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Full text of "Zeitschrift für allgemeine Erdkunde"

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Zeitſqhrift 
Allgemeine Erdkunde, 





Mit Unterftügung der Geſellſchaft für Erdkunde 
zu Berlin 
und unter befonderer Mitwirkung 
von 
9. w. Dove, €. G. Ehrenberg, 9. Aiepert m €. Ritter 
in Berlin, 
K. Andree in Dresten und I. E. Wappäus in Göttingen 


herausgegeben 
von 


Dr. T. €. Gumprecht. 


Sünfter Band. 


Mit einer Karte. 





Verlag von Dietrich Reimer. 
1855. 
—_ 


Anhalt. 


I. &. Brandes: Die lebte Kunde über Sir John Franklin und feine 

Gefährten. (Hierin eine Karte). . . 

I. Gumprecht: Barth's Schickſale umd Unterfuchungen im centralen Nord 
Afrika. (Schluß).. 

III. &. Pieſchel: Die Vulkane von Merico. (Eortfepung) ... 

IV. &. Ritter: Ueber die wiſſenſchaftliche Reife der drei Gebrüder Eälag- 
intweit in Indien. . . 

V. C. Ritter: Ueberſicht ber Shätigfeit ber Berliner geographiſchen Wejell 
ſchaft in dem verflofienen Jahre vom 6. Mai 1854 bis 5. Mat 1855 . 

VI. &. Pieſchel: Die Vulkane von Mexico. (Vortſetzung) 
vu. Gumprecht: Zur Kunde von Süb⸗Afrika. 

VIE. Fortſetzung der Nachrichten über die wiſſenſchaftliche Reife der. Gebrüder 
Schlagintweit in Indien .. 
IX. 6. 2. Schubarth: Vergleichende Ueberficht ber Ergebniffe dee Berg⸗ 
baues, Hütten: und Salinenbetriebes im vrenßiſchen Staate in den nö 
ren 1823, 33, 43, 63 . . . 

X. 8.2. Biernasli: Der Dangtſey Klang ... 
xl. Gumprecht: Die neneften ruſſiſchen Erwerbungen im Amdriande 
X. K. v. Klöden: Die Welſer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela 

und die von ihnen veranlaßten Erpebitionen ber Deutſchen dahin 


Neuere Literatur. 

A. Rutenberg und Gumprecht: The Mediterranean. A memoir physi- 
cal, historical and nautical by Rear- Admiral Will. Henry Smyth etc. 
London, J. W. Parker & Son. 1854. 500 $. 8, . 

M. Willlomm: D. Manuel Recacho, Memoria sobre las nivelaciones ba- 
rometricas etc. Madrid 1853. . 

A. Rutenberg und Bumpredt: The Mediterranean. [N memoir physi- 
cal, historical and nautical by Rear-Admiral Will. Henry Smyth etc. 
London, J. W. Parker & Son. 1854. 500 S. 8. (Schluß) . 

Baeyer: Die Terrainaufnahme rationell aus der Lehmann'ſchen Theorie der 
Terraindarftellung entwidelt von H. v. Schintling ꝛc. München 1855 . 


Briefliche Mittheilungen. 
C. Ritter: Aus einigen Schreiben von I. H. Petermann über die Daſe 
Jezd und die neueften Zuftände ber in ihr lebenden Parfi . . 
Schreiben des Königl. Großbritannifchen General: I Gunfais € Sir Sohn Bow 
ring an Herrn J. Klentz. 


Miscellen. 
C. Ritter: Die J Einſentuns der Erde in der Mitte des alten Conti⸗ 
nat . . j 0. 0... 


236 


362 


76 


297 


88 


Gumprecht: Höhenbefimmungen in Sibirien. . . . 

Bumpredt: Die bedeutendſten Waflerfälle und trmfgnelen in "dem Ber: 
einigten Staaten und in Canada . . . 

Gumprecht: Topographifche Karte von New⸗ Jerſey 

J. Altmann: Die Bolgaren⸗Colonien in Beſſarabien 

Gumprecht: Anthracitkohle in China . . . 

Gumprecht: Das lehte große Erdbeben in Japan .. 

Gumprecht: Barth's Rückkehr nach Europa und Vesele Arbeilen im nörb- 
lichen Central⸗ Afrika .. 

Gumprecht: Das Bergſyſtem des Siaaies New⸗Vork 

Gumprecht: Der Eishandel in Nordamerifa 

Gumprecht: Der Verkehr auf dem Iſthmus von Banama 

A. v. Etzel: Der Gnano und feine Hauptfundorte .. 

Gumprecht: Die neneſten Erſteigungen der hoͤchſten Apengipfel . .. 

N. Boeckh: Allgemeine Ueberſicht der Veroͤffentlichungen aus ber ehminfnu 
tiven Statiſtik der verfchledenen Staaten . . . 

Helfft: Das Klima und die Bodenbeſchaffenheit Agerlens . 

K. L. Biernapfi: Triſtan d'Acunha... 

Walter: Ueber einige Baſtardverhaͤltniſſe ber in Amerita lebenden Menfchen- 
rafen . 

G. Braubes: Die "Expedition bes Dr. Rane fe bes mies 1853 
— 1855. . . . 

Die Provinz Ghiloe in Chile 

A. v. Etzel: Der Guano und ſeine Hanptfundorte (Schluß) . 

R. Boeckh: Allgemeine Ueberficht der Veröffentlichungen aus ber abminifras 
tiven Statiſtik der verſchiedenen Staaten (Boriietung) . . 

Die Provinz Ehiloe in Chile (Schluß) . 

Gumprecht: Gine neue Erpebition nad Paraguay . .. 

