch  nochmals  alle  Hebel  zur 
Verdrängung  des  Baargelds  ins  Werk  gesetzt.  Ein  Beschluss  der 
Centralverwaltung  vom  8.  Januar  *  untersagte  die  Aufnahme  von 
Bestimmungen  über  Zahlungen  in  Metallmünzen  bei  Verträgen  aufs 
Schärfste.  Solche  Verträge  waren  nicht  nur  ganz  ungültig,  sondern 
es  fiel  sogar  der  Werthgegenstand  des  Vertrags  der  Kasse  der 
Bepublik  anheim.  Nicht  einmal  in  Quittungen  durfte  die  Art  des  zur 
Zahlung  verwendeten  Gelds   genannt  sein;    bei  Zuwiderhand- 
lungen erfolgte  Bestrafung  durch  das  ßevolutionsgericht  wegen 
„Verkleinerung  der  republikanischen  Münze".    Weit  überboten 
wurde  aber  alles  Frühere  durch  einen  Aufruft  der  Volksrepräsen- 
tanten an  die  Einwohner  Belgiens  und  der  übrigen  eroberten 
Länder  vom  6.  Januar  1795,  welchen  die  Behörden  drei  Wochen 
später  zur  Kenntniss   der   Aachener   Bürger   brachten.      „Ihr 
müsst**,    so  heisst  es  in  diesem  Machwerk,    „eurer  klingenden 
Münze  entsagen  und  sie  in  den  Nationalschmelztiegel  bringen  *. 

')  Wochenblatt  1837,  S.  577.  Der  theilweise  aas  Einheimischen  gebil- 
deten Distriktsverwaltung  mag  ihr  Versprechen  ernst  gemeint  gewesen  sein, 
aber  die  Möglichkeit  der  Erfüllung  hing  von  höherer,  wenig  yertrauenswür- 
diger  Stelle  ab. 

«)  Wochenblatt  1837,  S.  563  und  556. 

')  Aachener  Zuschauer  1795,  Nr.  13  und  14. 

*)  Schon  im  November  und  Dezember  1794  hatten  die  Republikaner 
den,  wie  der  erneute  Aufruf  vom  6.  Januar  1795  beweist,  fruchtlosen  Ver- 
such gemacht,  die  Belgier  zur  Umwechslung  ihrer  Metallmttnze  gegen  Assig- 
nate  zu  bewegen.  Eigene  Kassen  waren  errichtet  worden,  deren  Beamte 
freiwillig  gebrachtes  Baargeld  gegen  Assignate  umtauschen  und  als  Belohnung 
die  Namen  der  Darbringer  durch  den  Druck  bekannt  machen  sollten  (Bor- 
mann-Daniels a.  a.  0.  VI,  S.  21  und  274).  Solche  Kassen  wurden 
auch  in  der  Aachener  Gegend  gegründet,  ohne  dass  sie  die  mindeste  Beach- 
tnng  gefiinden  hätten. 


88  E.  Pauls 

Nehmt  nur  republikanische  Münze  an,  sichert  ihren  Kredit  und 
brandschatzt  die  Reichen,  welche  sich  von  der  Arbeit  des  Volks 
gemästet  haben  M"  In  Anschluss  an  diesen  Aufruf  erging  in 
Aachen  das  Verbot,  mit  baarem  Gelde  zu  kaufen*;  es  war  so 
ziemlich  der  letzte,  erfolglos  aufgespielte  Trumpf  zur  Durchführung 
der  Alleinherrschaft  des  Papiergelds.     ^ 

Eine  von  Simeon  am  30.  Januar  gehaltene  Rede^  beweist, 
dass  damals  bei  Baarzahlungen  gegen  alle  Bestimmungen  die 
Assignate  oft  zu  einem  Achtel  des  Nennwerths  berechnet  wurden. 
Dass  trotzdem  der  Redner  ein  recht  baldiges  Steigen  bis  zur 
völligen  Gleichberechtigung  mit  Metallmün^en  in  sichere  Aus- 
sicht stellte,  darf  nicht  Wunder  nehmen. 

Volle  vier  Monate  hindurch  hatten  die  bitterste  Noth*, 
unerschwingliche  Kriegssteuern,  der  Druck  des  Maximum  und 
der  Assignate  und  dabei  die  Nachtheile  einer  mangelliaften 
Handelsverbindung  mit  Frankreich  auf  der  unglücklichen 
Bevölkerung  zwischen  Maas  und  Rhein  gelastet,  ehe  im  Februar 
1795  eine  Erleichterung  eintrat.  Die  Verhältnisse  waren  unhalt- 
bar geworden.  Der  Versuch,  die  eroberten  Gebiete  in  den  wich- 
tigsten Lebensfragen  nach  andern  Gesetzen  zu  regieren  als  nach 
den  in  Frankreich  selbst  gültigen,  hatte  sich  als  unaus- 
führbar und  den  Interessen  der  Republik  höchst  nachtheilig 
herausgestellt.  Der  Wohlfahrtsausschuss  in  Paris  erliess  deshalb 
für  Belgien  und   unsere   Heimath  am   10.  Februar  1795  einen 


*)  Der  Widerstand,  welchen  die  besitzende  Klasse  dem  Papiergeld 
entgegensetzte,  bot  den  Eepublikanem  einen  willkommenen  Anlass,  die 
Arbeiter  gegen  die  Reichen,  entsprechend  dem  Geiste  der  Staatsomwälznng, 
aufzuhetzen.  Bei  uns  fielen  diese  Hetzereien  schon  deshalb  auf  unfrucht- 
bares Erdreich,  weil  die  Freiheitshelden  den  Arbeitern  zwar  goldene  Berge 
versprachen,  ihnen  thatsächlich  aber  weit  mehr  Brod  nahmen  als  gaben. 

>)  Wochenblatt  1838,  S.  27. 

')  Aachener  Zuschauer  1795,  Nr.  15,  S.  118  f. 

*)  Auf  eine  eingehendere  Schilderung  der  damals  herrschenden  Noth, 
welche  in  etwas  minderm  Maße  noch  Jahre  lang  anhielt,  muss  hier 
verzichtet  werden.  Erwähnt  sei  nur,  dass  im  Februar  und  März  1795  die 
Franzosen  trotz  aller  erhaltenen  Lieferungen  wiederholt  erklärten,  dass  sie, 
falls  nicht  besser  für  die  Armee  gesorgt  werde,  die  Soldaten  von  Plünderungen 
nicht  abhalten  könnten.  Femer  drohten  sie  mit  der  Grefangennahme  aller 
einheimischen  Beamten;  Geiseln  zur  Sicherstcllung  der  Kriegsleistungen 
hatten  sich  die  Freiheitshclden  längst  stellen  lassen,  auch  waren  über  Land 
gesandte  kleinere  Abtheilungen  von  Soldaten  angewiesen,  zwangsweise  die 
ausgeschriebenen  Mengen  von  Getreide  einzutreiben. 


Ans  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  89 

sehr  wichtigen  Beschlüsse,  nach  welchem  das  Revolutions- 
tribunal und  die  Obhutsausschüsse  sofort*  ihre  Thätigkeit  ein- 
zustellen hatten,  das  Gesetz  des  Maximum  aufgehoben  wurde 
und  die  Kriegssteuer  zur  Hälfte  in  Assignaten  gezahlt  werden 
konnte  ^.  Der  Jubel  über  diese  Verfügung,  welche  die  sofortige 
Niederschlagung  aller  wegen  Uebertretungen  der  Vorschriften 
über  das  Maximum  anhängigen  Prozesse  und  erkannten  Strafen 
zur  Folge  hatte  ^,  war  bei  uns  um  so  grösser,  als  fast  gleich- 
zeitig der  Volksrepräsentant  Gillet  die  am  25.  Dezember  1794 
auferlegte  ungeheuere  Kriegssteuer  von  5  Millionen  auf  etwa 
ein  Drittel  dieser  Summe  ermässigte^  An  den  Bestimmungen 
über  den  Zwangskurs  der  Assignate  war  freilich  vorläufig 
nichts  geändert  worden,  deutlich  genug  zeigte  aber  die  Auf- 
hebung der  als  Wächter  über  das  Assignatenwesen  eingesetzten 
Gerichtshöfe  ^,  dass  für  die  Behörden  der  Zwangskurs  ein  ziem- 
lich überwundener  Standpunkt  war  und  dass  durchgreifende 
Aenderungen  nahe  bevorstanden.  Wäre  es  möglich  gewesen, 
die  Assignate  auf  der  Höhe  ihres  Nennwerths  zwangsweise  zu 
halten,  nachdem  die  Zwangspreise  für  Waaren  und  Lebensmittel  ^ 
auch  schon  des  Wuchers®  wegen  hatten  beseitigt  werden  müssen? 
Allem  Anschein  nach  haben  die  französischen  Behörden 
seit  Ende  Januar  1795  auf  jede  Anstrengung  zur  Hebung  der 

»)  Wochenblatt  1838,  S.  73. 

*)  Diese  Behörden  hatten  am  19.  Februar  ihre  Akten  abzuliefern. 

^  Drei  andere  Bestimmungen  der  Verfügung  setzten  fest,  dass  die  wegen 
verzögerter  Leistung  der  Kriegssteuer  verhängten  Geldstrafen  erlassen  und 
die  eingezogenen  Geiseln  in  Freiheit  gesetzt  wurden;  auch  soUten  bezüglich 
der  Kriegsleistungen  und  des  Handelsverkehrs  mit  Frankreich  grosse  Erleich- 
terungen eintreten  (Aachener  Zuschauer  1795,  Nr.  22,  S.  173). 

*)  Bormann-Daniels  a.  a.  0.  VI,  S.  281,  Anm.  1. 

*)  Aachener  Zuschauer  1795,  Nr.  22,  S.  174;  vgl.  oben  S.  86,  Anm.  5.  Zu 
dieser  Ermässigung  lagen  allerdings  die  triftigsten  Gründe  vor,  denn  trotz 
der  schärfsten  Zwangsraaßregeln  wäre  in  dem  aufs  Aeusserste  ausgesogenen 
Bezirk  die  Beitreibung  der  ganzen  Summe  unmöglich  gewesen. 

*)  Während  mehrmonatlicher  Thätigkeit  hatten  diese  Gerichtshöfe  in 
ganz  Belgien  nur  einige  Assignatenfälscher  zu  bestrafen  gehabt  (Aachener 
Zuschauer  1795,  Nr.  28,  S.  219). 

^  Auch  nach  der  Aufhebung  des  Maximum  wurden  häufig  die  Frucht- 
preise XL  s.  w.  amtlich  bekannt  gemacht.  Dabei  handelte  es  sich  aber  nicht 
um  Zwangspreise,  sondern  um  die  Angabe  des  mittlem  Marktpreises. 

')  „Das  Maximum  diente  nur  zur  Begünstigung  der  Wucherer",  sagt 
eine  amtliche  Bekanntmachung  der  Centralvcrwaltung  zu  Aachen  vom  20. 
Februar  1795, 


90  E.  Pauls 

in  unaufhaltsamem  Niedergang  begriffenen  Assignate  bei  uns  ver- 
zichtet. Einmal  noch  sang  damals  eine  merkwürdige  Persönlichkeit, 
der  ehemalige  Klosterbruder  Biergans*,  in  einer  beim  Bürger- 
fest  in  Düren  gehaltenen  Rede*  das  Lob  der  Assignate.  Nach 
einem  Hinweis  auf  „die  holde  Göttin  der  Vernunft,  welche  ihm 
früher  schon  im  öden  Klosterkerker  in  stillen  Mitternächten 
geleuchtet**,  bat  der  Redner  schliesslich  seine  Zuhörer,  Gold  imd 
Silber  der  Republik  zum  Opfer  zu  bringen,  das  Papiergeld 
dagegen  willig  anzunehmen.    Es  war  verlorene  Liebesmühe! 

Ein  Umschwung  lässt  sich  für  die  Monate  Februar,  März 
und  April  1795  unschwer  nachweisen.  In  Holland,  welches  im 
Januar  1795  in  die  Hände  der  Republikaner  fiel,  hatten  die 
Assignate  keinen  Zwangskurs  erhalten.  Dieser  dem  Nachbarstaat 
bewilligte  Vortheil  musste  in  der  Aachener  Gegend  einen  guten 
Eindruck  machen,  namentlich  da  auch  bei  uns  schon  im  Februar  eine 
Ausnahme  nothwendig  wurde.  Mitunter  war  es  nämlich  vor- 
gekommen, dass  nach  dem  gegen  Zahlung  von  Metallgeld  erfolgten 
Verkauf  von  Gütern  die  Verkäufer  ein  gesetzlich  begründetes 
Rückkaufsrecht  ^  zur  Geltung  brachten  und  dem  Käufer  die  von 
ihm  in  Baar  gezahlte  Summe  in  nach  dem  Nennwerth  berechneten 
Assignaten  ersetzten.  Hierdurch  verlor  der  Käufer  mindestens 
*/io  des  Ankaufsgelds;  der  Volksrepräseutant  Gillet  machte 
diesem  offenbaren  Betrug  dadurch  ein  Ende,  dass  er  die  Rück- 
erstattung der  Kaufsumme  in  Baar  befahl*. 

Als  am  28.  Februar  das  Fest  der  Eroberung  Hollands  in 
Aachen  gefeiert  wurde,  erklärten  beide  Festredner,  dass  die 
französische  Regierung  3  Millionen  in  klingender  Münze  zum 
Ankauf  holländischen  Getreides  angewiesen  habe,  und  dass  dürf- 
tige Mitbürger  ihren  Getreidebedarf  gegen  Zahlung  in  Assignaten 
erhalten  könnten  *.  Wahrscheinlich  wäre  also  bei  Ankäufen,  welche 


*)  Vgl.  Zeitschrift  des  Aachener  GeschichtsTereins  in,  S.  184. 

»)  Aachener  Zuschauer  1795,  Nr.  30,  S.  236  if. 

')  Das  sog.  Retraktrecht,  welches  frilhcr  bei  uns,  namentlich  wenn  vor- 
mundschaftliche Verhältnisse  in  Betracht  kamen,  Beschüddungsrecht  genannt 
wurde. 

*)  Bormann-Daniels  a.  a.  0.  VI,  S.  282;  Aachener  Zuschauer  1795, 
Nr.  25,  S.  199. 

*)  Aachener  Zuschauer  1795,  Nr.  26,  S.  205  ff.  Hier  lag  wohl  nur  ein 
leeres  Versprechen  vor.  Qu  ix  (Wochenblatt  1838,  S.  89  und  85)  bestätigt,  dass 
die  Franzosen  das  aus  HoUand  versprochene  Getreide  nicht  herbeischafften, 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  91 

wohlhabende  Bürger  machten,  die  Baarzahlung  zulässig  oder 
gar  erforderlich  gewesen.  Dass  der  Unterschied  zwischen  Baar- 
geld  und  Papiergeld,  entgegen  den  bestehenden  strengen  Be- 
stimmungen, seit  Ende  Februar  anerkannt  oder  zuweilen  geduldet 
wurde,  beweisen  mehrere  Zeitungsanzeigen  ^  So  wird  in  zwei 
amtlichen  Bekanntmachungen  *  über  Schuhlieferungen  imd 
Holzverkäufe  vom  2.  und  4.  April  1795  die  baare  Zahlung  vor- 
geschrieben, und  in  einer  Anzeige  über  Galmei  heisst  es,  dass 
die  angegebenen  Preise  sich  auf  Zahlungen  in  Assignaten  bezögen  *. 
Ein  paar  Monate  vorher  hätten  solche  Anzeigen  das  Revolutions- 
tribunal in  Thätigkeit  versetzt. 

Am  25.  April  1795  beseitigte  der  Konvent  im  Wesentlichen 
den  Zwangskurs  der  Assignate  durch  die  wichtige  Bestimmung, 
dass  die  Regierung  ihre  Zahlungen  in  nach  dem  Kurs  be- 
rechneten Assignaten  leisten  könne*.  Damit  war  allen  Ver- 
suchen, den  Assignaten  im  geschäftlichen  Verkehr  zwangsweise 
einen  höhern  Werth  als  den  Kurswerth  beizulegen,  der  Boden 
entzogen.  In  unsern  Gegenden  wurde  das  Gesetz  vom  25.  April 
nicht  veröffentlicht;  es  war  den  Republikanern  gar  zu  unbequem. 
Zunächst  versuchten  sie  nochmals,  kurz  vor  Thoresschluss  mög- 
lichst viel  Baargeld  gegen  Assignate  auszutauschen.  Ein  scharfer 
Erlass  v(jm  29.  April  *  beklagt  die  Nichtbeachtung  der  Bestim- 
mungen vom  14.  November  1794  über  die  Baarzahlungen  aus 
öffentlichen  Kassen.  Alle  Einnehmer  werden  streng  angewiesen, 
Baargeld  nicht  mehr  zu  verausgaben  und  bereits  verausgabtes 
thunlichst  wieder  einzuziehen.  Und  noch  am  13.  Mai  erliessen 
die  Volksrepräsentanten  für  das  der  Aachener  Gegend  benach- 
barte belgische  Gebiet  eine  »Verfügung^,  dass  immer  noch  die 
Assignate  die  einzige  Münze  der  Republik  seien.  Metallmünzen 
wären  als  Zahlungsmittel  gesetzlich  nicht  zulässig.    Etwa  zur 


dass  aber  die  Aachener  Mnnizipalität  für  6000  Beichsthaler  hoUändisches 
Getreide  kaufte. 

')  Dazu  gehören  nicht  die  zahlreichen,  schon  seit  November  vorkommenden 
Anzeigen,  in  welchen  zur  Deckung  der  in  klingender  Münze  zahlbaren  Kriegs- 
steuer  Güter  gegen  Baarzahlung  zum  Verkauf  angeboten  wurden. 

»)  Aachener  Zuschauer  1795,  S.  328  und  344. 

')  Ebendaselbst  S.  352. 

*)  Bormann-Daniels  a.  a  0.  III,  S.  58. 

*)  Ebendaselbst  VI,  S.  297. 

•)  Ebendaselbst  VI,  S.  55. 


92  E.  Pauls 

Zeit  dieser  Bestimmungen  stand  sowohl  in  Paris  als  in  Aachen  ^ 
bei  Zahlungen  in  Papiergeld  ein  Sack  Mehl  2000  Livres,  ein 
Pfund  Zucker  400  Livres,  ein  Pfund  Seife  230  Livres  u»  s.  w. 
Den  Gnadenstoss  erhielten  die  auf  Assignate  bezüglichen 
Zwangsmaßregeln  gegen  Ende  Mai  1795.  Am  28.  Mai  ent- 
schieden die  Volksrepräsentanten  Giroust  und  Lefevre,  dass  bei 
allen  vor  dem  zweiten  Einzug  der  Republikaner  im  J.  1794 
geschlossenen  Verträgen  nur  mit  denjenigen  Münzen  zu  rechnen 
sei,  welche  zur  Zeit  des  Abschlusses  des  Vertrags  Kurs  hatten  \ 
In  ähnlichem  Sinne  erging  kaum  eine  Woche  später  eine  Ver- 
fügung *  des  Wohlfahrtsausschusses  zu  Paris  füi-  das  Gebiet  der 
eroberten  Länder,  doch  stand  es  nach  derselben  den  Schuldnern 
frei,  auch  in  Assignaten  zu  zahlen,  wobei  der  Amsterdamer 
Kurs  zu  Grunde  gelegt  werden  musste.  Grosse  und  gerechte 
Entrüstung  rief  dagegen  im  Juni  1795  der  Volksrepräsentant 
Peres  in  der  Aachener  Gegend  hervor.  Peres  belegte  das  gänz- 
lich verarmte  Gebiet  zwischen  Maas  und  Rhein  rücksichtslos 
mit  einer  Kriegssteuer  von  30  Millionen  Livres  \  und  behauptete, 
dass  bei  uns  in  Folge  der  übertriebenen  Preise  eine  ungeheuere 
Menge  von  Assignaten  verbreitet  und  deren  Werth  in  wucherischster 
Weise  herabgedrückt  worden  sei.  Gereizt  erwiderte  die  Central- 
verwaltung  zu  Aachen^,  „dass  allerdings  die  Truppen  der 
Republik  nichts  gebracht  hätten,  als  ein  Papier,  dessen  Kredit 
nicht  aufrecht  erhalten  werden  könne  ^  Die  meisten  Lieferungen 
für  die  Armee  seien  bis  jetzt  nicht  bezahlt  worden,  das  Sinken 
des  Assignatenwerths   dürfe   zum   grossen  Theil   auf  den   für 


*)  Aachener  Zuschauer  1795,  Nr.  57,  S.  455;  Haagen,  Geschichte 
Achens  II,  S.  425. 

*)  Aachener  Zuschauer  1795,  Nr.  71,  S.  571.  Wenige  Tage  früher  war 
im  Aachener  Zuschauer  (S.  495)  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  dass 
die  Gewohnheit,  Assignate  durch  Abschneiden  kleiner  Theile  für  die  Brief- 
taschen passend  zu  machen,  die  Ungültigkeitserklärung  herbeiführen  könne. 

»)  Bormann-Daniels  a.  a.  0.  VI,  S.  306. 

*)  Bormann-Daniels  a.  a.  0.  VI,  S.  307  ff. 

')  Ebendaselbst  VI,  S.  308  ff.  Die  Antwort  der  Centralverwaltung  ist 
von  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  damaligen  Zeit.  Die  Peressche  Kon- 
tribution forderte  mehr  Geld,  als  im  ganzen  Gebiet  zwischen  Maas  und  Rhein 
in  Umlauf  war. 

*)  Der  interessante  Wortlaut  dieser  bittern  Wahrheit  ist:  Les  troupes 
des  coalis^s  n'ayant  laissö  chez  nous  que  des  traces  de  devastations,  et  les 
troupes  de  la  B6publique  n'y  ayant  apport6  qu'un  papier,  dont  on  ne  peut 
pas  soutenir  le  credit. 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  93 

Aachens .  Fabriken  nothwendigen  Verkehr  mit  dem  Ausland 
zurückgeführt  werden;  in  der  Aachener  Gegend,  wo  man  der 
Bevölkerung  zwangsweise  die  Assignate  zum  vollen  Nennwerth 
aufgedrängt  habe,  hätte  sicher  Jedermanns  Interesse  es  erheischt, 
den  Werth  des  Papiergelds  auf  der  Höhe  zu  halten/  Die 
Beschwerde  hatte  Erfolg,  denn  die  Kriegssteuer  wiu-de  ermässigt. 

Am  10.  Juli  befahl  der  Volksrepräsentant  die  Einstellung 
aller  bezüglich  älterer  Forderungen  anhängigen  Prozesse,  bei 
welchen  der  Schuldner  das  Kecht  der  Zahlung  in  Assignaten 
zum  Nennwerth  geltend  gemacht  hattet  Auch  am  20.  Juli 
wurde  es  ausdrücklich  nochmals  als  Rechtsgrundsatz  anerkannt  *, 
dass  die  vor  1794  abgeschlossenen  Verträge  so  behandelt  werden 
müssten,  als  ob  die  Eroberung  des  Landes  nicht  stattgefunden 
hätte;  falls  der  Schuldner  in  Assignaten  zahle,  sei  deren 
Kurs  werth  maßgebend. 

Alle  diese  Bestinunungen  suchten  früheres  Unrecht  theil- 
weise  gut  zu  machen  und  die  den  Handel  durchaus  brach  legende 
Furcht  vor  den  Assignaten  zu  beseitigen.  Thatsächlich  scheinen 
bei  uns  seit  Juni  1795  alle  Befürchtungen  geschwunden  zu  sein 
und  die  Schreckenszeit  des  Papiergelds  als  abgelaufen  gegolten 
zu  haben.  In  den  damaligen  Zeitungsanzeigen  ist  fast  nur  von 
Metallgeld  die  Rede,  doch  findet  sich  regelmässig  der  Assig- 
natenkurs der  Amsterdamer  Börse  verzeichnet.  Von  Ende  Juli 
ab  erhielt  jeder  Soldat  der  französischen  Armee  bei  der  Löhnung 
wieder  etwas  Metallgeld  und  ungestraft  durfte  der  Aachener 
Zuschauer  seinen  Lesern  über  die  oft  stürmischen  Verhandlungen 
berichten,  welche  sich  im  Konvent  wiederholt  an  die  Frage  der 
Beseitigung  des  Papiergelds  knüpften.  Die  öffentliche  Ver- 
brennung der  Assignatenpresse  zu  Paris  im  Februar  1796  liess  die 
Aachener  Bevölkerung  so  kalt  wie  die  Pariser;  für  so  Manchen 
kam  sie  viel  zu  spät. 

Endgültig  entwerthet  wurden  die  Assignate  erst  im  J.  1797. 
Auch  nach  der  Zerstörung  der  Assignatenpresse  verzichtete  näm- 
lich die  französische  Regierung  trotz  aller  gemachten  Erfahrungen 
immer  noch  nicht  auf  jede  Ausgabe  von  Papiergeld.  Schon  im 
März  1796  setzte  sie  sogenannte  Territorialmandate  ^  in  Umlauf, 


*)  Bormann-Daniels  a.  a.  0.  VI,  S.  322. 
^  Ebendaselbst  VI,  S.  325. 

')  Bormann-Daniels  a.  a.  0.  III,  S.  335;  von  Sybel,  Geschichte  der 
Revolutionszeit  von  1789—1800,  2.  Aufl.  IV,  S.  96  ff.  und  448. 


94  E.  Pauls 

deren  Inhaber  beim  Ankauf  von  Nationalgtitern  grosse  Vortheile 
hatten.  Für  dieses  Papiergeld  bestand  ebenfalls,  aber  in  viel 
milderer  Form  als  seiner  Zeit  für  die  Assignate,  ein  gewisser 
Zwangskurs;  Assignate  konnten  zu  einem  Dreissigstel  ihres 
Nennwerths  gegen  Mandate  umgetauscht  werden.  Weil  die 
Mandate  auf  einem  scheinbar  guten  Unterpfand  beruhten,  hoflften 
die  Republikaner  sie  auf  der  Höhe  des  Nennwerths  zu  erhalten. 
Es  sollte  ganz  anders  kommen.  Unmittelbar  nach  ihrem  Er- 
scheinen sanken  die  Mandate  auf  10*^/o^;  wenige  Monate  genüg- 
ten, sie  auf  5*^/o  und  weniger*  fallen  zu  lassen.  Ihr  Zwangs- 
kurs wurde  schon  im  Juli  1796,  dann  nochmals  ausdrücklich  im 
Februar  1797  aufgehoben  und  damit  schwanden  sie  gänzlich  aus 
dem  Verkehr^.  Nach  von  Sybel  haben  sie  Frankreich  während 
der  10  Monate  ihres  Bestehens  um  2400  Millionen  Franks 
geschädigt;  auf  die  Mandate  folgte  die  Rückkehr  zur  gesunden 
wirthschaftlichen  Grundlage  des  Metallgelds*. 

Diese  Thatsachen  erklären  es,  weshalb  so  viele  Assignate, 
von  denen  Hunderte  heutzutage  noch  als  werthlose  Papierfetzen 
aufbewahrt  werden,  niemals  versilbert  worden  sind.  Die  Inhaber 
sehr  grosser  Summen  in  Assignaten  werden  ihren  Besitz  stets 
zu  verwerthen  gewusst  haben,  und  selbst  kleinere  Beträge  mögen, 
so  lange  der  Kurs  nicht  unter  5 — 2^Iq  fiel,  nur  selten  allzu- 
lange aufbewahrt  worden  sein.  Welchem  Werth  aber  entsprachen 
einige  Tausend  Franks*  in  Assignaten,  nachdem  der  Kurs  auf 
V* — Vs^^/o  gesunken  war,  oder  welchen  Nutzen  hätte  der 
Umtausch  gegen  die  so  geringwerthigen  Mandate  gehabt?  Die 
Umwechslung  lohnte  nicht  der  Mühe  und  des  Portos,  namentlich 

^)  Dies  deshalb,  weil  die  Assignate  zu  Va  ^/o  standen  and  die  Mandate 
den  dreissigfachen  Werth  hatten.  Absicht  der  Regierung  war  es  gewesen, 
dass  Nenn  werth  und  Kurs  der  Mandate  =  100,  Kurs  der  Assignate  =  '•*/,o 
=  SVs  werden  soUten.  Die  Bevölkerung  machte  also,  des  Papiergelds 
überdrüssig,  den  umgekehrten  Schluss. 

*)  Damit  sanken  die  Assignate  auf  V«®/©  ^^^  weniger. 

*)  von  Sybel  a.  a.  0.  IV,  S.  448.  Auch  zu  den  Mandaten  hatte  die 
Bevölkerung  nie  Vertrauen.  Die  geächteten  Mandate  strömten  nach  Paris 
zusammen,  während  die  Hauptstadt  den  lebhaftesten  Wunsch  hatte,  die 
gefährlichen  Scheine  den  Provinzen  zurückzuschieben. 

*)  MetaUgeld  war  jetzt  in  Frankreich  so  gesucht,  dass  sein  Zinsfuss 
auf  50—70  (!)  Prozent  stand.    Vgl.  von  Sybel  a.  a.  0.  IV,  S.  451. 

*)  Mehr  wird  man  sehr  selten  an  einer  SteUe  finden.  Sehr  vereinzelt 
wurde  im  J.  1871  vorgeschlagen,  Frankreich  gelegentlich  des  Friedensschlusses 
zur  Einlösung  der  in  Deutschland  noch  vorhandenen  Assignate  anzuhalten. 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  95 

da  wegen   der  zahlreich  vorhandenen   falschen   Assignate  die 
Grefahr  unangenehmer  Weiterungen  ziemlich  nahe  lag. 

Grosse  Schwierigkeiten  machte  in  Frankreich  nach  dem 
Untergang  des  Papiergelds  die  Umrechnung  von  Beträgen,  welche 
auf  Assignate  oder  Mandate  lauteten  und  deren  Zahlung  unter 
dem  Druck  des  Zwangskorses  des  Papiergelds  vereinbart  worden 
war.  In  unserer  Heimath,  wo  Jeder  den  Assignaten  und  Man- 
daten nach  Möglichkeit  aus  dem  Wege  ging,  sind  während  des 
Winters  1794/95  und  später  wohl  nur  wenige  solcher  Verein- 
barungen getroffen  worden.  Das  Gesetz  vom  23.  Juni  1797 
entschied*,  dass  für  die  Umrechnung  der  Kurswerth,  wie  er 
zur  Zeit  des  Abschlusses  des  Vertrags  bestand,  maßgebend  nein 
sollte.  Zur  Ermittlung  dieses  Kurswerths  dienten  ausfUhrUcho, 
dem  Gesetz  beigefügte  Tabellen.  Nach  1797  schwelgt  die 
Geschichte  der  Fremdherrschaft  über  Assignate  und  Mandate 
fast  vollständig;  man  mag  nur  ungern  die  Erinnerung  an  Un- 
gerechtigkeit und  Elend  aufgeMscht  haben.  Einmal  freilich 
—  es  ist  aber  erst  40  Jahre  nach  dem  Tode  des  grossen  Cäsar« 
znr  Kenntniss  Europas  gekommen  und  während  der  letzten  Zeiten 
des  ersten  französischen  Kaiserreichs  auf  unsere  Gegend  ohne 
jeden  Einfluss  geblieben  —  erröthete  selbst  Napoleon  I.  nicht, 
zur  Durchführung  seiner  Pläne  in  verwerflicher  Weise  auf  die 
Geschichte  der  Assignate  zurückzukommen.  Weil  nämhch  z« 
Ende  des  18.  Jahrhunderts  von  auswärts  zahllose  falsche  Ahh  g- 
nate  nach  Frankreich  eingeführt  worden  waren,  hielt  Napoleon  hwii 

für  berechtigt,  falsche  Papierrubel  in  Paris  »«^^■^^Sr^MtÄuI 
und  sie  im  J.  1812  mit  nach  Russland  zu  nehmen.  Ihicr«  m/hi.ii, 
dies,  ohne  ein  Wort  der  Rüge  hinzuzufügen«.  ^^ 

In  der  UeberUeferung  und  in  der  Sage  i»v 
an  die  Assignate«  bei  uns  lebendig  g«^«^^""\,„!l''l        ,:/ 
drei  Menschenalter  hindurch  auf  sicherer  Gru.,dlli^y-'"^^^ 
seits  sorgfältig  geführte  Regelung  der  Ausgab«  J  ^' '    "'    ^^  ;' 
hat  in  den  rheiidschen  Gegenden  und  namentIkJ»  v...  ,'.  ..^r^t 

Mit  Recht  fand  dieser  Vorschlag    kerne    Beacn«'«»«. 
solcher  Assignate  sind  nicht  festzustellen. 

')  Bormann-Daniels  a.  a.  0.  IH»  ^'         '       ^^^^^  ,    ,^     /,-  r  v*> 

«)  Thiers,  Geschichte  des  Konsulati»  un  i 
Üebersetzung  von  F.  Bülau  XIY,  S.  249.  ^ ^  ^    i,x-^*.*^ 

•)  Nicht   an   die   ihnen   folgenden    ^r^^  ' 
Gegend  kaum  bekannt  gewesen  zu  sein  nvhf'****^ 


96  E.  Pauls 

Heimath  die  Furcht  vor  einer  Entwerthung  der  „Kassenscheine*' 
nicht  vollständig  zu  bannen  vermocht.  Zum  grossen  Theil  ver- 
danken wir  dies  dem  Vertrauensmissbrauch,  dessen  sich  vor  etwa 
95  Jahren  die  Republikaner  mit  den  Assignaten  schuldig  gemacht 
haben.  Wohl  in  der  Erinnerung  an  so  manche  Erzählung  über 
Assignate,  welche  vom  Grossvater  oder  Urgrossvater  herstammt, 
zieht  mitten  im  Frieden  heute  noch  der  schlichte  Landmann  die 
Metallmünze  der  papiernen  weit  vor;  bei  Kriegszeiten  aber, 
namentlich  war  dies  im  J.  1866  der  FalH,  tritt  vielfach  eine 
geradezu  fieberhafte  Ueberstürzung  zum  Umtausch  des  Papier- 
gelds gegen  klingende  Münze  zu  Tage. 

Auch  bezüglich  der  Assignate  paaren,  wie  es  in  ihrem 
Wesen  liegt,  Sage  und  Ueberlieferung  die  Wahrheit  mit  der 
Dichtimg.  Es  heisst,  dass  zur  „französischen**  Zeit  auf  die 
Verweigerung  der  Annahme  von  Assignaten  im  Handel  die 
Todesstrafe  stand,  dass  zahllose  Familien  durch  das  Papiergeld 
verarmt  seien  und  dass  dessen  Herrschaft  Jahre  hindurch 
gewährt  habe.  Auf  die  Haltlosigkeit  der  ersten  Angabe  hat 
man  schon  vor  50  Jahren  hingewiesen,  und  thatsächlich  wird 
in  keiner  der  vielen  Verfügungen  über  Assignate  deren  Nicht- 
annahme mit  dem  Tod  bedroht.  Ferner  mag  es  sein,  dass 
manche  Familien  durch  das  Assignatenwesen  verarmt  sind, 
doch  darf  deren  Zahl  nicht  zu  hoch  angeschlagen  werden. 
Allerdings  wurden  in  Frankreich  nach  oberflächlicher  Schätzung 
nicht  weniger  als  200000  Familien  durch  die  Assignate  ins 
Elend  gestürzt,  dort  lagen  aber  die  Verhältnisse  ganz  anders 
als  bei  uns.  Dort  dauerte  die  Zwangsherrschaft  des  Papier- 
gelds einige  Jahre,  hier  nur  einige  Monate;  dort  wachten, 
besonders  während  der  Schreckenszeit  unter  Robespierre,  500  000 
Aufpasser  auf  jede  Uebertretung  des  Maximum  und  der  Vor- 
schriften über  den  Assignatenumlauf,  zwischen  Maas  und  Rhein 
dagegen  gab  es  500  000  Uebertreter  und  nur  wenige  Aufpasser. 


*)  Etwas  besser  war  es  in  Folge  der  öftern  Aufklärung  durch  die  Zeitungs- 
presse im  J.  1870.  Damals  aber  —  ohne  Zweifel  war  neben  dem  Andenken 
an  die  Assignate  auch  Erbitterung  mit  im  Spiel  —  verweigerten  vielfach 
die  Einwohner  der  von  den  Deutschen  besetzten  französischen  Landestheile 
die  Annahme  des  deutschen  Papiergelds.  Die  Drohung  „nichts  zu  geben** 
wirkte;  sie  war  berechtigt,  da  der  Umtausch  den  Franzosen  keinen  Schaden 
bringen  konnte  und  das  in  Frankreich  Gekaufte  sehr  augemessen  bezahlt 
wurde. 


Aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft.  97 

In  aller  Strenge  konnte  weder  das  Maximum*  noch  der  Asaig- 
naten-Zwangskurs  bei  uns  durchgeführt  werden,  denn  zu  ein- 
raüthig  wehrte  sich  die  ungeheuere  Mehrheit  der  Bevölkerung 
gegen  die  ungerechten  Gesetze.  Ein  grosses  Glück  für  unsere 
Vorfahren  war  es,  dass  erst  im  Herbst  1794,  nicht  1 — Vj^  Jahre 
früher,  die  französischen  Heere  die  Aachener  Gegend  besetzten, 
denn  die  durch  die  Assignate  hervorgerufenen  Verluste  wären 
sonst  wohl  zehnfach  grösser  geworden.  Die  Verarmung  mancher 
Familien  znr  Zeit  des  Beginns  der  Fremdherrschaft  ist  meist 
weniger  den  Assignaten,  als  den  sonstigen  furchtbaren  Kriegs- 
lasten und  dem  gänzlichen  Stocken  des  Handels  zuzuschreiben. 
Wenn  endlich  die  Sage  die  Assignatennoth  bei  uns  Jahre  lang 
währen  lässt,  so  verwechselt  sie  Aachen  mit  Frankreich,  wie 
vorstehend  wiederholt  ausgeführt  ist. 

Es  verdient  noch  erwähnt  zu  werden,  dass  auch  in  den 
heimischen  Dichtungen  der  Assignate  nicht  vergessen  ist.  Dem 
Dtirener  Arzt  Mögling*  verdankt  die  Nachwelt  folgenden 
gelungenen  Scherz: 

An  die  französischen  Assignate. 

Aus  Lumpen  ward  ich  einst  gemacht. 
Von  Lumpen  an  den  Rhein  gebracht, 
Aus  Lumpen  machten  Lumpen  mich 
Und  Mancher  ward  ein  Lump  durch  mich. 

Ein  ähnliches  kleines  Gedicht  ist  im  Aachener  Museum  den 
dort  unter  Glas  und  Rahmen  zur  Schau  ausgestellten  Assignaten 
beigefugt;  als  Lumpen-  oder  Hoddelngeld  hat  allerdings  der 
Volkswitz  die  Assignate  oft  genug  bezeichnet.  Doch  viel leicüt 
noch  treffender  heisst  es  in  einer  Flugschrift«  aus  dem^Ende 
des  vorigen  Jahrhunderts:  „Assignats,  mandats  «^ J  bo^^^^^ 
französische  Dukaten,   bei  denen  man  nur  95  an  lüu  verliert. 

0  Vgl.  die  manches  Wahre  enthaltende  3.  Anmerkung 
Daniels  a.  a.  0.  III,  S.  216.  Prosaisten  II,  S.  479  und  484. 

»)  H.  Freimut h,  Aachens  Dichter  ^^    .  ^ache,  Paris   1799,  20  S. 

^)  Wörterhuch  der  französischen  ^^''J^''^  Erschienen  zu  sein. 
Diese  Flugschrift  scheint  in  unsem  ^'^^^"^^^j^ykanische  Kassen;  sie  wurden 

*)  Bons  waren  Geldanweisungen  auf  r^P^^^^^  ausgestellt,  aher  oft  gar 
gewöhnlich  nach  der  Leistung  von  Kriegsu         ^^ahlt. 
nicht,  oft  nur  mit  fast  werthlosen  Assi^** 


ann- 


Beiträge  zur  beschichte  der  &rafeii  von  Jülich. 

Von  W.  Graf  von  Mirbach. 

Vorbemerkung. 

Graf  Wilhelm  von  Mirbach-Harff,  gestorben  auf  Schloss 
HarfiF  am  19.  Juni  1882,  gehörte  zu  den  Begründern  des 
Aachener  Geschichtsvereins  und  bereicherte  dessen  Zeitschrift 
durch  eine  Reihe  gediegener  Beiträge.  Seiner  gemeinnützigen 
und  wissenschaftlichen  Thätigkeit  hat  der  damalige  Präsident 
des  Vereins,  A.  von  Reumont,  in  der  Generalversammlung  vom 
4.  September  1882  warme  Worte  gerechter  Anerkennung  gespen- 
det ^  Als  die  Aufgabe  seines  fast  ausschliesslich  dem  Studium 
der  rheinischen  Geschichte  gewidmeten,  zu  früh  vollendeten 
Lebens  betrachtete  Graf  Mirbach  eine  genaue  Darstellung  der 
Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  Jahre  lang  hat  er  den  Stoff 
zu  einem  solchen  Werk  gesammelt,  die  bereits  bekannten  Quellen 
durch  emsige  archivalische  Forschung  zu  mehren  gesucht.  Alle 
Arbeiten,  die  er  veröffentlichte,  sind  im  Zusammenhang  mit 
dieser  Aufgabe  gedacht  und  entstanden.  Das  Werk  zu  voll- 
bringen, ist  ihm  nicht  beschieden  gewesen.  Nur  ein  vielfach 
umgearbeiteter  und  verbesserter  Entwurf  hat  sich  in  seinem 
Nachlass  gefunden,  neben  diesem  eine  grössere  Zahl  von 
Abhandlungen  aus  der  Geschichte  der  Jülicher  Grafen  im 
13.  und  14.  Jahrhundert,  welche  als  Ausarbeitungen  einzelner 
Theile  des  beabsichtigten  Buches  angesehen  werden  können. 
Auch  ihnen  fehlt  jedoch,  ausser  dem  Innern  Zusammenhang,  wie 
eine  genauere  Prüfung  bald  ergab,  die  abschliessende  Redaktion 
und  somit  die  endgültige  Gestalt,  denn  an  zahlreichen  Stellen 
wird  auf  früher  Gesagtes,  aber  nicht  Vorhandenes  Bezug 
genommen,  für  Namen  von  Personen  und  Oertlichkeiten,  wie  fllr 


*)  Vgl.  Zeitschrift  dea  Aachener  Geschichtsvereins  IV,  S.  365. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  99 

Zeitangaben  ist  nicht  selten,  für  nachzutragende  Beweisstellen 
sogar  sehr  häufig  Raum  gelassen,   der  nicht  ausgefüllt  wurde. 
Von  dem   berechtigten  Wunsche  geleitet,    diese  immerhin  doch 
der  Vollendung   nahe  gekommenen  Ergebnisse   gewissenhafter 
Forschung  nicht  der  Vergessenheit  anheimfallen  zu  sehen,  stellte 
der    Bruder  und   Rechtsnachfolger  des  Verfassers,  Graf  Ernst 
von  Mlrbach-HarfiF,  dessen  literarischen  Nachlass  dem  Aachener 
Geschichtsverein  zur  Verfügung.    Der  Verein  hat  in  dankbarer 
Anerkennung  der  Verdienste,  die  der  Verstorbene  sich  um  die 
Geschichte  seines  Gebiets  erworben,  und  in  gerechter  Würdigung 
der  Vorzüge  der  hinterlassenen  Arbeiten  deren  Veröffentlichung 
gern    übernommen.     Ermöglicht    wurde    der    Abdruck    freilich 
nur  durch  das  grosse  Entgegenkommen  des  Herrn  Stadtarchivar 
Richard  Pick,  der  sich  bereitwilligst  der  schweren  und  müh- 
samen Aufgabe  unterzogen  hat,    die  zu  der  jetzt  leider  noth- 
wendig    gewordenen   Art   der   Veröffentlichung    in    getrennten 
Stücken  nicht  bestimmten,   vielmehr  als  Abschnitte  eines  um- 
fassenden Werkes   angelegten   Abhandlungen   abzurunden    und 
abzuschliessen,  eine  passende  Reihenfolge  herzustellen,  die  Ver- 
weisungen auf  nicht  Vorhandenes  auszumerzen  oder  durch  Kin- 
schiebungen  zu  ersetzen,  die  oben  näher   bezeichneten  Lücken 
auszufüllen.    Dank  seiner  selbstlosen  Thätigkeit  ist  es  möglich, 
eine  Reihe  von  etwa  zwanzig  Abhandlungen  verschiedenen  Um- 
fangs   als  Beiträge  zur  Geschichte   der  Grafen  von  Jülich  in 
diesem   Bande   und   den   nächsten   Bänden    der   Zeitschrift   zu 
veröffentlichen  und  die  Früchte  der  langjährigen  Arbeit  eines 
fleissigen,  sachkundigen  und  sorgfältigen  Forschers  zum  Gemem- 
gut  zu  machen. 

Durch  einen  tüchtigen  und  gewandten  ^^'^^''^^^'^j^^^^ 
Name  zu  ermitteln  noch  nicht  gelungen  ist,  hat  Gra  i 
von  Mirbach  über  ein  Dutzend  älterer  JüUchscher  ^^^«^  J^^^ 
zwei  Denkmäler,  die  auf  Angehörige  des  Jülichschen  Geschlecu^ 
Bezug  haben,  nach  den  Originalen  für  die  Wied^ga^^^  dar  h 
den  Holzschnitt  abbilden  lassen.  Die  für  den  Sclmtt  tutig 
gestellten  Holzstöcke  haben  sich  im  Nachlass  gefun^^^^^  Au<  i 
diese  schönen  Arbeiten  sind  dem  Verein  mit  dank.a.w.MJai 
Freigebigkeit  durch  Graf  Ernst  von  Mirbadi  ^ui  \uiu,.u, 
gestellt  worden.  Die  der  vierten  AbhandlunK  U.k^.-.m 
Abbildung  gibt  eine  Vorstellung  von  ihrem  .a.l.i.:!.,  .m 
künstlerischen  Werth.    Der  Verein  hofft,   w.inK^U  ..  .....   n..' 


*♦ 


100  W.  Graf  von  Mirbach 

der  übrigen  Zeichnungen  den  später  zu  veröffentlichenden  Ab- 
handlungen beigeben  zu  können.  u.  Loersch, 


I.   Wilhelm  IV.  von  Jülich  als  Wohlthäter  von  Kirchen 

und  Klöstern. 

Nach  dem  Tode  des  Grafen  Wilhelm  III.  von  Jülich,  welcher 
zu  Anfang  des  Jahres  1219  ^  der  im  Kreuzheer  ausgebrochenen 
Seuche  fem  der  Heimath,  in  Egypten,  erlag,  gelangte  sein 
minderjähriger  Sohn  Wilhelm  IV.,  zunächst  unter  der  Vormund- 
schaft seiner  mütterlichen  Verwandten,  zur  Regierung.  Zeigt 
uns  die  Geschichte  diesen  letztem  während  seiner  langen  Herr- 
schaft (er  regierte  bis  zum  Jahre  1278)  als  einen  mächtigen 
Parteigänger  und  tapfem  Krieger,  der  besonders  in  Kämpfen 
mit  der  Geistlichkeit  fast  sein  ganzes  Leben  zubrachte,  so  sehen 
wir  ihn  doch  auch  vielfach  an  friedlichen  Geschäften  theilnehmen 
und  namentlich  erscheint  er  nicht  selten  als  milder  Wohlthäter 
von  Kirchen  und  Klöstern. 

Kaum  zu  reifern  Jahren  gelangt,  bestätigt  er  1225  die 
Schenkung  der  Kirchen  zu  Nideggen  und  Siersdorf,  sowie  der 
zum  Berg  Berinstein  ^  gehörigen  ehemaligen  Reiclisgüter  an  den 
deutschen  Orden,  die  einst  sein  Vater  „existens  in  partibus 
transmarinis**  gemacht  hatte,  und  fügt  die  Bedingung  hinzu, 
dass  diese  Güter  unveräusserlich  sein  sollen  ^.  Der  Orden  kann 
die  Pfarreien  durch  seine  Mitglieder  besetzen,  welche  aber,  wie 
andere  Plebane,  unter  dem  Landdechanten  und  dem  Erzbischof 
stehen.  So  war  die  Grundlage  zur  spätem  Kommeride  Siersdorf 
gelegt,  die  der  Landkomthurei  Altenbiesen  untergeordnet  wurde. 
Die  Kirche  zu  Nideggen  gelangte  aber  schon  um  1270,  jeden- 
falls mit  Zustimmung  des  Grafen,  an  den  Orden  des  h.  Johann 
von   Jerusalem;    die    deutschen    Herren    haben    in   Nideggen 


')  Vgl.  Lacomblet,  Urkundenbuch  II,  Nr.  82,  S.  46,  Anm.  1. 

*)  lieber  die  Lage  des  Berinstein  gehen  die  Ansichten  auseinander. 
Einige  verlegen  ihn  nach  Bergstein  bei  Nideggen,  Andere  nach  Aachen. 
Filr  die  letztere  Annahme  spricht,  abgesehen  von  sonstigen  Orttnden,  ent- 
schieden der  Umstand,  dass  der  Berg  fast  tiberaU,  wo  von  ihm  die  Rede 
ist,  in  Verbindung  mit  Aachen  genannt  wird.  Sehr  wahrscheinlich  ist  es 
die  jetzt  zum  grossen  Theil  abgetragene  Höhe  zwischen  Jakobs-  und  Vaelser- 
strasse,  welche  auch  Meyers  handschriftliche  Aufzeichnungen  um  1780  (Stadt- 
archiv zu  Aachen)  ausdrttcklich  als  Berinstein  bezeichnen. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  132. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  JlÜich.  101 

nie    eine  Kommende  gehabt.     Erst  die  Johanniter  errichteten 
eine  solche  unter  einem  Prior  oder  Kommendator. 

Im  folgenden  Jahre  1226  nimmt  der  Graf,  „wissend,  dass  er 
nicht  umsonst  das  Schwert  des  Schutzes  ererbt  habe",  alle  Güter 
des  Klosters  Ophoven,  die  in  seinem  Lande  liegen,  in  seinen  Schirm 
und  genehmigt  die  Schenkung,  welche  Ritter  Gerhard  von  Brachel 
gemacht  hatte.  Dieser  hatte  nämlich  sein  Lehngut  zu  Berg 
dem  Kloster  zugewandt ;  ob  darunter  vielleicht  Berg  bei  Brachein 
zn  verstehen  ist,  weiss  ich  nicht.  Als  Zeugen  sind  bei  dem 
Akte  gegenwärtig  die  Jülichschen  Ministerialen  Adolf  von  Essen, 
Vogt  zu  Jülich,  und  sein  Sohn,  der  Droste  Silmann  und  sein 
SohnKuno,  Edmund  von  Brachel,  Adam,  Heinrich  Buflf,  R.Schilling, 
Ulrich  von  Marken  (Merken?)  und  Balduin^ 

In  demselben  Jahre  erlaubt  Graf  Wilhelm  zu  Pier  unter  Beirath 
seines  Oheims,  des  Herzogs  von  Limburg,  und  seiner  vorzüglichsten 
Ministerialen  dem  Edelherrn  Heinrich  von  Zier  (Niederzier),  sein 
Lehngut  zu  Hemmerden  dem  Neusser  Bürger  Dietrich  dem  Langen 
zu  verkaufen*.  Ausser  schon  oben  angeführten  Ministerialen  und 
Vasallen  nennt  die  Urkunde  Adolf  Sneda,  Arnold  von  (iymnicli, 
Christian  den  Schenken  (von  Nideggen),  Winrich  von  Distcrnirli, 
Bertram  Wale,  Johann  des  Burggrafen  Sohn,  Arnold,  Gerhard, 
Lambert  und  Wilhelm  von  Buchsdorf;  Hermann  von  Brügge, 
Gottschalk  Verken  von  Jülich  und  Wilhelm  von  Aldenhoven. 
Als  Zeuge  erscheint  auch  der  Propst  von  St.  Gereon  zu  Köln, 
der  vielleicht  dabei  Rechte  seines  Stifts  zu  vertreten  hatte. 
Diesem  Stift  sichert  der  Graf  zu  Köln  am  9.  Dezember  1227  auf 
Kath  seines  Drosten  Silmann  gegen  eine  feste  Jahresabgabc  von 
5  Mark  sonstige  Schutz-  und  Dienstfreiheit  für  den  Hof  Wissers- 
heim  zu^  Unter  den  Zeugen  befindet  sich  auch  Winegoz  von 
Holtrop.    Dieses  Gut  lag  in  der  Grafschaft  Nörvenich. 

Das  Aachener  Adalbertsstift  hatte  sich  1228  mit  Klagen  wider 
den  Grafen  Wilhelm  an  König  Heinrich  gewandt,  welcher  am  2.i. 
April  zu  Wetzlar  erklärt,  dass  er  dasselbe  in  seinen  besond.rn 
Schutz  genonunen  und  den  Grafen  durch  den  Dechanten  d.. 
Marienstifts  zu  Aachen  imd  den  dortigen  \ ogt  aufgd.id.ri 
habe,  die  Bedrückungen  seines  Schenken  und  DrosU.i  dn.  . 
Baesweiler  gegenüber  abzustellen;    ^er  ein  IUmM  ^n  iUi,  Hof 

0  Lacomblet  a.  a.  0.  IV,  Nr.  652. 
*)  Chart  von  Eppinghoven  Nr.  7. 
^  Lacomblet  a.  a.  0.  IV,  Nr.  6r>3. 


102  W.  Graf  von  Mirbach 

ZU  haben  glaube,  solle  dies  vor  den  Kanonichen  von  St.  Adalbert 
beweisen  ^ 

Am  1.  Oktober  1231  schenken  Graf  Wilhelm  und  sein 
Brudef  Walram  dem  Kloster  Dünwald  den  Rottzehnten  von 
18  Morgen  Land  bei  Garsdorf  ^  zum  Seelenheil  ihres  Vaters, 
jedoch  unter  der  Bedingung,  dass  ihr  Recht  auf  diesen  Zehnten 
in  Bezug  auf  andere  dortige  Grundstücke  weiter  nicht  ange- 
fochten werde.  Am  23.  September  1232  übergaben  beide  Brüder 
zu  Nideggen  dem  deutschen  Hause  (in  Siersdorf)  1^2  Fuder 
Weinrente  von  ihrem  Allodialgüt  Bürvenich^.  Ausser  einigen 
schon  genannten  Ministerialen  kommen  hier  als  Zeugen  der 
Burggraf  Wilhelm,  der  jetzige  Droste  Everhard,  Winand  von 
Gürzenich,  Gottfried  von  Ulenbusch  vor. 

Das  Kloster  zu  Bürvenich  soll  ebenfalls  vom  Jülichschen 
Hause  gestiftet  worden  sein,  wie  Einige  wollen,  durch  zwei 
unvermählt  gebliebene  Grafentöchter,  welche  ihren  Wohnsitz  zu 
einem  Cisterzienserkloster  bestimmten,  nach  Andern  durch  eine 
Elisabeth  von  Jülich  im  12.  Jahrhundert.  Gewöhnlich  wird 
aber  angenommen,  Wilhelm  IV.  mit  seiner  Mutter  und  seinem 
Bruder  seien  1234  die  Begründer  gewesen.  Auch  dieses  ist 
nicht  ganz  richtig  und  liegt  vielleicht  nur  die  Thatsache  zu 
Grunde,  dass  im  April  1234  Graf  Wilhelm  mit  Bewilligung 
seiner  Mutter  und  seines  Oheims  dem  schon  bestehenden  Kloster 
das  Grundstück,  worauf  es  erbaut  worden,  sammt  der  Pfarr- 
kirche und  den  zugehörigen  gräflichen  AUodialgütern  geschenkt 
hat*.  Da  das  Gotteshaus  auf  dem  Boden  des  Grafen  erbaut 
wurde,  so  kann  das  allerdings  wohl  nicht  ohne  Erlaubniss 
geschehen  sein  und  Graf  Wilhelm  ist  demnach  jedenfalls  als 
Mitstifter  zu  betrachten.  Nur  ist  das  Kloster  vor  1234  erbaut 
worden.  Während  noch  1166  ein  Dietrich  von  Bürvenich  unter 
den  Edelherren  erscheint^,  gehörte  der  Ort  nachher,  schon  in 
den  Zeiten  Wilhelms  11.,  zu  dem  Pellenz-Gericht  ausserhalb 
Zülpich,  und  Johann  und  Gottschalk  von  Bürvenich  kommen 
als  Ministerialen  der  Gräfin  Alveradis  vor,    die  ja  Erbgüter 


*)  Kremer,   Akademische  Beiträge  III,  S.   159.    Die  Urkunde  ohne 
Jahreszahl  gehört  wohl  sicher  ins  Jahr  1228. 
•)  Lacomblet  a.  a.  0.  11,  Nr.  172. 
•)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  186. 
*)  Lacomblet  a.  a.  0.  n,  Nr.  196. 
»)  Ebendas.  I,  Nr.  420. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  103 

zwischen  Eppenich  und  Bürvenich  besass^  Die  Vasallen  und 
Ministerialen  von  Jülich,  welche  bei  der  Schenkung  von  1234 
anwesend  waren,  sind,  ausser  einigen  schon  frülier  genannten, 
Heinrich  von  Dann,  Emil  von  Au  (Burgau),  Werner  von  Weis- 
weiler, Wirich  von  Kinzweiler,  Friedrich  der  Droste.  Graf 
Wilhelm  hat  in  demselben  Jahre  der  Abtei  Knechtsteden  gestattet, 
ihre  allodialen  Waldungen,  soweit  sie  in  seinem  Gebiet  lagen, 
zu  roden,  indem  er  auf  den  Novalzehnten  Verzicht  leistet^. 
Zeugen  sind  unter  Andern  Dietrich  der  Droste  (von  Bergheim  ?), 
Hermann  von  Boslar,  Tilmann  von  Jülich,  Wirich  von  Disternich 
und  der  gräfliche  Notar  Johann.  Als  Wilhelms  Bruder  Walram 
nachher  Herr  zu  Bergheim  geworden,  hat  derselbe  seinerseits 
1256  die  Bewilligung  genehmigt. 

Graf  Wilhelm  IV.  hat  sich  auch  der  Abtei  Brauweiler 
gnädig  erwiesen  und  ihr  im  November  1236  für  das  Seelenheil 
seines  Vaters  Wilhelm  von  Hengebach  und  dessen  Oheim  Wilhelm 
des  Grossen  von  Jülich  den  Rottzehnten  im  Walde  Asp  über- 
lassen*. Zeugen  sind  dabei  unter  Andern  des  Grafen  Brüder 
Walram  und  Theoderich,  Arnold  von  Diest,  Wirich  der  Droste 
von  Disternich,  Gottfried  Spies,  Johann  von  Pier,  Rütger  Vogt 
zu  Poulheim.  Die  Rottzehnten  waren  im  13.  Jahrhundert  Gegen- 
stand langen  Streits  zwischen  den  Territorialherren  und  den 
geistlichen  Grundherren.  Die  Erzbischöfe  zu  Köbi  sprachen 
sich  dieselben  als  Nachfolger  der  Herzoge  von  Ripuarien  in  den 
ehemaligen  fränkischen  Bannforsten  zu,  die  Landesherren  als 
Vögte  geistlicher  Besitzungen  beanspnichten  die  Rottzehnten, 
vielleicht  weil  sie  meist  Vorsitzende  des  etwa  zugehörigen  Wald- 
gedings  und  Mitjagdherren  waren,  die  Rodungen  selbst  ihnen 
also  nicht  immer  dienten.  Lacomblet  meint,  die  Landesherren 
hätten  durch  Rodung  von  Wäldern  in  Bezug  auf  die  Schätzung 
Schaden  erlitten  und  sich  deshalb  an  den  Rottzehnten  erholt, 
aber  das  scheint  mir  nicht  richtig,  denn  je  mehr  Land  für  den 
Pflug  gewonnen  wurde,  um  so  grösser  wurde  doch  damals  der 
Wohlstand,  desto  mehr  Ansiedler  kamen,  und  desto  mehr  Schatz 
war  zu  erheben.  Die  Abtei  Brauweiler  speziell  besass  seit  ihrer 
Stiftung  die  Wälder  Widenhau,  Hanepütz,  Asp  und  Brahm,  die 
ehemals  königlich  und  pfalzgräflich  gewesen.    Die  Erzbischöfe 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  24,  Anm. 
«)  Ebendas.  II,  Nr.  197. 
')  Ebendas.  n,  Nr.  209. 


104  W.  Graf  von  Mirbach 

von  Köln  sowohl  als  die  Grafen  von  Jülich  nahmen  dort  die 
Rottzehnten  in  Anspruch.  Es  scheint  wohl,  dass  im  13.  Jahr- 
hundert das  Jülichsche  Haus  entweder  die  Vogtei  liber 
Brauweiler  oder  doch  über  bedeutende  Güter  dieser  Abtei 
hatte.  In  der  Folge  aber  ist  die  Landesherrlichkeit  dort  kur- 
kölnisch. Den  Rottzehnten  in  Brahm  tiberliess  Erzbischof 
Konrad  von  Köln  dem  Kloster,  Walram  von  Jülich  zu  Bergheim 
protestirte  dagegen  und  machte  nun  seinerseits  1246  an  Brau- 
weiler dieselbe  Konzession,  die  der  Erzbischof  mitbesiegelte. 
Walram  liess  sie  sich  aber  mit  57  Mark  bezahlen^  und  ver- 
zichtete auch  auf  den  Rottzehnten  in  Hanepütz.  Noch  1260 
musste  die  Abtei  der  Jülichschen  Familie  150  Mark  Kölnischer 
Denare  zahlen,  um  deren  Verzicht  auf  die  Rottzehnten  in  allen 
ihren  Waldungen  zu  erlangen.  Nicht  nur  Walram  und  seine 
Gattin,  sondern  auch  Graf  Wilhelm  nebst  Frau  und  Kindern, 
sämmtlich,  wie  sie  sagen,  durch  Erbschaft  an  den  Zehnten 
berechtigt,  schliessen  dies  Geschäft  ab.  Zeugen  sind  Harper 
Edelherr  von  Frenz,  Caesarius  der  Kaplan,  Reinhard  von 
Hobusch  (Hompesch?)  der  Droste,  Hermann  von  Winden,  Gott- 
fried von  Kurmen,  Heinrich  von  Gersdorf,  wahrscheinlich  lauter 
Vasallen  des  Jülichschen  Hauses*.  Im  Jahre  1265  bat  Abt 
Heinrich  von  Brauweiler  den  Grafen,  er  möge  doch  den  Wald 
Bylke  nicht  roden  lassen^.  War  das  etwa  der  Busch,  welcher 
zu  einem  Jülichschen  Vogthof  gehörte  ?  In  späterer  Zeit  stehen 
die  Jülicher  in  keiner  Verbindung  mit  Brauweiler  mehr,  nur 
wegen  eines  Zehnten  bei  Oberaussem  war  im  Jahre  1297  Zwist; 
es  wird  wohl  mehr  eine  Grenzstreitigkeit  gewesen  sein,  in  welcher 
das  Kloster  obsiegte^.  Nicht  nur  mit  Brauweiler  erhoben  sich 
Anstände  in  Bezug  auf  die  Rottzehnten.  Am  2.  Februar  1288 
bekundet  Gräfin  Rikarda  als  Wittwe,  wie  einst  Wilhelm  IV., 
ihr  Gemahl,  und  Wilhelm,  ihr  ältester  Sohn,  dem  deutschen 
Haus  zu  Köln  den  Rottzehnten  von  20  Morgen  bei  dem  Ordens- 
gut ten  Berken  überlassend  Spätere  Urkunden  ergeben,  dass 
dieses  Gut,  wie  auch  Lacomblet  vermuthete,  wirklich  der  Birkhof 


0  Lacomblet  a.  a.  0.  11,  Nr.  261,  299. 
^  Ebendas.  11,  Nr.  500. 

*)  Vgl.  Annalen  des  bist.  Vereins  f.  d.  Niederrhein  XVn,  S.  170. 
*)  Vgl.  L acomblet  a.  a.  0.  n,  Nr.  209,  Anm. 

*)  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  (wird  in .  der  Folge  mit  A.  D.  citirt), 
Kommende  Köln  71. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  105 

bei  Ltittenglehn  ist.    Damals  war  er  wohl   unter  Jülichscher 
Vogtei  wegen  der  Herrschaft  Liedberg. 

Im  Jahre  1237  hat  der  Graf  dem  Kloster  auf  dem  Salvator- 
berg  bei  Aachen  für  den  Hof  Schieiden  Beholzungsrecht  im 
Ardennenwald  verliehen,  soweit  dieser  zu  seiner  Jurisdiktion, 
Wildbann  (der  Grafschaft  Molbach)  genannt,  gehörig  war,  und 
dabei  auf  Steuern,  Abgabe  und  Maihude  zu  Gunsten  des  Hofes 
verzichtete  Im  Jahre  1238  wurden  durch  den  Grafen  die 
Verhältnisse  eines  andern  Waldes  geordnet.  Vermuthlich  ist  der 
Heirathspfennig  der  Gräfin  Mathilde,  der  Gemahlin  Wilhelms  DI., 
auf  die  Vogtei  Conzen  hypothezirt  und  lange  nicht  ausgezahlt 
worden.  Mathilde  mag  um  1237  gestorben  sein  und  nun  ver- 
tnig  sich  ihr  Sohn  Wilhelm  mit  dem  Oheim  Walram  von  Limburg 
über  das  Erbe  zu  Conzen,  das,  wie  Redinghoven  sagt,  von 
Mathildens  und  Walrams  Mutter  Kunigunde  herkam,  am  19. 
Februar  1238^.  Walram  bekundet,  dass  Graf  Wilhelm  ihm 
seine  Vogtei  Conzen  erblich  abgetreten,  sich  aber  sein  Recht 
als  Waldgraf  (von  Molbach)  und  eine  Jahresrente  von  6  Mark 
aus  dem  Hofe  daselbst  vorbehalten  habe.  Unter  den  Zeugen 
auf  Seite  Wilhelms  sind  der  Marschall  Gottfried  und  andere 
Vasallen.  Am  20.  Februar  des  Jahres  ^  wurde  wegen  der  oben 
erwähnten  Waldrechte  eine  besondere  Vereinbarung  getroffen. 
Graf  Wilhelm  und  alle  Einwohner  von  Nideggen  behalten  Holz- 
recht im  Conzener  Walde  für  den  eigenen  Bedarf  zum  Bauen 
und  Brennen.  Dann  hat  der  Graf  als  Waldgraf  auch  Rechte 
an  dem  Hof  Conzen,  welche  der  Forstmeister  zu  Lehn  trägt. 
Alle  Gefalle  am  Forstgericht,  Holzding,  dort  kommen  ihm  zu 
einem  Drittel  zu  und  der  Hof  muss  dem  Waldgrafen  20  Förster, 
ebensoviele  Hufen  imd  4  Forstknechte  stellen,  auch  hat  er  den 
Kirchenruf  in  Conzen.  Unter  dem  alten  Grafen  von  Jülich  und 
dem  Herzog  Heinrich  von  Limburg  (f  1221)  war  ausgemacht 
worden,  dass  die  Hofesleute  gegen  eine  Abgabe  von  3  Mark 
wegen  infractio  banni  nicht  weiter  belästigt  werden  sollen. 
Dies  soll  auch  fortan  so  bleiben.     Dann  hatten  Herzog  Walram 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  69.  Die  Urkunde  gehört  nicht  ins  Jahr 
1217,  schon  das  Siegel  Wilhelms  IV.,  welches  daran  hängt,  beweist  dies, 
zudem  sind  aus  der  Jahreszahl  augenscheinlich  zwei  X  wegradirt  und  ist 
dort  zwischen  MCC  und  XVII  jetzt  eine  Lücke. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  224. 

')  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  225;  es  ist  natürlich  nicht  1237, 
sondern  123^*. 


106  W.  Graf  von  Mirbach 

und  der  Vater  des  Grafen  Wilhelm  sich  dahin  geeinigt,  dass 
der  Busch  Wisserscheid  zum  niedern  Wald  (Molbach  ?)  gehören 
solle,  dabei  soll  er  auch  bleiben.  Der  Hof  Blens  stellt  dem 
Waldgrafen  einen  Förster  und  eine  Hufe.  Auf  dem  Hof 
Bütgenbach  hält  der  Forstmeister  drei  Gedinge  im  Jahr;  von 
jedem  Hause  daselbst  hat  der  Waldgraf  jährlich  einen  Kölner 
oder  einen  Metzer  Denar,  je  nachdem  sie  auf  der  linken  oder 
rechten  Seite  der  Walke  liegen,  und  von  den  Brüchten  den 
dritten  Theil.  Der  Waldgraf  muss  aber  den  Höfen  Conzen, 
Aachen  und  Düren  die  Roer  freien  von  der  Quelle  bis  da,  wo 
sie  in  die  Maas  fallt,  damit  die  Fische  ungehindert  aufsteigen 
können.  Bei  dieser  Vereinbarung  waren  Zeugen  der  Abt  Florenz 
von  Kornelimünster,  Philipp  Herr  zu  Wildenberg,  Wilhelm  von 
Frenz,  Heinrich  von  Dann,  Wilhelm  der  Vogt  von  Aachen, 
Gerhard  Melkop  der  Forstmeister  und  mehrere  Jülichsche 
Ministerialen.  Weitere  Abmachungen  und  Weisthümer  über 
die  Waldgrafschaft  werden  wir  noch  erwähnen.  Der  hier 
genannte  Walram  von  Limburg  ist  Stammvater  der  Herren  zu 
Montjoie  und  Valkenburg,  welche  in  der  Folge  auch  in  dem 
obem  Walde  die  Mühle  zu  Eicherscheid  von  den  Grafen  zu 
Jülich  in  Erbpacht  nahmen,  der  hier  keine  Erwähnung  geschieht. 
Die  Jtilichschen  Gebrüder  beauftragen  am  7.  Juli  1239  den 
Vasallen  Reinhard  von  Drove,  in  ihrem  Namen  den  Verzicht  der 
Erben  Gerhards  von  Köln  auf  die  Vogtei  Mondorf  zu  Gunsten 
des  Apostelstifts  entgegenzunehmend  In  undatirter  Urkunde* 
erlaubt  Graf  Wilhelm  um  1240,  dass  der  Ritter  Wilhelm  von 
der  Stesse,  sein  Ministeriale,  die  Lehen  in  Auenheim  dem  Kloster 
Camp  verkaufe,  nachdem  er  füi'  den  Verlust  des  Vasallenguts 
entschädigt  ist.  Arnold  von  Gymnich,  Johann  Vogt  zu  Güsten, 
Wilhelm,  Sohn  des  Vogts  von  Jülich,  und  Andere  sind  Zeugen. 
Im  Juli  1240  verstattet  der  Graf  dem  Stift  Maria  im 
Kapitol  zu  Köln  den  Zehnten  bei  der  Livenmühle  rechts  vom 
Wege  zwischen  Köln  und  Mülheim  in  Bezug  auf  die  neue 
Rottung  von  72  Morgen,  die  der  Bürger  ApoUonius  dort  auf 
seinem  stiftlichen  Leibgewinngut  gemacht  hatte  ^  Graf  Wilhelm 
und  sein  Bruder  Walram  sind  im  Oktober  1244  bei  der  Aus- 
einandersetzung zwischen  den  Herren  Gerhard  und  Arnold  von 

0  Lacomblet  a.  a.  0.  U,  Nr.  241. 

*)  A.  D.  Camp.  Die  Urkunde  war  1874  noch  nicht  mit  einer  Nr.  versehen. 

')  A.  D.  Maria  im  Kapitol  Nr.  6. 


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'i  A-  D.  K.;;Ar  tvs  Ht:tt>WT>r  K.  ti,  Nr.  uv< 

'»  LÄComblet  a.  m.  0,  11,  Nr.  i^liJ, 

*)  Kremer,  Akademische  B^Mtrt^rt^  U\,  Nr.  *^^^ 

*)  Ennen  und  Eckert i,  Quellen  IK  Nr,  ä\>H,  l  vkwwd^^  ^O^Ut^  l^UMs^ 

•)  Ennen  und  Eekerti  ä,  ä,  K\  U,  Nr  aSiJ, 

0  Bondam,  Chart^rboek  p»  48?*. 

•)  Ernst,  Histoire  du  Limburg  IV,  p,  3a7i  Kivlnuv,  M\\\  I,  8    ü,> 


108  W.  Graf  von  Mirbach 

Im  Jahre  1253  ist  unter  den  Bürgen  des  Grafen  Dietrich 
von  Bar  gegenüber  dem  Herzog  von  Brabant  wegen  8000  Mark 
Kölnisch  auch  der  Graf  von  Jülich  genannt*,  der  ebenfalls  am 
10.  März  1254  mit  seinem  Bruder  bei  dem  Vertrag  zwischen 
der  Frau  zu  Montjoie  und  dem  Grafen  von  Luxemburg  wegen 
des  Schlosses  Marville  gegenwärtig  war*.  Als  Vogt  von 
Holzweiler  bekundet  Wilhelm  am  14.  August  1254  zu  Zier, 
dass  sein  Dienstmann,  Ritter  Rütger  von  Eiminderode  (Immerath) 
genannt  Kauel,  und  seine  Frau  alle  ihre  Gebäude,  welche  auf 
dem  Grund  und  Boden  des  Frohnhofs  in  Holzweiler  standen, 
für  ihren  Todesfall  dem  Stift  Essen  unter  der  Bedingung  zuge- 
wandt, dass  sie,  so  lange  die  Äbtissin  Bertha  lebe,  das  Meier- 
amt des  Hofs  behalten^. 

Graf  Wilhelm  hat  im  Mai  1255  einen  seiner  Eigenleute 
der  Kölner  Domkirche  als  wachszinsflichtig  übergeben*;  es  ist 
dies  eines  der  spätesten  Beispiele  in  hiesiger  Gegend.  Am 
20.  März  1258  besiegelt  und  garantirt  er  zu  Löwen  einen 
Vertrag  zwischen  Brabant  und  Limburg  ^ 

Im  Winter  1258/59  ist  der  Graf  vielfach  in  Köln,  wo  er 
zwei  Häuser  (Donau  und  zum  Thurm)  von  seinen  Vorfahren 
ererbt  hatte,  im  Jahre  1272  ein  drittes  auf  der  Hohestrasse, 
später  Haus  Jülich  (Nr.  111)  genannt,  kaufte  und  es  neu  auf- 
baute. Nach  seinem  Tode  hatte  Rikarda  die  Leibzucht  daran  ^. 
Am  2.  Februar  1259  ist  er  als  Zeuge  zugegen  gewesen,  da 
das  Kölner  Domkapitel  das  Schultheissenamt  zu  Kirchherten 
(in  der  Herrschaft  Caster)  der  Wittwe  und  dem  Sohn  des 
Ritters  Gottfried  Spies  verlieh.  Der  Briefe  sagt  noch  aus- 
drücklich, dass  das  Kapitel  den  Schaden  nicht  verantworten 
will,  den  etwa  der  Graf  und  die  Seinigen  dem  Hof  und  den 
Schultheissen  thun  möchten!  Im  Jahre  1258/59  ist  Wilhelm  auch 


*)  A.  diMiranda,  Ein  Ftirstenleben  S.  65,  Anm.  4  a^s  dem  Chart,  von 
Brabant  I,  f.  97. 

')  Publications  de  la  soc.  pour  la  recherche  et  la  conservation  des  mon. 
bist,  dans  le  Grand-Duch6  de  Luxembourg  XV,  p.  68. 

')  A.  D.  Essen  Nr.  38.  Bertha  lebte  noch  1262.  Die  Urkunde  hat  das 
Siegel  des  Grafen,  das  Keiflfenberg  abgebildet  hat.  Umschrift:  S.  Wilh. 
com.  Juliac.  et  nemoris. 

*)  Ennen  und  Eckertz,  Quellen  II,  Nr.  351. 

^)  Ernst,  Hist.  du  Limbourg  VI,  p.  254. 

ö)  Fahne  I,  S.  210. 

0  Lacomblet,  Urkundenbuch  II,  Nr.  460. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jillich.  109 

gegenwärtig  bei  der  Zuwendung  der  Jutta  von  ReiflFerscheid  an 
Gerhard  von  Kempenich*  und  am  2.  September  1259  zu 
Köln  bei  dem  Schiedsspruch  zwischen  den  Grafen  von  Nassau 
imd  von  Sayn  wegen  des  Wildbanns  in  der  Herrschaft  Freus- 
berg*.  Am  14.  November  1259  tritt  er  nebst  dem  Erzbischof  von 
Köln,  dem  Bischof  von  Utrecht,  der  Stadt  Köln,  den  Grafen 
von  Berg,  Geldern,  Cleve  und  Sayn  dem  Landfrieden  bei^. 

Nachdem  um  diese  Zeit  von  Seiten  des  Rellinghausener 
Frohnhofs  zu  Froitzheim  vielfache  Klage  gegen  den  dortigen 
Schultheissen,  Christian  den  Schenken  von  Nideggen,  erhoben 
worden,  begab  sich  der  (^raf  als  Vogt  am  15.  Juli  1260  in 
Begleitung  seiner  Dienstmannen  Winrich  von  Frangenheim  und 
Hermann  von  Distemich  nach  Froitzheim  und  liess  auf  dem  Hof 
neben  der  Kirche  die  Schöffen  ihr  Weisthum  aussprechen  über 
die  Rechte  der  Grundherrin  und  der  Hofesleute,  sowie  nament- 
lich über  die  Verpflichtungen  des  Schultheissen  in  Bezug  auf 
das  Geleit  der  Pröpstin*. 

Auf  Bitte  seines  Vetters,  des  Herzogs  von  Limburg,  als 
Lehnsherrn  der  Vogtei  Burtscheid  weist  der  Graf  im  September 
1261  das  zwischen  dem  Kloster  und  dem  Untervogt  streitig 
gewesene  Recht  des  letztern  ^  Diese  Angelegenheit  machte 
auch  den  spätem  Grafen  noch  zu  schaffen. 

Am  11.  November  1264  genehmigen  Erzbischof  Engelbert  II. 
von  Köln  und  der  Graf  Wilhelm  als  Mitherr  zu  Zülpich  eine 
Schenkung,  welche  der  dortige  Bürger  Nikolaus  dem  Kloster 
Füssenich  gemacht  hatte  ®.  Wilhelm  bedachte  auch  am  20.  März 
1 265  die  Stiftung  seines  Vaters  in  Siersdorf,  woselbst  die  Brüder 
des  deutschen  Ordens  3  Morgen  bei  ihrem  Hof  erhalten,  welche 
seit  Alters  die  Benden  hiessen;  er  erhielt  dafür  3  Morgen  bei 
Widstock,  welche  dem  Orden  als  Allodium  zuständig  gewesen '. 
Jedenfalls  lag  doch  dieses  Widstock  im  Lande  Jülich,  ich  vermag 
den  Ort  aber  nicht  nachzuweisen.  In  demselben  Jahre  hat  der 
Graf  den  Verzicht  des  Gerhard  von  Luxemburg  und  Durbuy 


^)  Eltesterund  Goerz,  Mittelrh.  Urkundenbuch  III, Nr.  1473  und  Anm. 

»)  Ebendas.  III,  Nr.  1496;  Philipp!,  Siogener  Urkundenbuch  I,  Nr.  28. 

^)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  478. 

*)  Ebenda».  II,  Nr.  494. 

*)  Ebendas.  IT,  Nr.  506. 

0)  A.  D.  Füssenich  Nr.  9. 

^)  Hennen,  Urkundenbuch  des  deutschen  Ordens  II,  Nr.  175. 


110  W.  Graf  von  Mirbach 

auf  die  Grafschaft  Namur  zu  Gunsten  des  Grafen  von  Flandern 
mit  seinem  Siegel  bekräftigt*,  und  ebenso  1267  den  Vergleich 
zwischen  der  Familie  von  Limburg  an  der  Lahn  und  den  Herren 
von  Blankenheim  in  Betreff  der  Güter,  welche  die  Gräfin  Agnes 
von  Blieskastel  hinterlassen  hatte*. 

Aus  dem  Jahre  1266  erfahren  wir,  dass  Jutta  von  Mohtjoie 
dem  Grafen  Geld  schuldete;  nachdem  sie  aber  ihrem  Oheim, 
dem  Grafen  von  Luxemburg,  ihre  Leibzucht  an  Marville  abge- 
treten, musste  dieser  auch  die  Forderungen  des  Bischofs  von 
Lüttich,  des  Grafen  von  Jülich  und  des  Herrn  Seger  von  Bour- 
scheidt  im  Gesammtbetrag  von  400  Pfund  übernehmend 

Am  24.  April  1269  ward  dem  Grafen  Wilhelm  eine  Ent- 
scheidung in  der  Streitsache  zwischen  Konrad  von  Schieiden 
und  der  Abtei  Steinfeld  übertragen*,  er  fällte  den  Spruch  zu 
Gunsten  letzterer  am  24.  März  1270  ^  Am  12.  Januar  1270 
bekunden  er  als  Vogt  und  der  Abt  zu  Kornelimünster,  dass  die 
Ritterschaft  und  die  Gemeinde  des  Ländchens  von  Kornelimünster 
in  dem  Walde,  der  „das  Gehölz*'  hiess,  dem  Ritter  Arnold  von 
Frankenburg  Gerechtigkeit  verliehen.  Der  Graf  weist  demselben 
deshalb  gewisse  Bäume  an^ 

Unter  den  Garanten  des  Friedenschlusses  vom  29.  August 
1270  zwischen  dem  Herzog  von  Brabant  und  Herrn  Friedrich 
von  Reifferscheid  befindet  sich  auch  der  Graf  von  Jülich ',  ebenso 
als  Zeuge  bei  dem  Verkauf  der  Güter  zu  Trechtingshausen, 
welche  Graf  Heinrich  von  Kessel  Schulden  halber  dem  Kloster 
Eberbach  am  22.  Juli  1271  überlassen  hat  \  Dem  Kloster  Füssenich 
gegenüber  erklärten  Wilhelm  und  seine  Gattin  im  Jahre  1272,  dass 
sie  kein  Recht  auf  das  Patronat  der  Kirche  zu  Bettenhoven 
hätten  ^    Der  Graf  hatte  übrigens  einen  Hof  in  dem  Orte. 

Am  19.  Oktober  1274  verleiht  er  von  Köln  aus  dem  Kom- 
thur  und  den  Brüdern  zu  Siersdorf  Freiheit  von  Zoll  und  Burgeld 

')  Beiffenberg,  Monumentä  pour  servir  k  Thistoire  de  Namnr  I,  p.  3. 
•)  Barsch,  Eiflia  illustrata  I,  1,  S.  240. 

')  Pablications  de  la  soci^t^  poor  la  recherche  et  la  conservation  des 
mon.  hist  dans  le  Grand-Dnch^  de  Loxembonrg  XV,  p.  102. 

<)  Annalen  des  bist  Vereins  f.  d.  Niederrbein  XXTTT,  S.  178. 

^  Lacomblet  a.  a.  0.  IV,  Nr.  671. 

•)  Qu  ix,  Gescbicbte  des  Karmeliten-Klosters  zu  Aacben  S.  121. 

0  Butkens,  Tropb^es  I,  preuv.  p.  104. 

«)  Picks  Monatsscbrift  n,  S.  204. 

•)  Kremer  a.  a.  0.  in,  Nr.  115;  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  60,  Aum. 


Bwmii^  aa  ■Ttiwmiiwe   It-r-imitu  '.''u  'mKo. 


4    * 


for  all  ihr  Weinirwäi-hif  im  nüiciiwr  Laiui  hxii  iwlua  ^i\ulK;Ka 
ZoUstatteiu  wrbeliaitiicu  «Ihs^  W-^eK^ltlts  Sit^i-Mluri'  liu'-U'  -.a 
jener  Zeit  unter  Anilenn  4  MorirtfOi  WeiabeiH  tx'i  /uJpich  uüJ 
Weingarten  bei  Vebina.  Wi'Jit.Min^  :x»hii  hat,  aK^^v^  ItKuJi.k 
am  2.  Februar  liiOS  hestaciiCt;.  Pie  KoauucttUv^  Sici>»Juit  w^ü 
damals  nicht  eben  bes^)üder>  rvich  dotitt,  h.UU^  aWv  ciuvu  H'»! 
zu  Aldenhoren  mit  17  il<)r<reu  AckerUml  Im  .»ubiv  \  li:i 
miisste  derselbe  verkauft  werden;  mau  l^^k»m  i\\\'  vUuk  M».a<v\u 
4V«  Mark  Kölnischen  Pa^aments,  also  17, U>  M4ik  .iv^U.iiivvv 
Reichswährung  an  Silberwerth!  l>t^r  haudkiMuUuu*  Uinlmv^  \^^\\ 
Looz,  welcher  den  Hof  ankaulto,  wollto  tlauül  m^  {i\\\\M\t,\^i\\\\'\\s^ 
zu  Aachen  dotiren.  Damals  konnuou  ViM»  OnltMiöltriMliMii  ^w  hir.u 
dorf  vor:  Gerhard  von  Runcheit,  Kointhur,  TiliimuM,  IM.mmh  *^m 
Siersdorf,  Johann  von  HeinHborK,  l*ri<'HhM',  WoIhrtiM  v«»M  MhIkmIm^iu* 
(Mehlem),  Reiner  von  Milien,  A^k'^Hm«  vmii  KiilhiM,  ImImmm»  -mm 
Eynenburg,  Arnold  von  N*»u<;iirod<%  (inrliitnl  vom  M»>nMit/l»^M  '  Im* 
Jahre  1290  sind  die  Brüder  IMurkU  vom  Wwf^l^o  'mi/I  A#M'.h» 
von  Bongart,  die  Prit-Mirr  H^'nunttu  mm^I  JhU^thn  y^-hnufA 
Komthnre  war^^n  I2T0  0'/**fri'''J  ^oo  '\*h*)th^.th  t/'ih  ^.A'f.M* 
von  WeweIiL2^:-  v*-:,.  j  ;>/  //;  •,',;j,"j  v',t^  </  ,v  .v  *  <  /  / ^  '>  "•'•  -^'"' 
von  KerkeiL,  j',.>y  ^'^%,  -^  ,ä-  -^-^    -  '. 

Am  ^»  N  '^'**u  '»»"f  ,  iTTT   '^*'/  **  /'  *   '/ ** *  ^'      '*'  ^^   ^^  **"*■  ' ■'*'••* '' " 
rever»'  d^  J*  n*'!***!»*!    *  n    o»**      ^-vi^-^'n*/  /a   '/«ut../*    c-,/  /^/ 

EL  VhM     *'i  »  ii*      •'.  .'^     /     r ,.   ,     .  .  ..  ^  '   w  '  r     ..'   /. 

Zuwa'*ii*  j     ,**"      -  '.       *'  ,'      -'          ••"     *'    /-'*'-• 

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*  t      *  A  ^ 


-^Mitfi' 


112  W.  Graf  von  Mirbach 

Revers  mituntersiegelt  hat^  Dieser  erwirkte  seinem  Neffen 
Wilhelm  im  Jahre  1226  auch  das  Privilegium  von  dem  Reiche, 
alle  Juden,  die  sich  in  seinem  Lande  niederlassen  möchten,  zu 
Lehn  zu  halten  und  Tribut  von  ihnen  nach  Gefallen  zu  nehmen  *. 

Am  9.  Dezember  1227  machte  der  Graf  unter  Beirath 
seines  Drosten  Silmann,  seiner  Amtleute  und  Vasallen  zu  Köln 
im  Gereonskloster  an  demselben  Tage,  als  er  die  oben  (S.  101) 
berührte  Urkunde  für  den  Hof  Wissersheim  erliess,  eine  nicht 
unwichtige  Erwerbung.  Das  Stift  von  St.  Gereon  betraute  ihn 
nämlich  mit  der  Vogtei  und  dem  ins  gladii  in  dem  Frohnhof  zu 
Viersen  und  dem  Distrikt  und  über  die  ünterthanen  dort,  wie 
es  dies  alles  durch  alte  kaiserliche  Verleihung  erlangt  hatte. 
Graf  Wilhelm  verspricht  das  Gut  zu  schützen,  ohne  weitere  Dienste 
und  Abgaben  zu  fordern  als  nur  15  Mark,  welche  er  jährlich  am 
St.  Andreastag  zu  beziehen  hat,  und  eine  Mark,  welche  drei- 
mal im  Jahre  bezahlt  wird,  wenn  sein  Vogt  persönlich  oder 
durch  einen  Stellvertreter  das  ungebotene  Gedinge  hält.  Von 
diesem  Gericht  wurde  dann  an  den  Haupthof  des  Klosters 
zu  Junkersdorf  (im  Amt  Bergheim)  appellirt.  Die  Jagdgerechtig- 
keit bleibt  den  Grundherren  vorbehalten,  der  Graf  wird  aber 
Wölfe,  Füchse  und  sonstige  ünthiere  auf  Kosten  und  unter 
Beihülfe  der  ünterthanen  kurz  zu  halten  suchen.  In  kalten 
Wintern  kamen  wohl  noch  bis  zum  Anfang  des  19.  Jahrhunderts 
Wölfe  in  das  Jülicher  Land,  im  Mittelalter  müssen  sie  dort 
nicht  selten  gewesen  sein,  spielt  doch  auch  der  Reineke  Voss 
der  Thierfabel  in  einem  Pfarrhaus  des  Jülicher  Landes  dem 
Wolf  einen  argen  Streich^!  Die  Herrlichkeit  Viersen  bestand  aus 
8  Hundschaften:  Viersen-Hülsdonk,  Rintgen,  Hammer,  Ummer, 
Heimer,  Beberich,  Hoser-Bockert  und  Rahser*.  Möglich,  dass 
die  Herren  von  Wickrath,  Rheydt  und  Andere  in  der  Folge  die 
Vogtei  Viersen  nur  als  Jülichsche  Vasallen  inne  hatten,  1350 
war  dieselbe  aber  Geldrisch. 

Am  14.  Februar  1234  belehnt  Pfalzgraf  Otto  den  Grafen 
mit  den  pfölzischen  Lehnsstücken,  die  dessen  Vorfahr  schon 
an  Wilhelm  IV.  verliehen  hatte.    Der  Vasall  muss  jetzt  aber 


»)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  112. 

*)  Ebendas.  II,  Nr.  140;  darauf  läuft  doch  wohl  das  disponere  de  eisdem 
hinaus. 

»)  Vers  1451  fS. 

*)  Schröteler,  Die  Herrlichkeit  und  Stadt  Viersen,  Urk.  9,  12,  22. 


Beitrfige  zur  (resehichte  der  itrafea  voa  JiÜiclL  li:4 

diese  Objekte  um  2(M)  Mark  vermehreiu  bt^zw.  duuh  ein  UuK 
welches  20  Mark  eintraf;  ab*  Sicherheit  staud  des  UvutVu 
AUod  zu  FlüTerich,  Bürgen  waren  Wilhelm,  Vo^rt  zu  Aachen, 
und  die  Julichachen  Ministerialen  Christian  der  Si'heuk,  Heinrich 
Buff  und  Karsilius  K 

Zu  den  Lehnsstacken  gehört  zunächst  die  Vogtei  Breisig 
mit  Gonnersdorf,  Brohl,  beiden  Lntziugen  und  dem  Thal  vi>u 
Rheineck.  Ueber  die  Einkünfte  dieser  Vogtei  im  13.  Jahr- 
hundert hat  sieh  eine  Aufzeichnung  erhalten*.  Ausser  der 
Schätzung  hatte  der  Oewaltherr  den  dritten  Theil  der  Bröchteu, 
aus  dem  Klosterhof  zu  Weihnachten  und  zu  Johanni  12  Sester 
Weizen,  4  Malter  Hafer,  4  Urnen  leichten  Biers,  1  Ohm  Wein, 
ein  Schwein,  5  Schillinge  leichter  Pfennige  werth,  ein  audeivs 
für  30  Denare  und  eines  für  6,  2  Talente  Wachs,  2  Talente 
PfeflTer,  10  Hühner,  6  Denare  pro  lardo  ad  pullos  assandum, 
endlich  eine  neue  Schüssel,  zu  deutsch  „Gestulpit*',  mit  Eiern. 
Diese  patriarchalischen  Verhältnisse  werden  wohl  noch  im  13. 
Jahrhundert  eine  Aenderung  erfahren  haben.  Schon  Wilhelm  IV. 
verschreibt  um  1250  seinem  Vasallen  Gerhard  von  Sinzig  jähr- 
lich 2  Mark  aus  den  Breisiger  Einkünften,  welche  Rente  mit 
20  Mark  ablösbar  sein  soll'. 

Die  Vogtei  Wesseling  bei  Bonn  war  ein  zweites  Lehn.  Hier 
war  das  französische  KlosterMontfaucon  (irundherr,  um  1320 
bildet  Wesseling  ein  kleines  Amt,  L'nt<?rvogt  war  damals  ein 
gewisser  Tilmann. 

Die  Vogtei  Vilich,  ebenfalls  ein  LchuHstUck,  von  den  Sieg- 
mündungen bis  auf  das  Siebengebirge  sich  erstreckend,  trat 
Wilhelms  Sohn  an  Kurköln  ab. 

Bleibender  Jülichscher  Besitz  war  die  Vogtei  über  die 
Komelimünstersche  Herrschaft  Bergheim  (BergheimerdorO  n»it 
beiden  Aussem,  Glessen,  Wiedenfeld,  Holtrop,  Bohlendorf,  Ginster- 
hof,  Neuenhof,  Lappenrath,  Fuchsenhof,  der  Ililirte  von  Asper- 
schlag (früher  Asmundislo,  Asnumdisheim,  auch  Asperslo,  Aspens- 
iegen genannt)  und  den  jetzt  verschwundeneu  Orten  PiinhauscMi 
und  Curmen.  Pfalzgraf  P^zzo  und  seine  Familie  hatten  den 
Bezirk  inne  gehabt  und  dem  Kloster  an  der  Indi^  im  .lahre  1028 


*)  Lacomblet,  ürkundenbuch  II,  Nr.  193. 

*)  von  Ledebur,   AUg.  Archiv   II,   812;   Zoitachrift  den  Bcrginchen 
Geschieht« Vereins  XII,  S.  194. 

»)  Eltester  und  ^  Vh.ürkundcubu('hIlI,Nr.lü9l,  ohne  Datum. 

8 


114  W.  Graf  von  Mirbach 

geschenkt,  die  Vogtei  blieb  dann  im  Obereigenthum  auch  der 
spätem  Pfalzgrafen. 

Die  Vogtei  Paffendorf  lag  nahe  bei  Bergheim,  sie  umfasste 
auch  das  Dorf  Glesch.  Hier  war  das  Stift  Essen  Gnindherr, 
welches  auch  in  mehrern  andern  Dörfern  noch  Zehntherr  war. 
Diese  Dörfer  Zieverich,  Berrendorf,  Grouven,  Brockendorf,  Thorr 
und  Etzweiler  gehörten  ehedem  zur  Pfan^ei  Paffendorf,  ob  sie 
aber  1234  noch  dahin  gerichtszwängig  waren,  kann  ich  nicht 
sagen.  Im  15.  Jahrhundert  gehörten  sie  ins  Amt  Bergheim, 
Paffendorf  aber  zu  Caster.  Die  Essenschen  Güter  lieferten  dem 
Vogt  von  Paffendorf  jährlich  8  Paar  Korn,  6  Summer  Gerste, 
38  Malter  Hafer,  34  Hühner  und  seit  dem  14.  Jahrliundert  36 
Tumosen  an  Geld.  Zu  Ostern  und  zu  Johanni  hatten  die  Amt- 
leute beun  Vogtgedinge  Kost  und  Pferdefutter,  sowie  24  Hüh- 
ner. Die  Mitfischerei  in  der  Erft  war  dem  Vogt  gleichfalls 
zuständig  ^ 

Holzweiler  war  ein  besonderes  Lehnsstück,  gleichfalls 
Essensche  Vogtei  und  der  Besitz  des  Stifts  datirt  von  898  * ; 
Immerath,  Pesch,  Spenrath,  Lützerath  und  Eggerath  gehörten 
zum  Gericht. 

Ein  siebentes  pfalzisches  Lehn  war  die  Vogtei  über  das 
Kloster  Kornelimünster  an  der  Inde,  welches  schon  unter  der 
Schutzherrlichkeit  des  Pfalzgrafen  Ezzo  gewesen  war  ^  Ausser 
dem  Gericht  daselbst  gehörten  noch  zu  der  Vogtei  die  Herr- 
lichkeiten Gressenich,  878  an  Kornelimünster  geschenkt,  und 
Niederkastenholz-Kirchheim  ^.  In  der  spätem  Zeit  behauptete 
das  Kloster  dem  Lande  von  Jülich  gegenüber  seine  Keichs- 
unmittelbarkeit.  Schon  1478  sagt  der  Abt,  dass  er  dem  Herzog 
von  Jülich  die  Belehnung  mit  der  Vogtei  ertheilt  habe,  wie 
dessen  Vorfahren  sie  ehedem  empfangen  ^  Li  den  Lehnbriefen 
der  Pfalzgrafen  bis  ins  16.  Jahrhundert  figurirt  aber  noch  immer 
diese  Vogtei. 

Als  Schutzherren  der  Essenschen  Güter  in  Ripuarien  waren 
die  Pfalzgrafen  auch  Vögte  über  die  Güter  des  von  Essen  aus 


*)  Vgl.  Lacomblet-Harless,  Archiv  VII,  S.  7. 

*)  Lacomblet,  ürkundenbuch  I,  Nr.  81. 

>)  Ebendas.  I,  Nr.  164. 

*)  A.  D.  Kornelimünster  26. 

*)  Chart,  von  Kornelimünster  82,  S.  28. 