G. Brandes: Der neue Ganges-Canal in feinem Bau und in feinen &- 
gebnifien . ren 

Sir. Bowring: Menſchen und Sitten i in China 


ee über bie Elyung ber Veſcuſcheſt fir Erdkunde zu Berlin am 14. eis 1855 


Desgl. : 19. Mai : 
Desgl. Er SE | 7 Juni e 
Desgl.. 277. Juli⸗ 
Desgll...B. Sept. - 
Desgl. ee :s 13. Octob.⸗ 
Bibliographie. 


W. Koner: Neu erfchlenene geographifche Werke, Nufläpe, Karten und Bläne 
MW. Koner: Ueberfiht der von Juli bis November 1855 auf dem Gebiete 
ber Geographie erfchienenen Werfe, Auffäße, Karten und Pläne . 


Anhang. 


515 


5. Kiepert: Erläuterungen zu ber Karte der Cnideckungen im Norbpolarmeere 


bis 1854. . 











I. 
Die lebte Kunde über Sir John Franflin und 
feine Gefährten. 


- Hierzu eine Karte (Tafel I). 





1) Kriegsgericht über die Befehlshaber der legten 
arktiſchen Erpedition. 


Niemand wird ohne lebendige Theilnahme dem Zuge der Vorgaͤnge 
und Ereigniſſe folgen, welche unmittelbar nach der Ruͤckkehr des arkti⸗ 
ſchen Gefchwaders im October 1854 die Aufmerkfamfelt des englifchen 
Bolfs befhäftigten, und felbft durch die aufregendſten politifchen Nach⸗ 
richten und Kriegögerüchte — benn bie erften brieflichen Erzaͤhlungen 
über die Kämpfe an der Alma, und die Täufchungen der fälfchlich ge: 
meldeten Einnahme von Sebaftopol fallen in die erften Wochen bes 
Monats October — nicht in den Hintergrund gedrängt werden fonnten. 

Je beftimmter ſich damals fogleich die Ueberzeugung feitfehte, daß 
nunmehr die Reihe der zur Rettung Franklin's und feiner Gefährten 
entfandten Expeditionen gefchlofien fein werbe und daß fortan jedem 
Gedanken an eine neue Ausrüftung für diefen Zwed entfagt werben 
müfle, deſto flürmifcher erhob fich die Stimmung gegen den Oberbe 
fehlshaber der verlafienen Schiffe, — zumal noch aldbald verlautete, 
daß Gapitain Sir Edward Belcher in viel größerem Maße, als ans 
fange vermuthet werben mochte, nicht nur die hochgehenden Erwartuns 
gen jener Taufende, welche mit gefpanntem Blide feiner Erfolge harr⸗ 
ten, fonbern felbft das auf ihn gefehte Vertrauen der Behörben ftarf 
getäufcht Hatte. Im bitteren Ergießungen wurde ihm ein fchimpflicher 
Mangel an Muth, Entfchlofienheit, Thatfraft und Ausdauer zum Vor⸗ 
wurfe gemacht. Die Polarfee im hohen Norden, auf welcher Franklin, 

Zeitſchr. f. allg. Erbfunde. Br. V. 1 


2 K. Brandes: 


den dermalen überwiegend gehegten Vermuthungen zufolge, die nord» 
weftliche Durchfahrt gefucht, fchien diefen Seefahrer ſchon durch ihren 
Anblick zurücgefchredt zu haben. Uneingedenk feiner Berheißungen hatte 
er fich von dort wieder heimmärts gewandt, ohne auch nur einen ernft- 
lichen Berfuch daran zu wagen. Und von dem Augenblide dieſes Ent- 
fhluffes an war ed als ob mit dem Muthe auch das Glück gänzlich 
von ihm gewichen wäre. Die Rüdfahrt im Wellington»Canal miß- 
lang, und es kam dahin, daß er nicht blos feine beiden Schiffe im 
Eife ſtecken ließ, fondern fogar, jedes glüdlichen Ausganges verzwei- 
felnd, den Capt. Kellett durch wiederholte ftark betonte Befehle nöthigte, 
auch die andern beiden Fahrzeuge den arktiſchen Elementen zur Zer- 
flörung preiszugeben. Es Tonnte nicht anders als ben peinvolifien Ein- 
drud machen, zu fehen, wie diefer Commander fo ganz erfolglos.fich 
in Gegenvorftellungen erfchöpfte, wie er felbft die Zeugnifie feiner Of⸗ 
figiere aufrief, um eine folche voreilige Maßregel abzuwenden. Ber: 
gebend wurde von diefen Männern geltend gemacht, daß der Standort 
der Schiffe mitten in der Barrowftraße feine Beſorgniß einflößen fonnte, 
daß ihre Dauerhaftigkeit ſich probehaltig erwies, daß die Ausfichten 
auf bafvige Befreiung aus dem Eife gar nicht fern lagen, während 
der Muth der Mannſchaft ohne Anfechtung und die Subfiftenzmittel 
noch auf ein Jahr ausreichend erfunden waren, felb wenn die zu⸗ 
verläffig erhoffte Zufuhr aus England nicht erfolgte. 

Wie nahe lag nicht bei folchen Betrachtungen die Auffaffung, daß 
lediglich an der Zaghaftigfeit oder in einer beflagenswerthen Mipftim- 
mung des Capt. Belcher die letzten Ausfichten für die Rettung ber 
vermißten Schaar zu Grunde gegangen feien! Auf diefen Einen Mann 
allein fiel in den Uriheilen der öffentlichen Meinung die Schuld des 
nunmehrigen fchmachvollen Ausgangs der mit fo außerorventlichem Aufs 
wande unternommenen und durch taufend Proben heldenmuͤthiger Auf⸗ 
opferung unvergeßlichen Rettungsverfuche für die im Dienfte des Va⸗ 
terlande® ausgegangenen Mannfchaften. 

Zunächſt richteten ſich indeß alle Blide erwartungsvoll dem Ver⸗ 
lauf und Ausfpruch des Kriegsgerichts entgegen, welches, ven beftes 
henden Borfchriften zufolge, die Anführer der verlafienen Schiffe alsbald 
zur Rechenfchaft ziehen follte. Diefes Gericht trat am 17. October un 
ter dem Borfig des Vice⸗Admiral Gorbon im Hafen von Sheerneff 











Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 8 


auf dem Schiffe Waterloo zuſammen. Außer Belcher wurden auch 
die Capitains M’Elure !) und Kellett und der Commander Richards 
vor feine Schranfen geforbert. s 

Das Urtheil über M’Elure, der zuerſt aufgerufen wurde, Eonnte . 
feinem Zweifel unterworfen fein. Er hatte fich mit ſchmerzlichem Wis 
derfireben durch die Entſcheidung des Capt. Kellett, als Altern Offi⸗ 
ziers, genöthigt gefehen, feinen Inveftigator und mit ihm feine begels 
ſterten Wünfche auf die Bollendung der nordweſtlichen Durchfahrt auf- 
zugeben. Seine Trennung von dem Hauptfchiffe Enterprife, wie fehr 
fie ihm auch von Freunden Collinſon's als ein bisciplinarifches Ver⸗ 
gehen zum Borwurf gemacht werden konnte, blieb ganz unerwähnt. 
Dagegen wurbe feinem Unternehmungsgeift, feiner Kühnhelt und Um⸗ 
ficht, mit welcher er fein Schiff erhalten, die glänzendfte Anerkennung 
gezollt. Unter den Ausdrüden des ehrenpften Beifalls erhielt er feis 
nen Degen zurüd. Weiter fonnte es Niemand überrafchen, daß auch 
Eapt. Kellett und Commander Richards nicht blos gerechtfertigt, fon- 
dern auch mit Ehren aus der Unterfuchung hervorgingen: fie hatten 
nur den Befehlen Kolge geleiftet, welche der Oberbefehlshaber unter 
eigener Veranwortilichkeit erließ, und namentlich hatte Kellett nur 35- 
gernd und im Kampfe mit der von ihm yperfönlich gehegten Anficht 
ſich gefügt. 

So fiel denn zuleht die ganze Schwere des Gerichts auf Sir . 
Edw. Belher’d Haupt. Der 19. October — denn drei Tage dauerte 
die Unterfuhung — ift für ihn ein heißer Tag gewefen. In einer 
mehrflündigen Bertheibigungsrede, von der und nur die umvollſtaͤndi⸗ 
gen Berichte englifcher Zeitungen vorliegen, bot er Alles auf, um nicht 
blos die ihm ertheilte Berechtigung, fondern auch die unbebingte Roth» 
wendigfeit feiner Ruͤckkehr nachzuweiſen. Letztes ift ihm indeß nicht 
genügend gelungen. Gleichwohl bietet feine Darftelung vielfaches In⸗ 
tereffe. Sie fehildert in einer Iehrreichen, Hin und wieder felbft ergrei- 
fenden Weife die Hemmungen und Gefahren der arktifchen Schifffahet, 


1) Dem Gapt. Nobert 3. Le M. F. MElure R. N. war inzwifchen in ber 
öffentlichen Sigung ber Londoner geographifchen Sefellfhaft am 22. Mai 1854 eine 
der beiten von berfelben alljährlich für die im verflofienen Jahre um die Erdkunde 
erworbenen hervorragendſten Verdienfte beflimmten goldenen Mebaillen (bie fogenannte 
Patrons Medal) eriheilt worden. 


1* 





4 8. Brandes: 


indem ſie uns mitten in die Schwierigfeiten und Kämpfe verfebt, auf 
welchen feine Maßregeln berubten. 

Ale Unbefangenen famen zu der Weberzgeugung, daß Belcher auf 
Grund der im feften Vertrauen auf feine Thatfraft ihm ertheilten Voll 
macht und Befugniffe nicht verurtheilt werben Fonnte; ja noch meht, 
daß feine Rüdfehr mit allen Mannfchaften dem Buchitaben feiner In 
firuetionen am ficherften entfprach und an fi) am meiften geeignet war, 
das Maß feiner perfönlicden Verantwortlichfeit zu verringern. Allein 
diefer Gefichtöpunft entfprach dem Sinne der Admiralität mit nichten. 
Bielmehr pflegte dieſe Behörde bei den Entwürfen der Verhaltungs⸗ 
maßregeln für Entvedungsreifen offenbar von dem Geſichtspunkte aus» 
zugehen, daß es vorzüglich ihre Aufgabe fei, den Unternehmungseifer 
und die Thatenluft der Befehlshaber in beftimmten Schranfen zu hal 
ten. Sie fchärfte gern zurüdhaltende Maßregeln der Behutfamfeit und 
Borficht ein, um die Verantwortlichfeit von der Regierung abzumenben. 
Es wurde vorausgefeht, daß die arftifchen Seefahrer ſich dadurch in 
ifren Unternehmungen nicht lähmen laflen, ja daß fie felbft in geeig- 
neten Fällen vor Meberfchreitungen der Inftruction auf ihre eigene Ver⸗ 
antwortlichfeit Hin nicht gurüdfchreden würden. In diefem Sinne 
verfiel das Verfahren Belcher’8 der öffentlichen und allgemeinen Miß⸗ 
bilfigung. Man betrachtete es als eine Niederlage, daß er bie vier 
‚ beften Schiffe feines Geſchwaders zurüdgelaflen Hatte und ein gewiſſer 
Unmuth über diefe Verlufte fcheint die leidenfchaftliche Erregung gegen 
ihn gefteigert zu haben. Konnte der Gerichtehof felbftverftändlich zu⸗ 
legt doch nicht umhin, ihn für gerechtfertigt zu erklären, fo ließ er in 
das Urtheil eine fehr fühlbare Zurechtweifung darüber einfließen, daß 
die Berathung mit Capt. Kellett Hinfichtlich des Aufgebens der Schiffe 
nicht flattgefunden. In dem Wortlaut der Freifprehung Sir Edw. 
Belcher's wurde der Beifag „mit Ehren“ ſchwer vermißt, und als ihm 
zulegt der Degen zurüdgegeben ward, gefchah dies mit beveutungsvol- 
lem Stillfehweigen, zum Zeichen, daß man mit feiner Handlungsweife 
nicht zufrieden war. — — 