BnirniiT*  rar  •j'-r-^fki- hte  der  Grafen  von  Jülith.  U& 

g^rnn«iecen  Sofia  R-Lliiiirbauson  zii  Froitzhoiiu  und  Türuiih, 
Diese  Vt/ürreien  wiirleii  gleichfalls  den  limllni  von  Jülich  uU 
Lehen  zeireben.  Za  Fr  'itzheim  gehörte  FrAiigonhoim,  m  Tür- 
nich  Balkhaiweii.  Wihr^^nJ  die  Deszendenten  der  llt»friöi'hult' 
heiäse  Toa  Frür^fii^im  n-ioliher  den  Fn)hnhof  dos  Stiftn  jKit 
aller  ♦iereclitiu'fceit  Li.iili'  h  an  sich  brachten,  verpfilndeton  diu 
Julieher  Herren  Titrni.h  im  14.  Jahrhundert  an  die  Untervügto, 
Tergaben  et*  «ipäner  :tl>  I>hn  und  s>o  entstand  uns  der  Vi^gtui 
eine  Jalit'h^^fa**  rarerherrsHrh  ift. 

Eia  weiteren  L^h.irt.-tuck  war  die  Wahl grufsc halt,  ciauilatu« 
et  ins  nenuiris,  die  i«'Ii  '^^ea  (<.  105  f.)  schon  erwilhut  habe, 

Vt)a  dea  HrtOireiMu  ä^MiL-a  Lvhcn  erhielt  UrafWilhidni  1-*M4 
nur  die  Gdter  in  Zilv  x  ELiiiivutlich  die  Marienkirche;  iliü 
übrigea  hatte  dt^r  m.«  a  je"»^(ii-?  Evvrh.uil  von  Hengelmch  inne, 
Xachilem  letztef-r  ^a.ie  .i:.L..\\  le  Erlvn  gestorben  war,  ribw 
Graf  Willit-lni  ^,r  11^}   L-  Lk\-:'^  aw  sich. 

Die  »jriirrir  »ler  c£*n^*:iui  .'. '.rJ  um  Zillpich  bihleton  einen 
Gmai  tu^t  f-irrvi.u'-niU'ii  •^V':.>  rvi-.hvu  Kurkidn  und  Jülich 
wältfTfQiI  [u»^iir'*r*r  ^iA*n.v,\t>.^A,  !,?.'..•-':; 'iih  im  IH.  und  H, 
Die  Yrr{i;ilniii:^r*e  yi:*\v  i/er  liiA  c..r\  ^trL^  \erwii'kelle  und 
naeb  dem  Tnüer  ■«  .r  j*'r*ui:iMi  y(AM7\u\  im  t^  »urh  kaum  uio^- 
liclu  T^ll^wtajl.jT  i.:i/    n    U*r   *^.   lit   cv    s^l^:.    Da   \:\  der  Koli;\> 

hier,  e'v*.*  :  t.lK••^^   üi.**i..e*r  v.\   M-r*'U. 


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116  W.  Graf  von  Mirbach 

letztem  Gericht^,   Floisdorf  zum   erstem,    obschon   es   etwas 
seitwärts  nach  Enzen  zu  von  der  oben  gedachten  Linie  ablag. 
Es  gehörten  auf  den  Schievelsberg  die  Dörfer  Enzen,  Schwerfen, 
Wisskiichen,  Dürscheven,  Linzenich,  Lövenich,  Merzenich,  Uel- 
penich,  Nemmenich,  die  nachher  das  Jülichsche  Gericht  Enzen 
bildeten,  ßövenich,  Elvenich,  Lüssem,  Frauenberg,  Jrresheini, 
Oberwichterich,  welche  später  theils  an  Kurköln  kamen,  theils 
von   Jülich  verpföndet  wurden.    Vielleicht  sind  den  13  Hund- 
schaften auch  noch  einige  Dörfer  zuzuzählen,   da  die  Kemper- 
heide  nur  9  Hundschaften  und  mehr  Ortschaften  hatte,  nämlich : 
Bürvenich  und  Eppenich,  zusammen  eine  Hundschaft,  dann  Flois- 
dorf, Berg  vor  Floisdorf,  Juntersdorf,  Langendorf,  Hausen  (zum 
Theil),  Hergarten,  Hoven,  Floren,  SoUer,  JakobwüUesheim,  Kelz, 
später   alle   zusammen   das    Gericht   Bürvenich   bildend,   dann 
Hundschaft  Bessenich-Sievernich-Weiler,  Hundschaft  Geich,  Hund- 
schaft Ftissenich,  die  meist  nicht  zu  Jülich  gehörten.  In  der  Folge 
erlangten  in  dem  Bezirk  verschiedene  geistliche  und  weltliche 
Herren  ausgedehnte  Rechte  und  grossen  Grundbesitz,  an  welchen 
Besitzungen  dann  allerlei  niedere  Gerichtsbarkeiten  klebten,  meist 
nur  hofrechtlicher  Art,  aber  auch  wohl  in  allen  Civil-,   später 
hier  und  da  sogar   in  Kriminalsachen.    Die  Herren    aus   dem 
Hengebacher  Stamm   tmgen  wohl  schon   sehr  früh  die  pfalz- 
gräflichen Gerichtsbarkeiten  und  Güter  als  Lehen;  unter  ihrer 
Vogtei  standen  dann  wieder  die  geistlichen  Güter.    Doch  erbten 
die  Pfalz-  oder  Pellenzgüter  nicht  stets  im  Mannesstamm  oder 
in  ältester  Linie  fort,   wurden  vielmehr  häufig  unter  der  Ver- 
wandtschaft getheilt  *,  bis  Graf  Wilhelm  IV.  von  Jülich  sie  wieder 
vereinigte  und  alle  zu  Lehen  erhielt,   wenn  er  auch  nicht  den 
ganzen    Besitz    faktisch    sich   erhalten   konnte.     Wie   gesagt, 
standen    ihm    und    standen   schon   seinen   Vorfahren   die    ver- 
schiedensten  andern    Rechte   gegenüber.      So   hatte   innerhalb 
einer  Bannmeile  um  Zülpich  der  Erzbischof  von  Köln  das  Geleit 
namentlich  fiir  die  Kaufleute,   die  seinen  freien  Markt  in  der 
Stadt  besuchten,  und  ferner  durfte  innerhalb  der  Bannmeile  keine 
„Grut**  sein  als  die  seinige.  Liblar,  Weilerswist,  Roitzheim,  Satz- 
fey.    Call,    Heimbach,   Zercall,   Kreuzau,  JakobwüUesheim  und 
Blatzheim   waren  die  Grenzpunkte  dieses  weiten  Bezirks.    In 


')  Bis  1279,  vgl.  Lacomblet,  Urkundenbuch  ü,  Nr.  730. 
»)  Belege  dafür  vielfach,  z.  B.  hatte  ja  noch  1234  Everhard  von  Henge- 
bach  die  Güter  ausserhalb  Zülpich,  Wilhelm  IV.  die  Güter  in  Zülpich. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  (rnif*;n  r*m  Juli^'b,  117 

der  Stadt  selbt,  bezw.  vor  ihren  Thoren  lagfm  dr#^i  Kir^b^fi, 
Mütter  anderer  Pfarreien  in  ziemlichem  L'mkreiM,  f\Ut  l'^tiTn- 
kirche  und  die  Marienkirche  und  endlich  die  Martifinkirclu' ' 
(Meersbure,  Mersburden,  Mertensburden).  lA'tzifn?  ward  «Tit 
1289  in  die  Stadt  verlegt*.  Sie  dient  jetzt  pn>fanf*n  Zwi^rkin, 
seit  dem  Jahre  1801.  Die  Marienkirche  int  1^75  wohl  ^anz 
abgetragen  worden ;  was  man  damals  nrn-h  w^lien  konnt^%  «tammUj 
mindestens  aus  dem  Anfang  des  13.  Jahrhundertn.  K-i  )n'ysU'hl  Httmli 
nur  mehr  die  Peterskirche.  Im  Jahre  1 124  war  nie  elHMifallH  tlU* 
einzige  Kirche  in  der  Stadt',  die  Marienkirche  ward  also  wohl 
um  1200  hinein  verlegt.  Schon  vor  1043  hatte  der  Hrzhimhof 
einen  Zoll  in  Zülpich^  und  auch  einen  Pallaxt,  ciu  Z^dinii* 
daselbst  war  schon  vor  1050  dem  (iraferi  Sikko  (von  Ahrj  aln 
Benefizium  verliehen  und  10H4  heinigofallen.  Zehnte  und  PallaMt 
kamen  1064  bezw.  1124  durch  Schenkung  an  die  Abtei  Sic^- 
burg,  und  diese  verwandelte  letzt^'rn  in  eine  Z<dle,  H\Mor 
Propstei,  welcher  auch  die  dabei  gelegene  Petemkirchc,  Zehnfx'n 
Mausen,  Häuser  u.  s.  w.  von  den  Erzbiwrhöfen  zugewandt  wur- 
den ^  Von  Gerlach,  einem  der  Mitvögte  Siegburgs  (10fJ4),  leitet 
von  Ledebur  die  Herren  von  Hengebach  und  Jülich  ab;  der  1 140 
genannte  Vogt  Dietrich,  welcher  einen  an  Siegburg  verliehenen 
Zehnten  zu  Heimbach  (Hengebach)  für  Ländereien  bei  Uelpenich 
wieder  eingetauscht  hat^  ist  sicher  Dietrich  von  Hengebach- 
Gladbach,  der  auch  1138  erscheint,  und  1166  ist  Hermann 
von  Hengebach  als  Vogt  zu  Zülpich  genannt,  welcher  für  die 
Propstei  50  erkaufte  Morgen  im  Felde  bei  Zülpich  in  Empfang 
nimmt.  Diese  Ländereien  lagen  im  Bann  des  Grafen  von  Ahr  ^. 
Das  Ahrsche  Haus  hatte  also  auch  ein  Gericht  bei  Zülpich.  Es 
war  dies  die  Pfarrei  Mersburden  vor  der  Stadt  oder  die  Hund- 
schaft Bessenich  mit  Weiler  und  einem  Theil  von  Sievernich  \ 
ein  Bezirk,   der  sich  in  der  Hand  eines  weltlichen  Herrn  ganz 


*)  Vgl  Broix,  Tolbiacum  S.  125  und  126;  Merlo  a.  a.  0.  XLIV.  XLV, 
S.  174  ff. 

»)  Broix  a.  a.  0.  S.  86;  Merlo  a.  a.  0.  XLIV.  XLV,  S.  177. 

«)  Vgl.  Lacomblet,  Urkundenbuch  I,  Nr.  299. 

*)  Vgl.  Lacomblet  a.  a.  0.  I,  Nr.  179. 

*)  Vgl.  Lacomblet  a.  a.  0.  I,  Nr.  202,  203,  299. 

•)  Lacomblet  a.  a.  0.  I,  Nr.  341. 

^)  Lacomblet  a.  a.  0.  I,  Nr.  420. 

«)  Vgl.  Lacomblet,  Archiv  VII,  S.  61  und  I,  S.  252;  Merlo  a.  a.  (). 
XLIV.  XLV,  S.  181.    Später  kam  Sievernich  ganz  an  JtÜich. 


118  W.  Graf  von  Mirbach 

von  der  Gerichtsfolge  auf  die  Kemperheide  frei  machte.  Die 
Pfarrei  schenkten  die  Grafen  von  Ahr  ihrer  Stiftung,  dem 
Kloster  Steinfeld  ^,  und  so  ist  später  von  einer  Vogtei  Mers- 
burden  die  Rede,  dieselbe,  welche,  vielleicht  von  der  alten  Lage 
der  Kirche  ausserhalb  der  Stadt  „auf  dem  Guden**  genannt, 
identisch  sein  kann  mit  dem  1394  erwähnten  Gudengericht*. 
Als  1246  die  Grafschaften  Ahr  und  Hochstaden  an  Kurköln 
kamen,  gelangte  auch  die  Vogtei  Mersburden  an  den  Erz- 
bischof' und  war  deshalb  in  der  Folge  viel  Streit  mit  Jülich. 
Hatten  die  Erzbischöfe  auch  ihren  Pallast  und  Güter  in  und 
ausserhalb  Zülpich  an  Siegburg  verschenkt,  so  besassen  sie 
da  doch  noch  viele  Güter,  Rechte  und  Gerichte  vor  1246*. 
Nun  waren  im  13.  Jahrhundert  und  später  noch  drei  Pfarreien 
und  drei  Gerichte  in  und  bei  Zülpich,  St.  Peters  Kirchspiel 
über  geistliches  Grundeigenthum  und  den  ehemals  Kölnischen 
Pallast  mit  dem  Vogteigericht  der  Herren  von  Hengebach, 
St.  Marienkirche  mit  den  Gütern  in  Zülpich,  die  zur  alten  Pfalz 
gehört  hatten,  und  Mersburden. 

Ausser  der  Bannmeile,  die  wir  schon  erwähnt,  lief  noch 
ein  dreifacher  Kreis  verschiedener  Berechtigungen  des  Erz- 
bischofs und  der  Kirche  von  Köln  in  und  um  Zülpich*. 

Der  innerste  dieser  Bezirke  war  der  Burgfriede  des  ehe- 
maligen erzbischöflichen  Pallastes;  er  umfasste  einen  Theil  der 
Stadt  und  Hoven.  Hier  hatten  der  Schultheiss  und  die  Schöffen 
die  Hofs-  und  Civil-Gerichtsbarkeit ;  seit  1279  ist  anerkannt, 
dass  die  Eingesessenen  nicht  mehr  auf  dem  Schievelsberg  dem 


*)  Vgl.  Annalen  des  bist.  Vereins  f.  d.  Niederrhein  XXIII,  S.  148. 

*)  Broix  a.  a.  0.  S.  86. 

•)  Lacomblet,  Archiv  I,  S.  245,  und  Mersburden  blieb  Kölnisch,  bis 
um  1308  eine  Aeuderung  eintrat,  während  die  Grafschaft  Hochstaden  bei 
Köln  blieb.  Das  Weisthum  bei  Lacomblet,  Archiv  I,  S.  245  braucht  des- 
halb nicht,  wie  der  Herausgeber  meint,  vor  1261  zu  fallen,  weil  darin  gesagt 
ist,  dass  ein  Erzbischof  von  Köln  auch  Graf  von  Hochstaden  sei,  ich  denke, 
es  ist  zwischen  1279  und  1288  abgefasst,  weil  es  Mersburden  noch  als 
Kölnisch  angibt  und  hinzufügt,  der  Erzbischof  habe  eine  Urkunde  vorge- 
wiesen, dass  die  Vogtei  zu  Zülpich  nur  innerhalb  der  ersten  vier  Steine  sein 
sei;  das  ist  jedenfalls  das  Pingsheimcr  Friedensinstrument,  Lacomblet 
a.  a.  0.  II,  Nr.  730,  das  bis  1288  Geltung  behielt. 

*)  Lacomblet,  ürkundenbuch  II,  Nr.  376  ist  die  Rede  von  des  Erz- 
bischofs Gütern  zu  Zülpich,  wie  sie  die  Erzbischöfe  Engelbert  und  Heinrich 
besessen. 

*)  Lacomblet,  Archiv  I,  S.  245. 


Beiträ4r^  züt  <it*>cLicht<?  *ler  Grafen  von  Jiilirh.  119 

Vogt  von  Hengebaeh  (Jälich)  zii  folgren  brauchen.  Derselbe 
hielt  schon  früher  al>er  besonders  für  sie  drei  Gedinire,  \vol>ei 
er  ein  Drittel  der  Gefalle  hatte. 

Ein  zweiter  Bezirk  war  der  Burgbann.  Die  Bessenicher 
Wegscheide,  die  Kirche  zu  Lüsseni,  die  Linde  zu  Xemmenich  \ 
der  Steg  zu  Lövenich,  der  Weiher  zu  Floren,  der  Langendorfer 
Hof,  die  Wollersheimer  Heide,  die  Mühle  zu  Füssonich  und  die 
Hertenicher  Mühle  bezeichnen  seine  Grenzen.  In  diesen  Limiten 
geschieht  Erbung  und  Enterbung  vor  den  SchötTen  von  Zülpich, 
unter  welchem  Gericht  die  Güter  sonst  auch  liegen  mögen, 
was  auf  dem  Gericht  erdingt  wird,  daran  hat  der  Vogt  von 
Hengebach  (Jülich)  den  dritten  Pfennig. 

Umfangreicher  ist  der  Beifang  von  Zülpich.  Seine  Grenzen 
werden  bezeichnet  durch  das  Marienholz,  die  Brücke  zu  Wich- 
terich, den  Bollheimer  Busch,  den  Wisskirchener  Forst,  Virnich, 
den  Schwerfener  Busch,  den  Brunnen  zv^ischen  Eppenich  und 
Bürvenich,  den  Wollersheimer  Forst,  Kulipesch,  den  Vettweisser 
Busch,  den  Kirchhof  zu  Dirlau,  die  Hälfte  des  Dorfes  Sievernich. 

Von  kurkölnisclier  Seite  wird  darauf  bestanden,  dass  in 
Bezug  auf  die  kriminale  Gerichtsbarkeit  in  diesem  Beifang  die 
Kölner  Strasse  und  deren  imaginäre  Fortsetzung  so  scheiden, 
dass  die  Gefangenen  entweder  nach  Zülpich  oder  nach  Geich 
ins  Gefangniss  geliefert  werden,  und  zwar  die,  welche  südlich 
von  dieser  Linie  etwas  verbrochen  hatten,  nach  Zülpich.  Ur- 
sprünglich sollte  in  der  ganzen  Bannmeile  kein  Geföngniss  sein, 
als  das  des  Erzbischofs  in  dieser  Stadt.  Das  zu  Geich  ist  also 
spätem  Ursprungs  und  für  die,  welche  auf  der  Kemperheide 
gerichtet  werden  sollten.  Sind  die  Gefangenen  eingeliefert,  so 
soll  der  Bote  auf  Befehl  des  Schultheissen  die  Hunnen  und  das 
Land  (entweder  die  9  oder  die  13  Hundschaften)  aufbieten,  und 
der  Vogt  von  Hengebach  soll  die  Verbrecher  richten,  wo  sich  das 
gebührt  (entweder  auf  Kemperheide  oder  auf  dem  Schievelsberg), 
die  SchöflFen  von  Zülpich  und  Geich  haben  den  Hunnen  nur  als 
Zeugen  der  That  zu  dienen,  die  Gerichtsverhandlungen  gehen 
im  Uebrigen  durch  den  Vogt  von  Hengebach,  die  Hunnen  und 
das  Land,  imd  was  der  Vogt  so  erdingt,  das  gehört  ihm  allein. 
Wenn  er  aber  des  Beifangs  wegen  zu  Gericht  sitzt,  ohne  dass 


^)  Lac om biet  a.  a.  0.  I,  S.  247  hat  Norvenich,  das  kann  nicht  richtig 
sein,  man  sehe  nur  die  Landkarte  ant  Bei  Grimm  steht  Noemenich,  bei 
Merlo  Xymenich. 


120  W.  Graf  von  Mirbach 

die  Verbrecher,  wie  oben  gesagt,  eipgeliefert  worden  sind,   so 
thut  er  dem  Erzbiscliof  Unrecht. 

Daran  kehrten  sich  aber  die  Jülichschen  Beamten  nicht 
und  1407  sagen  die  Hundschaften  aus,  dass  schon  sehr  häufig* 
Verbrecher  gerichtet  worden  seien,  ohne  dass  sie  vorher  zu 
Zülpich  oder  Geich  inhaftirt  worden  ^  Zugleich  beklagen  sie 
sich,  dass  Geich,  Bessenich  (mit  Weiler)  und  Füssenich  nicht 
mehr  auf  die  Kemperheide  kämen  und  sich  zu  den  Kölnischen 
Gerichten  Mersburden  und  G^ich  hielten. 

Der  Vogt  von  Hengebach  (Jülich)  richtete  also,  abgesehen 
von  diesen  Orten  im  Beifang,  nachher  ohne  Konkurrenz  der 
SchöflFen  von  Zülpich  und  Geich,  wie  er  es  vorher  gethan,  in 
denjenigen  der  22  Hundschaften,  die  nicht  im  Beifang  lagen, 
wie  in  Floisdorf,  Berg,  Hergarten,  Hausen,  Soller,  Jakobwülles- 
heim  und  Kelz  und  dem  halben  Dorf  Sievernich.  Das  ganze 
Dorf  Sievernich  aber  ward  unter  Jülichsches  Gericht  gezogen, 
wenn  die  Hälfte  auch  zur  Hundschaft  Bessenich  gehört  hatte. 

Soviel  über  die  Jülichschen  Vogteirechte  und  Gerichte.  Wie 
es  sich  mit  dem  Pellenzgericht  in  Zülpich  verhielt,  ist  weniger 
leicht  anzugeben;  es  umfasste  den  grössten  Theil  der  Stadt 
mit  der  Marienkirche  und  der  Stätte,  wo  einst  der  Pallast  des 
Pfalzgrafen  gestanden.  Noch  1407  ist  Streit  zwischen  Köln 
und  Jülich  wegen  der  Weierpforte  in  Zülpich,  welche  der  Erz- 
bischof auf  dem  Grimde  der  Pellenz  gebaut  haben  sollte. 

Die  Filialen  der  Marienkirche  besetzten  die  Nachkommen 
der  Hengebach  gleichfalls  und  gaben  sie  im  14.  Jahrhundert 
an  das  neu  gegründete  Kapitel  zu  Jülich.  Zu  Sievernich,  Flois- 
dorf, Berg,  Hausen  und  Floren  lagen  Güter  der  Herren  von 
Hengebach  und  Hofsgerichte  derselben,  in  Nemmenich  sind 
sie  wahrscheinlich  vor  Alters  Grundherren  gewesen.  Dann  gehörte 
zu  den  Hengebach  sehen  Lehen  von  der  Pfalz  ausserhalb  Zül- 
pich noch  ein  Wildbann  zwischen  Maas  und  Rhein  über  und 
unter  der  Erde.  Seine  Grenzen  kann  ich  nicht  angeben,  bei 
Geich  begann  ein  solcher  Bann  des  Erzbischofs  von  Köln  *.  Was 
den  Hengebachschen  betrifft,  so  gehörte  dazu  „unter  der  Erde*' 
z.  B.  der  Bleiberg  bei  Call,  wo  das  Erzgraben  schon  im  13. 
Jahrhundert  dem  freien  Betrieb  überlassen  war  gegen  Abgabe 
des  zehnten,  später  des  zwanzigsten  Theils  der  Ausbeute.  Dieser 

")  Lacomblet,  Archiv  VII,  S.  60. 

*)  Bintcrim  und  Mooren,  Erzdiözese  Köln  I,  S.  164. 


Beiträge  zur  Ocscbichtc  der  Grafen  von  Jülich.  121 

Antheil  ward  durch  die  gräfliche  Erzwage  festgestellt;  ein 
Bergmeister  mit  den  Berggeschworenen  bildete  das  Gericht 
dort.  Die  Bannmeile  des  Bleibergs  wird  als  so  weit  angegeben, 
als  es  von  Call  nach  Zülpich  ist ;  in  diesem  Bezirk  durfte  Jeder- 
mann schürfen,  musste  dann  aber  seine  Muthung  durch  einen 
Kreis  oder  Reifen  kenntlich  abgrenzen.  Führte  der  Landesherr 
Krieg  als  Herr  zu  Hengebach,  so  konnte  er  die  Bergleute  zu 
Schanz-  und  andern  Belagerungsarbeiten  heranziehen.  Dafür 
hatten  diese  auch  Holzrecht  in  dem  Kermeterwald  bei  Henge- 
bach ;  gingen  sie  über  dieses  Recht  hinaus,  so  verfielen  sie  nur 
in  eine  geringe  Strafe,  und  wenn  sie  sich  nur  2^2  Fuss  von 
der  Stelle  der  Uebertretupg  entfernt  hatten,  durften  die  Förster 
ihnen  nichts  mehr  anhaben. 

In  der  Nähe  der  Pellenzgüter  ausserhalb  Zülpich  lag  auch 
das  Dorf  Vlatten.  Ob  es  zu  einer  der  Hundschaften  der  Kemper- 
heide  oder  zum  Gericht  Nideggen  gehörte,  ist  mir  zweifelhaft. 
Im  Amt  Nideggen  lag  es  sicher,  dahin  gehörten  aber,  nach- 
dem die  Stadt  Zülpich  im  14.  Jalir hundert  an  Kurköln  gekommen 
war,  auch  die  Hundschaften  des  Schievelsbergs  und  der  Kemper- 
heide.  Merkwürdigerweise  erwähnen  die  Amtsrechnungen  bei 
Anführung  der  einzelnen  Gerichte  dieses  Dorf  gar  nicht,  und 
doch  hat  dasselbe  früher  eine  gewisse  Bedeutung  gehabt.  Zuerst 
als  Königshof  ^  dann  als  Siegburgischer,  wahrscheinlich  inzwischen 
erzstiftlich  Kölnischer  Besitz  und  als  Gericht  der  Vögte  von 
Vlatten.  Müller  hält  dafür,  diese  Vögte  seien,  wie  auch  die 
Grafen  von  Hochstaden,  mit  den  Grafen  von  Jülich  aus  dem 
Hause  Hengebach  eines  Stammes  gewesen  und  stützt  sich  bei 
dieser  Annahme  auf  folgende  Thatsache:  Gräfin  Margaretha 
von  Hochstaden  und  ihre  Söhne  verkaufen  dem  Grafen  Wil- 
helm IV.  im  Jahre  1242  eine  Sohlstatt  auf  dem  Burgberg  von 
Hengebach  mit  allen  Gerechtsamen,  doch  unbeschadet  der  Rechte 
des  Vogts  Heinrich  von  Vlatten*.  Es  ist  allerdings  Müllers 
Annahme  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit,  Heinrich  könnte  aber 
doch  auch  ein  Jülichscher  Untervogt  gewesen  sein. 

Im  Juli  1237  bekunden  Graf  Wilhelm  und  sein  Bruder, 
dass  Ritter  Ingram  von  Bubenheim  ihnen  anstatt  der  an  Heister- 
bach   verkauften   Besitzungen   in   Flerzheim   AUodialgüter    zu 


')  Müller,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Herzogthums  Jülich  II,  S.  51. 
*)  Lacomblet,  Urkundenbuch  II,  Nr.  271. 


122  W.  Graf  von  Älirbach 

Scheidweiler  als  Lehen  gestellte  Zeugen  sind  Walram  von 
Montjoie,  Lysa,  Frau  von  Hengebach,  und  von  Ministerialen 
Wirich  von  Gerzen,  Wirich  der  Droste,  Johann  von  Nideggen, 
Heinrich  Buse  u.  A.  Ob  dieser  Eitter  sich  nach  dem  Haus 
Bubenheim  bei  Düren  schrieb?  Wilhelm  IV.  hatte  übrigens 
schon  Vasallen  in  weiter  Entfernung  von  seinem  Lande. 

In  der  Osteroktav  1250  verzichtet  zu  seinen  Händen  Johann 
genannt  Bruia,  Herr  zu  Linter,  auf  zwei^Theile  des  Allods  in 
Perntey,  welche  sein  Sohn  Arnold  als  Lehn  von  Jülich  tragen 
solP.  Perntey  ist  wahrscheinlich  Parentey  bei  Neerlinter  un- 
weit Tirlemont. 

Am  12.  September  1255  bekennt  sich  wieder  ein  nieder- 
ländischer Dynast,  Arnold  Herr  zu  Steyn,  als  Jülichschen 
Vasallen  wegen  des  Hofs  Kamp^.  Am  23.  April  1260  trägt 
Heinrich  Edelherr  von  Wylre  sein  Gericht  Wylre  dem  Grafen 
auf*.  Ob  darunter  die  spätere  Unterherrschaft  Weisweiler  zu 
verstehen  ist?  In  diesem  Falle  ist  das  Gericht  nachher  den 
Lehnsherren  heimgefallen,  und  Weisweiler  ist  dann  im  15.  Jahr- 
hundert einem  natürlichen  Sohne  von  Jülich  verliehen  worden, 
der  es  den  Herren  von  Palant  verkaufte. 

Um  1247  hatte  der  Schwager  des  Grafen,  Heinrich  von 
Geldern,  als  Erwählter  zu  Lüttich  Einkünfte  zu  Hurle  und 
Alke  (?)  an  Jülich  für  1000  Mark  verpfändet;  ausser  deren 
Genuss  hatte  Wilhelm  im  Jahre  1260  auch  die  Hauptsumme 
erhalten  und  trägt  deshalb  dem  nunmehrigen  Bischof  seine 
allodialen  Dörfer  Siersdorf  und  Floverich  zu  Lehen  auf  ^ 

Am  26.  Juni  1263  bekundet  der  Graf,  dass  Gottfried  genannt 
Brabant,  Gerhardis,  dessen  Frau,  und  Luther,  ihr  Sohn,  ihm 
die  Hälfte  der  Mühle  und  des  Weihers  zu  Uppindorp  verkauft 
haben  gegen  eine  Rente  von  4  Denaren  und  die  Mühlen-Reparatur- 
pflicht, und  es  soll  diese  Mühle  jetzt  den  Zwang  haben  in  dem 


*)  Lacomblct  a.  a.  0.  II,  Nr.  217. 

')  A.  D.  Chartular  der  Grafcu  von  Jülich  (künftig  nur  citirt  „Chart.") 
Nr.  79. 

^  Wolters,  Notice  bist,  sur  les  anciens  seigneurs  de  Steyn  et  de 
Pietersheim  p.  85. 

*)  A.  D.  Chart.  Nr.  57. 

*)  A.  di  Miranda,  Ein  FUrstenleben  S.  72.  Wie  konnte  der  Graf  sein 
Allod  Floverich  auftragen,  es  stand  ja  bekanntlich  dem  Pfalzgrafen  zum 
Pfand  für  die  Lehen  der  Pfalz?  Ist  vielleieht  hier  oder  dort  Loyerich 
zu  lesen? 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  123 

Gericht,  das  der  Graf  von  dem  Ritter  Gerhard,  Burggrafen  zu 
Odenkirchen,  erkauft  hat^  Ich  möchte  dieses  Uppindorp  für 
Oppendorf  oberhalb  Lipp  halten  und  das  Gericht  für  Pütz-Trois- 
dorf,  welches  später  mit  Kirchherten  vereinigt  war.  Die  Oden- 
kirchen haben  Besitzungen  in  der  Nähe  gehabt.  Seit  langer 
Zeit  steht  aber  dort  nur  mehr  eine  Windmühle ;  der  kleine  Bach, 
der  durch  Oppendorf  fliesst,  hat  sehr  oft  kein  Wasser  mehr, 
eine  Mühle  konnte  er  wohl  schon  seit  mehrern  Jahrhunderten 
nicht  mehr  treiben,  im  13.  Jahrhundert  aber  kann  dies  bei  der 
Anstauung  des  Wassers  in  einem  Teiche  noch  sehr  gut  möglich 
gewesen  sein. 

In  Köln  hat  der  Graf  im  Jahre  1265  den  Parfusenhof  an 
der  Ecke  der  alten  Stadtmauer  bei  der  Löwenpforte  von  Werner 
Parfuse  und  dessen  Gattin  gekauft.  Das  Haus  hatte  einst  dem 
Grafen  von  Holland  gehörte 

Am  17.  September  1268  wird  AVilhelm  von  Elz  wegen 
eines  Drittels  der  gleichnamigen  Burg  und  eines  Allods  von 
100  Mark  Werth  Jülichscher  Vasall  und  Helfer  gegen  Jeden, 
nur  nicht  gegen  das  Reich'.  Man  muss  dieses  Schloss  nicht 
etwa  bei  Düren  suchen,  wie  es  geschehen  ist;  es  ist  oflfenbar 
die  ehemalige  Reichsburg  Elz  bei  Münstermaifeld.  Ein  weiterer 
oberländischer  Herr  ist  Johann  von  Braunshom  (Kreis  St.  Goar), 
der  für  empfangene  150  Mark  am  24.  November  1268  sein 
Schloss  Beilstein  bei  Senheim  dem  Grafen  Wilhelm  aufgetragen* 
und  daraus  Hülfe  leisten  will,  nur  nicht  gegen  die  Kölnische 
Kirche.  Ludwig  von  Isenburg  stellt  im  folgenden  Jahre  seine 
Güter  bei  Ortenburg  oder  Ortenbach  in  der  Wetterau  zu  Lehen, 
bis  er  andere  näher  gelegene  wird  anweisen  können  ^  Er  hatte 
dafür  200  Mark  von  dem  Grafen  Wilhelm  empfangen. 

Johann  von  Seibach  macht  sein  gleichnamiges  im  Nassau- 
ischen gelegenes  Gut  am  25.  März  1270  zum  Lehn  von  Jülich«, 
das   in  männlicher  und  weiblicher  Linie  vererblich  sein   soll. 


*)  A.  D.  Gereon  Nr.  36;  in  der  Rheinprovinz  gibt  es  jetzt  keinen  Ort 
üppendorf  mehr,  nur  das  eine  Oppendorf,  an  Obbendorf  ist  doch  wohl  nicht 
zu  denken. 

*)  Ennen  und  Eckertz,  Quellen  II,  Nr.  535. 

')  Lacomblet,  Urkundenbuch  II,  Nr.  583. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  585. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  594  aus  dem  Chartular,  wo  am  Bande 
Ortenbach  steht. 

«)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  600. 


124  W.  Graf  von  Mirbach 

An  Lehngeld  bekam  er  150  Mark,  die  er  wahrscheinlich  zu 
seiner  beabsichtigten  Pilgerfahrt  ins  heilige  Land  brauchte. 

Am  10.  März  1271  bekennt  sich  Ritter  Wilhelm  von  Broich- 
hausen  als  Jülichschen  Vasallen  flir  empfangene  80  Mark  wegen 
der  Mühle  und  eines  Zolles  zu  Venela  (Venlo?)  und  des  Hofs 
zu  Blerick.    Die  Lehen  sollen  vererblich  sein^ 

Am  7.  Juni  1271  bescheinigt  Wirich  Edelherr  von  Frenz, 
der  Graf  von  Jülich  habe  ihm  150  Mark  unter  der  Bedingung 
gegeben,  dass  er  in  Frenzenrade  residirender  Burgmann  werde 
und  dies  Geld  auf  Allodien  anweise;  er  stellt  jetzt  demnach 
2  Hufen  Ackerland  als  erbliches  Lehn^.  Lacomblet  scheint 
dieses  Frenzenrade  für  Frenz  bei  Langerwehe  zu  halten,  er 
hat  damit  vielleicht  Recht.  Die  Grafen  von  Jülich  erlangten 
allerdings  den  Besitz  dieses  Schlosses  und  Gerichts,  doch  ward 
noch  1339  ein  anderer  Erbberechtigter,  der  Herr  zu  Dann,  von 
ihnen  abgefunden^;  1361  löste  Rikalt  von  Merode  es  zu  seinen 
Händen  ein,  auch  seine  Nachkommen  wurden  damit  belehnt. 
Frenz  war  dann  eine  Jülichsche  Unterherrschaft. 

Die  Edelherren  Konrad  von  Schieiden  und  Gerhard  von 
Wildenberg  können  wir  wohl  als  Vasallen  des  Grafen  Wilhelm 
ansprechen,  da  sie  1271  bezw.  1272  dem  Grafen  von  Luxem- 
burg Hülfe  versprechen  nur  nicht  gegen  Jülich,  älterer  Ver- 
pflichtungen halber^.  Dietrich  Edelherr  von  Schinnen  ist  damals 
wohl  auch  Lehnsträger  von  Jülich  gewesen,  und  zwar  wegen 
Güter,  die  bei  Rhöndorf  in  der  Vogtei  Vilich  lagen ;  als  er  Wein- 
berge daselbst  der  Stadt  Köln  auftrug,  genehmigte  dies  der 
Graf  am  10.  Juli  1271  ^ 

Um  diese  Zeit  löste  Köln  dem  Grafen  auch  sein  Bürger- 
Rentenlehn  von  100  Mark  ab,  und  er  gelobt,  für  die  erhaltenen 
1000  Mark  ein  entsprechendes  Allod  zwischen  der  Stadt  und 
der  Ville  als  Lehn  zu  stellen.  Das  Versprechen  erfolgt  zu  Köln 
am  15.  Juni  1271,  ich  glaube,  dass  die  Erfüllung  unterblieben 
ist^,  und  sich  daher  die  Streitigkeiten  von  1289  zwischen  seinem 
Sohne  und  der  Stadt  schreiben. 

>)  A.  D.  Chart.  Nr.  181. 
*)  Lacomblet,  Urkundenbuch  II,  Nr.  612, 
')  A.  D.  Jülichsche  Lehnsregister. 

*)  Publ.  de  la  soc.  pour  la  recherche  et  la  conservation  des  mon.  hisU 
dans  le  Grand-Duch6  de  Luxembourg  XV,  p.  128  und  144. 
*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  614. 
«)  Lacomblet  a.  a.  0.  11,  Nr.  613. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  125 

Am  24.  Februar  1272  quittirt  Gerlach  Herr  zu  Isenburg- 
Arenfels  dem  Grafen  über  einen  Theil  des  versprochenen  Lehn- 
gelds von  200  Mark,  wofür  ihm  Jülichsche  Besitzungen  zu 
Breisig  obligirt  sind^ 

Durch  Revers,  datirt  vom  Freitag  vor  Laetare  (1.  April) 
1272*  bekennt  Ludwig  Edelherr  von  Neuenahr,  dass  er  die 
Hälfte  seines  Schlosses  Nürburg  als  feudum  oblatum  von  Jülich 
empfangen  habe. 

Eaugraf  Konrad  erklärt  am  14.  Juli  1273,  dass  er  Namens  des 
Grafen  Wilhelm  von  Jülich  von  seinem  Schwager,  dem  Wildgrafen 
Gottfried,  200  Mark  empfangen  habe,  wofür  er  Lehnsstücke  von 
entsprechendem  Werth  anweisen  werde  ^.    Am   11.   September 
dieses  Jahres  erklärt  Werner  der  Alte  von  Beilersheim,  durch 
Auftragung  des  Hofes  Lieh  dem  Grafen  von  Jülich  mehr,  als 
dem  Lehngeld  gegenüber   nöthig   war,    angewiesen   zu  haben, 
und  dass  der  Hof  auf  alle  seine  Erben  übergehen  könne*.  Durch 
den  vorhin  genannten  Wildgrafen  erwarb  Wilhelm  von  Jülich  im 
Oberland  auch  den  Herm  von  Bolanden  als  Vasallen,  welcher  am 
11.  November  1273  über  200  Mark  Lehngeld  quittirt  ^    Eh  ist 
jedenfalls  Werner   von  Bolanden,   kaiserlicher  Truchsess,    und 
Wilhelm  war  in  dieser  Zeit  am  Hoflager  des  Königs  Rudolf  zu  Köln. 
Hier  macht  er  für  empfangene  3000  Mark  die  Schlösser  Lied- 
berg, Caster  und  Worringen  mit  allem  Zubehör  zu  Lehen  des 
Reiches,   und  erhält   sie  als  Mann-   und  Weiberlehen   zurück, 
Liedberg    speziell    für    seinen    Sohn    Wilhelm.      Rudolf   ver- 
spricht innerhalb  eines  Jahres  nach  Weihnachten   1000  Mark, 
den  Rest  aber  im  nächsten  Jahre  zu  zahlen.    Ob  der  Graf  das 
Geld  wohl  baar  erhalten  hat?   Oder  wurde  vielleicht  gar  die 
Sache  rückgängig?   Ich  weiss  von  spätem  Belehnungen  nichts 
zu  melden.    Liedberg  war,    wie  wir  unten   erfahren,  von  den 
Edelherren  Ludwig  von  Randerath,  Vater  und  Sohn,  angekauft 
worden.   Diese  Herrschaft  war  es  nicht  allein,  die  Wilhelm  von 
den  Randerath  erwarb.    Im  Roer-  oder  JüUchgau  besassen  die 


0  Lacomhlet  a.  a.  0.  IL  Nr.  625.  „  ,   ,.    ,_. 

«)  Lacomhlet  a.  a.  0.  n,  Nr.  627.  Es  kommt  darauf  an,  ob  Ludwig 
sich  nach  Kölnischem  oder  Trierischem  Jahresanfang  richtet;  ^««^«^  »^^^^^^^^ 
der  Fall,  so  ist  der  Tag  nicht  der  1.  April  1272,  sondern  der  17.  März  1273. 
Neuenahr  lag  im  Kölnischen,  Nürburg  im  Trierischen  bpreng   . 

»)  Lacomhlet  a.  a.  0.  H,  Nr.  633. 

*)  Lacomhlet  a.  a.  0,  U,  Nr.  635. 

*)  Lacomhlet  a.  a.  0.  II,  Nr.  642. 


126  W.  Graf  von  Mirbach 

Herren  von  Eanderatli  die  Vogtei  über  die  Güter  der  Kölnischen 
Dompropstei ;  diese  lagen  zu  Aldenhoven,  Pützdorf,  Lohn,  Pütz- 
lohn, Erberich,  Langendorf,  Helrath,  Eschweiler,  ßöhe, 
Altdorf,  Inden,  Frauenrath,  und  die  Vogteigerichte  erstreckten 
sich  noch  über  einige  Häuser  von  Nothberg,  Dürwiss,  Stolberg. 
Das  hauptsächlichste  Lehn  der  Propstei  war  im  14.  Jahrhundert 
die  nahe  gelegene  Herrschaft  Laurensberg  mit  Obermerz,  Nieder- 
merz, Langweiler  und  Lürken.  Dieses  nicht  unbedeutende  Vogtei- 
gericht  Aldenhoven  lag  auf  eine  unangenehme  Art  in  der  Graf- 
schaft Jülich  eingekeilt.  Die  Herren  von  Kanderath  waren 
erweislich  oft  in  Geldnöthen,  mussten  manches  Erbgut  ver- 
pfänden und  verkaufen.  Ich  nehme  als  sicher  an,  dass  Wil- 
helm IV.  schon  Aldenhoven  erwarb,  und  zwar  einmal,  weil  er 
1276  den  Burggrafen  von  Hammerstein  Geldgefälle  dort  als 
Lehngeld  anwies*,  und  dann,  weil  in  einer  Relation  von  1322 
gesagt  ist,  Gräfin  Rikarda  habe  als  regierende  Gräfin  zu  Hel- 
rath Schätzung  erhoben*;  sie  selbst  hatte  Aldenhoven,  das  ein 
Weistlium  von  1352  als  zu  Jülich  gehörig  bezeichnet,  wohl  sicher 
nicht  gekauft,  es  war  vielleicht  noch  vor  1273  an  Jülich 
gekommen,  denn  es  lag  doch  zu  einer  Erwerbung  viel  günstiger 
als  Liedberg. 

Am  13.  Januar  1274  verbürgt  sich  Johann  von  Aremberg, 
Burggraf  zu  Köln,  bei  seinem  Schwiegervater,  dem  Grafen  von 
Jülich,  dass  Ritter  Gerhard  Hagen  von  Dinslaken  demselben 
binnen  Jahresfrist,  als  Preis  der  Entlassung  aus  der  Gefangen- 
schaft, ein  zwischen  Jülich  und  Caster  gelegenes  Gut,  das  noch 
erst  gekauft  werden  musste,  zu  Lehn  auftragen  werde  ^  Dieser 
Gerhard  war  vielleicht  als  Kölnischer  Vasall  mit  dem  Erz- 
bischof gefangen  worden. 

Ritter  Konrad  von  Lynstein  und  sein  Sohn  Ruther  reversiren 
am  18.  Mai  1275  über  empfangene  Belehnung  mit  den  Gütern 
zu  Wiggeringhausen,  Pfarrei  Hörn,  in  Westfalen,  welche  dem 
Grafen  von  Jülich  als  Erblehen  aufgetragen  worden*.  Am 
18.  November  des  Jahres  erklärt  Wilhelm  zu  Köln,  dem  Ritter 
Dietrich,  Burggrafen  von  Rheineck,  150  Mark  Aachener  Denare 
an  Lehngeld  zu  schulden,  wofür  diesem  die  Vogtei  Breisig  als 


>)  Rediughoven  VII,  fol.  220. 

*^)  A.  D.  Amtsrechuungen  von  Jülich. 

')  Lacomblet,  Urkundenbuch  H,  Nr.  650. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  669.   Wiggeringhausen  liegt  bei  Erwitte. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  127 

Pfand  gestellt  ist;  wenn  er  sicli  daraus  bezalilt  gemacht,  soll 
er  ein  entsprechendes  Gut  stellen*;  so  oft  10  Mark  der  Schuld 
empfangen  sind,  soll  eine  Mark  an  Einkünften  aus  Breisig  ein- 
gelöst sein.  Demselben  Burggrafen  gibt  Wilhelm  am  Katharinentag 
(25.  November)  1275  seine  Güter  zu  Lcutesdort,  woraus  ihm  jährlich 
3  Karraten  Wein  auf  Gefahr  des  Absenders  nach  Köln  zu  liefern 
sind^  Am  24.  April  1276  geloben  Arnold,  Johann  und  Ludwig 
Burggrafen  zu  Hammerstein  wegen  der  ihnen  durch  den  Grafen 
angewiesenen  Gefalle  zu  Aldenhoven  Güter  im  Werth  von 
70  bezw.  50  Mark  als  Lehen  aufzutragen  ^,  und  bekunden,  dass 
sie  den  Lehnseid  schon  geleistet.  Am  30.  April  verspricht  der 
Graf  zu  Köln,  sie  zur  Befestigung  der  Freundschaft  in  den 
Rechten  zu  belassen,  die  sie  und  ihre  Vorfahren  zu  Sinzig  von 
Kaiser  und  Reich  gehabt,  nämlich  ein  Drittel  der  dortigen  Beden, 
Gerichtsgefalle  und  Oblationen,  ausgenommen  aber  das  Recht 
auf  die  Personen,  Abgaben  und  Vermögen  der  Juden  und 
Cahorsiner,  worüber  er  gemäss  kaiserlicher  Verleihung  allein 
zu  disponiren  habe^.  Ueber  Sinzig,  Düren  und  die  Rechte  zu 
Aachen,  welche  hier  zu  behandeln  wären,  habe  ich  schon  früher 
gesprochen  •^. 

Am  23.  Juni  1277  quittirt  Johann  von  Hafkesdale  (Haasdael 
bei  Valkenburg?)  dem  Grafen  über  den  Empfang  des  Manngelds 
im  Betrag  von  100  Turnosen^ 

Graf  Siegfried  von  Wittgenstein  bekennt  in  einer  Urkunde, 
datirt  vom  Tage  vor  Palmsonntag  1277^,  dass  er  seine  Stadt 
Laasphe  dem  Grafen  Wilhelm  von  Jülich  und  dessen  Erben 
als  vererbliches  Lehn  aufgetragen  habe.  Das  Datum  muss  der 
9.  April  1278  sein,  ob  nun  Siegfried  nach  Kölnischem  oder  nach 
Trierischem  Stil  rechnete,  denn  im  Jahre  1277  fiel  der  Trierische 
Jahreswechsel  nach  dem  Palmsonntag.  Es  war  demnach,  als 
die  Urkunde  ausgestellt  wurde,  Wilhelm  IV.  schon  todt.  Wusste 
Siegfried  das  noch  nicht  oder  bekundet  er  früher  Geschehenes  P 
Er  scheint  sich  allerdings  nicht  an  dieses  Bekenntniss  gekehrt 


')  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  686. 

«)  von  Lcdebur,  AUg.  Archiv  II,  S.  319. 

ö)  Redinghoven  VII,  fol.  220. 

*)  Günther,  Cod.  dipl.  Rheno-MoseU.  II,  no.  274. 

'^)  Ein  entsprechender  Abschnitt  liegt  nicht  vor.    Red. 

«)  A.  D.  (Jhart.  Nr.  135. 

^)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  701. 


128  W.  Graf  von  Mirbach 

ZU  haben,  also  war  vielleicht  das  Erstere  der  Fall  und  seine 
Söhne  trugen  dann  Laasphe  an  Kurköln  auf. 

Aus  einer  Urkunde  vom  15.  Juni  1276  erfahren  wir,  dass  die 
Gräfin  Hadwig  von  Neuenahr  und  ihre  Kinder  vom  Grafen 
Wilhelm  IV.  den  Hof  Grevelo  in  Scheidt  zu  Lehn  trugen.  Lag 
der  Ort  in  der  Grafschaft  Neuenahr,  so  ist  er  untergegangen  ^ 

Sonstige  Vasallen  und  Ministerialen  des  Grafen  habe  ich 
gelegentlich  unter  den  Zeugen  verschiedener  Urkunden  namhaft 
gemacht. 

m.    Wilhelms  IV.  Gemahlin,  Brüder  und  ältester  Sohn. 

Der  zweite  Sohn  Wilhelms  IIL,  Walram  Herr  zu  Berg- 
heim, soll  besonders  behandelt  werden.  Nur  ein  einziges  Mal, 
1236,  ist  ein  Dietrich  als  Bruder  Wilhelms  IV.  genannt*.  Er 
steht  als  Zeuge  nach  Arnold  von  Diest  und  Emil  von  Au 
(Burgau).  Ist  auch  Arnold  wahrscheinlich  ein  Edelherr,  so 
kann  ich  den  Emil  doch  nur  für  einen  Jülichschen  Ministerialen 
halten*,  und  wenn  schon  Burgau  nachher  als  Unterherrschaft 
dieselbe  Stellung  einnimmt  wie  Merode,  so  waren  doch  die 
Herren  von  Merode  im  13.  Jahrhundert  hohem  Rangs  als  Emil 
von  Burgau.  Nun  steht  1271  Werner  von  Merode  vor  dem 
erstgeborenen  Sohne  Wilhelms  IV."*,  einen  Bruder  des  Grafen 
aber,  der  nach  dem  Herrn  von  Burgau  steht,  möchte  ich  für 
einen  unechten  Sprossen  der  Familie  halten,  besonders  da  er 
sonst  nie  an  Regierungsgeschäften,  Familienverträgen  u.  s.  w. 
theilnimmt,  wie  es  Walram  schon  vor  1236  that.  Höchstens 
wäre  anzunehmen,  dass  er  als  echter  Sohn  Wilhelms  rH.  um 
1217  geboren  und  um  1237  gestorben  wäre.  Sein  Vorname 
war  ja  im  Hengebachschen  Geschlecht  häufig. 

Von  Schwestern  Wilhelms  IV.  finde  ich  keine  Spur. 

Man  gibt  diesem  Grafen  vielfach  zwei  Frauen,  Margare tha 
von  Geldern  und  Rikarda  von  Limburg.  Mit  ersterer  verlobte 
er  sich  1236.  Sie  war  die  Tochter  des  Gerhard  von  Geldern  und 
der  Margaretha  von  Brabant,  die  beide  damals  verstorben  waren, 
Schwester  des  Grafen  Otto  und  Mündel  des  Herzogs  Heinrich 
von  Brabant.    Der  Bruder  hatte  sie  dem  Dietrich  von  Valken- 


»)  Günther  1.  c.  II,  no.  275,  p.  420. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  209. 

*)  Vgl.  seine  SteHung  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  225. 

*)  £nnen,  Quellen  III,  Nr.  35. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Onifen  von  Jälich.  129 

bürg  versprochen,  der  Vormund  aber  zo^r  den  mächtijren  (irafen 
von  Jülich  vor  und  schloss  mit  diesem  zu  Löwen  die  Pi*äliminarien 
ab  am  Gregoriustag:  22.  Dezember  1236  (nler  12.  März  1237  *? 
Wenn  es  gelingt,  den  Dietrich  zum  Rücktritt  zu  l)ewegen,  so 
will  Graf  Wilhelm,  bei  Strafe  von  1000  Mark,  die  Margaretha 
zur  Gattin  nehmen  und  zwar  bis  zum  nächsten  Pfingstfest,  auch 
mit  dem  Heirathsgut  zufrieden  sein,  das  der  Herzog  ihr  an- 
weist; die  für  den  Verspruch  obligirten  1000  Mark  aber  hat 
der  Graf  von  Geldern  mit  100  Mark  jährlich  zu  eutrichten, 
was  sie  ausser  den  1000  Mark  bekommt,  ist  nach  Rath  des 
Edelherm  Arnold  von  Diest  und  Anderer  in  Geld  zu  entrichten. 
Wilhelm  will  seiner  künftigen  Frau  Jülich  und  dabei  400  Mark 
jährlich  anweisen  aus  seinen  Gütern  in  Jülich.  Das  Eingebrachte 
fallt  zurück,  wenn  die  Ehe  kinderlos  bleibt.  Doch,  obschon 
der  Valkenburger  sich  bald  anderweitig  vermählte,  ist  die 
Ehe  zwischen  Wilhelm  und  Margaretha  schwerlich  zu  Stande 
gekommen.  Der  Graf,  welcher  1278  schon  einen  erwachsenen 
Enkel  hat  (den  Grafen  von  Looz),  muss  um  1240  geheirathot 
haben,  im  Jahre  1251  ist  aber  als  seine  Frau  eine  Rikarda 
genannt  in  einer  zu  Nymwegen  gegebenen  Urkunde*.  Wer 
war  nun  diese  Rikarda?  War  sie  wirklich  Herzog  Heinrichs 
von  Limburg  Tochter  und  also  Geschwisterkind  mit  Wilhelm  IV.  P 
Damals  wäre  es  kaum  möglich  gewesen,  für  eine  solche  F^he 
Dispens  zu  erlangen.  Man  hat  bisher  eine  Urkunde  ttbei-sehen, 
welche  Aufschlnss  über  Rikarda  gibt  \  Graf  Gerhard,  Wilhelms  IV. 
Sohn,  erklärt  1306,  dass,  als  sein  Oheim  Heinrich,  weiland  Bischof 
zu  Lüttich  und  Herr  zu  Montfort,  1282  gestorben  sei,  seine 
(Gerhards)  Mutter,  sein  Bruder  und  er  selbst  Ansprüche  an 
Montfort  zu  haben  geglaubt.  Heinrich  war  nun  ein  Bruder 
Ottos  von  Geldern,  und  die  1282  lebende  Mutter  ist  also  Rikarda, 
Schwester  dieser  Gebrüder.  Man  wird  doch  nicht  glauben, 
Wilhelm  IV.  habe  zwei  Schwestern  nach  einander  geheirathet, 
das  war  damals  ganz  unstatthaft;  also  ist  Rikarda  aurh  einzitro 
Frau  Wilhelms  und,  als  Margaretha  früh  g(?storben,  an  ihrtT 
Stelle  mit  dem   Grafen   von   Jülich   vermählt   worden*.     I>ii-^> 

*)  Butkens,  Trophees  I,  preures  p.  7t>, 
*)  Bondam,  Charterboek  p.  477. 
')  Nijhoff  I,  81. 

*)  Im  JölJchÄchen  Haiwf'  i^inj^en  viele  V.rlobnn««! 
Wilhelm«  IV.  .Söhnen  Walram   fand   G.rhanl  fu   drr  ül, 
Wilhelm,  einer  Urenkelin,  und  da.  alle,  zwi^^b -n  I3M  r 


130  W.  Graf  von  Mirbach 

Rikarda  wirklicli  Mutter  des  Grafen  Gerhard  gewesen,  ist  viel- 
fach konstatirt,  Margaretha  kommt  nie  mehr  vor^  Nicht  nur 
passt  der  Vorname  Rikarda  sehr  gut  in  das  Geldrische  Haus, 
er  kam  nämlich  von  der  väterlichen  Grossmutter  Rikarda  von 
Nassau,  Gattin  Ottos  I.  von  Geldern,  her,  sondern  auch  die 
Namen  von  Wilhelms  IV.  Kindern  lassen  auf  eine  Geldrische 
Mutter  schliessen..  Wir  wollen  diese  Kinder  später  sämmtlich 
anführen,  Als  Rikardas  Urenkel  Wilhelm  von  Jülich  die  Maria 
von  Geldern  heirathete,  war  noch  Dispens  von  der  Verwandt- 
schaft im  vierten  Grade  nöthig  —  alles  Beweise  für  die  von 
mir  angeflilirte  Abstammung  der  Rikarda.  Was  sie  ihrem  Gemahl 
könnte  zugebracht  haben,  darüber  wage  ich  kaum  eine  Ver- 
muthung.  Am  7.  Juli  1258  verkauften  Wilhelm  und  seine 
Gattin  dem  Grafen  von  Sponheim  und  Sayn  ihre  Leute  im 
Amt  Nümbrecht  ^ ;  es  wäre  möglich,  dass  von  der  Nassauischen 
Grossmutter  her  Rikarda  dort  Besitz  hatte. 

Wollte  man  noch  zweifeln,  ob,  wie  die  andern  Kinder,  so 
auch  Wilhelm,  ältester  Sohn  des  Grafen  Wilhelm  IV.,  Sohn  der 
Rikarda  gewesen,  so  gäbe  ihre  Erklärung  vom  2.  Februar  1288 
Aufschluss,  wo  sie  sagt,  ihr  Gemahl,  i  h  r  Sohn  und  dessen  Frau 
hätten  einst  den  Rottzehnten  von  20  Morgen  beim  Birkhof  dem 
deutschen  Orden  überlassen^.  Er  wird  um  1241  geboren  sein 
und  ist  1260  als  zustimmend  bei  dem  bekannten  Rottzehnten- 
verzicht des  Vaters  genannt*.  Im  Jahre  1268  wird  auch  ihm, 
der  sicherlich  dem  Vater  in  manchem  Kriege  kräftig  zur  Seite 
gestanden,  die  Exkommunikation  angedroht.  Als  Reinhard 
von  AVysse  (Vettweiss)  am  11.  Oktober  1270  Bürger  von  Köln 
wurde,  hängt  der  junge  Wilhelm  sein  Siegel  an  die  darüber 
aufgesetzte  Urkunde  ^  Dies  Siegel  stellt  ihn  dar  zur  Jagd 
reitend  mit  dem  Falken  auf  der  Hand  und  hat  die  Umschrift: 


*)  Das  Ohronicon  ducnm  Brabantie,  das  man  als  Beleg  für  die  Heirath  der 
Margarctba  anführt,  sagt  nur  bei  den  Kindern  des  Grafen  von  Geldern :  „et 
filia  quaedam,  comitissa  Juliacensis^.    Das  ist  eben  Rikarda. 

^)  Eltester  und  Goerz,  Mittclrh.  ürkundenbucb  III,  Nr.  1453. 

^)  A.  D.  Katharinen- Kommende  Nr.  71.  Einige  glauben  nämlich, 
wenigstens  Wilhelm  sei  der  Margaretha  Sohn,  Rikarda  sagt  aber  „senior 
noster  filius**,  und  da  sie  den  Gemahl  vorher  nennt,  konnte  sie  um  so  eher 
den  jungen  Wilhelm  nur  dessen  Sohn  heissen,  falls  sie  nicht  die  Mutter  gewesen. 

*)  Lacomblet,  Ürkundenbucb  II,  Nr.  500;  freilich  wird  er  hier 
nicht  mit   Namen  genannt 

*)  Ennen,  Quellen  III,  Nr.  30. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  131 

S.  Wilhelmi  filii  comitis  Juliacensis.  Am  9.  Juli  1271  leistet  er 
mit  dem  Vater,  dem  Propst  zu  St.  Gereon,  dem  Werner  von  Merode 
und  den  Edelherren  von  Blankenheim  und  Diest  der  Stadt  Köln 
Bürgschaft  dafür,  dass  Albert  von  Herpen,  Verwandter  der 
Garanten,  genügende  Urfehde  schwören  werdet  Wilhelm  IV. 
und  Werner  von  Merode  nennen  sich  Ritter  und  stehen  vor 
den  weltlichen  Mitausstellern,  somit  ist  auch  der  Platz  des 
Werner,  eines  ßeichsvasallen,  vor  dem  des  „Erstgeborenen"  von 
Jülich,  was  immerhin  auflfällig  erscheint  und  doch  wohl  nicht 
statthaft  gewesen  wäre,  wenn  Merode  nicht  freier  Abstammung 
war.  Wilhelm  der  Junge  war  also  damals  noch  nicht  Eitter, 
hatte  auch  noch  kein  eigenes  Gebiet,  aber  der  Vater  nennt  ihn 
doch  seinen  „Erben"  ^  und  auch  das  Prädikat  „Erstgeborener", 
bisher  im  Jülichschen  Hause  nicht  bekannt,  deutet  darauf  hin, 
dass  er  als  solcher  das  Recht  der  Nachfolge  in  der  Grafschaft 
haben  sollte.  Wie  ich  schon  erwähnte,  belehnte  ihn  König 
Rudolf  mit  der  vom  Vater  erworbenen  Herrschaft  Liedberg  am 
24.  November  1273*.  Jetzt  hatte  er  also  ein  eigenes  Territorium, 
wenn  auch  kein  sehr  grosses.  Das  spätere  Amt  Liedberg  kann 
nicht  mit  der  damaligen  Herrschaft  kongruent  gewesen  sein*, 
man  wird  aber  wohl  nicht  sehr  fehl  greifen,  wenn  man  Glehn, 
Lüttenglehn,  Epsendorf,  Btittgen,  Kleinenbroich,  Unterbroich 
und  Giesenkirchen  zu  ihr  rechnet.  Am  13.  Mai  1275  ist  Wilhelm, 
Erstgeborener,  Zeuge  bei  der  Vergebung  von  Hesshausenwardt 
an  Dietrich  Luf  von  Cleve*,  und  am  30.  August  1276  erster 
Schiedsrichter  zwischen  dem  schon  genannten  ehemaligen  Bischof 
Heinrich  von  Geldern  zu  Montfort  und  dem  Herrn  zu  Heins- 
berg ^  Im  selbigen  Augustmonat  aber  nennt  er  sich  auch 
einen  Herrn  zu  Liedberg,  als  er  den  zu  seiner  Herrschaft 
gehörigen  Hügel  bei  der  Kirche  von  Glehn  sammt  dem  Patronat 
daselbst  unter  Zustimmung  des  Vaters  dem  Wilhelm  von  Heipen- 
stein schenkte     Am  4.  August  1277  ist  Wilhelmus  de  Juliaco 


>)  Ennen  a.  a.  0.  HI,  Nr.  48. 

*)  Saint-G6uoi8,  Inventaire  analytique  des  chartes  des  comtes  de 
Flandre  p.  128. 

•)  Lacomblet,  ürkundenbuch  II,  Nr.  646. 

*)  z.  B.  gehörten  Garsdorf  und  Frimmersdorf  zum  Amt. 

*)  Lacomblet,  ürkundenbuch  II,  Nr.  668. 

•)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  694. 

^  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  695.  Ein  Hügel  liegt  doch  nicht  bei 
der  Kirche  in  Glehn  I  Der  raons,  wie  es  in  der  Urkunde  heisst,  muss  nicht 

9* 


132  W.  Graf  von  Mirbach 

bei  einem  Revers  Zeuge,  den  der  obige  Heinrich  Herr  zu 
Montfort  dem  Grafen  von  Greldern  wegen  seines  Schlosses  gibt, 
das  später  nach  seinem  Tode  an  Geldern  kommen  soll.  Wilhelm 
begab  sich  dadurch  also  seiner  Ansprüche  auf  Montfort,  welche 
seine  Mutter  und  Brüder  nachher  wieder  erhoben  habend  Im 
nämlichen  Jahre  trat  er  dem  grossen  Bündniss  gegen  Erzbischof 
Siegfried  bei  und  fand  bekanntlich  im  folgenden  am  16.  März 
zu  Aachen  seinen  Tod. 

Wilhelm  hat  vor  dem  Jahre  1266  geheirathet.  Damals 
bekennt  sein  Vater,  er  habe  von  dem  Grafen  Guido  von  Flandern 
5000  Pfund  oder  die  Hälfte  des  Heirathsguts  empfangen,  das 
dieser  seiner  Tochter  Maria  ausgesetzt  bei  der  Vermählung 
mit  Wilhelm,  dem  Erstgeborenen  und  Erben  von  Jülich*. 
Wilhelm  IV.  quittirt  abermals  über  2000  Pfund  am  8.  März  1267 
und  stellt  am  30.  April  desselben  Jahres  eine  Generalquittung 
über  den  ganzen  Betrag  der  Mitgift  (10  000  Pfund)  aus^ 
Des  Grafen  Guido  noch  lebende  Mutter  Margaretha  hatte 
hauptsächlich  diese  Gelder  gezahlt,  denn  sie  war  ja  die  eigent- 
liche Erbin  von  Flandern  und  hatte  sich,  nachdem  ihre  erste 
Ehe  mit  Bouchard  von  Avesnes  getrennt  worden,  mit  Wilhelm 
von  Dampierre  vermählt.  Dessen  Sohn  Guido  ist  dann  Graf  von 
Flandern  geworden  und  war  verheirathet  gewesen  mit  der  schon 
1251  verstorbenen  Mathilde  von  Bethune  zu  Dendermonde, 
Tochter  Roberts  und  der  Isabella  von  Morialm6.  Maria,  um  1250 
geboren,  war  Guidos  jüngste  Tochter,  sie  gebar  ihrem  Gatten 
Wilhelm  von  Jülich  zwei  Söhne,  welche  beide  des  Vaters  Namen 
trugen,  und  blieb  nach  1278  noch  vier  Jahre  langWittwe.  Sie 
verlobte  sich  aber  dann  1282  mit  Simon  von  Chateauvilain,  Sohn 
des  Johann  und  der  Johanna  von  Luzi,  welche  im  Dezember 
des  Jahres,  den  Verspruch  genehmigend,  dem  Simon  500  Pfund 
Einkünfte  aus  ihren  Herrschaften  Courcelles,  Bremur  und  Brice 
anweisen,  nachdem  sie  am  22.  Oktober  schon  3000  Pfund 
Turnosen  aus  dem  Heirathsgut  der  Maria  empfangen*.  Die 
Braut  wird  damals  „Gräfin"  von  Jülich,  Tochter  von  Flandern 


gross  gewesen  sein,  in  der  ganzen  Gegend  ist  kein  Hügel  ausser  dem,  worauf 
Schloss  Liedberg  steht. 

*)  Bondam  1.  c.  p.  621. 

')  Saint-G6nois  L  c.  p.  128. 

*)  Vre  diu  8,  Genealogia  comitum  Flandriac,  probat.  II,  p.  34  sq. 

*)  Vredius  1.  c.  probat.  II,  p.  37. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  133 

genannt,  ein  Titel,  den  ihr  des  verstorbenen  Wilhelm  Geschwister 
wohl  kaum  zugestanden  haben  werden.  Ueber  ihre  weitern 
Schicksale  weiss  ich  nichts  zu  melden,  ihre  Söhne  dagegen 
werden  uns  noch  beschäftigen. 

IV.   Eikarda  als  Gräfin  von  Jülich  1278—1283. 

Das  unerwartete  Ende  Wilhelms  IV.,  der  in  der  Nacht  vom 
16.  auf  den  17.  März  1278  bei  dem  Ueberfall  der  Stadt  Aachen 
mit  seinem  Erstgeborenen  und  zwei  natürlichen  Söhnen,  sowie 
einer  ansehnlichen  Schaar  von  Rittern  *  in  mörderischem  Strassen- 
kampf  von  den  Bürgern  erschlagen  worden,  hatte  die  Grafschaft 
Jülich  um  so  empfindlicher  treffen  müssen,  als  nun  auch  die 
Nachfolge  in  der  Eegierung  nicht  gesichert  war.  Es  konnten 
wegen  derselben  manche  thatsächliche  und  rechtliche  Fragen 
in  Betracht  kommen.  War  es  festzustellen,  ob  Wilhelm  der 
Vater  oder  Wilhelm  der  Sohn  zuerst  gefallen?  Was  hatte  der 
Graf  dem  Guido  von  Flandern  in  Bezug  auf  die  Nachfolge  des 
Sohnes  etwa  versprochen  und  war  das  Versprechen  verbrieft 
und  gültig?  Konnten  die  jungem  Söhne  es  nicht  anfechten? 
Hatte  es  irgend  einen  Werth,  falls  der  Erstgeborene  vor  dem 
Vater  erschlagen  worden  ?  War  für  diesen  Fall  nicht  eine  gültige 
Einigung  vorher  getroffen  worden,  so  waren,  weil  nach  Jülichschem 
Recht  ein  Repräsentationsrecht  der  Enkel  noch  nicht  bestand, 
die  kleinen  Söhne  Wilhelms  des  Erstgeborenen  der  Grafschaft 
Jülich  unbedingt  verlustig.  Aber  wer  sollte  folgen,  der  ältere 
Sohn  des  Grafen,  der  Propst  Walram,  oder  der  jüngere  Gerhard? 
Walram,  der  nicht  Priester  war,  scheint  eine  Zeitlang  sich  als 
Grafen  betrachtet  zu  haben,  als  solchem  gilt  ihm  der  Lehns- 
revers des  Gerlach  Herrn  zu  Dollendorf  wegen  eines  Viertels 
von  Gladbach  und  einiger  Güter  zu  Gowe  (?),  Waldorf  und 
Heymberg  (?)  vom  17.  März  1279*.  Nur  dieses  eine  Mal  finde 
ich  vor  1283  den  Walram,  vielleicht  zur  Zeit  eines  voreiligen 
Versuchs,  die  Herrschaft  an  sich  zu  reissen,  als  Grafen  von 
Jülich  genannt.  Im  Uebrigen  scheinen  die  Brüder  gleich  nach 
des  Vaters  Tod,  angesichts  der  grossen  Gefahren,  in  denen  sich 


0  Ein  altes  Stiftungsverzeichniss  des  Klosters  Wenau  nennt  die  Namen 
Ton  zwölf  derselben;  vgl.  Beiträge  zur  Geschichte  von  Eschweiler  und 
Umgegend  I,  S.  296. 

«)  Lacorablct  a.  a.  0.  II,  Nr.  722. 


134  W.  Graf  von  Mirbach 

das  Land  befand,  die  Successionsfrage  unentschieden  gelassen 
zu  haben.  Einigkeit  that  Noth,  dem  Erzbischof  gegenüber 
schon,  und  weiter  fürchtete  man  auch,  dass  der  Graf  von 
Flandern  den  Versuch  machen  werde,  die  Grafschaft  für  seine 
Enkel  in  Besitz  zu  nehmen.  So  wurde  denn  die  Regierung 
einstweilen  im  Namen  der  Gräfin  Rikarda  geführt.  Erzbischof 
Siegfried  erhielt  die  Nachricht  vom  Tod  des  Grafen  Wilhelm 
zu  Neuss;  wie  mag  er  gejubelt  haben,  als  er  seinen  Haupt- 
widersacher unschädlich  gemacht  wusste.  Wie  Levold  von 
Northof  nach  einer  glaubwürdigen  altern  Quelle  berichtet, 
eilte  der  Erzbischof  sofort  nach  Köln  und  celebrirte  im 
Dom  ein  feierliches  Hochamt,  die  Messe  vom  h.  Petrus  mit 
den  Worten  beginnend:  „Nun  weiss  ich  wahrhaftig,  dass  der 
Herr  seinen  Engel  gesandt  und  mich  befreit  hat  aus  dem 
Rachen  des  Löwen."  Diese  Anekdote  wird  übrigens  bei 
ähnlichen  Gelegenheiten  von  andern  Kirchenfürsten  erzählt, 
wenn  auch  der  Feind,  über  den  sie  triumphirten,  nicht  gerade 
einen  Löwen  im  Wappen  führte.  Jedenfalls  fiel  Siegfried  mit 
seinem  Heer  schleunigst  in  die  Grafschaft  Jülich  ein,  schlug 
die  wenigen  Streiter,  die  sich  ihm  entgegen  warfen,  eroberte  die 
meisten  festen  Plätze  und  nahm  nach  kurzer  Belagerung  auch 
die  Stadt  Jülicli  selbst,  wo  er  hohe  Kontributionen  ausschrieb 
und  das  Schloss  verbrannte.  Nur  Nideggen  und  Hengebach^ 
(Heimbach)  widerstanden,  während  an  Landesburgen,  Lehen 
und  Oflfenhäusern  vierundzwanzig  gefallen  sein  sollen.  Der 
Erzbischof  richtete  schon  eine  Art  provisorischer  Regierung  ein, 
indem  er  die  alten  Amtleute  verjagte  und  neue  einsetzte*. 
Am  4.  April  unterwarf  sich  Düren,  doch  nicht  auf  Gnade  und 
Ungnade,  sondern  vorbehaltlich  späterer  Genehmigung  durch 
einen  Grafen  von  Jülich  ^  Inzwischen  waren  mehrere  der 
mächtigsten  Vasallen  und  Verwandten  des  Jülichschen  Hauses 
nach  Nideggen  geeilt,  um  von  dieser  ungebrochenen  Feste  aus 
der  Gräfin  zu  helfen,  so  die  Grafen  von  Sponheim,  Virneburg 
und  der  Edelherr  von  Tomburg.  Der  letztere  erbietet  sich  dort 
am  7.  April,  die  Jülichschen  Lehen  um  200  Mark  zu  vermehren, 


*)  Spätere  QueUen  haben  Hambach,  das  Schloss  bestand  damals  wahr- 
scheinlich noch  nicht. 

')  L.  von  Northof,  Chronik  der  Grafen  von  der  Mark,  ed.  Trosa, 
S.  107  und  Gelenii  Farrag.  XV,  77. 

^)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  710. 


Beiträge  zur  Gescbichte  der  Grafen  von  Jülich.  135 

auch  der  Gräfin  seine  Schlösser  Mühleuark  und  Tomburg  zu 
öflfnen^  Ein  zweites  Kölnisches  Heer  aber  drang  unterdessen 
in  die  Jülichschen  Nebenlande  und  eroberte  Caster  und  etwas 
später  auch  Bedburg,  woran  Graf  Wilhelm  ein  Pfandrecht  gehabt 
hatte.  Sinzig  musste  sich  ebenfalls  ergeben.  Dass  sich  der 
Erzbischof  auf  diese  Weise  der  Reichslehen  und  Pfandschaften 
bemächtigte,  konnte  König  Rudolf  nicht  ungestraft  hingehen 
lassen,  er  veranlasste  den  Herzog  von  Brabant  jetzt  einzu- 
schreiten. Während  nun  Siegfried  von  der  Burg  Zülpich  aus, 
die  er  stärker  befestigte,  das  eroberte  Land  im  Zaum  zu  halten 
suchte,  fiel  der  Graf  von  Arnsberg  in  seine  westfälischen  Lande 
ein  und  zwang  den  Erzbischof,  Streitkräfte  dorthin  zu  entsenden. 
Mit  dem  Herzog  von  Brabant  rüsteten  Graf  Adolf  von  Berg, 
Walram  von  Valkenburg,  Graf  Reinald  von  Geldern,  Arnold  von 
Looz  und  Graf  Heinrich  von  Luxemburg  ^  Andere  Vasallen 
sorgten  für  Lebensmittel  in  Nideggen;  Arnold  von  Blankenheim 
lieferte  Wein  für  die  durstigen  Krieger  im  April  und  Rikarda 
versprach  ihm,  denselben  im  Mai  zu  bezahlen  oder  ihm  auch 
Zinsen  dafür  gutzuschreibend  Johann  von  Brabant  ergrifi"  die 
Gelegenheit,  Aachen  in  seine  Gewalt  bringen  zu  können,  wohl 
sehr  gem.  Walram  von  Limburg  sagte  jetzt  dem  Erzbischof 
auf,  drang  bis  Zülpich  vor  und  belagerte  die  Burg.  Dem  Erz- 
bischof gelang  es  zwar,  Entsatz  zu  erhalten  und  an  den  Befes- 
tigungen weiter  arbeiten  zu  lassen,  aber  das  Land  Jülich  war 
doch  für  ihn,  hauptsächlich  durch  das  siegreiche  Vordringen  des 
Limburgers,  bald  wieder  verloren.  Ausser  Zülpich  leistete  auch 
Aachen  erfolgreichen  Widerstand.  Die  Herzoge  von  Limburg 
und  Brabant  misstrauten  einander  ohnehin,  eben  der  Stadt  Aachen 
wegen,  im  Limburgischen  waren  Brabantische  Kaufleute  beraubt 
worden,  die  Belagerung  Aachens  zog  sich  sehr  in  die  Länge, 
den  Brabantern  fehlten  die  Lebensmittel  und  so  gab  der  Herzog 
das  Unternehmen  schliesslich  auf^.  Jetzt,  im  Herbst  1279,  licss 
sich  an  einen  Frieden  mit  dem  Erzbischof  denken,  welcher  denn 


»)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  709,  wo  das  Datum  falsch  aufgelöst 
ist.  Also  war  der  Herr  von  Tomburg  wohl  damals  im  vorübergehenden  Besitz 
von  Mühlenark? 

»)  Vgl.  Ernst,  Histoiro  du  Limbourg  IV,  p.  360. 

5)  Barsch,  Eiflia  illustrata  I,  1,  S.  250. 

*)  Freher,  Rer.  Germ,  scriptores  I,  474;  Butkens,  Troph6es  I,  preuves 
no.  III;  Lüuig,  Cod.  dipl.  U,  U31  und  Ernst  1.  c. 


136  W.  Graf  von  Mirbach 

auch  am  14.  Oktober  zu  Pingsheim  bei  Lechenich  geschlossen 
ward  ^  Vermittler  waren  Herzog  Walram  von  Limburg,  Graf 
Heinrich  von  Luxemburg  und  Graf  Gottfried  von  Sayn;  wie 
die  Bedingungen  beweisen,  war'  die  Lage  der  Gräfin  von 
Jülich  doch  noch  eine  ziemlich  bedrängte.  Auf  die  alte  Henge- 
bachsche  Vogtei  in  Zülpich  und  ausserhalb  der  Stadt  innerhalb 
der  nächsten  vier  Steine  mussten  sie  und  ihre  Söhne  zu  Gunsten 
des  Erzbischofs  verzichten,  da  diese  Vogtei  ursprünglich  von 
ihm,  bezw.  von  Gütern  des  Erzstifts  herkam,  und  die  Bürger 
der  Stadt  sollten  auch  künftig  von  der  Folge  auf  den  Schievels- 
berg  frei  sein,  die  schon  gewohnheitsmässig  längst  unterblieben 
war*.  Ferner  erhält  der  Erzbischof  die  Zinsen  und  alle  Güter 
in  der  Stadt,  die  von  der  Pellenz  herkommen,  ausser  der  Kirchen- 
gift von  St.  Marien,  er  kann  nun  das  Schloss  in  Zülpich  auf- 
bauen und  die  Stadt  befestigen,  wie  er  will,  nur  soll  er  ohne 
Urlaub  keine  Untersassen  von  Jülich  oder  Jülichscher  Vasallen 
in  dieselbe  aufnehmen.  Dasselbe  versprachen  auch  Gräfin  Rikarda 
und  ihre  Söhne  in  Bezug  auf  des  Erzbischofs  Leute  und  die 
Jülichschen  Festungen.  Schloss  und  Herrschaft  Liedberg,  wie 
sie  einst  der  Herr  von  Randerath  besessen,  werden  dem  Erz- 
stift abgetreten.  Die  „neue  Stadt"  an  der  öffentlichen  Strasse  (?) 
muss  zerstört,  die  Gräben  müssen  gefüllt  werden,  keiner  der 
Paciszenten  darf  sie  wieder  bauen;  die  Strasse  soll  wieder  in 
den  frühem  Stand  kommen.  Caster  dagegen  darf  wieder  auf- 
gebaut werden.  Weil  Rödingen  und  Petternich  einst  wegen  des 
Leimgelds  für  Nideggen  dem  Jülichschen  Hause  verpfändet  wurden 
zu  Zeiten  des  Erzbischofs  Philipp,  so  sind  sie  Eigenthum  des 
Erzstifts  und  können  für  1600  Mark  eingelöst  werden.  Nid  eggen 
bleibt  Kölnisches  Lehn  mit  24  Hufen.  Wegen  der  Juden  im 
Lande  Jülich  hat  sich  der  Graf  von  Sayn  noch  nicht  vollständig 
informiren  können  und  will  daher  den  Spruch  darüber  bis  zu 
Weihnachten  fallen.  In  Bezug  auf  die  Streitigkeiten  der  Bimdes- 
genossen  wird  noch  entschieden  werden,  namentlich  wegen 
Mühlenark.  Der  Herzog  von  Limburg  muss  von  den  Befes- 
tigungen, die  seine  Amtleute  am  Kirchthurm  von  Dülken 
gemacht  haben,  für  iiimier  abstehen  und  dem  Kölnischen  Bürger 


*)  Lacomblct,  ürkundenbuch  II,  Nr.  730. 

*)  Ich  glaube  das  wegen  des  Weisthums  bei  Lacomblet,  Archiv  I^ 
S.  245,  welches  diese  Freiheit  als  hergebracht  weist,  das  Besultat  des  Pings- 
heimer  Friedens  aber  S.  252  als  Anhang  hat. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  189 

schiedeaen  Terminen  15  000  Mark  englisch-braban tischer  Denare 
als  Busse,  welche  die  Grafen  von  Luxemburg  und  Greldern  in 
der  Stadt  empfangen,  zählen  und  dann  versiegeln  sollen;  das 
kann  aber  auch  durch  Mandatare  geschehen  und  die  so  ver- 
siegelten Säcke  werden  dann  nach  Berg  (Bardenberg)  zwischen 
Aachen  und  Herzogenrath  geliefert.  Sind  die  Söhne  Wilhelms 
des  Erstgeborenen  zu  den  Unterscheidungsjahren  gekommen,  so 
erhalten  sie  von  obigem  Geld  eventuell  1000  Mark,  die  den 
Aachenern  zurückerstattet  werden,  falls  die  Kinder  sich  auf 
nichts  einlassen  würden ;  Walram  von  Bergheim  soll  zur  Urfehde 
durch  Zahlung  von  10  Pfund  kleiner  Turnosen  vermocht  werden, 
nimmt  er  sie  nicht  an,  so  bekommt  die  Stadt  sie  zurück.  Die 
Aachener  müssen  auch  auf  ihre  Kosten  vier  Sühnealtäre  stiften 
und  jeden  mit  Einkünften  von  10  Mark  Sterlingen  dotiren, 
einen  im  Kloster  der  weissen  Frauen  zu  Aachen,  einen  in  dei 
Abtei  Burtscheid,  zwei  nach  Bestimmung  der  Familie  im  Lande 
von  Jülich ;  erstere  zwei  sollen  die  betreffenden  Klöster,  letztere 
der  zeitliche  Graf  von  Jülich  besetzen.  Die  10  Mark  Renten 
können  auch  mit  100  Mark  abgelöst  und  dann  diese  Gelder 
irgendwo  in  einem  Kloster  sicher  angelegt  werden.  In  beson- 
derer Urkunde  vom  gleichen  Tage  verpflichten  sich  noch  speziell 
die  beiden  Pröpste  Walram  und  Otto  von  Jülich,  ihre  Neffen, 
Wilhelms  Kinder,  zur  Urfehde  zu  bewegen  bei  Strafe  des  Ein- 
lagers  in  Mastricht*.  Die  zwei  Altäre  wurden  ueinnächst  zu 
Nideggen  gestiftet  und  schon  am  3.  Februar  1283  dem  Johanniter- 
orden,  welcher  inzwischen  dem  deutschen  Orde/n  im  Besitz  der 
Pfarrei  Nideggen  gefolgt  war,  durch  die  gräflicjie  Familie  über- 
tragen ^  Um  diese  Zeit  entsteht  auch  das  (Ordenshaus  der 
Johanniter  dort.  Li  der  Jakobstrasse  zu  Aachenvyrurde  auf  der 
Stelle,  wo  Graf  Wilhelm  gefallen  war,  ein  Monumend  errichtet 
Es  bestand  aus  einer  einfachen  rechteckigen  Basis,  weTciiMi  viel 
Säulen  und  darüber  eine  Kuppel  trug.  Oben  war  ein  eisernes 
Kreuz  angebracht  und  unter  der  Kuppel  hing  eine  Lampe,  die 
Nachts   angezündet  wurde*.      Als    die    Kuppel    und   zwei    der 


*)  Qu  ix,  Cod.  dipl.  Aquensis  no.  227. 

»)  Kremer  a.  a.  0.  III,  8.  74.  Schorn,  Eiflia  sacra  II,  S.  259  gibt 
irrig  das  Jahr  1282  an  und  folgert  mit  Unrecht  aus  der  üebertragung,  dass 
die  Johanniter  damals  in  Nideggen  bereits  „ansässig**  gewesen  seien. 

*)  Vgl.  Loersch  in  der  Zeitschrift  des  Aach.  Geschichtsvereins  VI, 
S.  245  f. 


140  W.  Oraf  von  Mirbach 

Säulen  eingestürzt  waren,  übertrug  man  die  Lampe  in  das 
Kloster  der  weissen  Frauen.  Noppius  nennt  das  Denkmal, 
wovon  zwei  Säulen  noch  bis  ins  19.  Jahrhundert  standen, 
„gantz  heslich**.  Seit  dem  Jahre  1872  bezeichnet  eine  am  Hause 
Jakobstrasse  Nr.  26  angebrachte  Gedenktafel  die  Stelle,  \*^o 
Graf  Wilhelm  sein  Leben  aushauchte.  Leider  hat  die  Tafel  die 
falsche  Jahreszahl  1277.  Die  Dotirung  der  Altäre  war  noch 
Ursache  mancher  Verhandlungen.  Einige  sagen,  im  Jahre  1280 
seien  auch  die  Rechte  der  Grafen  von  Jülich  in  Aachen  über- 
haupt neu  festgestellt  worden,  namentlich  sei  ihnen  wegen  des 
Geleits  der  Pilger,  die  zu  den  Heiligthümern  zogen,  der  dritte 
Tlicil  der  Opfer  in  der  Marienkirche  zuerkannt  worden  ^ 

Gräfin  Rikarda  bewahrte  sich  auch  noch  einige  Jahre  nach- 
her die  Regierung  im  Namen  der  Söhne.  Am  5.  Oktober  1279 
hatte  Rütger  von  Beck  ihr  seinen  Sohn  Reinhard  zugesandt, 
damit  sie  diesem  die  Lehen  verleihe,  die  er  von  „ihren  Söhnen*' 
habe^.  Am  25.  Dezember  1283  bewilligt  sie  nebst  den  Söhnen 
die  Theilung  des  Speysbuschs  bei  dem  Altenbergschen  Hof 
Isenkrath  zwischen  den  umliegenden  berechtigten  Ortschaften. 
Der  Hof  selbst  hatte  64  Holzgewälde  und  musste  von  jeder 
der  Jftlichschen  Familie  bei  der  Theilung  eine  Mark  zahlen^. 
In  demsc^lben  Jahre  1283  tritt  der  Propst  Walram  als  Graf  von 
Jülich  auf;.  Gerhard  und  Otto  übernahmen,  vielleicht  nicht  ganz 
gern,  die  He^schaften  Caster,  bezw.  Hengebach,  Gräfin  Rikarda 
aber  erscheintVn  manchen  Urkunden  der  Familie  noch  als  mit- 
handelnd und  zVstimmend.  So  1287  bei  der  Veräusserung  der 
Güter  zu  Worri^gen,  des  Patronats  zu  Kirchherten  durch  Ger- 
hard von  Jülich?^,  bei  der  Erklärung  zu  Gunsten  des  Birkhofs 
und  dem  Verkanif,  den  die  Frau  von  Holte  für  die  junge  Mathilde 
von  Aremberg  abschloss.  Das  St.  Klarenkloster  zu  Köln  ver- 
ehrte jiie  Rikarda  als  Stifterin,  denn  sie  und  ihre  Söhne  haben 
tien  Parfusenhof  auf  dem  Berlich  in  der  Kolumbapfarre  dafür 
hergegeben,  eine  Schenkung,  die  Graf  Gerhard  im  August  1303 
bestätigte   und   in   dem  betreffenden  Schrein  eintragen  liess*. 

*)  Trithcraius,  Chron.  Hirsaug.  II,  p.  34;  Leibnitz,  Scriptores  rer. 
Brunsvic.  II,  20;  Sweertius,  Rer.  Belgic.  annales  p.  218;  Magnum  Chron. 
Belg.  ad  a.  1278. 

*)  Lacomblct,  ürkundenbuch  II,  Nr.  729. 

')  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  785. 

*)  Kremer  a.  a.  0.  III,  Nr.  152  und  153;  Ennen,  Quellen  III,  Nr.  282. 

^)  A.  D.  St.  Klara  Xr.  2. 


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Beiträge  zur  Oeschichte  der  Grafen  von  Jülich.  141 

Dies  ist  das  Haus,  welches  dem  Werner  Parfuse  gehört  hatte. 
Unter  den  WitthumsgUtera  der  Gräfin  sind  uns  das  Haus  „Jülich** 
zu  Köln  *  (Hohestrasse  Nr.  111),  und  der  Hof  zu  Titz  im  Amt  Caster 
bereits  bekannt.  Zu  Pfingsten,  am  25.  Mai,  1292  erwarb  das 
Kloster  Altenberg  ein  dahin  gehöriges  Hofesgut  in  Titz  nebst  dem 
Recht  „zu  dinge  ind  zu  ringe"  von  Gerhard  Luceling,der  dafür  unter 
Genehmigung  der  Gräfin  vor  Schultheis^  und  Schöfi'en  ein  dortiges 
anderes  Gut  in  die  Hofesgemeinschaft  einweisen  lässt^.  Am 
31.  Januar  1293  ist  die  „venerabilis  comitissa  Juliacensis" 
gegenwärtig,  als  Margaretha,  Wittwe  des  Ritters  Tilmann  von 
Jülich,  dem  Kloster  Gnadenthal  ihren  Hof  zu  Broich  vor  der 
Höferschaft  von  Pettemich,  den  Schöfl^en  zu  Jülich  und  dem 
Graftn  Walram  überträgt  \ 

Am  19.  Juni  1293  besiegelt  Rikarda  einen  Verkaufsakt, 
worin  Sibert  von  Meer  eine  Hofstatt,  zu  Meer  gelegen,  zinsbar 
ihrem  Hof  in  Titz,  dem  Kloster  Altenberg  überträgt  ^  Dies  ist 
meines  Wissens  die  letzte  Urkunde,  welche  die  Gräfin  nennt. 
Ihr  gewöhnliches  Siegel  zeigt  ihre  stehende  Figur,  die  rechte 
Hand  auf  die  Brust  gelegt,  auf  der  linken  einen  P'alken;  Um- 
schrift: Sigillum  Richarde  comitisse  Juliace.  Auch  ein  Reitcr- 
siegel  ist  von  ihr  gebraucht  worden,  ich  habe  dasselbe  aber  stets 
nur  sehr  verletzt  vorgefunden ;  das  Gegensiegel  zeigt  ein  Wappen 
mit  dem  Löwen  und  die  Legende:  f  1*^^-  ^^^-  clavis.  sigilli. 
Icli  kenne  weder  Jahr  noch  Tag  ihres  Todes;  1298  muss  sie 
nicht  mehr  am  Leben  gewesen  sein,  weil  ihr  Sohn  Gerhard  wohl 
damals  das  Haus  „Jülich''  in  Köln  besitzt*.  Sie  ist  in  der  Kirche« 
zu  Nideggen  neben  ihrem  Gemahl  begraben.  Das  Grabmal  scheint 
etwas  später,  aber  doch  nicht  nach  1350  angefertigt  zu  sein.  Jetzt 
ist^davon  nur  die  Deckplatte  übrig,  welche,  ebenfalls  schon 
sehr  beschädigt,  die  Figuren  der  Verstorbenen  zeigt.  Der  bart- 
lose", pausbackige  jugendliche  Kopf  Wilhelms  IV.  hat  auf  Porträt- 
ähnlichkeit wohl  nie  Anspruch  gemacht  (falls  nicht  eme  unge- 
schickte Restauration  noch  manches  daran  verwischt  hat) ;  Rikardas 
Gesicht  ist  sogar  verschleiert.  Das  Kostüm  und  die  Stilisirung  des 

*)  Fahne,  Salm  I,  2,  44. 

')  A.  D.  Altenberg  174. 

*)  A.  D.  Kopiar  von  Gnadenthal  149. 

*)  A.  D.  Altenberg  177. 

ö)  Fahne,  Salm  I,  2,  44.  - 

^)  Vgl.  Organ  flir  christUche  Kunst  XVI,  S-  '^^  ^- 


142  W.  Graf  von  Mirbach 

Wappens  zur  Seite  des  Grafen  gehören  noch  dem  14.  Jahr- 
hundert und  eher  dessen  erster  Hälfte  an ;  die  Inschrift,  welche 
auf  ehernen  Platten  das  Grabmal  umgab,  muss  noch  jünger 
sein,  da  sie  nicht  einmal  den  Vornamen  der  Gräfin  kennt,  wenn 
anders  Brosii  richtig  gelesen  hat^ 

Quis  furor,  o  cives,  decrevit  perdere  duces? 

Stella  rubens  procerum,  quem  monstrant  gesta  procerum, 

Moribus  omatus  super  Herculeos  trabeatus 

Qui  fuerat,  comitem  mactavit,  Aquisque  Quiritem, 

Condita  maiorum  laus  hac  fuit  urbe  virorum, 

His  simul  immissa  foelix  hie  iacet  comitissa 

Irmgardis  prona  dominarum  digna  Corona^. 

V.   Die  übrigen  Kinder  des  Grafen  Wilhelm  IV. 

Des  Grafen  zweiter  Sohn  war  Walram,  bei  des  Vaters  Tode 
Propst  des  Marienstifts  zu  Aachen.  Als  solcher  erscheint  er 
schon  am  30.  Oktober  1273  als  Zeuge  von  König  Rudolfs 
Privilegienbrief  für  die  Stadt  Kaiserswerth  ^  Im  Jahre  1283 
ist  er  dem  Vater  als  Graf  in  Jülich  gefolgt  und  hat  später 
sein  geistliches  Amt  niedergelegt.  Ueber  seine  Regierung 
weiter  unten. 

Gerhard,  der  dritte  Sohn,  erst  Herr  zu  Caster,  Graf  von 
Jülich  1297 — 1328,  soll  ebenfalls  später  behandelt  werden. 

Otto  ist  vielleicht  nicht  der  jüngste  Sohn  gewesen,  wenn 
es  richtig  ist,  dass  er  schon  1265  als  Propst  des  Servatiusstifts 
zu  Mastricht  in  einem  zu  Paris  befindlichen  Kartular  dieser 
Kirche  genannt  ist*;  im  Jahre  1279  bekleidet  er  diese  Würde 
allerdings*  und  im  Mai  1282  besiegelt  er  als  Domherr  und 
Archidiakon  von  Lüttich  einen  Privilegienbrief  seines  Nefi'en 
Arnold  von  Looz  zu  Gunsten  des  Klosters  Münsterbilsen  •.  Auch 


*)  Brosii,  Annales  I,  p.  43. 

')  Abbildung  des  Grabmals,  soweit  es  noch  vorhanden,  sieh  auf  der 
beigegebenen  Tafel.  Früher  war  es  wohl  eine  erhabene  Tumba  und  ein  Stein 
der  Seitenverblendung  mag  der  mit  einer  ritterlichen  Figur  gezierte  sein, 
welcher  jetzt  über  dem  Thurmeingang  der  Kirche  angebracht  ist 

^)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  689. 

*)  Mittheilung  des  Herrn  von  Bormann  zu  Schalkhoven. 

*^)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  730. 

®)  Wolters,  Notice  bist,  sur  Tancien  chapitre  de  chanoinesses  nobles 
de  Münsterbilsen  p.  67. 


L_ 


Beitrig«  i«r  G«*^hi'*hir-  Äkt  Grsf^-n  Tt>B  jQlicb«  143 

war  er  bischöflicher  Offizial '  um!  jeilenfalls  Priester,  konnte 
sonach  auf  die  Xachfolirt*  in  Jnlich  nirht  rechnen.  I)enncM*li 
gelang-  es  ihm,  aus  der  streitiin.n  Erbschaft  des  Vaters  die 
Herrschaft  Hengel>ach  zu  l>ek<jmmen.  Als  Herr  da>elbst  mischt 
er  sich  am  8.  Septenit)er  12^3  aurh  in  den  Liniburerischen  Erbfolge- 
streit *  und  ist  14  Tag-e  si>äter  l>ei  der  Vendandungr  Wassenl)ergs 
an  Kurköln  unter  den  Verwandten  des  Grafen  Reinald  von  (Feldern 
genannt,  welche  die  Burg  eventuell  einlr>sen  können  *.  Etwa  im 
Jahre  1293  wird  er  gestört )en  sein,  und  Hengebach  ist  der 
Grafschaft  Jnlich  wie^ler  zuirefallen. 

Von  Töchtern  des  Grafen  Wilhelm  IV.  kenne  ich  folgende : 

1.  Mathilde,    geboren   um    1240,    um    1258    vermählt   mit 

Johann,    ältestem    Sohn    des   Arnold,    Grafen    von    Looz    und 

Chiny,  Ritter.    Regierende  Gräfin  ist  sie  wohl  kaum  geworden, 

ich   glaube,  dass  sie  1206  schon  todt  war,  weil  Johann   sie   in 

seinen  Urkunden  von  damals  meines  Wissens  nie  nennt.     Er 

hat  sich  nachher  mit  Elisabeth  von  Beloeil  und  Cond6  vermählt 

und  ist  1279,  neun  Jahre  nach  seinem  Vater  gestorben.    Schon 

1278  erscheint  Arnold,  sein  ältester  Sohn  erster  Ehe*.    Derselbe 

hatte  wohl  von  seiner  Mutter  her  Güter  im  Jülich  sehen  Land, 

Tielleicht  Pfandschaftea,   und   stiftet    derselben    am    30.    März 

(feria  tertia  ante  ramos  palmarum)  1316  ein  Jahrgedächtuiss  im 

Kloster  Hoven,  wofür  er  unter  Genehmigung  seines  Oheims,  des 

Grafen  Gerhard,   10  Mark   aus   dem  Bierpfennig   in  der  Stadt 

Jülich  anweist  ^ 

2.  Margaretha,  erscheint  1262  als  Gattin  des  Grafen 
Dietrich  von  Katzenellenbogen.  Ihr  scheint  der  Vater  ver- 
schiedene Ansprüche  an  die  Stadt  Köln  als  Mitgift  angewiesen 
zu  haben,  au  denen  auch  Wilhelm,  der  Erstgeborene,  mit- 
berechtigt war.  Am  13.  Januar  1276  ist  sie  Wittw^e  geworden  •; 
und  am  10.  April  1276  erklärt  ihr  Vater,  seinen  ältesten  Solin 
bestimmen  zu  wollen,  dass  er  dem  Vertrag  der  Margaretha  mit 

*)  de  Theux  I,  323. 