In diefe Tage der tiefften Erregung aller berienigen, die von 
Sehnfucht nach Auffchluß über das Schiefal Franklin's und feiner Ge⸗ 
fährten erfüllt ihre Blide nad) dem Hohen Polarmeer jenfeits des Wels 
lington»@anal& richteten, follte indeß plöglich und unverfehens eine 





Die Tepte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 5 


Trauerkunde fallen, welche allen bie dahin noch gehegten Hoffnungen 
hoͤchft unerivartet ein Ziel fehte, und wie auf einen tüdifchen Schlag 
plöglih Alles mit Bildern der graͤßlichſten Vernichtung erfüllte. 


2) Die Ankunft des Dr. Rae in London !). 


Am Sonntage den 22. October — drei Tage nach dem Schluffe 
des Kriegsgerichts zu Sheernefi — erfchien der befannte arftifche Reis 
fende Dr. John Rae unverfehens im Amtshaufe der britifchen Admi⸗ 
ralitaͤt ald Ueberbringer der letzten und erfchütternpften Botfchaft über 
bie fo lange vergebens gefuchte Erpebition des Erebus und Terror. 
Er Fam unmittelbar aus den arktifchen Gegenden. Im Anfange des Mos 
nats Auguſt von der Repulſe⸗Bai, dem von ihm erfehenen Stapel 
plage feiner Unternehmungen zur Erkundung der Küften von Boothia⸗ 
Land heimwaͤrts ſteuernd, hatte er am 1. September bereits York Fac⸗ 
tory erreicht, und war dort fo glüdtich geweien, ein in dem Jahre 
noch nad) England abgehendes Schiff der Hudſonsbai⸗Geſellſchaft — 
Prinz von Wales — zu treffen, mit welchem er nach einer in ber 
Hudſons⸗Bai durch umtreibende Eismaffen gefährbeten, fpäter im at⸗ 
Iantifchen Dcean von heftigen Stürmen ſchwer bebroheten Fahrt an 
dem oben erwähnten Tage glüdlich die englifche Küfte erreichte. 

Konnte ſchon, wie wir bald fehen werben, Rae's Ankunft nicht 
anders als fehr unerwartet fein, fo waren es die von ihm überbrachs 
ten Rachrichten in noch viel höherem Maße. Niemand Hätte Daran 


2) Unfere Quellen für dieſe, wie fich ergeben wird, noch lange nicht Hinläng« 
lich anfgellärten Nachrichten, waren zunächft Die Mittheilungen und Gröffnungen in 
engliſchen Zellungen Times, Daily News, Globe; ferner bie Wodhenblätter Illustrated 


YA 


News, Athenaeum, u.a. Gine am Ende bes vorigen Jahres angekündigte Schrift _ 


„Ihe Melancholy Fate of Sir John Franklin and his party, as disclosed in Dr. 
Rae’s report; together with the despatches and lettres of Capt. M’Clure etc.“ (Sons 
don, bei 3. Betis) enthält die nicht verkauften Cremplare der in d. 3. 1863 erfchies 
nenen Schrift „Capt. M’Clure’s despatches etc.“ dazu, auf den vorgehefteten brei 
Drudfeiten, den Bericht von Rae an die Admiralität sc. Etwas mehr giebt die fürz- 
lich erfhlenene Ite Ausg. des Büchleins von P.L. Simmonds „Sir John Franklin 
and the arctie regions“, in welcher ©. 254— 76 ein hinfichtlich der Vollſtaͤndigket 
und Weberfihtlichleit nur mangelhaftes Reſumé⸗ der neueflen Nachrichten Hinzugefügt 
iR, während die vorhergehenden Bogen den gleichen Drud der vorhergehenden Aus« 
gaben, mithin aud) alle Mißverftändnifie, Unrichtigkeiten und Drudfehler verſelben 
wiedergeben. | 


6 8. Brandes: 


gedacht, daß Rae noch befchieden fein fonnte, die letzten Auffchlüfle und 
Zeugniffe über die fo lange Geſuchten zu bringen. Aus keinem Theile 
der arftifchen Landichaften hätte man damals weniger der Auffindung 
von Spuren der vermißten Mannfchaft ſich verfehen. Wie weit die Meis 
nungen der Gewährsmänner und der ganzen gebilbeten Welt über die 
Schickſale Franklin’ auch auseinander gingen, darin flimmten damals 
doch faft Alle überein, daß unterhalb des 75ſten Grades n. Br. nach feis 
nem Verbleiben nicht mehr zu fuchen fei. Bon allen Seiten her wurbe 
die Anficht laut, daß es ein verhängnißvoller Irrthum geweſen fei, 
nach jenen kuͤhnen Seefahrern in verhäftnigmäßig nievern Breiten zu 
forſchen. Mit einer vermeintlich keinem Zweifel mehr unterworfenen 
Beftimmtheit wurden auf den arktifhen Karten die Gränzlinien gezo⸗ 
gen, ienfeit deren allein das Feld für fernere Nachfuchungen fich er 
ſchloß. Man glaubte bisher Faum noch bis über die Eingangsthore 
dieſer geheimnißvollen Regionen binausgelommen zu fein. Mit Fühnem 
Blide wurden ihre weiten Räume durchmeſſen, neue und großartigere 
Pläne entworfen. Taufende erklärten fi) unerfchrodenen Sinnes bes 
reit, die Wege über jene unerforfchten Eiswüften zu betreten. Allein 
die Regierung war offenbar ſehr bedenklich, ein fo gefahrvolles Wag⸗ 
niß zu unterflüßen, und es laßt fich nicht abfehen, ob die in vielen 
Geiſtern lebhaft gehegten Rieſenplaͤne, welche jet plöglic) vor dem 
vernichtenden Schlage der Raefchen Kunde dahin fanken, auch unter 
andern Umſtaͤnden jemals hätten zur Ausführung kommen können. 
Rae hatte zwei Jahre zuvor (1852) der englifchen Admiralität 
bie Anzeige gemacht, daß er in Folge feiner Dienftobliegenheiten — er 
war Beamter der Hudſonsbai⸗Geſellſchaſt — fortan einer weitern pers 
fönlicden Mitwirkung bei den Berfuchen zur Rettung der Franklin'ſchen 
Erpebition zu entfagen fich veranlaßt fehe. In den Jahren 1846—A7 
war von ihm die Aufnahme der Hubfond-Bai-Territorien im Außers 
ſten Nord⸗Oſten des amerifanifchen Fefllandes mit anerfanntem Ers 
folge begonnen. Am Ende des Jahres 1847, als unter den nach und 
nach immer mehr überwiegenden Beforgnifien Anftalten zu planmäßi« 
gen Nachforfchungen zur Ausführung kamen, fah man ihn mit freus 
diger Begeifterung bereit, zuerſt als naͤchſter Begleiter des Dr. Sir 
Sohn Richarbfon und fpäter als felbftändiger Anführer von Land- und 
Boots Erpebitionen dem Rettungswerk fich anzufchließen. Die Hudſons⸗ 








Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 7 


bai⸗Geſellſchaft begünftigte dieſe Beftrebungen. Sie ließ es ſich um 
jo mehr angelegen fein, ihre Theilnahme daran zu bethätigen, da es 
ige zugleih darauf ankam, jeden Verdacht der früheren Eiferfucht gegen 
bie Forfchungsreifen anderer Engländer Am arktifchen Amerifa fern zu 
halten. Indeß läßt fih doch wohl denken, daß Rae bei jenen fo Höchft 
mißlihen Unternehmungen für Franklin, welchen er unter großen Auf 
opferungen, aber dennoch ohne pofitive Erfolge fi) gegen fünf Jahr ge 
widmet hat, mit Borliebe und ſelbſt mit Berlangen nach dem unters 
brochenen Werke in Boothia⸗Land ſich zurüdfehnt. Indem es jet 
dahin fam, daß er fich ver Vollendung dieſes Werkes wieder zuwenden 
follte, war ihm zu Muthe, als ob er damit der Angelegenheit Frank⸗ 
lin's gänzlich entfrembet würde. Durchdrungen von diefem Borurtheil 
legt er in einer Zufchrift an die Admiralität vom 29. Juni 1852 wie 
zum Abfchiede eine Reihe von Rathſchlaͤgen nieder, in welchen er quf 
den Plan einging, den Strich des weſtlichen Wollafton nach Rorden 
hinauf Bid zum Banksland nach den Schiffen von Gollinfon und M’Elure, 
deren Anfunft in jenen Gegenden ihm noch nicht befannt war, zu durch⸗ 
fuden. Bon viefen Zeitpunkt an nahm er fodann feine Arbeiten zur 
Erkundung des BoothiasLandes von Neuem auf. 


3) Die arttifche Reife des Dr. Race 1853 — 54"). 


Sobald Rae am 15. Aug. 1853 bei der Stelle feines früheren Win- 
terlager8 an ber RepulfesBai wieder angelommen war und bie nöthis 
gen Borbereitungen für den kommenden Winter getroffen Hatte, ergab 
fi) am 1. September, daß der Vorrat) an Lebensmitteln nur noch auf 
3 Monate ausreicht. Er machte feinen Gefährten aus den Schiwies 
tigfeiten und Gefahren dieſer Lage fein Geheimniß, und ftellte jedem 
frei, zurüdzufehren. Die Männer erklärten fich jedoch ohne Ausnahme 
feſt entfchlofien, bei ihm auszuharren, und boten zunaͤchſt Alles auf, 
um Nahrungsmittel und Brennholz zu erlangen. Und ſowohl die Jagd, 
als auch der Fifchfang zeigten fich fehr ergiebig, Gegen Ende des 
Monats September hatten fie 54 Baar Schneehühner, 109 Rennthiere, 
einen Bifamftier, einen Seehund erlegt, und etwa 100 Salme gefangen. 


1) Man vgl. den Brief Rae’s an den Gouv. ber Hubfons:Bai: Comp. Sir 
George Simpfon (u. A. abgedruckt in "The Gevugraphical and Commercial Gazette 
Vol. I. No.1. Januar 1855) und London Hlustr. News 28. October 1866. 