*)  Ernst,  Histoire  du  Limbourg  VI,  S.  447,  wo  statt  Hengebach 
„Beringbach"  steht. 

«)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  782. 

*)  Wolters,  Cod.  dipl.  Lossensis  an  verschiedenen  Stellen. 

*)  Elvenich,    Zur   Geschichte    des   Klosters    Hoven   (Programm   des 

Gymnasiums  zu  Düren  1865)  S.  15,  Nr.  4. 

«)  Dietrichs  Grabstein  im  Museum  zu  Wiesbaden;  vgl.  A.  vonCohausen, 

Führer  durch  das  Alterthums-Museura  zu  Wiesbaden  S.  196. 


144  W.  Graf  von  Mirbach 

der  Stadt  Köln  beitrete  ^  Eine  im  Schloss  Rheinfels  angebrachte 
Gedenktafel  über  das  traurige  Ende  ihres  Vaters  hat  wohl 
Margaretha  fertigen  lassen.  Sie  hat  die  Inschrift :  Anno  donüni 
1278  obiit  Wilhelmus  conies  Juliacensis  et  filius  huius  (eins?)  et 
raulti  alii  nobiles^    Die  Gräfin  starb  am  12.  Oktober  1292'. 

3.  Rikarda,  vor  1265  mit  dem  Grafen  Wilhelm  von  Salm 
vermählt,  der  vorher  eine  Tochter  Gerhards  von  Prouvy  zur 
Frau  gehabt  und  1297  gestorben  ist.  Ein  direktes  urkundliches 
Zeugniss  dafür,  dass  sie  eine  Tochter  von  Jülich  gewesen,  liegt 
mir  allerdings  nicht  vor.  Rikarda  und  ihr  Gemahl  haben  1265 
zu  Gunsten  der  Abtei  Hemmerode  auf  die  Güter  zu  Briedel  an 
der  Mosel  verzichtet;  Willielm  IV.  und  Bischof  Heinrich  von 
Lüttich  besiegeln  die  Urkunde.  Der  Rikarda  Siegel  hat  kein 
Wappenbild,  es  ist  ein  Fusssiegel  mit  der  Umschrift:  S.  Ricardis 
comitisse  Salm.*  Graf  Gerhard  von  Jülich  nennt  aber  1301 
ihren  Sohn  Heinrich  seinen  Neffen^,  was  man  allerdings  nicht 
wörtlich  zu  nehmen  braucht.  In  vielen  alten  Stammtafeln  ist 
Rikarda  Tochter  Wilhelms  IV.  genannt.  Dieses  sind  natürlich 
sehr  unsichere  Quellen.  So  z.  B.  nennen  solche  auch  Rikarda, 
Gattin  des  Johann  von  Reifferscheid  (f  1317),  als  Tochter 
Wilhelms  IV.  Urkundlich  aber  heisst  sie  Nichte  Gerhards  von 
Jülich  ^  Da  sie  auch  ausserdem  Rikarda  heisst,  so  glaube  ich, 
dass  sie  eine  Enkelin  Wilhelms  IV.  gewesen  ist. 

Ich  will  bei  dieser  Gelegenheit  eine  Sache  berühren,  welche, 
streng  genonunen,  freilich  nicht  hierher  gehört.  A.  Fahne  hat 
ein  schätzbares  Werk  über  die  Herren  von  Reifferscheid, 
Grafen  und  Fürsten  von  Salm  verfasst^.  Ich  habe  die  zwei 
Bände  vielfach  durchgesehen,  es  wird  mir  daraus  aber  nicht 
klar,  weshalb  die  Herren  von  Reifferscheid  eigentlich  die  Graf- 


»)  Enuen,  Quellen  III,  Nr.  132. 

«)  A.  di  Miranda,  Ein  Fiirstenlebcn  S.  120.  Die  Jahreszahl  1278 
macht  die  Gleichzeitigkeit  der  Tafel  vielleicht  verdächtig,  ich  habe  sie 
selbst  nicht  gesehen. 

»)  Cohn,  Stammtafeln  211. 

*)  Fahne,  Salm  11,  S.  82. 

^)  Qu  ix,  Cod.  dipl.  Aquensis  no.  256. 

«)  Fahne,  Salm  II,  S.  88. 

^)  Das  gesammte  zugängliche  Material  aber  hat  er  nicht  benutzt,  z.  B. 
A.  D.  Herrenstrunden ;  soviel  ich  im  Repertorium  von  Herrenstrunden  gesehen, 
heisst  die  Mutter  Friedrichs  von  Reifferscheid  1225  Beatrix  von  Hunseit 
Diese  findet  sich  bei  Fahne  nicht. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  U5 

Schaft  Salm  erbten.    Auf  S.  55  des  ersten  Bandes  steht   eine 

Genealogie    der  Grafen  von   Salm.     Da   soll   der   letzte   (iraf 

Heinrich  eine  Schwester  gehabt  haben,  welche  Muttor  des  1475 

verstorbenen  Johann  von  Reifferscheid  gewesen.    Auf  S.    121 

steht  dann  eine  durch  Urkunden  belegte  Stammtafel  der  Herren 

von  Reifferscheid,  danach  hatte  Johanns  Vater  gar  keine  Salm 

zur  Frau,  sondern  der  Sohn  stammte  von  Jutta  von  Cuylenburg. 

Sehen  wir  nun  nochmals  auf  S.  55,  so  finden  wir,  dass  (wenn 

anders  die  Stammtafel  richtig  ist)  im  Jahre  1410  die  Nachkommen 

des    Sohnes  des  Wilhelm  Grafen   von  Salm    und   der   Kikarda 

Von  Jülich  in  männlicher  und  weiblicher  Linie  erloschen  waren. 

Töchter  Willielms  sind  nicht  genannt.    Wenn  ich  nun  aniu^hme, 

dass  die  Rikarda,  welche  Graf  Gerhard  von  Jülich  seine  Nichte 

nennt,   die  Frau  von  Reifferscheid  nämlich,  Q\n^^  Tochter  des 

Grafen  Wilhelm  von  Salm  gewesen,  so  waren  ihre  Nachkommen 

die   nächsten   Blutsverwandten   des   1416  verstorbenen   (J  raten 

Heinrich  und  mussten   in  Salm  succediren.     Dass  .Johann   von 

Reifferscheid,  erster  Graf  von  Salm,  den  Heinrich  seinen  Oheim 

nennt,  darf  nicht  befremden,  es  war  zwischen  dem  altern  Heinrich 

und   dem   viel  jungem  Johann  Verwandtschaft   im   4.    zum   5. 

kanonischen  Grade  vorhanden,  und  dass  sich  solche  Vt^rwandte 

im  Mittelalter  noch  Oheim,  Neffe  oder  Vetter  nennen,  dalllr  gibt 

es  viele  Beispiele.     Erbschaften  oder  Krbaussichten  namentlich 

schaffen   ja   heute    noch    „liebe   Oheime**,    selbst    ohne    Hluts- 

verwandtschaft.  —  Man  möge  mir  diese   Konjektur  hier   v(^r' 

zeihen;  merkwürdig  ist  es,  dass  noch  Niemand  sich   die  Mllhc^ 

gegeben  zu  haben  scheint,  den  Anfall  der  Grafschaft  Salm   zu 

erklären. 

4.    Katharina,    urkundlich    Tochter  Wilhelms    IV.,    kennen 

wir  als  Gattin  des  Johann  von  Aremberg,  Burggrafen  zu  Köln  *. 

Am    22.    November    1279    verkaufen    sie    und    ihr    Mann    dem 

Kloster   Camp    14  Morgen   Land   bei   Auenheim  ^.    Johann   ist 

vor    1287    gestorben,    sein   und   seiner  Gattin  Memorie   wurde 

am  17.  März  in  Gladbach  gehalten  ^  Katharina  lebte  1287   als 

Wittwe  und  Vormünderin  ihrer  kleinen  Tochter  Mathilde. 


*)  Lacomblet,  Urkundenbuch  II,  Nr.  827. 

»)  A.  D.  Camp,  1875  noch  nicht  repertorisirt.     An  i\vT  Urkunde  hängt 

auch  das  Siegel  der  Katharina. 

3)  Böhmer,  Fontes  III,  p.  358;  Zeitschrift  des  Aach.  Geschichtsvereins 

II,  S.  212. 

10 


146  W.  Graf  von  Mirbach 

5.  Peronetta.  Wie  mag  sie  zu  diesem  Namen  gekommen 
sein?  Sie  wurde  die  Gemahlin  des  Ludwig  von  Arnsberg, 
Sohnes  jenes  Grafen  Gottfried,  den  wir  als  Freund  und  Waffen- 
gefahrten Wilhelms  IV.  kennen  gelernt  haben.  Ludwig  nennt 
sich  schon  vor  1281  Graf,  also  noch  bei  des  Vaters  Lebzeiten. 
Im  Jahre  1276  kommt  zuerst  seine  Frau  vor,  die  sich  1279 
Gräfin  schreibt.  Ludwig  verkauft  1278  als  iunior  comes  mit 
Bewilligung  des  Vaters  seiner  Gattin  und  seiner  Söhne,  sowie 
des  Bruders  und  der  Arnsbergschen  Ministerialen  der  Stadt 
Soest  seine  Vogtei  daselbst,  ohne  der  Mitrechte  des  Hengebach- 
Jülichschen  Hauses  zu  erwähnen  ^  Wir  wissen  ja,  dass  Wilhelm  III. 
diese  noch  hatte.  Gehörten  sie  vielleicht  jetzt  der  Peronetta? 
Das  Siegel  der  Gräfin,  welche  häufig  als  zustimmend  in  den 
Urkunden  ihres  Gatten  erscheint,  zeigt  ihre  Figur  stehend, 
von  dem  Arnsberger  und  Jtilicher  Wappen  beseitet,  und  die 
Legende:  S.  Pirouette  comitisse  de  Arnesberg.  Dies  Siegel 
besass  sie  schon  1276,  als  Ludwig  noch  keines  hatte.  Sie  hat 
ansehnliche  Stiftungen  im  Kloster  Wedinghausen  für  die  Seelen- 
ruhe ihres  Vaters,  sowie  ihrer  Brüder  Wilhelm  und  Roland 
gemacht,  beschenkt  1296  auch  das  Stift  Fröndenberg  und 
erscheint  zuletzt  am  22.  Februar  1301  K  Am  6.  Januar  1304 
(1305)  hat  Graf  Ludwig  dem  Kloster  Wedinghausen  das  Vogt- 
geld zu'Grevel  erlassen  unter  der  Bedingung,  dass  es  sein  und 
seiner  in  der  Maria-Himmelfahrts-Oktav  verstorbenen  Gattin 
Peronetta  Jahrgedächtniss  halte  ^.  Vielleicht  ist  sie  die  Gräfin  von 
Arnsberg,  deren  Memorie  Wedinghausen  nachher  am  13.  August 
begingt,  weil  in  der  Festoktav  keine  Todtenmesse  sein  konnte. 
Ihr  Gatte  starb  am  2.  Mai  1313. 

6.  Mathilde,  nicht  zu  verwechseln  mit  der  ältesten  Schwester, 
heisst  1287  nocli  puella*^  und  ist  wahrscheinlich  am  2.  Mai 
unvermälilt  gestorben,  wenigstens  ist  unter  diesem  Tage  eine 
Mechtildis  nobilis  de  Juliaco  im  Nekrolog  der  Franziskanerinnen 
zu  Köln  eingetragen^. 

*)  Kindlinger,  Münsterische  Beiträge  III,  1,  216. 

*)  Seibertz,  Quellen  III,  484;  Hüser,  Repert.  von  Arnsberg  I,  344; 
Selbe rtz,  Geschichte  der  Grafen  von  Arnsberg  S.  207,  242,  252;  Kindlinger 
a.  a.  0.  III,  1,  270. 

*)  Strange,  Beiträge  zur  Genealogie  der  adligen  Geschlechter VII,  S.  60. 

*)  Seibertz,  Geschichte  der  Grafen  von  Arnsberg  S.  254. 

»)  Kremer,  Akad.  Beiträge  III,    Nr.  152. 

«)  Kremer  a.  a.  0.  III,  S.  61. 


Bfiträfire  zur  <"i»r*<y  rLte  der  «irAf-o  Ton  Jülich.  HT 

Es  werden  auch  niwrh  eine  Hisabeth,  eine  Blanofli>s  um! 
eine  Adelheid  als  Töchter  W^lbelm^  IV.  ansrefuhrt,  urkundlich 
finde  ich  sie  nicht.  Blancfli^,  Blancheflus  von  Jülich  nennt  auch 
Lehmann  als  Gattin  des  Grafen  Heinrich  von  Sponheim-Starken- 
bürg.  Graf  Walram  von  Jülich  bezeichnet  1 283  einen  Wilhelm 
von  Sponheim  als  seinen  Verwandten*.  Ich  lasse  die  Sache 
dahingestellt  sein. 

Von  den  natürlichen  Söhnen  Wilhelms  IV,  sind  uns  (Jerhard 
und  Roland  bekannt.  Beide  fielen  1278  an  der  Seite  ihres  Vaters 
im  Strassenkampf  zu  Aachen  ^  Roland  scheint  sich  der  schwester- 
lichen Zuneigung  der  Grafin  von  Arnsberg  erfreut  zu  haben. 
Vielleicht  gehört  hierhin  auch  Wilhelm  von  Jülich,  der  um  1312 
vier  Hufen  bei  Riexen  (?)  von  Brabant  zu  Lehn  tnig*;  ferner 
Gerhard  von  Jülich,  1298  doctor  decretorum  und  Johanniter- 
komthur  zu  Hechelnd 

VI.    Walram  I.  Herr  zu  Bergheim. 

Walram  I.  kommt,  wie  wir  schon  sahen,  häufig  neben  seinem 
Bruder,  dem  Grafen  Wilhelm  IV.,  vor,  namentlich  bei  Schenkungen, 
Verzichtleistungen  und  solchen  Rechtshandlungen,  welche  die 
Gegend  von  Bergheim  betreflen.  Genannt  ist  er  zuerst  am  1 .  Oktober 
1231,  wo  er  und  Wilhelm,  mit  Beirath  der  Limburgisdieu  Oheime, 
dem  Kloster  Dünwald  den  Rottzehnten  von  18  Morgen  unter 
der  Bedingung  überlassen,  dass  dieses  sie  im  Besitz  des 
sonstigen  Zehntens  zu  Garsdorf  niclit  störe  ^  Von  .IttlichHchon 
Vasallen  sind  dabei  genannt  Gottschalk  von  ('unter  und  Kvoiiiard 
Droste  von  Diestemich,  die  andern  Zeugen  waren  offenbar  Limburg- 
Bergische  Unterthanen.  Es  scheint,  drtss,  als  Willielm  IV.  die 
alte  Grafschaft  Jülich  übernahm,  die  Nebeiigüter  noch  oln(» 
Reihe  von  Jahren  ungethcilt  in  den  Hllndon  beider  Hrüder 
blieben.  Der  Graf  baute  bekanntlich  \nA  BerglM^Ini  (\h)V\*) 
eine  Burg,   welche  1239    zerstört    worden    ist.     KInige    .fahre 


*)  Kremer,  Akademische  Beiträge  III,  Nr.  148. 

*)  Vgl.  Gesta  abbat.  Trudon.,  Mon.  Germ.  ÖS.  X,  p.  4()4i  Ainmlp« 
Floreff.,  Mon.  Germ.  SS.  XVI,  p.  628. 

')  Livre  des  feudataires  de  Jean  IIL  de  Brabant,  od.  Galculoot ,  p.  200. 

*)  Lacomblet,  Urkundenbuch  II,  Nr.  989. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  172;  s.  Korth  in  der  ZoitHcbrlft  dnn 
Bergischen  Geschichtsvereins  XX,  S.  66,  Nr.  33. 

10* 


148  W.  Graf  von  Mirbach 

später  hatte  Walram  in  der  Nähe  Allodialgüter  erworben,  wahr- 
scheinlich  das   spätere   Gericht  Bergheim,    nämlich    das  Dorf 
Thorr,  einen  Theil  von  Zieverich,  mehrere  Mühlen  und  ein  paar 
Häuser  bei  Bergheimerdorf.    In  der  Nähe  der  Mühle  hat  dann 
Walram  sich  ein  neues  Schloss  gegründet,  wo  bald  darauf  das 
Städtchen  entstand  ^    Nun   erhielt   er  vom   Bruder  die   schon 
oben  spezifizirte  Vogtei  Bergheim*  als  After-  und  Mannlehn, 
ausserdem  noch  einige  Vogteien  in  der  Nähe,  welche,  mit  den 
genannten  Gütern  verbunden,  die  von  Jülich    lehnbare   Herr- 
schaft Bergheim  bildeten,  aus  welcher  im  14.  Jahrhundert  das 
Amt  Bergheim  erwuchs.    Zudem  hat  er  vielleicht  auch  Antheil 
an  der  Grafschaft  Nörvenich  bekommen.    Zwischen  Köln  und 
Bergheim  war  das  Stift  Maria  im  Kapitol  zu  Köln  Grundherr 
zu  Eflfem,  Stotzheim,  Fischenich,  Weiler,  das  Cäcilienstift  zu 
Stommeln,  Ingendorf,  Rath;  zu  Dormagen,  Horrem,  Rheinfeld 
das  Andreasstift,  das  Gereonstift  zu  Junkersdorf  und  Poulheim; 
das  Kloster  Montfaucon  zu  Wesseling;  das  Ursulastift  zu  Büs- 
dorf,  zu  Geyen  das  Domstift,  zu  Türnich  das  Kloster  Relling- 
hausen.    Alle  diese  Vogteien  gehörten  später  zum  Jülichschen 
Amt  Bergheim  und  wohl   sicher  schon  zu  der  Herrschaft  des 
Walram,  welcher   auch   noch   einige   Schutzherrlichkeiten  über 
Güter  der  Klöster  Camp,   Brauweiler,  Dünwald  besass,   die  in 
der  Folge  nicht  bei  Jülich  geblieben  sind. 

Schon  im  Mai  1243  gelobt  Walram,  des  Bischofs  Robert 
von  Lüttich  Vasall  zu  werden  für  300  Mark  und  vor  Weih- 
nachten seine  Güter  zu  Thorr  und  Giesendorf  nebst  drei  Mühlen 
in  Bergheim  als  Lehen  zu  stellen,  die  eine  Jahresrente  von 
30  Mark  abwarfen.  Erst  in  der  Osterwoche  1246  quittirt  er 
über  das  empfangene  Manngeld  ^.  Am  D(mnerstag  vor  Martini 
des  Jahres  1245  ist  Herr  Walram  zu  Hamoir  bei  dem  Vertrag 
zwischen  genanntem  Bischof  und  seiner  Tante  Isabella  von  Bar, 
Frau  von  Montjoie,  gegenwärtig*. 

Im  April  1246  verzichtet  Walram  für  57  Mark  auf  den 
Rottzehnten   in   den   Brauweilerschen   Waldungen   Brahm    und 

*)  Die  Kirche  in  Bergheim,  wie  sie  noch  zum  Theil  steht,  ward  1175 
durch  Erzbischof  Philipp  eingeweiht.    Franquinet,  Klosterrade  p.  292. 

*)  Lacomblct  a.  a.  0.  III,  Nr.  163.  Erklärung  des  Grafen  Gerhard 
Ton  Jülich,  welcher  der  Erzhischof  von  Köln  wegen  einer  spätem  Auftragung 
des  Schlosses  Bergheim  an  sein  Stift  widersprach. 

*)  A.  di  Miranda,  Ein  Fttrstcnleben  S.  46  und  65. 

*)  Ebenda«.  S.  65. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  149 

Hanepütz*;  Zeugen  sind  die  Bergheimer  Vasallen  Hermann 
Sneda,  Wilhelm  von  Laach,  Werner  von  Asmundslo  (Aspersclilag), 
Dietrich  von  Milenheim  der  Droste  und  Hermann  der  Notar 
des  Walram. 

Am  10.  November  1248  steht  der  Herr  von  Bergheim  auf  Seite 
des  neuen  Königs  Wilhelm  von  Holland,  der  ihm,  als  seinem  lieben 
Getreuen,  den  Auftrag  ertheilt,  das  im  Gebiet  des  Reichsorts  Duis- 
burg gelegene  Kloster  Düssern  zu  beschützen^.  Bereits  am 
18.  Oktober  ist  Walram  beim  König  zu  Aachen  ^  Im  Jahre  1249 
ist  Walram,  „Bruder  des  Grafen  von  Jülich",  als  Zeuge  anwesend 
gewesen,  als  Peter,  Sohn  des  Marsil  Galge  von  Königshoven, 
30  Morgen  Allodialland  und  eine  Hofstatt  daselbst  für  24  Mark 
Aachener  Denare  dem  Kloster  Reichenstein  verkauft  und  sie  gegen 
einen  Erbzins  von  8  Malter  Roggen  und  4  Malter  Weizen  zurück- 
erhalten hat.  Zeugen  sind  ferner  noch  die  Gebrüder  Sibert  und 
Ingram  von  Königshoven,  Johann  von  Eisdorp  (?)  (Elsdorf?), 
Heinrich  Verken,  Heinrich  Munt  und  Jakob  von  Elrehoven 
(Alhoven)  *. 

Walram  versprach  sich  bedeutenden  Ländererwerb  durch 
seine  Verlobung  mit  Mathilde  von  Mühlenark,  welche  das  einzige 
Kin(^  des  Konrad  und  der  Mathilde  von  Hochstaden  war.  Der 
Hochstadensche  Mannesstannn  beruhte  nämlich  nur  mehr  auf 
zwei  Geistlichen,  Brüdern  der  Mathilde,  dem  Erzbischof  Konrad 
von  Köln  und  seinem  Bruder  „ex  utroque  parente**  ^,  dem  Propst 
Friedrich  von  Xanten.  Gleich  nachdem  1246  der  weltliche 
Bruder  Graf  Dietrich  gestorben  war,  beredeten  die  Verwandten 
der  Wittwe  Bertha  von  Montjoie,  unter  denen  auch  Walram 
von  Jülich  ist,  einen  Vergleich  mit  Erzl)ischof  Konrad  wegen 
des  Witthums*^.  Nachdem  von  den  Schwestern  einige  auf  das 
Hochstadensche  Erbe  verzichtet  hatten,  übertrug  am  16.  April  1246 
der  Propst  Friedrich,  der  sich  verus  heres  in  Hochst<iden  nennt, 
diese  Grafschaft  nebst  der  von  Ahr  und  dem  Schlosse  Hardt 


»)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  299. 

*)  Böhmer-Ficker,  Regesta  imp.  1198-1272,  no.  4940;  Lacomblet 
a.  a.  0.  II,  Nr.  326,  Amn. 

^)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  335;   Böhmer-Fickcr  1.  c.  no.  4932. 

*)  A.  I).  Kopiar  von  Rcichenstein  II,  1579. 

*)  A.  D.  Erzstift  Köhi  Nr.  36G. 

®)  Publ.  de  la  soc.  pour  la  recherche  et  la  conservation  des  mon.  bist, 
dauö  le  (irand-Duche  de  Luxembourg  XIV,  p.  109. 


150  W.  Graf  Ton  Mirbach 

dem  Erzstift  Köln  ^  Der  Bruder  Konrad  genehmigte  die  Schenkung- 
als  Hochstadenscher  Erbe,  als  Erzbischof  setzte  er  sich  in  Besitz. 
Sehr  viele  zu  Ahr  und  Hardt  gehörige  Güter  waren  Lehen  der 
Abtei  Prüm,  namentlich  Rheinbach,  Münstereifel,  Alirweiler  und 
Wichterich.    Der   Erzbischof  wusste,   dass   diese  Besitzungen 
nicht   Mannlehen   seien,   also  auf  die  nächsten  Erben   allemal 
übergingen  und  so  wären  sie  denn  schliesslich   sicher   an   die 
junge    Mathilde    und    deren    Bräutigam  Walram    von    Jülich 
gefallen.    Dem  wollte  er  begegnen.    Bei  dem  Abt  von  Prüm 
sowohl   als   beim  Papst   setzte   er   es   durch,   dass  die  Abtei 
auf   das    Obereigenthum    verzichten    wollte,    wenn    der    Erz- 
bischof ihr  dafür  reiche  Pfarreien  inkorporirte.    Er  versprach 
ihr  am  2.  Juni   1247   seinen  Schutz^.    Jetzt  sollte  wie  über 
Allodien  in  Bezug  auf  diese  Güter  disponirt  werden.    Nachher 
jedoch,  vielleicht  auf  Betreiben  Walrams,  war  die  Abtei  nicht 
zu  bewegen,  das  Geschäft  perfekt  zu  machen.    Denn  Walram 
beanspruchte,  da  die  Mutter  seiner  Braut  schon  todt  war  und 
keinen  Verzicht  geleistet  hatte,  auch  die  Prümschen  Lehen  imd 
andere  Güter  der  Grafen  von  Hochstaden,  und  die  AUodifizirung 
ersterer   hätte  doch  mit  Bewilligung  der  Agnaten   geschehen 
müssen.    Im  Januar  1249  versuchte  Erzbischof  Konrad  einen 
Vergleich  mit  Walram,  der,  weil  es  auch  Güter  des  Stifts  betraf, 
die  Genehmigung  des  Domkapitels,  der  Edelherren  und  Vasallen 
von   Köln  erhielt^.    Zunächst  verpfändet  der  Erzbischof  den 
Brautleuten  seine  ehemals  Hochstadenschen  Gefälle  zu  Heerlen 
für  500  Mark,   weist  ihnen   in   vier  Terminen   zu  bezahlende 
400  Mark  an,  überlässt  ihnen  die  Forderung  des  Grafen  von 
Hochstaden  an  den  von  Geldern,    1000  Mark,  die  der  Herzog 
von  Brabant  schuldet,   und  Einkünfte   von   100  Mark,  die  der 
Herzog  auf  seine  Allodien  zu  Heerlen  und  Güter  zwischen  Ahr 
und  Roer  angewiesen   hat  (als  Entschädigungsgelder  für  die 
Grafschaft  Dalheim).     Wegen  dieser  Geldrente  von  100  Mark 
soll  Walram  von  Jülich  jetzt  Brabantischer  Vasall  werden.    Bis 
zu  der  Zeit,  dass  die  Brabantischen  Gelder  eingehen  Averden, 
sind  dafür  die  erzbischöflichen  Gefälle  zu  Richterich,  Bardenberg 
und  Broich,  geschätzt  auf  90  Mark  jährlich,  von  der  Bede  zu 


*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  297. 

*)  A.   D.  Erzstift  Köhi  Nr.  108;    die   Güter  schon   im  Reg.  bonorum 
monasterii  Prumiensis  bei  Beyer,  Mittelrh.  Urkundenbiich  I,  Nr.  135. 
^)  Lacomblet,  Urkundenbucb  II,  Nr.  342. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  151 

Zülpich  40  Mark,  25  Mausen  zu  Geich,  Füssenich  und  Eilich  (?), 
jährlich  60  Mark  liefernd,  und  die  Bede  daselbst  mit  10  Mark 
verpfändet.  Die  Lehen,  welche  die  Grafen  von  Hochstaden  von 
Limburg  trugen,  kann  Walram  ansprechen,  ebenso  das  Reichs- 
geldlehn  von  60  Mark  zu  Kaiserswerth.  Die  ehemals  Prümschen 
Lehen  aber  soll  Walram  nicht  beanspruchen,  bis  die  Frist  ab- 
gelaufen ist,  in  der  er  und  seine  Braut  definitiv  sich  erklären 
müssen,   ob   sie   diesen  Vertrag  annehmen   wollen:    wenn    die 
Braut  nämlich  12  Jahre  alt  und  die  Ehe  vollzogen  ist,    sollen 
alle  weitern  Reklamationen  wegen   der  Hochstadenschen  Güter 
unstatthaft  sein,   falls   sie   nicht  dann   binnen  Jahr  und  Tag 
angebracht  worden.    Wird   dieser  Vertrag  innerhalb  der  Frist 
verworfen,  so  gilt  er  als  nicht  geschlossen  und  müssen  die  schon 
angewiesenen  Gelder,  doch  ohne  die  gehabte  Nutzung,  zuerst 
restituirt  werden  und  dann  soll  der  Erzbischof  den  Eheleuten 
binnen  Jahr  und  Tag  ohne  Fristverlängerung  gerecht  werden, 
ohne  dass  deshalb  Krieg  angefangen  wird,  sondern  nach  Schieds- 
spruch.   Stirbt  Matliilde  als  Braut,  so  fallen  die  obigen  Güter 
dem  Erzstift  wieder  zu,  das  dann  nur  Walrams  Lehen  um  500 
Mark  vermehrt,   stirbt  sie  als  Frau  kinderlos,  so  hat  Walram 
nur   die   Leibzucht  daran,   dafür   soll   er  Eigengüter  zu  Pfand 
stellen.   Wegen  des  Schlosses  Münchhausen  wird  bestimmt,  dass 
es  dem  Erzbischof  zurückgegeben  wird,  falls  Walram  nach  der 
Heirath  diesen  Vertrag  annimmt,  wo  nicht,   so  bleibt  es  beim 
jetzigen  Besitzstand   und  darf  inzwischen  dem  Erzstift  daraus 
kein  Schaden  geschehen  ^ 

Walram  bringt  seiner  Frau  das  Schloss  Bergheim  mit  200 
Mark  an  Einkünften  in  die  Ehe;  als  Bürgen  stellt  er  den  Herzog 
von  Limburg,  die  Grafen  von  Berg,  Jülich  und  Kessel,  die  Herren 
von  Wassenberg,  Blankenheim,  Schieiden,  Montjoie,  Wiklenberg, 
Reifferscheid,  Diest,  Dyck  und  Mühlenark,  der  Erzbischof  stellt 
ebenfalls  die  drei  Erstgenannten  und  den  Herrn  von  Schieiden, 
ferner  die  Grafen  von  Vianden,  Nassau,  Neuenahr,  die  Herren 
von  Vianden,  Fels,  Heinsberg,  Dollendorf,  Wassenberg,  Milen- 
donk,  Wickrath,  Saffenburg  und  den  Vogt  von  Köln. 

Von  den  200  Mark  Rente,  welche  Walram  der  Mathilde  als 
Brautschatz  geben  sollte,  wies  er  100  auf  seine  Einkünfte  zu 
Stommeln  und  Poulheim  an,  sein  Bruder  aber,  von  dem  diese 


')  Vgl.  CardauüM,  Konrad  vou  Hostaden,  Erzbischof  von  Köln  S.  61  ff. 


152  W.  Graf  von  Mirbach 

Güter  zu  Lehen  gingen,  behielt  sich  am  2.  Mai  1250  die  Ein- 
lösung für  den  Fall  vor,  dass  Walram  etwa  sterben  sollte  ^  Der 
Erzbischof  seinerseits  liess  es  sich  gleichfalls  angelegen  sein, 
dem  für  ihn  so  vortheilhaften  Vertrag  nachzukommen.  Die  oben- 
genannten 400  Mark  waren  am  20.  März  1250  bezahlt*,  imd 
am  3.  Mai  verspricht  Walram  zu  Lüttich,  wenn  er  die  Haupt- 
summe der  Einkünfte  von  100  Mark  erhalten  habe,  binnea 
Jahresfrist  ein  Gut  von  entsprechendem  Werth  als  Lehn  von 
Brabant  anzuweisen  ^,  das  Mathilde  und  ihre  Erben  von  Brabant 
trügen  und,  wenn  sie  deren  nicht  erhalten  sollte,  an  das  Erz- 
stift zurückfiele.  Erzbischof  Konrad  und  Graf  Wilhelm  besiegeln 
dieses  Gelöbniss^.  Im  Mai  des  folgenden  Jahres  1251  quittirt 
Walram  zu  Neuss  über  erhaltene  1000  Mark  von  der  Braban- 
tischen  Schuld,  wofür  der  Mathilde  wiederum  100  Mark  Gefölle 
angewiesen  werden  sollen*. 

Soweit  schien  nun  Alles  recht  gut  sich  nach  dem  Provisorial- 
vertrag  zu  ordnen.  Aus  dem  Jahre  1249  ist  noch  eine  unbedeutende 
Sache,  die  Verlegung  eines  Weges,  nachzutragen,  welche  der 
Herr  von  Reifferscheid-Bedburg  bei  dem  Campschen  Hof  Auen- 
heim vorgenommen  hatte  und  die  Wali-am  bestätigt^.  Zeugen 
sind  Wilhelm  Peps,  Koen  von  Bohlendorf,  Everwin  Ulrich  und 
Koen  von  üoltrop,  Heinrich  und  Gyse  von  Fliesteden,  lauter 
Vasallen  von  Bergheim,  wie  es  scheint.  Im  folgenden  Jahre 
überlässt  Walram  dem  Kloster  Camp  einen  Rottzehnten  von 
50  Morgen  im  Grevenforst.  Zeugen  sind  Ritter  Gerhard  von 
Aachen  und  der  Bergheimer  Droste  Kuno  ^. 

Im  Juni  1250  erklärt  Walram  zu  Köln  unter  Mitbesiegelung 
seines  Bruders,  dass  die  Abtei  Kornelimünster  den  Hof  Olsheim 
(Ousheim,  x\us8cm?)  aus  seiner  Pfandschaft  gelöst  und  dass  er 
keine  Rechte  mehr  daran  habe  *.  Mit  Bewilligung  des  Bnidei*s 
als  Lehnsherrn  hat  Walram  am  11.  September  1253  auf  Bitten 


^)  Lacomblct  a.  a.  0.  II,  Nr.  359. 

«)  Günther,  Cod.  dipl.  Rheno-MoseU.  II,  no.  133  und  A.  D.  Erzstift 
Köln  118. 

»)  Günther  1.  c.  II,  no.  138. 

*)  Vgl.  auch  Butkens,  Trophöes  I,  preuves  p.  91,  A.  D.  Erzstift  Köln 
126,  A.  di  Miranda  a.  a.  0.  S.  65. 

*)  Vgl.  A.  D.  Erzstift  Köbi  126'. 

«)  A.  D.  Camp. 

0  A.  D.  Camp. 

*)  A.  D.  Kornelimünster  Nr.  10. 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Grafen  von  Jülich.  153 

seines  Verwandten,  des  Domthesaurars  Philipp,  gestattet,  dass 
von  dem  Walde  bei  Anstel,  Havel  genannt,  3  V2  Hufe  gerodet 
werde  und  die  Domthesaurie  gegen  Bezahlung  von  40  Mark 
den  Novalzehnten  behaltet  Im  Jahre  1254  ist  Wahram  Zeuge 
bei  dem  Vertrag  zwischen  der  Jutta  von  Bedburg  und  Herrn 
Gerhard  von  Kempenich  ^  und  am  20.  März  nebst  seinem  Bruder 
bei  der  Theilung  zwischen  Elisabeth  von  Montjoie  und  dem 
Grafen  von  Luxemburg  zu  Stablo  gegenwärtig.^.  Ein  Haus 
zu  Köln  erwirbt  er  1255,  es  lag  auf  dem  Altenmarkt  und  hatte 
einem  gewissen  Buso  zugehört '*. 

In  der  Zwischenzeit  aber,  und  wohl  als  er  geheirathet,  hatte 
Walram  dem  Vertrag  zuwider  in  der  Hochstadenschen  Erb- 
angelegenheit zu  den  Waflfen  gegriffen,  ins  Erzstift  einen  Ein- 
fall gemacht  und  übel  in  dem  Lande  gehaust.  Man  vermuthete, 
dass  er  es  darauf  abgesehen  habe,  den  Erzbischof  sogar  beim 
Papst  anzuschwärzen  und  seine  Schritte  zu  vertheidigen.  Der 
Kölnische  Klerus  wandte  sich  demnach  (wann,  steht  leider  noch 
nicht  fest  ^)  mit  der  Bitte  an  den  Papst,  dem  Friedensstörer  kein 
Gehör  zu  schenken,  indem  der  Vertrag  von  1249  dessen  Unrecht 
erweise,  für  welchen  die  Bestätigung  erbeten  wird.  Sie  erfolgte 
durch  Innocenz  IV.  am  27.  September  1254  und  ward  am 
9.  Februar  1255  durch  den  Nachfolger  Alexander  IV.  wieder- 
holt ^  Unterdessen  hatte  aber  die  Fehde  fortgedauert  und  wahr- 
scheinlich zum  Nachtheil  Walrams,  der  sich  am  15.  Oktober  1254 
zu  einem  für  ihn  wenig  günstigen  Vergleich  herbeilassen  musste', 
obgleich  sein  Bruder  Wilhelm  ihm  Hülfe  geleistet  hatte.  In  Bezug 
auf  die  Ansprüche  der  Eheleute  Walram  und  Mathilde  unterwerfen 
die  Jülicher  sich  gänzlich  dem  Erzbischof  und  erklären  sich 
für  immer  zufrieden  mit  dem,  was  er  ihnen  zugestehen  werde; 
beginnt  Walram  deshalb  neuen  Krieg,  so  sollen  der  Bruder  und 
dessen  Helfer  ihm  nicht  beistehen.    Den  bisherigen  Kriegsschaden 


•)  A.  D.  Chart,  des  Domstifts  f.  136. 

*)  Eltcster  und  Goerz  a.  a.  0.  III,  Nr.  1277. 

')  Publ.  de  la  soc.  pour  la  recherche  et  la  coiiservation  dos  inoii.  hist. 
dans  le  Cirand-Duch^  de  Luxembourg  XV,  p.  08.  Ich  kenne  nur  das  Regest 
und  weis»  daher  nicht,  ob  die  Urkunde  vielleicht  ins  Jahr  1255  zu  setzen  ist. 

*)  Fahne,  Gesch.  der  Kölnischen  Geschlechter  I,  S.  210  und  Salm 
I,  2,  44. 

*)  Lacomblet  a.  a.  O.  II,  Nr.  342,  S.  181,  Anm.  1. 

«)  A.  D.  Erzstift  Köln  254. 

^)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  404. 


154  W.  Graf  von  Mirbach 

musste  Graf  Wilhelm  ersetzen  nach  dem  Spruch  des  Grafen 
von  Luxemburg  und  des  Erstgeborenen  von  Cleve.  Wichterich 
ist  dem  Kitter  Arnold  wieder  einzuräumen,  Mühlenark  aber 
dem  Schwiegervater  Walrams.  Der  Friede  ward  im  Lager  bei 
Blatzheim  geschlossen.  Neuer  Streit  brach  aber  im  folgenden 
Jahre  aus,  nachdem  der  Graf  von  Berg  sowohl  als  Walram  von 
Jülich  wieder  verschiedene  Kottzehnten  in  Anspruch  genommen 
hatten,  die  der  Erzbischof  ihnen  nicht  verstatten  wollte.  Papst 
Alexander  IV.  beauftragte  am  18.  August  1255  den  Scholaster 
von  Strassburg,  die  gedachten  Herren  zu  mahnen,  eventuell  aber 
mit  Kirchenstrafen  gegen  sie  einzuschreiten  ^  und  sie  jedenfalls 
zur  Erstattung  der  Kriegsschulden  anzuhalten  ^.  Walram  scheint 
nun,  so  lange  Erzbischof  Konrad  lebte,  nicht  mehr  viel  erreicht 
zu  haben. 

Im  Dezember  1256  verzichtet  er  zu  Gunsten  des  Klosters 
Knechtsteden  auf  die  in  seinem  Ländchen  gelegenen,  von  diesem 
angesprochenen  Rottzehnten,  wie  es  auch  Graf  Wilhelm  gethan 
hatte  ^.  Ausser  einigen  schon  genannten  Ministerialen  von  Berg- 
heim sind  Heinrich  von  Gersdorf  (Garsdorf)  und  Winnemar  von 
Wiedenfeld  hierbei  Zeugen.  Am  26.  Dezember  verspricht  von 
London  aus  Graf  Richard  von  Cornwallis,  nach  seiner  Erwählung 
zum  deutschen  König  dem  Erzbischof  von  Köln  alles  das 
bestätigen  und  ausführen  zu  wollen,  was  er  gelobt  habe,  nur 
in  Bezug  auf  die  Versöhnung  Konrads  mit  dem  Kardinal  Caputius 
hätten  Walram  von  Jülich,  Friedrich  von  Schieiden  und  der 
Scholaster  von  Bonn  die  Vermittlung  übernommen,  den  Termin 
aber  auf  seine  (Richards)  Bitte  bis  zum  15.  August  verschoben^. 
Graf  Richard  wurde  bekanntlich  am  13.  Januar  1257  bei  Frank- 
furt wirklich  zum  König  erwählt  und  am  17.  Mai  zu  Aachen 
gekrönt.  Walram  ist  beim  König  zu  Aachen  am  22.  und  zu 
Köln  am  27.  Mai^  Richard  ernennt  ihn  zum  Marschall  des 
königlichen  Heeres  und  er  befehligt  als  solcher  am  15.  Juli 
im  Lager  zu   Boppard^.     Am  20.  März   1258  war  allerdings 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  418. 

«)  Lacomblet  a.  a.  0.  IV,  Nr.  667. 

')  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  197,  Aum. 

*)  Ebendas.  II,  Nr.  430;   Böhmer- Ficker  1.  c.  no.  5289. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  438  und  441;  Böhmcr-Ficker  1.  c. 
no.  5299  und  5304. 

ö)  Eltester  und  Goerz  a.  a.  0.  III,  Nr.  1406;  Böhraer-Fickcr 
1.  c.  no.  5314. 


Beiträge  zur  Getn-hichte  der  (Jrafen  von  Jülich.  155 

sein  Verhältniss  zum  Erzbischof  noch  ein  gespanntes,  weil  er 
damals  von  der  Sühne   zwischen  Konrad  und  der  Stadt  Köln 
ausgeschlossen  wird*.     Da  wir   ihn   aber   sonst   in  Urkunden 
während  der  ersten  Anwesenheit  Richards  in  Deutschland  selten 
finden,  so  ist  wohl  anzunehmen,  er  sei  bis  zum  Winter  auf  1259 
bei  dem  König  am  Oberrhein  gewesen,  und  dort  wohl  hat  er 
am    7.  Juli    1258   bei   einem  Tauschgeschäft  zwischen  seinem 
Bruder   und   dem  Grafen  von  Sponheim   und   Sayn  als  Zeuge 
fungirt*.    Auch  der  Erzbischof  ist  dabei.    Am  30.  März   1259 
ist  er  unter  den  Vasallen  des  Grafen  von  Luxemburg  noch  in 
einer   Angelegenheit  des   Oberlands  thätig,    nämlich   bei    dem 
Vergleich  zwischen  der  Abtei  Himmerode  und  Kitter  Dietrich, 
dem  Sohn  des  verstorbenen  Propstes    Dietrich    von   Bitburg'. 
Im   Februar    1259    hat   er    aber   als   Herr    zu    Bergheim    der 
Abtei   (.'amp    gestattet,  alle  Wohnstätten   in   dem  Dorf  (villa) 
Volbrechtshoven,    welche    sie    besitzt    oder    erw^erben    würde, 
abzubrechen,  und  den  Platz  in  Ackerland  zu  verwandeln.   Kr 
erwähnt  dabei  des  Konsenses  seiner  Gattin,  seiner  Erben,  Vasallen 
und  Ministerialen,  von  denen  Ensfried  von  Carmen,  Konrad  von 
Aachen  und  der  Droste  Kuno  ausdrücklich  genannt  sind*.   Vol- 
brechtshoven wird  seit  der  Zeit  verschwunden  sein,  es  lag  wohl 
in  der  Nähe  von  Gumbrechtshoven  ((iommershoven).     Walram 
und  Mathilde  verkaufen  im  April  1260  (vielleicht  auch  1261)  dem 
Kloster  Altenberg  die  Zehnten  von  3  Hufen  und  20  Morgen  in  der 
Pfarrei   Höningen.    Zeugen  sind  von  Bergheimer  Vasallen  und 
Beamten   Heinrich   Spunc   der   Droste,    Caesarius    der   Kaplan, 
Werner  von  Höningen,  Gottschalk  der  Vogt   zu  Stommeln  und 
Rütger  Vogt  zu  Poulheim^     Das  iSiegel  Walrams  ist  verletzt, 
das  seiner  Frau  stellt  sie  dar  zur  Jagd  reitend  mit  dem  Falken 
auf   der   Rechten;    Legende:    f  »^-   I^^^i   0)   Meghildis   uxsoris 
fratris  comi.  Ju.  f  Walrams  Reitersiegel,  auf  dem  das  Pferd 
heraldisch  rechtshin  springt,  hat  die  Umschrift:   f  S.  Walravii 


*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  434;  Enncn  und  Eckert z,  Qucllon 
II,  Nr.  382.  Zu  der  unrichtij^en  Datirung  der  Urkunde  bei  Lacomblet  vy:l. 
C  ar  da  uns  in  den  Annalen  des  bist.  Vereins  f.d.  Niederrhein  XXI.  XX II,  S.273f. 

»)  Eltester  und  Goerz  a.  a.  0.  III,  Nr.  1453. 

«)  Ebenda».  III,  Nr.  1481. 

*)  Lacomblet  a.  a.  ().  II,  Nr.  462.  Die  Urkunde  hat  Ensverdus  de 
Cormene,  Ensfridus  nennt  er  sich  1258,  als  er  wej?en  zweier  Hufen  bei 
Curnien  Kölnischer  VasaU  wird  (A.  D.  Erzstift  Köln  171), 

*)  A.  D.  Altenberg  94. 


156  W.  Graf  von  Mirbach 

fratris   comitis  Juliacensis.     So   hat  er   sich    auch    meist    in 
Urkunden  genannt,   seltener  einen  Herrn   zu  Bergheim.     Den 
Verkauf  von  1260  (1261)  hat  Erzbischof  Konrad  bestätigt,  das 
Kloster  hatte  jedoch  diesen  Genehmigungsbrief  verloren,  weshalb 
1276  Erzbischof  Siegfried  denselben  erneuerte   Am  26.  Januar 
1261  haben  Walram  von  Jülich  und  Mathilde,  seine  Frau,  auf  die 
ßottzehnten    Brauweilers    im    Asp    nicht    niu-,    sondern    auch 
im  Brahm,   Mersel,  Wiedehau   und  Hanepütz   verzichtet,    eine 
Konzession,   welcher  Graf  Wilhelm   nebst  Familie  zugestimmt 
hat*.    Der  Graf  wird  hier  venerabilis  genannt,  nicht  weil  er, 
wie  Lacomblet  sagt,  Propst  zu  Aachen  gewesen,  wovon  ich  nichts 
weiss,  vielmehr  wird  dieses  Beiwort  Hen-en  und  Rittern  zuweilen 
gegeben,  auch  der  Gräfin  Rikarda   1288;  der  Graf  von  Berg 
führt  es  ebenfalls  um  diese  Zeit,  dieser  vielleicht  auch  deshalb, 
weil  er  dem  Ordenshaus  Herrenstrunden  ehrenhalber  adskribirt 
war.    Am  11.  August  1261   bekunden  Graf  Wilhelm  und  sem 
Bruder  Walram,    dass  wegen  der  Zehnten  und  andern  Güter 
der  Pröpstin  zu  Essen,   die  zu  Kutzde  lagen  ^,  ein  Streit  mit 
dem  Ritter  Volkmar  von   der  Stesse   entstanden,    dem   dieser 
jetzt,  nachdem  ihm  17  Mark  versprochen  worden,  entsagt  habe^ 
Zeugen  sind  verschiedene  Jülichsche  und  Bergheimsche  Vasallen 
wie    Reinhard   von    Drove,    Johann    von    Winden,    Eustachius 
(Verken?)    der  Droste    und    Kuno    von    Mühlenark.    Letztern 
halte  ich  unbedingt  für  einen  Vasallen  Walrams.    Wir  erfahren 
nämlich  später,   dass  Mathilde  von  ihrem  Vater,  vorbehaltlich 
seiner  Leibzucht,  das  Schloss  Mühlenark  erhielt.    Sie  erlangte 
nachher   unter   Erzbischof  Konrads   Nachfolger   die   Kölnische 
Belehnung   mit   demselben,   obzwar   der  Verwandte,   Graf  von 
Sayn,  das  Obereigenthum  mit  noch  mehr  Recht  beanspruchte. 
Nachdem  Mathilde  verheirathet  war,  ist  ihr  Vater,  sonst  auch 
Clevischer  Burggraf  und  Vasall  zu  Tomburg,  in  eine  zweite 
Ehe  mit   der  Tochter  von  Saffenburg  getreten  und  hat  noch 
einen  Sohn  Hermann  von  Tomburg  erzeugt,   der  in  der  Folge 
Mühlenark  dem  Sohn  Mathildens  streitig  machtet 

»)  Ä.  D.  Altenberg  107. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  500. 

^)  Dorf,  dann  Hof,  nachher  verschwunden,  in  der  Pfarrei  Berrendorf  auf 
Desdorf  zu,  wo  ein  „Fussfall"  noch  vor  nicht  langer  Zeit  an  einem  Kreuzweg 
stand.    Jetzt  heisst  es  dort  „am  Kutzder  Fussfall". 

*)  A.  D.  Essen  44. 

'')  Vgl.  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  731. 


Beiträge  zur  OeÄchichte  der  Grafen  von  Jülich.  157 

Erzbischof  Konrad  starb  am  28.  September  1261  und  nun  fiel 
Walram,  wie  schon  oben  erzählt  worden  ist,  nebst  andern  Herren 
in  das  Kölnische  Gebiet  ein,  um  sich  während  der  Sedisvakanz 
einen  möglichst  bedeutenden  Antheil  an  dem  Erbe  der  jetzt 
gänzlich  erloschenen  Grafen  von  Hochstaden  zu  sichernd 
Am  7.  Mai  1263  ward  Walram  Edelbürger  der  Stadt  Köln  und 
verpflichtete  sich  ihr  unter  ähnlichen  Bedingungen  wie  sein 
Bruder  zu  einer  Hülfeleistung  mit  9  Rittern  und  15  Knappen* 
gegen  ein  Lehngeld  von  100  Mark  jährlich. 

Das  Bündniss,  welches  am  9.  Juni  1262  der  Graf  Adolf  von 
Berg  mit  der  Stadt  Köln  einging,  half  Walram  vermitteln,  der 
überhaupt  bei  ihren  verschiedenen  Streitigkeiten  und  Verträgen 
mit  dem  neuen  Erzbischof  Engelbert  von  Valkenburg  öfters 
genannt  ist  in  den  Jahren  1263  und  1265*. 

Der  Herr  zu  Bergheim  muss  im  Herbste  1261  doch 
manchen  Vortheil  im  Kriege  errungen  haben,  denn  der  neue 
Friede,  welcher  in  Bezug  auf  das  Hochstadensche  Erbe  1262 
geschlossen  ward,  ist  für  ihn  bedeutend  günstiger  gewesen, 
als  der  Vertrag  von  1249.  Zunächst  glaube  ich,  dass  er  die 
Gerichte  Richterich,  Bardenberg  und  Broich  trotz  der  Verwerfung 
dieses  Vertrags  behielt,  denn  die  Orte  bleiben  in  der  Folge 
bei  Jülich.  Den  Frieden  haben  1262  Otto  Propst  zu  Aachen 
und  Dietrich  von  Valkenburg  vermittelt^.  Walram  und  seine 
Gemahlin  mussten  allerdings  auf  die  Gebiete  von  Hochstaden,  Ahr 
und  Hardt  nebst  den  zugehörigen  alten  Burglehen  verzichten, 
sie  erhielten  aber  die  neuem  von  Erzbischof  Konrad  verliehenen, 
die  pfälzischen  sowie  die  Prümschen,  und  für  die  Abfindungs- 
sunmie  wegen  des  Verzichts  auf  Hochstaden  sollen  sie  Güter 
zu  Kölnischen  Lehen  machen.  Wegen  Ahrweiler,  Rheinbach  und 
anderer  streitiger  Orte  wurden  Ausgleichungen  vorgesehen.  — 
Nun  fordert  am  6.  Januar  1263  Papst  Urban  IV.  den  Abt  zu  Prüm 
von  CivitA  Vecchia  aus  dringend  auf,  den  Vergleich  zu  bestätigen, 
gemäss  welchem  Walram  und  Mathilde  ihr  Prümsches  Lehn  (?) 
der  Kölnischen  Kirche  übertragen  (aufgetragen?)  habend     Der 


*)  Vgl.  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  507. 
*)  Lacomblet  a.  a.  ().  II,  Nr.  530,  Anm. 

»)  Lacomblet  a.  a.  O.  II,  Nr.  515,  534,  550;   Ennen  und  Eckertz, 
QueUcn  II,  Nr.  462. 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  II,  Nr.  558,  Anm. 
*)  A.  D.  Erzstift  Köln  199. 


158  W.  Graf  von  Mirbach 

Propst  Otto  und  der  Herr  von  Valkenburg  erliessen  dann  einen 
nicht  erhaltenen  Spruch  wegen  der  übrigen  streitigen  Güter, 
davon  erhielt  der  Erzbischof  freilich  das  Meiste  zugetheilt,  er 
musste  aber  einige  Stiftsgüter  herausgeben,  damit  die  Theilung 
eine  gleichmässigere  sei.  Dem  Vergleich  waren  einige  Bedingungen 
und  Kautelen  beigefügt  und  über  diese  entstand  ein  neuer  Streit, 
weil  Walram  glaubte,  der  Erzbischof  hielte  den  Vertrag  nicht  ein. 
Es  handelte  sich  noch  um  Einkünfte  von  33  Mark,  Fruchtrenten 
zu  Kesseling,  den  Rottzehnten  auf  der  Widenhart,  die  Dörfer 
und  Häuser  im  Ahrthal  diesseits  der  Rossbach,  dann  die  Dörfer 
Kreuzberg,  Brück,  Denn,  Liers  und  Obliers,  die  der  Herr  zu 
Bergheim  verlangte  und  die  der  Erzbischof  sich  nicht  schuldig 
hielt  abzutreten.  Jetzt  ist  am  18.  Dezember  1265  ein  näherer 
Vergleich  zu  Köln  in  Gegenwart  der  Edelherren  von  Isenburg, 
Frenz,  Mühlenark  (Hermann)  und  Heusden  und  einiger  Ministerialen 
des  Erzbischofs  wie  des  Walram  geschlossen  worden  K 

Die  im  vorigen  Schied  dem  Walram  zugesprochenen  Güter 
behält  er,  diejenigen  darunter  aber,  welche  früher  Kölnisch 
gewesen,  muss  er  vom  Erzstift  zu  Lehen  tragen,  die  sonst 
von  Prüm,  Limburg  und  der  Pfalz  gehen,  sind  dort  zu  empfangen ; 
ausser  den  früher  ihm  zugetheilten  behält  das  Erzstift  Walporz- 
heim.  Kann  der  Erzbischof  binnen  6  Jahren  den  Abt  von 
Prüm  bewegen,  das  Dominium  directum  der  Lehen,  die  dem 
Walram  zugetheilt  sind,  dem  Erzstift  zu  überlassen,  so  wird 
Walram  dem  Kloster  erklären,  dass  dies  mit  seinem  Willen 
geschehe  und  die  Objekte  künftig  von  Köln  tragen.  Die 
Prümschen  Leute  zu  Ahrweiler,  Kesseling  und  Altenahr  behält 
das  Erzstift  und  diejenigen,  welche  an  andern  dem  Erzbischof 
zugesprochenen  Orten  wohnen,  mit  dem  Orte  sollen  sie  aber 
auch  den  Landesherrn  wechseln.  Schliesslich  erhält  Walram 
vom  Erzbischof  600  Mark  und  macht  Einkünfte  zu  Vernich  von 
50  Mark  zu  Kölnischem  Lehn.  Auch  über  die  Güter  vergleicht 
man  sich,  welche  des  Grafen  Dietrich  von  Hochstaden  Wittwe 
Hertha  noch  inne  hat;  was  davon  Kölnisches  Lehn,  Allod  oder 
als  Prümsches  Lehn  im  Ahrthal  und  bei  (iuxta)  demselben 
liegt,  fällt  dem  Erzstift  zu,  das  Uebrige  dem  Walram. 

Was  die  Pi'ümschen  Güter  der  Grafen  von  Hochstaden 
betrifft,  so  führt  deren  Caesarius-  eine  ziemliche  Anzahl  auf, 

*)  Lacomblet  a.  a.  0.  11,  Nr.  558. 

2)  Beyer,  Mittekh.  Urkundenbuch  I,  Nr.  135. 


ohne  dass  er  selbst  an  die  Voll>r.ändi:rfceit  seiner  An^rtihen  glaubt. 
Auch  das  ehemals  streitiire  Mun«*hh:ia-*-a  bei  Rheinbarh,  sjüter 
Kölnisch, gehört  daza und  ferner  IM  ilalrer  Weizen  m  Wiihrerich 
bei  Zülpich,  einem  Dorf,  das  später  ein  Zankapfel  wurde,  I/mden 
und  Hospelt  mit  24  Mausen,  nachher  streitiire  Cuterherr^chaft. 
Die  andern  Lehen  lagen  jenseits  der  Ahr  und  sind  nicht  an 
Jülich  gekommen,  hatten  also  wohl  der  Gräfin  Bertha  gehört. 
Damit  hatte  nun  der  Erbfolgestreit  im  Grossen  sein  Bewenden, 
der  Abt  zu  Prüm   verweigerte    aber    noch    lange   Zeit    seine 
Genehmigung  zum   Uebertrag    der   Lehen    an    Köln.     Wegen 
einzelner  Ortschaften  freilich,  die  Jülich  sowohl  als  Köln  an- 
sprach,  namentlich    in  der   Gegend   von   Euskirchen,  dauerten 
die  Meinungsverschiedenheiten  über  das  Hochstadensche  Erbe 
so   lange,   bis   die   französische   Republik   beiden   Staaten    ein 
Ende  machte. 

Im  Jahre  1265  ist  Walram  von  Bergheira  in  einem  Vertrag 
zwischen  dem  Herzog  Friedrich  von  Lothringen  und  dem  Grafen 
von  Luxemburg  vom  26.  Juli  genannt.  Wenn  es  nicht  gelingen 
sollte,  die  Hälfte  des  Schlosses  Montclair  von  der  Frau  Isabella 
daselbst  zu  erlangen,  so  sollen  Gerhard  von  Luxemburg-Durbuy 
und  Walram  Herr  zu  Bergheim  den  Thcil  zu  ihren  Händen 
nehmen  und  im  Kriegsfall  neutral  erhalten,  den  früher  der 
Vicedom  von  Chälons  gehabte  Am  19.  Dezember  des  Jaliros 
verkauft  Walram  für  seinen  Thcil  dem  Stift  Maria  inj  Kapitol 
zu  Köln  den  Rottzehnten  zwischen  LivcnmlUiln  und  VVarnnrw- 
graben,  welchen  Graf  Wilhelm  von  Jülich,  wie  wir  ohon  (M,  KMI) 
sahen,  schon  1240  abgetreten  hat,  I>or  damalig«  Inh/ilMT  dr« 
72  Morgen  umfassenden  MansiiH,  der  Kölnlnch^^  }/\\)U'/,m(MN' 
ApoUonius,  war  inzwischen  gchtorben*, 

Walram  von  Bergheim  hat  da*  Jahr  \W1  wohl  u)fUiim'hr 
erlebt,  er  ist  demnach  ni^:ht  s^ehr  alt.  itj'WftttUtu  Mr»/I,  d«  n  «pHt 
geheirathet  hatte,  v>  war  »tein  r/thn  ifln^htt  'mtutuA  wifh 
minderjährig.  M;Athi!de  l<^ti^  uhfU  Un  J^Uo*  liJV^J,  v/m^  ithtt 
1279  todt 


Der  Aachener  Domschatz  und  seine  Schicksale 
während  der  Fremdherrschaft. 

Von  J.  Hansen. 

In  der  Zeitschrift  für  preussische  Gescliichte  und  Landes- 
kunde (Jahrgang  IX)  hat  im  Jahre  1872  Eoger  Wilmans  aus 
einem  im  Kgl.  Staatsarchiv  zu  Münster  aufbewahrten  Akten- 
stück^ bereits  einige  Mittheilungen  über  die  Schicksale  der 
Reichskleinodien  und  des  Kirchenschatzes  des  Aachener  Krönungs- 
stifts während  der  französischen  Revolution  veröffentlicht.  Seine 
Ausführungen  lassen  sich  jedoch  um  manchen  ftir  die  Leser 
dieser  Zeitschrift  interessanten  Zug  bereichern,  weil  Wilmans 
einmal  sein  Augenmerk  in  erster  Linie  auf  die  im  Domschatz 
befindlichen  Krönungsinsignien  richtete,  und  andererseits  seine 
Darlegung  für  ein  grösseres  Publikum  berechnete,  dem  manche 
Einzelheiten  belanglos  sind,  die  von  lokalhistorischem  Gesichts- 
punkt gleichwohl  bekannt  gemacht  zu  werden  verdienen.  Es 
sei  somit  gestattet,  diesem  Gegenstand  noch  einmal  auf  Grund 
des  erwähnten  Aktenstücks  näher  zu  treten. 

Die  erste  kurze,  vom  16.  Dezember  1792  bis  zum  2.  März 
1 793  dauernde  Anwesenheit  französischer  Truppen  in  den  Mauern 
der  alten  Ki'önungsstadt  hat,  soviel  wir  feststellen  können,  keine 
Veranlassung  zu  besondern  Sicherheitsmaßregeln  für  die  im 
Aachener  Münster  aufbewahrten  Schätze  gegeben.  In  der  That 
hat  denn  ja  auch  das  Verhalten  der  Franzosen  in  diesen  Monaten 
diese  Sorglosigkeit  nicht  gestraft.  Anders  wurde  die  Stimmung 
in  Aachen,  als  die  Kunde  von  dem  Sieg  der  Franzosen  bei 
Fleurus  (26.  Juni  1794)  in  die  Stadt  gelangte,  und  damit  die 
Gefahr  einer  nochmaligen  Besetzung  nahe  gerückt  war.  Bei 
der  Vertreibung  dör  französischen  Truppen  aus  der  Stadt  am 


*)  Kriegs-  und  Domänenkammer  zu  Münster  Nr.  58  (Archiv  der  neuem 
Zeit,  Regbz.  Mtlnster). 


Der  Aachener  Domschatz  u.  seine  Schicksale  während  der  Fremdherrschaft.  161 

2.  März  1793  hatte  sich  nämlich  auch  die  Aachener  Bürgerschaft 
thätlich  betheiligt;  französischerselts  wurde  diese  Betheiligung, 
die  in  Wirklichkeit  keinen  bedeutenden  Umfang  gewonnen  hatte, 
vergrössert,  und  es  verbreitete  sich  das  Gerücht  von  einem 
schrecklichen  Strafgericht,  das  der  Stadt  drohet  Die  Bürger- 
schaft bedauerte  nunmehr  lebhaft  das  übereilte  Eingreifen  in 
die  militärischen  Vorgänge,  viele  Bürger  verliessen  die  Stadt 
und  retteten  ihr  Vermögen  und  ihre  Kostbarkeiten,  und  wenn 
auch  nach  der  in  den  Tagen  vom  23.  bis  25.  September  1794 
erfolgten  erneuten  Besitzergreifung  Aachens,  welche  die  Stadt 
auf  zwanzig  Jahre  unter  die  französische  Herrschaft  brachte, 
das  befürchtete  schreckliche  Schicksal  sich  nicht  erfüllte,  so 
bewies  doch  schon  bald  die  höchst  drückende  Besteuerung  ^  und 
die  Verschleppung  zahlreicher  Kunstschätze  nach  Paris,  dass 
die  Besorgnisse  der  Aachener  nicht  unbegründet  waren. 

Das  Kapitel  des  Aachener  Domstifts,  in  dessen  Besitz  oder 
Verwahrung  sich  der  kostbare  Kirchenschatz  und  ein  Theil  der 
deutschen  Krönungsinsignien  befand,  hatte  schon  vor  dem  Ein- 
rücken des  französischen  Heeres,  und  zwar  im  August  1794, 
Sorge  dafür  getragen,  dass  diese  Kostbarkeiten  in  Sicherheit 
gebracht  wurden.  In  21  Kisten  verpackt  wurde  der  Schatz  auf 
die  rechte  Rheinseite  nach  Paderborn  geflüchtet '  und  im  dortigen 
Kapuzinerkloster  *  niedergelegt. 

Die  üebergabe  an  das  Kloster  vollzogen  der  Dechant  Konrad 
Hermann  Kardoll  und  der  Syndikus  des  Aachener  Domstifts, 
Nikolaus  Joseph  Schieffers,  in  Verbindung  mit  mehrern  Kano- 
nikern; in  Paderborn  bei  den  Schätzen  verblieb  der  Kanonikus 
Anton  Joseph  Blees.  Auffallender  Weise  wurde  bei  der  Üeber- 
gabe weder  eine  Speciflkation  der  Kleinodien  in  Paderborn 
zurückgelassen,  noch  wurde  Blees  mit  einer  schriftlichen  Legi- 
timation ausgerüstet,  wodurch  seine  Stellung  späterhin  mehrmals 


0  Vgl.  Pauls  in  der  Zeitschrift  des  Aach.  Geschichtsvereins  X,  S.  201  flf. 

*)  Vgl.  Milz  im  Aachener  Gymnasialprogramm  1871/72,  S.  9. 

^)  Dass,  wie  Wilmans  a.  a.  0.  IX,  S.  178  (und  nach  ihm  Haagen, 
Geschichte  Achens  II,  S.  698)  behauptet,  der  Schatz  erst  nach  Belgien  und 
von  dort  nach  Paderborn  geflüchtet  worden  sei,  ergibt  sich  aus  dem  Mtinster- 
sehen  Aktenstück  nicht,  und  ist  sachlich  unwahrscheinlich,  well  Belgien  nach 
der  Schlacht  bei  Fleurus  von  den  Franzosen  besetzt  wurde.  (Bei  Haagcn 
a.  a.  0.  ist  „August  1794**  statt  „August  1799**  zu  lesen.) 

*)  Nicht  im  Kloster  Abdinghof,  wie  Haagen  a.  a.  0.  meint 


/" 


162  J.  Hansen 

I 

eine  zweifelhafte  wurde.    Er  selbst  betrachtete  sich  während 
der  ganzen  Zeit  als  den  Bevolbnächtigten  des  Aachener  Stifts, 
konnte  sich  dafür  aber  nicht  auf  eine  schriftliche  Instruktion, 
sondern  nur  darauf  berufen,  „dass  er  im  September  1795  durch 
ein  von  Frankfurt  aus  von  den   daselbst   sich   aufgehaltenen 
Herren  Capitularen  des  kaiserlich  königlichen  Krönungsstiftes, 
namentlich  Xavier  und  Frans  Blees,  Guaita,  du  Paix  und  von 
Milius  (welch  letzter  sein  Votum  suspendirt  und  nach  Aachen 
zu  gehen  benöthiget  worden)  erhaltenes  Schreiben  bevollmächtig-t 
und  constituiret  worden,  mit  den  allhier  [in  Paderborn]  befind- 
lichen, gedachtem  Capitul  zustehenden  Sachen  bei  Annäherung* 
der  Gallier*  sich  auf  Erfurt  zu  begeben".  Auf  diese  Erklärung- 
hin —  auf  welche  er  zugleich  seinen  Anspruch  gründete,  für  die 
Zeit  seines  Paderborn  er  Aufenthalts  vom  Aachener  Kapitel  oder 
aus  dessen  Besitz  unterhalten  zu  werden  —  wurde  er  bis  zum 
Jahre  1801  auch  von  dem  Guardian  des  Paderborner  Kapuziner- 
klosters,  unter  dessen   Aufsicht   der  Schatz   sich  befand,   als 
Bevollmächtigter  anerkannt^.    Im  September  des  Jahres  1802 
klagte  Blees  jedoch:    „Ohngeachtet   der  Pater  Guardian   der 
Kapuziner  bis  1801  mich  als  Legitimirten  anerkannt  und  zugegeben 
hat,  das  ich  7  Pfd.  und  22  Loth  Silber  verkaufen  konnte,   hat 
•mir  derselbe  nicht  mehr  das  zu  meinem  Unterhalte  Unentbehr- 
lichste ferner  wollen  verabfolgen  lassen.*' 

Unter  den  Schätzen  befand  sich,  wie  schon  angedeutet,  ein 
Theil  der  Reiclisinsignien,  und  zwar  1)  das  sog.  Schwert  Karls 
des  Grossen,  2)  eine  Kapsel  mit  Reliquien  des  h.  Stephanus, 
3)  der  zum  Krönungsornat  gehörige  Gürtel,  4)  ein  kostbares 
Evangeliar,  auf  welches  der  zu  krönende  König  seinen  Eid 
ablegte  ^.  Diese  Kleinodien  waren  selbstverständlich  nicht  Eigen- 
thum  des  Domstifts,  sondern  des  Reiches,  und  es  ist  somit  leicht 
erklärlich,  dass  der  Kaiser  Schritte  that,  lun  in  den  immer  un- 
ruhigem Zeiten  diesen  Schatz  möglichst  weit  aus  dem  Bereich 
des  französischen  Heeres  zu  entfernen.  Kurze  Zeit  nachdem 
der  in  Nürnberg  aufbewahrte  andere  Theil  der  Reichsinsignien 


')  Seit  dem  Februar  1795  waren  Pläne  Frankreichs  gegen  Hannover 
bekannt  geworden. 

')  Der  später  zu  nennende  Hofrath  Wichmann  behauptet  einmal,  „hin- 
gegen ist  der  Kanonikus  Blees,  welcher  nur  zuföllig  wie  Emigrant  in  Pader- 
born war,  nicht  bevollmächtigt,  den  Schatz  und  Insignia  zu  bewahren*'. 

*)  Vgl.  Bock,  Die  Kleinodien  des  h.  rOmischen  Reichs. 


Der  Aachener  Doraschatz  u.  seine  Schicksale  während  der  Fremdherrschaft.  163 

nach  Wien  überführt  worden  war  (Sommer  1796),  erhielt  der 
kaiserliche  Minister  Reichsgraf  von  Westphalen-Fürstenberg  den 
Auftrag,  die  Aachener  Krönungskleinodien  gleichfalls  an  den 
kaiserlichen  Hof  befördern  zu  lassen. 

Auf  Grund  dieses  Auftrags  richtete  der  Minister  nach 
längerm  Zögern,  das  wir  nicht  zu  erklären  vermögen,  am  9. 
November  1797  an  das  Geheime  ßathskollegium,  die  oberste 
Eegierungsbehörde  des  Bisthums  Paderborn,  zunächst  das  Er- 
suchen, dem  Guardian  des  Kapuzinerklosters  anzubefehlen,  „dass 
ohne  mein  Vorwissen  von  dem  in  diesem  Kloster  aufbewahrten 
Schatze  des  kaiserlichen  Krönungsstifts  von  Aachen,  bei  welchem 
sich  zugleich  die  Reichskleinodien  befinden,  nichts  weggebracht 
werden  könne".  Erst  am  20.  September  des  folgenden  Jahres 
that  er  weitere  Schritte.  Er  schrieb  derselben  Behörde:  „Die 
jetzige  Lage  der  Umstände  in  Bezug  auf  das  linke  Rheinufer, 
und  besonders  die  von  dem  französischen  Gouvernement  in  Rück- 
sicht der  geistlichen  Korporationen  getroffene  Administrations- 
maßregeln, unter  welchen  die  aufgegebene  Angabe  des  sämmt- 
lichen  Immobil-  und  Mobilarvermögens  eine  der  vorzüglichsten 
ist,  lassen  nicht  ohne  Grund  besorgen,  dass  von  dem  in  Aachen 
zurückgebliebenen  Stifte  die  Beibringung  dieses  Kirchenschatzes 
verlangt  werden  dürfte,  wodurch  alsdann  in  Hinsicht  auf  eine 
solche  vielleicht  von  P^rankreich  unterstützte  Forderung  für 
Euer  Hochwtirden,  Hochwohl-  und  Wohlgebornen  einige  Ver- 
legenheit entstehen  dürfte.  Diese  Rücksicht  sowohl,  als  auch 
die  mir  vom  allerhöchsten  kaiserlichen  Hofe  auferlegte  Pflicht, 
für  die  Sicherheit  der  Kleinodien  zu  sorgen,  veranlassen  mich, 
dieselbe  von  dem  Kirchenschatze  zu  trennen  und  in  unmittel- 
bare Verwahrung  zu  nehmen,  welches  auf  eine  legale  Art  zu 
bewirken  ich  dem  Hofrath  Wichmann  aufgetragen  habe.** 

Die  vom  10.  September  datirte  Instruktion  des  Hofraths 
Wichmann  ermächtigte  denselben  insbesondere  zu  Schritten  gegen 
den  „als  Aufseher  der  Kleinodien  sich  gerirenden  Herrn  Kano- 
nikus Blees".  Derselbe  könne  die  Herausgabe  der  Reichsinsignien 
„um  so  weniger  verweigern,  da  dieselbe  nicht  zum  Schatze  der 
Kirche  gehören,  sondern  diesem  Stifte  blos  von  Reichs  wegen 
in  eine  Verwahrung  gegeben  worden  sind,  welche  dasselbe  nicht 
allein  nicht  UiM^  * *"  sondern  sogar  für  die  Erhaltung  der- 
selben wirkli«  rwecken  muss".  Sollte  Blees  sich 
trotzdem  weij  ^  »ijin  mit  Gewalt  vorgehen  und 

11* 


164  J.  Hansen 

im  Beisein  eines  Notars  und  zweier  Zeugen  die  Reichsinsignien 
aus  den  Eisten  heraussuchen. 

Der  Minister  Westphalen  befand  sich  bei  seinem  Vorgehen 
im  Einverständniss  mit  dem  damaligen  Bischof  von  Paderborn  *, 
Franz  Egon  von  Fürstehberg.  Er  richtete  an  denselben  in 
dieser  Angelegenheit  am  29.  September  1798  das  unten  Nr.  1 
abgedruckte  Promemoria^.  Daraufhin  befahl  der  Bischof  am 
10.  Oktober  1798  dem  Geheimen  Rath,  dem  Wunsche  West- 
phalens  nachzukommen  und  ^auf  des  impetrirenden  Theils  Kosten 
durch  ein  Regierungsmitglied  ^  und  den  Hofrath  Wichmann  mit 
Beiziehung  eines  dem  kaiserlichen  Krönungsstifte  zu  Achen 
beyzuordnenden  Mandatars  *  und  zweenen  Notarien  die  Eröfnung 
des  bey  den  Capuzinem  in  verschiedenen  Verschlagen  sich 
befindenden  Achner  Kirchenschatzes  und  die  Absonderung  der 
Reichsinsignien  von  selbigem  und  deren  Verabfolgung  an  des 
gedachten  Herrn  Reichsgrafen  von  Westphalen  Bevollmächtigten, 
Hofrath  Wichmann,  gegen  einen  von  ihm  auszustellenden  Schein 
zu  bewirken*'.  Schon  am  15.  Oktober  wurde  diesem  Befehl 
nachgekommen.  Man  hatte  bereits  eine  der  Kisten  vergeblich 
geöffnet,  als  einer  der  Kapuzinerpatres  sich  des  Aeussern  der- 
jenigen Kiste  entsann,  in  welcher  sich  die  Insignien  befanden, 
und  so  konnte  denn  noch  an  demselben  Tage  Wichmann  eine 


')  nnd  Hildesheim. 

•)  Westphalen  schickte  diese  Note  am  30.  September  mit  einem  besondern 
Schreiben  an  den  Bischof,  in  welchem  er  demselben  noch  mittheilt,  dass  er 
in  den  nächsten  Tagen  den  in  Hildesheim  anwesenden  Aachener  Dompropst 
Grafen  von  Belderbusch  sprechen  werde,  „und  werde  ihn  befragen,  ob  er  sich 
mit  der  Sache  befangen  wiU;  ist  dieses,  so  können  wir  ihn  ja  zuziehen**.  Von 
dem  Eesultat  seiner  Besprechung  mit  Belderbusch  gab  er  dem  Bischof  am 
8.  Oktober  Eenntniss:  „Er  trägt  Bedenken,  sich  in  die  Sache  zu  mischen, 
theils  seiner  Verhältnisse  wegen  als  Probst,  mehr  aber  wegen  seiner  Familie, 
welche  fast  das  ganze  Vermögen  unter  französischer  Botmäßigkeit  hat;  er 
glaubt,  dass  man  auch  das  Kapitel  in  die  gröste  Verlegenheit  sezzen  würde, 
wenn  man  sich  an  selbes  wenden  solte,  da  er  alle  ürsach  zu  vermuten  habe, 
dass  die  Franzosen  von  dem  Schatz  nichts  wüsten,  aUes  mithin  darauf 
ankomme,  die  sache  geheim  zu  halten.**  Auch  sonst  tritt  die  Furcht  vor 
den  Franzosen,  für  den  Fall  sie  von  der  Angelegenheit  erfahren  soUten,  mehr- 
fach zu  Tage. 

*)  Das  wurde  der  Paderbomer  Hofrath  Everken  (nicht  Everkus,  wie 
Wilmans  schreibt). 

*)  Als  solcher  fangirte  der  Assessor  des  Paderbomer  Officialatgerichts 
Dammers. 


Der  Aachener  Domschatz  u.  seine  Schicksale  während  der  Fremdherrschaft.  165 

Quittung  über  den  Empfang  des  Schwertes,  des  Evangelienbuchs 
und  der  Reliquienkapsel  ausstellen.  Nicht  aufgefunden  wurde 
das  Gehänge  des  Schwerts;  an  den  Gürtel  wurde  nicht  gedacht, 
er  wurde  am  28.  Oktober  1802  nachträglich  nach  Wien  abgeliefert. 
Am  22.  Oktober  1798  stellte  Graf  Westphalen  den  endgültigen, 
von  Wilmans  a.  a.  0.  S.  181  abgedruckten  Revers  über  die  an 
ihn  nach  Hildesheim  abgelieferten  Kleinodien  aus. 

Der  Kanonikus  Blees  hatte  gegen  die  Entnahme  der  Reichs- 
insignien  protestirt,  war  aber  bei  der  Eröffnung  der  Kisten 
nicht  erschienen;  der  zum  Mandatar  des  Aachener  üomstifts 
bestellte  Assessor  Dammers  gab  die  Erklärung  ab,  „dass  er 
zwar  dieser  auf  höchsten  Befehl  verfugten  Absonderung  der 
Keichsinsignien  von  den  Kirchenschätzen  und  Abliefening  der- 
selben an  den  Bevollmächtigten  Seiner  Excellenz  des  Herrn 
Reichsgrafen  von  Westphalen  nicht  habe  im  Wege  seyn  können, 
jedoch  wolle  er  dem  königlichen  Kollegiatstift  zu  Aachen  an 
seinen  Gerechtsamen  hiedurch  nichts  vergeben,  sondern  alle 
Rechtszuständigkeiten  vorbehalten  haben*'. 

Die  Verhandlungen  wegen  der  Rückgabe  des  in  Paderborn 
gebliebenen,  dem  Aachener  Domstift  gehörigen  Theils  des 
Kirchenschatzes  begannen  erst  einige  Jahre  später,  im  Sommer 
1802,  nachdem  das  Bisthum  Paderborn  seit  dem  Mai  unter 
preussische  Verwaltung  gekommen  war.  Wer  den  Anstoss 
gegeben,  kann  aus  den  uns  vorliegenden  Schriftstücken  mit 
Sicherheit  nicht  geschlossen  werden;  wahrscheinlich  war  es  aber 
der  Bischof  Marc-Antoine  Berdolet,  der  seit  dem  30.  Mai  1802 
den  am  29.  November  1801  errichteten  Aachener  Bischofsstuhl 
einnahm.  Mit  den  erforderlichen  Instruktionen  versehen*  kam 
im  September  1802  der  schon  genannte  frühere  Syndikus  des 
jetzt  aufgehobenen  Krönungsstifts,  Nikolaus  Joseph  Schieffers, 
nunmehr  Syndikus  der  Stadt  Aachen,  nach  Paderborn,  um  die 
Rücklieferungsverhandlungen  einzuleiten.  Der  Kanonikus  Blees 
hielt  auch  jetzt  noch  an  seiner  ablehnenden  Haltung  fest.  Ob 
er  das  nunmehrige  bischöfliche  Domkapitel  nicht  als  Rechts- 
nachfolger des  frühern  Domstifts  anerkennen  wollte,  oder  ob  ein 
anderer  Grund  ihn  bestimmte,  vermögen  wir  nicht  anzugeben; 
er  Hess  aber,  weil  er  befürchtete,  dass  der  Guardian  des  Kapu- 
zinerklosters  „vielleicht  wieder  ohne  mein  Vorwissen  mehrere 


•)  Diese  InKtniktir '-^  --ht  erhalten. 


166  J.  Hansen 

und  vielleicht  die  sämtlichen  Stiftssachen  werde  verabfolgen 
lassen",  durch  das  von  Preussen  eingesetzte  Interiras-Officialat- 
gericht  zu  Paderborn  am  27.  September  1802  Arrest  auf  den 
Kirchenschatz  legen.  Während  dessen  wandte  sich  Schieffers 
an  das  preussische  Interims-GeheimerathskoUegium  zu  Paderborn, 
mit  der  Bitte,  ihm  die  Kleinodien  auszuhändigen.  Aber  dieses 
Kollegium  hielt  sich  nicht  für  kompetent,  wandte  sich  vielmehr 
am  2.  Oktober  an  die  „Kgl.  Preussische  zur  Verwaltung  und 
Organisation  des  Erbfürstenthums  Paderborn  verordnete  Civil- 
commission"  um  Verhaltungsmaßregeln.  Auch  diese  wagte 
keine  Entscheidung,  erbat  sich  vielmehr  Spezialbefehl  aus  Berlin. 
Schieffers,  der  das  Ergebniss  dieser  Verhandlungen  in  Paderborn 
nicht  abwarten  konnte,  kehrte  inzwischen  wieder  nach  Aachen 
zurück.  Am  29.  Oktober  erhielt  die  Civilkommission  im  Auf- 
trag König  Friedrich  Wilhelms  III.  die  Mittheilung,  die  fran- 
zösische Regierung  sei  durch  den  preussischen  Gesandten  in 
Paris  benachrichtigt  worden,  dass  „wir  bereit  wären,  die  der 
Kathedralkirche  in  Aachen  gehörigen  und  in  dem  Kapuziner- 
kloster zu  Paderborn  niedergelegten  Kostbarkeiten  dem  Bischof 
Berdolet  verabfolgen  zu  lassen,  wenn  die  erwähnte  Regierung 
selbst  solches  verlange  und  die  Requisition  des  Bischofs  bestätige". 
Auch  die  preussische  Regierung  trug  also  Bedenken,  dem 
Bischof  Berdolet  ohne  ausdrückliche  Erklärung  der  französischen 
Regierung  das  Verfügungsrecht  über  den  Kirchenschatz  zu- 
zugestehen. 

Von  der  Verfügung  der  preussischen  Regierung  wurde  dem 
„citoyen  Scliieffers,  homme  de  loi,  ä  Aachen"  am  3.  November 
1802  Kenntniss  gegeben,  gleichzeitig  der  von  Blees  erwirkte 
Arrest  aufgehoben  und  ihm  überlassen,  seine  Ansprüche  und 
Forderungen  in  Aachen  anzumelden. 

Die  Erkläning  der  französischen  Regiening  liess  nicht 
lange  auf  sich  warten;  denn  schon  am  11.  Januar  1803  liess 
Friedrich  Wilhelm  III.  seiner  nunmehr  den  Namen  „Special- 
Organisations-Commission"  führenden  Paderborner  Regieruugs- 
behörde  mittheilen:  „Da  nunmelir  das  französische  Gouvernement 
die  Reclamation  des  Bischofs  Bertholet ....  förmlich  bestätiget 
hat  und  derselben  beigetreten  ist",  so  solle  die  Kommission  die 
Schätze  dem  Schieffers  oder  einem  sonst  gehörig  Legitimirten 
nunmehr  aushändigen.  Es  meldete  sich  aber  weder  Schieffers, 
noch  sonst  '         '  "^um  Empfang  an;  Schieffers  antwortete  auf 


I>er  Aachener  Domschatz  u.  seine  Schicksale  während  der  Fremdherrschaft  167 

mehrere  Anfragen  nicht,  und  an  das  Domkapitel  in  Aachen  sich 
zu  wenden,  wurde  der  Kommission  untersagt,  ihr  im  Gegen theil 
am  16.  Februar  1803  befohlen,  „dass  Ihr  nihig  abzuwarten 
habt,  bis  sich  jemand  wegen  Abholung  der  dort  befindlichen 
Effecten  meldet". 

Fast  ein  Jahr  ruhten  nunmehr  die  Verhandlungen,  ohne 
dass  ein  Grund  ersichtlich  wäre.  Von  Aachen  aus  wurden  keine 
Schritte  gethan,  und  auch  die  Paderborner  Behörde  führte  wohl 
mit  dem  Generalvikariat  Verhandlungen  wegen  Translocirung  des 
Schatzes  in  ein  anderes  Gebäude  ^  weil  sie  das  Kapuzinerkloster 
nicht  für  sicher  genug  hielt,  aber  auch  sie  machte  keinen  weitern 
Versuch,  eine  schnellere  Erledigung  der  Rückgabe  anzubahnen. 

In  Fluss  gebracht  wurde  die  Angelegenheit  wieder  durch 
die  französische  Regierung.  Der  französische  Gesandte  am 
Berliner  Hof,  Laforest,  erwirkte  durch  ein  am  22.  Januar  1 804 
an  den  preussischen  Minister  Grafen  Haugwitz  gerichtetes 
Schreiben,  dass  der  Kriegs-  und  Domänenkammer  zu  Münster 
am  23.  Februar  der  Befehl  zu  Theil  wurde,  durch  den  Pader- 
bomer  Landrath  Freiherrn  von  Elverfeld  den  Schatz  dem  sich 
präsentirenden  Bevollmächtigten  des  Bischofs  Berdolet  aushän- 
digen zu  lassen.  Am  28.  Mai  ernannte  der  Bischof  den  Vice- 
propst  Johann  Franz  Smets  und  den  nunmehrigen  Friedensrichter 
Nikolaus  Joseph  Schieffers  zu  seinen  Bevollmächtigten*;  diese 
begaben  sich  gleich  nach  Paderborn,  wo  die  Uebergabe-Verhand- 
lungen  am  7.  und  8.  Juni  stattfanden.  Die  beiden  brachten  von 
Aachen  ein  Inventar'  mit,  in   Gegenwart  des  Landraths  von 


*)  Die  Sachen  blieben  jedoch  an  ihrem  Orte;  nur  worden  die  Kinten 
besser  verschlosnen  und  beH^<^'rc  Aufnirbt  verKprocben. 

*)  Beilagen,  Nr.  2. 

*)  Beilagen,  Nr.  3.  Der  Abdruck  f^rfolgt  nai^h  der  Abschrift,  welche 
Smets  und  Schieffers  von  dem  auH  Aacb^n  fcfrtig  raitgj?brac;bten  Inventar  mit 
ihrer  Quittung  vom  8.  Juni  in  rad«jrborn  zurücklieMscn.  Das  von  ibnon  wieder 
nach  Aachen  mitgenommene  Original  wurde  hier  bei  der  Vcrbandlung  vom 
23.  Juni  1804  benutzt  und  dem  den  Hchluss  derselben  bildenden  Verzeichnins 
zu  Grunde  gelegt,  welches  Haagen  a.  a.  0.  11,  S.  HH)  ff.  mitgetbeilt  bat. 
Dabei  wurden  die  lateini-<-lj»'n  Po'^ten  mit  geringen  Veränderungen  herüber- 
genommen,  die  deut-i-hen  alle  ins  Kranzosisebe  iibc^rsetzt,  aus«erdem  trat  an 
die  Stell«.*  t*ebr  eingebender  Aufzei<bnung  wied(;rholt  eine  »ebr  summa ri^ he. 
Der  letztere  rrfHtand  und  mebrfjiehe  Abw«'iebungen  in  den  Kinz'lbeiten 
dürften  den  Al>^lrurk  de-  ursprUnglieh^n  Verzei{;hni**«es  an  dieser  St> lle  re^'bt- 
fertigen. 


168  J.  Hansen 

Elverfeld  und  des  Sekretärs  Kuhfus  wurden  die  einzelnen  Kisten 
geöffnet,  ihr  Inhalt  mit  dem  Inventar  verglichen,  festgestellt, 
dass  keine  weitem  Krönungsinsignien  sich  unter  den  Schätzen 
befanden,  und  das  Vorhandene  gegen  Quittung  von  den  Bevoll- 
mächtigten in  Empfang  genommen,  denen  in  Betreff  der  heraus- 
genommenen Reichsinsignien  eine  beglaubigte  Abschrift  der  am 
15.  Oktober  1798  vom  Hofrath  Wichmann  ausgestellten  Quittung 
ertheilt  wurde. 

Der  Schatz  wurde  dann  wieder  nach  Aachen  zurückgebracht; 
am  23.  Juni  fand  die  Eröffnung^  imd  am  7.  September  die 
bekannte  feierliche  Besichtigung  durch  Napoleon  I.  statt*. 


Beilagen. 
1. 

Promemoria. 

An  des  Herrn  Fürstbischoffen  zu  HUdesheim  und  Paderborn 

Hochfürstliche  Gnaden. 

Unterzeichneter  bat  aus  der  demselben  von  dem  zur  üebemabme  der 
Eeicbsinsignien  von  ihm  beauftragten  Hofrath  Wichmann  mitgetheilten  Eeso- 
lution  Ihrer  Hochfürstlichen  Gnaden  vom  22.  laufenden  Monats  sowohl  Höchst- 
dero  Anstände  bei  Erfüllung  seines  Antrages,  wie  auch  das  gnädigste  Ansinnen, 
Höchstselbst  mit  einer  Kequisition  angegangen  zu  werden,  zu  ersehen  die 
Gnade  gehabt 

Indem  Unterzeichneter  sich  verpflichtet  hält,  dießem  Erwarten  auch 
ohne  von  dem  Geheimen  Kaths  CoUegio  hierüber  eine  Eröffnung  erhalten  zu 
haben,  sofort  zu  entsprechen,  schmeichelt  derselbe  sich  zugleich,  daß  Ihre 
Hochfürstliche  Gnaden  sowohl  seinen  Teils  in  der  Lage  der  politischen 
Angelegenheiten,  Teils  in  AUerhöchstkaiserlichen  Befeien  sich  gründenden, 
ihn  zur  Forderung  der  Extradition  gedachter  Insignien  bestimmenden  Motiven, 
als  auch  dem  von  ihm  eingeschlagenen  Wege  die  verdiente  Gerechtigkeit  zu 
leisten  geruhen  werden. 

Seiner  Hochfürstlichen  Gnaden  ist  Höchstselbst  das  Verhältnis,  in 
welchem  sich  das  ka^erliche  Erönungsstift  in  Aachen  in  Hinsicht  auf  die 
demselben  zur  Verwahrung  anvertrauter  Reichsinsignien  befindet,  nicht 
unbekannt,  welches  demselben  keine  Rechte  gewähret,  sondern  nur  Pflichten 
auferlegt,  für  das  ihm  anvertraute  Gut  zu  sorgen.  Ebenso  ist  es  eine  aU- 
gemein  anerkannte  und  bekannte  Sache,  daß  die  Verwahrung  der  Insignien, 
als  Kennzeichen  der  Reichsoberhäuptlichen  Würde,  eigentlich  Ihrer  kaiser- 


*)  Haagen  a.  a.  0.  11,  S.  698. 
«)  Vgl  Milz  a.  a.  0.  S.  29. 


Der  AjidMaer  Domschatz  u.  seine  Schicksale  w&bn^nd  der  Fromdherr^tohafl .  \  «ft 

licheB  Ifajesuet  zustehe,  daß  blos  zur  Vermeidung  ver*ohii^cner  !n<N^«ven?onreh 
dieselbe  la  einem  dritten  Orte  hinterlegt  sind,  und  daß  dabor  bei  eint^Monden 
Umstisden,  be^nders  solchen,  welche  die  Sicberbeit  diese»  Reiob-nrnto«  kom- 
promitüreii,  Ihre  kaiserliche  Majestaet  in  gleichem  (^rade  benMbti»r<  und 
verpllichtet  sind,  das  erwähnte  Stift  von  seiner  ()l>st>rge  tu  entbebt^n  und 
anderweitige  zweckdienliche  Maasregeln  zu  troffen. 

Die  bei  dem  ßeichs-Friedeus-Congresse  in  Hinsicht  auf  da.n  linke  Khein- 
ttfer  gepflogene  Unterhandlungen  sowie  auch  die  auf  letzterem  von  dem 
französischen  Gouvernement  besonders  in  Bctref  der  goistliciieu  (\>nM)nim 
getroffenen  bekannte  Maasregelen  bestättigen  mehr  als  zu  sehr,  wie  gegen- 
wärtig dieser  Fall  eintrette,  welcher  eine  solche  SicherheiUs -Verfügung  von 
Seiten  Direr  kaiserlichen  Majestaet  notwendig  mache,  zu  welcher  Unterr.oich- 
neter  auch  bereits  seit  geraumer  Zeit  beauftragt  und  bevollmächtigt  ist. 

Weit  entfernt,  der  von  Uirer  Hochflirstlichen  Gnaden  bezieltcn  Absiebt, 
das  erwähnte  Stift  auf  irgend  eine  Art,  wenigstens  in  der  Person  dessen 
Probstes,  des  Herrn  Grafen  von  Belderbusch,  zuzuziehen,  die  ehrfurchtsvolle 
Gerechtigkeit  zu  versagen,  würde  Unterzeichneter  dießes  selbst  ge wünschet 
haben,  wenn  die  besondere  Umstände  und  besonders  der  Aufenthalt  des  Stifts 
unter  französischer  Hoheit  hierüber  eine  Communication  mit  demselben  erlaubt 
hätten,  ohne  Gefahr  zu  laufen,  den  Zweck  -  möglichst  geheime  Sicherung 
der  Insignien  —  zu  compromittiren,  und  ohne  das  Stift  wegen  seines  dem 
Feinde  vielleicht  noch  unbekannten  Schatzes  in  Verlegenheit  zu  sezzen;  Rück- 
sichten, welche  auch  in  mancher  Hinsicht  in  Hezug  auf  den  Probsten  selbst 
eintretten,  und  welche  es  Unterzeichnetem  überhaupt  zur  Pflicht  gemacht, 
gerade  den  von  ihm  eingeschlagenen  W(tg  zu  wählen,  ncmlich  das  fürstliche 
Geheime  Raths-CoUegium  zu  ersuchen,  dem  Kapu/inerkloster  anzubefehlen, 
der  DröfTnung  der  Kisten  zu  Herausnahme  der  H«5ic,hsinsigni(in  in  Gc^genwart 
eines  Notars  und  zweier  Zeugen  kein  Hindernis  in  WtM'g  zu  higen,  denen 
ein  Mandatarius  ex  officio  für  das  Ktift  zugcsezt  wenhin  könnte,  um  di(;ße 
Handlung  lediglich  als  die  sein  ige  in  seinen  Dienstverhältnissen  zu 
isoliren  und  dadurch  Diro  Hochfürstlichen  Gnaden  Höchstselbst  sowie  auch 
den  Herrn  Probsten  gegen  Verlegt  iih«'it  jeder  Art  zu  sichern. 

Die  Lage,  in  welcher  sich  der  Canoniku«  Blees  in  Paderborn  befindet, 
erlaubt  freilich  nicht,  demselben  die  Quittung  über  die  abgelieferten  Reichs- 
insignien  einzuhaendigen ;  es  ist  Unterzeichneter  d(5r  Meinung,  dieselbe  }m 
dem  Pater  Guardian  des  Kapuziner-Klosters  zu  dt'poniren,  welcher  sie  als- 
dann, sobald  der  Kirchenschatz  abgeholt  werden  sollte,  mit  abliefern  könnte. 

Unterzeichneter  stellt  es  übrigens  Seiner  HcMjhfUrstlichen  Gnaden  Will- 
kür anheim,  auf  welche  Art  Höchstdiesell)e  die  Ablieferung  verfUgen  zu 
lassen  und  denselben  zur  Erledigung  der  ihm  gewordenen  Alh^rhöehstkaiser- 
lichen  Befeie  in  Stand  zu  sezzen  geruhen  wollen,  wobei  derselbe  sich  um  «o 
mehr  beruhigen  zu  können  glaubt,  da  er  helfen  darf,  es  werde  Seiner  Hoch- 
fürstlichen G"«'''*-  — ^"llig  sein,  in  dieser  das  Anstehen  und  die  Würde  von 
Kaiser  ud*^"  e  interessirenden  Angelegenheit  die  Höchstdenen- 


170  J.  Hansen 

selben  beiwohnende  devoteste  Gesinnungen  gegen  Ihro  kaiserliche  Majestaet 
zu  bethaetigen. 

Unterzeichneter  hat  indessen  die  Ehre,  Seiner  Hochfürstlichen  Gnaden 
die  Versicherung  der  vollkommenster  Ehrerbietung  zu  wiederholen. 

Liebenburg  am  29.  September  1798. 

Westphalen  zu  Filrstenberg. 
2. 

Marc-Antoine  Berdolet,  par  la  misericorde  divine  et  par  la  grftce  du  St.  Siöge 
apostolique,  Ev^que  d'Aix-la-Chapelle,  4  Monsieur  Jean  Fran^ois  Smets,  pretro 
chanoine  de  notre  Egliso  Cathedrale,  et  Monsieur  Nicolas  Joseph  Schieffers, 
homme  de  Loi,  ancien  Syndic  du  chapitrc,  maintenant  Juge  de  paix  d'une 
des  Sections  de  la  ville  d'Aix-la-Chapelle,  Salut. 