8 8. Brandes: 


Am 28. October zeigte der Schnee die zum Bau eines Schnechaufes 
erforderliche Härte; fo daß die Mannfchaft fortan nicht mehr auf das 
Hägliche Obbach ihrer Zelte befchränkt blieb. Wie fireng der Winter 
1883 fich auch zeigen mochte, fo empfanden die Männer doch in den 
Schneehäufern bei Weitem nicht jene Kälte, von welcher fie im Winter 
18% in dem von Rae dort erbauten Haufe (Hort Hope) fo viel aus⸗ 
zuftehen hatten. Bis zum 12. Januar legten fie, zuletzt jedoch ohne 
allen Erfolg, in den Seen ihre Nebe aus. Als Dr. Rae am 31. März 
1854 feine Fruͤhjahrs⸗Reiſe antrat, hatte er zuerft mit heftigen Stür- 
men, mit tiefem Schnee und Nebelwetter zu kaͤmpfen. Erft am 17. April 
erreichte er die fchon früher befuchte Pelly⸗Bai, weftlih der Simp- 
fons Halbinfel. Hier traf er mit einigen Esfimo zufammen, unter wels 
chen Einer in Folge der an ihn gerichteten Frage ausfagte, daß 10 bie 
12 Tagereifen weiter gegen Abend eine große Zahl, mindeftens AO 
weiße Männer, durch Mangel an Lebensmittel umgelommen wären !). 

Bon der Pelly⸗Bai nahm Rae feinen Weg über die im Werften 
ſich ausbreitende Landfchaft nach dem Bunfte ver arktifchen See, wo 
der Gaftor» und Pollux⸗Fluß einmündet, um von hier aus die noch 
unerforfchten Küftengebiete des Boothia⸗Landes nach Norden bin zu 


1) Ein zuerſt in der Daily News vom 23. October v. 3., fpäter aber auch ans 
berweit (3. B. in ber Eleinen Schrift The melancholy fate of Sir John Franklin 
p. V; — in Simmonds Franklin and the arctic regions. 6th edit. p. 257.) mitges 
theilter Auszug aus Mars Tagebuche enthält folgende Erzählung: Am 20. — ohne 
Zweifel iR der Monat „April“ gemeint — begegueten bie Meifenden einem fehr 
verfländigen Gekimo, der einen von Hunden gezogenen, mit Bifamftierfleifch belade⸗ 
nen Schlitten bei fi Hatte. Der Mann ließ fich bereit finden, auf zwei Tage mit 
ihnen zu gehen. Gr grub feine Ladung in den Schnee und nahm einen Theil des Ge⸗ 
paͤcks ber Meifenben auf feinen Schlüten, fo daß fie nun mit großer Leichtigkeit ihren 
Meg fortfeßen konnten. Dann trafen fie noch auf einen andern Cingebornen, der 
am vorhergehenden Tage auf den Seehundefang ausgegangen und, als er an dem⸗ 
felben Morgen das Schneehaus fand, in welden Rae fein Obdach gehabt Hatte, 
wie es fcheint aus einer gewifien natürlichen Nengier den Spuren ihres Schlittens 
nachgefolgt war. Diefer Dann zeigte fich fehr rebfelig (communicative). Auf bie 
Frage: ob er jemals weiße Männer, ober Schiffe, oder Böte gefehen? antwortete er 
verneinend. Zugleich aber fagte er aus: daß eine Anzahl Kablounans — dies ber 
@sfino s Ausbrud für „weiße Männer” — weit weitwärts jenfeits eines großen Fluſ⸗ 
ſes den Hungertod geftorben feien. Gr erörterte weiter, baß er den Ort ſelbſt, in- 
bem er biefen niemals befucht, nicht anzugeben wife, und auch nicht im Stande fei, 
die Reiſenden dahin zu begleiten. — Raum läßt ſich zweifeln, daß dieſe Kunde die 
erfte geweſen if, welche dem Rae über die Vermißten enigegenirat. 








Die Iehte Kunde über Branklin und feine Gefährten. 9 


bejchreiten. Bei diefem Borhaben hatte er einen Kampf mit den ver 
fhiedenften Hinderniſſen zu beftehen, wie er ihn auf allen feinen frü- 
heren Reifen niemals erlebt zu haben behauptet. Die Wege länge 
der an fich ſchon fehr unebenen Küfte waren bald durch ſchwer zu 
überflimmende Eismaffen verfperrt, bald mit tiefem Schnee bedeckt; dazu 
fam ber Ungeſtuͤm des finftern Sturm⸗ und Nebelmetters, welches 
einmal die Sonne fall 5 Tage hindurch dergeſtalt verfchleierte, daß 
Niemand während biefer ganzen Zeit auch nur ihren Stand anzugeben 
vermochte, während der Compaß durch die Nähe des magnetischen Pos 
led ganz unbrauchbar war. Dennoch hat Rae das Hauptziel feines 
Borhabens erreicht; denn indem er bis zu dem vom Bapt. James Roß 
im 3. 1830 entvedten Cap Porter hinauf vorbrang, war der Zwi⸗ 
ſchenraum des bis dahin ganz unbefannten Gebietes — innerhalb der 
von Capt. Bad im 3. 1833 und von Deafe und Simpfon im 9. 
1839 erreichten Punkte einerfeits, und der Entvedungen bes Gapt. 
Sir John Roß auf feiner zweiten arftifchen Expedition (1829 —33) 
andererfeits — von ibm burchmeflen. Es bedarf nur einer Verglei⸗ 
chung der neueften Admiralitätsfarte mit den früheren Darftellungen, 
um die geographifche Wichtigkeit diefer neuen Erfundung zu erfennen. 
Aber bier, obgleich nur wenige Tagereifen von der Bellotftraße ent 
fernt, fah er fich gemöthigt, feinem Vorbringen ein Ziel zu feen, und 
er fügte fih um fo eher in dieſe Nothwendigkeit, weil er die Unmögs 
lichkeit erkannte, jebt auf einmal feine ganze Aufgabe zu löfen!). Die 
Rüdreife zur Repulſe⸗Bai ging ungleich glüdlicher und ſchneller von 
Statten, da das Wetter um Vieles günftiger und die Labung des 
Schlitten leichter geworden war. Defto unangenehmer war es, als 
nach dem Wiedereintreffen an der Repulfe-Bai (26. Mai) den bie- 
herigen milden Tagen eine Die Monate Juni und Juli hindurch ans 
haltende Kalte Temperatur folgte, und erft mit dem Anfang des Aus 
guft auf dem dort eingefrornen Bote die Rüdfahrt nach York Factory 
angetreten werben Fonnte. 

1) Seltfam iſt es, daß Rae an biefer Stelle feines Briefes an Simpfon es 
unterläßt, die entdeckten Nachrichten über Franklin ımb feine Gefährten als ein Mo⸗ 
tin feiner Mücdkehe auch nur anzuführen. Bel der Verwaltung ber Hudſonsbai⸗Ge⸗ 
ſellſchaft, welche flets die lebhafteſte Theilnahme für die Angelegenheiten der Vers 


mißten beihätigt und den Dr. Rae auf 4— 5 Jahre beurlaubt hatte, Hätte dies doch 
ſicher Teinen Auftoß erregen können. 


10 KR. Brandes: 


a) Rae's Botſchaft über die legten Schidfale eines Theile 
der SranflinsErpedition. 


Es konnte faum anders fein, ald daß Rae aufs Aeußerſte be 
teoffen wurde, in diefem bei den Rachfuchungen bisher ganz außer Ob» 
acht gelaffenen Territorium auf Nachrichten und Audfagen zu ftoßen, die 
eine unausfprechlich furchtbare, aber gleichwohl unzweifelhafte Aufklärung 
über das Ende eines Theild der Branklin’fchen Mannfchaften enthiels 
tm. Im Eingange feines Berichts an die Admiralität erwähnt er 
jener Begegnung in der Pelly⸗Bai, bei welcher er von einem ber dort 
angetroffenen Esfimo die erfte dunkle Kunde fchöpfte, daß eine Anzahl 
weißer Männer an einer entlegenen Stelle im Weften, jenfeits eines 
mit vielen Waflerfälen und Stromfchnellen dahintreibenden Ylufies, 
den Hungertod geftorben fei. Er fcheint dieſe Nachrichten anfangs 
nicht ohne Mißtrauen und Bedenken aufgenommen zu haben. Allein 
indem er feinen Weg weiter fortfepte und dem Schauplaße jener Scene 
näher kam, gelang es ihm nicht blos an verfchiedenen Punkten man- 
nichfaltige Auskunft zu gewinnen, fonbern auch eine Anzahl von Ges 
genfländen einzuhandeln, welche über den entfegensvollen Untergang 
einer Abtheilung, und vielleicht aller damals noch lebenden Mitglieder 
der vermißten Erpebition feinen Zweifel übrig ließen. 

Pergegenwärtigen wir und zunäcdft die wejentlichen Thatfachen 
des an die Admiralität erflatteten Berichts feiner Ermittelungen. Sie 
umfaflen zwei durch die Zwiſchenzeit einiger Wochen und durch eine 
nicht genau zu beftimmende Entfernung getrennte Scenen. 


1) Bier Jahre vorher (im Frühlinge 1850) Hatten einige Eefimo, die in ber 
Nähe des nördlichen Geſtades der King Williams -Infel auf den Mobbenfang aus: 
gegangen waren, weiße Männer, etwa 40 an ber Zahl, über das Eis dem Süben 
zu wandernd gefehen, indem fie ein Boot mit fih führten. Niemand unter ihnen 
vermochte die Eekimo- Sprache verflänblich zu ſprechen; fie konnten durch Zeichen 
nur zu verſtehen geben, daß ihre Schiffe (ober „ihr Schiff”) im Giſe gerträmmert waren, 
und daß fie nad) Gegenden gingen, in welchen fie Wild erlegen zu können erwar⸗ 
teten. Mit Ausnahme des Anführers waren Alle augenfcheinlich in einem elenden 
Zuſtande; es ließ ſich vermuihen, daß fie Mangel an Lebensmitteln litten; fie er: 
handelten von den Bingeborenen eine Eleine Robbe. 

2) Einige Wochen hiernach, als bie Jahreszeit etwas weiter vorgerüdt, jedoch 
der Aufbruch des Giſes no nicht erfolgt war, mwurben dreißig Leichuame weißer 
Männer an ber Küfte des amerilanifchen Kontinents eine ſtarke Tagereife im Nord⸗ 
Weften eines großen Fluſſes, und bazu fünf andere auf einer nahe liegenden Sufel 








Die lebte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 1 


gefunden. Gine Bergleichung der Angabe über diefe Dertlichtelt mit dem Berichte 
des Bapt. Bad über feine Reife in den 3. 1833 — 35 wies unverkennbar auf das 
Seftadetiefland in ber Nahbarfchaft des Point Ogle und auf die Infel Montreal 
bin. Einige unter den Leichnamen — «6 mochten dies die zuerft Geſtorbenen fein — 
waren zur Erde beſtattet. Die übrigen Tagen theils im Belt (ober „tn Zelten“), 
theils unter dem Bote, welches wie zum fchügenden Obdach über den Tobten um: 
gelegt war, theils auch einzeln zerftreuet, bie und da, in verjchledenen Richtungen. 
Unter den Leibern auf der Infel glaubten die Wilden einen Anführer zu erfennen, denn 
fie fanden ein Fernrohr um feine Schultern gebunden und unter ihm Iag eine Doppels 
flinte. Aus dem zerfehten Zuflande einiger biefer Leichname und dem Inhalt der 
neben ihnen noch befindlichen Kefiel folgerten fie, daß die zuletzt noch Ueberlebenden 
unter der Berzweiflung ihrer Qual dem Gannibalismus verfallen fein mußten. 