Vu  le  Rescrit  adress^  du  cabinet  de  Sa  Majest6  le  Roi  de  Prasse  ä  sa 
Commission  Royale  s6ante  k  Paderborn  en  date  du  29.  Octobre  1802  et  la 
d^claration  de  eette  ra§me  Commission  du  3.  Novembre  suivant  faite  4  Tun 
de  Vous,  lors  de  la  premiöre  dßmarche  que  nous  lui  fimes  faire  pour  reclamer 
les  Effets  pr6cieux  de  notre  Eglise,  qui  ä  Poccasion  de  la  guerre  ont  6t6 
transferös  et  depos6s  au  couvent  des  Capucins  de  Paderborn,  lesquels  Rescrit 
et  D6claration  nous  ont  donn6  la  gracieuse  assurance  de  recouvrer  la  dis- 
position  des  dits  Effets,  des  que  le  gouvemement  fran^ais  en  approuveroit 
la  Reclamation: 

Vu  ensuite  une  lettre  du  Ministre  de  Tint^rieur  de  France  adress6e  a 
Monsieur  Mechin,  Prüfet  du  Departement  de  la  Rocr,  datöe  du  25.  Nivose 
dernier  pour  Tinformer  que  le  Ministre  des  relations  Exterieurs  avoit  6t§ 
ecrit  au  Ministre  P16nipotentiaire  de  France  k  Berlin,  pourqu'il  obtint  du 
Minist^re  de  Sa  Majeste  Prussienne  Tordre  de  remettre  les  Effets  par  nous 
r^clamös : 

Vu  enfin  la  lettre  du  Ministre  de  France  prös  Sa  Majest6  le  Roi  de 
Prusse,  dat6c  de  Berlin  du  20.  Flor^al  dernier  et  adress^e  au  meme  Prüfet 
du  d6partement  de  la  Roer,  qui  lui  mande,  que  le  cabinet  vient  d'autoriser, 
du  7.  Mai,  Ic  conseiller  Provincial,  Monsieur  le  Baron  d^Elverfeld,  ä  faire 
la  reraise,  que  nous  sollicitons,  ä  notre  Procureur,  ou  fondö  de  pouvoirs  de 
notre  part,  nous  ne  doutons  point  que  nos  vocux  ne  soicnt  reraplis,  et  que 
Tautorisation  doim6c  4  Monsieur  le  Baron  d'Elverfeld  n'opörc  de  suite  la 
remise  de  notre  d6p6t.  Et  comrac  vous  en  connoissez  parfaitement  le  contenu, 
et  que  vous  pouvez  reconnaitre  les  Erapreintes  dont  il  a  et6  marqu6,  nous 
vous  Chargeons  de  T^tat  d6tailie  des  caisses  et  des  objets,  ainsi  que  de 
Tancien  Sceau  du  Chapitrc,  dont  quelques  pieces  de  cc  d6pöt  sont  munies  et 
qui  servira  k  la  confrontation,  et  nous  vous  constituons  par  les  presentes  nos 
Procureurs  et  fond^s  de  pouvoir  4  Teffet  de  vous  rendrc  4  Paderborn,  d'y 
solliciter  et  effectuer  la  delivrance  du  d6p6t  mentionn6  et  faire  4  cet  6gard 
tont  ce  que  vous  jugerez  necessaire  et  convenable,  pourqu'il  seit  promptement 


Der  Aachener  Domachatz  il  ^ine  Schicksale  wahrend  der  Fremdherrschaft.  171 

renda  k  notre  Egiise  cathMrale  et  aux   voeux  empresses  de  toute  la  ville 

d'Aix-la-Chapelie,  promettant   d'aroir   poor  ajarreable  tout  ce  que  vons  ferex 

pour  raison  de  ee  qne  dessus   et  pour  rEflfet  de  notre  pre:?ente  procuration 

Epiäcopale. 

Donn^  &  Aix-la-Chapelle,   sous  le  äcean  de  notre  office  Pontifical,  sous 

notre  seing  et  le  contreseing  de  notre  S^cretaire,  le  ringt  hnit  Mai,  mil  huit 

cent  qoatre. 

t  Marc  Antoine  Ereque  d'Aix-la-Chapelle. 
(L.  S.) 

Par  le  roverendissime  Ev§que 

Monpoint. 

Vu  pour  la  l^galisation  de  la  Signatare  de  Monsieur  Marc  Antoine  Ber- 
doiet,  Eveque  d'Aix-la-Chapelle,  et  de  Monsieur  Monpoint,  chanoine,  son 
s^retairc. 

En  notre  hötel  ä  Aix-la-Chapelle  le  8.  Prairial  an  12. 

Le  Prüfet  du  d<5partement  de  la  Ro€r 
(L.  S.)  AI.  M6chin. 

3. 

luTentarium  über  die  Parcelen  des  Kirchenschatzes  zu  Acben,  welche  in  den 

Kisten  und  Verschlagen,   so   im  Jahre   1794   in   dem   Capuziner-Kloster   zu 

Paderborn  deponirt  und  dato  noch  vorfindlich  soyn  müssen*. 

I.       1.   Simulacrum  beatae  Mariae  Virginis. 

2.  Effigies  Simeonis  justi  et  beatae  Mariae  Virginis. 

3.  Effigies  sancti  Petri  apostoli. 

4.  Pugio  beati  Caroli  Magni. 

5.  Agnus  Dei  hierothecae  inclusus. 

6.  Hierotheca,   quam  reverendissimus  dominus  decanus  circumfert 
in  festo  Ascensionis. 

7.  Quatuor  candelabra  argentea  formae  minimae*. 

8.  Cistella  argentata  et  deaurata,  continens  lapillos '  et  ostensoriorum 
fragmenta  etc.  etc. 

9.  Oeto  laminae   et  quinqne  globuli  deaurati.    Brustschilder  von 
dem  Kohrkappen. 

II.     10.    Caput  divi  Caroli  Magni. 

11.  Ampulae  maximae  cum  paropside. 

12.  Quatuor  laminae  auratae.    Brustschildcr. 


')  Der  Uebersichtlichkeit  wegen  sind  die  Kiston  mit  römischen,  die  einzelnem 
Oeppnstllndo  in  denselben  mit  fortlaufenden  arabischen  Zahlen  versehen  worden.  In 
der  Vorlage  sind  nur  die  Kisten  mit  arabischen  Zahlen  numerirt. 

*)  maximae,  Haageu  a.  a.  O,  II,  S.  700. 

»)  capillos,  Haagon  a.  a.  O.  TT.  S.  700,  sicher  unrichtig. 


Mutter  Gottes 
Kleider. 


Mutter  Gottes 
Kleider. 


172  J.  Hansen 

in.    13.  Brachiom  Caroli  Magni. 

14.  Statua  ex  argento  deaurata  divae  Virginis  cum  Corona. 

15.  Duo  magna  candelabra  argen tea. 

16.  Quatuor  parva  candelabra  argentea. 
rV.    17.  Ein  roth  Sammet  mit  Gt)ld  brodirt 

18.  Ein  weiss  mit  Gold  brodirt 

1 9.  Ein  braun  Sammet  mit  Gold  brodirt,  vulgo  Salm 

20.  Ein  mit  Gold,  vulgo  Schellart 

21.  Ein  braun  Sammet  mit  Gold  verbremt 

22.  Ein  goldenes  Stück,  Mariendahl 

23.  Ein  sammctes,  vulgo  Guaita^ 

24.  Ein  weiss  brodirtes,  vulgo  Brüssel 

25.  Ein  goldenes  Stück,  vulgo  Wispien 

26.  Ein  blau  silbernes,  vulgo  Mars 

27.  Ein -alt  güldenes,  vulgo  Staubrock 

28.  Ein  alt  weisses  mit  einer  diversen  Leist 

29.  Ein  weiss  silbernes,  vulgo  Beelen 

30.  Ein  licht  blau  mit  silberne  Blumen 

31.  Ein  roth  brodirtes,  vulgo  Joseph* 

32.  Ein  Casul  mit  Leviten,  blau  mit  silbernen  Blumen,  samt  BehOr. 

33.  Vier  weisse  mit  goldene    und  silberne  Blumen  Casulen  samt 
Zubehör. 

34.  Zwei  spitzenc  Hüllen   für  das  Muttergottesbild,  samt  Zubehör. 

35.  Zwei  Casulen,  ein  silbernes  Stück,  der  andere  Kand  .  .  .  ,  mit 
Zubehör. 

36.  Schwartz  sammetes  Casul  mit  Leviten,  mit  Zubehör  über  die 
Pult  (?). 

37.  Zwei  Casulen,  Bierens  und  Guaita,  samt  Zubehör. 

38.  Acht  Kugeleu*  von  die  Chorkappen,  Joseph  und  Isabella. 

39.  Zwei   Casulen,   von   CoUenbach,    der   andere   von   Wylre,   mit 
Zubehör. 

40.  Noch  zwei  rothe  Casulen  mit  silbernen  Blumen,  samt  Zubehör. 

41.  Casul  und  Leviten  samt  Zubehör,  von  Joseph. 

42.  Casul  und  Leviten  samt  Zubehör,  von  Isabella. 

43.  Casul,  Leviten  mit  Zubehör  und  über  die  Pult,  von  braun  Sammet 

44.  Casul,  Leviten  und  Zubehör,  roth,  von  Collenbach. 

45.  Gardinen  6,  über  die  Chorpultc,  6  Stück,  von  Joseph. 

46.  Drei  Tapetten  vom  Choraltar,  roth,  weiss  und  schwartz. 

47.  Casul,  Leviten  und  Zubehör  von  Karl  V. 

48.  Noch  ein  Casul  mit  grün  Kreutz. 


«)  Es  steht  da  „öuiata". 

«)  Quindecim  vestimenta  B.  M.  V.,  Haagon  a.  ».  O.  IT,  8.  700,  tUr  Nr.  17—31. 
*)  Kogel  ^  Kapiizze,  Kragenstück,  im  Protokoll  bei  Haagen  a.  a.  O.  II,  S.  701 
mit  „boules**  (!)  Übersetzt. 


Der  Aachener  Domschatz  o.  seine  Schicksale  während  der  Fremdherrschaft.  173 

49.  Mutter-Gotteskleid  von  Isabella  mit  den  Kleinen, 

y.    50.  Monstrantia  com  cingolo  Domini. 

51.  Monstrantia  com  cingalo  beatae  Mariae  Virginis. 

52.  Monstrantia  com  chorda  Domini  nostri  Jesu  Christi. 

53.  Crox  anrea  Lotharii  imperatoris. 

54.  Imago  beatae  Mariae  Virginis  argentea  parva,  ante  annos  oblata. 

55.  Agnus  Dei  cum  variis  reliquiis  et  pede,  totus  argcnteus. 
VI.    56.  Ostensorium  omatum  cum  Tariis  lapidibus  pretiosis. 

VII.    57.  Duae  coronae  aoreae  in  suis  thecis. 

VHr.    58.  Turris  argentea  deaorata  cum  brachio  sancti  Oaroli  Magni. 

IX.    59.  Turris  argentea  deaurata  cum  sudario  Domini. 

60.  Comu  Caroli  cum  mensura  brachii. 

61.  Item  sex  globuli  argen tei  deaurati. 

62.  Item  den  silbernen  Stab  de  cappa  Leonis. 

63.  Item  das  Geheng  vom  Hom. 
X.    64.  Cappae  quatuor  Caroli  quinti. 

65.  Cappae  quatuor  Isabellae. 

66.  Cappae  quatuor  Josephi. 

67.  Cappae  quatuor,  rothsammete  cum  tintinnabulis. 

68.  Dito  quatuor,  rothsammete  novae. 

69.  Cappa  Leonis  papac. 

70.  Casula  sancti  Bernardi. 

71.  Octo  velamina  beatae  Mariae  Virginis,  vulgo  Hüllen,  cum  suis 

necessariis. 

72.  Item  balteus  in  duplo,  novus  cum  antiquo. 

73.  Cappa  nigra,  imago  beatae  Mariae  Virginis  acu  >  picta,  thronus 
cum  unionibus. 

74.  Duae  vexillae. 

75.  Der  silberne  Vorhang. 

76.  Weihwassers  Kessel. 

77.  Rauchfass. 

78.  Die  silbernen  Ruthen  und  Buh«. 

79.  Ein  vergoldeter  Knopf. 

80.  Ein  Messbuch. 

81.  Das  grosse  silberne  Kreutz. 

82.  Zwei  silberne  Crucifixer. 

XI.    83.   Cistula  argentea  cum  reliquiis. 

84.  Cistula  ebumea  cum  reliquiis. 

«IT     T^  r^  -1     ^v  arsrcnto.    Item  pixis  artrontea 

85.  Duae  ampullae  cum  paropside  cx  ar*;  r  *^ 

hostiarum.  ^       . .  „,  ,       ... 

^«    TV  ^  .^       ^X4.^n  mit  unterschiedlichen  Oblat^jn. 

86.  Duo  canones.  Item  zwei  Paquetten  vai^ 

„     .    .„  T.        Aixn  besten  Kelch  cum  raU;na. 

87.  Zwei  silberne  Kronen.    Item  den  oe»i^^ 

»)  Die  Vorlage  hat  aut,  das  Richtige  anfl  H»«-»«» 


174  J.  Hansen 

88.  Eine  silberne  überguldete  Krön  vom  Kindlein,  Zepter,  Weltkugel 
samt  Zepter  vor.  die  Mutter  Gottes,  alles  überguldet. 

89.  Liber  reverendissimi  domini  cantoris;  antiquum  ciborium  in  forma 
turris;  noch  ein  Kelch  mit  Paten;  ein  silberner  überguldeter 
Becher;  Libellus  domini  decani;  noch  ein  Kelch  mit  Paten. 

Xn.    90.   Antipendia  2  ex  choro  et  altari  beatae  Mariae  Virginis,  Josephi, 
cum  passello. 

91.  Antipendia  2  itidem Isabellae. 

92.  Den  Umlauf  vom  Traghimmel  ex  omamento  Josephi. 

93.  Vier  Chorkappen  von  Fürstenberg;  item  zwei  Levitenkleider 
und  ein  Casul,  dito;  Antipendium  divae  Virginis,  dito;  die  Cor- 
tinen  von  Isabella;  13  albae  mclioris  notae. 

94.  Zwei  grosse  Küssen  von  Sammet;  item  einige  neue  seidene 
Fragmenten  von  der  Sacristie  gehörend;  noch  ein  Altarküssen 
von  Sammet. 

95.  Zwei  Josephi  Tapeten. 

96.  Ein  Tapet  vom  Evangelii  Stuhl. 

Xin.    97.   Ist  mit  Papieren,  zum  Archiv  gehörig,  ganzlich  angefüllt. 

XrV.    98.   Desgleichen    blos    mit    alten    Rechnungsbüchern    und    sonstige 

Papiere  völlig  angefüllt. 
XV.    99.   Die  Reliquien  Kasten  aus  dem  Choraltar. 

XVI.  100.   Acht  silberne  grosse  Altarlcuchter. 

101.  Zwei  silberne  Lavoirs. 

102.  Zwei  kleine  silberne  Leuchters. 

103.  Vier  silberne  Messkännchen. 

104.  Ein  Kelch  mit  Paten». 

105.  Acht  Lamina  vor  den  grossen  Kasten  in  Nr.  15,  mit  der  Einfassung. 

106.  Ein  grosser  silberner  Stab  für  den  Chorbischof. 

107.  Ein  Reliquienkast   vom   Muttergottesaltar;    item   das   Mutter- 
gottesbild separat. 

108.  Item  noch  15  Stücker,  wovon  drei  mit  Steinen  gamirt,  separat; 
dabei  noch  ein  silbernes  übergoldetes  Knöpfchen. 

109.  Eine  silberne  Hostiendose,  inwendig  vergoldet. 

XVII.  110.   Ist  angefült  mit  ungewaschenen  Alben  und  Leinwand  aus  der 
Sakristey. 

XVin.  111.  Ein  Gesangbuch  mit  helfenbeinem  Umschlag,  mit  Silber  eingefasst. 

112.  Drei  silberne  vergoldete  Kelche  mit  Patens. 

113.  Ein  silberner  vergoldeter  Kaste  oder  Reliquiarium. 

114.  Ein  dito  von  Helfenbein. 


*)  Auf  diesen  Kelch  bezieht  sich  der  zum  Text  des  Protokolls  vom  2^.  Juni  lHü4 
gehörige,  von  Haagen  a.  a.  O.  II,  S.  7Ü2  in  die  Anmerkung  verwiesene  Satz:  Un  calice 
ne  s'y  trouve  pas,  11  a  ^t^  laisse  aux  moines  de  Paderborn  chez  lesquels  les  reliquos  et 
autres  objets  precieux  out  ete  depos68  et  conserves. 


i 


Der  Aaebeaer  DuBSchiti  o.  s^ine  S-:hkk>Aie  «rÄhrend  der  Fremdhorrschaft.  175 

115.  Eiii  iiiU-TBtrr  Be«4ier. 

116-  Zwei  >ii>ierat:  Kr»<nfn- 

117.  Ein  *iIUnj»-4  i  ili..riaTi  in  der  Form  einer  Monstranz. 

118.  Blin  ?ilbemcr  Ka>ttn  in  der  Form  einer  t'apelle. 

119.  Ein  M^b  zu  den  Beliquienka^ten. 

XIX-  120.   Zwei  hr.Iizem^  Altarbilder  mit  Silber  platirt  und  versnddet. 

121.  Ein  tr>-?<hrieU'nt->  Evanff^'Heiibuch  mit  einem  starken  rui>chlÄ$r» 
^j  mit  nne«-bien  Steinen  einirefa-sst. 

122.  Einiire  Verzierungen   zum  EvangelienstuhL    so  ganz  von  SiU>et 
and  ven^oldet  waren. 

XX.  123.  I>t  ein  Kä-tcben,  worin  blo^serdings  Reliquien  auflKM^nbrt  und 
dtra  Patri  Guardiauo  zur  l>e>ondem  Asservation  zuge^ttelt  sind  *. 

Der  sub  Nr.  7  besonders  verzeiebnete  «zum  SiMretariaf 
Ver^'hlag  ist  jetzt,  da  die  Reiebj^insijxnien  bereits  im  Jabre 
179s  daraus  genommen  sind,  nocb  mit  den  zum  Stvn»tariat 
gehörigen  Brief scbaften  und  Papieren  gSnzIicb  angefUUt. 

Die  sub  rubrika  »Probstei*  gezeichnete  Kiste  ist  blos  mit 
den  domprobäteilichen  Protokollen  angefüllt, 

Jean  Frau«;ois  Smets,  ehanoine  de  la  catbedrale 
(L.  S.)  d*Aix-la-Ohapello. 

Nicolas  Joseph  Sehieffers,  juge  de  paix. 

Samtliche  im  vorstehenden  Inventario  bemerkte  Parzelen  sind  unter- 
zeichneten Bevollmächtigten  in  den  darin  beschriebenen  uumerirten  Ver- 
schlagen nach  vorgängiger  im  Protokolle  bewilrkter  Krofuung  der  Versehb1gt> 
und  geschehener  Vergleichung  der  sämtlichen  Pareeleu  des  Achener  Kiri'hen- 
schatzes  mit  dem  Inventario  dato  richtig  tiberliefert  worden,  welches  bierdun^h 
vermöge  unserer  eigenhändigen  Unterschrift  und  beigedruckten  Pettschaften 
beurkundet  wird. 

Paderborn,  den  8**;^  Juny  1804. 

Jean  Franfjois  Smets,  ehanoine  de  la  cath6drale 
(L.  S.)  d'Aix-la-ChapeUe. 

Nicolas  Joseph  Schieffers,  juge  de  paix. 


')   Nach   einem   ebendort 
Kisten:  1.  K.  150  Pfd..  2.  K.  156  Pf. 


fol.  öl  befindlichen  Verzeichniss  wogen    die  J»n«»^J«'^" 

..  .^ -.  -.  -~  Pfd,  3.  K.  IHO  Pfd.,  4.  K.  466  Pfd.,  5.  K.  IW  Ud     t.  K. 

50  Pfd.,   7.  K.  (nach   Herausnahme   der  Reichsiusignien)   192  Pfd.,   «.  ^-    ^  "    ,     ,' 

205  Pfd.,  10.  K.  477  Pfd..  11.  K.  2U  Pfd.,  12.  K.  495  Pfd.,   13.  K.  300  PfiL,   U-    ,;  "' ' 

15.  K.  1100  Pfd.,   16.  K.  1100  Pfd.,   17.  K.  85  Pfd.,    18.  K.   166  Pfd.,    19.  K.  '*^  *  «d  »  «•*    » 


415  Pid.,  die  Probsteikiste  200  Pfd. 


Die  Melodie  des  Aachener  Weihnachtslieds. 

Von  H.  Böckeier. 

In  einem  dem  Archiv  des  Stiftskapitels  in  Aachen  zu- 
gehörigen Directorium  (oder  Ordinatio)  chori  aus  der  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  findet  sich  zum  h.  Weihnachtsfest  folgende 
Stelle : 

Sacerdos  canonicus  celebraturus  primara  missara  indutus 
veste  sacerdotali  in  pulpeto  solempni^  cum  thuribulo  et  cero- 
ferariis  leget  evangelium  „Liber  generationis",  astantibus  sibi 
subdiacono  et  diacono.  Quo  finito  cantabunt  Nu  seit  unß 
willekome  hero  Kerst.  Deinde  „Te  Deum  laudamus**  cum 
organis,  quo  finito  inchoabitur  prima  missa  a  domino  cantore, 
quae  celebrabitur  in  altare  b.  Mariae  Virginis. 

Dieses  Direktorium  stammt  aus  den  Jahren  zwischen  1339  und 
1851,  weil  es  die  1339  von  einzelnen  Kanonikern  duplizirten  und 
triplizirten  Feste  als  solche  in  ursprünglicher  Schrift,  die  1351  und 
später  duplizirten  und  triplizirten  Feste  als  solche  in  nachträglicher 
Verbesserung  enthält.  Auch  die  obige  Stelle  befindet  sich  auf 
einem  nachträglich  an  Stelle  des  abgenutzten  Pergamentblatts 
eingefügten  und  beigeschriebenen  Papierblatt.  In  einer  Abschrift 
desselben  Direktorium  aus  den  Jahren  1449 — 1455^  heisst  der 
Anfang  des  Lieds:  „Sytt  willekome  hero  Kirst",  ebenso  lautet 
er  in  zwei  spätem  noch  vorhandenen  Abschriften,  Papierhand- 
schriften, von  denen  die  letzte  unzweifelhaft  bis  ins  vorige  Jahr- 
hundert reicht.  Somit  ist  das  Weihnachtslied  sicher  wenigstens 
400  Jahre  beim  Officium  der  h.  Nacht  im  Aachener  Dom 
gesungen  worden.  Dass  es  auch  anderswo  gesungen  wurde, 
hat  W.  Bäumker,  der  verdienstvolle  Herausgeber  des  Werkes 
„Das   katholische   deutsche    Kirchenlied",    nachgewiesen.      Im 


*)  Wahrscheinlich  ist  hier  der  Ambo  des  Kaisers  Heinrich  11.  gemeint. 
*)  Dieselbe  enthält  fer.  V  hebd.  sacrae  wohl  den  1449  geweihten  St. 
Anna- Altar,  nicht  aber  den  1455  consekrirten  Altar  Simeonis  iusti. 


Die  Melodie  des  Aachener  Weilmach tslieds.  177 

^ Kirchenmusikalischen  Jahrbuch**  von  1887  berichtet  er,  dass 
anch  in  der  ehemaligen  fürstlichen  Abtei  Thom  an  der  Maas 
das  Lied  seitens  der  von  dem  naheliegenden  Poll  kommenden 
Schiffer  gesungen  worden  sei.  Die  Schiffer  erhielten  dafür  von 
der  Äbtissin  einen  Imbiss  und  einen  Krug  Wein. 

In  einem  handschriftlichen  Bituale  dieser  Abtei  aus  dem 
17.  Jahrhundert  (Kopie  eines  altern  Buchs)  heisst  es:  In  vigilia 
Nativitatis  evangelio  flnito  nautae  de  Poll  tenentur  cantare: 
^Nu  siet  willekom  herro  Kerst  etc."  ad  minimum  tres  aut 
quatuor  versus  ante  altare  sancti  Georgii,  quibus  abbatissa  tenetur 
dare  offam  et  amphoram  vini. 

Bäumker  glaubt  sogar  in  einem  vlämischen  Gesangbuch 
des  17.  Jahrhunderts  die  ganze  Melodie  gefunden  zu  haben 
und  theilt  sie  in  dem  genannten  Jahrbuch  S.  65  mit.  Der 
Titel  dieses  Gesangbuchs  lautet:  Het  Paradys  der  Geestelijke 
en  Kerkelijke  Lof-Sangen,  Op  de  principaelste  Feest-Dagen  des 
gheheelen  Jaers.  Geplant  door  Salomonem  Theodotum,  Licentiaet 
in  der  H.  Godtheyt.  Den  vijfden  Druck,  verbetert  ende  ver- 
meerdet  te  Antwerpen,  by  Hendrick  Aertsens  1648.  (Das  Lied 
steht  S.  16  ff.)  Allerdings  stimmen  der  Anfang  des  Textes  und 
der  Melodie,  sowie  das  Versmaß  ziemlich  überein,  auch  erinnert 
der  Schluss  „Kyrieleis"  an  eine  alte  Leise,  aber  der  Verfolg  der 
Melodie  und  des  Textes  sind  wesentlich  verschieden.  Zur  Ver- 
gleichung  möge  es  hier  folgen: 


i 


k-lb    !    !    ^rT~,=r:3=3F=33^^5^^ 


I      I  ■  I     I 


^^ 


izuL 


1.  Nu  zyt  wel-le-ko-me    Je-Bu   lie-Ten  Heer.  Ohykomt  van 


al-800  hooghe,  van  al-soo  veer.     Ka  zyt  wel-le-ko-me  vanden 


^=i-^i-^=^=^^^E:^^ä^LJ_l^ 


hooghen  He-mel  neer.  Hier  al    in    dit  Aerdtryk  zyt  ghy  ghesien 


i 


^^—^-zL:  I     J     J-7&^3f 


noytmeer.    Ky-ri  -  e-leys. 

2.    Christe  Eyrieleison  laet  ons  singen  hly, 
Daer  meed*  oock  onse  Leysen  heginnen  yry: 
Jesus  is  ghehopren  op  den  Heylighen  Kersnacht, 
Van  een'  Maghet  reyne,  die  hoogh  moet  zyn  geacht.    Eyrieleis. 

12 


178 


H.  Böck'eler 


3.  D^  Herders  op  den  Velde  hoorden  eon  nieuw  liedt, 
Dat  Jesus  was  ghebooren,  sy  wisten't  niet: 

Gaet  aen  geender  Straten,  en  ghy  sult  hem  yinden  klaer, 
Bethlem  is  de  stede,  daer^t  is  geschiedt  yoorwaer.    Eyrieleis. 

4.  D'  Heylige  drie  Coon^ghen  uyt  so  verren  lant 
Sy  sochten  onsen  Heere  met  Offerhant: 

S*  Offerden  ootmoedelyck  Myrrh'  Wierooek  ende  Gout 
T^eeren  van  dat  Kinde,  dat  alle  ding  behoat    Eyrieleis. 

Von  der  Melodie  des  Aachener  Lieds  war  bisheran  nur  ein 
Bruchstück  bekannt,  welches  sich  in  dem  im  Münsterschatz 
aufbewahrten  Evangelien-Kodex  Ottos  m.  vorfindet,  aber  nicht 
aus  der  Zeit  Ottos  stammt.  Dieses  Bruchstück  ist  angefügt 
an  das  im  Anhang  vollständig  in  Noten  ausgesetzte  Evangelium 
von  der  Abstammung  Jesu  Christi,  welches  der  Kanonikus  senior 
am  Weihnachtsfest  feierlichst  vor  Beginn  des  ersten  Hochamts 
sang,  und  gehört  seiner  Schrift  nach  höchstens  dem  14.,  wenn 
nicht  gar  dem  15.  Jahrhundert  an.  In  moderne  Notenschrift 
übertragen  lautet  es: 


i 


E^3 


±=t 


:^^=gp^^ 


W     ^      I   ei     <g      ^     p 


Syt  wil     -    le    -    ko  -  men    heir 


rekirst,  want  du    on-ser 


$= 


13 


1 


-a 


al-re    he-re  bis. 

Schon  dass  der  Text  nicht  mit  „Nu  seit  unß"  u.  s.  w. 
anfängt,  lässt  auf  eine  spätere  Zeit  als  1350  schliessen,  da  im 
oben  erwähnten  Direktorium  dieser  Zeit  der  Text  so  beginnt. 
Dennoch  erinnert  die  Melodie  in  ihrer  Struktur  an  Gesänge 
sehr  früher  Zeit,  deren  einige  ich  zum  Beweis  hier  anfüge: 

1.  In  einer  Sequentia  des  berühmten  Notker  Balbulus 
(840 — 912,  Dichter  und  Komponist  des  bekannten  Media  vita), 
betitelt  de  s.  Innocentibus,  heisst  die  zweite  und  dritte  Strophe: 


i 


nj  I  t}—j--i^  j  j  ^-W I  j  ji 


^-sl-J    J-Iil^ 


Quem  coe  -  li  -  tus  ju  -  bi  -  lat,    su-per   a-  stra  ma-nen-tis     ple-bis 


m 


t 


■&^-^ 


3^     '^     r\     ^ 


■a 


% 


^Tir~^ 


de-cus    ar-mo-ni-ae.  Quem  ag-mi-na    in-fan-ti-um     so  -  no- 


i 


Z-.3ZI3— ^ 


sn 


ri8   ym-nis    col-lau-dat  etc. 


Die  Melodie  des  Aachener  Weihnachtslieds. 


179 


2.  Eine  Sequentia,  zu  singen  in  Nativitate  Domini  in 
primo  galli  cantu,  aus  einer  Handschrift  des  13.  Jahrhunderts  ^, 
welche  sich  im  Archiv  des  Aachener  Stiftskapitels  befindet, 
beginnt: 


Jes-se  vir  •  gam     hn-mi  •  da-vit     et  in  firuc-tam  fe-cnn- 


wih' 


^ 


da  -  Vit        rosmi-se-ri-cor-di 


J^J  JT^ 


ae. 


3.  Ein  Weihnachtslied,  Uebersetzung  der  sehr  alten  Anti- 
phon am  Feste  Maria  Verkündigung:  Haec  est  dies,  quam  fecit 
Dominus,  hodie  Dominus  afflictionem  populi  sui  respexit,  welches 
sich  in  dem  Gesangbuch  des  Hecyrus  (1581  Pastor  in  Caden) 
findet*,  lautet: 


^^ 


rs: 


9="-^^"--^g^55r.^T::^-^--^~ --:  ^Ij 


Das  ist  dertagjdenOottgmacht  hat  auss  barmhertzigkeit  und  ge  -  nad, 
Heuthatan-gsehenQott   der    Herr  Bci-ncsvolckstrUbsalund  be-schwor, 


m 


-^ 


W- 


i 


Und  hat  uns  aufT  er-den  ge-sandt    un-sern  Er-lö-sor  und  Iloyland. 


Wenn  Hoffmann  von  Fallersleben  ^  das  fragliclio  Lied  dem 
Ende  des  11.  Jahrhunderts  zutheilt,  so  dürfte  er  nach  ()bi^«»m 
wohl  in  soweit  Eecht  haben,  dass  seine  Melodie  wonigHtonH 
nicht  später  entstanden  ist;  auch  dürfte  die  Aohnlichkoit  dtn* 
Textanlage  mit  den  berülimten  Leisen  „Unsar  trolitiii  liat  lar- 
salt" (9.  Jahrhundert)  und  „Christ  kinado"  (973)  auf  eine  nohr 
frühe  Zeit  schliessen  lassen. 

War  bisheran,  wie  oben  bemerkt,  nur  ein  Bruclistück  der 
Melodie  bekannt,  so  sind  wir  nunmehr  aber  so  glücklich,  die 

')  Das  Bach,  ein  Gradaale,  ist  geschrieben  von  einem  Kanonikus 
Amoldas,  denn  oft  findet  sich  die  Ueberschrift:  Orate  pro  Arnoldo,  und  in 
dem  Necrologiom  der  Stiftskirche  ed.  Qu  ix  p.  11,  XTIII  Kl.  Martii  hoisst 
es:  Commemoratio  magistri  Arnold!  canonici,  qui  praeter  alia  dodit  magnum 
librom  in  choro  sinistro. 

*)  Vgl.  Bäumker,  Das  kath.  deutsche  Kirchenlied  I,  S.  285. 

')  Geschichte  des  deutscheu  Kirchenliedes,  3.  Aufl.,  S.  29. 

12* 


180 


H.  Bdckeler 


ganze  Melodie  zu  besitzen,  wie  sie  am  Ende  des  14.  Jahr- 
hundertsgesungen wurde  und  durch  Herrn  Geheimrath  Dr.  Loersch 
in  einer  mehr  erwähnten  Pergamenthandschrift  der  Amploniana 
in  Erfurt^  mit  Eintragungen  etwa  aus  dem  Jahre  1394'  wieder 
aufgefunden  worden  ist.  Ist  sie  schon  an  und  für  sich  ein 
werthYoUer  Fund  zu  nennen,  so  kommt  noch  hinzu,  dass 
sie  dort  in  einer  dreistimmigen  Bearbeitung  erscheint, 
welche  für  die  Geschichte  der  Entwicklung  der  Harmonie  von 
aussergewöhnlicher  Bedeutung  ist.  Die  einzelnen  Stimmen  stehen 
nach  Art  der  damaligen  Zeit  hintereinander,  zunächst  die  erste, 
dann  die  zweite  und  zuletzt  als  dritte  Stimme  (sog.  cantos 
firmus)  die  alte  Melodie  des  Weihnachtslieds. 

In  kombinirter  modemer  Schreibweise  hat  die  Komposition 
folgende  Gestalt: 


(I 


,1 


¥ 


2Ö 


Sys    wil 


^  -Jzi^r^r^-^  -^ 


t—r 


i 


jOjl 


USG 


-^ 


s&-:?JiöL 


le 


ko 


men     heir  -  re 


kerst) 


1- 


-tf^ 


-^r 


t 


^^ 


i  I 


fczgil:=^fff^^  _^^1i^lIL^^|^^^ 


'-J^^J. 


>)  Vgl.  Bd.  X,  S.  99  und  Bd.  XI,  S.  51  dieser  Zeitschrift 
*)  Diese  Eintraguigeii  sind    wahrsekeinlich   gesdmebea   ron   Jokaui 
BaHHL,  Kapellan  der  Katharinenkapeüe  in  Aachen. 


Die  Melodie  des  Aachener  Weihnachtslieds. 


181 


i^ 


JOt. 


^a-4 


^^^^^^m 


# 


re. 


her  in    ert 


ri  -  che 


al  -   so  Bcho- 


-g"<g 


-6^ 


-<9^ 


'I—LH 


.^i- 


^^##-^ 


ne. 


Ki       -       ri    -    e 


ri    -    e  -  leys. 


Ü 


— ,ffi. 


■^-- 


n 


Vergleichen  wir  die  Melodie  mit  dem  oben  abgedruckten 
Bruchstück,  so  fällt  uns  sofort  deren  Vereinfachung  und  theil- 
weise  Umänderung  auf,  welche  sie  wahrscheinlich  durch  die 
Benutzung  als  cantus  flimus  im  Interesse  des  harmonischen 
Gebilde  erfahren  hat.  Zur  Orientirung  stelle  ich  die  beiden 
Melodien  hier  zusammen: 


^^^^^^:^jJJ-^.M 


] 


1 


I^JZjZj^^^^^^^^ 


Da  zweifellos  diese  Vereinfachung  auch  auf  den  zweiten 
Theil  ausgedehnt  worden  ist,  so  haben  wir  leider  die  Original- 
melodie nicht  mehr  vollständig  korrekt  vor  uns  und  wird 
diese  auch  wohl  kaum  durch  Konjekturen  herzustellen  sein. 
Denn  dass  die  zweite  Melodie  die  ältere  sein  könnte,  widerspricht 
der  ganzen  Tradition  ähnlicher  Melodien.  Es  schliesst  dies 
aber  nicht  aus,  dass  man  an  der  Hand  der  neu  aufgefundenen 
eine  neue  Fassung  der  Melodie  herstellen  kann,  welche  die 
Wiedereinführung  des  Lieds  ermöglicht,  sobald  der  Text  eine 
entsprechende  Umarbeitung  durch  kundige  Hand  erfahren  hat, 
was  ich  hiermit  den  Berufenen  sehr  empfehlen  möchte. 

Die  Tonart  der  Melodie  ist  die  dorische,  denn  die  Tonika 
ist  d  und  die  Dominante  a;  wenn  ein  b  im  Verlauf  der  Melodie 


184         H.  Böckeier,  Die  Melodie  des  Aachener  Weihnaclitslieds. 

Zahlen  die  vollkommenste,  weil  sie  von  der  höchsten  Dreieinig- 
keit, welche  die  wahrste  und  höchste  Vollkommenheit  ist, 
ihren  Namen  angenommen  hat^**  Johannes  de  Muris  sagt: 
„Die  Musik  nimmt  ihren  Ursprung  in  der  Dreizahl,  welche,  mit 
sich  selbst  multiplicirt,  neun  erzeugt,  in  der  jede  Zahl  enthalten 
ist^*  Daher  finden  sich  bis  ins  14.  Jahrhundert  nur  höchst 
selten  Beispiele  von  zweitheiligem  Takt,  wiewohl  es  zweitheilige 
Notenwerthe  gab.  Ferner  finden  wir  Terzen-  und  Sextengänge 
(18.,  20.,  21.,  26.  —  34.  Takt),  die  Dissonanzen  nur  im  Durch- 
gang oder  als  Nebennoten  angewandt,  die  interessantesten 
Gegenbewegungen,  während  das  Organum  noch  seine  alten 
Rechte  zu  behaupten  versucht  (zumal  im  ersten  Theil  des  Ton- 
stücks) und  sogar  mit  rücksichtsloser  Freiheit  über  die  ver- 
minderte Quint  wie  über  die  reinen  Quinten  vei'fugt.  Es  dürfte 
wohl  kaum  ein  Aktenstück  dieser  Art  aus  damaliger  Zeit  ihm  an 
die  Seite  gestellt  werden  können,  welches  dem  Musik- Archäologen 
so  interessante  Partien  zum  Studium  der  Entwicklung  der 
Harmonie  böte.  Wenn  beim  Beginn  die  erste  Stimme  ein  c  hat,  so 
liegt  der  Gedanke  an  einen  Schreibfehler  nahe ;  man  glaubt,  es 
müsse  d  statt  c  gesungen  werden,  oder  in  der  dritten  Stimme 
ein  c  statt  d.  Erstere  Korrektur  ist  aber  darum  unstatthaft, 
weil  in  damaliger  Zeit  niemals  ein  Tonstück  mit  einem  Moll- 
akkord anfing,  und  letztere  KoiTektur  scheint  darum  nicht  statt- 
haft, weil  das  Lied  nie  mit  c  begonnen  hat.  Es  bleibt  uns 
nichts  anders  übrig,  als  anzunehmen,  dass  die  Melodie  später 
mit  f  anfing,  wie  auch  die  von  Bäumker  oben  mitgetheilte 
holländische  Bearbeitung  desselben  Lieds  mit  f  anfangt. 

Mit  diesen  Bemerkungen,  die  nur  in  kurzen  Umrissen  auf 
die  hervorragende  Bedeutung  des  vorliegenden  Tonstücks  hin- 
weisen sollen,  möge  es  seine  Wanderung  durch  die  musikalischen 
Zeitschriften  antreten.  Ich  hoffe,  dass  berufenere  Männer,  zumal 
solche,  welche  die  musikalische  Archäologie  mit  Müsse  als  Spezial- 
Studium betreiben  können,  es  nach  allen  Seiten  hin  beleuchten 
werden.  Zu  dem  Ende  wäre  eine  genaue  Nachbildung  der 
Handschrift,  vielleicht  durch  Photographie  hergestellt,  sehr 
wünschenswerth. 


*)  Gerbert,  Scriptores  m,  p.  4. 
>)  Gerbert  1.  c.  m,  p.  298. 


Die  Melodie  des  Aachener  Weihnachtslicds.  188 

fahren  hatten.  Beispiele  dieser  Gesangweise  finden  wir  mit- 
getheilt  in  Bumey,  Geschichte  der  Musik  ü,  Forkel,  Musik- 
geschichte n,  S.  461,  Gerbert,  De  cantu  et  musica  sacra  II, 
p.  109  (nach  einer  Handschrift  des  Klosters  St.  Blasius  aus 
dem  Jahre  1374),  Revue  musicale  1822  (altfranzösischer  Chanson 
für  drei  Stimmen  von  Adam  de  la  Haie  [f  1287]  mitgetheilt 
durch  F.  J.  Fetis),  Monatshefte  für  Musikgeschichte  1877  (mit- 
getheilt durch  E.  Bohn),  Cäcilia  von  Hermesdorff  1878  (eine 
Reihe  zweistimmiger  Sätze  über  deutsche  Kirchenlieder  aus 
einer  Handschrift  der  Stadtbibliothek  in  Trier  vom  Jahre  1482  ^), 
Cantiones  Bohemicae  (Leipzig  1886),  Gregoriusblatt  1888,  Nr.  6 
(mitgetheilt  durch  P.  Dreves).  Nach  Bellermann*  war  Franko 
von  Köln  (f  1247  als  Scholaster  am  Köhier  Dom')  der  erste, 
welcher  die  althergebrachte  Lehre  Hucbalds  über  die  Quarten, 
Quinten  und  Oktaven  als  einzige  Konsonanzen  verliess  und,  nach 
dem  Gehör  urtheilend,  die  Terzen  den  Konsonanzen  zu- 
zählte. Marchettus  von  Padua  (Ende  des  13.  Jahrh.)  bespricht  die 
Auflösung  der  Dissonanzen,  welche  noch  nicht  vorbereitet 
und  gebunden,  nur  im  Durchgang  vorkommen,  und  Johannes  de 
Muris  (t  1370)  gibt  endlich  das  Quinten-  und  Oktavenverbot. 
In  die  Mitte  dieser  Bestrebungen  fällt  eine  vierstimmige  Messe, 
welche  von  GuiUaume  de  Machaud  (1340)  komponirt  und  bei 
der  Krönung  Karls  V.,  Königs  von  Frankreich,  im  Jahre  1364 
aufgeführt  wurde*,  sowie  unser  vorliegendes  Tonstück,  welch 
letzteres  unzweifelhaft  viel  klarer  in  der  Fassung  ist  und 
Passagen  enthält,  die  anschliessend  an  sehr  alte  Traditionen 
auf  einen  gewaltigen  Fortschritt  in  der  Harmoniebildung 
schliessen  lassen.  Auffallend  ist,  dass,  während  die  Melodie 
zweizeitig  ist,  bei  der  Begleitung  das  dreitheilige  Zeitmaß  an- 
gewandt worden.  Die  ältesten  Mensuralisten  hatten  fast  nur 
dieses  Zeitmaß,  da  die  Zahl  drei  für  sie  eine  hohe  Bedeutung 
hatte.    Franko  von  Köln  sagt:   „Die  Dreizahl  ist  unter  allen 


')  Diese  Sätze  sind  auch  abgedruckt  bei  Bäum k er,  Das  kath.  deutsche 
Kirchenlied  I,  bei  den  betreffenden  Liedern. 

•)  Festschrift  zur  dritten  Säcularfeier    des   BerHn'schen  Gymnasium 
zum  grauen  Kloster.    Berlin  1874. 

*)  Ueber  dessen  Lebenszeit  und  Lebensstellung  war  man  früher  im 
ünUaren.    Das  Nähere  s.  Gregoriusblatt  I,  S.  42. 

*)  Ein  Fragment  des  Gloria  dieser  Messe  hat  Chr.  Kalkhie» 
seiner  Histoire  de  la  musique  mitgetheUt.  '^ 


186  P.  Giemen 

ein  fester  Typus  sich  gebildet  hat.     Muthmaßlich  gleichzeitig- 
ist  von  allen  Denkmälern  des  merowingischen  Königshauses  nur 
der  Grabstein  der  Fredegund  in  St.  Denys  *,  fast  gänzlich  zer- 
stört und  in  der  Zeichnung  des  Kopfes  nur  in  einer  Miniatur 
in  der  Karl  IX.  gewidmeten  Handschrift  der  Histoire  des  rois  de 
France  in  der  Bibliothfeque  nationale  zu  Paris  erhalten*.   Aber 
die  Darstellungen  der  Könige :  die  des  Klodwig  auf  einem  Elfen- 
beindiptychon in  Amiens^,  in  der  Kirche  St.  Geneviöve*,   am 
Portal  von  Notre  Dame  du  Mans^,  von  St.  Germain-des-Prfes  *, 
von  Notre  Dame  zu  Paris  ^,  am  Portal  der  alten  Kathedrale  zu 
Corbeil*,    auf  der  Tapisserie  von  St.  Remi  zu   Reims  ^;   die 
Childeberts  im  Chor*®  und  im  Refektorium**  von  St.  Germain- 
des-Prfes,  in  der  Unterkirche  von  St.  M6dard  zu  Soissons**,  im 
Chor  von  Notre  Dame  zu  Paris  *^,  am  Portal  von  St.  Denys  **, 
von  St.  Germain  l'Auxerrois  *^,  am  Portal  der  Kathedrale  von 


')  Eckhart,  Commentarii  de  rebus  Franciae  orientalis  I,  p.  159; 
Alb.  Lenoir,  Statistiqne  monumentale  de  Paris.  Atlas  I,  pl.  V. 

')  F.  de  Vigne,  Vademecum  du  peintre.  Becueil  de  costumes  du  moyen 
äge  pour  servir  ä  Thistoire  de  Belgique  I,  pL  44. 

")  Bigollot,  Notice  sur  une  feuiUe  de  diptyque  d'ivoire  repr6sentant 
le  bapt§me  de  Cloyis. 

*)  Alex.  Lenoir,  Description  historique  et  chronologique  des  monu- 
ments  de  sculpture  au  mus6e  des  monuments  fran^ais  I,  p.  9;  Alb.  Lenoir, 
Statistique  monumentale  de  Paris  I,  pl.  n. 

^)  Launay,  Becherches  arch^ologiques  sur  les  oeuvres  des  statuaires 
du  moyen  äge  dans  la  viUe  du  Maus,  contenant  la  description  des  portiques 
de  la  cathMrale  et  de  Notre  Dame  de  la  Couture.  Dazu  Annales  arch^olo- 
giques  Xu,  p.  405. 

')  Montfaucon,  Monuments  de  la  monarchie  fran^aise  I,  pl.  YII. 

^)  Montfaucon  1.  c.  I,  pl.  VIII,  p.  56. 

*)  AI.  Lenoir,  Description  bist,  des  mon.  de  sculpture  II,  p.  70; 
Lacroix,  Les  arts  au  moyen  äge  p.  S42. 

®)  A.  Jubinal  et  L.  Paris,  Les  tapisseries  de  Keims.  Vgl.  Annal. 
arch^ol.  XXIV,  p.  350.  Lacroix  et  Ser6,  Le  moyen  äge  IL   La  tapisserie. 

*<>)  Montfaucon  1.  c.  I,  pl.  XI,  1,  p.  58;   Alb.  Lenoir,  Stat.  monum. 

n,  pl.  m. 

")  Alb.  Lenoir  1.  c.  n,  pl.  m. 
»«)  Montfaucon  1.  c.  I,  pl.  XI,  3,  p.  59. 

'^)  Chouvet,  Album  des  boisseries  sculpt^es  du  choeur  de  Notre  Dame 
de  Paris,  pl.  I. 

")  Montfaucon  1.  c.  I,  pl.  XV,  6,  p.  192. 

1^  Inventaire  g6n6ral  des  richesses  d'art  de  la  France.  Paris.  Monuments 
r61igieux  I,  p.  438. 


Die  PortritdjLrstelhngen  K&iiä  de«  Groc^^n.  187 

Boorges^;  das  Portr&t  Dagoberts  in  der  Handschrift  der  Tita 
s.   Aodomari    in  der  Stadtbibliotbek  zu  St.  Omer^   die   drei 
Darstellungen  in   St.   Denys,   die  Fignr  an  der  Pforte*,   die 
sitzende  Figur  im  Chor*,   das   grosse  Grabmal ^   die  Reiter- 
statue am  Strassburger  Munster  *,  die  Darstellung  im  Tympanon 
der  Florentiuskirche  zu  Xiederhaslach  ^  im  Cod.  19  der  Hamilton- 
sammlung':  das  Bild  Pippins  in  Fulda  ^  auf  einem  Kapital  der 
XJnterkirehe  von  St.  Denys  ***,  das  Basrelief  an  der  Fa^ade  von 
Sainte-Croii  zu  Bordeaux",  das  Portrat  im  Codex  aureus  des 
Klosters  Echtemach  in  der  herzogl.  Bibliothek  zu  Gotha  ",  das 
Ghrabmal  in  St.  Denys",  das  Bild  in  der  Galerie  des  rois  an 


*)  Willemin,  Monuments  fimn^ais  in^ts  I,  pL  61. 

*)  Trois  miniAtores  repre^entant  saint  Vandrille  et  sa  femme,  Dagobert 
et  one  tronpe  dliommeä  ann^s^  d'an  manoscrit  conteoant  la  vie  de  saint 
VandiiUe,  de  la  bibL  comm.  de  Saint-Omer,  in  den  M^moires  de  la  $k>oi^t^ 
des  antiqnaires  de  Picardie  in,  p.  325,  pl.  8;  Hefner,  Trachten  und 
Geräthschaftcn  des  christliehen  Mittelalters  I»,  S.  27. 

*)  Beaunier  et  Bathier,  Becueil  des  costumes  fran^ain.  rolKH:tion 
des  plus  helles  statues  et  figures  firan^aiscs,  pl.  16;  H.  de  Viele  astel» 
CoUection  des  costumes,  armes  et  meubles  pour  s»ervir  4  Phi»toirt>  do  Franeo 
I,  p.  22,  no.  24;  Lacroix,  Les  arts  au  moyen  A^^  p.  H5d. 

*)  Montfaucon  L  c.  I,  pl.  XII,  5,  p.  U»ä;  de  (hillhormy»  Momo- 
graphie  de  T^^ise  royale  de  Saint-Deuys.  ToralM>awx  et  li>r«i^j*  hinlovi^iioA, 
Dazu  AnnaL  areh^ol.  VII,  p.  297—802. 

*)  Montfaucon  Lei,  pl.  XIV,  p.  164  (vgl.  t\  \\  Hook  U\  dou 
Jahrbüchern  des  Vereins  Ton  Alterthumsftreundon  im  Uhoinlaiule  V»  S.  i;I» 
Anm.  20  und  Piper,  Mythologie  der  christlichen  Kuunt  l,  S.  üäH,  Anm.  Uh 
ALLenoir,  Descr.  des  mon.de  sculpture  II,  p.  74;  lUllardo«-SttUvin'n>\ 
Essais  hlstoriques  sur  les  moeurs  des  Francis  IV,  p.  02;  de  Ouilhermy 
et  Fichot,  Monographie  de  T^glise  royale  do  St.  Denis;  The  arehaeolojjioftl 
Journal  V,  p.  245;  L'^glise  impt^rialo  de  St.  Denis  et  ses  tombeaux. 

*)  F.  X.  Kraus,  Kunst  und  Alterthum  im  üntorelsass  S.  860,  4«l). 

^)  Kraus  a.  a.  0.  S.  147. 

•)  Auf  fol  4^  18%  23*»  mit  Radegund.  Vgl.  Repertor.  f.  Kunstw.  VII, 
S.  800  und  Katalog  von  K.  Trübner,  London  1889. 

•)  F.  B.  Schlereth,  Beliefbildnisse  von  Karlmann  und  Pippinin  Fulda, 
in  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  hessische  Greschichte  und  Landeskunde  III, 
S.  368. 

")  AI.  Lenoir,  Mus^e  des  monuments  fran^ais  I,  no.  514,  p.  217. 

")  P.  Venuti,  Dissertations  sur  les  anciens  monuments  de  la  ville  de 
Bordeaux  p.  111. 

")  Fr.  Wurth-Paquet,  Liber  aureus  de  Tabbaye  d'Echtemach,  in  den 
Publications  de  la  soci6t6  des  mon.  bist,  de  Luxembourg  XVI,  p.  2. 

»«)  AI.  Lenoir,  Description  bist  I,  p.  3,  11,  p.  99;  J.  Babel,  Les 
antiquitez  et  singularitez  de  Paris  (ed.  O.  Corrozet)  p.  36;    AI.  Lenoir, 


188  P.  Giemen 

Notre  Dame  zu  Paris  \  in  St.  Maria  im  Kapitol  zu  Köln  *,    am 
Suitbertusschrein  zu  Kaiserswerth ',  in  einer  Handschrift    der 
Bibliothek  zu  Wolfenbüttel*;   endlich  die  Menge  der  Einzel- 
flguren  an    den   Portalen   der   französischen   Kathedralen,     zu 
Paris,  Reims,  Chartres,  Bourges,  Corbeil,  St.  Denys,  von  Notre 
Dame  du  Maus,  St.  Vincent  zu  Tours  zeigen  beim  Längsschnitt 
innerhalb  der  einzelnen  Gruppen  eine  solche  Verschiedenheit 
der  Porträts,  beim  Querschnitt  in  den  Darstellungen  verschie- 
dener Personen,  aber  der  gleichen  Zeit,  doch  wieder  eine  solche 
Uebereinstimmung  dei'selben,  die  ein  und  dasselbe  Herrscher- 
ideal  bei  allen  Königen  wiederholen,   dass  von  einer  Entwick- 
lung klarer   Typen    für    die  Einzelpersonen  nicht    die    Bede 
sein  kann. 

Bei  der  Betrjtchtung  des  Porträts  Karls  d.  Gr.  nimmt  die 
Untersuchung  der  spätem  Darstellungen  einen  besondern  Platz  in 
Anspruch.    Bei  keinem  einzigen  nämlich  der  vom  Mittelalter 
geschaffenen  Typen  ist  der  Einfluss  der  geistigen  Eigenschaften 
auf  die  Bezeichnung  der  Körperlichkeit,  das  greifbar  fassliche 
Gestalten  des  Helden  so  stark  wie  bei  Karl  d.  Gr.,  bei  keinem 
auch  80  klar  und  deutlich  nachzuweisen.    Die  Gründe  liegen 
nahe.    Die  von  den  Künstlern  des  Mittelalters  vorzugsweise, 
fast  ausschliesslich  dargestellten  Gestalten  gehören  der  kirch- 
lichen Kunst,  der  heiligen  Geschichte  an.    Eine  Weiterbildung 
der  in   der  Bibel  gegebenen  Schilderung  war  nur  in  soweit 
möglich,  als  die  neugeschaffene  Charakteristik  nicht  in  bewussten 
Gegensatz  trat  zu  den  Worten  der  Bibel,  das  dort  offen  Gelassene 
nur  ergänzte  —  und  bei  dem  vorwiegend  epischen  oder  didak- 
tischen Charakter  der  jüdischen  Literaturdenkmale  ist  Personal- 
beschreibungen keine  hervorragende    Stellung    angewiesen  — 
eine  der  Bibel  widersprechende  Darstellung  ward  verworfen. 
Auch  bei  den  Heiligen  der  Kirche  war  die  freie  Ausbildung 
beschränkt  durch  das  rasche  Eintreten  einer  kanonischen  Fixirung 

Mas6e  des  monnments  fran^is  I,  pl.  26,  no.  12;  de  Vielcastel,  CoUectioD 
des  costumes  I,  p.  28. 

*)  1793  zerstört.    Catli6drales  cöUbres.  Notre  Dame  de  Paris  p.  11. 

^  H.  Düntzer,  Capitol,  Marienkirche  und  alter  Dom  za  Köln,  in  den 
Jahrbüchern  des  Ver.  v.  Alterthumsfr.  im  Rheinlande  XXXIX,  S.  92. 

')  E.  aus*m  Weerth,  Eunstdenkmäler  des  christlichen  Mittelalters  in 
den  Rheinlanden  II,  S.  44,  Taf.  XXX,  2. 

*)  von  Heinemann,  Handschriften  der  herzogl.  Bibliothek  zu  Wolfen- 
büttel I,  S.  185. 


Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen.  189 

des  legendarischen  Stoffes.  Anders  bei  Karl.  Die  gleichzeitige 
authentische  Schilderung  Einhards  hatte  nicht  denselben  bin- 
denden Charakter  wie  die  Worte  der  Evangelien:  wie  die 
Chroniken  des  Mittelalters  von  der  historischen  Kritik  der  Zeit- 
genossen im  Allgemeinen  als  gleichwerthig  anerkannt  wurden, 
^ies  man  der  Schilderung  Turpins  denselben  Werth  zu  wie  der 
Einhards.  Und  dann:  von  all  den  Gestalten,  die  dadurch,  dass 
sie  nicht  dem  Kreise  der  heiligen  Greschichte  angehören,  den 
Vorzug  freiester  Weiterbildung  gemessen,  ist  die  Karls  die 
weitaus  am  häufigsten  dargestellte.  Allerdings  dankt  er  dies 
nicht  zum  geringsten  Theil  seiner  Erhebung  zum  Heiligen ;  aber 
schon  vor  der  Kanonisation  war  die  erste  grosse  Entwicklung 
abgeschlossen. 

Von  dem  Augenblick  an,  wo  wir  den  Boden  der  gleich- 
zeitigen Schilderung  verlassen,  ist  nicht  mehr  die  Frage  zu 
stellen,  in  wieweit  die  erhaltenen  Darstellungen  der  Persönlich- 
keit Karls  entsprechen,  sondern  in  wieweit  literarische  und 
künstlerische  Charakteristik  übereinstimmen,  welchen  Abwand- 
lungen beide  unterworfen  sind,  und  welche  Ursachen  diesen 
Veränderungen  zu  Grunde  liegen.  Die  Behandlung  der  Porträt- 
darstellungen Karls  unterliegt  von  diesem  Zeitpunkt  an  denselben 
Gesetzen  und  derselben  Methode  wie  die  Monographie  irgend 
eines  andern   Darstellungsgegenstands   mittelalterlicher  Kunst. 

Die  ikonographische  Behandlung  Karls  hat  noch  den  einen 
besondem  Vorzug  vor  der  irgend  einer  der  heiligen  und  legen- 
dären Geschichte  angehörenden  Persönlichkeit,  dass  hier  die 
Ausbildung  des  Typus  ein  Verdienst  der  spätem  Jahrhunderte 
des  Mittelalters  ist,  einer  Zeit,  in  welche  die  übrigen  Gestalten 
des  mittelalterlichen  Darstellungskreises  zum  grossen  Theil  in 
ihren  Grundlagen  gefestigt  und  in  ihrem  Darstellungsschema 
abgerundet  eintreten.  So  wird  die  Wandlung  des  Porträts 
Karls  auch  von  Wichtigkeit  für  die  Entwicklungsgeschichte 
der  mittelalterlichen  Typen  als  Pulsfühler  für  die  schöpferische 
Kraft  der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters. 

Die  Wiedergabe  der  Züge  verändert  sich,  weil  die  Vor- 
stellung von  der  Persönlichkeit,  von  der  jene  nur  eine  Aus- 
drucksform bilden,  sich  verändert,  die  physische  Charakteristik 
folgt  der  Entwicklung  der  psychischen  Charakteristik.  Einen 
ganzen  Kanon  von  äussern  Eigenheiten  als  Ausdrucksmittel 
für  innere  Eigenschaften  hat  das  Mittelalter  aufgestellt.    Die 


190  P.  Clemen 

äussere   Persönlichkeit   erscheint  nur  als  ein  Ausfluss  innerer 
Vorzüge  und  Fehler:    einen  hochfliegenden,  edlen  Geist  kann 
man  sich  nicht  anders  wohnend  denken  als  in  schönem  Körper, 
während  der  Verräther  und  Feigling  seine  Schande  auch  ausser- 
lieh    sichtbar    trägt,    dem   sittlich  Hässlichen    entspricht    das 
körperlich  Hässliche.  So  erscheinen  im  altfranzösischen  Bolands- 
lied    die    Verräther    unter    den   Heiden    von    abschreckendem 
Aeussem,  schwarz  wie  lebendige  Teufel,   die  Wackem  schön, 
mit  hellem  Antlitz  wie  die  Franken. 

Wie  ist  dies  psychologisch  zu  erklären?  Je  niedriger  die 
Entwicklungsstufe  der  Kultur,  um  so  mehr  ist  das  äussere 
Leben  durch  die  körperlichen  Fähigkeiten  des  Individuums 
bedingt.  In  den  Jahrhunderten  deutschen  Stammeslebens  war 
Macht  und  Ansehen  gleichbedeutend  mit  Muth  und  Tapferkeit, 
denn  jene  waren  durch  diese  bedingt;  strebte  die  Phantasie, 
von  einem  Mächtigen  im  Volke  sich  ein  Bild  zu  machen,  so 
fand  sie  dies  in  der  Darstellung  der  Ursache  des  Ansehens,  in 
der  Stärke  —  und  das  sichtbare  Gefass  der  Stärke*  ist  ein 
Körper  von  gewaltigen  Gliedern.  Als  dann  äussere  Macht- 
stellung nicht  mehr  identisch  zu  sein  begann  mit  Tapferkeit, 
jene  sich  mit  andern  Fähigkeiten  verband,  blieb  doch  das  ein- 
mal geschaffene  Bild  mit  dem  abstrakten  Gedanken  der  Herr- 
scherwürde  unlösbar  vereint.  Unbewusst  ist  dem  ganzen 
Mittelalter  eine  Art  umgekehrter  Physiognomik  eigen.  Eine 
rohe  und  unbehilfliche  Technik  beeinträchtigt  in  erster  Linie 
immer  die  feinere  Durchbildung  des  künstlerisch  die  meisten 
Schwierigkeiten  bietenden  Körpertheils,  des  Gesichts,  lässt  vor 
Allem  die  Fähigkeit,  Seelenstimmungen  und  geistige  Eigen- 
schaften im  Gesicht  zum  Ausdruck  zu  bringen,  nicht  aufkommen. 
Damit  ist  jede  anfangende  Kunst  zunächst  verwiesen  auf  äussere 
Abzeichen  und  Beigaben,  die  den  Charakter  des  gemeinsamen 
Menschenschemas  erst  bestimmen,  und  ging  sie  einen  Schritt 
weiter:  auf  das  gröbere  Ausdrucksmittel  des  ganzen  Körpers  — 
und  eine  Deutlichkeit  des  Ausdrucks  ist  hier  nicht  zu  erreichen, 
ohne  dass  nicht  durch  stillschweigende  Uebereinkunft  gewisse 
äussere  Eigenschaften  bezeichnend  werden  für  innere.  Und 
bewusstes  Streben  nach  Deutlichkeit  des  Ausdrucks  führt  bei 
jeder  unentwickelten  Kunst  zur  Uebertreibung. 

Der  erste  Schritt  zur  künstlerischen  Gestaltung  einer  in 
der  Phantasie  lebenden  Persönlichkeit  geschah  aber  schon  durch 


Die  Porträtdarstellangen  Karls  des  Grossen.  191 

den  Dichter,  der  sich  zwang,  eine  Beschreibung  seines  Helden 
zu  geben  —  so  verdichtete  die  Dichtung  eine  Sammlung  ver- 
schiedener Eigenschaften  zu  einem  Menschen  von  Fleisch  und 
Blut.  Nicht  die  bildenden  Künstler,  sondern  die  Dichter  der 
Evangelienharmonien,  die  Verfasser  der  Legendarien  und  die 
namenlosen  Sänger  der  Volkssagen  sind  die  ersten  Schöpfer  der 
plastischen  und  malerischen  Gestaltenwelt  des  Mittelalters, 
soweit  diese  dem  Mittelalter  selbst  angehört.  Der  zweite 
Schritt  erst  geschah  durch  den  bildenden  Künstler,  der  die  so 
erzeugte  Figur  in  die  künstlerische  Sprache  übersetzte.  Der 
Augenblick,  in  dem  ein  Bildner  zum  ersten  Mal  es  unternahm, 
mit  künstlerischen  Ausdrucksmitteln  sich  ein  Bild  der  durch 
die  Dichtung  entweder  neu-  oder  umgeschafFenen  Persönlichkeit  zu 
machen,  bedeutete  wiederum  eine  grosse,  eine  schöpferische 
künstlerische  That.  Denn  bereits  der  nächste  Nachfolger,  der 
dasselbe  unternahm,  hatte  doch  nicht  dieselbe  Freiheit  mehr. 
An  das  bereits  Vorhandene  ist  von  nun  an  die  künstlerische 
Phantaste  gebunden.  Was  ein  jeder  Künstler  bei  der  Schöpfung 
seines  Werkes  anstrebt,  ist,  dass  es  kenntlich  sei  als  das,  was 
es  vorstellen  soll  —  der  BegriflF  der  Kenntlichkeit  eines  Gegen- 
stands oder  einer  Gestalt  beruht  aber  auf  Erinnerung  an  früher 
Geschautes.  Also  musste  nothwendig  der  spätere  Künstler  das 
bereits  geschaffene  Bild  wiederholen,  einfach  aus  dem  Grunde, 
damit  die  Betrachtenden  sagen  konnten:  Ja,  das  ist  Petrus, 
das  ist  St.  Michael,  das  ist  Karl  d.  Gr.  —  und  solche  strenge 
Wiederholung  ist  um  so  stärker,  je  schwächer  die  Freiheit  der 
künstlerischen  Persönlichkeit  sich  zeigt. 

Je  mehr  bei  der  Entwicklung  und  Mischung  der  Rassen 
und  Stämme  einmal,  sodann  bei  der  zunehmenden  Verschieden- 
heit der  Beschäftigung  und  der  dadurch  bedingten  Lebensweise, 
endlich  bei  den  wachsenden  Unterschieden  der  wirthschaftlichen 
Stellung  der  Volksklassen  und  dem  Drang,  dieser  Stellung 
äusserlich  Ausdruck  zu  geben,  die  Mannigfaltigkeit  der  Menschen- 
typen innerhalb  eines  Volksganzen  wächst,  um  so  grösser  muss 
auch  die  Verschiedenheit  derselben  nach  Landschaften  werden, 
die  erst  bei  einem  hohen  Kulturzustand,  bei  dem  die  wirth- 
schaftlichen Kräfte  eines  natürlich  begrenzten  Landes  nicht 
mehr  eine  gemeinsame  Basis  für  die  Lebensführung  der  In- 
wohnenden abgeben,  durch  die  Uniformität  grösserer  Gebiete 
ausgeglichen  zu  werden  pflegt.  Würden  wir  einen  stets  gleich- 


192  P.  Giemen 

massigen  Faktor  künstlerischer  Kraft,  sich  dieser  Menschentypen 
darstellend  zu  bemächtigen,  annehmen,  so  würde  schon  hieraus 
eine  stetig  zunehmende  Mannigfaltigkeit  der  künstlerischen 
Erscheinungen  sich  ergeben. 

Es  kommt  hinzu,  dass  dieser  wachsenden  Mannigfaltigkeit 
der  Typen  parallel  läuft  die  stetig  zunehmende  Fähigkeit,   die 
Aussenwelt  zu  beobachten  und  ihre  Erscheinungen  künstlerisch 
darzustellen.    Während  im  Anfang  die  Kunst  zufrieden  war, 
die  menschliche  Gestalt  in  ihren  rohen  Umrissen  als  Gattungs- 
wesen  zu  beherrschen,  erlangt  sie  in  organischem  Wachsthum 
zunächst  die  Fähigkeit,  einzelne  menschliche  Typen  zu  schildern, 
weiss  Geschlechter  und  Lebensalter  zu  unterscheiden,  lernt  dann 
die  Eigenthümlichkeiten  der  einzelnen  Stämme  mit  scharfem 
Auge  erfassen    und    es    gelingt  ihr    endlich    die    Darstellung 
des    einzelnen    Menschen    als    Individuum.      Ausdrücklich    sei 
betont,    dass  hier  nicht  von   dem  Wollen,    sondern  von  dem 
Gelingen  die  Rede  ist.    Auch  diese  Entwicklung  würde  bei 
stets  gleichbleibendem  Objekt  eine  schnelle  Zunahme  i€r  Typen 
ergeben.    Stellen  wir  diese   beiden   Entwicklungen   nebenein- 
ander und  berücksichtigen  die  Veränderung  des  Objekts  sowohl 
wie  der  künstlerischen  Kraft,  so  ergibt  sich  für  das  Auge,  das 
die  ihm  gebotenen  Erscheinungen  an  sich  auffasst,  ein  merklich 
gesteigertes    und    beschleunigtes   Wachsthum    der   Typenwelt. 
Beide  Linien  zeigen  nicht  dieselbe  Steigung,  und  damit  ist  der 
Unterschied  der  Endpunkte  bei  beiden  Linien  nicht  miteinander 
zu  vergleichen.    Während  die  Entwicklungslinie  der  Typen  in 
der   Erscheinungswelt,    um    in   Zahlen  zu    reden,    etwa    eine 
Steigung  von  zwei  Grad  besitzt,    beträgt    die   der  Entwick- 
lungslinie der  künstlerischen  Aufnahmefähigkeit  im  gleichen  Zeit- 
raum etwa  zehn  Grad,  die  Steigung  der  Entwicklungslinie  der 
Typen  in  der  künstlerischen  Erscheinungswelt  aber  danach  etwa 
zwanzig  Grad. 

Diese  Linie  ist  nie  eine  gerade  ansteigende,  sondern 
reich  an  Rückschritten  und  Abweichungen,  ebenso  wenig  aber 
wie  diese  Entwicklung  bei  irgend  einem  Volk  der  Erde  in 
gerader  Linie  verläuft,  ebenso  wenig  schreitet  sie  auch  in 
Sprüngen,  mit  Auslassung  dazwischenliegender  Leitersprossen 
vorwärts. 

Nun  beruht  jede  dichterische  Ausschmückung  und  Charak- 
teristik auf  Gedankenassoziation.    In   Kaiser  Karl   sieht  das 


4Jie  x'oixramarsüeuungeii  iLans  aes  urossen.  lya 

ganze  Mittelalter  sein  höchstes  Herrscherideal  —  demnach  stellt 
jede  Zeit  den  Kaiser  dar,  wie  sie  sich  ihr  Herrscherideal  denken 
'Würde.  Wie  aber  hier  jedes  Jahrhundert  auf  eine  oder  die 
andere  Seite  grössern  Nachdruck  legt  —  denn  Mängel  und  Noth 
wechseln  und  erfordern  darum  auch  einen  stets  wechselnden 
Heiland  —  und  demnach  dieses  Herrscherideal  in  verschiedenen 
zeitlichen  Abschnitten  verschieden  gebildet  sein  muss,  so  ent- 
steht auch  zur  gleichen  Zeit  in  den  einzelnen  Landschaften,  je 
nachdem  diese  oder  jene  Seite  des  Volkscharakters  mehr  oder 
weniger  ausgeprägt  ist,  die  politischen  oder  kirchlichen  Bedürf- 
nisse der  Landschaft  die  Betonung  einer  bestimmten  Eigenschaft 
des  Herrscherideals  verlangen,  ein  verschiedenes  Bild.  Die 
Züge,  mit  denen  der  Dichter  eine  von  ihm  gezeichnete  Person 
ausstattet,  entnimmt  er  seiner  Erinnerung,  die  sich  naturgemäss 
zunächst  auf  die  Personen  seiner  Umgebung  bezieht. 

Mit  der  wachsenden  Ausdrucksfähigkeit  der  Kunst  für 
feinere  Unterschiede  ergibt  sich  aber  auch  die  wachsende  Mannig- 
faltigkeit der  Stammestypen  in  der  Schilderung  irgend  einer 
Figur,  eben  weil  der  Künstler,  der  die  menschlichen  Einzelztige 
den  Personen  seiner  Umgebung  entnimmt,  diese  jetzt  nicht  nur 
als  Menschen  an  sich,  sondern  als  Menschen  ganz  bestimmter 
Art,  Beschäftigung  und  danach  bestimmten  Körperbaus,  Gesichts- 
ausdrucks zu  beobachten  gelernt  hat.  Nicht  erst  das  15.  Jahr- 
hundert ist  es,  das  durch  die  völlig  entwickelte  Freiheit  der 
künstlerischen  Persönlichkeit  die  Einheit  einer  ikonographischen 
Entwicklung  unterbricht,  sondern  der  Augenblick,  in  dem  der 
Künstler  gelernt  hat,  die  Sondereigenthümlichkeiten  seiner 
nächsten  Umgebung  aufzufassen.  Dies  ist  der  Grund,  aus  dem 
ich  abweichend  von  der  gewöhnlichen  ikonographischen  Methode 
dem  Versuch  einer  lokalen  Gruppirung  den  Vorzug  gegeben 
habe  vor  der  zeitlichen  Anordnung.  Wie  der  Gesammteindruck 
zusammengesetzt  ist  aus  einer  Reihe  von  Einzeleindriicken,  so 
ist  auch  das  jedesmalige  Gesammtresultat  der  Ikonographie 
einer  Persönlichkeit  innerhalb  eines  bestimmten  Zeitraums  nur 
die  Zusammenfassung  einer  Reihe  von  einzelnen  Ikonographien : 
jede  solche  Zusammenfassung  bedingt  aber  eine  Abrundung, 
einen  Ausgleich,  und  damit  das  Verwischen  sämmtlicher  lokaler 
Eigenthümlichkeiten  zu  Gunsten  eines  gemeinsamen  Resultats. 
Und  wie  in  einem  kleinen  Zeitraum,  so  ist  auch  eine  ganze 
Entwicklung  durch  mehrere  Jahrhunderte  die  Zusammenfassung 

13 


194  P.  Giemen 

einer  Reihe  von  Einzelentwicklungen,  die,  mit  dem  Boden  ver- 
wachsen, sich  in  engem  Bezirk  abspinnen. 

Will  man  nicht  bereits  Äiit  dem  13.  Jahrhundert,  das    der 
Kunst  die  Ausdrucksfähigkeit  für  Stamraestypen  erwirbt,    die 
Entwicklung  abschliessen,  so  ist  kein  Grund  vorhanden,  \^ill- 
kürlich  das  Ende  des   15.  Jahrhunderts  auch  als  Ende  dieser 
Ikonographie  hinzustellen.   Soweit  die  mittelalterlichen   Typen 
unverändert  fortleben,  soweit  hat  auch  die  Betrachtung  einer 
Ikonographie  zu  reichen :  haben  wir  auf  der  einen  Seite  Werke 
des   15.  Jahrhunderts  als  völlig  individuelle  Schöpfungen  aus- 
zuscheiden, so  sind  auf  der  andern  Seite  noch  Arbeiten  aus  dem 
Beginn  des   17.  Jahrhunderts,  die  lediglich  Wiederholung  und 
Nachbildung  der  alten  Typen  sind,  unbedingt  zur  mittelalter- 
lichen Entwicklung  hinzuzurechnen.  Denn  bei  jeder  Ikonographie 
ist   der   geistige   Inhalt   das  Wesentliche,   also   auch   für    die 
Gliederung  der  Perioden  Maßgebende,  während  Stil  und  Form, 
soweit  sie  nicht  verändernd  einwirken  auf  den  Inhalt,  erst  in 
zweiter  Linie  in  Betracht  kommen. 

Der  Gang  unserer  Abhandlung  ergibt  sich  aus  dem  Gegen- 
stand selbst.  Wir  haben  zunächst  das  gleichzeitige  literarische 
und  künstlerische  Porträt  einander  gegenüberzustellen  und  gegen- 
einander abzuwägen,  sodann  die  Entwicklung  der  literarischen 
Schilderung,  nach  Ländern  geordnet,  bis  zum  Ausgang  des 
Mittelalters  durchzuführen  und  dem  die  Aufzählungen  der  Dar- 
stellungen des  Kaisers,  soweit  wie  möglich  in  Gruppen  geordnet, 
anzureihen,  worauf  der  Versuch  zu  machen  ist,  eine  klare  zeit- 
liche Entwicklung  aufzustellen,  die  bei  derselben  einwirkenden 
Faktoren  zu  untersuchen  und  in  ihrem  Zusammenhang  klar- 
zulegen. 

I.  Das  gleichzeitige  literarische  Porträt 

Die  älteste,  ausführlichste  und  beste  Beschreibung  der 
Person  des  grossen  Kaisers  gibt  uns  Einhard,  der  immittelbar 
nach  Karls  Tod,  als  dessen  Bild  noch  frisch  und  unverwispht 
vor  seinem  Geiste  stand,  die  Biographie  seines  väterlichen 
Freunds  niederschrieb  ^ : 


*)  Einhardi  vita  Karoli  cap.  22,  Mon.  Germ.  SS.  II,  p.  455,  1.  41: 
Corpore  fuit  amplo  atquc  robuste,  statura  eminenti,  quae  tarnen  iustam  non 
excederet  —  nam  Septem  snomm  pednm  proceritatem  eins  constat  haboisse 
mensuram  —  apice  capitis  rotundo,  oculis  praegrandibus  ac  vegetis,  naso 


Die  Porträtdarstellnngen  Karls  des  Grossen.  195 

^Karl  war  von  breitem  und  kräftigem  Körperbau,   ausser- 
ordentlicher Grösse,   die  jedoch  das  rechte  Verhältniss  nicht 
überschritt  —    denn   seine  Länge    betrug   bekanntlich   sieben 
seiner  Füsse  —  der  obere  Theil  seines  Kopfes  war  rund,  die  Augen 
^waren  sehr  gross  und  lebhaft,  die  Nase  überschritt  ein  wenig 
das  Mittelmaß;  er  hatte  schöne  weisse  Haare  und  ein  freund- 
liches und  heiteres  Gesicht.    Das  alles  verlieh  seiner  Gestalt, 
er  mochte  stehen  oder  sitzen,  eine  hohe  und  imponirende  Würde. 
Wohl  erschien  sein  Hals  dick  und  zu  kurz,  sein  Bauch  etwas 
herabhängend :  aber  das  Ebenmaß  der  andern  Glieder  verdeckte 
das.     Er  hatte  einen  festen  Gang,  eine  durchaus  männliche 
Haltung  des  Körpers  und  eine  helle  Stimme,  die  jedoch  zu  der 
ganzen  Gestalt  nicht  recht  passen  wollte.    Er  besass  eine  gute 
Gesundheit,  nur  dass  er  in  den  vier  Jahren  vor  seinem  Tode 
häufig  von  Fiebern  heimgesucht  wurde  und  zuletzt  auf  einem 
Fuss  hinkte.*     Obwohl  gerade  diese  Schilderung  am  bedeutend- 
sten als  Suetonisches  FHckwerk  sich  erweist^,  so  haben  wir 


paalnlom  mediocritatem  excedenti,  canitie  pulchra,  facie  laeta  et  hilari. 
'  Unde  formae  auctoritas  ac  dlgnitas  tarn  stanti  quam  sedenti  plarima  adqaire- 
batur,  qoamquam  cervix  obesa  et  brevior,  venterque  proiectior  videretur: 
tarnen  haec  ceterorum  membromm  celabat  aequalitas.  Incessu  firmo,  totaque 
corporis  habitndine  virili,  voce  clara  quidem,  sed  quae  minas  corporis  formae 
conveniret;  valetadine  prospera,  praeter  qnod,  antequam  decederet,  per 
qüattuor  annos  crebro  febribus  corripiebatur,  ad  extremum  etiam  ono  pede 
clandicaret.  Dazu  die  Beschreibung  des  Po^ta  Saxo,  Mon.  Germ.  SS.  I, 
p.  273,  V,  333 : 

Corpore  robosto  foit  ipse  dccenter  et  amplo, 
Incessu  firmus,  vividus  atque  agilis, 
Egregie  procerus,  et  hie  moderamine  iusto, 
Septem  namque  suis  longus  erat  pedibus. 
Ipse  rotundus  apex  capitis,  cervix  et  obesa, 
Naris  plus  paulo  quem  mediocris  erat; 
Laete  fulgentes  oculi,  facies  quoque  laeta, 
Et  vox  clara  satis,  pulchraque  canities. 
Usus  vestitu  patrio,  semper  peregrinum 
Bespuerat,  quamvis  pulcher  et  ipse  foret. 
*)  Sueton,  Jul.  45:  excelsa  statura  vegetisque  oculis.  Aug.  79:  Forma 
eximia,  vultu  sereno,  oculos  habuit  claros.   Tib.  68 :  Corpore  fuit  amplo  atque 
robosto,  statura  eminenti,  quae  iustam  excederet,  ceteris  membris  aequalis  et 
congruens,  facie  cum  praegrandibus  oculis.   Calig.  50:  Statura  fuit  eminenti, 
corpore  enormi.    Claud.  30:    Auctoritas  dignitasque  formae  non  defuit  Tel 
stanti  Tel  sedenti ;  nam  prolixo  corpore  erat  canitieque  pulchra.    Nero  51 : 
Statura  iusta,  cerTice  obesa,  Tentre  proiecto.    Galba  21:   Statura  fuit  iusta. 
Viteilius  17:  Venter  obesus.   Titus  8:   Tentre  paulo  proiectiore.    Domit  18: 

13* 


196  P.  Giemen 

bei  der  Art  und  Weise,  wie  der  technisch  ungeschulte  Ostfranke 
die  Ausdrücke  des  formgewandten  römischen  Biographen  an- 
wendet, sie  verschmilzt  oder  verändert,  doch  keinen  Grund,  an 
der  Ehrlichkeit  der  Beschreibung  zu  zweifeln. 

Diesem  werthvollen  Denkmal  tritt  eine  Reihe  kurzer  Schil- 
derungen der  Zeitgenossen  bestätigend,  ergänzend,  erweiternd, 
einzelne  Züge  besonders  ausmalend  zur  Seite;  insbesondere 
sind  es  die  lateinischen  Poeten  der  kaiserlichen  Akademie,  die 
nicht  müde  werden,  immer  und  immer  wieder  neben  der  Macht- 
fülle des  Geistes,  der  Ueberlegenheit  des  Scharfblicks  auch  das 
üeberwältigende  seiner  äussern  Erscheinung  hervorzuheben,  die 
ihnen  nur  der  Ausfluss  der  geistigen  Eigenschaften  ist.  Das 
lebhafteste  Bild  des  Kaisers,  wie  es  dem  Auge  des  Dichters 
sich  zeigte,  gewähren  des  Theodulf  geistreiche  und  äusserlich 
vollendete  Dichtungen.  In  dem  schwungvollen  Triumphgesang, 
in  welchem  der  eben  abwesende  ^  Dichter  nach  dem  Avarensieg  im 
Jahre  796  Karls  Hof  preist,  schildert  er  auch  den  Kaiser  selbst: 

„0  Antlitz,  klarer  denn  lauteres  Gold;  glücklich,  der  dir 
immer  zugegen  sein  darf,  der  sehen  darf  deine  Stirn  geziert 
mit 'dem  Diadem,  wie  es  kein  zweites  auf  Erden  gibt,  das 
herrliche  Haupt,  das  Kinn,  den  mächtigen  Nacken,  die  gold- 
geschmückten Hände,  vor  denen  die  Armuth  weicht,  die  Brust, 
die  Schenkel,  die  Füsse:  Alles  ist  schön  und  herrlich  an  dir;  — 
und  dann  zu  hören  deiner  Klugheit  einsichtsvolle  Eeden,  in 
denen  du  Alle  übertriffst.  Deine  Weisheit  kennt  keine  Grenzen; 
breiter  ist  sie  denn  der  Nil,  grösser  als  die  eisbedeckte  Donau, 
mächtiger  denn  der  Euphrat,  nicht  geringer  als  der  Ganges*." 


Statura  fuit  procera,  grandibos  ocolis,  deformis  obesitate  yentris.  Calig.  33: 
habitus  virilis.  Vgl.  Fr.  Schmidt,  De  Einhardo  Snetonii  imitatore,  Programm 
der  kgl.  Stadienanstalt  Bayreuth  1879,  S.  4,  16;  M.  Manitins,  Einhards 
Werke  und  ihr  Stil,  im  Neuen  Archiv  der  GeseUschaft  für  Ältere  deutsche 
Geschichtskunde  VII,  S.  517,  XI,  S.  43.  Dazu  Histor.  Jahrbuch  der  Görres- 
geseUschaft  VII,  S.  136. 

0  Mon.  Genn.,  Poetae  latini  acvi  Carolini,  ed.  Dümmler  I,  p.  488, 
V.  208. 

«)  Poet.  lat.  I,  483  (XXV),  13;  Sirmond,  Theodulphi  opp.  III,  1,  244. 
Zu  V.  13:  Aen.  Verg.  Vm,  624  auroque  recocto.  Vita  s.  Mart.  Venant 
Fort  Unat.  I,  127  ter  cocto  ardentior  auro. 

29   Nomine  reddis  avurn  Salomonem  stemmate  sensus, 
Viribus  et  David,  sive  Joseph  specie. 

Das  Gedicht  wohl  im  Frühjahr  796  entstanden,  als  der  junge  Pippin, 
der  die  Avarenringe  gestürmt  und  die  Burg  des  Kakans  gebrochen,  nach 


Die  Porträtdarstcllaxigen  Karls  dos  ürousou.  19T 

Weitere  Gedichte  auf  Karl  und  seinen  Hof,  theilweise  in 
schwülstigen  Bildern  und  gekünstelten  Formen  schwelgend, 
zeigen  weniger  individuelle  Züge,  sondern  geben  nur  die  üblichen 
höfischen  Schmeicheleien  wieder  ^ 

Dem  Theodulf  zur  Seite  steht  Angilbert,  am  Hofe  zu 
Aachen  als  Homer  gepriesen:  in  seinem  Epos  „Carolus  Magnus 
et  Leo  papa"  schildert  er  das  Auftreten  des  Kaisers  in  all- 
gemeinem, theilweise  unbestimmten  Worten,  weniger  die  äussere 
Erscheinung  selbst  scharf  zeichnend,  als  vielmehr  den  Eindruck  der- 
selben bei  den  Umstehenden  wiedergebend  *.  Seine  Charakteristik 
ist  einförmig,  seine  Schilderung  undurchsichtig  und  übertrieben, 
mit  antikem  Flitterwerk  aufgeputzt:  übermäßig  borgt  er  die 
Farben  von  Vergil  und  Ovid,  die  antike  Verkleidung  deckt 
seelenlose  Körper^. 

Die  angeführten  Stellen  geben  die  allgemeinen  Grundzüge 
der  Verherrlichung  des  Kaisers    an,    seine   einzelnen   hervor- 


Aachen  heimkehrte :  Rzehulka,  Theodulf  von  Orleans.  Diss.  S.  27 ;  K.  Liersch , 
Die  Gedichte  Theodulf».  Diss.  S.  33,  Anm.  8;  Pauli  in  den  Forschungen 
zur  deutschen  Geschichte  XII,  S.  162;  Kbort,  AUj?.  (Josch.  d.  Litt.  d. 
Abendlandes  II,  S.  70,  79;  Wattenbach,  DoutHchlunds  (Ji'«chicht8queUen, 
5.  Aufl.  I,  S.  144. 

')  Theodulfi  c.  ad  regem  XXXII,  Poi't.  iut.  T,  p.  523,  XXXVI,  I, 
p.  527,  I,  p.  480  (Liersch  a.  a.  0.  H.  15),  I,  p.  4m)  (Liornch  S.  47).  Origo 
et  exordium  gentis  Francorum:   PoiH.  lat.  II,  p.  144,  I,   p.  54,  74,  154,   155. 

2)  Poet.  lat.  I,  366.  (Für  de»  AngiMMTÜHrhcMi  Ursprung  Pertz,  SS. 
n,  391,  Archiv  d.  Gesellschaft  f.  alt.  d«MJtM('h«  (U^HcMchtHk,  VII,  S.  363, 
Manitius,  Neues  Archiv  VIII,  H.  i),  IX,  H.  614.  I)ug«'gen  Ausfeld  in 
den  Forschungen  zur  deutschon  iU^HcUlfhU',  XXIII,  H.  609.) 

22  Pace  nitet  laeta,  parit4;r  piotiito  rHlundaris 
Nescit  habere  pio  lapHuruin  lunilne  caMum. 
Vultu  hilari  ore  nitct,  M«aupor  quoque  fronte  serena 
Fulget  et  aeterno  pi<'tatis  lumine  Phoebum 
Vincit,  ab  occasu  dit<i>erg<*uH  nomen  in  ortum. 

30  nie  duces  magno  et  coniit<;H  inluHtrat  amorc; 

Blandus  adest  iusti«,  hilan*m  ne  praebet  ad  omnes. 

66  Pacificus,  largus,  8oll(*rH  hilarinquc  vfuuHtus. 

*)  Gegen  die  hohe  Schätzung  der  dicMUrMutn  Fertigkeiten  ihn  Angilbert 
bei  Gregorovius,  Geschichte  der  Stadt  Rom  im  Mittelalter  II,  S.  529  und 
Wattenbach  a.  a.  0.  I,  S.  168  wendet  a'uU  li.  HiniHou,  IJtbir  «Iuk  (it'di<'ht 
von  der  Zusammenkunft  Karls  d.  (ir.  und  Leos  ill.  in  PiKlcrbont,  in 
den  Forschungen  zur  deutschen  Goscbirbte  XII,  S.  569,  Aiigilbi-n  und 
Hibemicus  exul,  in  den  Forschungen  XIV,  S.  623.  Günstiger  Ebtrt  a.  u.  O. 
n,  S.  58. 


198  P.  Giemen 

ragenden  Eigenschaften  werden  wiederholt  einzeln  gepriesen : 
seine  Leibeslänge,  mit  der  er  Alles  überragt,  wie  die  Sonne 
auf  der  Höhe  ihrer  Bahn,  rühmen  Theodulf  ^  und  Angilbert  *, 
ebenso  Hadrian',  die  Mächtigkeit  seiner  Glieder*,  die  über- 
strömende Körperkraft,  der  er  sich  in  jugendstarker  Lebenslust 
erfreute  *,  weitere  Gedichte  seine  Tapferkeit  im  Kriege  %  ebenso 

0  Theodulf:  Poet.  lat.  I,  485,  v.  67: 

Ciicamdet  polchrum  proles  carissima  regem, 
Omnibus  emineat,  sol  ut  in  arce  solet. 
•)  Angilbert:  Poet  lat.  I,  367,  v.  170: 

Enitet  eximio  vnltu  facieque  cornscat; 
Nobile  namque  caput  pretioso  amplectitor  auro 
Bex  Carolas;  conctos  homeris  sapereminet  altis. 
(Nach  Aen.  I,  501 :  Fert  omero  gradiensque  deas  sapereminet  omnes) 
p.  376,  V.  418:  eqaitatas  vertice  toto 

Exsuperat  comites. 
(Nach  Aen.  XI,  683:  toto  vertice  saprast) 
V.  491:  et  vertice  toto 

Altior  est  sociis,  popalam  sapereminet  omnem. 
')   Poet.  lat.  I,  90  (nach  Abel,  Jahrbücher  d.   fr&ok.  Reichs  unter 
Karl  d.  Gr.  I,  S.  137,  Anm.  1  im  Jahre  774  gedichtet):  Altus,  nobilis,  nitens 
regit  diversa  regna. 

*)  Pauli  Di aconi  versus  de  episcopis  Mettensis  civitatis  (Bethmann 
im  Archiv  X,  S.  294),  Poet.  lat.  I,  61,  v.  58: 

quo  tempore  maximus  armis 
Rex  Carolus  sensu,  formaque,  animoque  decorus 
Italiae  accepit  Christi  de  munere  sceptrum. 
»)  Poeta  Saxo  V,  317,  SS.  I,  p.  272.    Vgl  v.  369,  p.  278. 
«)  Angilbert:   Poet.  lat.  I,  376,  v.  417: 

Armatas  acies  inter  primosque  coruscat 
Ardaus,  arma  tenens.     Carm.  d.  exord.  gent.  Franc.  95, 
P.  1.  n,  144. 
Poet.  lat.  I,  380,  v.  40: 

Hanc  Carolus  princeps  gentem  fulgentibas  armis 
Fortiter  adcinctus,  galeis  cristatus  acutis 
Arbitri  aeterni  mira  virtute  invatas 
Per  varios  casas  domoit. 
(Nach  Aen.  n,  749  cingor  fulgentibas  armis.) 

Die   Verse   des   Schreibers   Dagulf  im  Wiener   Psalter  (Theol.  652),  Poet. 
lat.  I,  92:      Aurea  progenies,  falvo  lacidior  auro, 

Carle,  iubar  nostrum,  plebis  et  altus  amor, 
Rex  pie,  dux  sapiens,  virtate  insignis  et  armis, 
Qaem  decet  omne  decens  quicquid  in  orbe  placet. 
Poet.  lat.  I,  93,  v.  13:   Salve,  rex  Carole  armipotens  vir  magnc. 
Ermoldas  Nigellas  in  honorem  glor.  Pippini  regis  II,   159:    Poet,  lat 
n,  90.    Ebenso  II,  13  (P.  1.  II,  24). 


II 


Die  Portratdarstellungen  Kaiis  des  Grossen.  199 

die  milde  und  leutselige  Freundlichkeit,   die  aus   seinem 
offenen  Antlitz  strahltet 

Schon  die  Zeitgenossen  waren  recht  wohl  fähig,  die  Grösse 
meiner   Persönlichkeit  zu  würdigen,    die  alles  Andere    in    den 
Sobatten  stellte;   es  ist  mehr  als  bloss  höfische  Schmeichelei, 
"w^nn  Grodescalk  von  seinem  Lob  den  Erdkreis  erfüllt  sein  lasst  *, 
^wronn  Nithard  von  ihm  sagt:    er  hinterliess  ganz  Europa  voll 
des   Segens,  der  von  ihm  ausging ^  und:  so  sehr  überragte  er 
a.ls    Kriegs-  und  Friedensfürst  alle  Zeitgenossen,  dass  er  allen 
Erdenbewohnem  gleich  schrecklich,   liebenswerth  und  bewun- 
derungswürdig erschien*.    So  hat  ihm  auch  schon  die  nächste 
Greneration  zuerst  den  Namen  des  Weisen,  dann  den  des  Grossen 
zuerkannt  ^   Allzu  gross,  zu  schwer  fassbar  ist  seine  Persönlich- 
keit den  Historikern,  sie  gestehen  selbst  ihr  Unvermö^n  ein 

*)  Angilben:   Poet  lat  I,  366,  y.  66: 

Pacificus,  la^os,  sollers  hikrisqae  Tenustus. 
Theodulf  I,  483,  v.  13. 
Poet.  lat.  I,  293  aus  Cod.  lat  Paris.  5577  BibL  nat: 

Et  princeps  Carolas  vnltu  speculatur  aperto. 
Ermoldi  Nig.  cann.  in  hon.  Hlud.  ü,  3  (Poet  lat  II,  24): 

Namqne  senex  Carolas  Caesar  venerabilis  orbL 
•)  Poet  lat  I,  94.    (Piper,   Karls  d.  Gr.  Ealendariom  und  Ostertnfel 
S.  36.)    Dazu  Ermoldi  cann,  I,  31,  Poet,  lat  n,  6. 

^  Nithardi  histor.  lib.  I,  c.  1,  L  16,  SS.  U,  651 :  omnem  Europam  omni 
bonitate  repletam  reliquit. 

*)  Nithard  L  c:  vir  quippe  omni  sapientia  et  omni  virtute  humanum 
genas  suo  in  tempore  adeo  praecellens,  ut  omnibus  orbem  inbabitantibus  terri- 
bilis,  amabilis,  pariterque  et  admirabilis  videretur;  ac  per  hoc  omne  Imperium 
omnibus  modis,  ut  eunctis  manifeste  claruit,  honestum  et  utile  effecit.  In  der 
Brüsseler  Hs.  9368,  foL  173  (Arndt,  Reisebericht.  Vitae  Sanctorum  in  der 
Burg.  Bibl.  zu  Brüssel,  im  Neuen  Archiv  II,  S.  242):  De  Pippino  Karolus 
Magnus,  quo  nemo  ante  eum  vel  post  eum  inter  Francorum  reges  fuit  maior, 
de  quo  dubitari  potest,  fortior  an  felicior  esset,  potentior  in  republica  an 
religiosior  in  ecclesiastica  disciplina.  Carmen  de  exordio  gentis  Francorum 
V.  88,  Po6t  lat.  II,  144: 

Hie  vir,  hie  est  nobis  toto  laudabilis  aevo. 
92  Aecclesiam  Christi  puro  veneratus  amore 
Omavit,  coluit  semper,  provexit  et  auxit. 
Finibus  a  longis  sophia  te,  Francia,  compsit. 
Belliger  indomitas  devincens  undique  gentes 
Transtulit  ad  formam  sanctae  pietatis  honestam. 
*)  Comment.  Smaragdi  abb.  DI,  21  bei  Mabil Ion,  Veteraanalecta  1723, 
p.  358.    Aber  schon  bei  Nithard  (Eist  lib.  I,    1,   SS.  11,  p.  651)  der  Bei- 
name des  Grossen:  Karolus  bonae  memoriae  et  merito  Magnus  Imperator  ab 


200  P.  Giemen 

ihr  gerecht  zu  werdend  So  müssen  wir  es  auch  begreiflich 
finden,  wenn  die  meisten  Schilderungen  nicht  den  kühlen, 
ruhigen  Beobachter,  sondern  den  leidenschaftlichen  Verehrer 
verrathen. 

Völlig  authentische  Zeugnisse  über  die  Leibesgestalt  Karls 
d.  Gr.  gewährt  aber  noch  die  Untersuchung  seiner  im  Aachener 
Münster  bewahrten  Gebeine.  Der  kostbare  Reliquienschrein, 
in  dem  dieselben  seit  den  Tagen  Friedrichs  n.  ruhen, 
ward  zuerst  1481  eröffnet  auf  Wunsch  des  Königs  Lud- 
wig XI.  von  Frankreich*,  sodann  1843  unter  dem  Propst 
Anton  Ciaessen*,  zuletzt  am  27.  Februar  1861*.  Bei  den 
beiden  letzten  Eröffnungen  ward  ein  vollständiges  Skelett  mit 
Ausnahme  des  Schädels,  des  rechten  Oberarms  und  des  untern 
Theils  des  Schienbeins  gefunden,  in  zwei  seidene  Hüllen 
arabischer  Arbeit  gewunden.  Durch  diese  Untersuchung  ward 
zur  Gewissheit  erhoben,  dass  Karl  in  der  That  von  ganz  unge- 
wöhnlicher Grösse  und  Stärke  gewesen,  die  Schlüsselbeine  sind 
auffallend  lang,  der  Brustkorb  geräumig,  die  wiederholt  durch 
die  Aerzte  Dr.  Monheim  und  Dr.  Lauffs  vorgenonmiene  Ver- 


um versis  nationibus  vocatus.  Lambert!  ann.  Hersf.  (0.  Holder-Egger, 
üeber  die  Vita  Lulli  und  ihren  Verfasser,  im  Neuen  Archiv  IX,  S.  285): 
Karolum  imperatorem,  cui  ex  virtute  (et  magnitudine  rerum  gestarum) 
nomen  accessit,  ut  Earolus  Magnus  diceretur  (Sallnst,  lug.  5). 

*)  Ermoldi  Nigelli  carm.  ad  Pipp.  reg.  IT,  165,  Po6t.  lat.  n,  90: 
Nostra  nequit,  fateor,  gracilis  nunc  Musa  referre 
Inclita  gesta  viri,  rus,  polus,  aequor,  habent. 
Pauli  episcop.  Mettens.  gesta,  SS.  n,  265,  19:   de  quo  viro  nescias,   utrum 
virtutem    in   eo   bellicam,    an    sapientiae   claritatem   omniumqne    liberalium 
artium  magis  admireris  pcritiam. 

*)  F.  Haagen,  Karls  des  Grossen  letzte  Tage  und  Grab,  Programm 
der  Realschule  in  Aachen  S.  27.  Die  Urkunde  abgedruckt  bei  Arendt, 
Des  recherches  faites  dans  la  cath6drale  d'Aix-la-ChapeUe  pour  retrouyer 
le  tombeau  de  Charlemagne,  im  BuU.  de  Pacad.  royale  de  Belgique,  86r.  n, 
tom.  Xn,  p.  20.  Ein  Theil  des  rechten  Oberarms  damals  eingeschlossen  in 
einen  silbernen  ttbergoldeten  Arm.  F.  Bock,  Karls  des  Grossen  PfalzkapeUe 
in  Aachen  I,  S.  109 ;  F.  Bock,  Der  Reliquienschatz  S.  31;  Kessel,  Q^chichti. 
Nachrichten  über  d.  Heiligthümer  d.  Stiftskirche  zu  Aachen  S.  59. 

*)  F.  Bock,  PfalzkapeUe  I,  S.  110;  Bericht  im  Aachener  Anzeiger  vom 
15.  Febr.  1851;  Käntzeler,  Der  die  Gebeine  Karls  des  Grossen  enthaltende 
Behälter  S.  1. 

*)  F.  Bock,  Die  Eröffnung  des  Karlsschreines,  in  der  Aachener  Zeitung 

1861,  Nr.  64.  Dazu  Echo  der  Gegenwart  vom  1.  und  2.  März  1861;  Kessel 

0.  S»52;  Quix,  Hist.  Beschreibung  der  Münsterkirche  in  Aachen  S.  74. 


Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen.  201 

messung*  ergab  die  bedeutende  Grösse  von  1,92  Meter.  Der 
vom  Skelett  abgesondert  in  der  Schatzkammer  aufbewahrte 
Schädel,  in  eine  vergoldete  Büste  gefasst,  zeigt  grossen  Um- 
fang, stark  ausgeprägte  Stirnhöcker,  die  Stirn  steigt  fast  senk- 
recht empor,  das  os  parietale  zeigt  hinter  der  sutura  frontalis 
zwei  bedeutende  Erhöhungen,  die  nach  den  squamae  zu  sich 
v^erlaufen. 

Haben  wir  aber  hier  wirklich  die  sterblichen  Ueberreste 
des  grossen  Kaisers  vor  unsP  Die  geschichtlichen  Zeugnisse 
sprechen  dafür.  Von  Friedrich  I.  wird  berichtet,  dass  er  die 
Gebeine  Karls  aus  dem  Sarkophag,  in  dem  sie  352  Jahre 
geruht,  erhoben*,  dass  er  sie  erst  in  einem  hölzernen  Behälter 
inmitten  der  Kirche,  sodann  in  einem  kostbaren  goldenen  Schrein 
habe  aufstellen  lassend  Wenn  nun  die  weitverbreitete  Sage, 
dass  Karl  d.  Gr.  sitzend  im  vollen  kaiserlichen  Ornat  begraben 
sei,  und  dass  Otto  HI.  das  Grabgewölbe  erbrochen  und  seinen 
grossen  Vorgänger  aufgesucht,  auf  historischer  Wahrheit  beruhte, 
so  mtisste  bei  der  erneuten  Oeffnung  unter  dem  Hohenstaufen 
"  derselbe  Thatbestand  vorgefunden  worden  sein  wie  unter  Otto 
in.  Ausdrücklich  aber  berichtet  der  Chronist  von  Gebeinen 
und  einem  marmornen  Sarkophag.  Dieser  Sarkophag,  in  welchen 
man  die  Leiche  vermuthlich  sofort  nach  dem  Tode  legte,  ist 
noch  heute  in  Aachen  aufbewahrt*:  es  ist  der  bekannte  antike 


*)  Bericht  von  Savelsberg  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  von  Alter- 
thumsfreunden  im  Rheinl.  XVI,  S.  189;  Bock,  PfalzkapeUe  I,  S.  109. 
Auch  die  Gebeine  des  Oger  im  Schatz  von  St.  Pharon  zu  Meanx  maßen 
8  Fnss:  Hist.  g6n.  de  Meanx  I,  p.  77;  Carlier,  Hist.  du  duch6  de  Valois 
I,  p.  178. 

>)  Annales  Colon,  max.  ad  ann.  1166,  SS.  XVII,  p.  779,  1.  51:  4.  Kai. 

lan extulit  de  sarcophago  ossa  Karoli  Magni  imperatoris,  ubi  sepnltus  qnie- 

verat  annis  300  quinqnaginta  duobns,  et  quaedam  regalia  xenia  in  vasis 
aoreis  et  palliis  sericis  tam  Imperator  quam  regina  eidem  contulerunt 
ecclesiae,  additis  10  marcis  annuatim.  Dasselbe  berichtet  Monachus  Pantal. 
ad.  ann.  1166,  SS.  XXII,  p.  529.  Vgl.  E.  aus'm  Weerth,  Kunstdenkmäler 
d.  Christi.  Mittelalters  in  den  Rheinlanden  I,  S.  66;  Quix,  Geschichte  der 
Stadt  Aachen  I,  S.  65;  Kessel  a.  a.  0.  S.  59. 

•)  Sigeberti  contin.  Aquicinctina  ad  ann.  1164,  SS.  VI,  p.  411,  12: 
et  corpus  domni  Karoli  magni  imperatoris,  qul  in  basilica  beate  Marie  semper 
virginis  quiescebat,  de  tumulo  marmoreo  levantes,  in  loccUo  ligneo  in  medio 
eiusdem  basilice  reposuemnt. 

*)  L.  Urlichs,  Der  Raab  d*»  P»»»roina,  in  den  Jahrbüchern  d.  Ver. 
V.  Alterthnmsfreunden  imR'  Käntzeler,  ebendas.  XXX, 

S.  193—204;    R.  Forste  -kehr    der  Proserpina 


202  P.  Giemen 

Sarkophag  mit  der  Darstellung  des  Eaubes  der  Proserpina. 
Denn  die  Bestattung  in  den  kostbaren  Denkmälern  des  Alter- 
thums  war  im  Mittelalter  durchaus  nichts  Seltenes.  So  ward 
im  Jahre  804  der  Bischof  Maurontius  von  Marseille  in  dem 
Sarkophag  mit  dem  Triumphzug  des  Bacchus  und  der  Ariadne 
im  Museum  von  Marseille  beigesetzt*,  so  Ludwig  der  Fromme 
in  dem  jetzt  im  Museum  von  Metz  aufbewahrten  Sarkophag 
mit  der  Darstellung  des  Durchgangs  der  Juden  durch  das  rothe 
Meer*,  so  endlich  diente  der  berühmte  Phädrasarkophag  im 
Campo  Santo  zu  Pisa  im  Jahre  1076  zur  Bestattung  der  Gräfin 
Beatrice  ^ 

Schon  die  Berichte  über  die  Erhebung  unter  Friedrich  I. 
stehen  in  Widerspruch  mit  der  landläufigen  Sage  im  Chronicon 
NovaUciense  *  und  bei  Ademar  von   Chabannes*.     Aber   auch 


S.  173;  Weicker,  Annali  deU'  instit.  di  corrisp.  archeoL  V,  p.  146;  Tübinger 
Knnstblatt  1844,  S.  164;  Quix,  Hist-topogr.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen 
S.  30;  AI.  Lenoir,  Description  bist,  des  monoments  de  scolpture  au  mus6e 
des  monuments  fran^is  I,  no.  428,  p.  84;  F.  Bernd t,  Der  Sarg  Karls  des 
Grossen,  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  m,  S.  97;  Robert, 
Eine  alte  Zeichnung  des  Aachener  Persephonesarkophages,  in  der  West- 
deutschen Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst  IV,  S.  273  und  403. 

>)  Miliin,  Voyage  dans  le  midi  de  la  France  m,  p.  158,  pl.  XXXVn,  2 
und  A.  de  Ruffi,  Histoire  de  la  viUe  de  MarseiUe  n,  p.  129. 

*)  F.  X.  Kraus,  Kunst  und  Alterthum  in  Elsass-Lothringen  in,  2, 
S.  650;  Ton  Quast  im  Korrespondenzblatt  des  GJesammtvereins  der  deut- 
schen Geschichte- und  Alterthumsyereine  XVilL,  S.  82;  Leblant,  Les  sarco- 
phages  chr^tiens  de  la  Gaule  p.  11,  pl.  DI. 

»)  Seroux  d'Agincourt,  Scult.  XXXTI,  1. 

*)  Chron.  Novaliciense  HI,  32,  SS.  m,  p.  106. 

^)  Ademar  n,  9.  Zusatz  zu  den  Annales  Einhardi  ad  ann.  814,  SS.  I, 
p.  201.  An  den  Bericht,  den  der  Interpolator  des  Ademar  gibt,  knüpft  sich 
eine  Reihe  weiterer  Nachrichten.  Eine  freie  üeberarbeitung,  die  aber  in  der 
Aufzählung  der  bei  den  Obsequicn  betheiligten  Personen  viel  Eigenes  bietet, 
findet  sich  zunächst  in  Vincentius  Bellovacensis,  Speculum  historiale, 
lib.  XXrV,  25 :  Sepultus  est  igitur  Aquisgrani  in  ecclesia  rotunda,  formosissima 
toto  Romanorum  orbe  capeUa  honorificentissima  Carolus,  supra  cuius  tumulum 
exstructus  est  arcus  deauratus.  Interfuerunt  ibi  Leo  papa  cum  principibus 
Romanis,  duces  etiam  et  comites  et  abbates  et  archiepiscopi  et  episcopi  multi 
aliique  innumeri.  Corpus  dcfuncti  induentes  vestibus  imperialibus  quasi  festive 
auream  capiti  coronam  imposuerunt:  deinde  super  auream  cathedram  quasi 
iudicem  viventem  sedere  fecerunt.  Catenulam  quoque  auream  diademati 
coniuuxcrunt  et  cathcdrae,  super  quam  sedebat,  ne  caput  defuncti  deciderct, 
affixerunt.  Ac  super  eins  genua  textum  quatuor  evangelistarum  aureis 
literis  scriptum  coUocaverunt,  ita  quod  manus  dextra  textum,   sinistra  Tero 


Die  Porträtdarstellangen  Karls  des  Grossen.  208 

die  zeitgenössischen  Historiker  —  denn  der  Novaleser  Mönch 


seeptnun  tenebat  aoreum.  Sed  et  scatnm  aareum,  qnod  ei  Romani  fecerunt, 
ante  faciem  eins  statneront,  et  arcum  lapideuni)  in  qno  sepoltus  erat,  pretiosis 
replentes  aromatibas  monnmentom  strenae  sigillantes  clauserunt.  Wie  sehr 
diese  Schilderung  auf  die  Phantasie  des  Mittelalters  beeinflussend  einwirkte, 
geht  daraus  hervor,  dass  sie  in  eine  Beihe  späterer  Kompilationen  aufgenommen 
ward.  Zunächst  ist  sie  verarbeitet  im  Karl  Meinet  (cd.  Keller,  Bibl.  d. 
litt.  Vereins  zu  Stuttgart  XLV)  S.  587,  V.  61 : 

euch  sd  hört  ich  it  düden, 

dat  de  h^ren,  got  it  weit, 

Karl  den  döden  hadden  gecleit 

mit  keiserlichen  cleidem  schdne 

ind  üf  sin  hoft  en  guldin  cr6ne 

ind  satten  en  üp  einen  sezzel  mede 

als  ein  keiser  in  sinre  mogenthede 

ind  stricten  weder  de  cröne 

eine  guldin  ketten,  de  was  schöne, 

inde  weder  den  sezzel  mede, 

op  dat  dat  hoft  ind  de  lede 

vaste  sitzen  mochten, 

also  als  it  endochte, 

ind  lachten  eme  üp  sin  knien 

ein  hoch,  dar  man  inne  mochte  sien 

de  §wangeljä  alle  viere 

geschreven  in  güder  maniere. 
Vgl.  K.  Bartsch,  Ueber  Karlmeinet.    Ein  Beitrag  zur   Karlssage   S.  212. 
Dem  Vincenz   von   Beauvais  folgte   auch   Philippe   Mouskes    in    seiner 
Chronik  (ed.  Reiffenberg)  I,  p.  458,  v.  11918: 

Bicement  des  rices  conrois 

Fu-il  atom^s  comme  rois, 

Et  s'ot  el  cief  rice  couronne, 

Si  com  drois  et  raisons  li  donne, 

En  si  ot  le  sceptre  et  Tespöe 

De  rices  orfrois  envolep6e; 

Com  empörere  et  comme  rois, 

Fu  atom^s  de  tous  conrois. 

Mais  ainc  kUI  fust  si  accsm^s, 

Fu  tous  ses  cors  enbausem6s: 

En  I  rice  vasciel  de  kesne 

Le  misent  et  Fran^ois  et  Sesne, 

En  si  ot  fait  tel  luminaire 

Com  il  convint  ä  tel  afaire. 
Endlich  gehört  hierher  noch  der  Bericht  der  Grandes  chroniques  de  France, 
Charlemaines,  lib.  VI,  cap.  Vni,  ed.  P.  Paris  II,  p.  285 :  A  Aix-la-Chapelle 
fu  son  Corps  po86,  en  T^glyse  Notre-Dame,  qu'il  avait  fond^e;  purgiö  fu  et 
embasm^,  et  enoing  et  im^^J||^urs  et  de  pr^cieuses  espices.  En  un  trosne 
d'or  fu  assis,  TespÄe  ^  des  6vangiles  entre  ses  mains.    En 


204  P.  Giemen 

im  Thal  von  Susa  schrieb  erst  gegen  1048  \  Ademar  zwischen 
1028  und  1034*  —  wissen  nichts  von  dem  märchenhaften 
Besuch  Ottos  \  und  Thietmar  von  Merseburg  erzählt  ausdrück- 
lich*: Otto,  in  Zweifel,  wo  die  kaiserlichen  Gebeine  ruhten, 
liess  heimlich  das  Pflaster  aufbrechen  und  so  lange  graben,  bis 
sie  im  königlichen  Sarg  gefunden  wurden.   Ein  goldenes  Kreuz, 


teUe  maniöre,  fn  assis  en  son  trosne,  qa^il  a  ses  espaules,  par  derri^rc,  an 
petit  inclin^es,  et  la  face  honnestement  dr^ci^  contre  mont;  dedens  sa 
coaronne,  qni  ä  une  chaine  d'or  est  attachJ6  sar  son  chlef,  est  nne  partie 
du  fast  de  la  sainte  croix.  Vestu  fu  de  garnemens  imp^riaux,  et  la  face 
couverte  d'un  snalre  par  dessools.  Son  sceptre  est  un  escrin  d'or  qne 
Tapostole  Lion  sacra  et  nit  devant  Inj.  Si  est  la  s^pnltnre  emplie  de 
trfesors  et  de  richesses,  et  de  diverses  odeurs  et  de  pr6cieuses  espices. 

£ine  etwas  andere  Fassnng  gibt  eine  bisher  unbeachtete  SteUe  einer 
Hs.  der  kgl.  Bibl.  zu  Stockholm  (Nr.  57,  saec.  XV,  Prosachronik  Ton  Kaiser 
Karl  d.  Gr.  und  seinen  Kämpen  1408).  Vgl.  E.  Zoller,  Dan.  Handschriften 
auf  d.  kgL  Bibl.  v.  Stockholm,  beschr.  v.  C.  Molbech  im  Serapeum  X,  S.  89: 
Tha  keyseren  war  dötth  kam  Turpin  aercheviskop  oc  mange  clerke  meth 
hannnm,  och  smorde  hans  krop  meth  balsom  oc  kledde  hannom  i  kostelege 
kledhe  oc  satthae  hanum  i  kirken  wndher  alterit  och  lade  hans  swaerd 
Bosne  her  hannom,  oc  satte  en  kröne  pa  hannnm,  och  offraede  hannom  syden 
alzwoldig  god  i  wold,  som  leffoer  och  styrer  for  wdhen  aendhae. 

1)  Wattenbach,  Geschichtsquellen,  5.  Aofl.  ü,  S.  213.  Nach  V,  25 
schon  1014  Mönch.    Falsch  Henschen,  Acta  SS.  März  U,  338. 

•)  Wattenbach  a.  a.  0.  n,  S.  187.  Die  Stelle  SS.  IV,  p.  130,  L  26: 
Qoibos  diebns  .  .  .  rührt  Ton  einem  Interpolator  zum  Ademar  her,  der  100 
Jahre  später  schrieb.  (Lindner  in  den  Preussischen  Jahrbüchern  XXXI, 
S.  437  und  Haagen,  Karls  d.  Grossen  letzte  Tage  S.  21  geben  üebersetzung.) 

*)  Annales  HildesheinL  ad  ann.  1000,  SS.  m,  p.  92 :  Quo  tunc  ammira- 
tionis  causa  magni  imperatoris  Karoli  ossa  contra  dlvine  reUgionis  ecclesiastica 
effodere  precepit;  qua  tunc  in  abdito  sepolture  mirificas  rerum  varietates 
invenit.  Annales  Lambert!  ad  ann.  1000,  SS.  m,  p.  91:  Imperator  ossa 
Karoli  magni  Aquisgrani,  a  pluribus  eo  usque  ignorata,  invenit. 

*)  Thietmar.  chron.  IV,  29,  SS.  m,  p.  781:  Karoli  cesaris  ossa  ubi 
reqoiescerent  cum  dubitaret,  rupto  clam  pavimento,  ubi  ea  esse  putavit, 
f ödere  quousque  haec  in  solio  inventa  sunt  regio,  lussit  Crucem  aoream, 
quae  in  coUo  eins  pependit,  cum  Tcstimentomm  parte  adhuc  imputribiliom 
sumens,  caetera  cum  Teneratione  magna  reposuit.  Es  bedeutet  in  dieser  Stelle 
solium  schlechthin  Sarg,  ebenso  wie  in  der  S.  201,  Anm.  3  angeführten  SteUe 
des  Sigebert  tumulus.  (Vgl  Catal.  abbat  Fuldens.,  SS.  XIIT,  p.  272: 
tumulum  statuens  auro  argentoque  pararit  et  corpus  sancti  Bonifacii  ibi 
requiescendum  transtulit;  p.  273  (899):  tumulum  auro  probato  et  lapidibiu 
pretiosissimis  decenter  omavit;  Poet  lat.  II,  209  (I,  2),  239,  1,  II,  115,  15; 
Vita  Leobac  abbat.  Biscofesheim.,  SS.  XV,  p.  130,  29;  Vita  s.  Stoiai  M^ 
SS.  n,  p.  375,  36 :  super  tumulum  ipsius  martyris  perseverat;  AmuiL  9ip 
bulenses  881,  SS.  XIII,  p.  42.)  k 


Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen.  205 

das  an  seinem  Halse  hing,  und  ein  Stück  von  den  noch  unver- 
westen  Gewändern  nahm  er  zu  sich,  das  Uebrige  Hess  er  voll 
Ehrfurcht  wieder  an  seinen  Ort  legend  Nach  dem  Bericht 
Thietmars  und  des  Kölner  Annalisten  sind  in  der  That  die 
Gebeine  aus  dem  Marmorsarkophag  unversehrt  in  den  goldenen 
Keliquienschrein  überführt  worden,  so  dass,  da  über  die  Eröff- 
nungen seit  den  Tagen  Friedrichs  I.  urkundliche  Beweise  vor- 
liegen, die  Authentizität  der  Gebeine  Karls  vollständig  beglau- 
bigt und  damit  die  volle  Möglichkeit  gewonnen  ist,  die  aus 
der  Untersuchung  der  Gebeine  sich  ergebenden  Resultate  zur 
Ergänzung  des  literarischen  Porträts  des  Kaisers  zu  verwenden. 

*)  Die  ganze  Sage  in  der  Fassung  des  Chron.  Noval.  jst  als  ein  schlechter 
Witz  aufzufassen,  den  Graf  Otto  von  Lomello,  auf  welchen  sich  der  Schreiber 
beruft,  sich  den  leichtgläubigen  Mönchen  gegenüber  erlaubt.  Das  Chron. 
Noval.  fasst  überhaupt  die  Geschichte  Karls  d.  Gr.  schon  ganz  sagenhaft 
auf.  (Vgl.  n,  4,  in,  6, 10, 14, 15, 21,  25, 27.)  Auf  die  Unechtheit  der  Erzählung 
machte  zuerst  aufmerksam :  Alfred  Keumont,  Della  chiesa  et  del  sepolcro  di 
Carlomagno  in  Aquisgrana  (letto  il  5.  marzo  1863  neUa  pontifica  accademia  romana 
di archeologia)  p.  11,  dann  stellte  F.  Ha a gen,  Karls  d.  Grossen  letzte  Tage  und 
Grab  a.  a.  0.,  auch  in  seiner  Geschichte  Achens  I,  S.  83  das  Material  zusammen,  end- 
lich wies  sie  schlagend  nach  Th.  Lindner,  Die  Sage  von  der  Bestattung  Karls  des 
Grossen,  in  den  Preussischen  Jahrbüchern  XXXI,  S.  431.  Replik  gegen  Watten- 
bach,  Geschichtsquellen  n ^,  S.  182  und  Giesebrecht,  Gesch.  der  deutschen 
Kaiserzeit  I*,  S.  864:  Lindner,  Zur  Sage  von  der  Bestattung  Karls  d.  Gr., 
in  den  Forschungen  zur  deutschen  Gesch.  XIX,  S.  181.  Abel-Simson, 
Jahrbücher  d.  fränk.  Reichs  unter  Karl  d.  Gr.  11,  S.  537.  Streng  gläubig 
H.  J.  Fl  OBS,  Geschichtliche  Nachrichten  von  den  Aachener  Heiligthümern 
S.  24  und  Gaston  Paris,  Histoire  po^tique  de  Charlemagne  p.  61.  Gegen 
Th.  Lindners  Ausführungen,  dass  kein  ähnlicher  FaU  berichtet  sei,  wendet 
sich  E.  aus*m  Weerth  in  der  Wartburg  XIH,  S.  32,  Anm.  2:  gerade  in 
Ravenna,  das  Karl  so  genau  gekannt,  sei  in  S.  Nazaro  e  Celso  GaUa  Placidia 
in  gleicher  Weise  sitzend  begraben  worden  (so  zuerst  Rubenus,  Historia 
Ravennatum;  0.  Ricci,  Ravenna  U,  p.  80).  Vgl.  auch  Schaaffhausen  in 
den  Jahrbüchern  d.  Ver.  v.  Alterthumsfr.  XLIV,  S.  92.  Gegen  die  Zulässig- 
keit  der  Sitte  bei  den  Merowingem  vgl.  M.  L.  Charles,  S^pultures  m6ro- 
vingiennes,  im  Bulletin  monumental  XLI,  p.  40. 

Ermoldus  Nigellus  m,  487,  Po^t.  lat.  11,  55  sagt  ausdrücklich: 

Corpora  Francorum  mandantur  namque  sepulchro 

More  pio,  hymnis  munere  rite  datis, 

was  sicher  nicht  auf  AufsteUung  des  einbalsamirten  Körpers  weist,  ebenso 

wenig  (weil  tumulus  =  Sarg)  Candidns  de  vita  Aeigili  XXIV,   16,  Poöt. 

lat.  II,  115: 

Exin  more  patrum  fratres  mox  quippe  cadaver 

Exanimum  templi  orantes  sub  tecta  ferebant. 

Ia  interque  manus  sibimet,  quem  fecerat  ipse, 

1  requiem,  tumuli  sub  domate  condunt. 


206  P.  Clemen 

n.  Das  gleichzeitige  künstlerische  Porträt 

A.   Literarisch   als   gleichzeitig   beglaubigte 

Darstellungen. 

1.   Siegel  und  Münzen. 

Gleichzeitige  künstlerische  Porträtdarstellungen  bieten 
erster  Linie  bei  sämmtlichen  Kaisern  und  Königen  die  Siegel 
und  Münzen.  Die  Merowinger  führten  Porträtsiegel,  freilicli 
Porträtsiegel  der  rohesten  Art^:  unbärtige  Köpfe  in  Vorder- 
ansicht mit  länglichem  Oval  und  scharfem  Kinn,  das  Haar  in 
der  Mitte  gescheitelt  und  auf  beiden  Seiten  in  drei  langen, 
wulstigen  Locken  herabhängend,  nur  durch  die  Form  des  Ovals, 
das  Vorhandensein  des  Schnurrbarts  bei  Einzelnen,  die  Höhe 
der  Stirn  sich  ein  wenig  unterscheidend  —  Medaillonbilder  von 
geringem  Durchmesser,  zum  grossen  Theil  als  Siegelsteine  mit 
dem  Ring  verbunden,  wie  an  dem  berühmten  Siegelring  König 
Childerichs  I.,  der  1653  in  des  Königs  Grab  zu  Tournai  ent- 
deckt ward^.  Die  Amulfinger  dagegen  bedienten  sich  antiker 
Gemmen,  theils  in  der  ursprünglichen  Form,  theils  überarbeitet, 
mit  neuer  Legende  versehen,  theils  auch  roher  Kopien  nach 
antiken  Siegeln.  Nicht  nur  Pippin,  auch  Karl  d,  Gr.  und 
seine  Nachkommen  hielten  an  diesem  Gebrauch  fest.  „Wie  einst 
Augustus  mit  dem  Bildnisse  Alexanders  des  Grossen  und  erst 


')  Barraud,  Des  bagues  ä  toutes  les  6poqaes,  im  BoUetin  monumental 
XXX, p.  501; Bordier,  Les  archives  de Tempirep.  194—201;  Douöt  d*Arcq, 
Inventaire  de  la  coUection  des  sceaux  des  archives  de  Pempire  p.  267. 
Abbildungen:  Tresor  de  numismatique  et  de  glyptique:  sceaux  des  rois  et 
reines  de  France,  pl.  1;  de  Wailly,  £l6ments  de  pal^ographie  II,  pl.  A;  \ 

Montfaucon,  Monuments  de  la  monarchie  fran^aise  I,  pl.  XY,  1—5,  p.  191; 
Kevue  de  la  numismatique  Beige  I,  pl.  n.  i 

*)  Chiflet,  Anastasis  Childerici;  Cochet,  Le  tombeau  de  Childeric  P'  | 

p.  347,  644;  Hein ecc ins,  De  veteribus  Germanorum  sigiUis  I,  no.  4;  Nouveau 
trait6  de  diplomatique  IV,  p.  101.  Von  Stumpf,  Die  Reichskanzler  des 
10.— 12.  Jh.  I,  S.  90,  Anm.  135  mit  Unrecht  die  Echtheit  bestritten. 
Der  Siegelring  leider  1831  gestohlen.  Einen  verschiedenen  (?)  Bing  mit  dem 
Bild  des  Königs,  in  einen  Saphir  geschnitten,  ohne  Legende,  erwähnt 
Mabillon,  De  re  diplomatica  p.  135.  Einen  goldenen  Siegelring  Klodwigs  I. 
bewahrt  die  Biblioth^que  nationale  zu  Paris  nach  Bröquigny,  Tables  chrono- 
logiques  des  diplomes,  concemant  Thistoire  de  France,  ed.  Pardessus  et 
Laboulay  I,  p.  244.  Ueber  den  Ring  der  Königin  Radegund  vgl.  Auber^ 
L^anneau  de  saintc  Radegonde  et  ses  reliques  k  Poitiers. 


■^ 


Die  Porträtdarstellongen  Karls  des  Grossen.  207 

später  mit  dem  eigenen  von  Dioscurides  geschnittenen  Porträt, 
dann  mit  seinem  Porträt  wieder  mehrere  Nachfolger  gesiegelt 
hatten,  so  begnügten  sich  gleichfalls  die  ersten  Karolinger  mit 
Masken  und  Büsten  auf  alten  Gemmen,  die  nur  eventuell  durch 
die  Beischrift  des  Namens  zu  ihren  speciellen  Siegeln  gestempelt 
wurden***.  Und  erst  allmählich,  unter  den  Nachfolgern  Karls, 
kommen  Siegel  auf,  die  sich  zwar  noch  des  antiken  Vorbilds 
bedienen,  aber  nichts  weniger  als  blosse  Kopien  sind  *.  Wie  der 
Biograph  Karls  d.  Gr.  die  einzelnen  Bauglieder  zu  seiner 
Charakteristik  des  Kaisers  den  antiken  Schriftstellern  entlehnte 
und  dabei  doch  ein  individuelles  Porträt  zu  schaffen  verstand, 
so  benutzten  die  karolingischen  Siegelschneider  in  ihrer  tech- 
nischen Ungeschicklichkeit  einzelne  Motive  der  antiken  Gemmen, 
die  Profilzeichnung,  den  Schulteransatz,  den  Lorbeerkranz,  um 
mit  Hülfe  dieser  fertigen  Versatzstücke  die  erstrebte  Porträt- 
ähnlichkeit um  so  leichter  zu  erreichen. 

Karls  d.  Gr.  Siegel  ^  haben  für  die  Geschichte  des  karolingischen 
Porträts  nicht  den  Werth  wie  die  seiner  Nachfolger:  der  Kaiser 
bediente  sich  nur  antiker  Gemmen,  eines  Intaglios  mit  der  Büste 
des  Kaisers  Kommodus,  eines  bärtigen  nach  rechts  gewendeten 
Kopfes  mit  schmucklosem  Haupthaar*,  früher  allgemein  für 
Karls  Porträt  gehalten^,  und  eines  zweiten  mit  der  Büste  des 
Jupiter  Serapis  ^  nach  der  gewöhnlichen  Darstellung,  eines  nach 
links  gewendeten  bärtigen  Kopfes. 


»)  Th.  Sickel,  Die  Urkunden  der  Karolinger  I,  S.  347. 

*)  Vgl.  auch  C.  Piot,  L^adoptation  des  types  des  sceaux  des  souverains 
et  des  seigneurs  sur  leurs  monnaies,  in  der  Revue  de  la  numismatique  Beige 
IV,  p.  388. 

*)  Montfaucon  1.  c.  I,  pl.  XXI;  Tresor  de  numismatique  et  de 
gljrptique:  sceaux,  pl.  IT;  Tresor  de  la  couronne  de  France  I,  pl.  21,  25,  28, 
29;  Römer-Büchner,  Die  Siegel  der  deutschen  Kaiser;  G.  Demay,  Les 
sceaux  de  Charlemagne:  £claircissement  UI  zu  V^tault,  Charlemagne 
p.  504.  In  die  von  Stumpf  (Die  Reichskanzler  I,  S.  54,  109),  der  eine  voU- 
ständige  Liste  der  Abbildungen  gibt,  durch  die  Vergleichung  von  mangel- 
haften und  abweichenden  Abbildungen  gestiftete  Verwirrung  brachte  volle 
Klarheit  erst  Th.  Sickel  a.  a.  0.  I,  S.  849. 

*)  Abbildung:  Wailly,  £l6ments  de  pal6ographie,  pl.  A,  no.  8.  Die 
Umschrift  auf  der  Einfassung:  f  Christe  protege  Carolum  regem  Francorum. 
Vgl  auch  C.  Piot  in  der  Revue  de  la  num.  Beige  IV,  p.  390,  pl.  IV,  1,  2. 

*)  So  noch  von  Pertz  seinen  Ausgaben  der  vita  Einhardi  als  Porträt 
des  Kaisers  angefügt. 

^  4libJl^i^^®'  Recueil  du  cabinet  du  roy  II,  p.  1;  Arneth,  Monu- 


208 


P.  Giemen 


Von  grösserer  Wichtigkeit  ist  eine  bei  Gelegenheit   der 
Kaiserkrönung  Karls  geschlagene  Bleibulle,  die  sich  im  Cabinet 


BleiboUe  im  Cabinet  des  antiques  zu  Paris. 

des  antiques  zu  Paris  befindete  Sie  zeigt  auf  der  Vorderseite 
das  Brustbild  des  Kaisers,  nach  vom  gewendet,  der  Kopf  von 
massig  langem  Oval  und  starkem  Kinn,  mit  deutlich  erkenn- 
barem Schnurrbart,  die  kurzen  Haare  bedeckt  mit  einer  Helm- 
haube (?),  der  Mantel  auf  der  ^-echten  Schulter  mit  einer  Spange 
befestigt,  die  linke  Schulter  verdeckt  durch  den  kleinen  Bund- 
schild, über  den  die  Speerspitze  aufragt  —  zum  ersten  Mal 
finden  wir  hier  dies  bei  den  spätem  Karolingern  häufig  benutzte 
Motiv.  Eine  andere,  grössere  Bleibulle  der  Pariser  National- 
bibliothek zeigt  nur  den  gewöhnlichen,  nach  rechts  gewendeten 
bartlosen  römischen  Profilkopf,  den  uns  die  karolingischen 
Münzen  bieten*. 

Die  merowingische  Münzgeschichte  zeigt  die  allmähliche  Ent- 
stellung der  antiken  Vorbilder,  die  immer  schlechter  werdende 
Wiedergabe  der  römischen  ProfiJköpfe  \  Ward  im  Anfang  noch 


mente  d.  k.  k.  Münzen-  und  Antikenkabinets  zu  Wien,  Taf.  Xm,  Nr.  2. 
Ein  drittes  Siegel  zweifelhaft. 

')  Abbildung:  V^tault,  Charlemagne  p.  458,  fig.  66.  Revers  mit  der 
DarsteUung  eines  Tempels  und  der  Unterschrift  Borna,  die  Umschrift:  Eeno- 
yatio  Bomanl  imperii.  Diese  Inschrift  aUein  nicht  genügend  für  die  Zurück- 
führung  der  Münze  auf  Karl,  da  sich  derselben  z.  B.  auch  die  Ottonen 
bedienen:  Dümge,  Begesta  Badensia,  Anh.  p.  95. 

*)  Zum  ersten  Mafpublizirt  bei  £.  aus'm  Weerth  in  den  Jahrbüchern 
des  Ver.  v.  Alterthumsfreunden  im  Bheinlande  LXXVin,  8.  149. 

^)  E.  Cartier,  Monnaics  gauloises,  in  den  Annales  arch^logiques  YI, 
p.  21—25,  215—228,  VII,  p.  17—29,  70—79;  Monnaies  m6rovingiennes 
de  la  coUection  de  feu  M.  Benault  I,  2,  8,  9;  C.  Bob  er  t,  Notes  sur  des 
monnaies  austrasiennes  in§dites,  vgl.  die  Haarbehandlung  in  Abb.  4;  Bob  er  t, 
Consid^rations  sur  la  monnaie  &  T^poque  Bomaine  et  description  de  quelques 
monnaies  m^rovingiennes,  besonders  pl.  I,  2,  8,  5;  A.  Sencklcr,  Uebersicht 
der  Münzgeschichte  des  Bheinlandes  bis  zur  Mitte  des  8.  Jahrhunderts,  in 
den  Jahrbüchern  des  Ver.  v.  Alterthumsfir.  i.  Bheinlande  XV,  p.  143 — 172; 
Bevue  de  la  numismatique  Beige  I,  pl.  n,  1,  2,  3,  4;  Ed.  Vanderstraeten, 


Die  Porträtdarstellangen  Karls  des  Grossen.  209 

plarStisclie  Wirkung  angestrebt,  so  kommt  mit  der  fortschreitenden 
Umbildung  der  Vorlagen  in  das  Barbarische  die  Zeichnung  in 
dicken,  groben  Linien  auf,  die  unvermittelt  und  un verbunden 
nebeneinander  stehen  \  Die  Behandlung  der  Haare,  des  Lorbeer- 
kranzes wird  gänzlich  missverstanden.    Neben  diesen  verstüm- 
melten Kopien  zeigen  sich  aber,  wie  dies  auf  den  westgothischen 
Münzen  Segel  ist,  Köpfe  in  Vorderansicht,  wie  die  Siegel  mit 
^wallendem  Lockenschmuck  versehen,  ein   Zeugniss,    dass    die 
Fälligkeit  der  Porträtbildung  nicht  mangelte*. 

Unter  Karl  d.  Gr.  wird  die  erneute  Anlehnung  —  nicht 
das  Streben  nach  Kopien  —  an  gute  antike  Vorbilder  deutlich 
sichtbar:  man  beginnt  wieder  wirklich  zu  modelliren*.  Und 
wie  die  spätem  karolingischen  Siegel  zeigen  die  Münzbilder  bei 

Nouvelles  obsorvations  sor.  la  monnaie  m^rovingienne,  in  der  Revue  de  la 
nomismatiqne  Beige,  s6r.  in,  tom.  U,  p.  1,  pL  I  mit  sehr  yerschiedenen  Kopf  typen ; 
Ed.  Lambert,  Essai  sor  la  numismatique  gaoloise  du  nord-onest  de  la 
France  FV;  B.  Fillon  et  A.  de  Chasteigner,  Recherches  sur  des  tiers 
de  8ol  d^or  m^roymgiens;  Combrouse,  Mon6taire  des  rois  m^rovingiens; 
Csnillemot,  Catalogae  des  legendes  des  monnaies  m^rovingiennes;  Fr.  Le- 
normant,  Monnaies  et  m^daüles  p.  206—213. 

»)  Vgl.  AnnaL  arch^ol.  VL  In  Flächen  pl.  I,  15,  17,  21,  ü,  27,  32, 
in  Linien  pl.  I,  20,  11,  25,  35. 

s)  Monnaies  de  la  premi^re  race,  in  Annal.  arch^ol.  Vlil,  p.  194,  22,  23, 
24  mit  langen  Locken,  während  der  Kopf  des  Thuodibertus  en  face  noch  den 
römischen  Rundkopf  zeigt.    Vgl.  Lenormant  1.  c.  fig.  92,  p.  206. 

*)  Le  Blanc,  Dissertation  historique  sur  quelques  monnoyes  de  Char- 
lemagne,  de  Louis  le  D6bonnaire,  de  Lothaire  et  de  leurs  successeurs,  frap^es 
dans  Rome;  Le  Blanc,  Trait6  historique  des  monnoyes  de  France  p.  93—103; 
B.  Fillon,   Consid^rations    historiques    et    artistiques    sur    les    monnaies 
en  France  HI;  E.  Gariel,  Les  monnaies  carolingiennes,  in  der  Revue  numis- 
matique 1883,  liyr.  2  und  3;  R.  Chalon,  Attribution  d^un  denier  carolingien 
k  Mens,  in  der  Revue  de  la  numismat  Beige,  s6r.  II,  tom.  n,  p.  1 34,  pl.  in, 
l_3j  dazu  Lelewel,  Numismatique  du  moyen  äge  I,  p.  98;  L.  de  Coster, 
Restitution  de  quelques  monnaies  ä  Oharlemagne,    in  der  Revue  de  la  num. 
Beige,  s^r.  II,  tom.  II,  p.  369;  Lacroix,  Moeurs,  usages  du  moyen  äge  p.  331, 
fig.  256—259,  p.    838,    fig.  263—265;     A.    de    Barthölemy,    Les   mon- 
naies de  Charlemagne:   ficlaircissement  U   zu  V6tault,  Charlemagne  p. 
488—501;    E.  Gariel,  Les  monnaies  royales  de  France  sous  la  race  caro- 
lingienne  I,    p.   22,    53—60,    92—161;    M.  Cerexhe,    Les    monnaies    de 
Charlemagne;  besprochen  von  G.  Carotti  im  Archivio  storico  lombardo,  sßr. 
II  tom.  IV  (XrV),  p.  377-385,  mit  neuen  Beobachtungen  ttber  die  italienischen 
Münzen,  ohne  indessen  die  Abhandlung  von  Carlo  Morbio  über  Karls  in 
Italien  gesehlagene  Mttnzen  in  der  Rivista  della  numismatica  antica  e  modema 
n,  1-5  zu  kennen.    Vgl.  A.  Marignan,  Le  moyen  ftge  I,  p.  18. 

14 


210  P.  Cleaeii 

Benatznng  antiker  Motive,  insbesondere  des  römischen  Lnpera- 
torenkostoms,  doch  leise  angedeutete  individuelle  Züge.  Die 
Porträtbilder  sind  mit  Ausnahme  eines  in  Lucca,  der  alten 
Münzstätte  der  Langobardenkönige,  geschlagenen  Goldsolidus 
mit  der  rohen  Büste  en  face^  sänuntlich  Profilköpfe,  mit  dem 
durch  ein  Band  zusammengehaltenen  Lorbeerkranz  in  den  kurzen 
Locken,  das  Profil  roh  geschnitten,  durchgeh^ds  einen  dicken 
Kopf  auf  starkem,  kurzem  Halse  zeigend  ^ 

2.  Das  Grabmal  in  Aachen. 

Die  bestbeglaubigte  unter  den  gleichzeitigen  Porträtdar- 
stellungen Karls  befand  sich  auf  dem  goldenen  Bogen  über  dem 
Grab  des  Kaisers  im  Aachener  Münster.    So  Einhard '  und  mit 


1)  Cerexhe  1.  c.  p.  14,  116,  no.  230.  Kit  der  Umschrift  D.  N.  Karins 
rex.    Vgl.  Beme  nnmismatiqae  fran^aise  1841. 

*)  Cerexhe  L  c.  p.  127,  no.  242:  Rechts  gewendeter  Profilkopf,  Um- 
schrift: Dn.  Karins  imp.  ang.  f.  et  L  Revers:  Xristiana  religio  mit  TempeL 
No.  243:  Links  gewendeter  Profilkopf,  Umschrift:  Dn.  Karins  imp.  ang.  rex 
f.  et  L  Revers  =  242.  No.  244:  R.  gew.  Prof.  Karins  imp.  ang.  Rev.  =  242. 
Vgl.  Lenormant,  Monnaies  et  m^dailles  p.  212,  fig.  100.  No.  245  Variante. 
No.  246:  Silherdenar  ans  den  Minen  des  Harz.  R.  gew.  Prof.  Karins  imp. 
ang.  Rev.:  metalL  german.  No.  247,  248:  Zwei  Denare  mit  r.  gew.  Prof.,  ans 
Arles.  Rev.:  Arelato.  VgL  deCoster,  NonveUes  consid^rations  snr  les monnaies 
restitu^es  k  Charlemagne,  in  der  Revne  de  la  nnm.  Beige,  s6r.  n,  tom.  V,  p.  1, 
s^r.  in,  tom.  I,  p.  30.  No.  249, 250:  Zwei  Denare  ans  Dnnrstede.  Rev.:  Dorestado. 
Vgl.  L.  Piot,  Recherches  snr  les  ateliers  mon^taires  des  M4rovingiens,  Cario- 
vingiens  et  emperenrs  d'AUemagne  en  Belgique,  in  der  Revne  de  la  nnm. 
Beige  IV,  p.  822,  Snppl.  VI,  p.  366;  de  Coster,  Monnaie  in^dite  de  Char- 
lemagne, in  der  Revne  de  la  nnm. Beige,  s^r.  m,  tom.V,  p.  125 ;  Ders.  s6r.  IQ, 
tom.  I,  p.  30;  Colson  im  Annuaire  de  la  soci6t6  fran^ise  de  nnmismatique  et 
d*arch6ologie  1867.  (Das  einzige  bekannte  Original  in  der  Sammlnng  Colson.) 
No.  251:  Denar  ans  Lyon.  No.  252:  Denar  ans  Mailand,  Cerexhe  p.  131, 
deLongp^rier  im  Catalogne  Ronssean.  No.  253:  Ronen.  No.  255:  Venedig. 
No.  254:  Denar  ans  Trier.  R.  gew.  Prof.  Umschrift:  Karins  imp.  ang. 
"Bm,:  Tempel  mit  Umschrift  Treviris.  Abbildnngen:  0.  J&ger,  Dentsche 
Geschichte  II,  S.  84;  E.  ans'm  Weerth  in  der  Wartbnrg  XII,  S.  169. 
Znr  Vergleichnng  der  Kopf  Grimoalds  von  Benevent:  Le  Blanc,  Disser- 
tation p.  71  nnd  de  Barth61emy  1.  c.  p.  498,  ^,  92. 

*)  Einhardi  vita  Karoli  c.  31,  SS.  11,  p.  459,  L  23:  Corpus  more  soUemni 
lotnm  et  cnratnm,  et  maximo  totins  popnli  Inctn  ecdesiae  inlatnm  atqne 
hnmatnm  est.  L.  28:  In  hac  (basilica  s.  Virginis)  sepnltns  est,  eadem  die, 
qua  defunctns  est,  arcnsqne  snpra  tumulnm  deanratus  cum  imagine  et  titnlo 
oxstmctns.  Titnlns  ille  hoc  modo  descriptus  est:  Snh  hoc  conditorio  sitnm 
^^rpns  Karoli  Magni  atque  orthodoxi  imperatoris,  qni  regnnm  Francomm 


PDTtriSiijuatdlmgfa  Kuk  des  Growea.  ii 

ihm  alle  andeni  Htstoriographen  ^  Wir  haben  uns  di^  BiM- 
siss  entwed^  TOfrzostelleii  ab  ganze  Fignr^  die  Nische  tMeuJL 
oder  als  BrnstbOd  in  Medaillonfonn  in  der  Mitte  des  Bo^c^^uss 
nach  der  Art  des  segnenden  Christus  auf  dem  TriumphW^reu 
der  Basiliken,  zur  Bechten  and  zur  Linken  die  Inschrü't^  IHe 


nobiliter  ami^Tit  et  per  mboos  XLVII  felidter  rexit.  Dect^t  ae^iM^^ 
narins  anno  Domini  DCCCXTTn,  indkrtione  TU,  Y.  KaL  Febr.  Vgl  «bun 
Mabillon,  De  re  diploinatiea  IV,  p.  259. 

1)  Die  einzelnen  Angaben  sind  Ton  Wichtigkeit  (tut  den  Ort^  an  «km 
das  Grab  zu  suchen  sein  wOrde.  Chronicon  Moissiaoense  ad  aan.  8ia,  i^  U, 
p.  259,  L  40:  In  illo  anno  obiit  beatae  memoriae  Karohis  imperator,  ma^- 
nos,  paeificns,  et  sepelieront  enm  in  Aqnisgrani  palatio,  senior«  in  «iclenu, 
qnam  ipse  fiibricare  insserat  Ancb  SS.  I,  p.  Sil,  L  66.  (Ei'clt<itia  Maiur 
bedeutet  nnr  matrix  ecciesia.  YgL  Mabillon,  Yetera  analecta  lY,  p.  Ul . 
eiosdem  senioris  eeclesiae  saeerdotibos.  Actus  pontif.  Lenomannii»  in  urbu 
deg,  c.  XI,  p.  157:  in  terra  tanctae  Mariae  . . .  senioris  ecciesia«*.  P.  191 :  tniitriii 
et  Lenomannis  ciTitatis  senioris  eeclesiae.)  Annal.  Lanri^s.  min.  ad  aoAr  '»U, 
SS.  I,  p.  122,  L  6.  Thegani  Tita  Hhidowici  cap.  YII,  SS.  II  p.  ^im. 
Beginonis  ehroueon  ad  asn.  813,  SH.  I,  p.  566:  ei  Aqnis  in  butixt^  <iuii:f.i 
SalTatoris  ei  saactae  Dei  genitrids  Manae  bonoriftce  ««poltiu  <n»t.  «(oimii 
basilieam  ipoe  nirüeo  opere  a  fondaaMnio  aedlAcare  fbcit.  Erni'/l'it  >.^iiii 
carm.  lib.  II,  85—88,  SS.  IL  p,  Wk 

Ttmyttt  wm.  anlv»  «^tuirr  mäUanu  «t  aoal* 
Y**l^»«  xx'.j^^M  iiA^^f*',  Tm«*/  »t^«. 


Man  war  rv*rij*'Ii^*'  ia.  r*^  '^  ,  .,  ..^  /,,  ^  *^i  .*^^i  *^  •*'-;  Lar  krau-. 
Yerfttgmn^  iK»?t.r»*flri    r'/^i,  r   >, -i.«^,-*       '•  ^    /^.  ^j^   *vt*,*   j*^-^-x    ir^^*^  urn 

werdea.  «Ii.  ^ .- 1^*-  ..-*•  •  '*  -  >^  .  ',  v  /  .,  ^  ^  .^  y  •  ^  ,*  N*  '  ^  U4t 
Gedndct  ie  !>•  i*  - •  ■  », .  ^  .  ".  .  ^  >  '.,,.-.  '  ,  '  >  .  1 '  <  u  . -*: 
Histotre  dt  la'w^i"   '*.  ,y , .      ^     .  ^       y,    ,, *.      ^  *'    ..<     »  ^^     i.-'iu  'ui 

DeUa  <ilkML  *    '>'.     »'^--,;      '^         -'  ^   ,         ,  •»ru,.:i^^'     ur~ 

flink.  Bfbfii**:^    J ' 

doreh   Jaiifij^.iv.f 
d'aatiqiift^    • 
EL  Ff><**»' 
XIT,  i    J . 


/ 


212  P.  Giemen 

äussere  Zier  von  Karls  Grabmal  schwand  wohl  schon,  als  881 
die  Normannen  Palast  und  Kirche  zu  Aachen  verheerten*. 

Seit  einem  Jahrhundert  hat  man  in  Aachen  nach  dem  Grab- 
gewölbe Karls  gesucht.  Der  Schmuck  des  Grabmals  ward  nach 
dem  Bericht  des  Astronomen  in  der  grössern  Vita  Hludowici* 
von  Ludwig  besorgt,  über  die  genaue  Lage  der  Gruft  erhalten 
wir  mit  Ausnahme  der  allgemeinen  Angabe  „in  der  Basilika 
der  h.  Maria"  keine  Auskunft^.    Sie  befand  sich  wahrscheinlich 


^)  Annal.  Fnldenses  ad  ann.  881,  SS.  I,  p.  894,  L  84:  yastavenmt  et 
Aquense  palatiam,  ubi  in  capella  regia  equis  suis  stabolam  fecernnt.  Heim. 
Angiens.  chron.,  SS.  V,  p.  99:  Aqnisgrani  in  capella  regis  equos  snos  staba- 
lant  Lindprand,  Antapod.  ni,  47:  thermas  etiam  Grani  palatii  atque 
palatia  combnssernnt.  Dümmler,  Geschichte  des  ostfr&nkischen  Beiches  II, 
S.  157.  Schwerlich  ist  anzonehmen,  dass  die  Gebeine  Karls  d.  Gr.  mit  den 
Aachener  BeUquien  nach  Stablo  geflüchtet  wurden,  dass  also  bereits  881  eine 
Eröffiiung  des  Sarges  stattgefunden  habe.  Es  wird  ausdrücklich  nur  berichtet 
von  einer  Uebertragung  der  pignora  sanctorum  —  und  die  Eanonisation 
Karls  fand  erst  300  Jahre  später  statt  Vgl.  die  Urkunde,  in  der  Karl  der 
Dicke  882  auf  Bitten  des  Abts  Anton  von  Stablo  den  Mönchen  daselbst  das 
Reichsgut  BlandoTium  schenkt  zum  Dank  für  die  Aufbewahrung  der 
Aachener  Schätze.  Martene  et  Durand,  CoUectio  ampliss.  II,  p.  81  und 
Qu  ix,  Codex  diplomaticus  Aquensis  no.  96:  quo  quibusdam  fratribus  sibi 
commissi s  ex  monasterio,  quod  yocatur  Stabulaus,  qui  ob  dei  amorem  nostram- 
que  fidelitatem  pignora  sanctorum  a  praedecessorum  nostrorum  prudentia 
Aquis  recondita  cum  thesauro  eiusdem  fideliter  reservaTerunt  et  ad  nos  abs- 
que  Ulla  diminutione  detulerunt.  Von  Stablo,  das  im  selben  Jahre  zerstört 
ward  (Annal.  Stabulenses  ad  ann.  881,  SS.  Xm,  p.  42;  Dümmler  a.  a.  0.  I, 
S.  158,  Anm.  27),  wurden  die  Aachener  Schätze  wohl  mit  dem  Leib  des  h. 
Bemaklus  weiter  geflüchtet.  (Annal.  Stabul.  L  c:  Corpus  agii  BemagU 
edncitur  ex  tumulo.  Ausführlich  in  den  Mirac.  s.  BemacU  c.  I — V,  Acta 
SS.  Sept.  I,  705—706.) 

*)  In  diesem  Sinne  ist  die  Stelle  Vita  Hlud.  cap.  22,  SS.  I,  p.  618, 
1.  42  zu  fassen:  Studiosis  sepulturae  gratias  egit  patemae,  ac  propinquis 
luctus  acerbitate  confectis  consolationis  congruae  contulit  levamen.  Sed  et 
quod  deerat  inferüs  genitoris  promtissime  supplevit.  Wir  haben  anzunehmen, 
dass  am  Todestag  die  Leiche  sofort  in  den  antiken  Marmorsarkophag  gelegt 
worden,  der  künstlerische  Schmuck  des  Grabmals  aber  erst  von  Ludwig  nach 
seiner  Heimkehr  in  Angriff  genommen  und  ausgeführt  worden  ist  Haagen, 
Karls  des  Grossen  Grab  S.  25  vermuthet,  dass  der  vergoldete  Bogen  bei  der 
Normannengefahr  entfernt  ward,  um  den  Feinden  das  Grab  zu  verheimlichen. 
Ueber  den  Leichenstein  Karls  in  dem  Bemhardinerkloster  zu  Marseille  vgL 
Miliin,  Voyage  dans  le  midi  de  la  France  m,  p.  158;  Dippoldt,  Karl  der 
Grosse  S.  222. 

")  Nur  der  Interpolator  des  Ademar  gibt  einen  unbedeutenden  Hinweis, 
der  aber  keinen  Glauben  verdient.  (Ademar  bei  Labbe,  Novae  bibliothecae 
manuscriptorum  librorum  n,  p.  169,  SS.  IV,  p.  180:  Corpus  Caroli  condltum 


Die  Porträtdarstellangen  Karls  des  Grossen.  218 

^der  nördlich  von  der  Kreuzkapelle  in  den  im  Jahre  1866 
entdeckten  Substruktionen  ^,  noch  inmitten  eines  vor  der  Vorhalle 
B^x^zunehmenden  Paradieses*,  wie  aus'm  Weerth  auf  Grund  der 
.j^^nalogfie  im  Grabmal  König  Pippins  zu  Verona  wollte,  sondern 
\x^  einer  der  verschwundenen  Seitenkapellen,  auf  deren  Ober- 
^eschoss  die  vermauerten  Thüren  im  Umgang  des  Münsters 
führten«.    Eine  Zeichnung  auf  fol.  236  des  Cod.  263  biblioth. 


est  in  dextro  membro  basilicae  ipsius  retro  altare  s.  Joannis  baptistae,  et 
oTypta  aurea  super  iUud  mirifica  est  fabricata.)  Dazu  die  sagenhaften  Angaben 
l>ei  Vincent.  Beiloya c.  spec.  bist.  XXIV,  25;  Karl  Meinet  (ed.  KeUer) 
p.  587,  V.  60;  Philippe  Mouskes  (ed.  Reiffenberg)  p.  458,  v.  11951. 

*)  Schon  im  Oktober  1794  fanden  vergebliche  Nachgrabungen  durch  die 

^Franzosen  statt,  wiederholt   1843  unter  dem  damaligen  Stiftspropst  Anton 

Ciaessen;   1861  in  der  Zeit  vom  2.  bis  19.  Sept.  ward  unter  dem  General- 

iLonseirator  von  Olfers    im    Osten    des    Oktogons    die    innere  Mauer   des 

karolingischen  Chors  entdeckt  (F.  Jungbluth,  Die  Restauration  des  Aachener 

Münsters  8.  58).  Anfangs  1860  fand  man  unter  Leitung  des  Bauraths  Cremer 

im  Norden  des  Oktogons,  nördlich  von  der  im  15.  Jh.  erbauten  Kreuzkapelle 

(P.  a  Beeck,  Aquisgranum  p.  76)  die  Ueberreste  zweier  verschiedener  Bau- 

theile,  die  massiven  Fundamente  eines  mächtigen  Bauwerks  von  viereckiger 

Anlage.    In  Uebereinstimmung  mit  Eäntzeler  (Der  angebliche  Grabstein 

Karls,  in  den  Jahrbüchern  des  Ver.  v.  Alterthumsfreunden  i.  Rheinlande  XLII, 

S.  143)  glaubte  F.  Bock  (Die  muthmaßlichen  Ueberreste  des  Grabes  Karls, 

im  Echo  der  Gegenwart  1866,  Nr.  70)  in  den  tieferliegenden  Substruktionen 

die  Begräbnissstätte  des  Kaisers  gefunden  zu  haben.  Der  am  26.  Februar  in 

einer  Kanalanlage  östlich  der  Apsis  der  quadratischen  Gruft  entdeckte  Bogen- 

schlussstein  mit  flüchtig  eingehauener  Inschrift:  In  hoc  sepulchro  tumulata 

ossa  Caroli  Magni  Deo  in  aeterno  gran  .  .  s  .  .  t  erwies  sich  als  Fälschung 

(von  Quast  und  Crem  er  in  den  Jahrbüchern  d.  Ver.  v.  Alterthumsfreunden 

XLn,  S.  157,   166;  Echo  der  Gegenwart  vom   10.  März   1866;  Jahrbücher 

XLm,  S.  223;  Loersch,  Das  Grab  Karls  d.  Gr.,  im  Köhier  Domblatt  1867, 

Nr.  264). 

*)  E.  aus*m  Weerth,  Das  Grab  König  Pippins  von  Italien  zu  Verona, 
m  den  Jahrbüchern  d.  Ver.  v.  Alterthumsfreunden  L,  S.  129.  Der  Verfasser 
denkt  sich  den  aus  zwei  Etagen  bestehenden,  Palast  und  Kirche  verbindenden 
Gang  auf  drei  Seiten  um  die  Vorhalle  vor  der  Kirche  herumgeführt.  Die  scharf- 
sinnige Vermuthung  ward  glänzend  bestätigt  durch  die  Ausgrabungen  des 
Karlsvereins  vom  Jahre  1886,  bei  denen  genau  in  der  Axe  des  Haupteingangs 
etwa  40  m  entfernt  alte  Treppenreste  entdeckt  wurden.  (Vgl.  Korrespon- 
denzbL  d.  Westdeutsch.  Zeitschr.  V,  S.  14,  11.)  Es  beweist  dies  jedoch 
durchaus  nicht,  dass  in  der  Mitte  eine  Grabanlage  sich  gefunden  habe. 

')von  Quast,  Das  Grab  Karls  des  Grossen  im  Münster  zu  Aachen, 
im  Eorrespondenzblatt  des  Gesammtvereins  der  deutschen  Alterthumsvereine 
XIY,  (4)  S.  81,  (11)  S.  82.  Die  Anbauten  müssen  danach  von  Anfang  an 
bestanden  haben.  Auch  in  San  Vitale  zu  Eavenna  befanden  sich  neben  der 
Altarnische  zwei  Seitenkapellen,  in  der  nördlichen  war  der  Erbauer,  Bischof 


^ 


214  P.  Giemen 

regin.  Christin,  der  Vatikana  verdankt  lediglich  der  Phantasie 
des  Künstlers  ihren  Ursprung*. 

3.  Die  Wandgemälde  im  Eaiserpalast  zu  Aachen. 

An  das  Bildniss  über  dem  Grabmal  im  Münster  reihen  sich 
die  Porträts  in  den  beiden  grossen  Cyklen  profanen  Inhalts, 
welche  unsere  Quellen  der  Karolingerzeit  zuweisen,  in  den 
Wandgemälden  der  Pfalzen  zu  Aachen  und  Ingelheim. 

Ausserordentlich  beschränkt  sind  die  Nachrichten  über  den 
Bilderkreis  zu  Aachen.  Nur  in  der  falschen  Chronik  des  Turpin  * 
und  zwar  in  dem  zweiten  Theil,  den  der  Mönch  von  St.  Andreas 
zu  Vienne  zwischen  1109  und  1119  geschrieben,  hier  freilich 
schon  in  einer  der  ältesten  Textredaktionen,  aber  nicht  in  allen 


Ecclesios,  begraben  (yon  Quast,  Eayenna  S.  28).  Einen  weitem  Beweis 
findet  die  Qoastsche  Annahme  dadurch,  dass  dem  kanonisirten  Karl  gerade 
die  nördliche  SeitenkapeUe  gewidmet  war.  Die  Annahme  einer  Beisetzung 
innerhalb  des  Oktogons  selbst  (der  unter  dem  hohenstaufischen  Leuchter 
ruhende  Grabstein  erst  unter  Bischof  Berdolet  1804  gesetzt:  Jahrbücher  d. 
Yer.  y.  Alterthumsfreunden  XXXIX,  S.  267)  ausgeschlossen  durch  die  gesetz- 
lichen Bestimmungen  Karls,  die  jederzeit  bemüht  waren,  die  Gräber  yon  den 
Kirchen  fem  zu  halten.  Im  Capitulare  Aquisgranense  ann.  813,  Mon.  G^rm. 
LL.  I,  p.  187,  Auszug  aus  den  Canones  der  sechsten  zu  Arles  gehaltenen 
Klrchenyersammlung,  p.  190,  20:  üt  mortui  in  ecolesia  non  sepeliantur,  nisi 
episcopi  aut  abbates  yel  fideles  presbiteri  (Cod.  bibL  nat  Paris.  Suppl.  laU 
75:  fideles  et  boni  presbiteri).  Dass  auch  Ludwig  d.  Fr.  desselben  Sinnes, 
beweist  eine  SteUe  im  2.  Buch  der  Kapitulariensammlung  des  Ansegis  (IIb. 
n,  46,  De  sepultura,  Mon.  Germ.  LL.  I,  p.  299:  Ut  de  sepeliendis  in  basi- 
licis  mortuis  iUa  constitutio  seryetur,  quae  ab  antiquis  patribus  constituta 
est),  die  sich  nach  Baluze  auf  canon  VI  des  concilium  Nannetense  bezieht, 
in  dem  das  Begraben  innerhalb  der  Kirchen  und  in  der  Nähe  des  Altars 
schlechthin  untersagt,  in  der  VorhaUe  erlaubt  war.  Candidus,  De  yita  Aeigili 
XXTV,  16,  Po^t.  lat.  n,  p.  115,  spricht  dem  Wortlaut  nach  dagegen,  bezieht 
sich  wohl  aber  auch  nur  auf  die  VorhaUe.  VgL  auch  Hincmari  capitula 
presbyteris  data  c.  12,  in  Migne,  Patrologia  CXXV,  p.  775:  üt  nemo  pres- 
byterorum  quemquam  in  ecclesia  sepeliat  sine  consultu  episcopi,  excepUs 
huiusmodi  personis,  quas  singiUatim  et  priyatim  in  synodo  signayimus. 

')  Abbildung  yon  Karls  Grab  und  dem  Aachener  Münster  saec.  XIY: 
Archiy  d.  Gesellschaft  f.  ältere  deutsche  Geschichtsk.  XII,  S.  272. 

')  Turpini  historia  Karoli  Magnl  c.  31:  Beatae  Mariae  yirginis 
basiUcam,  quam  ibi  aedificayerat,  auro  et  argento,  cunctisque  omatibus 
ecdesiastids  decenter  adomayit,  yeterisque  et  noyae  legis  historüs  eam 
depingi  iussit,  et  palatium  similiter,  quod  ipse  iuxta  eam  aedificayerat. 
BeUa  namque,  quae  ipse  in  Hispania  deyicit,  et  Septem  liberales  artes  inter 
caetera  miro  modo  in  ea  depicta  sunt. 


Die  Porträtdarstellongen  Karls  des  Grossen.  2t 5 

SLsLixdschrifteD,  wird  uns  berichtet,  dass  Earl  das  Münster  mit 

Sonnen  des  alten  und  neuen  Testaments,  den  Kaiserpalast  mit 

T>a.x"stellungen  der  sieben  freien  Künste   und   der  Kämpfe  in 

Sps^nien  habe  ausschmücken  lassen.  Diese  Nachricht,  im  Karolellus 

öir^w^eitert,    hat   von    Turpin    der    Cisterzienser    Helinand   aus 

St.  Maria  de  Frigido  Monte*  übernommen,  aus  dem  sie  in  die 

dxronik  des  Albericus  Monachus  Trium  Fontium  *  und  aus  dieser 


')  Chronicon  Helinandi  monachi  coenob.  Cisterc.  s.  Mariae  de  Frigido 
!BfIonte:  Tissier,  Bibl.  Cisterciens.  VII,  p.  73. 

*)  Chronica  Alberici  Monachi,  SS.  XXIII,  p.  718.  Eine  weitere 
A^nsschmückiing  des  kurzen  Berichts  bei  Turpin  bietet  der  nach  I.  VII,  c.  6, 
V.  92  wohl  gleichfalls  um  1100  von  dem  Mönch  von  St.  Andreas  in  Vienne 
verfasste  Karolellus  (ed.  Merzdorf;  vgl.  Michel,  Chanson  de  Boland  p.  244; 
Altes  Archiv  Vn,  S.  77)  1.  V,  c.  12,  v.  297—346,  p.  70: 

Haud  procul  ipse  domum  regalem  struxit;  in  ipsa 
Hispanum  beUum  quod  tandem  yicit:   et  artes 
Septem  precipuas  depingi  fecit;  easdem 
Nominibus  propriis  distinxit  et  ordine  certo: 
Grammaticam  primam  posuit:  quod  previa  mater 
Artes  preceUit  reliquas;   nam  prima  teneUis 
Fundamenta  iacit  pueris,  et  reddit  eosdem 
Instructos  prima  lingua  formare  figuras  . . . 
Die  folgende  poetische  Schilderung,  die  sich  an  Marcianus  Capeila  an- 
schliesst,  findet  sich  in  Prosa  in  der  Wiener  Hs.  der  von  einem  Aachener  Anonymus 
unter  Friedrich  I.  gefertigten  Vita  Caroli  (Cod.  bist.  lat.  149),  während  sie 
in  der  Münchener  Hs.,  Cod.  lat.  14279,  fehlt    Vgl.  Vossius,  De  historicis 
latinis  II,  32.    Sie  fand  dann  auch  Au&ahme  in  den  Prosaturpin  im  Cod. 
D.  V.  15  der  Universitäts-Bibliothek  zu  Basel.     Mit  scholastischer  Gelehr- 
samkeit aufgeputzt  ward  die  Beschreibung  erweitert  in  der  Chronique  de 
Philippe  Mousket  (ed.  Eeiffenberg  I,  p.  377)  v.  9694: 

Et  droit  en  son  palais  de  jouste, 
Fist  li  rois  paindre  mainte  jouste, 
Castiaus,  chit^s,  viles  et  bors 
Poignis,  bataiUes  et  estours. 
Et  quan  qu'il  ot  fait  en  sa  vie.  y. 

Et  les  vn  ars  n'obUa  mie. 
V.  9794:  Ces  VII  ars  i  fist  Karies  paindre 
Et  de  coulors  divierses  taindre. 
Et  toutes  lor  fiUes  apri^s. 
Moult  en  fu  b*  mestres  engri^s. 
Si  furent  paint  tot  li  estour 
K'il  venqui  onques  i  nul  jour. 
Et  les  ti^res  k'U  ot  conquises 
Et  les  lois  k^il  i  ot  assises. 
Tout  i  fist  Karies  paindre  et  metre 
Celui  ki  s'  en  sot  entremetre. 


216  P.  Giemen 

wieder  in  eine  Beihe  anderer  Kompilationen  fiberging.  Nachdem 
durch  Janitscheks  Untersuchungen  ^  sowohl  die  Ausschmfickung 
des  Aachener  Mfinsters  wie  die  Ausmalung  der  Ingelheimer 
Pfalz  auf  eine  spätere  Zeit  verlegt  worden  sind,  ist  auch  die 
Möglichkeit  benommen,  diesen  Bildercyklus  auf  Karls  Initiative 
selbst  zurfickzuführen.  Es  liegt  kein  innerer  Grund  vor,  die 
Nachricht  des  Mönches  von  St.  Andreas  oder  seines  Interpolators 
ohne  Weiteres  zu  den  Todten  zu  werfen.  Eine  malerische  Aus- 
schmfickung haben  die  breiten  Wandflächen  im  Festsaal  der 
Aachener  Pfalz  sicherlich  aufzuweisen  gehabt  —  und  in  der 
Notiz  des  Turpin  ist  keinerlei  innere  ünwahrscheinlichkeit  vor- 
handen wie  in  der  Mittheilung  fiber  die  Ausmalung  des  Mfinsters. 
Es  liegt  am  nächsten,  die  Gemälde  in  die  Zeit  Ludwigs  d.  Fr.  zu 
setzen.  Sofort  ergibt  sich  die  Parallele  zwischen  der  Dar- 
stellung der  Maurenkriege  zu  Aachen,  der  Sachsenkriege  zu 
Ingelheim.  Aber  auch  die  Wiedergabe  der  sieben  freien  Kfinste 
gehört  schon  dem  Bilderkreis  der  frühesten  karolingischen  Zeit 
an.  Bekannt  ist  das  Gedicht  des  grossen  Kunstfreunds  Theodulf 
von  Orleans*,  der  eine  Darstellung  der  sieben  freien  Kfinste 


>)  Janitschek,  Studien  z.  Gesch.  derkaroling.  Malerei  n,  S.  22,  24. 

*)  Theodulfi  Carmen  de  septem  liberalibus  artibns  in  qoadam  pictora 
depictis,  Poet.  lat.  I,  544:  Discos  erat  tereti  formatos  imagine  mondi. 
Vgl.  K.  Liersch,  Die  Gedichte  Theodolfs  S.  64.  Am  besten  wird  man  sich 
unter  discus  eine  grosse  mnde  Metallplatte  yorsteUen,  in  ähnlicher  Weise 
wie  die  drei  grossen  silbernen  und  der  eine  goldene  Tisch  im  Schatz  Karls 
mit  Zeichnungen  bedeckt.  Der  dritte  silberne  Tisch  mit  der  DarsteUung  der 
Erde,  der  Planeten,  der  Fixsterne  (Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- 
yereins  m,  S.  56),  von  Einhard,  Vita  Karoli  c.  88  als  mensa  bezeichnet, 
heisst  an  anderer  SteUe  discus  (Prudentii  Trecensis  annales  ad  ann.  842, 
SS.  I,  p.  438,  39 :  disco  etiam  mirae  magnitudinis  ac  pnlchritudinis  argenteo). 
Es  ist  nicht  unmöglich,  dass  der  Tisch  mit  der  DarsteUung  der  sieben  freien 
Künste  alsdann  identisch  ist  mit  dem  letzten  goldenen,  dessen  Schmuck 
merkwürdigerweise  yon  Einhard  nicht  angegeben  wird,  während  er  den  der 
andern  ausführlich  schildert  Als  Tisch  schon  gefasst  Abel-Simson,  Jahr- 
bücher n,  S.  457,  Anm.  3.  Von  dem  Gedicht  Theodulfs  an  lässt  sich  eine 
ununterbrochene  Beihe  yon  DarsteUnngen  der  sieben  freien  Künste  bis  in  das 
späte  Mittelalter  hinein  nachweisen. 

Giulio  Ferrario,  Storia  ed  analisi  degli  antichi  romanzi  di  cayalleria 
I,  p.  79,  not.  behauptet  mit  Unrecht,  die  DarsteUung  gehöre  erst  dem' 12. 
Jahrb.  an.  Ausgeprägt  wurde  sie  in  des  Neuplatonikers  Marcianus  Capeila 
9  Büchern  de  nuptiis  Philologiae  et  Mercurii,  wo  Phoebus  die  einzelnen 
Mägde  aus  dem  Hause  seines  Bruders  Merkur  yorführt,  eben  die  sieben  freien 
Künste,  yon  denen  ein  kurzes  symbolisch-aUegorisches  Bild  gegeben  wird. 


Die  PoftritdTsteDmigen  Kftris  des  Grossen.  217 

auf  einer  runden  Scheibe  beschreibt  —  und  in  der  Ausschmflckung 
seiner  Verse  wie  der  Mauern  seiner  Kirchen  bedient  sich 
Theodulf  des  allegorisch-symbolischen  Stils  mit  Vorliebe  — 
des  französischen  Bischofs  geistreiche  Verse  mttssen  zunächst 
herangezogen  werden,  um  ein  Bild  der  untergegangenen  Schöpfung 
herau&ubeschwören. 


Einen  zweiten  Abriss  botCassiodorasSenatorimS.  Theil  seiner  Institnt  iones 
diyinanun  et  saecnlarinm  lectionnm,  betitelt :  De  artibus  ac  disciplinis  liboralium 
artium  (Opp.  ed.  Garet  II,  528).  Insbesondere  in  der  Zeit  der  karolingrischon 
Knnst  mehren  sich  die  Yerarbeitangen :  Alcuin  führt  die  freien  Künste  als  die 
sieben  Stufen  znr  Theologie  auf,  den  sieben  Säulen  im  Hause  der  Weisheit  bei 
Salomon  gleichend  (Sprüche  Sal.  IX,  1 :  Die  Weisheit  baute  ihr  Haus  und  hieb 
sieben  Säulen).  Babanus  Maurus  definirt  die  sieben  Künste  in  „de  clerlcorum 
Institutionen  m,  c.  18  und  in  „de  uniyerso'*  im  Anschluss  an  Isidors  Ethy- 
mologien.  Theodulf  gibt  nicht  nur  die  erwähnte  grosse  Beschreibung,  andere 
titnli  yon  ihm  behandeln  die  verschiedenen  Künste  einzeln  (Poöt.  lat.  I,  p.  629), 
wie  er  auch  in  dem  Fragment  des  Kampfes  mit  den  Lastern  sieben  Laster  und 
sieben  Tugenden  einander  gegenübergestellt  (Haur^an,  Singularitös  historiques 
et  litt^raires  p.  48).  Vgl.  die  epistula  Gunzonis  (Martene  et  Durand, 
ColL  ampl.  1, 308)  und  Honorius  yon  Autun  III,  22.  Ein  titulus  von  Hibernicus 
exul  weist  auf  eine  zweite  grössere  bildliche  Darstellung  hin.  Der  gelehrte 
Ermenrich  yon  Ellwangen  spricht  die  Absicht  aus,  König  Ludwig  eine 
Schrift  über  die  sieben  Künste  zu  widmen  (Dümmler,  Ermenrich  und  seine 
Schriften,  in  den  Forschungen  zur  deutschen  Qesch.  XIII,  S.  478).  In  der 
KapeUe  des  h.  Othmar  zu  St.  GaUen  liess  Abt  Harmotus  884  die  Weisheit 
mit  ihren  sieben  Töchtern  abmalen  (Migne,  Patrologia  (^'XXII,  p.  989).  Die 
erste  bildliche  Verkörperung  im  Cod.  855  saec.  IX  in  der  HtiftsblbL  zu 
St.  Gallen,  enthaltend  Cassiodoms  de  Septem  artibus  in  rohen  Federzeichnungen 
fol.  276,  305,  sodann  in  dem  für  Karl  den  Kahlen  geschriebenen  (UA.  H.  L 
lY,  12  zu  Bamberg  (Leitschnb,  Der  Bilderkreis  der  karoling,  Malerei 
S.  82).  Dann  kommentirte  Bemi  d*Aaxerre  den  Marciaons.  Sein  Werl^ 
enthalten  im  Cod«  71  (88)  der  BibL  zu  Anxerre  (CataL  des  d^parteneot« 
VI,  82),  iUttstrirt  io  den  Cod.  ane.  fonds  lat.  8f)74  und  Sim  dfnr  BibL  tut, 
zu  Paris  (J.  E.  F.  Corpet,  Portrait^  dm  art»  liUrraux  d'apr^  ie«  (rrivaäta 
au  moyen  äge,  in  den  AnnaL  arch^iL  XVII^  p.  89),  harrt  Doch  dfm  E4iujn. 
Ekkehard  der  Jüngere  ron  8t.  Gallen  wrfaildert  wi«^  Alcuin  die  sieben  KülA^t« 
als  Standbilder  anf  Scalen  (Dttmmler  in  HjäOpt«  Z».  für  d^fat^rh,  Ait/frtna 
XrV,  8.  30),  wohl  jfc^ii*e  ptuXwtrlhfh^.  Dar uti^i Jung,  wi^  Herrn.  Orima. 
Beiterstandbiid  de»  Th^^MoryiU  will,  nt/utU^u  uur  ein  (}t4jUik*^*^yM 
(C.  P.  Bock  in  de«  iairt/u^h'-r«  d,  V*t,  r.  Ait'.Ttbaiü^freojudes  L  fc-  ^, 
Anm.  2).  Ib  OiL  L  t,  l*t,  4^  '^  ^^-*^,  X  d*f  fOfMj,  0'^tJJuj^'WjLli»ni- 
steinschen  BibL  zu  Jlailjji*^*-«*  V*  f »*,  » ^M »;  r/i  *,•'«  K  ^ i**i^  <^i.  h^ht^y*^  Pf-CT- 
d.  Würzburger  ^tÄdi^^iuoü^*  \^>t\  >  ^/#«i*  f*/)»fM-piiwuw^»-ft,*A»^»»'^>ijt 'X#4- 
199  saec.  X  zm  H,  OnJV*  (*\*wr  A/M^/y  Xt.  *  4^0  K/i^  im  y^uÄ-iiiw«  as 
Marcianestotaad^a*^  i^itt^*4ß*  i;*  ^i*^-^  4m  /m  *>« «« 1"  ut^A  nv*  '•'^  OmJU-u  *.  ^*-««f 
Arcbir  V,  H,  ^Z7,    hiu^i  i^r'^nrAj*  '//v^i  1*^  tftnr*AiiuuK,m  g^k^ju  ^»mt  ^vb^ 


218  P.  Giemen 

4.  Der  Bilderkreis  der  Pfalz  zu  Ingelheim. 

Von  dem  Bildercyklus  in  Ingelheim  berichtet  allein  Ermoldus 
Nigellus,  der  in  überschwänglicher  Weise  den  Palast  Earls 
feierte  Der  Poöta  Saxo,  der  nach  ihm  die  ausführlichste 
Schilderung  der  Pfalz  hinterlassen*,  erwähnt  nichts  von  dem 
Bilderschmuck,  und  unter  den  Spätem  erzählen  Lambert'  und 
Eagewin*  nur  in  den  allgemeinsten  Ausdrücken  von  der  uner- 
hörten Pracht  der  Ausstattung  —  „oeuvres  merveilleuses  et 
cousteuses**  heissen  die  Pfalzen  noch  in  der  sagenhaften  Ueber- 
lieferung  der  Grandes  chroniques  de  France*. 

Nachdem  Ermoldus  ausführlich  die  Malereien  der  Remigius- 
kirche  geschildert,  zwölf  Parallelscenen  des  alten  und  neuen 


die  Ulustrirteii  Boethias-Handschriften,  Cod.  216  der  £cole  de  mMecine  zu 
Montpellier  (Catal.  I,  872),  Cod.  12  der  BibL  pubL  za  Alen^n  mit  Versen 
(vgl.  Eavaisson,  Eapports  p.  404,  406),  so  auch  noch  in  der  Hs.  des  Jan 
van  Erickenborch,  Cod.  1  n6erl.  Paris,  Bibl.  nat.  Die  Beziehungen  der  sieben 
Säulen  auf  die  sieben  Künste  erst  wieder  im  Mariale  AlbertiMagni,  quaest.  98, 
Opera,  tom.  XX,  p.  n,  77.  Vgl.  Bock,  (Preiburger)  Christliche  Kunstblätter 
1869,  S.  92;  Anzeiger  für  Kunde  d.  deutsch.  Vorzeit  N.  F.  IV,  S.  273, 
808.  Die  sieben  Künste  auf  einem  Mosaikfnssboden  zu  Ivrea,  jetzt  im  Priester- 
seminar, ygl.  E.  aus^m  Weerth,  Der  Mosaikfnssboden  zu  St  Oereon  S.  21; 
Viollet-le-Due,  Dictionnaire  II,  p.  1 0,  VTII,  p.  96 ;  Annal.  archöol.  XVII,  p.  89, 
dazu  sieben  Epigramme  saec.  X  bei  Angelo  Mai,  Class.  aut  lib.  V,  p.  420. 

*)  Ermoldi  Nigelli  Carmen  in  honorem  Hludowici,  lib.  IV,  181,  Po€t. 
lat  n,  63: 

Est  locos  iUe  situs  rapid!  prope  flumina  Rheni, 

Omatus  yariis  cultibus  et  dapibus, 

Quo  domus  ampla  patet  centum  perfixa  columnis, 

Quo  reditus  yarii  tectaque  multimoda, 

MiUe  aditus,  reditus,  miUenaque  claustra  domorum, 

Acta  magistrorum  artificumgue  manu. 

Einhard,  Vita  Kar.  c.  17  sagt  nur:  opera  plurima  ad  regni  deco- 
rem  et  commoditatem  pertinentia ....  inchoayit  et  palatia  operis  egregii, 
unum  haud  longe  a  Mogontiaco  ciyitate,  iuxta  yillam  cui  yocabulum  est 
IngilenheiuL 

*)  Po6ta  Saxo,  lib.  V,  429,  SS.  I,  p.  274. 

')  Lamberti  annales  ad  ann.  1046,  SS.  V,  p.  154  berichten  beiläufig 
yon  Nymwegen:  Neumago  domum  regiam  miri  et  incomparabiÜB  operis 
incendit. 

*)  Ragewin,  Gesta  Friderici  imp.  IV,  76,  SS.  XX,  p.  490:  Palatia 
siquidem  a  Karolo  Magno  quondam  pulcherrima  fabricata  et  regias  clarissimo 
opere  decoratas  apud  Noyiomagum,  iuxta  yillam  Inglinheim,  opera  quidem 
fortissima,  sed  iam  tam  neclectu  quam  yetustate  fessa,  decentissime  reparayit. 

^)  Grandes  chroniques  de  France  ed.  Paulin  Paris  II,  p.  158. 


i 


Die  Portritdantellimgeii  Karls  des  Grossen.  219 

Bandes,  ein  echikarolingisches  Darstellongsschema,  das  uns  in 
einem  Traktat  des  Alcuin  *  und  in  den  libri  Carolini  ■  wiederholt 
entgegentritt ',  wendet  er  sich  zu  der  Beschreibung  der  Gemälde 
des  grossen  Festsaals  ^,  des  Trichorums,  das  den  sfidlichen 
Abschluss  des  Saalbaus  bildete.  Wie  in  dem  kirchlichen  Bilder- 
kreis das  alte  und  neue  Testament  in  das  Verhältniss  von 
Verheissung  und  Erfüllung  gebracht  worden  waren,  so  versuchte 
der  Maler  oder  vielmehr  der  gelehrte  geistliche  Leiter  des 
Cyklus  auch  hier,  wo  es  galt,  den  Lauf  der  Weltgeschichte 
von  der  Gründung  des  assyrischen  Reichs  bis  zu  den  Tagen 
Ludwigs  d.  Fr.  in  den  grossen  Wendepunkten  zu  schildern,  die  Ent- 
wicklungsstufen des  heidnischen  und  christlichen  Herrscherthums 
auf  einer  gleichen  Anzahl  von  Felderabtheilungen  einander 
gegenüberzustellen.  Dass  er  in  der  Idee  und  in  der  Wahl  der 
Stoffe  dem  Orosius  folgte  \  ist  durch  die  Erörterungen  C.  P.  Bocks 
festgestellte  Die  Inschriften,  mit  denen  das  Werk  sicherlich 
versehen  war,  hat  Ermold  nur  zum  Theil  in  seine  Arbeit  auf- 
genommen und  so  die  Angaben  verwirrt.  Wir  dürfen  nach 
dem  ausgesprochenen  Parallelismus  seine  Beschreibung  ergänzen. 
Im  letzten  Felde  standen  sich  gegenüber  die  höchste  Blüthe 


')  De  comparatione  novi  et  yeteris  testamenti  a  denario  nnmero  usque 
ad  anam  deque  mystlco  singulomm  significatn:  Pez,  Thesaurus  anecdotom 
n,  p.  S. 

«)  Libri  Carolini  I,  20,  U,  4,  m,  25,  IV,  18.  Vgl.  L.  Lersch,  Die  geist- 
lichen Malereien  in  der  HofkapeUe  Karls  d.  Gr.  za  Ingelheim  und  die  biblischen 
Parallelbilder  des  Mittelalters,  in  Dienngers  Katholischer  Zeitschrift  für 
Wissenschaft  and  Kunst  II,  S.  81 — 53.  Verwandt  die  Anordnung  in  St.  Gallen 
(ygL  die  tituli:  Po^.  lat.  II,  480;  Leitschuh,  Der  Bilderkreis  der  karol. 
Malerei  S.  65),  im  10.  Jh.  in  Petershausen  (Gas.  mon.  Petrishus.  I,  22,  SS. 
XX,  p.  632)  und  Mainz  (Fr.  Schneider,  Der  h.  Bardo  S.  187,  Anhang  1). 

«)  Ermoldus  Nigellus  IV,  187—242. 

*)  V.  248:  His  est  aula  dei  picturis  arte  referta, 
Pleniter  artifici  rite  polita  manu. 
Begia  namque  domus  late  persculpta  nitescit, 
Et  canit  ingenio  maTrima  gesta  virum. 

*)  Die  genaue  GegenübersteUung  ergibt :  V.  247  —  Orosius  (ed.  Haver- 
camp  et  Bivarius  bei  Migne,  Patrologia  XXXI)  I,  4;  250  —  11,  6;  252  — 
n,  7;  260  —  I,  20;  262  —  II,  4;  264  —  IV,  15;  266  —  VI,  21;  vgl. 
auch  Didron,  Iconographie  des  ch&teaux,  in  den  AnnaL  arch^l.  XVII, 
p.  8—12. 

«)  C.  P.  Bock,  Die  Bildwerke  in  der  Ffalz  Ludwigs  des  Frommen 
zu  Ingelheim,  in  Lerschs  Niederrheinischem  Jahrbuch  ftkr  Gesebidi^  ud 
Kunst  n,  d.  241,  267. 


220  P.  Giemen 

des  Griechen-  und  Eömerthums  und  der  höchste  Triumph  des 
fränkischen  Kaiserthums :    hier  der  Sieg  Alexanders  und   der 
Einzug  des  Augustus  in  Born,    dort  Karls  Sachsensieg.    Wie 
in  den  vorhergehenden  vier  Felderpaaren  auf  jedem  Felde  je 
zwei  Scenen  zur  Darstellung  gekommen  waren,  so  dürfen  wir 
dies  Verhältniss  auch  hier  annehmen.   Der  Sieg  Alexanders  und 
der  Sieg  Earls  entsprechen  sich  bis  in  die  Einzelheiten:   dort 
nach  Orosius  die  Errichtung  von  Altären  im  Eiphäischen  Gebirge, 
hier  die  Umstürzung  der  heidnischen  Altäre  und  der  Irminsul 
—  was  liegt  da  näher,   als   der  Aufrichtung   des   römischen 
Kaiserthums  durch  Augustus  die  Erneuerung  desselben  durch 
den   grössten   Helden   des   fränkischen  Stammes,   durch  Karl, 
gegenüberzusetzen  und  mit  der  Darstellung  von  Karls  Kaiser- 
krönung dem  Cyklus  den  würdigsten  Abschluss  zu  verleihen? 
Bei  der  unbestimmten  Ausdrucksweise  des  Ermoldus  kann  man 
doch  aus  den  Worten : 

Et  Carolus  sapiens  vultus  praetendit  apertos, 

Fertque  coronatum  stemmate  rite  caput; 

Hinc  Saxona  cohors  contra  stat,  proelia  temptat, 

nie  ferit,  domitat,  ad  sua  iura  trahit^ 
in  der  Schilderung  Karls  einen  gewissen  Gegensatz  erkennen: 
das  erste  Verspaar  deutet  auf  eine  ruhige,  würdevolle  Handlung, 
das  zweite  auf  eine  wild  bewegte  Kampfesscene ;  das  erste 
weist  durch  das  „rite"  noch  dazu  auf  das  Vorhandensein  des  feier- 
lichen Krönungsomats  hin  —  und  bei  keinem  Akt  in  der  ganzen 
Lebensdauer  Karls  hätte  dasselbe  eine  ähnliche  Berechtigung 
gehabt  wie  bei  der  Kaiserkrönung  in  Rom. 

Dass  nicht,  wie  Bock,  gestützt  auf  V.  245,  meint,  Holz- 
schnitzereien anzunehmen  sind,  hat  schon  Janitschek'  gezeigt. 
Der  Bildercyklus  bestand  aus  Wandgemälden  oder  musivischen 
Arbeiten,  die  auf  den  beiden  Obermauern  der  Säulenstellungen 
in  dem  Trichorum  angebracht  waren,  deren  Vorhandensein  durch 
die  Ausgrabungen,  die  ich  1888  und  1889  veranstaltet,  nach- 
gewiesen ist'.    Die  Annahme  Bocks,  die  Bilder  seien  an  der 


*)  Ermoldus  Nigellus  IV,  279. 

*)  Janitschek,  Stadien  zur  Gesch.  der  karol.  Malerei  IL  Strassborger 
Festgruss  S.  24,  Anm.  18. 

')  Giemen,  Der  karolingische  Kaiaerpalast  zu  Ingelheim,  in  der 
Westdentschen  Zeitschr.  für  Geschichte  und  Kunst  1890,  1;  Ders.,  Der  Palast 
Karls  des  Grossen  in  Ingelheim,  in  der  Allgemeinen  Zeitung  1889,  Beilage  269; 


Die  Portrfttdaistellimgen  Karls  des  Grossen.  221 

Decke  angebracht  gewesen,  und  von  Cohausens,  der  sie  auf  der 
westlichen  Wandfläche  aufgemalt  sein  Hess,  so  dass  sie  von 
einer  gegenfiberliegenden  breiten  Empore  zu  betrachten  gewesen 
wären,  wird  hiermit  hinfällig. 

Nur  die  ersten  der  lebenden  Meister,  die  Zeitgenossen  des 
Maladulphus  und  Candidus  konnten  bei  der  Uebertragung  der  Aus- 
führung in  Betracht  kommen.  Der  Name  des  Meisters  ist  uns  nicht 
genannt,  ebenso  wenig  wie  der  Name  des  Architekten,  der  den  Plan 
zu  der  grossartigen  Palastanlage  ersonnen.  Entstand  der  Cyklus  auch 
erst  unter  Ludwig  d.  Fr.,  so  wuchs  doch  der  Plan  heraus  aus  dem 
Gedankenkreis  der  Gelehrtenakademie  Karls.  Das  byzantinische 
Eaiserthum  bildet  das  Verbindungsglied  zwischen  römischem 
Weltreich  und  fränkischem  Weltreich :  ist  es  doch  erst  Frechulf 
von  Lisieux,  der  in  seiner  Weltchronik  die  bisher  so  ängstlich 
festgehaltene  Kontinuität  des  Römerreichs  gänzlich  aufgibt. 
Bezeichnend  ist,  dass  nur  das  von  Karl  so  hoch  geachtete 
germanische  Heidenthum  in  der  Bilderfolge  nicht  zu  Wort 
kommt:  es  fügte  sich  weder  als  verbindendes  Glied  dem 
Rahmen  ein,  noch  entsprach  es  den  Ansichten  Ludwigs.  Neben 
der  politischen  Grundidee,  die  der  Cyklus  aussprechen  sollte, 
sie  zum  Theil  unterstützend,  tritt  eine  christliche  Tendenz 
als  belehrendes  Moment  zu  Tage :  nach  dem  Worte  des  Salvianus 
von  Massilien :  Dum  semper  gubernat  Dens,  semper  et  iudicat : 
quia  gubematio  ipsa  iudicium  est^  erscheint  das  heidnische 
Herrscherthum,  dessen  schwere  Vergehen  immer  die  Strafen 
im  Gefolge  haben,  in  jeder  Beziehung  iem  christlichen  Herrscher- 
thum unterlegen,  ist  das  Ganze  dem  Gedanken  von  einer 
göttlichen  Gerechtigkeit  und  Weltregierung  unterstellt. 

Es  ist  das  Eigenthttmliche  einer  jeden  wahrhaft  grossen 
Zeit,  dass  sie  kraft  der  ihr  innewohnenden  Ruhmesliebe  gebie- 
terisch eine  künstlerische  Verewigung  ihrer  Grossthaten  fordert, 
sei  es  durch  Darstellung  paralleler  Vorgänge  in  der  Welt  ihrer 
Götter  und  Heroen  oder  in  zeitlich  zurückliegenden  Epochen 
der  eigenen  Geschichte,  sei  es  in  der  Schilderung  der  selbst- 
erlebten, selbstdurchkämpften  Zeit.  Es  ist  der  höchste  Beweis 
für  die  Monumentalität  der  karolingischen  Kunst,  dass  ihr  dieser 


yon  Cohaasen,  Zwei  Bestaarationsy ersuche  d.  FesthaUe  i.  d.  Kaiserpfalz 
zn  Ingelheim,  in  den  Jahrhüchem  d.  Ver.  yon  Alterthnmsfreunden  XX,  S.  140. 
>)  Salyiani  presbyt.  Mass.  opera  ed.  St.  Baluzim,  1.  III,  c.  4;  Hist. 
litt^r.  de  France  II,  p.  517. 


222  P.  Ckmem 

Ansdraek  der  üeberzengimg  tod  der  eigenen  Grösse  nicht 
abgeht  Der  anf  Born  und  Italien  gerichtete  Blick  Karls  konnte 
nicht  achtlos  vorbeigehen  an  den  anf  Schritt  nnd  Tritt  sich 
aufdrängenden  Verherrlichungen  der  eigenen  Thaten  in  den 
Werken  der  antiken  Kunst.  So  findet  der  monumentale  Charakter 
der  Yon  der  einen  grossen  Persönlichkeit  Karls  gewollten  und 
gezeugte  Renaissance  den  bedeutsamsten  Ausdruck  in  dem 
Herrorrufen  einer  neuen  profanen  Wandmalerei.  Denn  wir 
dfirfen  nicht  vergessen:  es  ist  der  erste  grosse  GremUdecyklus, 
der  gleichzeitige  historische  Vorgänge  zum  Gegenstand  hat,  seit 
den  Tagen  der  Langobardenkönigin  Theudelinde,  die  ihren  Palast 
zu  Monza  mit  Scenen  aus  der  (beschichte  des  eigenen  Volkes 
ausschmfickte  ^,  und  erst  unter  Heinrich  I.  fordert  wieder  die 
Ruhmsucht  des  deutschen  Volkes  eine  Verherrlichung  seiner 
Thaten  in  den  Wandgemälden  seines  Palatiums  zu  Merseburg  K 
Und  dieser  Eindruck  des  monumentalen  Charakters  karolingischer 
Hofkunst  wird  noch  verstärkt  durch  den  Nachweis  von  Ehren- 
statuen, von  freistehenden  Rundbildern. 

5.  Die  Statue  im  Klosterhof  zu  Lorsch. 

Die  Lorscher  Annalen  berichten,  im  Hof  des  Klosters  zu 
Lorsch  an  der  Bergstrasse  habe  eine  Statue  gestanden',  deren 
Inschrift  „Karolus  Imperator  iussit  cubitum  istum  fleri  iuxta 
mensuram  suam^  in  versilberten  Buchstaben  sie  als  ein  Porträt- 
bildniss  Karls  beglaubigt,  zugleich  als  ein  Werk,  das,  der  Liitia- 


')  Paulus  Diaconus,  Historia  Langobardorum  IV,  c.  22,  SS.  rer. 
Langob.  p.  124:  Ibi  etiam  praefata  regioa  (Theudelinda)  sibi  palatium 
condidit,  in  quo  aliquit  et  de  Langobardorum  gestis  depingi  fecit  In  qua 
pictura  manifeste  ostenditur,  quo  modo  Longobardi  eo  tempore  comam  capitis 
tondebant,  vel  qualis  illis  yestitus  qualis  habitus  erat.  YgL  Tiraboschi, 
Storia  della  lett.  itaL  DI,  n,  c.  6,  §  3;  £m6ric-Dayid,  Discours  histori- 
ques  sur  la  peinture  moderne  p.  108. 

*)  Liutprandi  antapodosis  in,  c.  31.  YgL  Springer,  Die  deutsche 
Kunst  im  10.  Jh.,  in  den  Bildern  a.  d.  neueren  Eunstgesch.  I,  S.  116; 
Janitschek,  Gesch.  d.  deutschen  Malerei  S.  61. 

')  Kunstannalen  des  Klosters  Lorsch  an  der  Bergstrasse  814;  Kirchen- 
schmuck.  Blätter  des  christlichen  Kunstvereins  der  Diöcese  Sekkau  XI, 
Heft  3,  S.  14.  Die  Nachricht  stammt  aus  verlorenen  Lorscher  Annalen,  zuerst  bei 
Hei  wich,  Antiquitates  Laurishaimenses  seu  chronologia  mon.  s.  Nazarii 
Laurishaimensis  und  Joannes,  Res  Moguntin.  m,  p.  36.  Vgl.  A.  F.  Falk, 
Geschichte  d.  ehemaligen  Klosters  Lorsch  S.  161,  Anm.  43. 


Die  PorträtdarsteUnngeii  Karls  des  Grossen.  223 

tive  des  letztern  seine  Entstehung  dankend,  mit  Gewissheit 
der  frühesten  karolingischen  Kunst  selbst  angehört.  Die  Bezie- 
hungen des  Klosters  Lorsch  zum  Aachener  Hof  waren  eng  genug, 
um  eine  derartige  ausserordentliche  Stiftung  zu  rechtfertigen. 
Auch  steht  dieses  Werk  nicht  allein  in  der  Geschichte  der 
karolingischen  Plastik,  die  von  Werken  in  grösserm  Maßstab 
sonst  wenig  meldet.  Es  sind  uns  die  Verse  eines  Zeitgenossen 
auf  die  Zerstörung  des  Klosters  Montglonne,  des  nachmaligen 
Saint-Florent-le-Vieil,  durch  die  Bretonen  erhalten,  von  Dom 
Pitra  und  Dflmmler  aus  dem  Kodex  der  Bibliothek  zu  Chelten- 
ham  herausgegeben  ^  Als  Zeichen  des  Selbstvertrauens,  als 
Hohn  fQr  den  machtlosen  Karl  den  Kahlen  lässt  der  Bretonen- 
häuptling  Nemenoius  sein  Bildniss  aus  weissem  Stein*  fertigen 
und  im  Kloster  selbst  aufstellen'.  Als  drittes  freistehendes 
Rundbild   der   Karolingerzeit   Hesse    sich   höchstens   noch    die 


")  Marchegay,  Biblioth^ue  de  T^cole  des  chartes  IV,  127. 

•)  Versus  de  eversione  monasterii  ölonnensis:  Po6t.  lat.  II,  148,  v.  26: 
niias  albo  lapide  scnlpta  yisos  imagine. 

■)  Dom  Pitra,  Archives  des  missions  scientifiques  IV,  p.  180.  Po6t. 
lat.  n,  148,  V.  23: 

Jnbet  snam  mox  stataam  efftgiari  splendidam, 
Quam  ponerent  pinnaculo  ad  Orientem  patulo, 
Signum  quod  esset  Karolum  se  non  timere  dominunL 

Constanünopel  mit  seinem  Wald  yon  Statuen  mochte  lebhaft  einwirken. 
Den  Hof  der  Hagia  Sophia  fiülten  aUein  420  Bildsäulen.  Vgl.  die  Auszüge 
aus  Banduri  bei  Heyne,  Serioris  artis  opp.  sub  imp.  Byzant.  I:  Comment. 
societ.  reg.  sdent  Gk)etting.  XI,  44  und  F.  W.  Unger,  Quellen  d.  byzantin. 
Kunstgeschichte.  QueUenschriften  XII,  S.  184,  137,  151,  186.  Ein  Vertrag  des 
Theodahat  beiProcopius,  De  hello  (lothico  1.  V,  c.  7  setzt  den  Gebrauch 
voraus,  den  gothischen  Königen  Bildsäulen  zu  errichten.  Vgl.  von  Bumohr, 
ItaL  Forschungen  I,  S.  181.  Die  libri  Carolini  endlich  erwähnen  wiederholt 
Kaiserbildnisse.  L.  CaroL  m,  c.  15:  Migne,  Patrologia  XCVlU,  p.  1142: 
Si  enim  imperiales  effigies  et  imagines  emissas  in  ciyitates  et  provincias 
obyiabunt  populo  .  .  .  Imperatorum  imagines  in  ciyitatibus  et  in  plateis 
adorantur.  Und  in  der  Denkschrift  der  Pariser  Synode  an  den  Papst  Eugen 
(erhalten  in  dem  Entwurf  eines  officiellen  Schreibens  des  Papstes  an  die 
Griechen)  ist  die  Bede  Ton  den  Bildern  in  Kirchen  und  Palästen,  die  pro 
amorispii  memoria  aufgestellt  worden:  Mansi,  Collect,  concil.  XIV,  p.  463; 
He  feie,  Concillengeschichte  IV,  S.  45.  Von  freistehenden  Bundbildem  auf 
deutscher  Erde  in  yorkarolingischer  Zeit  melden  Vita  s.  Sturmi  c.  22,  SS.  II, 
P.  876;  Vita  s.  Lebuini,  SS.  II,  p.  362;  Batperti  cas.  s.  Galli,  SS.  n,  p.  61; 
Vita  8.GaUi,  SS.  H,  p.  7;  Ermoldus  Nifllaf  Jl  hUL  Hlud.  reg.  IV,  p.  42, 
Po€t.  lat.  n,  p.  60. 


2S4  P.  Ckmen 

MzTJewsUtue  in  Metz  anreihen,  die  Taotilo  dort  geschaffen  ^  — 
ein  WeriLr  Ton  dem  es  unbestimmt  ist,  ob  es  in  der  That  als 
ToUiges  Snndbfld  zu  denken  ist '.  Erhalten  ist  von  allen  Werken 
der  karoUngischen  grossen  Plastik  nichts  mit  Ausnahme  der 
dtrftigen  Skulpturen  im  Museum  zu  Narbonne  und  Arles,  kurzer 
dickk^ffiger  Embryonen  in  rohgemeisselten  Ornamenten',  und 
der  Bftseüefe  im  Chor  der  Kapelle  zu  Hubinne  bei  Ciney. 


6.  Die  Mosaik  im  Triklinium  des  Lateran. 

In  B(Hn  hatte  Leo  m.  in  den  Jahren  796  bis  799  dem 
Lateranensischen  Palast  das  prächtige,  Ton  weissen  Marmor- 
säulen getragene  tricUnium  malus  hinzugefiLgt,  das  drei  grosse 
Tribünen  mit  musivischen  Bildern  enthielte  Noch  Nikolaus  V. 
bewirthete  in  dem  Speisesaal  den  Kaiser  Friedrich,  dann  ver- 
fiel der  Palast,  und  Sixtus  Y.  liess  die  Mauern  des  Lateran 
niederlegen:  nur  die  Tribüne  des  grossen  Festsaals  mit  der 
Hauptapsis  blieb  ^    Als  unter  Papst  Klemens  Vn.  die  Tribüne 


')  Ekkehardi  IV.  casus  s.  GaUi,  SS.  n,  p.  100,  32:  Taotilo  vero  com 
apnd  Metensinm  urbem  caelatnros  satagaret,  peregrini  dno  sanctae  Mariae 
imagmem  caelanti  asüterant  ....  imago  ipsa  sedens,  qaasi  yiya,  adhue 
hodie  est  yeneranda. 

*)  A.  Schultz,  Taotilo  yon  St.  Gallen:  Dohme,  Kunst  und  Künstler  I, 
S.  28  redet  nur  yon  einer  ,,Altartafel*. 

')  Abbildung  bei  de  Caumont,  Documents  sur  P^tat  .de  Part  aux 
^poques  m^royingienne  et  carloyingienne,  in  dem  Bulletin  monumental  XXXIV, 
p.  117.  Das  Fragment  eines  Frieses  aus  Ingelheim  im  Mainzer  Museum 
(Abb.  bei  Fr.  Schneider  im  Korrespondenzbl.  d.  Qesammtyereins  1876, 
S.  97),  der  Thürsturz  in  der  Kirche  zu  Bierstatt  bei  Wiesbaden  (Lotz, 
Baudenkmäler  d.  Begierungsbez.  Wiesbaden  S.  82)  und  Beste  der  Skulp- 
turen aus  La  Balme  im  Museum  zu  Lausanne,  aus  Layigny  im  Museum 
zu  Genf,  endlich  einige  rohe  Grabsteine  in  Wiesbaden,  in  St.  Maria  im  Kapitol 
und  im  Museum  zu  Köln  (yon  Quast,  Mittelrheinische  Sarkophage,  in  den 
Jahrbüchern  d.  Ver.  y.  Alterthumsfreunden  L,  S.  108,  Taf.  V,  1,  11,  VH,  23, 
26)  und  in  St.  Denys  (Planchet,  Hist.  de  Bourgogne  n,  p.  520;  VioUet- 
le-Duc,  Dictionnaire  de  Tarchit.  fran^.  IX,  p.  23)  wären  hier  anzureihen.  Die 
Metzer  Madonna  wie  die  Kreuzlinger  Figuren  im  Bosgartenmuseum  zu 
Constanz  kann  ich  nicht  für  karolingisch  halten. 

^)  Bezeugt  im  Liber  pontificalis.  Anastasius  bibliothecarius,  De  yitis 
Bom.  pontif.:  Muratori,  SS.  rer.  Italicar.  HE,  p.  207,  no.  242, 844.  Triclinium 
malus  super  omnia  triclinia  nomine  suae  magnitudinis  decoratum. 

^)  Dass  schon  yor  Klemens  XII.  die  Mosaiken  zu  Grunde  gegangen, 


Die  Poni«d«5telto«ni  K«rb  des  Grossen.  Bäö 

an  eine  andere  Steüe  versttzl  werden  sollte,  gingen  die  Mosaiken 
bis  auf  wemge  Reste  zu  Grunde,    und  erst  seinem  NaelifolKor 


Xututili  im  Triklinium  dei  LaKTU. 

Benedikt   XIV.   gelang   c^.    iu    den   Jahr*-n    17-40— 17:><l   mit 
Benutzung   der   eihalteueü    lii-.-U;    utid    alUr  Z'-i'l)ii'ii.L"n    die 

Rcbeint  uimduut^D  U uriiti<rj  I  i.  ll|  |,  y;.y  ,,.,-  y    !■■■' .-  d.  ,.  ..., 

Leo  bona«  meuitiriüi'  ti-r'iuy  p..!,..  h  i, „,  ,,i      . -   ■  '    ■■■  ■■■- ■  -  ■■.■-. 


226  P.  aemen 

Lateranensische  Tribüne  gegenüber  ihrem  alten  Standort  bei 
der  Scala  Santa  in  der  freistehenden  Nische  an  der  Kapelle 
S.  Sanktorum  von  Neuem  zu  errichten  ^  Wir  würden  in  Bezug 
auf  die  frühere  Gestalt  der  Mosaiken  auf  blosse  Vermuthungen 
angewiesen  sein,  wenn  nicht  der  kunstliebende  Kardinal  Fran- 
zesco  Barberini,  der  Neffe  ürbans  VIH.,  der  im  Jahre  1625  die 
Mosaiken  einer  Ausbesserung  unterzog  *,  den  gelehrten  Nicolaus 
Alemannus  zur  Abfassuag  einer  Abhandlung  über  die  Malereien 
veranlasst  hätte  ^.  Zu  den  Abbildungen,  die  dieser  veröffent- 
lichte, und  die  nach  ihm  imd  nach  den  in  der  Vatikanischen 
Bibliothek  bewahi'ten  Zeichnungen  seine  Nachfolger  publizirten, 
sowie  zu  den  Abbildungen,  die  unter  Klemens  Xu.  im  Jahre  1730 
beim  Abbruch  der  Tribüne  hergestellt  wurden,  müssen  wir  unsere 
Zuflucht  nehmen^. 


menta,  sive  alimenta,  quae  inde  deleta  fuerant,  noviter  reparavit  et  ad  asuin 
pristiDom  magnifice  revocavit.  Dagegen  wendet  sich  vonBamohr,  Italienische 
Forschungen  I,  199. 

*)  Platner  und  Bunsen,  Beschreibung  der  Stadt  Rom  III,  1,  S.  552. 

•)  Garrucci,  Storia  dell'artc  christiana  IV,  p.  105  setzt  auch  die  üeber- 
tragung  irrthümlicherweise  erst  in  das  Jahr  1625. 

^)  Nicolaus  Alemannus,  De  lateranensibus  parietinis.  Abgedruckt 
auch  in  J.  Graevii  et  Burmänni  thesaurus  antiquitatum  IV,  p.  IV. 

*)  Bei  der  heillosen  Verwirrung,  die  Hennin,  Les  monuments  de  Thistoire 
de  France.  Catalogue  des  productions  de  la  sculpture,  de  la  peinture  et  de 
la  gravure,  relatives  d,  Thistoire  de  la  France  et  des  Frangais  II  angestiftet, 
indem  er  ein  und  dasselbe  Monument  mehrere  Mal  —  und  jedes  Mal  als  ein 
neues  —  anführt,  gebe  ich  ein  voUständiges  Verzeichniss  der  bedeutendsten 
Abbildungen:  Severano,  Memorie  sacre  delle  sette  chiese  di  Roma  p.  545; 
Ciarapini,  Monumcnta  vetera,  pl.  XI,  p.  127;  Le  Blanc,  Dissertation 
historique  sur  quelques  monnoyes  de  Charlemagne  p.  36;  Montfaucon, 
Monuments  de  la  monarchie  fran^aise  I,  pl.  XXII,  p.  275;  Eckhart,  Commen- 
tarii  de  rebus  Franciae  orientalis  et  episcopatus  Wirceburgensis  I,  p.  786, 
fig.  1,  2;  Daniel,  Histoire  de  France  II,  p.  115;  Beaunier  et  Rathier, 
Recueil  des  costumes  fran^ais,  pl.  33;  Knapp  und  Gutensohn,  Denk- 
mäler der  christlichen  Religion,  Taf.  43;  LuigiBossi,  Istoria  dltalia 
Xm,  pl.  in,  p.  63;  Giulio  Ferrario,  Storia  ed  analisi  degli  antichi 
romanzi  di  cayalleria,  pl.  III;  Didron,  Iconographie  chr6tienne  59;  fl. 
de  Vielcastel,  CoUection  des  costumes,  armes  et  meubles  pour  servir  ä 
rhistoire  de  France  I,  pl.  32,  no.  36;  du  Sommerard,  Les  arts  au  moyen 
äge.  Album,  s6r.  VIII,  pl.  X,  1;  F.  de  Guilhermy,  Monuments  fran^ 
d  Rome,  in  den  Annales  arch6ologiques  VIII,  p.  257;  L'ünivers.  Le  Bas, 
Allemagne,  pl.  46;  K.  F.  Becker,  Deutsche  Geschichte  HI,  S.  474;  Stacke, 
Deutsche  Geschichte;  0.  Jäger,  Deutsche  Geschichte  II,  S.  74,  Taf.; 
A.  Vetault,  Charlemagne,  pl.  I. 


Die  PorträtdftrsteUimgen  Kaiis  des  Grossen.  22 


:iZi 


Xur  von  den  Mosaiken  der  Haupttribone  haben  wir  Kunde. 
In   der  Mitte  der  Apsis  war  auf  einem  Berggipfel  Christus  dar- 
gestellt, mit  erhobener  Rechten  die  um  ihn  versammelten  Jünger 
l>elehrend,  zur  Rechten  und  zur  Linken  zwei  Parallelscenen, 
^welche  die  gemeinsame  Regierung  der  Welt  durch  die  beiden 
Häupter  des  Papstthums  und  des  Kaiserthums  zum  Ausdruck 
bringen    sollten.     Zu  den  Grestalten   Leos  und  Karls  auf  der 
linken  Seite,  denen  Petrus  Stola  und  Banner  überreicht,  ergab 
sicli    von   selbst  die  Parallele   in   Sylvester  und  Konstantin^, 
denen    Christus  Schlüssel  und  Labarum  übergibt.     „Es  war*^, 
sagt  Gregorovius,   „eine  That  der  damaligen  Kunst,  dass  sie 
die  geschichtlichen  Verhaltnisse  der  Zeit  so  klar  auszusprechen 
verstand,   denn  diese  rohen   Musive  sind   in  Bezug   auf   den 
Gedankeninhalt   die   höchste    künstlerische  Leistung    in    einer 
Reihe  von  Jahrhunderten*.** 

Auf  Groldgrund  thront  in  der  Mitte  erhöht  St.  Petrus,  die 

Schlüssel  auf  dem  Schoß,  in  der  Rechten  das  Pallium  gesenkt 

haltend,  das  der  zur  Linken  knifende,  nach  rechts  gewendete 

Leo  ergreift,  der  den  vollen,  rundlichen  Kopf  mit  schwarzem, 

kurzgeschorenem  Haarkranz  nach  vorn  wendet.  Mit  der  Linken 

reicht  der  Apostelfürst  eine  Fahne*  dem  rechts,  nach  links 

gewendet  knieenden  Karl,   der  sie  mit  der  Rechten  ergreift, 

während   er   die   Linke   auf   die   Brust   legt.     Das   rundliche 

Gesicht  ist  nach  vom  gekehrt  und  zeigt  -ein  weiches,  breites 


*)  Unhaltbar  ist  die  Angabe  Assemannis  (Excerpta  de  sacris  imaginibus, 
Anhang  zur  2.  Ausgabe  d.  Nicolans  Alemannua,  Rom  1756),  dass  hier  Hadrian 
und  Karl  dargesteUt  seien. 

>)  Gregorovius,  Geschichte  der  Stadt  Rom  im  Mittelalter  II,  S.  447. 
»)  Die  Fahne  ist  dreizipfelig,  grün,  mit  grossem   rothen  und  kleinern 
weissen  Tupfen,  und  soU  das  Banner  Roms  als  Zeichen  der  weltlichen  Herr- 
schaft darsteUen.    Ob  darin  die  Oriflamme  zu  sehen,  wie  Leon   Gautier, 
Chanson  de  Roland  p.  270,  ^.  1  will,  ist  kaum  wahrscheinlich.     Ueber  das 
Banner  vgl.  G.  Desjardins,  Recherche»  sur  les  drapeaux  franc^ais  p.  1—8; 
M.  Sepet,    Le   drapeau  de   la   France   p.    19,    21;    Revue   des    questions 
historiques    X,   p.    156—163;    V6tault,   Charleraagne,   ficlaircissement  VI, 
p.  543.    Zuerst  erwähnt  Chanson  de  Roland  CH.'LII,  3093  als   rorie-flanibe. 
Erst  Ende  des  11.  Jahrhunderts  von  den  Kapetingem  in  8t.  Denys  wieder- 
aufgenommen.   Du  Gange,  Dissertation  sur  Toriflamme  beiG6nin,  Prefaoe 
de  la  chanson  de  Roland.   Vgl.  La  chanson  des  Saxons  von  Jean  Bodel,  od. 
Fr.  Michel  I,  p.  81.  „L'oriflambe  Karion  anz  ou  chief  premeraine.**    In  dou 
Reali  di  Francia  ist  die  Oriflamme  übrigens  im  Besitz   Fiovos,   des  S*>bne< 
Konstantins. 


i:» 


\» 


228  P.  Giemen 

Kinn,  straffen,  schwarzen  Schnurrbart,  lange,  gerade  Nase, 
grosse  offene  Augen  und  kurzes,  schwarzes  Haar  unter  dem 
Kronreif  ^  Dass  die  Mosaiken  in  der  That  noch  bei  Lebzeiten 
des  Kaisers  wie  des  Papstes  gefertigt  wurden,  bezeugt*  die 
viereckige  Form  des  Nimbus,  der  nur  Lebenden  zukamt 

7.   Die  Mosaik  in  Santa  Susanna  zu  Rom. 

Auf  dem  Quirinal  in  der  Basilika  Santa  Susanna  entstanden 
zur  gleichen  Zeit  wie  die  Mosaiken  des  Lateran  Porträtbilder 
des  Kaisers  und  Papstes  in  musivischer  Arbeit,  durch  den  vier- 
eckigen Nimbus  als  bei  Lebzeiten  der  abgebildeten  Personen 
hergestellt  bezeugt.  Wohl  von  derselben  Künstlergruppe  aus- 
geführt wie  die  Darstellungen  im  Triklinium  versinnbildlichen 
sie  denselben  Gedanken,  den  Gedanken  der  zwei  die  Welt 
regierenden    Herrschergewalten,    nur    in    einfacherer,    weniger 


0  Die  offenbar  nach  dem  alten  Vorbild  ausgewählten  Farben  des 
1743  hergesteUten  Bilds  an  der  Scala  Santa  sind:  Petras  in  weissem 
Priestergewand,  Leo  in  gelbem  mit  purpurfarbenen  Linien,  Karl  in  braun- 
gelbem  Mantel  mit  grünem  Saum,  auf  der  rechten  Schulter  durch  eine 
Spange  gehalten,  die  Beinlinge  gelbbraun  mit  schwarzgrünen  Riemen  um- 
wunden. Farbige  Abb.  bei  G.  Ferrario  1.  c,  0.  Jäger  a.  a.  0.,  Stacke 
a.  a.  0.,  A.  V^tault  1.  c.  Nach  den  gründlichen  Untersuchungen  von 
Eugen  Müntz,  Notes  sur  les  mosaiques  chrötiennes  de  Tltalie:  Revue  arch6o- 
logique  1884,  VIII,  Jan.,  vgl.  Müntz,  La  legende  de  Charlemagne.  Stades 
iconographiques  et  arch^ologiques  sur  le  moyen  äge  p.  103,  dem  sich 
E.  aus'm  Weerth,  Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  LXXVIII, 
S.  151  anschliesst,  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  das  jetzige  Bild  durchaus 
neu  ist.  Dagegen  nur  von  Rumohr,  Ital.  Forschungen  I,  S.  201,  240; 
Schnaase,  Kunstgeschichte  III,  S.  573.  Vgl.  E.  aus'm  Weerth  a.  a.*0. 
S.  151,  Anm.  5.  Die  altern  Zeichnungen  nebeneinander  gcsteUt  bei 
R.  Garrucci,  Storia  delParte  christiana  IV,  pl.  282,  4,  283. 

*)  A.  deCaumont,  Le  nimbe,  im  Bulletin  monumental  XII,  p.  19  und  Cours 
d'antiquit^s  monumentales  IV,  p.  207;  Didron,  Histoire  de  Dieu  p.  41, 
59;  Grimouard  de  Saint-Laurent,  Manuel  de  Tart  chr^tien  p.  105; 
de  Waal  in  Kraus,  Realencyclopädie  der  christlichen  Alterthümer  II,  S.  498. 
Nach  Crosnier,  Iconographie  chretienne  p.  67  und  BuU.  monum.  XTV, 
67  gilt  dies  indessen  nur  für  Italien,  nicht  für  Deutschland  oder  Frankreich. 
Von  italienischen  DarsteUungen  als  ParaUelen  zu  vergleichen  das  Mosaikbild 
Gregors  IV.  in  St.  Marco  zu  Rom :  D  i  d  r  o  n,  Iconographie  chretienne,  in  den  AnnaL 
archöol.  I,  8,  fig.  5,  die  Porträts  des  rotulus  bibl.  Casanatens.  ad  s.  Minervam 
Romae:  Mart.  Gerbertus,  Vetus  liturgia  alemannica  I,  259,  pl.  VII,  2 
and  3  und  das  Dedikationsbild  einer  Handschrift  der  Bibl.  zu  Montecassino 
bei  Kraus  a.  a.  0.  II,  S.  498,  Fig.  328. 


Die  Porträtdarstellangen  Karls  des  Grossen.  229 

prunkhafter  Form.  Dem  Bild  des  Papstes,  der  barhäuptig,  in 
Diakonentracht,  auf  den  Armen  das  Gebäude  der  Basilika 
tragend,  dargestellt  war,  entsprach  das  Bildniss  des  Kaisers, 
in  bedeutend  freierer  und  ungezwungenerer  Haltiuig,  nach  vom 
gewendet  stehend,  in  am  Gürtel  gereffter  kurzer  Tunika,  die 
Beinlinge  von  Riemen  umwunden,  mit  auf  der  rechten  Schulter 
zusammengehaltenem  Mantel,  die  Linke  auf  die  Brust  gelegt, 
die  Eechte  zur  Seite  streckend:  auf  dickem  Hals  der  runde 
Kopf  mit  breitem  Kinn,  langer  Nase,  schwarzem  Schnurrbart, 
kurzen  Lockend  Aber  die  Mosaik  ist  längst  zu  Grunde 
gegangen,  und  nur  die  Abbildung  bei  Alemannus  und  eine  in 
der  Bibliothek  des  Vatikans  bewahrte  kolorirte  Zeichnung 
vermögen  uns  über  ihre  Gestalt  Kunde  zu  geben*. 

B.   Stilistisch  als  gleichzeitig  beglaubigte 

Darstellungen. 

1.  Die  Eeiterstatuette  im  Museum  Carnavalet  zu  Paris. 

Unter  den  nicht  literarisch  oder  inschriftlich  beglaubigten, 
nach  stilistischen  Merkmalen  aber  als  gleichzeitig  anzusetzenden 
Porträtbildern  steht  obenan  die  berühmte  Reiterfigur  aus  dem 
Mus6e  Carnavalet  in  Paris,  der  Tradition  gemäss  als  einziges 
Porträt  Karls  d.  Gr.  gepriesen.  An  und  für  sich  freilich  spricht 
noch  nichts  dafür,  dass  in  der  That  Karl  d.  Gr.  dargestellt 
sei.  Wir  erblicken  einen  Reiter,  der  nach  seinen  Abzeichen 
als  Herrscher  zu  bezeichnen,  und  der  nach  dem  allgemeinen 
Stilcharakter  der  Zeit  karolingischer  Kunstübung  zuzuschreiben 
ist.  Auf  ruhig  schreitendem,  starkknochigem  Ross,  das  den 
linken  Vorderfuss  ausschreitend  erhebt,  den  kleinen  Kopf  auf  dem 
besonders  breiten  Hals  etwas  nach  links  wendet,  sitzt,  bequem 
in  den  Sattel  zurückgelehnt,  die  Kniee  an  das  Ross  angepresst, 
die  Füsse  weit  abgestreckt,  eine  starkgebaute  Gestalt  von 
mächtigen  Gliedern,  bedeutender  Grösse  im  Verhältniss  zu  den 


*)  Nicolans  Alemannas  1.  c.  p.  12;  Montfaucon  1.  c.  I,  pL  22; 
Beaunier  et  Rathier,  pl.  34;  de  Vielcastel  I,  p.  32,  no.  87;  BuUetin 
polymatique  du  musöe  dlnstruction  publique  de  Bordeaux  XVH,  p.  271; 
G.  Ferrario  1.  c.  pl.  III;  L'ünivers.    Le  Bas,  Allemagne,  pl.  47. 

')  C.  P.  Bock,  Karls  des  Grossen  Grabmal  S.  26  erwähnt  eine  Ab- 
bildung in  einer  Handschrift  der  Vatikana,  die  wohl  mit  dem  erwähnten 
Einzelblatt  identisch  ist. 


230  P.  Clemen 

Maßen  des  Pferds,  breiten  Schultern,  hoher  Brust.  Der  auf- 
fallend kurze  Hals  trä^  einen  dicken  rundlichen  Kopf,  leicht 
Hufgerichtet,  mit  überaus  stark  betontem  Unterkinn,   nur  am 


Kopf  dur  Reiterstatuette  im  Miuenin  Carnavalet  zn  Puria. 

Kinnbuckel  fest  und   energisch  modellirt,   langer,    aber    nicht 
übermäßig  vorstehender  Nase,  gerade  aufsteigender  Stirn,  hoch- 
gewölbten Augenbrauen,  unter  denen  nahe  aneinander  stehende 
weitgeöffnete    Augen    lierrorblicken,    starkem,    herabgezogenem 
Schnurrbart.    Auf  den   kurzen,   in  omamental-symmetrisch  ge- 
zeichnete Locken  gelegten  Haaren  ruht  ein  breiter,  mit  Edel- 
steinen besetzter  Kronreif,  in  drei  dreigetheilte  Blattomaraente 
auslaufend.    Die  Linke  hält  den  Reichsapfel,  die  Rechte  führte 
anstatt   des    schlecht    ergänzten   Schwerts    ein 
Oberkörper  verdeckt  ein   faltiger  Mantel,    auf 
hulter  durch  eine  Spange  geheftet,  der  auf  der 
ie  eng  anliegende  Aermeltunika  freilässt,  während 
ten  Seite  in  einfachem,  ungesuchtem  Faltenwurf 
herabfällt,  der  vordere  Zipfel  ist  als  Bausch  von 
nterarm  über  den  Sattel  gelegt.     Die  Haltung 
bedeutend,  das  stolz-aufrechte  und  doch  unge- 
;  bequeme  Sitzen  im  Sattel  ist  wohlgelungen,  der 
eilweise  bewunderungswürdig,  überraschend  die 
Pferds    mit    der    breiten    Brust,    dem    starken, 
.ochenbau.    Dabei  sind  freilich  die  Mängel  nicht 
die  Extremitäten  sind  zu  gross  und  unbehUflich 
[andgelenk  schlecht  geformt,  der  Körper  besonders 
iir  mäßig    unter  dem  Gewand  angedeutet,   dem 
der  trefflichen  Cliarakteristik  im  Grossen,   der 
Haltung,  der  trotz  der  Zerstörung  erkenntlichen 
Zeichnung  des  Profils  die  richtige  Modellirung  der 


Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen.  231 

Wangen,  ihr  Absatz  gegen  den  Hals,  die  Betonung  der  Joch» 
beine,  eine  freie  Behandlung  der  Haare. 

Die  Aufgabe  ist,  einmal  aus  der  Ueberlieferung,  sodann 
aus  der  stilistischen  und  technischen  Analyse  der  Figur  heraus 
die  dargestellte  Persönlichkeit  zu  ergründen^. 

Die  Ueberlieferung  bezeichnet  unsere  Figur  direkt  als  eine 
Porträtdarstellung  des  gi'ossen  Karl.  Die  Statue  wird  nebst 
einer  andern  verlorenen  Silberstatuette  als  im  Schatz  der  Kathe- 
drale zu  St.  Stephan  in  Metz  befindlich  zuerst  im  Jahre  1634 
als  Bildniss  des  kaiserlichen  Gründers*  erwähnt  von  dem 
Lothringer  Chronisten  Meurisse*,  sodann  in  einem  von  B6giu 
veröffentlichten  Schatzverzeichniss  vom  Jahre   1682*.    Danach 


*)  Die  grandlegende  kritische  Untersuchung  der  Statuette  gab,  nachdem 
Tornow  bereits  das  Material  zusammengestellt  (Vortrag  am  Winckelmannsfest 
in  Bonn  9.  Dez.  1882),  E.  aus*m  Weerth,  Die  Reiter-Statuette  Karls  des 
Grossen  aus  dem  Dome  zu  Metz,  in  den  Jahrbüchern  d.  Ver.  v.  Alterthums- 
freunden  i.  Rheinl.  LXXVIII,  S.  139.  Dazu  die  Besprechungen  Revue  de 
Part  chr^tien  N.  S.  III,  p.  3;  Gazette  arch6ologique  1887,  1,  2.  Die  Figur 
abgebildet  bei  AI.  Lenoir,  Monuments  des  arts  lib^raux,  raecaniques  et 
industriels  en  France,  pl.  IX,  p.  13;  Le  Bas,  L^Univers.  Dictionnaire  ency- 
clop^dique,  pl.  166;  Bordier  et  Charten,  Histoire  de  France;  Gazette  des 
beaux-arts  XIX,  p.  427;  Havard,  L'art  k  travers  les  moeurs;  Bulletin  et 
m^moires  de  la  sociöt^  archöologique  de  la  Moselle,  s6r.  IV,  tom.  IV,  p.  268 ; 
L'ünivers  pittoresque  11,  pl.  166;  Vötault,  Charlemagne,  pl.  n,  p.  26,  544; 

0.  Jäger,  Deutsche  Geschichte  II,  S.  64,  65;  Bouteiller,  Bulletin  et 
m^moires  de  la  soci6t6  de  la  Moselle  VIII,  p.  85,  IX,  p.  145;  Didron, 
Annales  arch^logiques  VIII,  p.  256;  Magasin  pittoresque  1859;  L.Stacke, 
Deutsche  Geschichte  I,  S.  192;  Henne  amRhyn,  Kulturgeschichte  des 
deutschen  Volkes  I,  S.  25.  Die  beste  Abb.  bei  E.  aus^m  Weerth 
a.  a.  0.  Taf.  III.  Nachbildungen  im  Aachener  Suermondt-Museum  und  im 
Dom  zu  Metz. 

•)  Meurisse,  Eist,  des  evßques  de  Metz  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  D.S.  140. 

')  Karl  gilt  als  Neugründer  der  Kathedrale.  Nach  K  Bögin,  Histoire 
et  description  pittoresque  de  la  cathödrale  de  Metz  I,  p.  83,  II,  p.  297  hat  Karl 
kostbare  Geschenke  dem  Dom  vermacht.  Zwei  Thürme,  les  tours  de  Charle- 
magne, am  Chor  schon  1497  und  1504  abgetragen.  Vgl.  Huguenin,  Los 
chroniques  de  la  ville  de  Metz  p.  621.   Diese  Nachricht  schon  bei  Meurisse 

1.  c.  p.  162,  348.  Gegen  eine  Bethätigung  Karls  am  Ausbau  von  St.  Stephan 
vgl.  F.  X.  Kraus,  Kunst  und  Alterthum  in  Elsass-Lothringen  III,  2, 
S.  458  zum  J.  800. 

*)  Abgedruckt  bei  E.  aus'm  Weerth  a.  a.  0.  S.  141;  Kraus  a.  a.  0. 
S.  564,  Nr.  20:  Une  Statuette  6questre  du  m6me  empereur  (Nr.  19  ist  die 
silberne  Statuette  Karls)  en  bronze  dor6,  qu'on  exposait  ögalement  sur  le 
lutrin  depuis  le  28.  janvier,  pendant  l'office  des  morts,  jusqu*au  lendemain, 
aprös  la  grande  messe   c<516br6e  pour  le  repos  de  son  &me.    Quatre  cierges 


232  P.  Giemen 

befand  sich  die  Bronzestatue  bereits  im  Jahre  1634  als  Porträt 
Karls  in  Metz  und  wurde  alljährlich  am  Todestag  des  Kaisers, 
umgeben  von  vier  brennenden  Lichtem,  auf  dem  Lettner  auf- 
gestellt. Im  Jahre  1807  entdeckte  sie  Alexander  Lenoir  bei 
einem  Apotheker  in  Metz  und  kaufte  sie  an,  nach  seinem  Tode 
1839  wanderte  sie  durch  verschiedene  Hände,  aber  erst  als  sie 
durch  die  Ausstellung  der  Madame  Evans-Lombe  auf  der  Pariser. 
Weltausstellung  ^  in  weitern  Kreisen  bekannt  geworden,  erwarb 
sie  die  Stadtgemeinde  von  Paris  und  stellte  sie  im  Hotel  de 
Ville  auf  —  im  Jahre  1871  ward  sie  stark  beschädigt^  unter 
den  verbrannten  Trümmern  des  Hotel  de  ViUe  entdeckt,  seitdem 
befindet  sie  sich  im  Mus6e  Camavalet. 

Die  Hauptmerkmale  für  die  Zuweisung  der  Statuette  an 
ihr  traditionelles  Vorbild  geben  die  Eigenthümlichkeiten  von 
Tracht  und  Bewaffnung  ab,  die  zu  diesem  Zweck  eingehend 
zu  prüfen  sind.  Bei  dem  Mangel  an  genügenden  Vorarbeiten' 
erscheint  es  geboten,  das  vorliegende  literarische  und  künst- 
lerische Material  auf  die  Möglichkeit  einer  Periodisirung  der 


brülant  36  heures  ^clairaient  cette  figurine.  Vgl.  Calmet,  Notice  de  la 
Lorraine  I,  p.  834  und  Les  Bönedictins,  Histoire  de  Metz  I,  p.  526. 

*)  Ch.  Linas,  Histoire  du  trayail  ä  Texposition  universeUe  p.  277; 
A.  Darcel,  Histoire  du  travail  et  monuments  historiques.  Catalogue  de 
Texposition  universeUe,  no.  1670,  p.  104. 

*)  Die  Feinheiten  sind  zum  grossen  Theil  zerstört,  die  Hände,  die 
Blätter  der  Krone  verletzt,  der  Daumen  der  linken  Hand  zerdrückt,  die 
Nase  von  der  Mitte  des  Rückens  an  abgeschliffen,  doch  so,  dass,  da  die 
Linie  der  Nasenwurzel  voUständig  erhalten,  die  Form  der  Nase  ohne  Weiteres 
zu  rekonstruiren  ist.  Von  der  Vergoldung  ist  nichts  mehr  erhalten.  Erneuert 
der  Pferdeschweif,  das  Schwert.  Es  ist  zu  vermuthen,  dass  die  Figur 
ursprünglich  nicht  das  Schwert,  sondern  als  Gegenstück  zum  Apfel  das 
Scepter  in  der  Rechten  geführt,  obgleich  die  verschwundene  Süberstatuette 
nach  dem  Liventar  von  1682  das  Schwert  trug. 

')  Von  H.  Weiss,  Kostümkunde  IL  Das  Mittelalter  S.  503  musste 
ich  in  wesentlichen  Punkten  abweichen.  R.  Jacquemin,  Iconographie 
m^thodique  du  costume  du  IV *  au  XIX  *  siöcle;  G.  Demay,  Le  costume 
au  moyen  äge  d'apr^s  les  sceaux,  besprochen  im  BuUetin  monumental 
XL  VI,  p.  278;  Demay,  Le  costume  militaire,  in  den  M6moires  de  la  soci^t^ 
des  antiquaires  de  France  XXXV,  p.  120—171;  Ders.,  Le  costume  & 
l'öpoque  carolingienne :  Eclaircissement  IV  zu  V6tault,  Charlemagne  p.  505; 
Viollet-le-Duc,  Dictionnaire  du  mobilier  frangais  III,  p.  115,  IV,  p.  228; 
H.  de  Vielcastel,  Modes  et  costumes  bei  Lacroix  et  Ser6,  Le  moyen 
äge  III;  F.  von  Löher,  Die  Sitte  zur  Karolingerzeit:  Beil.  z.  Allgemein. 
Zeitung  1889,  164,  2. 


Die  ForträtdarstellDiigeD  Karb  des  OroBsen.  SS3 

Ent-w-icklungsgieschichte  der  Tracht  hin  zu  prüfen.  Es  leuchtet 
sofort  ein:  wenn  sich  die  Möglichkeit  ergibt,  für  das  Ableben 
Ller  "bei  der  Metzer  Statuette  verwandten  Tracht  einen  bestimmten 
Zeitpunkt  festzusetzen,  so  ist,  da  die  Kunst  des  Mittelalters 
mit  Ausnahme  weniger  Typen  der  heiligen  Geschichte  niemals 
und  nirgendwo  ein  anderes  Kostüm  als  das  zeitgenössische  io 
-Anwendung  gebracht  hat,  zugleich  eine  bestimmte  Zeit  für  die 
Entstehung  der  Figur  und  damit  eine  bestimmte  Gruppe  von 
ICaisem   für  die  Namengebung  abgegrenzt. 

Das  Kostüm  der  Statuette  Ist  durchaus  die  altfränkisclie 
Volkstracht,  die  sich  seit  dem  6.  Jahrhundert  ziemlich  unver- 


St.  Piinl,  Klosterbibliothek,  Cod.  2. 


ändert  bis  in  die  karolingische  Zeit  erlialten  hat,   das  bis  zur 
JÜtte   des    Oberschenkels    reichende   Wams    mit    anliegenden 


236  P.  Giemen 

Schon  unter  Karl  bildete   sich    eine    doppelte    königliche 
Tracht  aus.    Die  eine  war  die  alte  Volkstracht,  in  all  ihren 

ein  Tanfkleid.    Vgl.  Leidradi  episcopi  Lugdanensis   liber  de   sacramento 

baptismi:    Mabillon,    Vetera   analecta    m,    19,    cap.    8    de    vestimentis : 

baptizati  albis  induuntor  vestibns,  ut  ipso  etiam  habitu  exterioris  hominis 

demonstrent  innovationem  et  emundationem  interioris   Ebenso  Gregor.  Turon. 

bist.  Franc.  III,  29.)    Die  einzige  SteUe,   in  welcher  weisse  saga  erwähnt 

werden,  in  des  Angilbert  Klagelied  nach  der  Schlacht  bei  Fontenai,  Po€t. 

lat.  II,  p.  139: 

Karoli  de  parte  vero,  Hludowici  pariter 

Albent  campi  vestimentis  mortuorum  lineis, 
Velut  solent  in  antonmo  albescere  avibus. 
Vgl.  Meyer  von  Knonaa,  Die  historischen  Volkslieder  der  Schweizer 
S.  66.  Die  Neustrier  trugen  purpurfarbene  kürzere  Mäntel,  die  eine  Zeit 
lang  auch  in  Karls  Heer  sich  der  Aufnahme  erfreuten,  wohl  nur  von  gleicher 
Länge  wie  die  Tunika ;  als  aber  die  Friesen  die  kurzen  Mäntel  zu  demselben 
Preise  verkaufen  woUten,  wie  vordem  die  langen,  da  verbot  sie  Karl  aus- 
drücklich: „Wozu  sind  diese  Lappen  gut?  Im  Bett  kann  ich  mich  nicht  mit 
ihnen  zudecken,  zu  Pferde  können  sie  mich  nicht  schützen  gegen  Wind  und 
Regenwetter,  und  kommt  mir  ein  Bedürfniss  an,  so  verfrieren  mir  die 
Beine.**  So  blieb  das  fränkische  üniversalkleidungsstück  noch  eine  gute 
Zeit  erhalten.  (Mon.  Sangall.  I,  c.  34,  SS.  n,  p.  747,  1.  18.)  Dieses  sagum 
in  der  einfachsten  Form  bei  dem  Bild  Karls  im  Cod.  2  zu  St.  Paul,  bei  dem 
Scolapius:  Bastard  III,  pl.  106,  besonders  deutlich  auf  einem  karolingLschen 
Elfenbein  im  Louvre:  Gazette  arch6ologique  Vin,  pl.  19,  Ivoires  carolingiennes, 
bei  den  Kriegern  in  der  Unterredung  Pauli  in  der  Vivianusbibel,  bei  den 
Kriegern  (Grabeswächtem)  auf  dem  Elfenbeindeckel  des  Cod.  Paris.  9390 
(Kraus,  Kunst  und  Alterthum  in  Elsass-Lothringen  III,  2,  S.  576),  bei 
sämmtlichen  Kriegern  der  Bibel  von  St.  Paul  zu  R-om  (Westwood,  The 
bible  of  the  monastery  of  sanct  Paul  near  Rome).  In  diesem  Mantel  erscheint 
noch  König  Eadgar  von  England  in  der  966  geschriebenen  Hs.  Brit.  Mus. 
Cotton.  Vesp.  A.  VIU  (Palaeographical  society  III,  pl.  47).  Ebenso  Herodes 
im  Cod.  suppL  lat.  641  d.  Bibl.  nat.  zu  Paris  (Waagen,  Kunstwerke  i.  Paris 
S.  276;  Labarte  pl.  90).  Etwas  abweichend  von  der  gewöhnlichen  Tracht  die 
Abb.  eines  auf  einem  Felsen  stehenden  Kriegers  im  Cod.  855  saec.  IX  der 
Stiftsbibliothek  zu  St.  GaUen  p.  350  mit  eng  anliegenden,  bis  zum  Hand- 
gelenk reichenden  Aermeln  und  einem  zweiten  Paar  weiter  faltiger  Aermel 
bis  zu  den  EUcnbogen.  Die  Tracht  findet  sich  wieder  bei  den  Bildern  Cyri 
und  Salomonis  in  einer  Pariser  Hs.  (Ms.  de  St.  Germain):  Bastard  VII,  pl.  227. 
Denn  die  karolingische  Kriegertracht  fügte  zur  gewöhnlichen  Volkstracht 
nur  Weniges  hinzu.  Die  niedrigen  Schuhe  wurden  ersetzt  durch  hohe,  bis 
in  die  Mitte  der  Waden  reichende  Stiefel,  im  Anfang  mit,  später  (in  der 
Bibel  von  St.  Paul  und  im  Stuttgarter  Psalter  Bibl.  fol.  23)  ohne  die 
Schnürbänder,  über  die  Tunika  ward  ein  kurzes  Lederkoller  angelegt,  der 
Kopf  war  zumeist  unbedeckt,  das  Hauptstück  der  Bewaffnung  bildete  der 
lange  Speer  und  der  runde,  gewölbte  Schild  mit  mächtigem  Buckel  in  der 
Mitte  (erhalten  in  einer  Reihe  von  Exemplaren;   ich  nenne   als   besonders 


Die  Porträtdarstellongen  Karls  des  Grossen.  237 

lieilen  auf  das  Kostbarste  ausgeschmückt  und  verziert,  die 
'xinika  golddurchwirkt,  der  Mantel  durch  eine  goldene  Haken- 
t>ange  zusammengehalten.  „Die  Schuhe  waren  aussen  mit  Gold  ge- 
ohmückt  und  mit  Edelsteinen  besetzt,  und  hatten  drei  Ellen  lange 
■Schnüre,  scharlachene  Binden  umgaben  die  Beine.  Ueber  diese  und 
üe  scharlachenen  kunstreich  gestickten  Hosen  erstreckten  sich  in 
k^reuzweiser  Windung,  innen  und  aussen,  vorn  und  hinten,  jene 
langen  Schnürbänder  ^.^  Die  andere  Tracht  bildete  das  von  Byzanz 
tibernommene   prunkende   Kaiserkostüm  *,    ausgezeichnet   durch 

obarakteristisch  Mainz,  Centralmuseum  7474,   Frankfurt  a.  M.,  Historisches 

Maseam  8722,  Worms,  Paulus-Museum  9359,  60,  402,  Speyer,  Museum  9884. 

Abb.    im  Sakramentar  von   GeUone   Fonds   lat.    163:    Bastard   II,    pl.  55, 

in  der  Bibel  von  St.  Paul,  Buch  Josua  und  2.  Buch  Samuelis:   West  wo  od 

I.  c.  und  auf  dem  Elfenbein  im   Louvre :    Gazette  arch^ol.  VIII,    pl.   20), 
gewöhnlich  auf  dem  Rtlcken  getragen  (Ermoldus  Nig.  III,  597,  Pofet.  lat. 

II,  p.  58:    Scuta   gerunt  dorso,  manibusque  hastilia  portant.  IV,   135:  Huc 

egomet  acutum  humeris  ensemque  revinctum).    Die  auserlesene  Truppe  der 

kaiserlichen  Leibgarde  war  ausgezeichnet  durch  den  langem  Panzerrock  mit 

Lederzaddeln  und  durch  die  eherne   Helmhaube    (Abb.  mit  Ausnahme   der 

bereits  erwähnten  in  der  Vivianusbibel  auf  dem  Bild  des  psallirenden  David, 

in  der  Bibel  von  St.  Paul:  Westwood  1.  c.  und  im  Cod.  aur.  zu  München, 

Cimel.  55.    Ganz    entsprechend    die    braune    Federzeichnung   im   Cod.    186 

saec.  IX  der  Stiftsbibl.  zu  St.  Gallen,  fol.  1',  mit  bis  zu  den  Ellenbogen 

reichenden  Aermeln.)    Der  spitzen  Helmhaube  bediente  sich  auch  Karl  im 

Felde:  Angilbert,  Poöt.  lat.  I,  p.  380,  v.  40: 

Hanc  Carolus  princeps  gentem  fulgentibus  armis 
Fortiter  accinctus,  galeis  cristatus  acutis. 

*)  Einhardi  vita  Kar.  c.  23,   SS.  II,  p.  455:   In  festivitatibus  veste 
auro  texta  et  calciamentis  gemmatis,  et  fibula  aurca  sagum  adstringente, 
diademate  quoque  ex  auro  et  gemmis  ornatus  incedebat;  aliis   autem  diebus 
habitus  eins  parum  a  communi  et  plebeio  abhorrebat.  Thegani  vita  Hludo- 
wici  imp.  c  6,  SS.  II,  p.  591,  l.  34:  In  proxima  die  dominica  ornavit  (Karolus) 
86  cultn  regio,  et  coronam  capiti  suo  imposuit;  incedebat  clare  decoratus  et 
ornatus,  sicut  ei  decuerat.  Mon.  Sangall.  I,  cap.  34,  SS.  II,  p.  746:  calciamenta 
forinsecos  aurata,  corrigiis  tricubitalibus  insignita,  fasciolae  crurales  vermi- 
colatae,  et  subtus   eas  tibialia  vel  coxalia  linea,  quamvis  ex  eodem  colore, 
tarnen  opere  artificiosissimo  variata.  Super  quae  et  fasciolas  in  crucis  modum, 
intrinsecus  et  extrinsecus,  ante  et  retro,  longissimae  illae  corrigiae  tendeban- 
tur.    Deinde  camisia  clizana,  post  haec  balteus  spate  colligatus.  Quae  spata 
primom  vagina,  secundo  corio  qualicumque,  tertio  linteamine  candidissimo 
cera  Incidissima  roborato  ita  cingebatur,  ut  per  medium  cruciculis  cminen- 
tibus  ad  peremptionem  gentilium  duraretur.   Dass  der  Autor  hier  die  kaiser- 
liche Tracht  vor  Augen  hat,  geht  hervor  aus  p.  747,  1.  13:  quo  habitu  vidi 
capat  Francorum  (Ludwig  den  Deutschen). 

*)  VgL  Weiss  a.  a.  0.  II,  S.  90  if.   Ganz  besonders  auffallend  erscheint 
in  dcH  kleinem  Nachbildungen  die  Ueberladung  der  Stoffe  mit  Steinen.  Schon 


238  P.  Giemen 

die  Überladene  Pracht,  die  steifen,  schweren  Stoffe,  den  über- 
breiten, edelsteinbesetzten  Saum,  von  Karl  nur  zweimal  zu  Rom 
angelegt^.  Ihr  charakteristisches  Abzeichen  war  im  Gegensatz 
zu  der  tunicella  der  Franken  die  longa  tunica,  das  bis  zu  den 
Knöcheln  reichende  Seidengewand  und  der  gleichlange,  gesäumte 
Mantel.  Unter  Ludwig  d.  Fr.,  der  nur  bei  grossen  Festlich- 
keiten in  der  Hoftracht  von  Byzanz  erschien,  wird  das  heimische 
Kostüm  reicher  und  reicher*,  Lothar  ist  der  erste,   der  den 

bei  den  frühesten  Kaiserbildern  (ein  Discns  von  894:  Annal.  arch^olog.  XXI, 
809)  sichtbar,  erreicht  diese  Sitte  im  10.  Jh.  den  Höhepunkt.  (Besonders  Cod. 
graec.  510  der  Bibl.  nat.  zu  Paris,  Predigten  des  Gregor  yon  Nazianz, 
geschrieben  867—886,  fol.  2,  5,  20,  27,  36,  45;  Waagen,  Kunstwerke  and 
Künstler  in  Paris  S.  202;  H.  Bordier,  Description  des  peintures  contenues  dans 
lesmss.  grecsde  la  Bibl.  nat.  p.  62;  Cod.  graec.  189,  Psaltereum,  fol.  7  und  8, 
endlich  Johannes  Chrysostomus,  Cod.  graec.  79,  geschrieben  1080  für  Nice- 
phorus  Botoniata,  fol.  1  und  2.)  Vgl  den  Deckel  des  Evangeliars  von  Besannen: 
Gori,  Thesaurus  veterum  diptychorum  HI,  tab.  n,  p.  9,  die  Elfenbeintafel 
zu  Cortina:  Gori  1.  c.  HI,  tab.  XVIII,  p.  134,  die  Hierothck  in  St. 
Michaelis  de  Muriano:  Gori  III,  tab.  XIX,  p.  137,  die  Tafel  der  BibL  nat. 
zu  Paris:  Annales  arch6oL  XVETI,  p.  197,  pl.,  das  Etui  de  la  vraie  croix  der 
Sainte  Chapelle  zu  Paris:  Annal.  arch^ol.  V,  pl.  6,  p.  326,  das  Tri- 
ptychon  der  Bibl.  nat.  zu  Paris:  (Arundel  society)  Digby  Wyatt,  Notices 
of  sculptnre  in  Ivory  p.  35,  das  Reliquiar  zu  Tongres:  Cahier,  Nouveaux 
m^langes  I,  p.  102,  das  Siegeskreuz  des  Constantinus  Porphjrrogenitus  und 
Komanus  zu  Limburg:  tou  Quast  und  aus^m  Weerth,  bcspr.  Korrespon- 
denzbl.  d.  Gesammtver.  d.  deutschen  Alterthumsver.  XV,  2;  von  Quast, 
Beiträge  zur  Geschichte  der  ältesten  Arbeiten  in  Schnitzwerk  in  Deutschland, 
in  der  Zeitschrift  für  christliche  Archäologie  und  Kunst  n,  S.  253;  Didron, 
Annales  XVII,  p.  337,  XVIII,  p.  42,  124;  Mitth.  d.  hist-arch.  Ver.  zu  Trier 
II,  S.  94. 

*)  Einhardi  vita  Kar.  c.  23,  SS.  n,  p.  455:  Peregrina  vero  indnmenta, 
quamvis  pulcherrima,  respuebat,  nee  umquam  eis  indui  patiebatur,  excepto 
quod  Bomae  semel,  Adriano  pontifice  potente,  et  iterum  Leone  successore 
eins  supplicante,  longa  tunica  et  clamide  amictus,  calceis  quoque  Romano 
more  formatis  induebatur.  Die  in  St.  Peter  zu  Bom  noch  heute  aufbewahrte 
Dalmatika  Karls  d.  Gr.  ist  spätem  Ursprungs  (vgl.  Sulp.  Boisser^e, 
lieber  die  Kaiserdalmatika  in  der  St.  Peterskirche  zu  Rom;  Didron,  La 
dalmatique  imperiale,  in  den  Annal.  arch6ol.  I,  p.  152,  pl.  V;  Kirchenachmuck 
ni,  Heft  12,  S.  81;  H.  Janitschek  im  Repertorium  für  Kunstwissenschaft 
X,  S.  510);  ebenso  die  Dalmatika  Ton  St.  Denys  (Lacroix,  Moeurs,  usages 
du  mögen  äge  p.  157,  fig.  887)  und  der  Mantel  im  Schatz  zu  Metz  (Bulletin 
monumental  XIV,  p.  409;  F.  Bock,  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder  II, 
S.  292;  Dommanget,  Bulletin  de  la  sociöt^  de  la  Moselle  VUI,  p.  45; 
Hefner,  Trachten  und  Geräthschaften  I,  Taf.  XXII). 

')  Thegan  nimmt  den  Mund  etwas  voll  bei  der  Schilderung  Vita  Hlnd. 
imp.   c.   19,   88.   II,   p.  595:    Numquam   aurco    rcsplenduit   vcstimento,   nisi 


Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grosseu.  239 

[ig-en,  schleppenden  Mantel  aufnimmt  \  unter  Karl  dem  Kahlen 
i^winnt  die  byzantinische  Tracht,  die  jetzt  ausdrücklich  als 
raecae  gloriae,  als  griechischer  Prunk,  bezeichnet  wird,  die 
olle    Herrschaft*,  von  jetzt  an  treten  alle  deutschen  Könige 


Li.ntuin  in  sommis  festivitatibus,  sicat  patres  eins  solebant  agere.  Tone  nihU 
vk  Ulis  diebus  se  indnit  praeter  camisiam  et  femoralia  nisi  com  auro  texta, 
ombo  aureo,  baltheo  aureo  praecinctus  et  ense  auro  fulgente,  ocreas  aureas 
3t  clainidem  cum  auro  textam,  et  coronam  auream  in  capite  gestans,  et 
V>actiluin  auream  in  manu  tenens.  Walafridi  Strabi  versus  de  imagihc 
Tetrici  v.  149,  Po6t.  lat.  IT,  p.  374;  gemmis  auroque  decorum.  Ermoldus 
Nigellns  IV,  375,  Po^t.  lat.  U,  p.  68: 

Consertam  clamidem  gemmis  seu  murice  rubre, 
Aureus  in  gyro  quam  quoque  limbus  arat. 
379  Anrea  mox  gemlnos  constrlngunt  vincla  lacertos, 
Foemora  gemmatus  balteus  eins  obit; 
Et  Caput  insigui  donatur  rite  Corona, 
Perstringuntque  pedes  anrea  plectra  snos; 
Aurea  per  dorsum  respleudent  tegmina  latum, 
Ornanturque  manus  tegmine  candidulo. 
Bass  dies  Kostüm,  welches  Ludwig  dem  Harald  verleiht,   das  fremd - 
l{lndische  sei,  wird  ausdrückUch  bezeugt  durch  den  Gegensatz  v.  897 : 
Cetera  namque  cohors  Francisco  more  paratur. 
Es   ist   dasselbe   Kostüm,    welches  Karl    in   seiner    Metzer   Statuette, 
welches  seine  Bildnisse  in  den  römischen  Mosaiken   führen,   das  nun  auch 
Ludwig  in  des  Rabanus  Maurus  Werk  De  laudibus  sanctae  crucis  (Migne, 
Patrologia  LVII,  p.  142)  trägt  —  die  Tunika  bis  zu  den  Knieen  reichend, 
mit  Gürtel  und  breitem  Saum,  der  Mantel  auf  der  Schulter  geheftet  und  bis 
zur  Mitte  der  Unterschenkel  herabfaUend  (modemisirt  im  Cod.  Mouacens.  c. 
pict.  7.  lat.  8201,  fol.  38»»). 

*)  In  dem  Widmungsbild  seines  Evangeliars  in  Paris  (Bibl.  nat.  lat  266) 
erscheint  er  in  edler  Schmucklosigkeit,   der  lange  Mantel  noch  ohne  Saum 
und  Stickerei,   wogegen  er  auf  dem  Bild  des  Londoner  Psalters-  (Bibl.  EUis 
&  White)  und  auf  dem  Widmungsbild  der  Handschrift  der  carmina  Wandal- 
berti  in  der  Vatikana  (Cod.   bibl.  regln.  Christin,  lat.  438),  auf  die  mich 
£.  Dümmler  aufmerksam  machte  und  die   Job.    Ficker-Rom   für   mich 
ZQ  nntersQchen    die   Güte   hatte,    in    dem    altfränkischen   kurzem   Kriegs- 
mantel erscheint.    Ebenso  der  psallirende  David  in  der  Bibel  von  St.  Paul 
zu  Rom  und  der  fränkische  Fürst  im  Metzer  Messkanon  (Bibl.  nat.  lat.  1141), 
endlich  König  Nabuchodonosor  im  Cod.  lat.  63  der  Bibl.  nat.  zu  Paris  (Viollet- 
le-Duc,  Dictionnaire  du  mobilier  fran^ais  I,  p.  110). 

^  Annales  Fuldenses  ad  ann.  876,  SS.  I,  p.  389,  1.  33 :  Karolus  rex  de 
Italia  in  Galliam  rediens,  novos  et  insolitos  habitus  assumpsisse  perhibetur; 
n&m  talari  dalmatica  indutus,  et  baltheo  desuper  accinctus  pendente  usque 
ad  pedes,  nee  non  capite  involuto  serico  velamine,  ac  diademate  desuper 
imposito,  dominicis  festisque  diebus  ad  ecclesiam  procedere  « olebat.  Omnem 
enim  consuetudinem  regum  Francorum  contcmpnens,  Graecas  glorias  optimas 


240  P.  Giemen 

in  der  langen  und  schleppenden  Dalmatika  und  dem  bis  auf 
den  Boden  reichenden  Mantel  auf,  der  aber  noch  nach  fränkischer 
Sitte  auf  der  rechten  Schulter  geheftet  wird.  Erscheint  die 
Krone  der  frühkarolingischen  Zeit  als  einfacher  mit  Gk)ld  und 
Edelsteinen  geschmückter  Reif  ^,  vielleicht  in  Anlehnung  an  die 
eiserne  Krone  zu  Monza^,  so  hat  sie  schon  auf  der  spätem 


arbitrabatur,  et  ut  inaiorem  snae  mentis  elationem  ostenderet,  ablato  regis 
nomine,  se  imperatorem  et  angnstnm  omnium  regnm  eis  mare  eonsistcntimn 
appeUare  praecepit.  Von  den  bildlichen  Darstellungen  des  Kaisers  in  erster 
Linie  das  Dedikationsbild  der  Vivianusbibel  und  das  Dedikationsbild  des 
Psalters  zu  Paris  (Lab arte,  Histoire  des  arts  industriels.  Album  II,  pl.  89), 
bei  beiden  der  überlange,  die  Füsse  fast  verhüllende  Mantel  deutlich  erkennt- 
lich. Im  Codex  aureus  von  St.  Emmeram  (München,  Cimel.  55):  Cahier  et 
Martin,  Nouveaux  m61anges  d'arch6ologie.  Curiosit6s  mystßrieuses  I,  pl.  6, 
p.  48,  durch  ein  in  der  Bibel  von  St.  Paul  bei  Karl  dem  Dicken  wiederholtes 
Motiv  der  Mantel  über  dem  linken  Knie  kokett  in  die  Höhe  gezogen.  Bis 
auf  die  Füsse  faUeud  bei  den  Königsdarstellungen  in  der  Bibel  von  St.  Paul : 
Pharao,  Holofemes,  Saul,  Herodes,  Antiochus  (West  wo  od  1.  c). 

*)  Mit  diesem  Reif  geziert  ist  die  Metzer  Statuette,  sind  die  Bildnisse 
Karls  zu  Rom  (die  in  den  verschiedenen  Abbildungen  oft  bis  zur  Unkennt- 
lichkeit entstellten  Kopfbedeckungen  stellen  nach  der  ältesten  Wiedergabe 
bei  Alemaunus  einen  Reif  mit  gepolsterter  Kopfhaube  dar),  das  Bildniss 
Karls  im  Cod.  Fuldensis  der  Volksrechte  (s.  u.),  das  Ludwigs  im  Rabanns 
Maurus. 

*)  Karl  selbst  freilich  ist  nicht  mit  ihr  gekrönt  worden,  wie  die  spätem 
Annalisten  woUen,  er  ist  überhaupt  nicht  zu  Pavia  gekrönt  (so  Muratori, 
Anecdota  ex  Ambrosianae  bibUothecae  codicibus  II,  p.  267;  Mabillon, 
Annales  II,  p.  227),  da  im  Gegentheil  Paulus  Diaconus  (Historia 
Laugobardorum  VI,  55,  SS.  rer.  Lang.  p.  184)  berichtet,  dass  die  Thron- 
erhebung bei  den  Langobarden  nur  durch  üeberreichung  eines  Speers  gefeiert 
ward.  Die  Krone  ist  nicht,  wie  B.  Simson,  Jahrbücher  des  fränkischen 
Reiches  unter  Karl  d.  Gr.  I,  S.  193  meint,  um  Jahrhunderte  jünger:  vgl. 
Barbier  de  Montault,  Le  tr^sor  de  Monza,  im  Bulletin  monumental  1883, 
p.  2;  Ders.,  Inveutaires  de  la  basilique  royale  de  Monza,  im  Bull.  mon.  1880, 
p.  18,  46,  60;  J.  Lab  arte,  Recherchcs  sur  la  peinture  en  ^mail  p.  11. 
Publicirt  Muratori,  SS.  rer.  Ital.  I,  p.  460;  Frisi,  Memorie  storiche  di 
Monza  I,  pl.  VII;  du  Sommerard,  Les  arts  au  moyen  &ge.  Album, 
s^r.  X,  pl.  XIV;  G.  Fontanini,  De  Corona  ferrea  c.  IV,  p.  34;  F.  Bock, 
Kleinodien  des  h.  röm.  Reiches  deutscher  Nation,  Taf.  XXXIII,  S.  49, 
157—164;  B.  Grueber,  Das  Stift  des  h.  Johannes  in  Monza,  Taf.  VII,  S.  40. 
Die  zwei  unter  dem  Namen  Karls  gehenden  Kronen  zu  Aachen  und  Wien 
sind  bekanntlich  später  entstanden,  die  zu  Wien  unter  Konrad  II.,  abgebildet 
V6tault,  Charlemagne,  pl.  in,  p.  50;  dazu  Longp6rier  bei  V^tault 
p.  544;  J.  Labarte,  Recherches  p.  33;  Pottier  bei  Villemin,  Monuments 
fran^ais  in^dits  J,  13,  II,  pl.  XIX.  Vgl.  A.  Essen  wein,  Die  Krönungs- 
insignien im  Mittelalter,  im  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1866, 


Die  PortrStdarstellangen  Karls  des  Grossen.  241 

Darstellung  Lothars,  sicherlich  durch  den  Einfluss  des  byzan- 
tinischen Ceremoniells,  die  Form  eines  verzierten  Eeifen  an- 
genommen, an  welchen  sich  nach  beiden  Seiten  über  den  Ohren 
mit  Pflanzenomamenten  bedeckte  Seitenstücke  anschliessen  \  eine 
Nachbildung  der  in  Byzanz  heimischen  Form  der  Ohrgehänge, 
wie  sie  sich  zuerst  in  der  Gestalt  von  Perlschnüren  ^,  dann  als 
feste  Seitenstücke  bis  in  das  späte  Mittelalter  auf  allen  Kronen 
byzantinischer  Arbeit  findend 

Nun  zeigt  unsere  Statuette  sowohl  die  früheste  Form  der 
Reifenkrone  wie  den  saumlosen  kürzern  Kriegsmantel  und  die  bis 
zur  Mitte  des  Oberschenkels  reichende  tunicella  —  welch  letztere 
beide  wir  mit  vollständiger  Sicherheit  vor  die  Zeit  Lothars 
und  Karls  des  Kahlen  versetzen  konnten.  —  Dies  und  die 
völlige  Schmucklosigkeit  der  Figur  auch  vor  der  Zerstörung 
der  Oberfläche  durch  den  Brand  im  Jahre  1871  gibt  uns  das 
Recht,  die  Zahl  der  für  die  Namengebung  in  Betracht  kommenden 
karolingischen  Herrscher  auf  die  ersten  drei  Karolinger  einzu- 


S.  113,  161;  F.  Bock,  Die  deutsche  Kaiserkrone,  in  den  Mittheilungen 
der  Centralcommission  XIII;  Cahier,' Caract^ristiques  des  Saints  I,  p.  266; 
F.  Bock,  Kleinodien,  Taf.  I;  Lacroix,  Le  moyen  4ge  et  la  renaissance 
III.  Vie  priv^e  6.  Die  Aachener  Krone  auf  dem  Haupt  der  Büste  Karls 
im  Münsterschatz  ist  1262  von  Richard  von  Cornwallis  geschenkt:  Noppius, 
Aacher  Chronick  1632,  Th.  I,  S.  47;  3Ieyer,  Aachensche  Geschichten  I, 
S.  288,  290.  Die  Urkunde  bei  Quix,  Codex  dipl.  Aquensis  no.  192.  Vgl. 
F.Bock,  Kleinodien,  Taf.  IX,  Fig.  11;  Ders.,  Die  deutsche  Königskrone 
im  Schatze  der  ehemaligen  Krönungskirche  zu  Aachen,  in  den  Mittheilungen 
der  Centralcommission  IV,  S.  65.  Vgl.  auch  A.  di  Miranda,  Richard  von 
ComwaUis  und  sein  Verhältniss  zur  Krönungsstadt  Aachen,  in  den  Annalen 
d.  hist.  Ver.  f.  d.  Niederrhein  XXXV,  S.  65.  Ebenso  wenig  gehen  auf  Karl  zurück 
die  Kronen  im  Schatz  von  St.  Denys:  F^libien,  Histoire  de  Tabbaye 
royale  de  Saint-Denys  en  France,  pl.  IV  und  im  Schatz  von  Notre  Dame  zu 
Paris:  Beaunier  et  Rathier,  Recueil  des  costumes  frangais,  pl.  48. 

0  Etwas  unverständlich  zuerst  auf  den  Bildern  Lothars  im  Pariser 
Evangeliar  und  Karls  des  Kahlen  in  der  Vivianusbibel. 

»)  So  zuerst  bei  Justinian  auf  der  bekannten  Mosaik  in  der  Tribuna 
von  San  Vitale  zu  Ravenna:  Revue  arch6olog.  VII,  p.  351;  G.  Knight, 
Ecclesiastical  architectur  I,  pl.  92.  Vgl.  die  weitere  Entwicklung  der  Krone 
in  den  Abbildungen  bei  Weiss  a.  a.  0.  II,  S.  92—95. 

8)  Zuletzt  noch  bei  der  heiligen  Krone  von  Ungarn  im  Kronschatz  im 
Schloss  zu  Ofen:  E.  Bonz,  Die  belüge  Krone  von  Ungarn,  in  Müv6szi.  Ipar. 
2,  1887;  F.  Bock,  ReUquien,  Taf.  XVI,  23.  Die  Entwicklung  der  Formen 
klar  zu  beobachten  in  den  Kaiserbildern  auf  byzantinischen  Münzen:  Revue 
de  la  num.  Beige,  sör.  III,  tom.  II,  pL  VH— IX,  XHI-XV,  tom.  lU,  pl.  X— XI. 

16 


242  P.  Giemen 

schränken,  auf  Karl  d.  Gr.,  Ludwig  d.  Fr.  und  Lothar  I.   in 
seiner  frühesten  Regierungszeit. 

Die  Metzer  Reiterfigur  ist  ein  Gusswerk,  aus  zwei  Theilen 
zusammengesetzt,  das  benutzte  Metall  ist  nach  dem  ürtheil 
von  F.  Barbedienne  eine  Mischung  von  Kupfer  und  Zinn  in 
der  Zusammensetzung  der  antiken  Bronze  ^  Recht  wohl  war 
die  Kunst  unter  Karl  d.  Gr.  fähig,  den  Guss  einer  kleinen 
Reiterstatue  vorzunehmen.  Ausser  den  erhaltenen  Werken,  der 
Artischoke*,  den  Gittern  und  Thüren  im  Aachener  Münster  ^ 
werden  eine  Reihe  grösserer  und  kleinerer  Erzgüsse  und 
Goldschmiedearbeiten  erwähnt,  die  goldenen  und  silbernen, 
ehernen  und  eisernen  Prunkgefässe  im  Schatz  Karls  d.  Gr.*, 
die  in  seinem  Testament  erwähnten  goldenen  und  silbernen 
Tischplatten^,  die  vergoldeten  Erzthüren  im  Palast  zu  Ingel- 
heim ^  Und  neben  der  ersten  und  bedeutendsten  Giesshütte 
des  Reiches  zu  Aachen,  der  Einhard  und  Ansegis  vorstanden^, 
und  in  der  ausdrücklich  ein  weitberühmter  Künstler  erwähnt 
wird®,  blühte  Kunstguss  und  Goldschmiedearbeit  vor  Allem  zu 

0  Bei  E.  aus*m  Weerth  a.  a.  0.  S.  160. 

*)  Eäntzeler,  Der  Pinienapfel  neben  dem  Haapteingange  der  Aachener 
Münsterkirche,  in  den  Jahrbüchern  d.  Ver.  v.  Alterthomsfreonden  XXVll, 
S.  104,  Anm.,  Taf.  I;  Barbier  de  Montault  im  Bulletin  monamental  XLm, 
p.  428,  fig.  429.  Nach  E.  ans^m  Weerth,  Konstdenkmäler  des  christlichen 
Mittelalters  i.  d.  Rheinlanden,  Taf.  VIII,  Text  n,  S.  70,  76  erst  unter 
Otto  I.  gegossen. 

*)  Mertens  in  Försters  Wiener  Banzeitong  V;  Gailhabaud,  Bau- 
kunst in  hält  sie  noch  fttr  römischen  Ursprungs;  Schnaase,  Kunstgeschichte 
m,  S.  626;  aus'm  Weerth,  Kunstdenkmäler,  Taf.  XXXII,  1,  2,  3,  4,  1% 
2%  3%  4*,  6,  6»— *,  7,  7»— ^  Text  II,  S.  71;  Bock,  Karls  des  Grossen 
PfalzkapeUe  S.  18,  20,  21,  22. 

*)  Einhardi  vita  Kar.  c.  26,  SS.  II,  p.  457, 1.  14:  Sacromm  vasomm  ex 
auro  et  argeuto  . . .  tantam  copiam  procuravit.  C.  33,  SS.  U,  p.  462, 1.  10:  Ad 
hanc  tertiam  totius  sununae  portionem,  quae  similiter  ut  ceterae  ex  auro  et 
argento  constat,  adiungi  voluit  omnia  ex  aere  et  ferro  aliisque  metallis 
yasa  atque  utensilia.  Mehr  noch  erwähnt  im  Chronicon  Moissiacense  814, 
SS.  I,  p.  310,  1.  42. 

^)  Einhard  c.  33,  SS.  11,  462,  23:  ...  praecipuae  magnitadinis  et 
ponderis. 

•)Ermoldi  Nigelli  carm.  IV,  188.  Nach  einer  Vermuthung  Tom 
aus'm  Weerth  in  den  Jahrb.  d.  Ver.  v.  Alterthumsfr.  LXXVni,  S.  156. 

0  Einhards  Beiname  Beseleel  —  nach  2.  Mos.  81,  2  —  deutet  auf 
seine  Fertigkeit  in  kunstvoller  Metallarbeit. 

*)  Mon.  SangaU.  I,  c.  29,  SS.  11,  p.  744,  L  31 :  Erat  ibidem  alius  opifez, 
in  omni  opere  aeris  et  vitri  cunctis  excellentior.    Es  ist  nicht  unaiöglich. 


Die  Portr&tdarsteUimgeii  Karls  des  Grossen.  243 

St.  Wandrille,  wo  schon  nnter  Abt  Wido  *  kunstvolle  Aquama- 
nilien,  unter  Abt  Gervold  *  während  der  Regierung  Karls  d.  Gr. 
eine  ganze  Fülle  yon  G^fassen  und  Reliquienbehältern  erwähnt 
werden,  zu  Fulda,  wo  unter  Stunni^,  sodann  unter  Rabanus 
eine  Anzahl  reich  geschmückter  Laden  und  Antependien  ent- 
stand, wo  der  gerühmte  Isanbertus  arbeitete^,  zu  Tours  unter 


dass  dies  jener  Cuicmnus  war,  den  ein  Gedicht  des  Aedilmlfas  so  hoch  rühmt : 
Po€t.  lat  I,  p.  590: 

Miriicis  fratrem  liceat  memorare  loqnellis, 
Ferrea  qni  domitans  potnit  formare  metaUa, 
Diversisque  modis  sapiens  inende  snbactnm 
MaUens  in  femun  peditat  stridente  Camino 
Cnicninns  hie  fnerat  genitoris  cnra  vocatos. 

')  Gesta  abb.  FontanelL,  SS.  II,  p.  290,  L  36 :  nrceos  cum  aqaamanilibos. 

*)  Ibidem  11,  p.  292,  1.  5,  p.  295,  1.  6:  aqnamanile  et  nrcens  mirabili 
opere.  15 — 46.  Ein  Antependinm,  mit  figürlichem  Schmnck  bedeckt,  erwähnt 
1.  7:  Altare  in  honore  perpetnae  yirginis  Mariae  decoravit  tabola  llgnea, 
quam  imaginibos  argenteis  diversis  cooperait.  Karls  Capitnlare  de  TÜlis 
forderte  in  jeder  Pfalz  das  Vorhandensein  tüchtiger  nnd  geschulter  Metall- 
künstler. Passns  45:  üt  nnnsqnisque  index  in  sno  ministerio  bonos  habeat 
artifices.  Vgl.  von  Heister,  Das  Capitularede  villis,  in  der  (Westfälischen) 
Zeitschrift  für  vaterländische  Gesch.  nnd  Alterthnmsknnde  XVII,  S.  323—331; 
Gnärard,  Explication  du  capitnlaire  de  villis,  in  den  M^moires  de  Tacad^mie 
des  inscriptions  et  belles-lettres  XXI,  I,  p.  165.  Viele  der  hier  genannten 
Künstler  finden  sich  in  der  Lex  Salica  ed.  Merkel  XI,  6,  in  der  Lex  Alaman- 
norum  ed.  Merkel,  LL.  m,  LXXIX,  7,  in  den  Statuten  des  Adalard  von 
Corbie  c.  20,  LL,  I,  p.  179. 

*)  Vita  8.  Stnrmi  c.  20,  SS.  11,  p.  875,  1.  34:  Snper  sepnlcmm  vero 
beati  martyris  Bonifacii  auro  argentoqne  compositam  statuit  arcam,  qnam 
nos  solemns  requiem  appellare;  quam  —  nt  tunc  mos  erat  —  pulcro  opere 
condidit ;  qnae  usqne  hodie  snper  tnmulom  ipsins  Christi  martyris  cum  altari 
aureo  perseverat  Ueber  frtlhere  Arbeiten  vgl.  ep.  Bonifac.  16, 68;  S.  Günthner, 
Gesch.  d.  litt.  Anstalten  in  Bayern  S.  125. 

*)  Catalogns  abbatum  Fuldensium,  SS.  XIII,  p.  273:  Rhabanus  fecit 
arcam  arcae  Mosaicae  instar  cum  circulis  et  vectibus  ex  omni  parte  auratam, 

propitiatorium,  cherubim  gloriae,  candelabmm  dnctile  ex  toto  auratum 

fecit  et  sacrarium,  qnod  sacris  vasis  aureis  et  argenteis  mira  arte  fabricatis 
pene  replicuit.  unter  arca  entweder  zu  verstehen  altare  portatile  oder 
tabulatum  pone  malus  sdtare,  eine  Art  Antependinm,  oder  endlich  wie 
Po6t.  lat.  n,  p.  226  capsa.  Vielleicht  bezieht  sich  auf  diese  arca  Poöt.  lat. 
n,  p.  219.  Versus  in  tumulo  sancti  Sergii: 

Hanc  thecam  tibimet,  Sergi,  sanctissime  martjrr, 
Hrabanns  fecit,  servulus  ipse  dei. 

Cherubim  gloriae  neben  propitiatorium  stehend  auch  Catal.  abbat. 
Floriacens.  L  i.  Balnzii  misceU.:   Cherubim  gloriae,  olumbrantia  propitia- 

16* 


244  P.  Giemen 

Alcuin  \  zu  Köln,  wo  Hildebald  auf  Karls  Geheiss  einen  Altar  in 
getriebener  Arbeit  hatte  anfertigen  lassen  *.  Im  Gegensatz  zu  diesen 
sich  häufenden  Nachrichten  über  die  Blüthezeit  unter  den  ersten 
Karolingern  hören  wir  von  der  Mitte  des  9.  bis  zum  Ausgang  des 
10.  Jahrhunderts  nichts  mehr  von  Erzarbeiten,  einzig  und  allein 
in  St.  Gallen  scheint  sich  eine  Tradition  auch  über  diese  Zeit 
hinaus  erhalten  zu  haben  *,  und  erst  Ende  des  10.  Jahrhunderts 

torinin  super  altare  ipsias  artificiosissimo  magisterio  expressom.  Vgl.  Du 
Gange,  Glossarinm  med.  et  inf.  latin.  (Paris  1845)  V,  p.  479,  3. 

Vita  b.  Hrabani  archlep.,  Mabillon,  Acta  SS.  ord.  s.  Bened.  VI,  p.  3: 
ecclesiam  ex  diverso  metaUorom  pretiosaramqae  yestium  genere  polcra  y&iie- 
tate  decoravit.  P.  8:  Reliqaorom  sanctorum  ossa  in  arca,  quam  ad  instar 
arcae  foederis  Dei  ex  ligno  fabricatam  atque  deaaratam  cum  cherubim 
condidit.  P.  16:  Ligneam  tumbam  auro  paravit  et  argento.  Titulum  litteris 
deauratis  in  circuitu  conscripsit.  P.  17:  turrem  lapideam  .  .  .  super  quam 
culmen  ligneum  columnis  quattuor  sustentatum  erigens,  auro  omavit  et 
argento:  intra  quod  arcam  oblongam  qaadrangulo  schemate  factam  posnit, 
quam  etiam  auro  et  argento,  atque  lapidibus  ornans,  singulorum  sanc- 
torum imaginibus  decenter  expressis  decoravit,  versusque  quasi  ex  persona 
eiusdem  arcae  prolatos  in  circuitu  conscripsit.  Vgl.  Fiorillo,  Geschichte 
der  zeichnenden  Künste  in  Deutschland  I,  S.  48. 

Versus  Hrabani  de  capsa,  quam  Isanbertus  monachus  fecit:   „En  arca 
haec".    Poet.  lat.  II,  p.  226. 

*)  Poöt.  lat.  I,  p.  308,  LXXXVIIl.   In  ecclesia  sancti  Vedasti  in  pariete 
scribendum  (von   Alcuin  nach   dem  Brief  Mon.  Alcuin.,    Jaff6,   BibL   VI, 
p.  729).    Der  V.  8  genannte  Eado  Abt  von  St.  Martin  in  Tours.  V.  5: 
Cancellos,  aras  voluit  vestire  metallis, 
Vedasti  fabricans  sacrofagumqne  patris. 
Ebenso  809,  III,  8. 

')  Du  Chesne,  Histor.  Francor.  SS.  II,  p.  691;  von  Rumohr,   Ital. 
Forschungen  I,  S.  222 ;  Po6t.  lat.  I,  p.  333.  Alcuini  versus  CVII : 
Hex  Oarolns  Cbristi  magno  devotus  amore 
lusserat  hanc  aram  sacris  vestire  metallis 
Ad  decus  ecclesiae  propriam  sibimetque  salutem. 
Hoc  opus  antistes  rege  mandante  peregit 
Hildibaldus  ovans  Agrippina  praesul  in  urbe. 
Ebenso  CVIII:  lusserat  hanc  arcam  pulchris  omare  metallis 

Hildebaldus  ovans. 
')  Ratperti  casus  s.  Galli  854,  SS.  11,  p.  70,  1.  4:  Praeterea  Corona 
argenteis  aliisque  diversis  luminaribus  pariter  cum  multimodis  variorum 
ornamentorum  splendoribus  ipsam  magnopere  studuit  insignire  basilicam.  864, 
SS.  II,  p.  71,  1.  7:  Collocatum  est  autem  corpus  sancti  Otmari  in  ecclesia 
sancti  Galli  iuxta  altarium  sancti  lohannis  Baptistae  ....  tumbaque  argento 
et  auro  sibi  parata .  .  .  tumba  videlicet  et  altari  plenius  decoratis.  Ekke- 
hardi  IV.  casus  s.  Galli  887,  SS.  n,  p.  82,  1.  35:  Erat  munus  iUud  capsa 
solide  aurea,  gemmis  regaliter  inclita,  reliquiis  summis  referta,  in  formam 


Die  Porträtdarstellongen  Karls  des  Grossen.  245 

tauchen  wieder  grössere  Erzgttsse  zu  Mainz,  zu  Corvey,  end- 
lich zu  Hildesheim  auf  ^  Die  gleiche  künstlerische  Unfertigkeit 
herrscht  nach  dem  Absterben  der  karolingischen  Renaissance, 
wie  vor  ihrer  Geburt  —  so  dass  auch  hier  die  grösste  Wahr- 
scheinlichkeit dafür  spricht,  dass  unsere  Statuette  unter  den 
ersten  Karolingern  entstanden  sei.  Eine  grössere  Reiterflgur 
würde  die  Anfertigung  in  einer  andern  als  einer  der  grossen 
Giesshtttten  der  Karolinger  ausschliessen  —  und  das  war  auf 
deutschem  Boden  einzig  Aachen  —  die  geringe  Höhe  unserer 
Figur  lässt  eine  derartige  lokale  Fixirung  nicht  zu.  Auch 
mit  keinem  erhaltenen  Werke  können  wir  sie  in  Verbindung 
bringen  —  die  einzige  erhaltene*  Sitzflgur  des  karolingischen 
Zeitalters,   die  der  Sainte  Foy  im  Schatze  zu  Conques',  mit 

capellae  creata,  cui  simile  quidem  nihil  nnquam  vidimas.  84,  8:  inter  de- 
licias  potationom,  com  mirarentor  artificia  vasonun,  aori  argentique,  maxlme 
autem  vitreonim.  917,  SS.  n,  p.  88,  1.  28:  üt  in  cantoro  quodam,  quo  Salo- 
mon  ntebator,  gemmato  gravissimi  ponderis  aureo.  88,  43 :  sarchophagnm 
iUad  magnificum,  quod  hodie  miramar,  ex  aoro  et  gemmis  electis  compegit. 
Cracem  aetiam  iUam  honorandam  sanctae  Mariae,  Tuotilone  nostro  anaglifas 
parante,  ex  eodem  auro  et  gemmis  mirificavit.  Altare  vero  sanctae  Mariae 
et  analogiam  enangelicum  eiasdem  fratris  nostri  artificio  in  locis  congrnis 
deaurata,  Hattonis  sui  de  scriniis  vestivit  argento,  et  dyptivit,  nt  videre  est, 
ex  aoro  electo.  89,  33:  (Hatto)  .  .  mirator  opus  tan  tum  tam  brevi  peractum, 
miratar  et  crucem  lapidibus  christallinis  circnmclusum.  Mabillon,  Iter 
Qermanicom  p.  52,  54  erwähnt  in  Begensburg  einen  Tragaltar  Arnulfs: 
parrum  altare  mobile  aureis  laminis  opertom,  quadratae  figurae  (jetzt  in  der 
Schatzkammer  zu  München  befindlich). 

*)  Der  Ton  aus^m  Weerth  genannte  Folkardbrunnen  in  St.  Maximin 
zu  Trier  gehört  freilich  entschieden  nicht  dem  10.  Jh.  an,  sondern  entstand 
erst  unter  Folkmar  IIL  nach  1101.  A.  Wiltheim  setzt  ihn  in  seinen 
Annales  San-Maximianae  sogar  noch  in  die  Zeit  des  ersten  Abts  Folkard 
814—822.  Vgl.  F.  X.  Kraus,  Der  Brunnen  des  Folcardus  in  S.  Maximin 
bei  Trier,  in  den  Jahrbüchern  des  Yer.  von  Alterthumsfreunden  XLIX,  S.  94. 
')  Das  Rezept,  das  Ludwig  dem  Herold  ertheilt,  ward  wohl  nur  allzu 
gut  auch  in  der  folgenden  Kriegszeit  bei  karolingischen  Schöpfungen  befolgt : 
Ermoldus  IV,  445,  Poöt.  lat.  ü,  p.  70: 

Ferque  fabrita  focis  auri  argentique  metalla. 

Et  tibi  sive  tuis  inde  paretur  bonos. 
453  De  love  fac  oUas  nigras  furvosque  lebetes, 

Ignem  semper  ament,  auctor  ut  ipse  suus. 

Neptuno  fabricetur  aquae  gerulus  tibi  iure 

Urceus,  et  laticum  semper  habebit  bonos. 
')  A.  Darcel,  Tr6sor  de  Conques,  in  den  Annal.  arch^ol.  XXI,  p.  89 
(XVI,  p.  77,  277,  XX,  p.  215,  264,  827),  p.  48,  pl.,  p.  113,  pl.:  Kopf  in  natür- 
licher Griisse  «••«  ^rnüi    Die  Höhe  der  Statuette  beträgt  85  cm. 


246  P.  Ckmm 

ihrer  steifen  Haltong  nod  erstarrteo  Gesichtsbildiing«  ist 
weit  geringere  Arbeit  —  einzig  in  der  Mtakarolingtsdien  Kosst 
steht  die  Beiterstatoette  des  Mos^  Camavalet  da. 

Durch  zwei  gewichtige  Grande  ist  die  Mö^chkeit  einer 
Datirong  der  Statuette  auf  die  Begienmgszdt  Karls  d.  Gr.  mid 
Ludwigs  d.  Fr.  eingeengt.  Die  individuellen  Züge  derselben 
—  und  ihre  starke  Ausprägung  lässt  die  Vermuthung,  dass  wir 
es  nur  mit  einem  Herrschertypus  zu  thun  haben^  nicht  ziu 
stimmen  endlich  sammtlich  nberein  mit  der  Schilderung,  die 
Einhard  von  Karl  d.  Gr.  gibt,  und  selbst  für  den  nüchtemstea 
und  kritischsten  Blick  auflfiallend  genug.  Der  Kaiser  überrag 
das  Boss  stehend  fast  um  Kopfeslänge,  die  wohlbeleibte  Gestalt^ 
der  gedrechselte  runde  Kopf  mit  dem  tief  herabhängenden  weichen 

Kinn,  insbesondere  der  charakteristische  kurze  Stiemacken  

und  der  um  den  Hals  geschlungene  Mantel  macht  dessen 
gedrungene  Kurze  nur  noch  auffalliger  —  erlautem  nur  das 
Bild,  das  Einhard  von  seinem  Helden  gibt:  apex  capitis 
rotundus,  cervix  obesa  et  brerior,  venter  proiectior :  tamen  haec 
ceterorum  membrorum  celabat  aequalitas. 

Mit  völliger  und  unanfechtbarer  Sicherheit  wird  es  nie 
festzustellen  möglich  sein,  ob  unsere  Beiterfigur  Karl  d.  Gr. 
vorzustellen  habe:  es  spricht  nichts  dagegen  und  sehr  viel 
dafür.  Mit  Gewissheit  ist  nur  zu  sagen,  dass  wir  die  Portrat- 
statue eines  der  ersten  Karolinger  hier  vor  Augen  haben  *.  Der 
ausserordentliche  Werth  der  Figur  für  die  Grescbichte  der  karo- 
lingischen  Kunst  wird  dadurch  um  nichts  gemindert. 

Die  Haltung  entspricht  am  ehesten  der  der  römischen 
Equesterstatuen :  möglich,  dass  das  Beiterbild  des  Mark  Aurel 
auf  dem  Kapitol  das  Vorbild  abgegeben*.  Das  durch  Karl  von 
Bavenna  nach  Aachen  entführte  Eeiterstandbild  des  Theodorich  ', 


')  Nur  W.  Lfibke,  Geschichte  der  deutschen  Ennst  8.  45,  Anm.  2 
spricht  ohne  Angabe  der  Gründe  die  Statuette  der  karollngischen  Zeit  ab. 

')  Vgl.  Der  Marc  Aurel  des  Kapitels  und  die  Dioscuren  des  Monte 
CavaUo,  in  der  Wissenschaftlichen  Beilage  zur  Leipziger  Zeitung  1S86,  Nr.  61. 

')  Dass  das  Beiterbild  wie  die  Marmorbilder  und  Mosaiken  von  8.  Vitale 
(Einhard,  Vita  Kar.  c.  26,  SS.  ü,  p.  457,  1.  9;  vgL  auch  das  Schreiben 
des  Papstes  Hadrian  I.  an  Karl:  Jaff6,  Monnm.  CaroL  Bibl.  rer.  Germ.  IV, 
p.  268,  no.  89)  zur  Verschönerung  der  Aachener  Pfalzbanten  von  Bayeima 
entführt,  bezeugt  unzweifelhaft  Agnellus  im  Liber  pontificalis  ecclesiae 
Ravennatis,  SS.  rer.  Langobard«  et  Ital.  p.  338,  c.  94 :  Desuper  autem  eqina 
^  fulvo  perfuHus,  ascensorque  eins  Theodoricus  rex  scutum  siniiM 

/ 


^ 


yv-elches  die  Aacbaer  Eönstkr  tisli<!fa.  vor  Aosai  bataaL  jmmB 
»chverlich  ia  mehr  ab  der  allraiKiB«i  I>irciibiliiime'  <i^  Fictutn 
X^orbild  sein  —  TieUeicbt  ist  die  3>wmi*ciiende  Bdundliiiuc  ins 

T*ferd3    in    der  Pariser  Fiew  daraif  zaruirafThnii  —  tean. 

i.ni  G-e^nsatz  za  der  rohizen  Gaoeart  in  Pfe^rb.  ^^  -rmeäm 


gerebat  bmneio,  desbv  rero  bncduo  enm>  '. 
Tero  eqni  p&tnlis  et  tue  ToimoKa  enlwnt  ia  tl-  i-^ae  -i 
Quis  enim  Uletn  vide/e  potoit.  ittaiia  uIk  i*  yrü  >.£  ■ 
iter,  eam  upicist.  338,  IT:  Et  BitiK;  p<>iie  uaü  !^  ?a  £sr-  .-^  r:z  FmenrsK 
omnia  snbingasset  regn*  M  Biiwiwiriini  p^rri^i^'^  m  Ln-nr  HL  im«  m^>tr- 
iam,  pQBtquun  ad  eoipas  beati Petri  wi  i  ihm  iii  ii  pr»^=r_  iwgtgte- Fnosikm. 
BaTenna  ingresn«,  ndeaa  paWrhaaai  iiMei»^«.  (bix  KSMtBaa  ■»'•'» 
ut  ip»e  testalM  est,  ridii,  fn»dam  i'^.nwe  fcr.i  ».-^tk  a  ni-.  «kk  izmmtt 
palatio  qni  Äquisgraaü  Toeaior.  l .  P.  B  .  r k  3  i«  .'mj-.d-a^st  4.  T*t.  »jb 
AlterthiunsfrenDd«n  im  Rheinlaed«  V.  i.  1— )7j  »-»-»;  mm  Vti^-tm  aa, 
dass  das  BaveimaliKbe  Bild  Bit  4fa  n  Aa«^>a  äarJi  Wkl*frij  Stnbm 
enrihntAD  ideatuch  aei  (Teno!  ia  Afai^znai  palaüd  edhi  i«  inaeiii«  Tetrici 
ed.Damialer,  HanpU  Zeit^hrift  für  dtvuri«!  AlUfisB  Xn.  S.  441,  Po», 
lat.  n,  p.  370.  Zaent  bmnlxt  bei  toi  TheB*B.  Leba  des  b(ilig«ti  Karoli 
Hagni  S.  57  und  Lebenf,  B«CD«i]  de  dirm  icnu  fiaz  senii  d'^cUircisiie- 
menB  ä  lltistoire  de  Fraitee  n,  p.  13(.  di«  die  Sunie  ftti  ein  Bild  des 
Tjraimen  Telriku  bielt«ai,  iboen  foi^ntd  Kejer.  Aacben^be  Geschichten  I, 
S.  8S  aad  LadoDcette.  AnliqiiitjH  d'Aü-la-Chapelle,  in  den  H£moires  de 
Ia  vtcititt  rojale  des  antiqnaires  de  FnuKC  xrt,  p.  so).  U.  Orimm,  Das 
R«iteTsiaadbild  des  Tbeodoricb  zu  Aachen  nnd  du  ü«dicht  des  WaUfrid 
darauf  nnd  G.  Dehio,  Die  angebliche  Theodorich.<»tatue in  Aachen,  io  ZnhtM 
JahrbQcbeni  för  KoMtwiasenscIiaft  V.  S.  17«  leugnen  saf  Gnmd  einer  Ravni- 
oatiBcbeii  Kompilation  (bei  Uaratorl,  SS.  rer.  IUI.  I,  i,  p.  576:  Per  biici' 
tempora,  qnibiu  Theodorieiu  Bei  Gothonun  regebat  in  Italia,  ip"e  f''<'i< 
constrai  egiegia  opera  maxime  in  RaTenni,  scilicet  Ecciesiam  Gutliicum  .  .  . 
et  eqaom  cnin  eqoite  aereo-aaratmiL,  quem  post«a  Carolus  HngnuR  Riivi'iniii 
abstniit,  nt  reren«  Franciun  deportaret,  sed  in  iünere  Caroli  pcmleii  l'ii|''"" 
remansit;  ebenso  p.  577)  die  Identität  nnd  bebanpten,  die  StnUin  ni'i  In 
PaTia  enrflekgeblieben,  wo  sie  bis  an  das  Ende  des  vorigen  Julirbiiriilnrt« 
unter  dem  Namen  des  Begisol  gestanden  habe.  (0.  Flamma  linl  liliilliil, 
Memorie  di  Milano  VII,  p.  188;  Similiter  et  Idolum  RegiBoH,  1|ihmI  riinilii- 
Uagnns  Papiam  detolit.  Bogatti,  Memorie  storico-crillch«  liitDrini  n 
8.  Celso  Martire  c.  XIX,  p.  133:  hoc  simnlacrum  fabrinari  fwlL  Hr«  Iliillu 
Theodoricns  »pnd  Ravennam.  Carolus  re*  Francorum  nt  Itutnuiinniiii  Aiiuiixliin 
inde  enin  snstnlit,  nt  transferret  in  Franciam.  Qualllor  t"tii  l'a|iln  >lii|iiliiin 
fueiit,  diTeree  narratur.  Weiteres  Orimm  a.  a.  0.)  Ui'Kun  «Irliiim  ■rbni 
BoiJk  in  den  Jahrbüchern  L,  8.  1—52  in  einem  «welUm  Auf«iit«,  endllili 
W.  Schmidt,  Das  EeitersUndbild  des  ostgotbUcheu  KUulgi  Tlm.id..rl.ili  In 
BaTenna  und  Aachen,  in  Zahns  Jahrböchem  VI,  H.  1  ab».hli..M..ii,l.  Mb 
gnt  beseogte  Identität  des  Aachener  und  BaTtnnati.chen  Ulld.  (Iwl  Abu..II»i,i 
gegenüber  den  apitem  schlechtem  Nachrichten  ui 


248  P.  Giemen 

gelassenen  Haltung  des  Reiters  in  Paris  sass  Theodorich    im 
flatternden  Pelzmantel,  der  auszeichnenden  Tracht  der  gothischen 
Magnaten,  am  linken  Arm  den  Schild,  in  der  Rechten  den  kurzen 
Speer  schwingend  —  auf  einem  schnaubenden  Thier  mit  geschwell- 
ten Nüstern,  das  Walafrid  Strabus  mit  dem  anstürmenden  Boss 
im   Buch   Hieb    vergleicht  ^    zügellos,    über   Steine    und    Erz 
sprengend,  von  einer  zweiten  Figur  aus  dunkler  Bronze  geleitet. 
Wohl  aber  ist  das  Reiterbild  des  Theodorich  erst  jüngst  in 
Zusammenhang  gebracht  worden  mit  einem  der  Elfenbeinreliefs 
an  dem  von  Heinrich  n.  gestifteten  Ambo  im  Münster  zu  Aachen  *, 
so  zwar,   dass  die  Ravennatische  Reiterstatue  als  das  direkte 
Vorbild  für  die  am  Ambo  befindliche  Reiterfigur  angesprochen 
worden  ist.    Diese  Vermuthung  K.  Friedrichs^  bekämpfen   E. 
aus'm  Weerth*  und  Ed.  Dobbert^:  es  widerspricht  ihr  vor  Allem 
die  gesenkte  Lanze  des  Reiters.  Wenn  wir  nach  einem  Vorbild 
des  Reliefs  suchen  wollen,   so  finden  wir  dies  am  ehesten  in 


recht  zu  erhalten.  Ein  Holzschnitt  des  Regisol  zu  Pavia  (in  J.  Gualla, 
Papie  sanctuarium ;  Schmidt  a.  a.  0.  S.  25)  stimmt  nicht  mit  der  Beschreibung^ 
des  Aguellus  überein.  Ich  halte  daran  fest,  dass  das  Ravennatische  Bild 
thatsächlich  über  die  Alpen  geführt  und  zu  Aachen  aufgesteUt  worden,  wo 
es  vermuthlich  schon  881  bei  dem  Normanneneinfall  zu  Grunde  gegangen 
ist.  Doch  lebt  es  wahrscheinlich  noch  fort  in  der  Wilkunasage  (von  der 
Hagen,  Nordische  Heldenromane.  Wilkuna-Sage  HI,  S.  161;  vgl.  auch 
Müllenhoff  in  Haupts  Zeitschrift  XII,  S.  319).  Zu  Walafrid  s.  Ebert,  Die 
Litt.  d.  Abendlandes  II,  S.  146;  Ders.,  Zur  Lebensgeschichte  Wal.  Strab., 
in  den  Sitzungsberichten  d.  kgl.  sächs.  Akad.  d.  Wiss.  1878,  S.  100.  Vgl. 
Abel-Simson,  Jahrbücher  d.  fränk.  Reiches  unter  Karl  d.  Gr.  II,  S.  253, 
Anm.  4;  Simsen,  Jahrbücher  unter  Ludwig  d.  Fr.  I,  S.  320,  Anm.  8. 

*)  Hiob  39,  V.  21—24.  Es  strampfet  auf  den  Boden  und  ist  freudig 
mit  Kraft  und  ziehet  aus  den  Geharnischten  entgegen.  Es  zittert  und  tobet 
und  scharret  die  Erde  und  achtet  nicht  der  Trompeten  HaU. 

*)  Abbildungen:  Bock,  Karls  Pfalzkapelle  und  ihre  Kunstschätze  I, 
S.  72,  73;  aus'm  Weerth,  Kunstdenkmäler  11,  S.  83—89,  Taf.  XXXU,  3, 
3*,  4—9;  Bock,  Kleinodien  des  h.  röm.  Reiches,  Anhang  S.  42;  Rohault  de 
Fleury,  La  messe  III,  pl.  188;  E.  Förster,  Denkmale  deutscher  Kunst 
I.  Bildnerei,  Taf.  2.  Abgüsse  von  M.  Fischer- Aachen.  Gute  Nachbildung  im 
Centralmuseum  in  Mainz. 

')  K.  Friedrich,  Die  Elfenbeinreliefs  an  der  Kanzel  des  Domes  zu 
Aachen.    Eine  Nachbildung  der  Theodorichsstatue  in  Ravenna  und  Aachen. 

*)  E.  aus'm  Weerth  in  den  Jahrbüchern  d.  V.  von  Alterthumsfreundcn 
LXXVin,  S.  159;  Die  Elfenbeinreliefs  an  der  Kanzel  im  Münster  zu  Aachen, 
in  der  Wartburg  XII,  Nr.  6,  8,  12,  XIII,  Nr.  3,  bespr.  Repertorium  X,  S.  197. 

^)  Ed.  Dobbert,  Zur  Geschichte  der  Elfenbeinskulptur,  im  Repertoriam 
Vm,  S.  162. 


Die  Porträtdarstellangen  Karls  des  Grossen.  249 

altern  Elfenbeinarbeiten,  wie  dem  Diptychon  des  Konstantins 
im  Museo  Barbarini  K  In  dem  Reiter  des  Ambe  nun  sieht  aus*m 
Weerth  ^  wie  in  der  das  Gegenstück  bildenden  stehenden  Figur 
eine  Darstellung  Karls,  hier  in  der  friedlichen  Beschäftigung 
als  Waidmann,  zu  Boss,  jagend,  dort  in  der  kriegerischen  als 
TJeberwinder  der  Feinde,  durch  den  niedergetretenen  Vogel 
symboUsirt. 

Noch  ist  keine  Einheit  in  der  Deutung  der  sechs  Reliefs 
erzielt.  Hatte  man  zuerst  alle  Arbeiten  als  gleichzeitig  ange- 
sehen und  sie  in  die  spätrömische ',  karolingische  oder  die  Zeit 
Heinrichs  11.*  zu  versetzen  gesucht,  so  unterliegt  es  heute 
keinem  Zweifel  mehr,  dass  die  drei  technisch  und  stilistisch 
vollendetsten  Reliefs,  die  beiden  Bacchusfiguren  und  die  Isis*, 

*)  Gori,  Thesaurus  veterum  diptychorum  II,  pl.  L,  p.  163.  Bezeichnend 
besonders  die  Wendung  des  Pferdekopfs.  So  schon  aus^m  Weerth  in  der 
Wartburg  XII,  S.  166,  Auhl  2  und  Dobbert  a.  a.  0.  S.  176. 

*)  E.  au3*m  Weerth  in  der  Wartburg  XII,  a.  a.  0.,  nachdem  er  früher 
(Kunstdenkmäler  II,  S.  88)  im  Reiter  Heinrich  n.,  in  der  stehenden  Figur  St. 
Michael  zu  sehen  geglaubt  und  Jahrbücher  LXXVin,  S.  159  zunächst  nur  den 
Reiter  als  eine  Darstellung  Karls  angesehen  hatte.  So  auch  Weingärtner  im 
Deutschen  Museum  1852,  Nr.  52.  Friedrich  a.  a.  0.  sieht  in  dem  Reiter 
den  Ostgothen  Theodorich,  in  dem  stehenden  Herrscher  Julianus  Apostata. 
Dagegen  Wartburg  XII,  S.  170.  Auch  nicht  als  Karl  zu  fassen,  den  die 
Aachener  Quellen  bewachenden  Drachen  tödtcnd  (Mon.  Sangall.  II,  14  für 
Pippin.  Die  Sage  lebt  in  Aachen  fort:  1375  wird  das  Karlsbad  geschlossen, 
weil  ein  in  ihm  weilendes  Gespenst  zwei  Menschen  ertränkt:  Meyer, 
Aachensche  Geschichten  I,  S.  344;  C.  P.  Bock  in  den  Jahrbüchern  d.  Ver. 
von  Alterthumsfreunden  L,  S.  12,  Anm.  8). 

*)  Labarte,  Histoire  des  arts  industriels  I,  p.  194.  Vgl.  H.  Ott  es 
Besprechung  in  Zahns  Jahrbüchern  für  Kunstwissenschaft  m,  S.  294.  R. 
Garrucci,  Ivoires  A  sujets  profanes  dans  T^glise  d*Aix-la-Chapelle,  in  den 
M61anges  d'arch^ologie  IV,  p.  282,  pl.  XXXIV,  1,  2. 

*)  So  früher  aus*m  Weerth,  Kunstdenkmäler  II,  S.  84,  die  Reliefs  als 
Darstellungen  von  sechs  Hauptsünden  fassend  (vgl.  auch  P.  St.  Käntzeler, 
Histoire  des  reliques  d'Aix-la-ChapcUe  p.  54)  K.  Friedrich  a.  a.  0.  Für 
beide  war  maßgebend  die  Widmungsinschrift  in  Iconinischen  Versen  am  obern 
und  untern  Rand  des  Ambo,  die  jedoch  nur  auf  die  Zusammenfügung  der 
alten  Stücke  weist: 

Hoc  opus  ambonis  auro  gemmisque  micantis 
Rex  pius  Henricus,  celestis  honoris  anhelus, 
Dapsilis  ex  proprio  tibi  dat,  sanctissima  virgo. 
Quo  prece  summa  tua  sibi  merces  fiat  usia. 

*)  Für  Isis  zuerst  L.  L er  seh,  Isis  und  ihr  heiliges  Schiff,  in  den  Jahr- 
büchern d.  Ver.  von  Alterthumsfreunden  IX,  8.  100,  X,  S.  80,  Tat  VII; 
Garrucci  1.  c. 


250  P.  Giemen 

als  gute  spätrömische  Schöpfungen  \  der  Nereidenzug  als  wenig- 
spätere  stümperhafte  und  barbarische  Arbeit*,  und  die  beiden 
letzten  als  entstanden  in  der  Zeit  des  7.  und  8.  Jahrhunderts 
anzusehen  sind.  Auf  diese  Periode  weisen  die  Kostüme  der 
dargestellten  Personen,  die  ganz  sicher  nicht  karolin^iscli 
sind*.  An  eine  religiöse  Deutung  zu  denken,  wie  sie  von 
Förster,  Lersch,  aus'm  Weerth  versucht  worden,  erscheint  schwer 
möglich  *  —  und  als  erster  Schritt  zu  der  Annahme  einer  Portrat- 
darstellung Karls  wäre  der  Beweis  nöthig,  dass  die  beiden 
Reliefs  überhaupt  karolingischer  Kunstübung  den  Ursprung 
verdankten.  Dagegen  spricht  aber  nicht  niu»,  wie  erwähnt,  die 
Art  des  Kostüms,  sondern  auch  der  Umstand,  dass  keine  einzige 
der  allgemein  als  karolingisch  anerkannten  Elfenbeinarbeiten 
stilistisch  irgendwie  mit  den  Kanzelreliefs  übereinstimmt. 

Auch  äussere  Gründe  sprechen  dagegen.  Die  Reliefs  waren 
wahrscheinlich  schon  in  vorkarolingischer  Zeit  vereinigt  zum 
Schmuck  eines  Thronsessels  *,  derart,  dass  sie  mit  den  innem,  abge- 


*)  Den  spätrömJschen  ürsprmig  machen  besonders  einige  stilistische 
Merkmale  deutUch,  die  aUerdings  nicht  an  den  schlechten  Abbildungen,  son- 
dern nur  an  den  Originalen  oder  den  Nachbildungen  in  Mainz  zu  studiren 
sind.  Vor  Allem  die  weiche,  glatte  Behandlung  des  Nackten,  ohne  jede 
Angabe  von  Flächen,  mit  den  weiblichen,  überquellenden  Formen  in  Hüften 
und  Weichen,  dann  die  Zeichnung  der  Gesichter,  besonders  der  Augen  und 
des  Munds,  die  wulstige  Modefrisur,  die  durchaus  den  spätrömischen  Schul- 
typus  zeigt  (zum  Vergleich  bes.  der  Kopf  der  Daphne  in  dem  Ravennatischen 
Elfenbeinrelief  heranzuziehen:  K.  Dilthey  in  den  Jahrbüchern  d.  Ver.  v, 
Alterthumsfreunden  L,  S.  49,  Taf.  11),  dann  insbesondere  das  Motiv  des 
übergeschlagenen  Beins  bei  den  Bacchusfiguren  mit  der  dadurch  stark 
betonten  Hüfte  (vgl.  das  antike  Elfenbeinrelief  zu  Trier  in  den  Jahrbüchern 
d.  Ver.  V.  Alterthumsfreunden  LX,  S.  99,  Taf.  III;  Overbeck,  Kunst- 
mythologie. Apollon.  Atlas,  Taf.  XXVI,  15  und  das  Diptychon  Quirinianum: 
Gori,  Thesaurus  IV,  tab.  XVH,  Fr.  Wieseler,  Das  Diptychon  Quirinianum, 
Taf.  I,  n.    Vgl.  Wiesel  er  in  Schneidewins  Philologus  VI,  2,  S.  383). 

")  Vgl.  auch  Jahrbücher  d.  Ver.  v.  Alterthumsfreunden  XI,  Taf.  V, 
Fig.  2. 

")  Die  Panzerung  und  Zaddeltracht  ist  auf  keinem  einzigen  karolingischeu 
Denkmal  nachzuweisen.  Die  DarsteUungen  der  kaiserlichen  Leibgarde  (ViviaDUS- 
bibel,  Lotharevangeliar,  Bibel  von  St.  Paul)  zeigen  noch  grosse  Verschieden- 
heiten.   Vgl.  auch  Weiss,  Kostümkunde  II,  S.  53. 

*)  Dagegen  auch  Ed.  Dobbert  a.  a.  0.  S.  175. 

»)  E.  aus'm  Weerth  in  der  Wartburg  XIU,  S.  26;  Artikel  „Elfen- 
bein** in  Kraus,  Eealencyclopädie  I,  S.  401.  Weingärtner  in  den  Mit- 
theilungen der  Centralcommission  V,  S.  122  nahm  schon  an,  die  Aushöhlung 
der  Eückseite  lasse  eine  Säule  vermuthen. 


Die  PorträtdarsteUangen  Karls  des  Grossen.  251 

rundeten  Flächen  an  dessen  Pfosten  angeheftet  waren,  wie 
dies  der  Elfenbeinstuhl  des  Bischofs  Maxirain  zu  Ravenna,  die 
Cathedra  Petri  in  Rom,  die  Cathedra  des  h.  Markus  im 
Domschatz  zu  Venedig  zeigen.  Wie  die  beiden  Bacchusfiguren, 
die  Isis  und  die  sicher  dazu  gehörige  Bacchantin  im  Museum 
Clany^  einander  entsprachen,  so  wurden  ftir  den  besondern 
Zweck  noch  zwei  weitere  sich  entsprechende  Tafeln  angefertigt. 
An  einem  Sessel  Karls  d.  Gr.  des  Kaisers  Bild  anzunehmen^  ist 
an  sich  unwahrscheinlich,  noch  unwahrscheinlicher,  es  an  unter- 
geordneter Stelle  in  Gesellschaft  von  römischen  Göttern  lu 
denken. 

Ebenso  wenig  wie  auf  der  Kamee  vom  Deckel  des  Adacodex 
zu  Trier*  und  auf  dem  Numisma  Caroli  im  Schatz  zu  Corbie^ 
ist  auf  dem  Elfenbeinrelief  der  Heinrichskanzel  zu  Aachen  eine 
Porträtdarstellung  des  Kaisers  anzunehmen. 

2.    Die  Bildnisse 
in  den  Handschriften  der  Leges  Barbarorum. 

Eine  ganze  Reihe  von  Porträts  Karls  in  Verbindung  mit 
den  Bildnissen  anderer  Herrscher  bietet  die  kunstgeschichtlich 
bisher  noch  unbeachtete  Gruppe  der  Handschriften  der  Volks- 
rechte, über  die  unten  im  Exkurs  ausfuhrlich  gehandelt  werden  soll. 
Nächst  dem  Bildniss  des  Kaisers  als  patricius  in  einer  ver- 
lorenen und  zeitlich  nicht  näher  zu  bestimmenden  Pariser  Hand- 
schrift, das  ihn  mit  kurzem,  doppelspitzigem  Bart  darstellt, 
eine  Reifenkrone  im  Haar,  das  Gewand  wie  üblich  mit  einer 
Spange  geheftet  —  ist  das  älteste  das  im  Cod.  2  der  Kloster- 
bibliothek von  St.  Paul  in  Käinthen.  Karl  erscheint  hier  in 
der  Volkstracht,  in  riemenumwundenen  Beinlingen,  kurzer  Tunika 


^)  Catalogue  du  mus^e  Clany  no.  1082,  p.  75.  Gute  Abbiidaug  bei 
Lacroix  et  Ser6,  Le  moyen  ftge  et  la  renaissance  V,  pl.  II,  Bcnlpture; 
du  Sommerard,  Les  arts  au  moyen  &ge.  Albam,  chap.  XI,  pl.  1,  Text  I, 
p.  405. 

*)  So  Martene  et  Durand  (Voyage  litt6raire  de  deux  b6u6dictins 
p.  290,  Magasin  pittoresque  1845,  p.  297)  and  Eckhart  (Conunentarii  de 
rebus  Franciae  orientalis^  I,  p.  597).  Seit  A.  Mongez  (bei  Visconti^  Icono- 
graphle  Bomaine  II,  p.  217)  ist  der  Irrthum  beseitigt.  Abbildung:  L.  Palustre 
et  Barbier  de  Montault,  Le  tr6sor  de  Tröves,  pl.  XXVI,  XXVU,  p.  53; 
Hettner:  Die  Trierer  Ada-Handschrift,  Taf.  n,  S.  116  ff. 

•)  Riant,  Exuviae  sacrae  Constantinopolitanae  I,  p.  CV,  CX,  CXI. 


und  kurzem  Mantel,  mit  dickem,  rundein  Kopf,  kurzen  ZTaAreo. 
grossen  Augen,  leicht  angedeutetem  Schnni-rbart,  in  der  Tjinketi 
einen  Stab  haltend,  mit  der  Becht«n  nach  dem  zweiten  Bogen 


Modena,  Archiv  des  Domkapitels,  Cod.  Ord.  1.  2. 
hinweisend,    unter  dem  seine  Gemahlin  erscheint,    in    laogeni, 


Die  Porträtdarstellnngen  Karls  des  Grossen.  253 

faltenlosem  Gewand,  mit  einem  Diadem  geschmückt,  die  Hände 
mit  einer  Bewegung  des  Erstaunens  halb  erhoben.  Die  Porträts 
des  Kaisers  im  Cod.  lat.  9654  der  Nationalbibliothek  zu 
Paris  und  im  Cod.  Add.  of  Ayscough  5411  des  Britischen 
Museums  zeigen  wie  die  zuerst  erwähnte  Pariser  Handschrift 
schon  das  spätere  Darstellungsschema.  In  der  Pariser  Hand- 
schrift sitzt  Karl  auf  erhöhtem  Kissenthron  in  langer  Tunika 
und  langem  Mantel,  in  steifer  Haltung,  in  der  Linken  das  Scepter, 
die  Rechte  leicht  erhoben,  der  kleine  Kopf  unter  der  dreieckigen 
Krone  mit  starkem  Schnurrbart  geziert.  Die  Londoner  Handschrift 
setzt  dem  in  der  gleichen  Haltung  thronenden  Kaiser  noch  zwei 
Waffenträger  zur  Seite,  den  einen  mit  Schild  und  Lanze,  den 
andern  mit  dem  Schwert. 

In  den  Jahren  829 — 832  ward  in  der  Schreibstube  zu  Fulda 
von  den  kunstfertigen  Händen  des  Lupus  eine  grosse  Sammlung 
der  Volksrechte  mit  Bildern  verziert.  Das  Bild  Karls  ist  er- 
halten in  den  beiden  Kopien,  im  Cod.  Ord.  1.  2  des  Domkapitel- 
Archivs  zu  Modena  und  im  Cod.  84  der  herzoglichen  Bibliothek 
zu  Gotha.  In  der  Modeneser  Handschrift  sitzt  Karl  nach  rechts 
gewendet  auf  erhabenem  Thron,  die  Linke  auf  das  hohe  Scepter 
gestützt,  in  riemenumwundenen  Beinlingen  und  kurzer,  eng- 
anliegender Tunika  von  der  Farbe  der  reifen  Pomeranzen  mit 
schmutzig  grünem  Saum;  das  Haupt  trägt  eine  auf  beiden 
Seiten  herabfallende  Binde,  von  einem  Kronreif  umwunden.  Zur 
Rechten  sitzt  Pippin  auf  einem  niedrigem  Thronsessel,  die 
Füsse  verschränkt,  in  der  Linken  den  Stab,  die  Rechte  mit  einer 
achselzuckenden  Bewegung,  halb  geöffnet,  seitwärts  streckend, 
während  Karl  mit  der  erhobenen  Rechten  ihm  etwas  ausein- 
anderzusetzen scheint  —  ein  feines,  gutempfundenes  Motiv,  das 
sicher  auf  Lupus  zurückgeht.  Unter  beiden  der  Schreiber,  den 
Kopf  nach  oben  gewandt,  auf  das  Diktat  wartend.  Karl  hat 
ein  etwas  längliches  Gesicht,  der  Schnurrbart  ist  durch  starke 
Striche  angegeben,  das  Kinn  ist  dunkel  gefärbt,  was  ebenso  wohl 
den  Schatten  wie  den  Bart  andeuten  kann.  Genauer  ist  die 
Kopie  nach  dem  Vorbild  des  Lupus  in  der  Gothaer  Handschrift : 
Karl  erscheint  hier  unbärtig  mit  rundem,  von  einer  Reifenkrone 
geschmücktem  Kopf.  Auf  Blatt  2  ^  fügte  der  Abschreiber  noch 
ein  zweites  Bild  des  Kaisers  hinzu:  Unter  einem  säulenge- 
tragenen Bogen  thront  auf  einem  Faltestuhl,  die  Kniee  ausein- 
andergebogen,  die  Rechte  mit  dem  Gesetzbuch  fest  auf  den 


254  P.  Giemen 

• 

Schenkel  gestemmt,  in  der  Linken  das  lange  Scepter  haltend, 
Kaiser  Karl  d.  Gr.,  in  langer  Tunika  und  langem,  reich  verziertem, 
auf  der  rechten  Schulter  geheftetem  Mantel,  zur  Rechten  und 
zur  Linken  je  ein  Geistlicher  mit  einem  Buch  in  der  Linken. 
Karl  trägt  eine  einfache  Reifenkrone,  das  mit  Sorgfalt  gezeich- 
nete Gesicht  zeigt  einen  am  Kinn  etwas  eingezogenen  dünnen 
Vollbart,  unter  der  breiten  Nase  einen  breiten  Schnurrbart. 

Wir  fassen  noch  einmal  zusammen,  was  sich  für  die  Ikonor 
graphie  Karls  aus  den  Illustrationen  der  Rechtshandschriften 
ergibt. 

Die  ältesten  Darstellungen,  die  zu  St.  Paul  und  zu  Fulda, 
wie  wenigstens  die  Kopie  zu  Gotha  mit  Sicherheit  ausweist, 
zeigen  das  authentische  Porträt  des  grossen  Kaisers,  den  runden 
Kopf  mit  dem  glatten  Kinn  und  dem  Schnurrbart.   Freilich  ist 
es  nichts  weiter  als  die  allgemeinste  und  äusserlichste  Vor- 
stellung, die  diese  Bilder  wiedergeben.   Der  Zeichner  des  lango- 
bardischen  Codex  in  dem  Kämthner  Kloster  wusste  wohl,  dass  zu 
Karls  Eigenthümlichkeiten  ein  runder,  dicker  Kopf  gehörte,  dass 
seine  Oberlippe  ein  Schnurrbart  zierte  —  das  getraute  er  sich 
auch  anzudeuten.    Ganze  Reihen  von  Porträts  hintereinander 
reizen  aber  mehr  als  jede  Einzeldarstellung  zum  Schematisiren. 
Unter   dem   Einfluss   der  überlieferten  Porträts   der  bärtigen         f 
Langobardenherrscher  that  man  bald  auch  dem  authentischen 
Bildniss  Karls  Gewalt  an:   schon  in  der  ersten  Hälfte  des  10. 
Jahrhunderts  taucht,   zuerst  in  der  Pariser  Handschrift,   der 
Kaiser  mit  einem   langen  Vollbart  auf.    Der  Bilderkreis  der 
Leges  Barbarorum  hat  uns  aber  bereits  in  eine  Zeit  geführt,  in 
der,  parallel  der  Entwicklung  der  karolingischen  Sage,  die  Vor- 
stellung von  Karl  d.  Gr.  einer  durchgreifenden  Aenderung  unter- 
zogen ward. 

Exkurs. 
Der  Bilderschmuck  der  Leges  Barbarorum. 

Schon  früh  wurden  die  im  ganzen  Umfang  des  karolingischen 
Reichs  geltenden  einzelnen  Volksrechte  in  umfangreiche  Sammel- 
bände vereinigt,  die  bei  dem  hohen  Werth,  welche  eine  solche 
Handschrift  für  den  Besitzer  hatte,  auch  eine  der  Vornehmheit 
des  Inhalts  angemessene  Ausschmückung  erhielten.  Zu  der 
glänzenden,  sorgsamen  Schrift  traten  reicher  Initialenschmuck, 


i 


Die  Porträtdarstellimgen  Karls  des  Grossen.  255 

endlich   grosse  Vollbilder,   welche   die   einzelnen    Gesetzgeber 
klarzustellen   die  Aufgabe   hatten.     Und  nicht  nur  in   steifen, 
feierlichen  Repräsentationsbildem,  auf  dem  Thron  sitzend,  umgeben 
^on  den  Hofbeamten,  sondern  auch,  was  wir  bei  keinem  der 
Dedikationsbilder  in  karolingischen  Prachthandschriften  finden, 
in  lebhafter  Handlung,  stark  bewegt,  meist  zu  einzelnen  Gruppen 
zusammengestellt.    So  haben  wir  hier  nicht  nur   eine   Reihe 
authentischer  Porträts   und   Trachtenbilder  vor   uns,    sondern 
zugleich  die  Anfänge  einer  durchaus  profanen  nationalen  Malerei. 
Bei  all  ihrer  technischen  Vollkommenheit  hat  die  deutsche  Kunst 
im  ganzen  9.  und  10.  Jahrhundert  keine  Bewältigung  eines 
ähnlichen  profanen  Stoflfs  aufzuweisen,  und  erst  Ende  des  10. 
Jahrhunderts  zeigt  die  westgothische  Miniaturmalerei  in   den 
beiden  Prunkstücken  des  Escurial,  im  Codex  Erailianus^  und 
Codex  Vigilanus*,   ein   inhaltlich   gleiches  Werk   in   den  Dar- 
stellungen der  westgothischen  Könige  und  den  Schilderungen  des 
Toletanischen  Konzils.   Profan  wie  der  Stoflf  war  in  den  meisten 
Fällen  auch  der  Ursprung :  die  Handschriften  wurden  zum  grossen 
Theil  nicht  in   den  Mittelpunkten  karolingischer  Hofkunst,  in 
den  schreibgewandten  Klosterschulen  Deutschlands  und  Frank- 
reichs   gefertigt,    sondern    allenthalben    und    wohl    auch    von 
ungeübten  Laienhänden   abgeschrieben  und  kopirt:    daher   die 
Rohheit  der  Wiedergabe,    die  den  Provinzialkünstler   verräth. 
Dem  entsprechend  herrscht  auch  die  charakteristische  Technik 
der  Provinzialkunst,  die  Federzeichnung. 

Nur  mit  Initialen  geschmückt  sind  Cod.   730  der  Stadt- 
bibliothek von  St.  Gallen^,  der  Cod.  der  Staatsbibliothek  zu 


^)  Ans  San  MiUas  de  la  Coijolla,  geschrieben  zwischen  992  und  1080. 
Neues  Archiv  VI,  S.  225.  Jetzt  D.  I,  1.  Vgl.  Cotejos  hechos  en  la  libreria 
de  Escorial  para  rectificar  la  cronologia  de  Espana,  in  den  Memorias  de  la 
real  academia  de  la  historia  11,  p.  554. 

«)  Von  Vigila  mit  seinem  Genossen  Sarracinus  und  seinem  Schüler 
(>arsea  zwischen  976  und  1014  im  Kloster  sancti  Martini  zu  Albelda 
geschrieben.  Archiv  VIII,  S.  184;  Neues  Archiv  VI,  S.  288.  Vgl.  Je »6 
Amador  de  los  Rios,  Las  cantigas  del  rcy  Sabio.  Ensayo  artistico- 
arqueolögico  I.  Abbild,  bei  Jos6  Fernandez  Montana,  El  codico  Albel- 
dense  6  Vigilano  in  museo  espanol  de  antiguödades  III,  4,  18,  509.  Mit 
2  Tafeln. 

«)  Archiv  IV,  S.  371,  V,  S.  327,  VI,  S.  481,  VII,  S.  766.  Proben: 
Baudi  a  Vesme,  Edicta  regum  Langobardorum  (Monum.  bist,  patr.) 
p.  XVI. 


256  P.  Giemen 

München^,  Cod.  188  des  Domkapitel- Archivs  zu  Vercelli*  und 
Cod.  33  des  Domkapitel- Archivs  zu  Ivrea  *.  Von  den  mit  Bildern 
versehenen  Handschriften  ist  an  der  Spitze  zu  nennen  ein  ver- 
schollener Codex,  aus  welchem  Paulus  Petavius  und  nach  ihm 
Chiflet^,  Mabillon^,  Freher^,  Montfaucon^,  Eckhart®  eine  der 
Miniaturen  veröffentlichten.  Sie  stellt  Karl  d.  Gr.  als  patricius 
dar,  sitzend  auf  lehnenlosem  Kissenthron,  die  Beine  gespreizt,  die 
Linke  auf  den  Oberschenkel  gestützt,  mit  der  Rechten  den  Mantel 
erhebend,  umgeben  von  zwei  Beamten,  die  in  lebhafter  Gestiku- 
lation auf  den  König  einreden. 

Den  Schmuck  des  Cod.  2  der  Klosterbibliothek  von  St.  Paul 
in  Kärnthen  ®  —  aus  dem  Besitz  des  Raths  Kruft  in  die  Stifts- 
bibliothek von  St.  Blasien  im  Schwarzwald,  nach  der  Säkulari- 
sation nach  St.  Paul  gelangt,  geschrieben  zwischen  817  und  823 
—  bilden  zwei  Darstellungen  auf  Blatt  1*"  und  2*,  deren  Kennt- 
niss  ich  Ernst  Dümmler  verdanke  ^^  Unter  zwei  auf  Säulen 
ruhenden,  mit  Flechtwerk  gefüllten  Bogen  sind  auf  dem  ersten 
Blatt  zwei  Figuren  dargestellt,  zur  Linken  ein  Mann,  auf  einen 


*)  Archiv  XI,  S.  554.  Derselbe,  den  Cahier,  Nouveaux  m^langes 
d^arch^ologie.  Biblioth^qaes  p.  127  als  in  Ingolstadt  befindlich  envähnt,  wohin 
er  aus  dem  Besitz  des  Archivars  Gervold  gekommen  (1621). 

*)  Archiv  IV,  S.  371,  V,  S.  230;  Andres,  Lettera  sopra  alconi  codicl 
deUe  biblioteche  capitolari  di  Novara  e  VerceUi  p.  99. 

*)  Archiv  XI,  S.  533;  A.  Peyron,  Notizia  deU'  archivio  del  rev. 
capitolo  d*  Jvrea  p.  20;  Memorie  delle  r.  acad.  della  scienze  di  Torino, 
86r.  II,  tom.  Vm,  p.  129. 

*)  J.  Chifflet,  Anastasis  Childerici  p.  130. 

*)  Mab i Hon,  Annales  II,  p.  228;   De  re  diplom.   Suppl.  p.  40. 

")  Fr  eher,  Antiquitates  Palatinae. 

^  Montfaucon,  Monuments  de  la  monarchie  frangalse  I,  pL  21,  no.  5. 

*)  Eckhart,  Commentarii  de  rebus  Franciae  orientalis  I,  p.  628. 
Danach  auch  H.  de  Yielcastel  1.  c.  I,  no.  35. 

•)  Pardessus,  Loi  Salique  LXIY,  no.  59;  P.  de  Chigniac,  Avis  au 
public  p.  20,  Okt.  1778;  Affiches,  annonces  et  avis  divers,  1780,  April  5, 
p.  56;  Hamburger  Correspondent  1779,  März  2,  BeiL  35;  Tttrk,  Forschungen 
auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  HI,  S.  162;  Haenel,  Lex  Komana  Visigo- 
thorum  LXXVIII;  Mon.  Germ.  LL.  I,  XXII,  tab.  II,  no.  1;  Archiv  UI, 
S.  77,  174,  623,  IV,  S.  225,  V,  S.  219,  VII,  S.  748,  751,  763,  XI,  S.  574; 
P.  A.  Budik,  Die  Stiftsbibliothek  von  St.  Paul,  im  Serapeum  Xn,  S.  104; 
Wiener  Kirchenzeitung  1857,  Nr.  2,  4,  7;  A.  Boret  ins.  Die  Capitularien 
im  Langobardenreiche  S.  29. 

*®)  Eine  farbige  Nachbildung  von  Prof.  Scheuchenberger  befindet  sich 
im  Archiv  der  Monumenta  Germaniae.    Vgl.  Abbildung  S.  233. 


Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen.  257 

Stab  gestützt,  mit  der  Rechten  nach  dem  zweiten  Bogen  hinüber- 
^weisend,  unter  dem  eine  etwas  kleinere  Frauengestalt  steht. 
Das  Bild  stellt,  wie  schon  Pertz  nachgewiesen  ^,  Karl  und  seine 
Gemahlin  dar.  Die  Zeichnung  ist  grob  mit  schwarzbrauner 
Farbe  ausgeführt  und  grell  mit  gelben  und  rothen  Tönen  kolorirt. 
In  der  Zeichnung  des  Faltenwurfs  hat  der  Künstler  ziemlich 
Alles  miss verstanden.  Bilder  und  Ornamente  weisen  auf  einen 
langobardischen  Künstler,  der,  wie  das  Flechtwerk  der  Bogen- 
füUung  beweist,  stark  unter  irischem  Einfluss  stand;  die  eigen- 
thümliche  Verzierungsweise  zumal  des  2.  Blatts,  das  unter 
einem  von  Flechtwerk  geflillten  Rundbogen  ein  grosses  orna- 
mentenüberwuchertes  Kreuz  zeigt,  findet  eine  Analogie  in  zwei 
langobardischen  Handschriften  zu  Paris,  Cod.  lat.  213  und  216 
der  Nationalbibliothek*;  die  Verwendung  desselben  Motivs  findet 
sich  gleichzeitig  in  Cod.  Cotton.  Claudius  A.  HI  des  Britischen 
Museums  ^  in  Cod.  lat.  Q.  5.  7  der  Bibliothek  zu  Valenciennes  * 
und  in  Cod.  lat.  738  der  Nationalbibliothek  zu  Paris  ^  Mit 
den  künstlerischen  Merkmalen  stimmen  überein  die  paläogra- 


»)  Pertz,  Archiv  HI,  S.  78,  623. 

*)  Die  Fttsse  der  Säulen  zeigen  denselben  Aufbau,  die  Fleehtwerkfüllung 
ist  die  gleiche  in  gelben,  rothen,  grünen  Tönen  auf  schwarzem  Grund. 
Bastard,  Peintures  et  omements  II,  pl.  6.'),  66,  67.  Vgl.  auch  die  langobard. 
Canonessammlung  3836  anc.  fonds  lat.:  Bastard  II,  pl.  62—64.  Die  ganze 
Klasse  dieser  langobardischen  Handschriften  gleicht  in  der  Vorliebe  für 
Flechtwerk  und  starke  gelbe  und  rothe  Töne  einer  Gruppe  gleichzeitiger 
und  älterer  merowingisch-karolingiseher  Handschriften,  vertreten  durch  den 
Cod.  suppl.  lat.  695  Paris,  Hieron.  chron.;  Cod.  lat.  2706  Paris,  Comment. 
August.  (Bastard  I,  pl.  14,  15);  Cod.  lat.  423  Laon,  Isidorus  de  natura 
rerum  (ed.  Fleury,  Les  manuscrits  ä  miniatures  de  la  bibl.  de  Laon,  pl.  3); 
Cod.  suppl.  lat.  626  Paris,  Dioscorides  (Bastard  II,  pl.  39,  40—44).  Die 
mit  Fiechtwerk  überzogenen  Rundbogen  finden  sich  übrigens  auch  schon  in 
der  Ende  des  7.  Jh.  entstandenen  Hs.  der  Regula  pastoralis  Gregorii,  die  die 
Anfänge  der  merowingischen  Kursive  zeigt,  im  Domkapitel-Archiv  zu  Ivrea, 
ähnlich  im  Gregor  der  Bibliothek  zu  Cambrai  und  in  den  beiden  aus  Petaus 
Besitz  nach  Rom  gelangten  Sakraraentaren,  Vaticana,  Cod.  regln.  Christin.  316 
und  317.  (Vgl.  L.  Delisle,  Memoire  sur  d'anciens  sacramentaires,  in  M6m. 
de  Tacad.  des  inscriptions  XXXII,  p.  66.  Proben  bei  Muratori,  Liturgia 
Romana  I,  p.  51;  Nouveau  trait6  de  diplomatique  III,  p.  67,  pl.  36.) 

^  J.  Taliban,  Les  biblioth^ques  espagnoles  du  haut  moyen  äge,  bei 
Cahier,  Nouveaux  m^langes.  Biblioth^ues  p.  217, 252.  Danach  bei  £.  Frantz, 
Gesch.  der  christl.  Malerei,  Taf.  zu  S.  337. 

*)  Archiv  XI,  S.  518. 

'^)  Bastard  1.  c.  I,  pl.  27—29. 

17 


258  P.  Giemen 

phischen  Anzeichen  und  die  Zusammensetzung  des  Textes  \  di*^ 
auf  das  nördliche  Italien  weisen. 

Dem  Anfang  des  9.  Jahrhunderts  entstammt  noch  Cod. 
bibl.  nat.  lat.  4404  zu  Paris  *  mit  reichem  Schmuck,  die  Anfange 
von  Bogen  umspannt,  die  nach  Art  der  Canonesbogen  mit 
Löwenköpfen,  Blumen,  Pfauen  und  allerlei  andern  Vögeln  ver- 
ziert sind.  Neben  einer  zwei  Seiten  füllenden  Darstellung  des 
Theodosius  und  römischer  Juristen  enthält  die  Handschrift  ein 
grosses  Gruppenbild:  Lodhanri  rex  dux  alamannorum,  mit  einem 
Bischof,  einem  Herzog  und  einem  Grafen.  Mehr  hat  der  Künstler 
auf  seinem  beschränkten  Raum  nicht  untergebracht:  „cetere 
vulgo  multitudo  magna,  hos  lege  tu,  lector",  hat  er  dazuge- 
schrieben.  Ein  Bild  Karls  aus  dem  Beginn  des  10.  Jahrhunderte 
enthält  dagegen  Cod.  lat.  9654  der  Nationalbibliothek*,  waJir- 
scheinlich  aus  der  Kirche  St.  Vincent  zu  Metz  stammend,  von 
wo  er  in  das  CoUegium  Claromontanum  der  Jesuiten  zu  Paris 
gelangte.  Das  Bild  des  thronenden  Karl  auf  Blatt  1**  ist  nach 
einer  gütigen  Mittheilung  von  Leopold  Delisle  identisch  mit  der 
von  Baluze*  und  Montfaucon*  gegebenen  Abbildung. 

Eine  Handsclirift  der  Leges  Langobardorum  im  Britischen 
Museum  (Add.  of  Ayscough  5411)  gehört  bereits  dem  11.  Jahr- 
hundert an:  eine  grosse  Zeichnung  auf  Blatt  116  fährt  den  thro- 
nenden Karl  vor,  das  Scepter  in  der  Linken,  die  Rechte  erhoben, 
ihm  zur  Seite  die  königlichen  Waifenträger,  unbedeckten  Hauptes  *. 

Aus  dem  12.  Jahrhundert  endlich  stammt  die  Handschrift 
der  Lex  Alamannorum  in  Wien  (Cod.  lat.  288)^;  aber  der  auf 
Blatt  1  dargestellte  König  will  schwerlich  noch  als  Porträt  gelten, 


*)  Es  hat  eine  Anzahl  ansschliesslich  ital.  Kapitularien  Aufnahme 
gefunden,  darunter,  wie  Baudi  a  Vesrae  p.  444  nachweist,  selbst  Verord- 
nungen Liutprands.    Boret  ins  a.  a.  0.  S.  30,  187. 

*)  Pertz,  Die  Handschriften  der  Lex  Salica,  im  Archiv  HI,  S.  733. 

»)  Archiv  XI,  S.  589;  Pardessus,  Lei  Salique  XXVI,  no.  23;  Mon. 
Germ.  LL.  I,  p.  XXXI,  268. 

*)  Baluze,  Capitularia  regum  Francorum  1677,  II,  207. 

*)  Montfaucon,  Monuments  I,  pl.  XXI,  &g,  1,  p.  273.  Beide  ohne 
Angabe,  woher  entnommen.  Danach  L*ünivers.  Le  Bas,  Allemagne,  pL  38. 
Keine  der  Abbildungen  gibt  aber  die  geistreich  entworfene  Umrahmung  mit 
dem  flott  gezeichneten  Vorhang  wieder. 

«)  Archiv  VII,  S.  799.  Identisch  mit  der  Archiv  V,  S.  295  beschriebenen 
ehemals  Venetianer  Handschrift. 

0  Archiv  III,  S.  505. 


Die  Porträtdarstellnngen  Karls  des  Grossen.  259 

sondern  nur  als  Herrschertypus,  in  gleicher  Weise  wie  die  Ein- 
fassung die  Brustbilder  der  Vertreter  der  weltlichen  und  geist- 
lichen Stände  enthält. 

Von  grösserer  Wichtigkeit  sind  nun  zwei  Paare  von  Hand- 
schriften, um  die  Wende  des  ersten  Jahrtausends  entstanden, 
die  beide  in  ihrem  Bilderschrauck  auf  die  karolingische  Zeit 
theilweise  zurückgehen,  zugleich  die  am  reichsten  illustrirten 
der  ganzen  Gruppe. 

Das  erste  Paar  wird  vertreten  durch  die  Handschrift  des 
Klosters  Trinitä  della  Cava  im  Fürstenthum  Salerno  und  Cod. 
D.  117  der  königl.  Bibliothek  zu  Madrid.  Die  zuletztgenannte 
Handschrift^,  deren  letzte  Quaternionen  sich  im  Cod.  F.  IV.  75 
der  Bibliothek  Chigi  zu  Rom  ^  finden,  enthält  4  grössere  Bilder. 
Zunächst  das  des  Königs  Rotharis,  das  ausführlichste  von  allen. 
Unter  einem  grossen  Bogen  thront,  nach  vorn  gewendet,  der 
König,  mit  der  Krone  geschmückt,  neben  ihm  zwei  geflügelte 
Halbfiguren.  Unter  ihm  zwei  Schreiber.  Der  untere  Raum  ist 
durch  zwei  Rundbogen  eingefasst,  die  zunächst  die  Brustbilder 
eines  weltlichen  und  eines  geistlichen  Grossen  einschliessen, 
unter  ihnen  —  die  beiden  getrennten  Scenen  gehören  offenbar 
zusammen  —  ist  ein  gerichtlicher  Zweikampf  dargestellt,  dem 
der  in  steifer  Haltung  folgende  Richter  beiwohnt;  der  Umstand 
ist  nur  durch  eine  Reihe  symmetrisch  gezeichneter  Köpfe  an- 
gedeutet. Sodann  König  Rachis,  stehend,  mit  der  erhobenen 
Rechten  dem  zur  Seite  dargestellten  kleinern  Kläger,  der  flehend 
die  Hände  erhebt.  Recht  ertheilend,  über  ihm  eine  geflügelte 
Figur.  König  Aistulf  thront  unter  einem  mächtigen  Bogen, 
umgeben  von  den  beiden  Engeln,  unter  ihm  die  Brustbilder 
dreier  Vertreter  geistlicher  Würden,  zuunterst  die  zweier  Hof- 
beamten. Endlich  Herzog  Arechis,  auf  erhöhtem  Thron,  umgeben 
von  einem  Bischof  und  einem  weltlichen  Grossen^.  Die  Bilder 
sind  in  feiner  Federzeichnung  angelegt.  Von  einem  Verständ- 
niss  der  Formen  ist  keine  Rede,  der  Faltenwurf  ist  fast  tiberall 

0  Archiv  VH,  S.  771  und  X,  S.  358.  Entdeckt  von  Haenel,  Catalogi 
Ubrorom  manuscriptorum  p.  971. 

*)  Beschrieben  Archiv  V,  S.  309.  Boretius,  Die  Capitularien  im 
Langobardenreiche  S.  50.  Gegen  den  Zusammenhang  mit  Cod.  Madr.  bibl. 
reg.  D.  117  Anschütz,  Kritische  üeberschau. 

')  Die  Bilder  auf  fol.  5,  141,  148,  157.  Farbige  Abbildungen  bei  Baudi 
a  Vesme,  Edicta  regum  Langobardorum  (Monum.  bist,  patr.),  tab.  p.  21, 
153,  165,  201. 

17* 


262  P.  Giemen 

Jahrtausends  entstanden.  Sie  gehen  beide  zurück  auf  die  Gesetz- 
sammlung, die  Lupus,  ohne  die  chronologische  Ordnung  zu 
wahren,  für  den  Grafen  Eberhard  von  Rätien  und  Friaul  anlegte  ^ 
denselben,  dem  auch  Raban  sein  Werk  De  laude  sanctae  crucis  *, 
Hartgarius  von  Lüttich  den  Vegetius  übersandte.  Es  ist  wahr- 
scheinlich derselbe  Lupus,  der  unter  Raban  zu  Fulda  gebildet 
war  und  842  Abt  zu  Ferneres  wurde.  Das  in  Fulda  geschriebene 
Original,  das  sein  Besitzer  durch  Testamentsverfügung  seinem 
Sohn  Unroch  vermachte^  —  dass  der  Graf  die  Handschrift 
ausdrücklich  erwähnt,  ist  ein  Beweis  dafür,  wie  kostbar  sie  ihm 
war  —  ist  verschollen,  doch  ist  eine  genaue  Kopie  von  ihm 
erhalten  im  Modeneser  Kodex  *.  Die  Handschrift  enthält  fünf  grosse 
Bilder,  die  nach  der  Beschreibung  in  den  Versen  des  Lupus*, 
welche  der  Modeneser  Schreiber  wiedergibt,  bereits  in  der  Fuldaer 
Handschrift  enthalten  und  mit  dieser  in  den  Jahren  829  bis  832 


»)  Ausführlich  handelt  über  ihn  E.  Dümmler,  Fünf  Gedichte  des 
Sedulius  Scotus  an  Markgraf  Eberhard  von  Friaul,  im  Jahrbuch  für  vater- 
ländische Geschichte  1861,  S.  171. 

*)  Mon.  Genn.  LL.  III,  4,  not  14;  Baluze,  Epist.  Lupi  abb.  Ferrariensis 
p.  328,  79. 

*)  Eberhard  vermacht  Unroch  librura  de  lege  Francorum  et  Ripuarionun 
et  Langobardorum  et  Alamannorum  et  Bajovariorum:  Miraeas,  Opp. 
diplomat.  I,  c.  15,  p.  19. 

*)  Archiv  V,  S.  262,  X,  S.  356,  408,  XI,  S.  600;    Zaccaria,   Bibl.  di 
storia  litter.  II,  p.  377;  Muratori,  Anecdota.  II,  p.  204;  Rer.  Italic.  SS.  I, 
pars  II,   p.  8,   10;    Mon.  Germ.  LL.  III,   4;  Baudi   a  Vesme   1.  c.  XLII. 
')  Carmen  heroicum  de  totius  speculatione  huius  praeclarl  voluminis. 
Hunc  heros  librum  legum  conscribere  fecit, 
Evrardus  prudens  prudentibus  omnia  vexit. 
Quisquis  amat  cunctas  legum  cognoscere  causas 
Arbiter  et  clarus  vult  omnibus  ipse  videri, 
Hunc  avidus  cupiens  oculis  animoque  requirat. 
Depictos  Salicos  Francos  in  fronte  videbit, 
Post  legem  quorum  conscriptam  cemet  et  ipsam; 
Cognoscet  libro  Ribuenses  tamque  sequenti 
Consequitur  quorum  lex  crimina  multa  perartans 
Effigies  iam  Langobardorum  tercius  ornat, 
Collectum  legem  cemes  mirabile  visu. 
Post  pictos  multos  Alaraannos  ipse  videbis 
Et  legem,  quorum  cemes  iam  iamque  sequeutem^ 
Ast  Baioaria  lex  quintum  tenet  ipsa  libellum 
Quam  pulchras  poteris  si  velis  forte  videri 
Effigies  lector  Francorum  scema  per  ?vum 
En  Carolus  cum  Pippino  quam  fulget  in  vultu 


Die  Porträtdarstellongen  Karls  des  Grossen.  263 

nach  Boretius'  genauer  Feststellung*  entstanden  waren.  Der 
haarsträubenden  technischen  Ungeschicklichkeit  des  Zeichners 
gelang  es  bei  aller  Unfähigkeit  in  der  Wiedergabe  der 
Formen  doch  nicht,  die  treflFlichen  Bewegungsmotive  der  Figuren 
zu  verderben.  Auch  hier  keine  steifen  Einzelbilder,  sondern 
überaus  lebhafte  Aktionen.  Gleich  das  erste  Bild  zeigt  die  vier 
„Könige*'  Wisegast,  Aregast,  Salegast,  Bedegast,  die  Autoren  der 
Lex  Salica,  mit  Scepter,  Schwert  und  Lanze,  bartlos,  auf  einer 
hohen  Lehnbank  sitzend,  paarweise  zu  eifrigem  Gespräch  ver- 
einigt, lebendig  gestikulirend,  unter  ihnen  der  Schreiber.  Zeigt 
das  Bild  des  Königs  Eddanan  vor  der  Lex  Ripuaria  nur  den 
gewöhnlichen  Typus  der  Repräsentationsbilder,  zur  Seite  des 
Königsthrons  zwei  Hofbeamten,  darunter  den  Schreiber,  so  geht 
der  Lex  Langobardorum  wiederum  ein  Gruppenbild  voran :  Rachis 
und  Aistulf  sitzen  auf  einer  erhöhten  Thronbank  nebeneinander, 
beide  in  bunten  Gewändern,  mit  breiten  Schwertern  umgürtet, 
mit  länglichen,  grossen  Köpfen,  Aistulf  jugendlich  und  mit  glatter 
Wange  im  Gegensatz  zu  dem  grämlichen  und  bärtigen  Rachis. 
Die  drei  Seiten  umfassende  Zeichnung  des  cunctus  populus  zur 
Lex  Alamannorum  zeigt  eine  Darstellung,  wie  wir  sie  nur  noch 
im  Cod.  Madrid,  bibl.  reg.  D.  11 7  gefunden :  das  Volk  ist  durch  Reihen 
ganz  symmetrischer  bartloser  Köpfe  ohne  Körper  dargestellt,  die 
in  roher  Zeichnung  ohne  alle  Unterschiede  nebeneinander  aufge- 
stellt sind.  Den  Schluss  bildet  das  Bildniss  Karls  d.  Gr.  mit  seinem 
Sohn  Pippin  ^   Von  dem  alten  Bilderschmuck  des  Lupus  hat  die 


En  Hludowicus  cesar  quamque  Hlotharius  heros 
Ipsoram  quantum  et  Icges  per  cancta  tonantcs 
Nunc  fulgent  fulgebunt  quod  Deus  addat  et  ultra. 
Lupns   nennt   sich   in   dem   cannen   eleycum    (Merkel,   LL.    III,    4; 
Baudi  a  Vesme  1.  c.  p.  41): 

Hos  tibi  versiculos  prudens  Evrarde  benivolos 
Descripsi  paucis  infimus  ecce  Lupus. 
')  Boretius  a.  a.  0.  S.  86.  Vgl.  Archivio  storico,  append.  HI,  p.  784. 
Vorher  von  Muratori  (Rer.  Ital.  SS.  I,  II,  p.  9)  um  840,  von  Merkel  (Archiv 
XI,  S.  600)  zwischen  817  und  840  angesetzt. 

*)  Die  Bilder  auf  Blatt  11,  81,  43,  112,  166.  Die  Inschriften  auf  dem 
letztgenannten  Bild  lauten:  Isti  sunt  qui  constituerunt  capitula  congruentia 
omnium  legum.  Karolus  christianissimus  imperator  auguHtus.  Pipinus  gloriosus 
rex  filius  eins.  Fol.  167  ist  ausgeschnitten:  es  enthielt  zweifellos  auf  der 
Vorderseite  die  Bilder  Ludwigs  d.  Fr.  und  Lothars,  auf  welche  die  Verse 
des  Lapus  hinweisen,  auf  der  Kehrseite  den  Anfang  der  Capitula  in  legem 
Salicam.     Fol.  156  «»  A>»>»;i/inng  3.  252  wicdergngeben. 


Gothaer  Handschrift  >   nur  eine  einzige   Darstellung   bewahrt, 
das  Bild  Karls  und  Pippins,  das  in  rother  Federzeichnung  sict 


Gotha,  Herzogliche  Bibliothek,  Cod.  B4. 

auf  Blatt  148  befindet*.  Während  Karl,  der  hier  unbärtig,  mit 

■)  G.  Rsthgeber,  Beschreibung  der  herzog).  Qemfildegallerie  in  Gotha 
S.80;  E.  3.  Cjprian,  C&tal.  codic.  mscr.  bibl.  Oothan.  p.  13;  D.  Ritter,  Cod. 
Theodosianos,  tom.  U,  praef.;  Eceard,  Leges  Francomni, praef .  4;Parde33as, 
Loi  Saliguep.  XLUI,  321;  Türk,  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  Gesebiehte 
in,  S.  149;  Haenel,  Lex  Romaoa  Tisigothonun  p.  XLTl,  7;  Fr.  Orttoff, 
VoD  den  Handschrifteo  nod  Ausgaben  des  salischen  Gesetzes  S.  15;  Archir 
Tl,  S.  8!,  X,  S.  360,  SI,  S.  604. 

')  Hitgetbeilt  im  ChroDiuon  Goliriceuse.  Annaleä  monasterii  GotiHe^nsU 
oidiui«  s.  Benedict!  I,  p.  47.  Seronx  d'AgiDconrt,  Histoire  de  Tart  V. 
pL  47,  fig.  3,  p.  53  als  die  Porträts  Üttos  I.  und  II.  Dies  wird  widerlcf^ 
duicb  die  Uebereinstimmnug  mit  dem  Bild  des  Modeneser  Cod.,  aber  anck 
achoD  durch  den  Ort,  an  dem  sich  daa  Bild  befindet:  toL  14T*  schlie^sen  die 
snccessiones  impeistoram  mit  Karl  und  Ludwig  ab,  149^  begionea  di« 
titoli  legis  Salicae.  Hüglich,  dass  die  CuAhnlicbkeit  des  iweiten  Königs  nit 
dem  Modeneser  Bildniss  sich  dadurch  erklSrt,  dass  man,  entsprechend  iem 
Schlu&s  der  soccessiones  ans  der  iweitCD  Sccne,  Ludwig  und  Lothar  nmCasaebd, 


Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grotiseu.  265 

einer  Reifenkrone  erscheint,  in  den  Motiven  der  Bewegung  genau 
kopirt  ist,  seheint  für  Pippin  ein  anderes  Vorbild  vorgelegen 
zu  haben.  Der  neben  Karl  sitzende  vollbärtige  König  hält  in 
der  erhobenen  Rechten  einen  Ring,  nach  dem  Karl  die  Hand 
ausstreckt  ^  Die  kunsthistorische  Betrachtung  kommt  hier  der 
Quellenkritik  zu  Hälfe,  indem  sie  die  Bestätigung  gibt,  dass 
dem  Schreiber  der  Gothaer  Sammlung  eine  gleiche  Handschrift  vor- 
lag wie  dem  der  Modeneser.  Wir  dürfen  schwerlich  annehmen,  dass 
der  erste  Schreiber  auch  nach  dem  an  Eberhard  gesandten  Codex 
Lupi  kopirt.  Die  Gothaer  Handschrift  stammt  aus  der  Biblio- 
thek  der  Martinskirche  zu  Mainz*,    deren  Handschriften   fast 


—  die  in  jener  Hs.  ausgeschnitten  —  die  Gestalt  Ludwigs  genommen  und 
an  die  Stelle  Pippins  gesetzt  hat.  Fol.  224*  steht:  liber  primus  de  consti- 
tutionibus  principum  et  edictis.  Incipit  liber  Theodosiani  imp.  Das  Blatt 
ist  tiefer  gebrftunt  als  die  andern:  es  diente  frtlher  als  fol.  1,  der  Codex 
gelbst  ist  demnach  wahrscheinlich  aus  mehrem  Lagen  erst  später  zusammen- 
gefügt.   Vgl.  Abbildung  S.  264. 

')  Merkel  im  Archiv  XI,  S.  604  bezeichnet  den  Ring  in  der  Hand 
des  zweiten  Königs  irrthümlich  als  denarius,  den  Stab  als  festuca,  d.  h.  als 
Traditionssymbol.  So  schon  Lex  Salica,  tit.  49.  Vgl.  Du  Cange,  Glossarium 
in,  p.  247;  J.  Grimm,  Deutsche  Rechtsalterthümer  S.  121.  Ich  sehe  in  der 
festuca  nur  das  lange  karolingische  Scepter,  mit  dem  Karl  auch  in  der 
Modeneser  Hs.  erscheint,  Lothar  im  Londoner  Psalter  und  Pariser  Evangeliar. 
Es  war  dies  ein  schmuckloser  Stab  von  etwa  1,90  m  Länge.  Vgl.  Monach. 
SangaU.  I,  c.  17,  SS.  II,  p.  738,  L  4:  virga  aurea  incomparabilis  Karoli, 
quam  ad  statum  suum  fieri  iussit,  diebus  feriatis  vice  baculi  ferendum.  Im 
Kap.  19  wiU  ein  Bischof  des  Kaisers  Stab  zum  Bischofsstab  benutzen  —  auch 
hieraus  folgt  die  ungewöhnliche  Länge.  Vgl.  A.  Martin,  Le  b&ton  pastoral 
dans  ses  formes  successives,  in  M61anges  d*arch6ologie  IV,  p.  160,  167.  Abb. 
bei  Roch,  Church  of  our  fathers  II,  p.  24.  Der  im  Osnabrticker  Domschatz 
bewahrte  EUfenbeinstab  von  1,60  m  Länge,  aus  11  Cy lindern  bestehend,  dürfte, 
wenn  auch  nicht  aus  Karls  Besitz  stammend,  doch  auf  die  karolingische  Zeit 
zurückgehen.  Vgl.  Mithoff,  Kunstdenkmäler  VI,  S.  114.  Ein  Sccpter  Karls 
befand  sich  früher  im  Besitz  des  Doms  zu  Mainz  nach  Cod.  172*  der  Seminar- 
bibliothek daselbst.  Vgl.  Fr.  Schneider  im  Korrespondenzbl.  d.  Gesammt- 
vereins  der  deutschen  Geschieht«-  und  Alterthumsvereine  XXIII,  S.  6. 
Das  Scepter  Karls  im  Louvro  (Abb.  F61ibien,  Histoire  de  Tabbaye  royale 
de  Saint-Denys,  pl.  IV;  Billardon-Sauvigoy,  Essais  historiqucs  sur  les 
moeurs  des  Fran^ais  IV,  p.  3)  ist  ebenso  wenig  karoli ngischen  Ursprungs 
wie  das  andere  Scepter  aus  St.  Denys  (Montfaucon,  Monuments  I,  §  V, 
p.  XXXV  des  Discours  pr^liminaire). 

*)  Bemerkung  auf  fol.  1 :  Iste  liber  pertinet  ad  librariam  s.  Martini 
ecclesiae  Moguntinensis.  M.  Sindicus  imp.  anno  1479.  VgL  Haenel,  Cod. 
Theodos.  praef.  XXVn,  not.  157. 


sämmtlich  aaf  Fulda  zurückgehen.  Jedenfalls  existirte  in  Fulda 
eine  weitere  Handschrift  der  Leges,  vielleicht  gleichfalls  von 
der  Hand  des  Lupus,  der  in  dem  carmen  eleycum  eine  weitere 


Gotba,  Herzogliche  Bibliothek,  Cod.  81. 

Arbeit  in  Aussicht  stellt '.  In  der  Schreibschule  zu  Fulda  ward 

>)  Baadi  a  Vesmc  I.  c  p.  4t,  t.  3: 

Si  dens  aetemuB  Tim.'  ?u|ipjradderit  annoü, 
Nunc  maioro,  reor,  d.gi.ius   pse  canam. 


3 


Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen.  267 

dann  auch  die  Gothaer  Handschrift  kopirt^  Dabei  fügte  nun 
der  Schreiber,  dem  für  sein  Folioformat  die  Bilder  der  Quart- 
liandschrift  des  Lupus  nicht  mehr  gross  genug  waren,  auf  Blatt 
2**  eine  ganzseitige  Federzeichnung  ein,  in  braunen  Umrissen, 
zum  Theil  später  schwarz  nachgezogen,  nur  einzelne  Ornamente 
mit  der  Paeder  leicht  roth  angetuscht,  den  thronenden  Karl 
mit  dem  Gesetzbuch  darstellend,  umgeben  von  zwei  Geistlichen  ^ 
Durch  ganz  Mitteleuropa  verbreitet  ist  das  Motiv  des 
sitzenden  Herrschers  en  face,  mit  den  charakteristisch  gespreizten 
Knieen,  den  nebeneinander  gestellten  Füssen,  der  eine  Arm 
gewöhnlich  auf  den  Schenkel  aufgestützt,  der  andere  auf  das 
Scepter,  wie  es  am  edelsten  ausgeprägt  die  Dedikationsbilder 
der  karolingi sehen  Prachthandschriften  zeigen.  Aus  der  oben- 
stehenden Betrachtung  geht  hervor,  dass  diese  Porträtbilder 
schon  vor  allen  bekannten  Prachthandschriften  üblich  gewesen, 
da  zum  mindesten  die  Sammlung  des  Lupus  schon  Jahrzehnte 
vor  jenen  anzusetzen  ist.  Aber  auch  den  Illustratoren  der 
Eechtshandschriften  gebührt  nicht  das  Verdienst  der  Erfindung 
dieses  Motivs.  Es  zeigt  sich  schon  auf  den  ältesten  römischen 
Konsulardiptychen,  schon  vollkommen  ausgebildet  auf  dem  des 
Rufus  Probianus  vom  Jahre  322,  um  dann  auf  die  christlichen 
Diptychen  überzugehen,  wo  es  zuerst  auf  dem  des  Konsuls 
Asturius  vom  Jahre  449  anzutreffen  ist.  Und  nur  wenige  Jahre 
nach  dem  erstgenannten  Diptychon  finden  wir  das  Motiv  malerisch 
verwandt  und  in  einer  Formvollendung  abgerundet  und  dem 
vorhandenen  Raum  angepasst,  die  bei  den  besten  karolingi  sehen 
Arbeiten  nicht  überschritten  werden  konnte,  in  dem  römischen 
Staatskalender   vom   Jahre    354*.     Eine  Variirung   zeigt   das 


')  Die  Handschrift,  nach  der  B.  J.  Herold  (Originum  ac  Germanicarum 
antiquitatnm  libri)  die  Volicsrechte  abgedruckt,  wird  meist  ohne  Weiteres 
als  die  Fuldaische  bezeichnet,  obwohl  Herold  in  seiner  Vorrede  (abgedruckt 
bei  Goldast,  Imperat.  et  reg.  Rom.  imp.  rccessus  III,  prol.)  nur  sagt,  dass 
er  die  Handschrift  von  Ftirstabt  Wolfgang  von  Fulda  erhalten.  Fr.  Ortloff, 
Von  den  Handschriften  und  Ausgaben  des  salischen  Gesetzes  S.5;  E.  Th.  Gaupp, 
Recht  und  Verfassung  der  alten  Sachsen  S.  76.  Das  Heroldsche  Manuskript 
ist  jedoch  nicht  identisch  mit  der  Vorlage,  die  der  Gothaer  Schreiber  kopirt, 
da  die  Heroldsche  Ausgabe  eine  andere  Textredaktion  zeigt. 

«)  Vgl.  Abbildung  S.  266. 

')  J.  Strzygowski,  Die  Kalenderbilder  des  Chronogra^i« Tim  Jahre 
354:  Jahrb.  d.  kaiserlich  deutschen  Instituts  I.  ErgänzuB|g|j||f«iiifcifct  84. 
Nach  der  Kopie  von  Peiresc  in  der  Barberiua  zu  Rom. 


268  P.  Clemen 

Motiv    bereits   in   den    Handschriften   der   Notitia   dignitatnm 
atriasqae  imperii^ 

Aach  die  beiden  WaflFenträger,  die  eng  an  den  Thron 
gedrängt,  den  Herrscher  umgeben,  haben  ihr  Vorbild  bereits 
auf  den  Eonsulardiptychen  in  den  beiden  Schreibern  oder  Unter- 
beamten,  die  hinter  dem  Stuhl  des  Konsuls  stehen,  oft  nur  mit 
den   Köpfen    über   die   Lehne    hinausragend.    Sie  finden    sich 

Konstantins  II.  gleicht  sowohl  in  den  Motiven  der  Bewegung  wie  in  der 
ornamentalen  und  architektonischen  Umrahmung  —  von  Säulen  getragener 
Giebel,  zurückgeschlagene  Vorhänge  auf  beiden  Seiten  —  so  vollständig  den 
karolingischen  und  ottonischen  Dedikationsbildem,  dass  wir  hierin  das  direkte 
Vorbild  für  jene  spätem  DarsteUungen  suchen  dürfen.  Die  Bewegung  der 
rechten  Hand  brauchte  nur  um  ein  Weniges  verändert  zu  werden.  Ueber 
Beziehungen  zur  Metzer  Schule  (?)  vgl.  Janitschek:  Die  Trierer  Ada-Hand- 
schrift S.  70,  Anm.  4.  Das  Diptychon  des  Rufus  Probianus  bei  West  wo  od, 
Joum.  arch.  inst.  XVI,  p.  270.  Westwood,  Cat  of  the  fictile  ivories  in 
the  South  Kensington  Museum  p.  13.  Als  nächste  DarsteUung  dann  der  1847 
in  Estremadura  gefundene  Discus  des  Theodosius  im  Kabinet  d.  Akad.  zu 
Madrid.  Pnblicirt  von  A.  Delgado.  AnnaL  arch^oL  XXI,  p.  311;  Nouveaux 
m^langes  d*arch6ol.  Curios.  myst^r.  p.  65,  pL  VII.  Schon  Johannes  Chrysosto- 
mus  erwähnt  als  Lieblingsmotiv  die  Darstellung  des  sitzenden  Kaisers  (HomiL 
de  psalm.  50:  Pictorcs  faciunt  et  sedem  regalem  et  imperatorem  sedentem). 
Die  Pariser  Synode  unter  Ludwig  d.  Fr.  beruft  sich  ausdrücklich  hierauf 
(Migne,  Patrologia  XCVIII,  p.  1304). 

')  Die  von  der  kunsthistorischen  Forschung  bisher  noch  gar  nicht  berück- 
sichtigte Handschriftengruppe  der  Notitia  dignitatum  ist  an  künstlerischem 
Werth  den  Handschriften  des  Chronographen  von  354  nicht  gleichzustellen, 
übertrifft  diese  aber  an  Wichtigkeit  für  Kostümgeschichte  und  Privat- 
alterthümer.  Der  älteste  Speierer  Codex  ist  leider  verschollen.  Wir  besitzen 
jedoch  eine  Reihe  von  Kopien.  In  Speier  selbst  befindet  sich  eine  Abschrift 
von  1484,  Cod.  suppl.  lat.  671  der  Bibl.  nat  zu  Paris  (vgl.  Göttinger  Gelehrte 
Anzeigen  1835,  S.  53)  und  Cod.  lat.  331  (ol.  Salisb.  18»»)  der  Hofbibliothek 
zu  Wien  (vgl.  Endlicher,  Catal.  cod.  philolog.  bibl.  Palat.  V'indobon.  p.  231) 
von  1529  gehen  gleichfalls  auf  ihn  zurück.  Die  für  den  Bilderschmuck 
wichtigsten  Kopien  sind  Cod.  lat.  794  und  10291  der  Staatsbibliothek  zu 
München.  Der  zweite  Codex  ist  keine  Kopie  des  ersten,  wie  Boecking 
(Ueber  die  notitia  dignitatum  utriusque  imperii  S.  11,  26;  widerlegt  von 
H.  Foeringer  in  den  Bayrischen  Annalen  für  Litteratur  1835,  S.  501) 
annimmt,  sondern  gleichfalls  nach  dem  Speierer  Original  kopirt.  Im  Cod.  10291 
die  Bilderreihe  zweimal  gegeben,  das  zweite  Mal  ausdrücklich  als  strenge  Kopien 
wiederholt.  Die  für  unser  Motiv  in  Betracht  kommenden  Bilder  auf  Blatt 
78,  81,  176  und  177  fehlen  in  der  Ausgabe  von  Boecking.  Vgl.  auch  Maillot 
in  von  Aretins  Beiträgen  zur  Gesch.  u.  Litt,  n,  S.  81.  Von  den  übrigen 
Handschriften  heranzuziehen  Cod.  Barberin.  809  (vgl.  Boeckinga.a.  0.  S.  18; 
Blume,  Bibl.  libr.  manuscript.  Italiae  p.  153)  und  Cod.  lat.  3715  der 
Vaticana.   Ueber  die  Hs,   zu  Parma  vgl.  Blume  1.  c.  p.  235,  über  die  Hs. 


Die  PortrStdarstellimgeii  Karls  des  Grossen.  2dd 

l^eispielsweise  schon  auf  dem  Diptychon  Meleretense  *,  auf  dem 
Diptychon  Leodiense*,   auf  dem  Diptychon  des  Areobindus  zu 
Zürich'.    Beide  Motive   vereint  oder   das   erste   allein    findet 
man    schon  in   der  Blüthezeit  karolingischer  Kunst   nicht  nur 
für    die  Dedikationsbilder  verwendet,   sondern   für  jede   vor- 
kommende Herrscherdarstellung,  so  im  Cod.  lat.  309  der  Bib- 
liothek zu  Cambrai*,  auf  einer  Reihe  von  Blättern  der  Bibel 
von    St.   Paul*,    im   Stuttgarter   Psalter   (Bibl.    fol.    23)«,    im 
Cod.   lat.  16  (ol.  92)  der  Universitätsbibliothek  zu  Gent',   im 
Cod.  lat.  1298,  7013,  8301,  8307  der  Bibl.  nat.  zu  Paris«,  im 
Cod.  Cotton  Claud.  B.  IV  des  Britischen  Museums*,  im  Cod.  302 
der  Vadianischen  Bibliothek  zu  St.  Gallen*®,  in  der  Boethius- 
handschrift   des  Stifts  Melk",   in  der  Handschrift  der  Kirche 


von  St.  Marco  in  Venedig  8.  Morelli,  Bibl.  reg.  Venet.  mannscr.  graec.  et 
lat.  I,  p.  389.  Cod.  lat  332  zu  Wien  ist  nur  eine  Abschrift  von  Cod.  331. 
Unter  den  karolingischen  Handschriften  zeigt  das  Motiv  des  Herrschers  ohne 
Begleiter  am  besten  Cod.  Phys.  et  Hist.  Nat.  fol.  10  der  Landesbibi.  zu 
Cassel,  Apuieins  saec.  IX  in.,  auf  dem  vorletzten  Blatt  in  der  Darstellung 
des  Apollo.  Der  von  Säulen  getragene  Giebel  als  Einrahmung  findet  sich 
übrigens  auch  in  den  illustrirten  Terenzhandschriften,  vgl.  ('od.  lat.  bibl. 
nat.  7899  zu  Paris. 

*)  Gori,  Thesaurus  vetcrura  diptjchomm  I,  p.  203,  tab.  V,  flg.  2. 

•)  Gori  1.  c.  I,  p.  Ö7,  tab.  III.  Jetzt  in  Darmstadt.  Nachbildung 
Karlsruhe,  Alterthtlmersammlung  C.  862. 

*)  S.  Voegelin,  Das  zürchorischo  Diptychon,  in  den  Mitth.  d.  anti- 
quarischen Gesellschaft  zu  Zürich  XI,  Heft  4;  Benndorf,  Die  Antiken 
von  Zürich,  in  den  Mittheilungen  XVII,  Heft  7,  S.  16.  Weitere  hier  in  Betracht 
kommende  zusammengestellt  bei  Cahler  et  Martin,  M61anges  d*arch<5ologie  I, 
pl.  XXIX.  Vgl.  noch  Lenormant,  Tr^^sor  numismatiquo,  livr.  149,  pl.  XII; 
Digby  Wyatt,  Notices  of  sculpturc  in  Ivory  p.  85. 

*)  A.  Durieux,  Les  miniaturcs  des  manuscrits  de  la  bIbIioth6que  de 
Cambrai,  pl.  n,  1. 

*)  Westwood,  The  bible  of  tbe  raonastery  of  «anct  Paul  near  Borne. 

•)  Auf  fol.  32^  66»,  129%   184%   l.'ift''. 

^)  Auf  foL  138%  168»,  207»,  23 1^ 

•)  Montfaucon,  Monuments  de  la  monun'bl*'  ffMK^l^i'  I,  pl  l^%  no.  2; 
Willemin,  Mon.  fran^ais  In^MlItH  I,  4. 

•)  The  archaeologirftl  Journal  T,  p.  28,  fol.  -»''*'' 

'<•)  Fol.  163^ 

")  Bucher,  GoHi.  d.  technischen  Künste  1,  H  207;  ^  v.  Haitkm, 
Jahrbuch  d.  Centralc<,mmlM.lon  II.  Kunstdenkmal«  d,  Mltt«UlUr«  Uu  Kr/. 
herzo|;thum  Niedoröster reich  8.  18ö. 


270 


P.  Giemen 


ZU  Polirone  beiMantua^,  im  Cod.  Bibl.  fol.  57*,  Hist.  fol.  41^- 
der  königlichen  Bibliothek  zu  Stuttgart,  im  Cod.   lat.    1571^- 
15903^    3900«,    2640^    13002»,    17403»   der    Staatsbiblioth^. 
zu  München,  im  Cod.  Epternacensis  zu  Gotha*®,  im  Cod.  B.  i 
der  Universitätsbibliothek  zu  BaseP\  im  Cod.  58  der  MinisterbJ- 
bibliothek  zu  Schaflfhausen  *^  im  Cod.  lat.  3897**  und  100^6=* 
der  königlichen  Bibliothek  zu  Brüssel.   Daneben  in  der  Mos»^ 
von  St.  Gereon  zu  Köln  *^,  in  St.  Maria  Maggiore  zu  Vercelli*. 
in  St.  Bertin  zu  St.  Omer",  in  St.  Michele  zu  Pavia*®,  auf  d«- 
Tapisserie  zu  Bayeux  **,  auf  dem  Klosterneuburger  Antependium* 
auf  einem  Fenster  im  Dom  zu  Halberstadt**,  auf  einem  Wand- 
gemälde in  Ditchingham  Church,  Norfolk  ^*,  auf  dem  Reliquiar  dfö 


*)  Carlo  d^Arco,  DeUa  arte  e  degli  artefici  di  Mantova. 

«)  Pol.  15*»  und  41^ 

»)  Fol.  56V 

*)  Cimel.  179,  fol.  40»  =  Cimel.  58,  fol.  23». 

»)  Cod.  cum  pict.  52,  fol.  7%  55»,  80V 

•)  Cod.  c.  p.  61,  fol.  2^  5^  6%  6V 

0  Cod.  c.  p.  75,  fol.  6». 

»)  Fol.  8»>. 

•)  Cod.  c.  p.  7*,  fol.  6*.  Eine  gleiche  Darstellung  aus  einer  (nicht  mehr 
vorhandenen)  Hs.  der  Abtei  St.  Peter  zu  Salzburg  im  Chronicon  Gotwicense 
I,  p.  52. 

»0)  Fol.  18V 

")  Fol.  18V 

>«)  Fol.  28*». 

**)  Fol.  OS*".    Catalogue  des  man.  de  la  bibL  de  Bourgogne  II,   pl.  zu 
p.  85;  Annuaire  de  la  bibL  royale  de  Belgique  V,  p.  99,  XII,  p.  41. 

")  Fol.  137*  und  144V 

")E.  aus'mWeerth,  Der  Mosaikfussboden  in  St.  Gereon  zu  Köln, 
Taf.  I,  n. 

^^)  Delle  antichita  della  chiesa  maggiore  di  Santa  Maria  di  VercellL 
E.  aus'm  Weerth  a.  a.  0.    S.  6;    Annales  arch^ologiques  XX,  p.  57,  228. 

")  Wallet,  Description  d*une  crypte  et  d*un  pav6  mosaique  de  Pancieune 
^glise  de  St.  Omer. 

»•)  E.  aus»m  Weerth  a.  a.  0.  Taf.  IV. 

")  J.  Comte,  La  tapisserie  de  Bayeux  I,  pl.  10,  27,  30,  31,  86. 

*^)  Heider,  Mittheilungen  des  Wiener  Alterthumsvereins  IV,  Taf.  VT, 
Nr.  XII. 

»*)  Th.  H.  King,  Study-Book  of  mediaeval  architecture  and  art  11,  p.  1. 

•*)  The  archaeological  Journal  V,  p.  71. 


Die  Porträtdarstellaugen  Karls  des  Grossen.  271 


\,\^'x.  Oswald  in  Hildesheim^  auf  dem   Schlussstein   des  Baseler 

■  "^  ^  Münsterchors  *. 

^r   N.V 

f.  j  ;<:   ™  1)  xh.  H.  King  L  c.  ü,  p.  8. 

>*i  .V' }  *)  ^^^^  Heinrichs  ü.   Abguss:   Mitteialt.   Samml.   XV,  6.     Das  Motiv 

iBveitergebildet  für  die  Gestalt  des  Weltenkönigs  am  Portal  der  Kathedrale 

zu  Chartres,  an  der  Kirche  zn  Til-Chätel,  zu  ChätiUon-sur-Indre,  zu  Shobdon 

(Herefordshire),  zu  Reichenbach  (Bayern),  am  Altar  zu  Avenas,  im  Mittelfeld. 

e  z:       der  Pala  d'oro  zu  Venedig.    Weitere  Beispiele  bei  deCaumont,  Hist.  de 

P;j7-  '      Parch.  röligieuse  au  moyen  ftge  p.  183,  188,  193.  Vgl.  die  Elfenbeinarbeiten 

,  ,  Kr.  31  und  356  zu  Sigmaringen,  Nr.  44  zu  Darmstadt. 


!  i 


Die  römische  Wasserleitung  von  Burtscheid  nach 

Aachen. 

Von  R.  Pick  und  G.  A.  Siedamgrotzky. 

I. 

Die  von  Burtscheid  nach  Aachen  führende  römische  Wasser- 
leitung trat  im  Laufe  dieses  Jahrhunderts  mehrfach  zu  Tage, 
zuerst  im  Sommer  1835,  wie  man  aus  C.  P.  Bocks  Abhandlung 
über  „die  Parkanlagen  beim  Pallaste  Karls  d.  Gr/  ersieht  ^  Im 
folgenden  Jahre  (1836)  wurde  diese  Leitung,   was  bisher  un- 
bekannt geblieben,   wiederum  aufgedeckt,  wenigstens  schreibt 
am   26.  Mai  dieses  Jahres  der  Stadtbibliothekar  Christ.  Quix 
an  den  Oberbürgermeister  der  Stadt  Aachen,  Herrn  Emundts  • : 
„Vor  einem  Paar  Tagen  wurde  ich  benachrichtigt  von  einer 
vor  der  Stadt  (aufgefundenen)  unterirdischen  alten  Mauer.  Ich 
begab  mich  dahin  und  fand,  dass  diese  eine  römische  Wasser- 
leitung und  die  Mauer  ist,  die  mir  in  Urkunden  mehr  als  einmal 
vorgekommen,  an  deren  Entdeckung  ich  aber  zweifelte.  Es  wäre 
wohl  interessant,  ein  Paar  von  den  kandelähnlichen  Ziegeln  der 
Wasserleitung  sich  zu  verschaffen  und  sie  mit  den  Fragmenten 
der  in  der  Eselsgasse  vor  einigen  Jahren  zu  Tage  geförderten 
römischen  Sachen  zu  vereinigen.  Wir  haben  so  weniges  für  das 
Dasein  der  Römer  hier  aufzuweisen."   Leider  erfilhrt  man  aus 
diesen  Zeilen  ebenso  wenig  die  genaue  Fundstelle,  wie  für  das 
voraufgehende  Jahr  aus   der  Angabe  des  Prof.  Bock.    Nach 
anderweitigen  Mittheilungen  scheint  in  beiden  Fällen  das  jetzt 
meist  mit  Bauten  bedeckte  Gasthausfeld  die  Fundstätte  gewesen 
zu  sein.   Unter  dem  Quixschen  Schreiben  vermerkt  der  Ober- 
bürgermeister Emundts,  dass  „ein  Stück  aus  den  Wasserleitungen 


*)  J.  J.  Kreutzer,  Beschreibung  und  Geschichte  der  ehemal.  Stifts-, 
jetzigen  Pfarrkirche  zum  h.  Adalbert  in  Aachen  S.  77. 
')  Akten  der  städtischen  Registratur  7/1  S.  24. 


Die  römisdie  Wasserlei tong  von  Bartscheid  nach  Aaclh^a.  :^T.^ 

bei  den  im  Rathhaose  autbewahrten  Antiquitäten  asü^ervirf  wotxUmi 

sei**;   es  war  nach  einer  beigefügten  Notiz  des  SudtArvhiN-^^r^ 

J.  F.  Krämer  ^  wie  man  vermuthen  darf,  ein  Rinnenstoin  ma 

liegionsstempel,  der  sich  jetzt  wohl  bei  den  Resten  dos  Kcsmor- 

bads  in  dem  Badehaus  zur  Königin  von  Ungarn  boflndo«  x^ini. 

Von  einer  weitem  Auffindung  der  Wasserleitung  im  VVU\<* 

jenseits  des  sog.  Verbindungswegs  (jetzt  Willielmstrasso>  in  dor 

Richtung  nach  Frankenberg  hin  berichtet  Quix  Kum  Jahro  1x^:^8 

in  seiner  „Greschichte  der  Stadt  Aachen *"  *.  Ob  freilich  hior  nicht 

die  Jahreszahl  1838  statt  1836  verdruckt  ist,  mler  ob  in  btndon 

Jahren  der  Kanal  zum  Vorschein  kam,  dürfte  schwer  ru  sä^vu  soiu. 

Grössere  Stücke  der  Wasserleitung  wunlon  im   FriUyj^hr 

1861  im  Hof  der  damals  neu  angelegten  Burtschoidor  iirtsfjvbrik 

in  der  Warmweiherstrasse  und   15  Jahre   si>üter,   im  Son\n\or 

1876,  auf  demselben  Terrain  und  im  Burtsdioidor  Kuvu^^rton 

aufgefunden.    Kanonikus  Kessel  hat   im   letÄtgonanntou  Juluv 

diese  Funde  unter  Zusammenstellung  der  bis  dahin  ttbor  diM^ 

Kanal  bekannten  Nachrichten  ausftthrlicli  boschriobon  "*  und  t\lHM^ 

zeugend,  wie  mir  scheint,  dargethan,  dass  die  Loituu^   uUUt 

warmes  Wasser,  wie  man  mehrfach  vermuthot.  hntto,  sondoru 

kaltes  aus  dem  obem  Theil  von  Burtsdieid,  wuhiwhoinlirh  «us 

dem   sog.   kalten  Bach,   dem   Römorbad   in   Anohou    Ä\U'ttluio. 

Nach  den  von  Herrn  Kessel  beigebrachten  /on^ninHOU  i\\\\i\\'^ 

es  ausser  Zweifel  stehen,  dass  der  Kanal,   von  dor  noob^ton 

siegreichen  Legion  in  den  Jahren  70     120  n.  V\\\\  ovlvaul,  j*i\h 

von  Burtscheid  her  an  den  westlichen  AbhAn^on  dos  Wurmt  hals 

in  vielfachen  Krümmungen  hinzog  und  nngolrthr  in  dor  Mitto 

zwischen  Viadukt  und  Adalbertsthor  in  dorUogond  ilor  IumuIk^u 

Lothringerstrasse  nach  dem  vonnaligon  Windmühl(>nthurn\  (Sohlld- 

*)  Wörtlich:  „P.  M.  Man  hatte  den  Wunsch  KoüUMsort,  dun  »rt^l^uulo««» 
Exemplar  za  reinigen,  dies  wäre  aber  gefährlich,  weil  dai«  MatoriH)  hiori\n 
viel  weicher  ist  als  das  in  der  EsolsgasHo  gefundene,  Uberdien  die  rUminche 
Inschrift  an  jenem  durch  Reinigen  nicht  lesbarer  worden  kann  aU  sie  int. 
Vielmehr  wäre  rathsam,  ein  Qlasstreifchen  darüber  zu  schieben,  damit  durch 
Reiben  mit  den  Fingern  nichts  verwischt  worden  könne.* 

»)  I,  S.  3. 

»)  Bonner  Jahrbücher  LX,  S.  12—28.  Vgl.  auch  Rhoen  in  dor  Aachener 
Zeitung  1889,  Nr.  167.  Ueber  die  an  letzterer  Stelle  erwähnte  Auffindung 
des  Kanab  im  Jahre  1855  ist  meines  Wissens  bisher  nichts  bekannt  geworden. 
Einen  kurzen  Bericht  über  den  Fund  auf  dem  Grundstück  der  Burtschoider 
Gasfabrik  im  Jahre  1861  veröflfentlichte  der  Regicrungs-  und  Baurath  Kraf  f  t 
in  den  Bonner  Jahrbüchern  XXXIII.  XXXTV,  S.  275  flf. 


274  R.  Pick  und  G.  A.  Siedamgrotzky 

thurm)  in  der  Eichtung  auf  das  ehemalige  Neuthor  *  (Hochstrasse) 
hinlief,  um  von  hier  aus  für  das  Kanal wasser  das  zur  Erreichung 
des  bei  der  heutigen  Kaiserquelle  gelegenen  römischen  Bads 
erforderliche  GeßlUe  zu  gewinnen.  Von  der  sechsten  Legrion 
wurde  nach  aufgefundenen  Ziegelstempeln  auch  zwischen  71 
und  91  n.  Chr.,  wie  Lersch  annimmt^,  dieses  Bad  erbaut. 

Seitdem  kam  die  Wasserleitung  noch  in  der  Wilhelmstrasse 
in  der  Gegend  des  Hauses  Nr.  69,  sowie  bei  einer  Kanalanlage 
im  Sommer   1885  vor   dem  Haus  Nr.   11    in   der  Lothringer- 
strasse  0,850  m  unter  der  Pflasterkrone  zum  Vorschein   und 
wurde  hier  von  Ignaz  Beissel  mit  gewohnter  Sorgfalt  unter- 
sucht.   „Das  unten  0,165,   oben  0,190  m  im  Lichten  messende, 
von  einem  Hohlziegel  gebildete  Gerinne  lag  auf  einer  Schicht 
Letten  mit  zerkleinerten  Ziegelstücken,   zu  beiden  Seiten  ein- 
gefasst  von  einer  Schicht  Kalkmörtel,  ebenfalls  mit  geklopften 
Ziegelstücken,  woran  sich  eine  weitere  Schicht  Kalkmörtel  mit  Ki^ 
und  verschiedenartigen  Gesteinbrocken  (Kalkstein,  Grauwacke) 
im  Ganzen,  das  Gerinne  und  die  es  zunächst  umfassende  Kalk- 
mörtelschicht eingerechnet,  bis  zu  einem  Durchmesser  von  1,25  m 
anschloss.  Die  Decke  des  Gerinnes  fehlte,  während  das  Innere 
desselben  mit  Schlamm  und  Gesteinbrocken,  meist  zerschlagenen 
Ziegeln,    ausgefüllt  war.    Die  Seitenwände  waren  mit  Sinter- 
krusten von  3 — 5  mm  bedeckt,  die  jedoch  nicht  sehr  fest  waren 
und  sich  den  losen  dendritischen  Sinterkrusten  der  Thermalwasser 
im  Kanal  des  Rosenbads  zu  Burtscheid  näherten.  Auch  in  dem 
beim  Aussieben  ausgeschlemmten  Material  fanden  sich  Sinter- 
stückchen, bis  5  und  6  mm  dick,  lose  von  Struktur,  dendritisch 
aus  aneinanderstossenden  Krystallen  zusammengefügt,  mit  kaum 
angedeuteter  Schichtung  parallel  der  Ansatzfläche  *.** 

Endlich  wurde  im  Dezember  1888  auf  der  frühern  Fund- 
stätte, dem  Hof  der  Burtscheider  Gasfabrik,  wiederum  ein  Stück 
der  Wasserleitung  aufgegraben,  das  genau  in  der  Verlängerung 


*)  Ob  mit  der  Wasserleitung  vielleicht  die  Menge  römischer  Ziegelreste 
zusammenhängt,  welche  nach  Qu  ix  (Geschichte  der  Stadt  Aachen  I,  8.  4) 
vor  1840  „bei  der  Anlage  der  Gärten  hinter  den  in  der  Neustrasse  vor  der  Stadt 
links  gelegenen  Häusern  ausgegraben  wurde"?  Vgl.  Lersch,  Geschichte 
des  Bades  Aachen  S.  8. 

')  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  VII,  S.  172. 

')  Brief  J.  Beissels  an  Herrn  Dr.  Wings  zu  Aachen  vom  3.  September  1885, 

mit  F&rbenzeichnung.   Vgl.   auch  Lersch  in  der  Zeitschrift  des  Aachener 

•eins  VII,  S.  160  und  Echo  der  Gegenwart  1885,  Nr.  202,  Bl.  L 


Die  römische  Wasserleitung  von  Burtscheid  nach  Aachen.  275 

des  1876  blossgelegten  lag.   Ueber  diesen  letztern  Fund  gibt 
genauen  Aufschluss  der  unten  folgende,  an  die  Stadtverwaltung 
zu  Aachen  gerichtete  Bericht  des  Direktors  des  städtischen 
Wasserwerks,  Herrn  G.  A.  Siedamgrotzky,  den  nebst  den  zu- 
gehörigen Zeichnungen  Herr  Oberbürgermeister  Pelzer  mit  an- 
erkennenswerther  Bereitwilligkeit  der  Redaktion   dieser  Zeit- 
schrift zur  Verfügung  stellte.   Ihm  sei  dafür  auch  an  dieser 
Stelle  nochmals  verbindlichster  Dank  gesagt.  Auf  die  Anregung 
des  Unterzeichneten  liess  die  städtische  Verwaltung  ein  1,80  m 
langes  Stück  der  Wasserleitung  auf  dem  Terrain  der  Burtscheider 
Gasfabrik  ausheben  und  imHof  desSuermondt-Museums  aufstellen. 
Zwar  gelang  es  bei  der  gewaltigen  Last  nicht,  die  Rinnensteine 
bei  der  üeberführung  unversehrt  zu  erhalten,   immerhin  bietet 
aber  doch   das  so  vor  dem  Untergang  geschützte  Stück  ein 
anschauliches  und  interessantes  Bild  des  römischen  Kanalbaus 
in  unserer  Gegend. 

Auch  nochmals  später,  im  Sommer  1889,  wurde  die  Wasser- 
leitung auf  dem  Terrain  des  sog.  Gasthausfelds  in  der  Nähe 
des  Hauses  Nr.  50  der  Lothringerstrasse,  südöstlich  von  der 
Stelle,  wo  der  Kanal  im  Jahre  1885  blossgelegt  worden  war 
(s.  oben),  bei  Erdarbeiten  zu  einem  Neubau  aufgedeckt.  Der 
Fund  brachte  indessen  nichts  Neues,  nur  zeigte  er,  dass  die 
Leitung  hier  in  einer  Krümmung  oder  wenigstens  in  schräger 
Linie  in  die  heutige  Lothringerstrasse  einbogt 

Das  1861  in  der  Warmweiherstrasse  aufgefundene  Stück 
Wasserleitung  ist  in  den  Rappardschen  Plan  von  Aachen  auf- 
genommen worden.  Es  bleibt  eine  dankenswerthe  Aufgabe  des 
Geschichtsvereins,  demnächst  einen  Plan  der  Städte  Aachen 
und  Burtscheid,  oder,  was  sich  noch  mehr  empfehlen  würde,  eine 
Karte  des  ehemaligen  Aachener  Reichs  herauszugeben,  in  welche 
alle  bisher  gemachten  Alterthumsfunde  aus  römischer  wie  vor- 
römischer Zeit  mit  möglichster  Genauigkeit  eingetragen  wären. 

Pick. 

n. 

■  (Mit  Tafel.) 

Beim  Abbruch  der  Gasanstalt  in  der  Warmweiherstrasse 
zu  Burtscheid  im  Herbst  1888  ist  ein  zusammenhängendes  Stück 
Römerkanal  von  13,70  m  Länge  blossgelegt  worden.  Seine  Lage 

^)  Gef.  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Wings  zu  Aachen. 

18* 


276  E.  Pick  und  G.  A.  Siedamgrotzky 

ist  in  beiliegendem  Plan  bezeichnet.  Es  besteht  aus  22  üförmig-en 
Rinnenstücken  von  0,55  bis  0,65  m  Länge  mit  übergreifenden 
Falzen,  deren  Abdichtung  zwischen  den  Fugen  durch  blauen 
Thon  bewirkt  ist.  In  dem  5.,  17.  und  21.  Rinnenstück  wurden 
in  der  Sohle  deutlich  die  römischen  Legionsstempel  aufgedrückt 
gefunden,  enthaltend  die  Buchstaben  LEGVIVICPF,  wovon 
ein  Faksimile  nach  dem  Abdruck  im  beiliegenden  Plan  in  halber 
natürlicher  Grösse  dargestellt  ist.  Der  Stempel  hatte  demnach 
eine  Länge  von  110  und  eine  Breite  von  26  mm.  Sämmtliche 
Rinnenstücke  waren  wohl  erhalten,  nur  einzelne  enthielten  kleine 
Längsrisse. 

Das  angestellte  Nivellement  ergab  ein  Gefälle  von  0,035  m 
oder  2,5  mm  pro  Meter  auf  die  angegebene  Länge,  und  zwar  von 
Burtscheid  nach  Aachen  hin,  indem  der  Anfang  des  Kanals  auf 
167,315,  das  Ende  auf  167,280  m  über  dem  Amsterdamer  Pegel 
liegend  gefunden  wurde.  Der  Kanal  führte  somit  das  Wasser 
ab  von  Burtscheid  nach  Aachen.  Dies  wird  noch  dadurch  be- 
stätigt,  dass  nach  der  gleichzeitig  vorgenommenen  Ermittlung 
die  Sohle  des  im  Burtscheider  Kurgarten  —   1,6  m  von  der 
Futtermauer  der  Parkstrasse  entfernt  liegenden  —  früher  auf- 
gefundenen Römerkanals  auf  168,035  m  über  dem  Amsterdamer 
Pegel,  also  720  mm   höher  liegend  befunden  wurde.   Die  Ent- 
fernung zwischen  dem  dortigen  Endpunkt  des  Römerkanals  bis 
zum  obeni  Anfangspunkt  des  Stücks  in  dem  Terrain  der  Gas- 
anstalt beträgt,  dem  Gehänge  folgend,  280  m,  der  Kanal  würde 
daher  in  diesem  fehlenden  Zwischenstück  ein  Gefälle  von  2,57  mm 
pro  Meter^  also  beinahe  übereinstimmend  mit  dem  aufgefundenen 
Theil  in  der  Gasanstalt  gehabt  haben.  Zum  Vergleich  für  eine 
etwaige  weitere  Auffindung  einer  Fortsetzung  des  Kanals  auf- 
wärts dienen  noch  folgende  Höhenermittlungen: 

Rosenbad,  Thoreinfahrt 167,700  m 

Dammstrasse,  Einmündung  der  Hauptstrasse  .  .  169,445  „ 
Trinkquelle  vor  dem  Schwertbad- Auslauf .  .  .  .  169,385  „ 
Sohle  des  kalten  Bachs,  Mitte  der  Altdorfstrasse  .     175,025  „ 

Die  Rinnen  waren  völlig  glatt  und  hatten  nur  an  einzelnen 
Punkten  sehr  geringfügige  Ansätze  von  etwas  Kalksinter,  so  dass 
wahrscheinlich  nur  ein  ganz  weiches  Wasser,  also  kein  Thermal- 
wasser  durch  sie  geflossen  ist. 

Im  Auftrag  der  Stadt  Aachen  ist  ein  1,80  m  langes  (auf 
dem  beiliegenden  Plan  mit  schrägen  Strichen  bezeichnetes)  Stück 


Die  römische  Waaserleilang  von  Burtschoid  nach  Aachen.  277 

des  Kanals,  enthaltend  die  Rinnenstäclce  16,  17  und  18,  auf 
der  mittlem  Platte  der  Legionsstempel,  ausgehauen  und  in 
den  Hof  des  Suermondt-Museums  zu  Aachen  transportirt  worden. ' 
Durch  diese  Arbeit  ist  die  Art  der  Herstellung  des  Kanals,  wie 
ilin  die  BCmer  ausgeführt  haben,  klargestellt.  Die  Verhältnisse 
sind  durch  das  in  der  Zeichnung  befindliche  Querprofil  erläutert. 
Das  ganze  Terrain  ist  0,94  bis  1,00  m  hoch  durch  jüngere 
Aufschüttung  überdeckt,  in  welcher  Tiefe  der  frühere  Humus 
deutlich  zu  erkennen  ist.  Unter  ihm  befinden  sich  lehmig-thonige 
Massen,  ein  Zersetzungsprodukt  der  Köpfe  des  Verueuil-Schiefers. 
In  diesen  Massen  wurde  von  den  Eömern  ein  2,25  m  breiter 
und  0,86  m  tiefer  Graben  ausgeworfen  und  in  diesem  zwei 
0,48  m  entfernt  parallel  laufende  Mauern  von  0,65  m  Höhe  und 
0,50  m  Dicke  aus  Bruchsteinen,  meistens  Kalk,  angelegt.  Zwischen 
die  Mauern  wurde  16  cm  hoch  Thon  eingestampft  und  hierin 
das  ans  Thon  gebackene  Rinnenstück  eingedrückt.  Dieses  220  nun 
hohe  Rinnenstück  hat  eine  lichte  Weite  von  210  nun,  55  mm 
Wandstärke,  füllte  demnach  den  480  mm  breiten  Raum  zwischen 
den  beiden  Mauern  nicht  aus;  es  wurde  deshalb  der  80  mm 
breite  Zwischenraum  mit  Beton  ausgefüllt,  der  70  mm  über  den 
obem  Rand  des  Rinnenstücks  hinausgeht,  aber  135  mm  unter 
der  Oberkante  des  Seiten  mauerwerks  zurückbleibt.  Deckplatten 
wurden  über  dem  Kanal  nicht  gefunden,  es  ist  jedoch  anzunehmen, 
dass  solche  vorhanden  gewesen,  da,  abgesehen  von  andern  Gründen, 
sonst  die  obem  Ränder  des  Mauerwerks,  des  Betons  und  des 
Rinnenstticks  Beschädigungen  und  namentlich  Frosteinwirknngen 
gezeigt  haben  würden,  die  nicht  zu  bemerken  waren.  Es  muss 
also  wohl  angenommen  werden,  dass  zwischen  den  Seitenmauem 
anf  dem  Beton  auflagernd  Platten  eingelegt  wurden,  die  demnach 
nur  eine  Erdüberdeckung  von  360  mm  hatten. 

Der  ausserhalb  der  Mauern  verbleibende  Theil  des  Grabens 
ist  w 
mit  I 
ähnli 
wurd 


Kleinere  Mittheilungen, 

1.  Römische  Münzen  aus  der  Umgebung  von  Aachen. 

Römische  Münzen  werden  in  Aachen  und  seiner  nächsten  Umgegend 
verhältnissmäßig  selten  gefunden.  Das  mag  es  rechtfertigen,  wenn  ich  nach- 
stehend mehrere  solche  Münzen  verzeichne,  welche  an  verschiedenen  Orten 
in  der  Umgehung  Aachens,  zwei  im  Frühjahr  1889,  die  andern  schon  vor 
längerer  Zeit,  zum  Vorschein  kamen.  Sie  hefinden  sich  sämmtlich  in  der 
Alterthümer-Sammlung  des  Herrn  Gutsbesitzers  G.  Cornely  zu  Elchenrath 
(Bürgermeisterei  Würselen),  der  sie  mir  zum  Zwecke  der  Bekanntmachung 
freundlichst  zur  Verfügung  stellte. 

1.  Hadrian  (117—138). 

Gold.  Gew.  10 gr.  Vorderseite:  Kopf  rechtshin,  Umschrift:  HADRIANVS 
AVG  COS  m  PP.  Rückseite:  Stehende  weibliche  Figur  linkshin,  in  der 
rechten  Hand  eine  Marke  (tessera),  im  linken  Arm  ein  Füllhorn  haltend, 
Umschrift:  LIBERALITAS  AVG  Vn.  Die  Münze  ist  über  dem  Kopf 
des  Kaisers  durchlöchert  und  wurde  so  nach  der  Versicherung  des 
Herrn  Cornely  aufgefunden.  F.  Stollwerck  (Die  celtubisch-römische 
Niederlassung  Gelduba  S.  121,  Nr.  125)  verzeichnet  auch  aus  Gellep 
eine  Silbermünze  Hadrians,  welche  in  gleicher  Weise  durchbohrt  ist,  so 
dass  es  scheint,  als  habe  man  bereits  im  Alterthum  wie  heute  Münzen 
zur  Zierrath  oder  sonstwie  getragen.  Die  Goldmünze  kam  im  Frühjahr 
1859  beim  Ziegeln  in  einer  Wiese  des  Wirths  Klinkenberg  zu  Haaren, 
5  Minuten  südlich  von  diesem  Dorfe,  in  der  Nähe  der  sog.  Welsche- 
Mühle,  in  der  Tiefe  von  1  m  zu  Tage.  An  derselben  Stelle  fand  man 
damals  eine  Menge  Rund-  und  Plattenziegel,  letztere  „von  der  Breite 
einer  Handlänge  und  mit  einer  */4Zölligen  Erhöhung  an  beiden  Rändern*, 
alle  ohne  Stempel.  Vgl.  Echo  der  Gegenwart  vom  26.  Juni  1859. 

2.  Galba  (68—69). 

Silber.  Vorderseite:  Kopf  mit  Lorbeer  rechtshin,  Umschrift:  SER 
GALBA  IMP  CAESAR  AVG  PM  TR  P.  Rückseite:  Stehende  weib- 
liche Figur,  in  der  rechten  Hand  einen  Zweig,  im  linken  Arm  ein  FüD- 
hom  haltend,  Umschrift:  CONCORDLi  PROVINCIARVM.  Gefunden  vor 
etwa  30  Jahren  in  der  Nähe  des  zwischen  Würselen  und  Neuhaus  auf 
Scherberg  zu  gehenden  Wegs  an  der  sog.  Judenstatt. 


Kleinere  3Iittheilangeii.  279 

3.  Kaligula  (37—41). 

Grosserz.  Durchmesser  34  mm.  Vorderseite:  Kopf  linkshin,  Umschrift: 
C  CAESAR  DIVI  AVG  PRON  AVG  PM  TR  P  III  PP.  Rückseite:  An- 
sprache des  Kaisers  an  die  Leibgarde;  oben  ADLOCVT,  unten  COH, 
seitlich  S  C.  Gefunden  im  Frühjahr  1889  im  Felde  zwischen  Dobach 
und  St.  Jobs,  etwa  300  Schritt  von  dem  sog.  grünen  Weg,  der  onfern 
der  Fundstelle  in  der  Tiefe  vorbeiführt.  Grosserz  von  Kaligula  ist  selten, 
der  Revers  gehört  zu  den  bessern. 

4.  Faustina  die  Aeltere  (?)  (f  141). 

Mittelerz.  Sehr  beschädigt.  Vorderseite:  Kopf  rechtshin,  Umschrift  nicht 
mehr  erkennbar.  Rückseite:  Stehende  weibliche  Figur  linkshin,  seitlich 
S  C,  das  Uebrige  zerstört.  Gefunden  im  Frühjahr  1889  beim  Pflügen  in 
der  Flur  am  Hermannspfad,  etwa  3  Minuten  von  Elchenrath.  Von  der 
Fundstelle  20—25  Schritt  entfernt  befinden  sieh,  ebenfalls  am  Hermanns- 
pfad, in  der  Erde  die  Reste  einer  römischen  Ziegelei.  Zahlreiche  Ziegel- 
stücke, darunter  eines  mit  dem  Abdruck  einer  Pfote,  und  vereinzelte 
Topfscherben  kamen  früher  hier  zum  Vorschein,  manche  werden  auch 
noch  jetzt  daselbst  gefunden. 

5.  Konstantin  der  Grosse  (306—337). 

Kleinerz.  Vorderseite:  Kopf  mit  Diadem  rechtshin,  Umschrift: 
CONSTANTINVS  AVG.  Rückseite:  Prätorianisches  Lager  mit  4  Thürm- 
chen,  darüber  ein  Stern.  Umschrift:  VIRTVS  AVGG,  unten  etwas  un- 
deutlich die  Buchstaben:  SAwRL  (?).  Gefunden  vor  etwa  25  Jahren  in 
der  Flur  auf  der  Bissen  unweit  des  Bahnhofs  zu  Wtlrselen. 

6.  Valentinian  L  (364—375). 

Kleinerz.  Vorderseite:  Kopf  mit  Diadem  und  Mantel  rechtshin,  Um- 
schrift: DN  VALENTINIANVS  PF  AVG.  Rückseite:  Kaiser  in  Panzer 
und  Mantel  rechtshin,  im  rechten  Arm  das  Labarum,  auf  der  linken 
Hand  eine  Victoria  haltend,  Umschrift:  RESTITVTOR  REIP.  Die  nur 
zum  Theil  vorhandenen  Buchstaben  unten  sind  unleserlich.  Gefunden  vor 
ungefähr  30  Jahren  im  Klingelbeutel  in  der  Pfarrkirche  zu  Würselen. 

Erwähnt  seien  noch  drei  weitere  römische  Münzen,  welche  nebst  mehrern 
andern  Alterthümem  (Schalen,  darunter  eine  mit  dem  Töpferstempel  GIA- 
MATVS  F,  Glasgefäss,  Thonkrug  u.  s.  w.)  im  Sommer  1862  bei  dem  Hof 
Mittel-Frohnrath  unweit  Horbach  beim  Kiesgraben  in  einer  Wiese  zum 
Vorschein  kamen.  Sie  gehörten  den  Kaisem  Hadrian  und  Mark  Aurel  (161—180) 
an.  P.  St.  Käntzeler  hat  den  Fund  im  Echo  der  Gegenwart  vom  3.  Juli 
1862  und  später  etwas  abweichend  in  den  Bonner  Jahrbüchern  XXXIII. 
XXXIV,  S.  277—279  beschrieben,  worauf  hier  verwiesen  sein  mag. 

Aachen,  E,  Pick, 


280  Kleinere  Mittheilaiigen. 

2.  Römischer  Fund  zu  Lucherberg. 

Im  Mai  1889  wurde  zwischen  dem  Dorf  Lucherberg  (Kreis  Düren)  und 
der  nahebei  gelegenen  Wagemühle,  westlich  von  dem  an  beiden  vorbei  nach 
Langerwehe  führenden  Wege  auf  einer  zum    Lncherberger  Hof  gehöri^n 
Ackerparzelle  beim  Pflügen  eine  beschädigte  römische  Ziegelplatte  gefunden. 
Sie  misst  in  der  Länge  44  cm,  in  der  Breite  einschliesslich  der  Randleisten 
oben  86,  unten  82  cm  und  zeigt  auf  der  obern  Seite  eine  Figur  ähnlich  der 
Zahl  6.   Viele  Reste  römischer  Ziegel  kamen  ebenfalls  auf  den  mehr   nach 
der  Wagemühle  hin  gelegenen  Grundstücken  des  Ackerwirths  Bodden  zu 
Tage.    Diese  Nachrichten  verdanke  ich  der  Güte  des  Ortsvorstehers  Herrn 
J.  J.  Butt  gen  zu  Lucherberg,  der  mir  auch  die  Ziegelplatte  zubrachte. 
Bei  Lucherberg  wurden  schon  vor  vielen  Jahren  mannigfache  Alterthümer 
aufgefunden.  Bonn,  Rumpel  und  Fischbach  berichten  darüber  in  dem 
ersten  1835  erschienenen  Hefte  ihrer  „Sammlung  von  Materialien  zur  Geschichte 
Dürens  und  seiner  nächsten  Umgegend**  S.  8 :  „Zu  Lucherberg  fanden  Arbeiter 
bei  Grabung  einer  Braunkohlengrube  mehrere  steinerne  Särge,   auf  deren 
einem  eine  menschliche  Figur  ganz  rauh  erhoben  gearbeitet  war.   In  den 
Särgen  selbst  lagen  nur  Knochen;  femer  fanden  dieselben  Urnen  verschiedener 
Grösse,  bald  künstlich,  bald  rauh  geformt,  mit  einigen  Münzen.  Schade,  dass 
diese  Alterthümer  zerschlagen  und  verschleudert  sind.**  (Vgl.  auch  Kalten- 
bach,  Der  Regierungsbezirk  Aachen  S.  227.)  Alle  diese  Fundgegenstände, 
namentlich  aber  die  zahlreichen  Ziegelreste  machen  die  Annahme  nicht  un- 
wahrscheinlich,   dass    zu   römischer  Zeit   bei   Lucherberg    eine   Ansiedlung 
(Villa)  bestand,  deren  Entstehung  mit  der  römischen  Verbindungsstrasse  in 
Zusanmienhang  zu  bringen  sein  dürfte,  die  von  Pier  über  Lucherberg  nach 
Langerwehe  führte.    Eine  genauere  Untersuchung  wäre  erwünscht 

Aachen.  B.  Piek, 

3.  Der  Aachener  Strassenname  Krakau. 

Krakau,  der  bekannte  Aachener  Strassenname,  ist  abzutheilen  in  Krä 
und  Kau,  Kou,  d.  h.  Krähenkobel,  Krähenheerd,  Krähensammelplatz.  In 
Aachen  spricht  man  KrU.  Kau  ist  eine  ganz  gewöhnliche  Benennung  für 
Hühnerkäfig  in  Honderkau  daselbst.  Jede  andere  Ableitung  taugt  nicht.  Was 
soll  Krak  und  das  vorherrschend  oberländische  Au,  Aue  seini  Ein  ^Gau* 
vollends  hereinzubringen  ist  unmöglich.  Kau  ist  oberdeutsch  unbekannt,  da 
gibt  es  Kobel  dafür.  Den  fränkischen,  friesischen  Charakter,  besonders  letztem, 
bezeugt  Dornkaat  in  seinem  Ostfriesischen  Wörterbuch.  Kau,  Kaue  und 
(selten)  Kave,  Kawe,  Kaven,  Kawen,  bezw.  Kafe,  Kafen  =  eingefriedigter, 
abgeschlossener  Raum,  und  zwar  sowohl  im  Freien  als  im  Hause;  daher 
Pferch,  Hürde,  Koben,  Stall,  Geföngniss.  Mittelniederd.  Koven,  Kaven  =  Ver- 
schlag, Hülle,  Häuschen,  namentlich  für  Kleinvieh.  MittelniederL  Kauwe, 
KoiTwe  =  cavea.  Wir  haben  die  Aachener  OertUchkeit,  von  der  die  Strasse  den 
Namen  bekommen  hat,  wahrscheinlich  urkundlich  nirgends  verzeichnet:  es 


Kleinere  Mitiheilniigeii.  281 

i¥ar  ja  nur  Flurname.  Wenn  er  aber  einmal  in  einer  Markenbeschreibung 
künftig  betroffen  würde,  kann  er  nur  Krakauwe,  Bjrackouwe,  Krackowe  lauten. 
Zwischen  Aachen  und  dem  Rhein  dürften  sicherlich  noch  viele  Beispiele  zu 
treffen  sein.  Hochdeutsch  würden  wir  einen  Platz  mit  Bäumen,  worauf 
massenhaft  viele  Krähennester  sich  fanden  und  am  Niederrhein  heute  noch 
sich  finden,  Krähenhorst  heissen.  Vgl.  die  Beiherhorste.  Nun  aber  könnte 
man  einwenden :  die  mit  „Krähe"  zusanmiengesetzten  Namen  haben  alle  „n" : 
Creienfeld,  Krefeld;  Craiunwinkila,  Krähwinkel  bei  Werden.  Allein  neben 
diesen  sog.  schwachen  Formen  gehen  schon  sehr  frühe  die  starken  her: 
Creyvelt;  in  Aachen  selbst  der  Hof  Krahbom  beim  Königsthor,  1423  up  gen 
Kraborn  ^  Die  Familiennamen  Krähus,  Krähorst  will  ich  auch  dazu  stellen. 
Ich  sagte  schon,  wir  hätten  keine  urkundliche  Form  für  das  Aachensche 
Krakau,  wir  müssen  uns  Krakau,  den  alten  Krefelder  Burgnamen,  zur  Er- 
klärung leihen.  In  einer  Urkunde  von  1372  ist  der  Name  vorausgesetzt  und 
heisst  es  schlechthin  „sloss**.  In  einem  Scböffenweisthum  von  1406  heisst  es: 
dat  dat  nuwe  huyss  zo  Kraikouwen  gelacht  wer  ind  lege  up  badem  des 
lantz  van  Kempen.  Hier  wird  Krakau  zuerst  genannt.  Dieselbe  Form  bietet 
ein  Dokument  von  1417.  Im  Jahre  1437  kommt  ein  Derick  von  Moers  gen. 
Krakaw,  Bastard,  als  Drost  zu  Moers  vor;  1473  heisst  es  in  einer  auf  den 
Burgundischen  Krieg  bezüglichen  Schadenrechnung:  zo  Crackouwen  op  ter 
borch,  und  daneben  im  gleichen  Dokument  Crackauen,  Craickowe,  Craykau; 
1480  lautet  die  Form  Kraickauwe,  später  Crackowe.  Vom  16.  Jahrhundert 
an  ist  die  stehende  Form  Crackau,  Krackaw. 

Ich  habe  mit  dem  Historiker  der  Stadt  Krefeld,  mit  Dr.  Keussen,  dem 
Vater,  der  mir  obige  Stellen  mittheilte,  schon  mehrmals  in  der  gegenwärtigen 
etymologischen  Frage  mich  auseinanderzusetzen  Gelegenheit  gehabt  und 
glaubte  ihn  vollkommen  überzeugt  zu  haben.  —  Da  plötzlich  taucht  in 
seinem  schönen  Vortrag  über  Krefeld  vom  letzten  Winter  *  wieder  seine  alte 
Lieblingsannahme  auf,  es  beziehe  sich  „Krakau**  auf  Polen.  Ein  polnischer 
Edelmann,  des  Grafen  Dietrich  von  Moers  Begleiter  in  den  Kämpfen  um 
Preussen  1370,  sei  an  den  Rhein  gekommen  und  habe  das  Schloss  gebaut 
gerade  zu  der  Zeit,  da  Krefeld  zur  Stadt  erhoben  ward.  Das  ist  eine  ge- 
machte Sage. 

Es  wäre  zu  wünschen,  dass  die  Leser  dieser  Zeitschrift  in  ihrer 
Heimath  nach  dem  Flurnamen  Krakau  sich  umsähen  und  hier  MittheUung 
machten.  Ein  Hof  Krakau  liegt  auch  im  Kreise  Eupen,  offiziell  bei  Axer 
„Krakauw**  geschrieben.  Bitter  hat  fünf  Dörfer  dieses  Namens.  Die  zahl- 
reichen mit  „Krähe"  gebildeten  Flurnamen  im  Rheinland  beweisen  für  unsere 
Deutung  die  Richtigkeit*. 

Bonn,  A,  Birlinger, 


<)  YgL  Haagen,  Oeschiohte  Aoheni  n,  S.  61. 
*)  Abgedruckt  in  der  Krefelder 

•)  Eine   andere  Ableitung  d^  MMriHlhAV  Wort  Kral,   Krähe  u.  s.  w.  ent- 
haltenden Ortsnamen  in  der  Sohwili'j^^HI^HfeBdttetter  im  Oe8ohioht«£reuncl 


282  Kleinere  Mittheilungen. 

4.  Drei  Urkunden  zur  Geschichte  der  Stadt  Eschweiler. 

Ungeachtet  der  fleissigen  Forschungen,  welche  in  den  letzten  Jahren, 
namentlich  von  H.  H.  Koch,  über  die  Geschichte  der  Stadt  Eschweiler  ver- 
öffentlicht worden  sind,  bleibt  noch  manche  Lücke  in  Bezug  auf  die  Vergangen- 
heit dieses  Orts  auszufüllen.  Von  diesem  Gesichtspunkt  aus  dürfte  die 
Mittheilung  der  nachfolgenden  drei  Urkunden  nicht  unwillkommen  sein.  Ich 
schrieb  sie  vor  mehrem  Jahrzehnten  im  Königlichen  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf 
ab,  Herr  Geheimrath  Dr.  Harless  daselbst  hatte  die  Güte,  die  Abschriften 
neuerdings  mit  den  Vorlagen  nochmals  vergleichen  zu  lassen.  Die  drei 
Urkunden  haben  für  die  Geschichte  Eschweilers  ein  besonderes  Interesse. 
Aus  der  ersten  von  ihnen  ersieht  man,  dass  die  Familie  von  Birgel  (von 
dem  gleichnamigen  Rittersitz  bei  Düren)  schon  lange  vor  dem  Ausstellungsjabr 
der  Urkunde,  1419,  den  Jülichschen  Besitz  im  Dingmal  und  Kirchspiel  Esch- 
weiler, darunter  auch  den  dortigen  Kohlberg,  pfandweise  innehatte.  Letzterer 
war  1394  vom  Herzog  Wilhelm  von  Geldern  und  Jülich  seiner  Mutter, 
der  Herzogin  Maria  von  Jülich,  als  Witthum  ausgesetzt  worden'.  Die 
zweite  Urkunde  betrifft  die  Ablösung  einer  Rente,  welche  zu  Gunsten  des 
Simon  von  Birgel  und  seiner  Gattin  Fritza  von  Turre  auf  dem  Mai-  und 
Herbstschatz  in  dem  Kirchspiel  Eschweiler  lastete.  Das  Datum  der  Urkunde 
(1424)  erweist  die  Angabe  Fahnes',  wonach  „Friderica  von  Thoren  1420 
imp.  gestorben**  sein  soll,  als  unrichtig.  Aus  der  dritten  Urkunde  endlich 
erfahren  wir,  dass  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  das  Kirchspiel  Eschweiler 
sich  eine  Zeitlang  im  Pfandbesitz  des  Landdrosten  Wilhelm  von  Nesselrode, 
Sohn  zum  Stein,  befand,  der  auf  dem  benachbarten  Bovenberg  seinen  Sitz 
hatte.  Ihm  war  durch  Heirath  der  Elisabeth  von  Birgel,  einer  Tochter  des 
Erbmarschalls  Engelbrecht  Nyt  von  Birgel,  nach  des  letztem  Tode  1480  dieses 
Ritterg^it,  sowie  das  Pfandrecht  an  dem  Hof  Schönforst  zu  Aachen  und  der 
Meyerei  daselbst  zugefallen^.  Mit  der  Verpfändung  Eschweilers,  welche 
schon  am  80.  April  1478,  als  Wilhelm  von  Nesselrode  noch  im  Brautstand 
war,  erfolgte*,  weil  die  der  Elisabeth  von  Birgel  als  Mitgift  bestimmten 
11000  rheinischen  Gulden  dem  Herzog  Wilhelm  von  Jülich-Berg  zu  Darlehn 
gegeben  und  auf  diese  Weise,  dem  geltenden  Rechte  gemäß,  sicher  angelegt 
worden,  war  selbstverständlich  auch  die  Strafgerichtsbarkeit  daselbst  in  die 
Hände  des  Landdrosten  gekommen.    Der  Herzog  Wilhelm   gestattete   ihm 


XLIY,  S.  247  ff.;  er  bringt  sie  ziemlich  zuversichtlich  mit  dem  dialektischen  Krai  =  Schrei, 
Buf  (krayen,  identisch  mit  dem  mhd.  krsejen  =  krähen,  schreien  wie  eine  Krähe, 
dialektisch  mit  der  verallgemeinerten  Bedentnng  von  schreien,  rufen  überhaupt)  in 
Verbindung  und  erblickt  in  den  betreffenden  Orten  nPimkte,  von  wo  aus  wichtige 
Nachrichten  durch  Rufe  oder  Schreien  mit  Instrumenten  der  Nachbarschaft  mit^theüt 
wurden".    D.  Bed. 

*)  Lacomblet,  Urkundenbuch  III,  Nr.  1000. 

*)  Fahne,  Geschichte  der  Kölnischen,  JtUichschen  und  Bergischen  Geschlechter 
I,  S.  35. 

*)  Strange,  Beiträge  zur  Genealogie  der  adligen  Geschlechter  YIU,  S.  11  und  77. 

*)  Strange  a,  a.  0.  Vm,  S.  12. 


Kleinere  Mittheilungen.  288 

1 497  durch  die  vorliegende  Urkunde,  da  es  in  Eschweiler  kein  eigenes  Gefäng- 
niss  gebe,  während  der  Dauer  der  Pfandschaft  die  Untersuchungs-  und  Straf- 
gefangenen nach  dem  Haus  Bovenberg  abführen  und  dort  einsperren  zu  lassen. 

1.  Die  Gebfüder  Frambach,  Simon  und  Balduin  von  Birgel  reversiren 
einen  mit  Johann  von  Loen,  Herrn  zu  Heinsberg,  Löwenberg  und  Gennep,  und 
dessen  drei  Söhnen  abgeschlossenen  Vertrag,  wonach  diese  sie  als  Dienstmannen 
annehmen  und  ihnen  für  den  Fall  einer  Erwerbung  des  Herzogthums  Jülich 
oder  des  Bisthums  Lüttich  die  Aufrechterhaltung  aller  ihrer  Ansprüche  und 
Rechte  in  dem  Dingmal  und  Kirchspiel  Eschweiler,  an  dem  dortigen  Kohlberg, 
in  dem  Amte  Nideggeti  und  Heimbach  sowie  zu  Dahlen  geloben,  —  1419, 

Wir  Frambach,  Symon  ind  Baldwin  van  Birgel,  gebroedere,  bekennen 
mit  dysme  breive,  dat  wir  overdragen  sin  mit  onsem  lieven  genedigen  heren 
ind  juncheren  hemae  geschreven,  so  wie  dys  breyf  van  worde  zu  worde  hemae 
geschreven  steit.  Wir  Johan  van  Loen,  here  zu  Heintzberch,  zu  Lewenberch 
ind  zu  Genpe,  ind  wir  Johan  van  Loen,  eiste  son  zu  Heintzberch,  Wilhelm  van 
Loen,  greve  zu  Blanckenheim,  ind  Johan  van  Loen,  proest  zu  Achen,  gebroedere, 
elige  soene  ons  lieven  heren  ind  vaders  hören  Johantz  van  Loen,  heren  zu 
Heintzberch,  zu  Lewenberch  ind  zu  Genpe  vurschreven,  bekennen,  dat  wir 
angesein  hau  redelicheit,  deinst,  truwe  ind  vruntschaf,  die  ons  Frambach 
ind  Symon  ind  Baldwin  van  Birgel,  gebroedere,  gedaen  hant  ind  dat  sy  ons 
dat  euch  naemacltz  truwelichen  doen  sullen,  so  wae  sy  mit  eren  mugen, 
ind  sin  darumb  mit  yn  overdragen,  dat  wir  sy  zu  onsen  dyeneren  ontfancgen 
han  ind  sullen  in  nu  vortan  goede  getruwe  heirschaf  syn  ind  sy  ind  ere 
Sachen  truwelich  vurderen,  wae  wir  kunnen,  ind  sullen  sy  ouch  mit  ganzen 
truwen  verantwerden  ind  verdengen,  so  wes  sy  gaentz  hant  of  krigen  mugen, 
des  sy  rechtz  ind  bescheitz  by  ons  bliven  woelden,  dae  wir  dat  mit  eren 
doen  mugen,  gelijch  of  geinge  ons  dat  selver  an,  ind  sunderlingen  dat  sy 
an  onsen  genedigen  heren  van  Lütge,  van  Brabant  ind  van  Gulche  ind  van 
Gelre  synre  huysvrauwen  onser  swegereu  ind  vrauwen  nu  is,  herworven 
hant  of  herwerven  mugen,  dae  sy  ere  breive  of  sigel  hant  of  krigen  mugen, 
des  en  sullen  wir  in  gein  wys  widder  sin,  dan  wir  sullen  in  truwelich  darzu 
helpen  ind  raeden  dat  zu  behalden.  Ind  ouch  bekennen  wir,  of  onser  einger 
vurschreven  umer  zu  den  lande  van  Gulche  kommen  künde  nae  ons  genedigen 
heren  dode  nu  is,  of  zu  deme  buschdum  van  Lütge,  dae  disse  vurschreven 
gebroedere  ouch  truwelich  zu  helpen  ind  raeden  sullen,  dae  sy  dat  mit  eren 
ind  bescheide  doen  mugen,  so  bekennen  wir,  dat  wir  bevondcn  ind  in  alden 
breiven  wale  gesein  han,  dat  herzogen  ind  greven  zu  Gulche  onse  alderen 
selich  vurzyden  versat  ind  verpant  hatten  allet,  dat  sy  in  dorne  dinkmaele 
ind  kirspel  van  Eschwylre  haven  moghten  mit  den  koelbergen,  hoe  ind 
nydder,  deyf  ind  dreige,  so  wie  man  dat  nennen  moghte,  neit  usgescheiden, 
vur  vunfdusent  mark  Coeltz  eintz  zu  bezalen,  ind  daeby  proeven  wir  wale, 
dat  Frambachs  vurschreven  vurwaren  van  den  onsen  vurschreven  vyl  dae 


I 


284  Kleinere  Mitliieilimgen. 

rerkortmoys  sin,  ind  daromb  geiven  wir  tut  ons  ind  tut  onse  erven  Fntmbad! 
ind  sinen  erren  dan  widder  ons  zu  gelden  ind  zu  beschadden  allet,  d&t  wir 
of  onser  einge  in  deme  yurschreyen  dinkmaele  ind  kirspel  van  BschTrylre 
krigen  of  haven  mngen,  neyt  nsgescheiden,  dat  man  noemen  mach,    ind  tut 
die  Turdchreven  snmma  van  vnnfdnsent  Coeltzen  marken  vurscbxeyen    eintz 
zu  bezalen,  ind  wanne  die  bezalnnge  ons  of  onser  eingene,  deme  dat  ^e- 
bürde,  geboeden  wurde,  so  sullon  wir  sy  neymen  ind  as  vort  latterljrcliea 
yerzyen  up  Eschwylre  mit  al  syme  zubehoir,  so  wie  dat  vur  genoympt  steit, 
ind  erven  Frambach  of  sine  erven  zu  ewigen  dagen  daran,  also  as  sych  dat 
mit  rechte  geboeren  sali,  dat  sy  des  wale  verwart  sin.   Ind  were  sache  dat 
Frambach  mit  onsme  lieven  oemen  ind  genedigen  heren  van  Qulche   na  js, 
overquerae  ind  yme  darumb  gelt  of  goet  geive,  des  me  were  dan  disse  vur- 
schreven  vunfdusent  mark,   wat  des   were,  also  vyl  sullen  wir   Frambach 
dan  zu  der  stunt,  als  dat  gescheit  were,  widdergeiven  ind  dat  gelt  sali  bie 
as  vort  beieigen  of  up  dat  sin  zu  redelicheit  bewysen,  also  dat  wir   der 
jaerrenten  gebruchen  mugen  als  lauge,  as  onse  oeme  ind  here  vnrschreTen       j 
leyft  ind  darachter  sali  sy  an  Frambach  ind  synen  erven  bliven,  sunder  alle 
argelyst  of  einge  inzuge.  Ouch  sullen  wir  deme  dat  gehurt,  Frambach  vnr- 
schreven  sin  leiven  lank  an  deme  ampte  van  Ny decken  laessen,   gelych  dat 
deme  marschalk  nu  ys  up  sin  lyf  verschreven  is,  ind  sullen  Symon   ouch 
Henbach  in  amptz  gewijse  sin  leven  verschreven  ind  laessen  mit  redelichen 
amptgelde,  als  dat  gewoenlich  is.  Ouch  so  sullen  wir  of  onser  ein,   die  an 
dat  lant  van  Gulche  kumpt,  Symon  ind  sin  wyf  by  sulger  heirlicheit,  renten 
ind  gülden,  as  sine  vurwaren  zu  Dalben  plagen  zu  han,  laessen,  so  wie  die 
scheffen  zu  Dalben  sinen  vurwaren  dae  bekant  hant  ind  des  einen  scheffen- 
breif  gegeven  hant,   it  en  were  dan  sache  dat  wir  bewysen  künden,   dat 
Symons  vurwaren  van  der  heirlicheit  gegulden  of  mynlich  gewyst  weren 
daeby  dat  Symon  ind  sin  wyf  ys  billich  untbeiren  soelden.   Ind  alle  vur- 
schreven   punten  ind   eyder  besunder   geloeven   wir  Johan   ind  Johan  ind 
Wilhelm  ind  Johan  vurgeschreven,  semenklich  ind  onser  eyder  besunder,  in 
goeden  truwen  ind  by  onser  eren  vast,  stede  ind  onverbruchlich  zu  halden, 
sunder  alle  argelyst.   Ind  han  ons  des  zu  overzugen  onser  eiklich  sin  sigel 
an  disse  geinwerdigen  breyf  doen  hangen,  die  gegeven  wart  doe  man  schreyf 
dusent  veirhundert  ind  nuyntzein  jaer.  Ind  alle  vurschreven  punten  van  ons 
gebroederen  vurschreven  geschreven  geloeven  wir  semenklich  ind  eyder  beaunder 
onsen  genedigen  heren  ind  juncheren  vurschreven  by  onsen  truwen  ind  eren 
vast  ind  stede  zu  halden,  sunder  alle  argelyst,  ind  ons  dys  zu  overzugen 
onser  eiklich  sin  segel  an  dissen  geinwerdigen  breif  doen  hancgen,  die  ge- 
geven wart  doe  man  schreyf  dusent  veirhundert  ind  nuynzein  jaer". 

Au3  dem  Original  im  Staatsarchiv  zu  Düaaddorf,  Von  den  angehängten 
vier  Siegdn  ist  eins  abgerissen,  zwei  sind  sehr  beschädigt,  das  vierte  zeigt  einen 
Querbalken  mit  drei  (2,1)  Löwen  und  die  Umschrift:  s.  frambach  va.  birgel. 

*)  Durch  Urkunde  vom  15.  Juni  (up  sent  Vitus  dach)  1425  verpflichtete  sieb  Johann 
von  Loen,  Herr  sa  Jülich,  Heinsberg  und  Löwenberg,  dem  Frambach  von  Bir^, 


Kleinere  Mittheilangen.  285 

2,  Simon  van  Birgtl  und  seine  Gemahlin  Friiza  von  Turre  beurkunden, 
Johann  von  Loen,  Herr  zu  JOlich,  Heinsberg  und  Löwenberg,  die  Jahr- 

T^^nte  von  60  rheinischen  Gulden,  wdehe  ihnen  aus  dem  Mai-  und  Herbstschatz 
cf  e8  Kirchspiels  Eschtoeiler  verschrieben  sei,  jederzeit  mit  600  rheinischen  Gulden 
€eölÖ8en  könne,  —  1424,  März  SO, 

Wir  Symon  van  Birgell  ind  Fritze  van  Turre,  sin  elige  huisfrauwe, 

lt>ekennen  ind  zngen  overmitz  diessen  offenen  bricf  vur  uns  ind  vur  unse 

erven,   also  as  die  hoegeboeren  unse  lieve   genedige  here  her  Johan  van 

X«oin,  here  zo  Guilghe,  zo  Heintzberg  ind  zo  Lewenberch,  uns  bewyst  heft 

alle  jaere  zo  meye  dryssich  Rynsche  gülden  ind  zo  herwest  dryssich  Rynsche 

g^den  zo  voeren  uys  synen  renten  ind  schetzoncgen,  die  he  heeft  ind  eme 

Tallen  in  den  kirsspel  van  Eschwilre  na  uyswysoncgen  alsulcher  briefe,  as 

wyr  darup  sprechende  han,  so  bekennen  wir,  dat  die  hoegeboeren  unse  lieve 

genedige  here  vurschreven,  syn  erven  ind  nakoemelincge  die  vurschreven  ses- 

zich  Kynsche  gülden  all  jair  ind  all  zyt,  wannen  sij   willen,  van  ons  ind 

van  onsen   erven  of  van  helder  der  vurgeroirten  briefe  mit  unsen   willen 

Widder  loesen  moigen  mit  sesshundert  gülden  swaere  overlentscher  Rynscher 

gülden  ind  mit  verlouffe  der  seeszich  Rynschen  gülden  na  der  zyt  dat  die 

loese  geschiede,  sonder  argelyst.    Ind  zo  eynen  reichte  gezuge  der  wairheit 

han  wir  Symon  ind  Fritza  van  Turre  vurschreven  vur  uns  ind  unse  erven 

ind  vur  helder  der  briefe  as  vurschreven  is  unse  siegel  an  diessen  brief  ge- 

hancgen.  Qegeven  in  den  jaeren  uns  heren,  doe  man  schreif  dusent  vierhundert 

ind  vierindzwentzich,  des  neisten  donresdages  na  uns  vrauwen  dage  annun- 

ciacionis. 

Aus  dem  Original  im   Staatsarchiv   zu   Düsseldorf,    Die  beiden  Siegel 
fehlen, 

3,  Wilhelm  von  Nesselrode,  Sohn  zum  Stein,  bekennt,  dass  der  Herzog 
Wilhelm  von  Jülich-Berg  ihm,  so  lange  er  das  Kirchspiel  Eschweiler  pfandweise 
innehabe,  wegen  Mangels  eines  Gefängnisses  an  diesem  Orte  gestattet  habe,  die 
Gefangenen  auf  dem  Hause  Bovenberg  unterzubringen,  —  1497,  November  22, 

Ich  Wilhem  van  Neaselraide,  son  zom  Steyne,  lantdroisten  des  lantz 
van  den  Berge,  dein  kunt,  so  as  ich  dat  dorp  Eschwylre  mit  syme  zobehore 
van  deme  durchluchtigen  hoegebomen  fursten  ind  heren  heren  Wilhem  her- 
zougen  zo  Guyige,  zo  dem  Berge  ind  greven  zo  Ravensberg  etc.,  myn  gnedigen 
ahreliefsten  heren,  innehain  luyde  synre  furstliger  gnaiden  verschryvonge 
davan  meldende,  ind  so  syne  fnrstligen  gnaden  bynnen  Eschwilre  geyn  ge- 
fenkniss  haven,  bekennen  ich  öffentlich  mit  desem  brieve  vur  mich  ind  myne 
erven,  dat  der  genante  myn  gnedige  here  van  genaiden  mir  vergont  halt. 


Erbmarscball  zu  Jülich,  und  G^hard  "900.  Hoemen,  Burggrafen  zu  OdenkircheUf  fUr 
„alsulch  gelt,  as  ay  up  des  Hersoo^  ^"^^If  ^^'^  IQme  zubehoere  hasnaf,  au&ukommen 
imd  speziell  den  Frambacb  von  TWm^  ■■"  "Rorderung  auf  seine  Beuten  und 

Gefillle  zu  Esohweiler  anzuweiMo.   Itf  ^biv  zu  Düsseldorf. 


286  Kleinere  Mittheilungen. 

dat  ich  ind  myne  erven,  dewyle  wir  Eschwylre  van  synre  furstliger  gr^^naidoL 
synre  gnaiden  erven  ind  nakomlingen  we  vurschreven  innehain,  de  g-eüang-ei. 
so  zp  Eschwylre  oeder  in  synre  gnaiden  zobehoere  daselfs  angegriffen  werde», 
in  myn  huyss  zn  Boevcnberg  doin  foeren  ind  alda  damit  doin  ind    handelet 
mögen  gelich  ind  in  alremaissen  of  yre  furstligen  gnaiden  gefenkniss   hyunec 
Eschwylre  hedden,  ind  asbalde  myn  gnedigen  alreliefsten  here  vurschreTec 
oeder  synre  furstliger  gnaiden  erven  ind  nakomlingen  Eschwylre   weder  zo 
yre  gnaiden  henden  krygen  werden,  asdan  so  en  sali  dat  gefenkniss    ind 
unthalt  zo  Boevenberg  wo  vurschreven  ouch  vurbass  nyt  me  geschien    ind 
sulchen  vurschreven  unse  gnedige  zolaiss  ind  verwilligonge  en   sali    synre 
gnaiden,   synre   gnaiden  erven   ind  nakomlingen   an  yre  furstliger   g^iades 
gerechticheit  nu  noch  in  zokoemen  zyden  geyn  afbruych  brengen  noch  hinder- 
lich oeder  letzlich  syn,   sonder  alle  argelist.   In  Urkunde  der  wairheit  hain 
ich  Wilhem  van  Nesselraide,  son  zom  Steyn,  lantdroisten  etc.  vurschreven, 
myn  siege!  vur  mich  ind  myne  erven  an  desen  brief  gehangen.  Der  gemalte 
myn  gnedige  alreliefsten  here  halt  mir  nu  up  deselve  maisse  vurschreven 
weder  eynen  brief,  darin  syn  furstligen  gnaiden  des  gnedigen  zolaiss   ind 
verwilligonge  we  vurschreven  bekennen  doin,  oevergeven.   Gegeven  in   den 
jairen    uns    heren    dusent   vierhundert    ind    seven   ind   nuynzich    uf    sent 
Cecilien  dach  der  hilligen  jonferen. 

Au8  dem  Original  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,    Das  Siegel  sehr  be- 
schädigt, 

Aachen,  R,  Pick, 

5.  Johann  von  Aachen. 

Johann  von  Aachen  (1552  ? — 1615)  hat  seinen  Namen  von  der  Stadt 
Aachen,   wo  sein  Vater  geboren  ward.    Köln   war  Johanns  QeburtsstÄtte. 
J.  SvÄtek  in  Prag  hat  kulturgeschichtliche  Bilder  Böhmens  1879  herausgegeben 
(Wien,  Braunmüller),  die  grosses  allgemeines  Interesse  haben,  wie  z.  B.  die  Ab- 
handlungen „Schiller  in  Böhmen**,  „Die  Rudolfsche  Kunstkammer  in  Prag".  Im 
letztern  Aufsatz  kommt  der  Verf.  auf  unsern  Johann  von  Aachen.  Während  der 
notorische  Betrüger  Kelley,  von  Rudolf  II.  geadelt,  mit  Glücksgütem  überhäuft 
ward,  hatte  Johann  von  Aachen  erst  nach  vielen  Jahren  einen  monatlichen 
Gehalt  von  25  Gulden,  und  doch  gehörte  er  neben  dem  Maler  Bartholomäus 
Spranger  zu  den  Lieblingen  Rudolfs,  so  dass  er  oft  seine  Staffelei  in  der  Nähe 
der  kaiserlichen  Gemächer  aufstellen  musste  oder  in  seiner  Wohnung  vom 
Kaiser  aufgesucht  wurde.  Diesem  Künstler  allein  ist  es  zu  danken,  dass  die 
Sammlungen  Rudolfs  eine  solche  Anzahl  von  echten  antiken  und  modernen 
Kunstwerken  aufzuweisen  hatten;  denn  auf  seinen  beiden  Reisen  nach  Italien, 
die  er  im  Auftrag  des  Kaisers  unternommen,  erwarb  er  Meisterwerke,  die 
heute  noch  die  Bewunderung  der  gebildeten  Welt  erregen.  Unter  ihnen  befand 
sich  auch  die  berühmte  Statue  des  Niobiden  Ilioneus,  die  gegenwärtig  zn  den 
ersten  Zierden  der  Münchener  Glyptothek  zählt.   Johann  von  Aachen  erspähte 


Kleinere  Mittheilangen.  287 

dieses     ausgezeichnete   Kunstwerk    des    Griechen   Skopas    im   Laden    eines 

Jüdischen  Antiquars  zu  Rom,  der  dessen  hohen  Werth  jedenfalls  zu  schätzen 

^wTLSste,    denn  der  Agent   des  Kaisers   musste  es  mit  22000  (nach  andern 

34000)  Dukaten  erkaufen.    Damals  war  das  Bildwerk  noch  kein  Torso  wie 

jetzt;    wahrscheinlich   wurde  es  in  Prag  verstümmelt.    Durch  Johann  von 

Aachen  gelangten  die  meisten  Titians,  Rafaels,  Correggios  auf  den  Hradschin. 

Der  Kaiser  gewährte  ihm  unbeschränkten  Kredit. 

Soviel  aus  einem  Buche,  das  unsere  Leser  nicht  nach  Belieben  nach- 
schlagen können.  Ob  das  Obige  auch  sonst  bekannt  ist,  weiss  ich  nicht,  ist 
mir  auch  gleichgültig.  Ich  wollte  beim  Lesen  des  Schiller-Artikels  aus  dem 
folgenden  Aufsatz  Einiges  für  weitere  Kreise  ausztiglich  mittheilen. 

Bonn.  A.  Birlinger, 


6.  Der  Grabstein  Stephans  von  Werth,  eines  Bruders 
des  Feldmarschalls  Jan  von  Werth. 

An  den  Wänden  des  Kreuzgangs  der  frühern  Abtei,  des  jetzigen  Jagd- 
schlosses Bebenhausen  bei  Tübingen,  sind  die  Grabsteine,  welche  früher  den 
Boden  des  Kreuzgangs  deckten,  seit  Wiederherstellung  der  alten  Kloster- 
räume pietätvoll  aufgerichtet  und  dadurch  für  die  Nachwelt  gerettet  worden. 
Unter  ihnen  befindet  sich  auch  der  Grabstein  des  kurbaierischen  Rittmeisters 
Stephan  von  Werth,  Bruders  des  berühmten  Reitergenerals.  Stephan  hatte 
am  30.  Januar  1643  bei  einem  Ueberfall  in  der  Nähe  von  Heppach  im 
Baierischen  sein  Leben  verloren  und  wurde  in  Bebenhausen  beigesetzt. 

Der  gut  erhaltene  Grabstein  zeigt  oben  das  Werthsche  Stammwappen, 
nämlich  in  einem  damascirten  Schild   einen  Mühlstein,   in  den  Ecken  des 
Schilds  von  je  einem  Mühleisen  (Hausanker)  begleitet.    Der  gekrönte  Helm 
trägt  eine  Mohrenfigur  ohne  Arme  mit  abiliegendem  Stirnband,    zwischen 
offenem  Flug.    Letzterer  zeigt  Mühlstein   und  Mühleisen   wie  der  Schild. 
Die  Inschrift  des  Steins  lautet:    „Anno  1643  den  30.  Januarii  als  der  Rom. 
Kais.  Maj.  auch  churfuerst.  Durchleucht  in  Bayern  gen.  veltmarschallieutenant 
Johan  Freiherr  von  Wehrt  dem  Feindt  zu  Imdesslbach  eingefallen  ist  .  .  .* 
vielgeliebter  Herr  Bruder,  der  wohledle  und  gestrenge  Herr  Stephan  v.  Wehrt 
Rittmeister  ....  an  zween  Schüssen  ....  todt  bliben  und  ....  begraben.** 
Dieser  Grabstein  ist  von  grosser  Wichtigkeit,   weil  er  das  Familien- 
wappen der  von  Werth  nachweist.    Es  findet  sich  auch  in  Verbindung  mit 
dem  Wappen   der  Familie  Römer   auf  einem  Grabstein   in  der  Kirche  zu 
Aldenhoven   bei  Jülich.    Peter   von  Werth,    Johanns   und   der   Sibilla   von 
Qressenich  Sohn,  kaiserlicher  Oberstlieutenant,   war  nämlich  seit  1614  mit 
Christina  Römer,  Tochter  des  Peter  Römer,  Schultheissen  von  Aldenhoven, 
vermählt  und  hatte  zwei  Söhne,  Peter  und  Hans  Adam  von  Werth,  welcher 


')  Die  punktirten  Stellen  zeigen  onleserliclie  Buchstaben. 


28B  Kleinere  Mittheilangen. 

letztere  kaiserlicher  Oberstlieutenant  war.  Das  Werthsche  Stammi^appei 
mit  etwas  veränderter  Helmzier  bildet  auch  im  Wappen  des  Reichsfreihem- 
Diploms  Johanns  von  Werth  das  1.  bezw.  4.  Feld  des  gevierteten  Schilik 
jedoch  ist  aus  dem  Mühlrad  ein  Bing  geworden.  Im  Reichsfreihemi-I>iplGE 
der  Eaitz  von  Frentz  wird  fölschlich  der  Herzschild  des  freiherrlich  t® 
Werthschen  Wappens,  welcher  einen  Löwen  zeigt,  als  Stammwappen  de 
Werth  bezeichnet.  Durch  diesen  Irrthum  der  kaiserlichen  Kanzlei  ist  di» 
alte  Werthsche  Stammwappen  nicht  in  das  freiherrlich  von  Frentzsch^ 
Wappen  übergegangen. 

Die  Familie  des  Beitergenerals   stammte   aus  dem  Jülichscheu    Amt 
Aldenhoven  und  war  in  Puffendorf  längere  Zeit  angesessen.    Ein  Original- 
verzeichniss  der  Lehen  und  Freigüter  des  Amts  Aldenhoven  aus  dem  Ende 
des  16.  Jahrhunderts'  enthält  folgende  Eintragung:  „Item  Bütger  von  Wiertfc 
sambt  seinen  miterben  haben  ein  frei  gut  zu  Puffendorf,   welches  ihre  vur- 
alderen   mit  pferdt  und   harnisch  jederzeit   bedient,   und   seind   gemeldter 
Bütger  und  seine  miterben  desselbige  uf  ersuchen  mit  pferdt  und  hämisch 
zu  bedienen  gutwillig."    Dieser  Bütger  von  Wierth  wird  der  Bruder  des 
Generals  gewesen  sein,  der,  wie  Ennen  nachgewiesen  hat',   auch  Werth 
von  Puffendorf  hiess.    Vielleicht  gehört  auch  der  Johann  van  Werde,  welcher 
1449  für   seine,  seiner  Frau  und  ihrer  beiderseitigen  Vorfahren  Seelenruhe 
eine  Messestiftung  in  der  Kirche  zu  Dürwiss  mit  Zustimmung  seines  Neffen 
Damian.  von  Broich  und  seines   Schwagers  Gerhard  von  Gevenich  machte  ^ 
der  Familie  des  Generals  an,  da  Dürwiss  unweit  Aldenhoven  und  Paffen- 
dorf liegt. 

Ein  Buch  des  17.  Jahrhunderts  im  Archiv  zu  Harff  enthält  auf  der  Innern 
Seite  des  Einbanddeckels  das  Chroniken:  pVer  loannes  De  Werth  natVs 
seXta  Mensis  aprILIs  Vesperl.  Ob  sich  diese  das  Jahr  1590  ergebende 
Inschrift  auf  den  berühmten  Jan  bezieht?    Man  möchte  es  fast  annehmen. 

Coblenz,  E,  von  Oidtman, 

7.  Zum  Leben  des  Aachener  Geschichtschreibers 
Karl  Franz  Meyer  des  Aeltern. 

Der  früher  in  der  hiesigen  Stadtbibliothek,  jetzt  im  städtischen  Archiv 
aufbewahrten  Handschrift  des  1781  gedruckten  ersten  Bands  der  „Aacheoschen 
Geschichten**  von  Karl  Franz  Meyer  (dem  Aeltern),  einem  mächtigen  Folio- 
band von  1959  Seiten,  hat  der  Sohn  und  Amtsnachfolger  des  Verfassers,  der 
Aachener  Stadtarchivar  Karl  Franz  Meyer  der  Jüngere  (t  1821),  auf  einem 
Vorsatzblatt  eine  kurze  Biographie  seines  Vaters  beigefügt,  welche  die  bisher 


*)  Im  Archiv  eu  Harff. 

^  Belletristische  Beilagen  zu  den  Kölnischen  Blättern  1867  und  Kölner  Nach- 
riohten,  Jahrg.  1872  und  1878. 

*)  Urkunde  abgedruckt  in  den  Beiträgen  cur  Qesoh.  von  Eschweiler  und  Um* 
gegend  I,  S.  81  f. 


Kleinere  Mittheilungen.  289 

l>ekaimten  Nachrichten  über  das  Leben  dieses  Mannes  (vgl.  Fr.  Haagen  in 

der  Allgemeinen  Deutschen  Biognraphie  XXI,  S.  605  ff.)  erheblich  vermehrt 

und  insbesondere  auch  über  seine  Jugendjahre  interessanten  Aufschluss  gibt. 

A.ls  Motto  sind  diesen  Aufzeichnungen  die  Worte  des  Justus  Lipsius  (in  vit. 

Senec.)  ^ Virorum  illustrium  vitam  prodere  vetus  institutum  est*  übergeschrieben 

ujid   zu  Ende  am  Rande  die  auf  den  Schreiber  der  Biographie  bezügliche 

^otiz  „Vi  clementissimi  diplomatis  de  28.  Novembris  1817   regia  maiestas 

Sorussiae  praedicatum  cousiliarii  aulici  mihi  gratiosissime  largirl  dlgnata  est** 

zugesetzt,    üeber  die  literarische  Thätigkeit  des  altem  Meyer  hat  Haagen 

a.   a.  0.  ausführlich,  wenn  auch  nicht  in  allen  Punkten  richtig  gehandelt. 

Hingewiesen  sei    hier  nur  noch  auf   eine  Nachricht  Ph.  W.  Gerekens 

(Keisen  durch  Schwaben  u.  s.  w.  III,  S.  243),  der  bei  seiner  Anwesenheit 

in  Aachen  ums  Jahr  1780  auch  Meyer  besuchte  und  von  seinen  Arbeiten 

[Einsicht  nahm.    Die  erwähnte  Biographie  lautet: 

Carolus  Franciscus  Meyer  natus  Aquisgrani  vigesima  sexta  Mail,  anno 
millesimo  septingentesimo  vigesimo  octayo,  filius  Romano-catholicorum  paren- 
tum  ac  coniugum  Joannis  Meyer  et  Mariae  Agnetis  Körver.  Postquam 
inferiora  et  Studium  philosophiae  in  gymnasio  Aquisgranensi  absolverat, 
ordlnem  reyerendorum  patrum  de  monte  Carmelo  1746  Coloniae  ingreditur; 
sed  a  patre  magistro  novitiorum  istius  ordinis  sub  yelamento  obedientiae 
et  quidem  monachorum  more  dure  tractatus,  currente  adhuc  novitiatus  anno, 
ad  familiam  suam  Aquisgranum  rediit.  Deinde  se  praxi  notariatus  nee  non 
legibus  Bomanis  et  statutis  patriae  impendens  in  notarium  caesareum  et 
procuratorem  senatus  Aquisgranensis  promotus '  cum  Joanna  Maria  Faucken, 
lanae  et  vini  mercatoris  Aquisgranensis  filia,  matrimonium  contraxit.  Anno 
1780  a  senatu  Aquisgranensi  qua  archivarius'  et   1782  qua   secretarius' 


*)  Seine  erste  geriohtliohe  Thätigkeit  in  Aachen  entfaltete  Meyer,  wie  es  scheint, 
am  Lehngerioht  des  sog-  Schleidener  Lehns.  Das  im  Stadtarchiv  aufbewahrte  „MUhlen- 
register"  von  1754  vermerkt  nämlich  S.  18 :  „1755,  den  29.  Octobris  juraverunt  magistri 
Franoisons  Pedder  et  Carolus  Franciscus  Meyer  qua  procuratores  htgus  ouriae  feu- 
dalis  ad  manus  des  herm  lehenverwalters.** 

«)  Nach  den  Eathsprotokollen  der  Stadt  Aachen,  Bd.  XXXn,  Bl.  290  v.  wurde 
Meyer  am  10.  November  1780  das  Prädikat  „eines  Archivarii  dieser  Stadt"  (Arohivarius 
titolaris),  jedoch  ohne  Besoldung  beigelegt. 

>)  Das  im  Stadtarchiv  zu  Aachen  befindliche  „Juramentorum  oder  Aydt  protho- 
collum"  vermerkt  unter  dem  „Copysten  aydt"  fol.  5:  „1782  den  Sten  Decembris  juravit 
herr  secretarius  Carl  Franz  Meyer  obigen  aydt  ad  manus  herren  burgermeister  Dauven 
sub  dispensatione  quoad  horam  et  tempus."  Der  Eid  hatte  folgenden  Wortlaut:  „Ihr 
solt  globen  und  schweren  einen  aydt  zu  godt  und  seinen  lieben  heyligen,  den  herren 
burgermeisteren  und  rahtt  dießer  stadt  getreu  und  gehorsamb  zu  sein,  ihr  bestes  zu 
forderen  und  ärgst  zu  warnen,  den  mündlichen  verhoers-secretarial-dienst  mit  proto- 
colliren,  schreiben,  ingroßiren  und  copyren,  und  was  demselben  femer  obligt  mit  ganzen 
fleiB  und  nach  euerem  besten  vermögen  getreulich  verwalten,  die  ahn  ihre  kayßerliche 
mayestät,  ohurfursten  und  stände  deß  heyligen  reichß  und  waß  sonsten  von  einem  ehr- 
baren rahtt  einiger  weiß  tmter  der  stadt  insiegell  vor  schreiben  anßgefertiget  werden, 
forderlich  in  daß  missival  oop3rren  und  ediotal-buch  unverändert  einschreiben,  auch 
nichts  ohne  erlaubnuß  der  herren  burgermeisteren  oder  zum  wenigsten  mit  votmi$eai 
eines  rahts  syndici  oder  seoretcuij  mit  euch  von  der  canzleyen  nach 
schreiben  noch  iomandt  mittheileu  oder  mundtlich  eröffiaen,   und 


290  Kleinere  Mittheilnngen. 

electns.  Hie  vir  eruditns  et  praesertim  in  studio  diplomatico  insignis  < 
anthor  Historiae  Aqnisgranensis  anno  1781  Mulhemii  ad  Rhenlun  in  fo])« 
impressae  \  cui  immenso  labori  solus  per  viginti  quinqne  annos  ex  proprio  nKrti 
et  vero  amore  patriae  insudavit.  Praeterea  doetissimas  dissertationes  tu 
inris  pnblici  Aquisgranensis  quam  locorum  adiacentinm  confedt.  PostioK- 
studendo  et  variis  morbomm  accidentiis  valde  debilitatns,  appropinquante  U 
urbem  Aquisgranensem  exercitu  Gallico,  anno  1794  ad  periUnstrem  et 
celeberrimam  sacri  Romani  imperii  abbatiam  Werdinensem  ad  Raram  etii- 
gravit.  Ibidem  optime  receptas  et  per  septem  menses  morbo  cohübw 
detentas  tandem  apoplexia  tactns  et  sacrosanetae  ecclesiae  sacramentb 
saepias  praemunitus  septima  Aprilis,  anno  millesimo  septingentesimo  nona- 
gesimo  qninto,  oxore  sua  memorata,  matre  mea  dilectissima,  et  qnatner 
prolibns  relictis,  anno  aetatis  sexagesimo  septimo  animam  creatori  sb« 
reddidit  et  in  ecclesia  praelaudatae  abbatiae  sepultus '.  Praesentes  pIuriniiiBi 
venerandi  patris  sui  cineribus  dedicavit  et  posteritati  tradidit  Aquisgrani 
hac  prima  Julii  1803  filius  unicns  et  devotns 

Carolus  Franciscus  Meyer, 
archivarius  urbis  Aqnisgranensis. 

Attchen,  B,  Pick, 


lierren  burgermeistere  und  rahtt  befehlen,  alßpaldt  inß  werk  richten,  su  somxnersBexteii 
deß  moi^ens  um  8,  im  winter  zu  9  obren  und  daß  ganze  jähr  auf  den  naohmitta^  nmb 
die  2  nhren  euch  auf  der  canzleyen  einstellen  und  waß  ihr  auf  der  canzleyen  and 
rabtthauß  von  geheimen  Sachen  erfahren  und  vernehmen  möget,  daßelbe  versch^ireig«t 
und  in  geheimb  haltet,  ohne  argelist."* 

*)  Der  Aachener  Magistrat  scheint  die  Druckkosten  dieses  Werks  bestritten  so 
haben,  da  es,  worauf  Herr  Apotheker  Pauls  zu  Bedburg  mich  gütigst  aufmerksam 
machte,  in  den  1786  zu  Amsterdam  erschienenen  „Lettres  sur  la  ville  et  las  e«ox 
d'Aix-la-ChapeUe"  p.  6  heisst:  „Lliistoire  de  la  ville  a  6t6  trait^e  en  Allemand,  en.  deox 
volumes  in-folio,  par  M.  Charles-Francois  Meyer,  conseiller-söcretaire  et  arohiviste  de 
la  ville.  Messieurs  les  magistrats  s'6tant  charg^  de  l'impression,  cette  faveur  atteste 
la  bontö  de  Touvrage." 

s)  Yermutblioh  wurde  Meyer  zur  Wahl  seines  Aufenthalts  in  Werden  bewogen, 
weü  hier  ein  Verwandter,  wie  es  scheint,  Franz  Karl  Ludwig  Meyer,  Mitglied  der 
Abtei  war.  Letzterer  gab  im  Jahre  1818  (bei  G.  D.  Bädeker  in  Essen)  einen  fast  ver> 
schoUenen  Führer  durch  ^Aachen  und  seine  Umgebungen"  (63  SS.  kL  SP)  mit  ein«r 
topographischen  Karte  und  1836  (zu  Düsseldorf  gedruckt  bei  J.  Wolf)  eine  grössere 
Schrift  „Werden  und  Helmsttttit  ehemaligen  Kaiserlichen,  freien  und  unmittelbar 
exempten  Abteien"  (126  SS.  8P)  mit  dem  Büdniss  Karls  d.  Gr.  heraus.  Gleichzeitig  mit 
dem  letzten  Abt  von  Werden,  Beda,  oder,  wie  er  mit  seinem  weltlichen  Namen  hie«s, 
Komelius  Savels,  einem  geborenen  Aachener,  hatte  er  am  8.  Juni  1774  das  Ordenskleid 
angelegt.  Ein  bis  in  die  letzten  Zeiten  im  Besitz  der  Abtei  Werden  befindliches  lebens- 
grosses  Bild  Karls  d.  Gr.,  das.  eine  alte  Sage  Titian  zuschreibt,  steigerte  er  an  und 
schenkte  es  nach  Aachen,  wo  es  zunächst  in  dem  Kabinet  des  Hofraths  K.  F.  Meyer 
Aufstellung  fand  und  später  an  die  Stadt  aufs  Rathhaus  gelangte.  (F.  K.  L.  Meyer, 
Werden  und  Helmstädt  S.  6  und  108;  Aachen  und  seine  Umgebungen  S.  7.)  Ob  der 
Archivar  Meyer  in  der  Abteikirche  zu  Werden  ein  Grabdenkmal  erhielt,  war  bisher 
nicht  zu  ermitteln.  Unter  den  jetzt  an  den  Wänden  dieser  Kirche  angebrachten 
Leichensteinen  befindet  sich,  wie  Herr  Pfarrer  Gisbertz  zu  Werden  mir  firenndlichgt 
mittheüte,  keiner,  der  seinen  Namen  trägt 


Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins  1888/89. 

Die  erste  Monatsversammlung  nach  Veröfifentlichung  des  letzten  Berichts 
über  die  Vereinsangelegenheiten  (vgl.  diese  Zeitschrift  X,  S.  270  ff.)  fand  statt 
am  21.  Dezember  1888  anter  der  Leitung  des  Herrn  Stadtarchivars  Pick,  welcher 
zunächst  auf  die  kurz  vorher  erfolgte  Blosslegung  eines  Stückes  römischer 
Wasserleitung  im  Hof  der  Burtscheider  Gasanstalt  und  auf  den  Zusammen- 
hang dieses  Fundes  mit  altem  hinwies.    Seinem  Vorschlag  entsprechend, 
wurde  aus  den  Herren  Dr.  Kelleter,  Kaplan  Schnock,   Dr.  Wieth  und  Dr. 
Wings  eine  Kommission  gebildet,  um  die  genauere  Untersuchung  in  die  Hand 
zu  nehmen.  Herr  Pick  legte  sodann  mehrere  Abdrücke  von  Aachener  Stadt- 
siegeln  vor,  unter  andern  das  sehr  schön  ausgeführte,  welches  Napoleon  durch 
Urkunde  vom  6.  Juni  1811   von  St.  Cloud  aus  der  zu  den   „bonnes  villes** 
gehörenden  Stadt  Aachen  verlieh.    Zwei  in  der  Komeliusstrasse  gefundene 
Töpfchen  des  16.  Jahrhunderts  wurden  gezeigt  und  besprochen.  Anknüpfend 
an  ein  von  Wackemagel  veröffentlichtes,  den  Kaiser  Maximilian  zum  Kampf 
gegen  die  Türken  aufforderndes  Gedicht,  entwickelte  Herr  Realgymnasiallehrer 
Dr.  Greve  das  im  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  aufgekommene  Quatemionen- 
System  des  heiligen  römischen  Kelchs  deutscher  Nation,  in  welchem  Aachen 
als  erste  der  „vier  Städte**   figurirt.    Herr  Kaplan  Schnock  besprach  die 
Aachener  Junkheitsmünzen  und  eine  Schönforstcr  Münze,  Herr  Dr.  Kelleter, 
mit  Benutzung  eines  Schriftstücks  von  1608,  die  Glocken  der  Burtscheider 
St.  Michaelskirche.    Eine    dieser   Glocken    ist  durch  Gregorius  von   Trier 
gegossen.    Dieser   Umstand  veranlasste  Herrn  Stadtarchivar  Pick  zu  ein- 
gehenden, meist  bisher  unbenutzten  Archivalien  entnommeneu  Mittheilungen 
über  die  bekannte  Giesserfamilie,  der  auch  jener  Meister  angehört.    Herr 
Kaplan  Schnock  erörterte  noch  die  Verhält Disse  der  Burtscheider  Pannhäuser 
und  schliesslich  machte  Herr  Pick  aufmerksam  auf  die  Aachener  Sage,  wonach 
ein  gegen  das  Sanctissimum  unehrerbietig  handelnder  vornehmer  Mann  mit 
seiner  Kutsche  in  der  Aldegundisstrasse  (jetzt  Ursulinerstrasse)  von  dem 
sich  öffnenden  Boden  verschlungen  wurde.    Dieselbe  Erzählung  kommt  auch 
in  rheinischen  und  in  holländischen  Städten  vor. 

In  der  zweiten,  unter  dem  Vorsitz  des  Herrn  Stadtdechanten  Planker  am 
18.  Januar  1889  abgehaltenen  Versammlung  erstattete  Herr  Gymnasiallehrer 
Dr.  Wieth  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  am  21.  Dezember  eingesetzten 
Kommission,  welche  unterdessen  Feststellungen  über  die  in  der  Burtscheider 
Gasanstalt  gefundene  römische   Wasserleitung,    insbesondere  die  nöthigen 

19* 


J 


292  Chronik  des  Aachener  Greschichtsvereins  1888/89. 

Messungen  vorgenommen  und  photographische  Aufnahmen  veranlasst  ham. 
Herr  Stadtarchivar  Pick  ergänzte  diesen  Bericht  noch  durch  Mi^theiliiBgea 
über  die  im  Ganzen  glücklich  gelungene  Aushebung  eines  fast  zwei  Meus 
langen,  mit  dem  zugehörigen  Mauerwerk  50—60  Centner  wiegenden  Tbcsb 
der  Leitung  und  dessen  Ueberführung  in  das  Suermondt-Musenm.  Dem  vn 
der  Versammlung  geäusserten  Wunsch,  dass  die  Nachrichten  über  diese 
Wasserleitung  in  die  Vereinszeitschrift  aufgenommen  werden  möchten,  is 
durch  den  Abdruck  einer  Abhandlung  des  Herrn  Pick  und  des  auf  einei 
Plan  gestützten  Berichts  des  Herrn  Direktor  Siedamgrotzky  auf  Seite  272  tL 
dieses  Bands  entsprochen  worden.  Herr  cand.  phil.  Kelleter  hielt  ein» 
Vortrag  über  Aachener  Dialektforschung,  in  welchem  er,  nach  Aa&ählnn^ 
der  wichtigsten  zur  Verfügung  stehenden  Sammlungen  einheimischer  Spradi- 
denkmäler  und  Hervorhebung  der  grossen  durch  eine  anscheinend  ganz 
verworrene  Schreibweise  verursachten  Schwierigkeiten,  den  Vokalismas  der 
Aachener  Mundart  schilderte,  der  von  der  Neigung  beherrscht  sei,  aUe 
Vokale  und  Diphthonge  zu  verdunkeln.  Im  Verlauf  seiner  durch  reiche 
Beispiele  erläuterten  Darlegung  machte  Herr  Kelleter  darauf  aufmerksam,  dass 
noch  bis  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  das  Aachener  Plattdeutsch  genau 
so  ausgesprochen  wurde,  wie  im  15.  und  16.  Jahrhundert,  und  legte  die 
Gründe  dieser  Erscheinung  dar.  Es  folgten  noch  Mittheilungen  des  Herni 
Pick  über  alte  Namen  von  Aachener  Häusern,  sowie  eine  lebhafte  Verhandlung 
über  die  Entstehung  des  Strassennamens  „Karlsgraben**  und  über  die  durch 
wiederholte  Auffindung  grösserer  Knochenmassen  anscheinend  nahegelegte 
Benutzung  eines  Theüs  des  L5hergrabens  als  Schindanger. 

Die  durch  den  Vorsitzenden  des  Vereins  geleitete  Versammlung  vom 

14.  März  1889  eröffnete  Herr  Pschmadt,  Lehrer  an  der  Vorschule  des  Real- 
gymnasiums, durch  einen  eingehenden  Vortrag  über  die  Aachener  Revolution 
vom  Jahre  1880,  welcher  unterdessen  in  dem  Aachener  St.  Josephs-Kalender 
für  1890  erschienen  ist.  Herr  cand.  phil.  Kelleter  setzte  seine  Mittheilungen 
über  Aachener  Dialektverhältnisse  fort  und  erklärte  unter  Anführung  zahl- 
reicher Beispiele  viele  lautliche  Erscheinungen,  welche  sonst  meist  als  Diphthon- 
girungen  angesehen  werden,  für  Vokaldehnungen.  Herr  GFeheimrath  Loerscb 
gab  einige  Nachrichten  über  das  nach  der  Stadt  Brüssel  benannte  Haus, 
welches  seit  dem  14.  Jahrhundert,  vielleicht  schon  länger,  den  Aachener 
Schöffen  als  Versammlungshaus  für  gewisse  amtliche,  mehr  aber  noch  für 
korporative  und  gesellige  Zwecke  diente,  über  dessen  Schicksal  seit  dem 

15.  Jahrhundert   Nachrichten    fehlen    und    dessen    Lage   noch   völlig   un- 
sicher ist. 

Seit  dem  1.  Dezember  1888  ist  die  Zahl  der  Mitglieder  des  Aachener 
Geschichtsvereins  wiederum  gewachsen.  Von  636,  welche  der  Verein  an 
jenem  Tage  zählte,  sind  bis  zum  1.  Dezember  1889  4  gestorben  und  18 
ausgetreten;  bis  zum  letztgedachten  Tage  sind  aber  neu  beigetreten  88,  so 
dass  die  Gesammtzahl  nunmehr  652  beträgt.  Postkarten  mit  kurzen  Angaben 
über  den  Zweck  des  Vereins  und  Aufforderung  zum  Beitritt  stehen,  wie 


Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereind  1888/89.  293 

bisher,  jedem  Vereinsmitglied,  das  sich  für  die  dringend  noth  wendige  Yer- 
mehmng  der  Mitgliederzahl  bemühen  will,  beim  Vorstand  zur  Verfügung. 
Auch  die  Zahl  der  Vereine,  Gesellschaften,  Institute  und  Bedaktionen, 
gegen  deren  Publikationen  der  Verein  die  seinigen  austauscht,  hat  sich 
vergrössert  und  beträgt  nunmehr  160.  Seit  dem  Druck  des  letzten  Jahres- 
berichts sind  diesem  Tauschverkehr  neu  beigetreten: 

1.  Soci6t6  d'archöologie  in  Brüssel. 

2.  Litterarische  Gesellschaft  in  Fellin. 

8.  Geographische  Gesellschaft  in  Greifswald. 

4.  Musealverein  für  Krain  in  Laibach. 

5.  Friesch  Genootschap  van  Geschied-,    Oudheid-    en   Taalkunde   in 
Leeuwarden. 

6.  Gesellschaft    für  lothringische  Geschichte  und  Altertumskunde  in 
Metz. 

7.  Münchener  Alterthumsverein  in  München. 

8.  Bedaktion  des  Polybiblion  in  Paris. 

9.  American  Philosophical  Society  in  Philadelphia. 

10.  Altmärkischer  Verein  für  vaterländische  Geschichte  und  Industrio 
in  SalzwedeL 

11.  Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte  und  Alterthumskunde  in 
Stettin. 

12.  Nordisches  Museum  in  Stockholm. 

18.  Smithsonian  Institution  in  Washington. 

Den  Satzungen  entsprechend  sind  der  Stadtbibliothek  und  der  Hand- 
bibliothek des  Stadtarchivs  die  durch  Tausch  an  den  Verein  gelangten  zahl- 
reichen und  werthvoUen  Bücher  und  Zeitschriften  überwiesen  worden. 

Dem  hochverdienten  Präsidenten  des  Vereins  von  Alterthumsfireunden 
im  Bheinlande,  Herrn  Geheimen  Medizinalrath  Professor  Dr.  Hermann  Schaaff- 
hausen  zu  Bonn,  welcher  am  31.  August  1889  sein  fünfzigjähriges  Doktor- 
jubiiäum  feierte,  hat  der  Vorstand  an  diesem  Tage  durch  ein  Schreiben 
aufrichtige  und  warme  Glückwünsche  dargebracht. 

Die  jährliche  Generalversammlung  ist  am  14.  Oktober  1889,  Abends 
6  Uhr,  im  städtischen  Kurhaus  abgehalten  worden.  Der  Vorsitzende,  Herr 
(Geheimer  Justizrath  Professor  Dr.  Loersch,  rief  zunächst  die  Thatsache  in 
die  Erinnerung  der  Anwesenden  zurück,  dass  am  27.  Mai  1879  die  Versamm- 
lung stattgefunden  habe,  in  welcher  der  Verein  sich  konstituirte,  die  ersten 
Statuten  festsetzte  und  den  ersten  Vorstand  wählte,  dass  somit  der  Aachener 
Geschieh ts verein  die  ersten  zehn  Jahre  seiner  Thätigkeit  zurückgelegt  und 
damit  den  Beweis  seiner  Lebensfähigkeit  wie  der  Berechtigung  seiner  Existenz 
erbracht  habe.  Der  kurze  Bückblick  auf  die  Entwicklung  und  Wirksamkeit 
des- Vereins,  der  sich  diesem  Hinweis  anschloss,  möge  auch  hier  eine  Stelle 
finden. 

Unter  den  glücklichsten  Umständen  ist  der  Verein  ins  Leben  getreten. 
Er  hat  Alfred  von  Beumont  Jahre  lang  als  ersten  Präsidenten  an  seiner 


294  Chronik  des  Aachener  Geschiohtsyereiiis  1888/89. 

Spitze  gesehen,  einen  Gelehrten  von  europäischem  Buf,  der  die  wissenaehrnft- 
liehe  Haitang  der  neuen  Vereinigung  von  vornherein  bestimmte  nnd  ihr 
Ansehen  weithin  begründete.  Die  Zahl  der  Mitglieder  war  von  AnfMig  an 
eine  überraschend  grosse,  und  überstieg  die  der  Mehrzahl  aller  Shnlicha 
Vereine.  Es  war  vorauszusehen,  dass  sie  zunächst  nicht  auf  gleicher  Höhe 
erhalten  bleiben  könne,  und  so  ist  sie  denn  auch  allmählieh  von  782  im  Jahre 
1879  auf  640  gesunken.  Vom  Anfang  des  Jahres  1886  an  ist  es  aber  den 
energischen  Bemühungen  des  Vorstands  und  mancher  eifrigen  Mit^eder 
gelungen,  wieder  ein  stetiges  Wachsen,  das  jetzt  noch  fortdauert,  herbei- 
zuführen. 

Die  Erfahrungen  der  ersten  sieben  Jahre  brachten  Belehrung  über 
gewisse  Mängel  der  ursprünglichen  Verfassung  und  Organisation  des  Vereins, 
welche  seiner  Thätigkeit  wie  der  Lösung  einzelner  in  seinen  Bereich  fallenden 
Aufgaben  mehrfach  hemmend  entgegentraten.  Das  veranlasste  einen  durch 
Herrn  Stadtarchivar  Pick  in  der  Generalversammlung  vom  18.  Oktober  1886 
gestellten  und  von  der  Versammlung  angenommenen  Antrag  auf  Einsetzong 
einer  Kommission  zur  Prüfung  der  Statuten  (vgl.  diese  Zeitschrift  VUL, 
S.  322).  Die  Kommission  unterzog,  dem  ihr  gewordenen  Auftrag  entsprechend, 
die  Statuten  einer  durchgreifenden  Aenderung  und  Ergänzung;  der  von  ihr 
ausgearbeitete  Entwurf  wurde  in  der  Generalversammlung  vom  10.  November 
1887  durch  Zuruf  angenommen  (vgl.  diese  Zeitschrift  IX,  S.  232).  Die  seit 
dem  1.  Oktober  1888  in  Kraft  getretenen  neuen  Satzungen,  welche  in  dieser 
Zeitschrift  IX,  S.  241  ff.  und  auf  den  seit  demselben  Zeitpunkt  eingeführten 
Mitgliedskarten  abgedruckt  sind,  haben  sich  bis  jetzt  vollkommen  bewährt. 

Mit  Dankbarkeit  ist  anzuerkennen,  dass  dem  Verein  von  allen  Behörden 
Vertrauen  und  Unterstützung  entgegengebracht  werden.  Insbesondere  haben 
die  staatlichen  wie  die  kommunalen  Archiv-  und  Bibliothekverwaltungen, 
auf  deren  Hülfe  die  wissenschaftliche  Forschung  vor  Allem  angewiesen  ist, 
mit  grösster  Liberalität  diese  Htllfe  geleistet.  Der  Verein  übersendet  des- 
halb auch  in  dankbarer  Anerkennung  seine  Zeitschrift  den  Staatsarchiven 
zu  Düsseldorf,  Coblenz,  Münster  und  Wetzlar  sowie  den  Stadtarchiven  zu 
Köln  und  Aachen  als  Geschenk.  Besondem  Anlass  zum  Dank  hat  der  Verein 
gegenüber  den  städtischen  Behörden  von  Aachen  und  Burtscheid.  Die  Häupter 
der  Verwaltungen  dieser  Städte  haben  ihm  von  Anfang  an  die  Ehre  erwiesen, 
die  auf  sie  gefallene  Wahl  als  Vorstandsmitglieder  anzunehmen  und  der 
Vorstand  des  Vereins  ist  mehrfach  da,  wo  es  sich  um  geschichtliche,  archäolo- 
gische und  wissenschaftliche  Angelegenheiten  handelte,  um  seine  Meinung 
befragt,  diese  freundlich  gewürdigt  worden.  Seit  mehrem  Jahren  gewährt 
die  Stadt  Aachen  dem  Verein  einen  Zuschuss  von  jährlich  150  Mark. 

Eine  nicht  geringe  Summe  konnte  im  Laufe  des  ersten  Jahrzehnts  für 
wissenschaftliche  Zwecke  verwendet  werden.    Die  Geldmittel   des  Vereins 
sind  während  dieses  ganzen  Zeitraums  durch  den  vortrefflichen  Schatzmeister^^ 
Herrn   Dr.   Wings,   verwaltet  worden,    dessen   umsichtige    nnd   sorgfältigeCr 
^'«(senführung,  wenn  sie  auch  hier  und  da  durch  ihre  Strenge  demVors< 


Chronik  des  Aachener  Oeschiehtsrereins  1888/89.  295 

ftüübar  wird,  aneingeschrftnktes  Lob  verdient    Binnen  zehn  Jahren  hat  der 
Verein  weit  über  26000  Mark  auf  die  Herstellung  seiner  Zeitschrift,  welche 
ihren  Mitarbeitern  ein  nicht  nnbedentendes  Honorar  gewährt,  verwendet.    Er 
hat  in  Bezug  auf  sie  seine  Pflichten  gegen  die  Mitglieder,   die  den  sehr 
mäßigen  Beitrag  von  nur  4  Mark  entrichten,  da  der  sehnte  Band  schon  im 
November   1888   erschien,  nicht  nnr  rechtzeitig  und   aasreichend,   sondern 
geradezu  glänzend  erfüllt,  indem  er  ihnen  während  eines  zehnjährigen  Zeit- 
raums Aber  225   Bogen  Text  und  18  Abbildungen,  Karten,  Pläne  u.  s.  w. 
lieferte.    In  diese  Bogenzahl  einbegriffen  ist  das  von  Dr.  Keussen  verfasste 
Register,  welches  den  reichen  Inhalt  der  ersten  sieben  Bände  erschliesst. 
Kein  Verein  in  Deutschland  hat  so  früh  und  in  so  ausgezeichneter  Weise 
den  Anforderungen  der  wissenschaftlichen  Benutzer  seiner  Zeitschrift  Rech- 
nung getragen.    Der  zeitige  Vorsitzende  des  Vereins  ist  selbstverständlich 
nicht  berufen,  den  innem  Werth  der  Zeitschrift  zu  beleuchten.    Er  würde 
aber  eine  Pflicht  der  Dankbarkeit  unerfüllt  lassen,  wenn  er  nicht  des  Mannes 
gedächte,  der  nun  schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  alle  Lasten  und  Mühen 
der  Redaktion,  häufig  unter  den  schwiiBrigsten  Verhältnissen,  getragen  hat. 
Die  Redaktion  der  ersten  Bände  hat  der  unvergessliche  erste  Präsident  selbst 
besorgt,  mit  einer  Aufopferung  von  Zeit  und  Kraft,  welche  nur  zu  würdigen 
vermag,  wer  sich  Reumonts  sonstige  umfassende  literarische  Thätigkeit,  wie  die 
Schwäche  seiner  Gesundheit  und  namentlich  seiner  Augen  vergegenwärtigt. 
Erst   im   Jahre   1883   fand   er   eine   ausreichende  Unterstützung  an  Herrn 
Richard  Pick,  der  zunächst  die  Drucklegung  der  Zeitschrift,  sehr  bald  aber 
auch  ihre  vollständige  Redaktion  auf  sich  genommen  und  bis  jetzt  in  muster- 
hafter Weise  durchgeführt  hat.    Der  Vorstand  hat  nur  eine  durch  die  neuen 
Satzungen  bestätigte  Pflicht  der  Qerechtigkeit  erfüllt,  als  er  im  Jahre  1886 
den  Beschluss  fasste,  den  Namen  des  unermüdlichen  Heransgebers  auf  das 
Titelblatt  der  Zeitschrift  zu  bringen. 

Dem  Verein  ist  es  hauptsächlich  durch  die  Bemühungen  des  Herrn 
Stadtarchivars  Pick  gelungen,  einen  sehr  umfassenden  Tauschverkehr  mit 
wissenschaftlichen  Vereinen,  Instituten  und  Zeitschriften  anzubahnen.  Er 
hat  auf  diesem  Wege  eine  sehr  bedeutende  und  werthvolle  Reihe  von 
periodischen  Veröffentlichungen  und  andern  Werken  erworben.  Wenn  er  diese 
von  Anfang  an  der  Aachener  Stadtbibliothek  und  der  Handbibliothek  des 
Archivs  überwies,  so  hat  er  sich  damit  um  zwei  wichtige  öffentliche  wissen- 
schaftliche Institute  verdient  gemacht  und  zugleich  die  beste  Aufbewahrung 
und  Verwendung  der  erworbenen  Bücher  für  alle  Zeiten  gesichert  Mit  Recht 
haben  die  neuen  Statuten  dieses  Vorgehen  bestätigt.  Es  bedarf  nicht  der 
Hervorhebung,  dass  Entleihung  und  Benutzung  den  Vereinsmitgliedern  dadurch 
leichter  gemacht  ist  als  durch  die  an  der  Unmöglichkeit  der  Beschaffung 
von  sichern  Räumen  schliesslich  fast  stets  scheiternde  Einrichtung  einer 
besondem  Vereinsbibliothdt. 

Es  sei  endüflii  M^^fK  seit  einigen  Jahren  eingerichteten  Monatsver- 
sammlungen geteUft?'^^^^     "^gliedern  viele  interessante  und  lehrreiche 


296  Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins  1888/89. 

Vorträge  und  Mittheilnngen,  willkommene  Gelegenheit  zum  Austausch  ihrer 
Kenntnisse  and  Ansichten,  Anregungen  aller  Art  geboten  haben. 

Die  Pflicht  gewissenhafter  Berichterstattung  erheischt  das  offene  Ge- 
ständnisse dass  der  Verein  einerseits  noch  nicht  genug  bestrebt  war,  eine 
grössere  Mitgliederzahl  und  damit  die  Mittel  zur  VerOfifentlichong  umfang- 
reicherer Arbeiten  zu  gewinnen,  und  dass  er  andrerseits  eine  ihm  obliegende 
ebenso  schöne  als  wichtige  Aufgabe  noch  lange  nicht  ausreichend  gefordert 
hat,  wenn  er  auch  die  Nothwendigkeit  ihrer  Lösung  schon  vor  einer  Beihe 
von  Jahren  anerkannte  und  aussprach.  Ein  den  berechtigten  Anforderung^ 
der  heutigen  Wissenschaft  entsprechendes  Urkundenbuch  der  Städte  Aachen 
und  Burtscheid  und  des  Aachener  Reichs  ist,  wie  jede  Untersuchung  auf 
jedem  Gebiet  stets  aufs  Neue  zeigt,  geradezu  schreiendes  Bedttrfhiss.  Die 
Verhältnisse  am  Aachener  Archiv  sind,  sobald  das  stattliche  Gebäude,  welches 
die  Stadt  mit  einsichtigem  Wohlwollen  den  Zeugnissen  ihrer  grossen  Ver- 
gangenheit errichtete,  bezogen  sein  wird,  kein  Hindemiss  mehr,  die  geeigneten 
Kräfte  sind  vorhanden,  das  zweite  Jahrzehnt  des  Aachener  Geschichtsyereins 
muss  der  Förderung  und  Vollendung  dieses  Werkes  als  einer  Ehrenpflicht 
gewidmet  sein. 

Uebergehend  zur  Berichterstattung  über  das  seit  der  letzten  General- 
versammlung verflossene  Jahr  widmete  der  Vorsitzende  zunächst  Worte  der 
Erinnerung  den  vier  verstorbenen  Mitgliedern  Landgerichtsrath  Freiherr 
von  Fürth,  Arresthauspfarrer  Schulz,  Oberregierungsrath  Jungbluth  und 
Amtsgerichtsrath  Moulenbergh,  deren  Andenken  die  Versanmilung  durch 
Erheben  von  den  Sitzen  ehrte;  dann  schilderte  er  Lage  und  Thätigkeit 
des  Vereins.  Hierauf  trug  der  Schatzmeister,  Herr  Dr.  Wings,  die  Rech- 
nung des  Jahres  1888  vor. 

Die  Einnahmen  umfassten 

1.  den  Kassenbestand  aus  dem  Vorjahr 1202  M.  77  Pf. 

2.  den  Beitrag  der  Stadt  Aachen 150    „    —    ^ 

3.  die  Beiträge  der  Mitglieder 2452    „    —     , 

4.  den  Ertrag  aus  abgesetzten  Exemplaren  der  Zeit- 
schrift    40    „    50    „ 

5.  rückständige  Beiträge  aus  1887 8    „    —    „ 

6.  ein  zurückgegebenes  Honorar 4„27 

7.  die  Zinsen  der  Sparkasse 41    „    75 


zusammen  .    .    8899  M.  29  Pf. 
Die  Ausgaben  betrugen  .    .    2177    „    65    ^ 

Es  verblieb  ein  Kassenbestand  von  .    .     1721  M.  64  Pf. 

Das  Vereinsvermögen,  welches  Ende  1888  1202  M.  77  Pf.  betrug,  hat 
sich  also  im  Laufe  des  Jahres  1889  um  518  M.  87  Pf.  vermehrt. 

Die  am  11.  Oktober  1888  gewählten  Bevisoren  haben  die  Kassenver* 
waltung  für  das  Jahr  1888  am  8.  Oktober  1889  geprüft.    Die  Versammlung 


Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins  1888/89.  297 

drttckte  ihnen,  sowie  dem  Schatzmeister  ihren  Dank  ans  und  wählte  die 
Herren  Dr.  med.  Ignaz  Beissel  und  Tnchfabrikant  Gustay  Kesselkaol  Wiedcmm 
als  Revisoren  für  das  Jahr  1889. 

Der  Vorsitzende  gab  der  Versammlung  Kenntniss  von  folgenden  £e- 

*  

schlüssln,  welche  der  Vorstand  in  seiner  Sitzong  vom  11.  Oktober,  auf  Grund 
von  Anträgen  des  Herrn  Stadtarchivars  Pick  und  nach  eingehender  Begründung 
seitens  des  Antragstellers,  gefasst  hat 

1.  Der  Verein  wird  mit  Rücksicht  auf  den  grossen  materiellen  WerUi 
seiner  Zuwendungen  an  städtische  Institute  und  im  Hinblick  auf  die  bedeu- 
tenden Kosten,  welche  die  Vorarbeiten  zum  ürkundenbuch  verursachen,  die 
Stadt  Aachen  um  eine  namhafte  Erhöhung  des  ihm  bisher  gewährten  Zu- 
schusses vom  Etatsjahr  1890/91  an  bitten. 

2.  An  dem  Geburtshaus  des  1887  verstorbenen  Malers  Kaspar  Scheuren 
in  der  Franzstrasse  zu  Aachen  soll  eine  Gedenktafel  auf  Kosten  des  Vereins 
angebracht  werden. 

3.  Der  Verein  wird  die  Aufrichtung  des  in  der  Pfarrkirche  zu  Nideggen 
in  einer  Ecke  am  Boden  liegenden  und  der  2>erstörung  preisgegebenen  Grab- 
steins des  Grafen  Wilhelm  IV.  von  Jülich  und  seiner  Gemahlin  Rikardis  und 
dessen  Versetzung  an  die  Kirchenwand  von  der  zuständigen  Stelle  erbitten, 
sich  auch  erforderlichen  Falls  mit  einem  Beitrag  zu  den  Kosten  betheiligen,  um 
das  durch  sein  Alter  und  als  Grabstein  von  Vorfahren  unseres  Königshauses 
besonders  merkwürdige  Denkmal  vor  dem  Untergang  zu  retten. 

4.  Zur  Vorbereitung  der  Herausgabe  eines  ürkundenbuchs  der  Städte 
Aachen  und  Burtscheid  und  des  Aachener  Reichs  wird  eine  Kommission  von 
drei  Mitgliedern  ernannt,  welche  die  Vorarbeiten  und  die  Beschaffung  der 
nothwendigen  Geldmittel  übernimmt.  Der  Verein  bewilligt  dem  Unternehmen 
selbst  vom  1.  Januar  1890  an  einen  jährlichen  Zuschuss  von  300  Mark  aus 
der  Vereinskasse. 

5.  Aus  einheimischen  und  auswärtigen  Vereinsmitgliedem  werden  neun 
Kommissionen  mit  dem  Recht  der  Zuwahl  gebildet,  welche  sich  die  Erforschung 
der  einzelnen,  der  Wirksamkeit  des  Vereins  unterstehenden  Gebiete  besonders 
angelegen  sein  lassen  und  alljährlich  in  der  Generalversammlung  oder  in 
kurzem  Zeitabschnitten  (in  den  Monatsversammlungen)  über  das  Ergebniss 
ihrer  Thätigkeit,  welche  sich  auch  auf  Ertheilung  von  Auskünften  und  Beant- 
wortung von  Fragen  erstrecken  kann,  Bericht  erstatten. 

Die  Versanmilung  nahm  alle  diese  Beschlüsse  beifällig  auf. 

Nach  Abschluss  des  geschäftlichen  Theils  hielt  Herr  Stadtarchivar  Pick 
einen  Vortrag  über  die  im  Wisperthal,  gegenüber  der  Burg  Rheinberg 
gelegene  „Aachener  Schanze",  welche,  wie  die  Sage  erzählt,  von  Aachener 
Kaufleuten  erbaut  sei,  um  den  Transport  ihrer  Tuchwaaren  zur  Frankfurter 
Messe  zu  sichern.  Der  Redner  glaubt  den  Bau  auf  die  in  Loceh  vormals 
zahlreich  wohnenden  Tuchweber,  welche  dem  Erzbischol  WiBM^M^fHainz 
1279  bei  der  Belagerung  der  Burg  Rheinberg  Hülfe 


298    .  Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins  1888/89. 

zu  sollen  und  nimmt  an,  dass  deren  Gewerbe  von  Aachen  aus,  wo  man  nrndi- 
weisbar  ächon  zu  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  die  Zeogmanufaktor  lebhaft 
betrieb,  nach  Lorch  verbreitet  wurde. 

Mit  Bücksicht  auf  die  Anerkennung,  H'elche  die  Kaiserin  Augasta  stets 
dem  Wirken  des  Malers  Kaspar  Scheuren  gezollt  hat,  wurde  durch  den  Vor- 
sitzenden nach  der  GU^neralversammlung  Ihrer  Majestät  angezeigt  dass  der 
Geschichtsverein  an  Scheurens  Geburtshaus  eine  Gedenktafel  anzubringen 
beabsichtige.  Diese  Mittheilung  hat,  ohne  dass  irgend  eine  Bitte  ausge- 
sprochen worden  wäre,  zu  einer  überaus  gnädigen  Spende  der  Kaiserin  für 
die  Kosten  der  Tafel  Anlass  gegeben.  Die  bezügliche  von  der  Summe  von 
100  Mark  begleitete  Zuschrift  an  den  Vorsitzenden,  die  zugleich  den  Verein  in 
hohem  Maße  ehrt,  möge  hier  mitgetheilt  werden. 

„Coblenz,  den  5.  November  1889. 

Dire  Majestät  die  Kaiserin  Königin  Augusta  haben  mit  lebhafter  An- 
erkennung die  MittheUung  entgegen  zu  nehmen  geruht,  dass  der  Aachener 
Geschichtsverein  dem  verstorbenen  Maler  Kaspar  Scheuren  zu  Ehren  eine 
Gedenktafel  an  seinem  Geburtshause  anzubringen  gedenkt.  Bei  den  lang- 
jährigen Beziehungen  des  Aachener  Künstlers  zu  Ihrer  Majestät  und  bei  dem 
ehrenvollen  Andenken,  welches  Allerhöchstdieselbe  dem  Professor  Kaspar 
Scheuren  bewahren,  würde  es  Ihrer  Majestät  erwünscht  sein,  Allerhöchst  Sich 
durch  beifolgenden  Beitrag  an  den  Kosten   dieser  Gedenktafel  betheiligen 

zu  können. 

Im  Allerhöchsten  Auftrage 

der  Kabinets-Rath 

von  dem  Knesebeck." 

Der  ehrfurchtsvolle  Dank  des  Vereins  ist  Ihrer  Majestät  durch  den 
Vorsitzenden  dargebracht  worden. 

Der  Vorstand  hat  zu  Mitgliedern  der  Kommission  für  die  Vorbereitung 
des  Urkundenbuchs  die  Herren  Geheimrath  Loersch,  Landgerichtspräsident 
Oppenhoff  und  Stadtarchivar  Pick  bestimmt. 

Die  oben  erwähnten  Kommissionen  sind  zunächst  durch  Wahl  seitens 
des  Vorstands  in  folgender  Weise  gebildet  worden: 

1.  Kommission  fttr  römische  und  mittelalterliche  Alterthümer:  Stadt- 
archivar Pick,  Vorsitzender,  Hauptmann  a.  D.  Bemdt,  Kaplan  Schnock, 
Gymnasiallehrer  Dr.  Wieth,  Pfarrer  Becker-Hallschlag,  Deservitor  Frantzen- 
Eller,  Professor  Dr.  Schneider-Düsseldorf. 

2.  Kommission  für  Kulturgeschichte,  Volksleben  (Sagen,  Märchen,  Lieder, 
Sprichwörter),  Unterrichts-  und  Bücherwesen:  Landgerichtspräsident  Oppen- 
hoflf,  Vorsitzender,  Stadtbibliothekar  Dr.  Fromm,  Realgymnasiallehrer  Dr.  Greve. 
Stadtverordneter  Kremer,  Realgymnasialdirektor  Dr.  Neuss,  Staatsanwalt- 
schafts-Sekretär Schollen,  Gymnasialdirektor  Dr.  Schwenger,  Gymnasiallehrer 
Dr.  Wacker,  Apotheker  Eckerts-Randerath,  Rektor  Lückerath-Heinsberg, 
Apotheker  Pauls-Bedburg. 


Chronik  des  Aachener  Geschichtsvereins  1888/89.  299 

8.  Kommission  fttr  Bechts-  und  Verfassungsgeschichte:  Geheimrath 
Professor  Dr.  Loersch,  Vorsitzender,  Landrath  Dr.  Freiherr  von  Coels,  Stadt- 
archivar Pick,  Geheimer  Archivrath  Dr.  Harless-Düsseldorf,  Stadtarchivar 
Professor  Dr.  Höhlbaum-Köln. 

4. »Kommission  für  ältere  Topographie:  Stadtarchivar  Pick,  Vorsitzender, 
Geheimrath  Loersch,  Fabrikant  Menghius,  Stadtdechant  Planker,  Architekt 
Bhoen,  Gymnasiallehrer  Dr.  Wieth,  Bürgermeister  a.  D.  Zimmermann,  Staats- 
archivar Habets-Maastricht. 

5.  Kommission  für  Kunstarchäologie:  Professor  Frentzen,  Vorsitzender, 
Gymnasiallehrer  Dr.  Curtius,  Professor  Dr.  Degen,  Major  Sartorins,  Kaplan 
Schnock,  Arzt  Dr.  Straeter,  Rentner  Dr.  Wings,  Architekt  von  Fisenne- 
Meerssen,  Appellationsgerichtsrath  a.  D.  Dr.  Reichensperger-Köln. 

6.  Kommission  für  Münz-,  Siegel-  und  Wappenkunde  und  Genealogie: 
Stadtarchivar  Pick,  Vorsitzender,  cand.  iur.  et  cam.  Heusch,  Fabrikant  Macco, 
Rentner  von  Claer-Bonn,  Hauptmann  von  Oidtman-Coblenz,  Apotheker  Pauls- 
Bedburg. 

7.  Kommission  für  Wirthschaftsgeschichte,  Zunftwesen,  Industrie  und 
Handel:  Geheimrath  Professor  Dr.  Loersch,  Vorsitzender,  Stadtverordneter  Kuet- 
gens,  Gymnasiallehrer  Oppenhoff,  Stadtarchivar  Pick,  Professor  Dr.  Lamprecht - 
Bonn,  Apotheker  Pauls-Bedburg. 

8.  Kommission  für  Dialektforschung:  Realgymnasial-Oberlehrer  Marjan, 
Vorsitzender,  cand.  phil.  Kelleter,  Gymnasiallehrer  Oppenhoff,  Lehrer  Pschmadt, 
Gymnasialdirektor  Dr.  Fuss-Strassburg  i.  E.,  Arzt  Dr.  Hecking-St.  Vith, 
Oberpfarrer  Dr.  Pauly-Montjoie. 

9.  Kommission  für  die  Sammlung  von  Flurnamen :  Landrath  Dr.  Freiherr 
von  Coels,  Vorsitzender,  Realgymnasiallehrer  Dr.  Greve,  Kaufmann  Math6e, 
Bürgermeister  Middeldorf,  Lehrer  Pschmadt,  Staatsanwaltschafts-Sekretär 
Schollen. 


Druck  von  Herrn.  Kaatzer  in  Aachen. 


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