Es ergab ih, daß die Männer einen beträchtlihen Vorrath von Pulver in 
Faßchen oder Kiften mit fich führten, der von ben Gelimo’s am Boden ausgefchüttet 
wurde. Wnßerbem war ein Quantum Kugeln und Schrot, innerhalb ber Grenz⸗ 
linie des hohen Waſſerſtandes aufgefunden, — die Unglüdlichen mögen es nahe bem 
Uferrande auf dem Ciſe ftehen gelaffen haben. Kerner muß eine Anzahl Uhren, 
Compaffe, Yernröhre, Flinten vorgefunden und von den Wilden in Keine Stücke 
zerbrochen oder auseinander genommen fein, da Fragmente biefer Artifel nebſt ſilber⸗ 
nen Löffeln und Gabeln von Rae weit und breit entdeckt und, ſoviel er vermochte, 
eingelauft wurben. 


Jene Erzählungen der Wilden, wie herzzerreißend und erfchütternd 
fie find, bewegen fich augenfällig in einer großen Unbeftimmtheit und 
Mangelhaftigkeit. Schon der Umftand, daß fie abermals auf Esfimo- 
Ausfagen beruhten, die im Berlauf der Nachſuchungen jo manche bittere 
Täaufchung gebracht, reichte Hin, um fie zu verdaͤchtigen. Es erfchien 
ihrer Glaubwürdigkeit entfchieven ungünflig, daß Rae, wie er in feinem 
Berichte ausprüdlich jagt, niemals und nirgend unmittelbare Augenzeus 
gen der gefchilverten Scene angetroffen hatte. Alles was er über den 
Hergang zu ermitteln vermochte, gründete ſich auf Hörenfagen, auf 
Nachrichten aus zweiter Hand, die ihm wiederum nur durch den Mund 
des Dolmetfchers zugänglich wurden, da er der Eskimo⸗Sprache nicht 
mächtig war. Und auch auf diefem Wege wurben ihm Feine Haren und 
beftimmten Angaben, fondern nur andentende Bezeichnungen über Ort 
und Zeit der Kataftropfe. Der Ort des Zufammentreffend der uns _ 
gefähr vierzig Männer mit den auf Seehundsfang ausgegangenen Es⸗ 
fino’® wird von Rae als die Infel King Williams» Land angegeben; 
allein er fagt nicht, daß die Eskimo diefe Infel ausdruͤcklich genannt. 
Es iſt Höchft bedenklich, bei einem wilden Wolfe beflimmte geogra- 
phifche Bezeichnungen über umfangreiche Landbildungen vorauszuſetzen, 


. Da mm 


12 8. Brandes: 


bie von ihm felbft nicht befucht find. Dazu konnte die Unbefanntfchaft 
mit der Sprache allerlei Mißverftändniffe hervorbringen. Die Zahlen 
„vierzig“, „vreißig” bieten feinen zuverläffigen Anhalt; es wäre von 
ber größten Wichtigfeit gewefen, wenn Rae den Gang ber Unterre- 
dung, aus welchem er diefe Angaben gefchöpft hat, anfchaulich bezeichnet 
hätte. Auch die Notiz, daß die Begegnungen im Jahre 1850 fich ereig- 
net haben, giebt fich nicht als Relation einer einfachen Ausfage, fon- 
dern als Ergebniß eines durch allerlei Berechnungen und Eombina- 
tionen gewonnenen Wahrfcheinlichkeitsfchluffes. 

Daher wenden wir und zuvörberft zu den von Rae überbrachten 
Gegenftänden, ohne welche feine Erzählungen jedes ficheren Fundamen⸗ 
tes entbehren würden. Yolgendes ift das nad) der Reihenfolge in ben 
offiziellen Liſten der Offiziere und Mannfchaften des Erebus und Ters 
tor geordnete Verzeichniß derfelben '): 


L Bon dem Schiffe „Erebus“. 


1) Eine ovalrunde filberne Platte, ſcheinbar Knopfzierde eines Spazierſtocks, 
mit eingravirtem vollen Namen ihres Beftgers „Sir John Franklin“. 

2) Eine filberne Defiert-&abel mit dem Stempel eines aufwärts gerichteten 
Delphinkopfes zwifchen zwei nad) beiden Gelten auseinander gehenden Lorbeerſtengeln 
(Zamilienwappen Franflin’s). 

3) Capt. Franklin's Guelphenorben, als foldher Eenntlih duch das Zeichen 
»G. R. IH. 1815«. 

4) Eine filberne Tiſchgabel mit den Initialen »J. F.«, wahrſcheinlich Gigen- 
ihum bes muthvollen und von Franklin befonbers werih gehaltenen Commander James 
Fitzjames 2). 

5) Ein filberner Eßloͤffel und 6) eine filberne Tiſchgabel — auf beiden eine 
Taube mit einem Dlivenzweige im Schnabel, das Familienwappen bes Sten Lient. 
bes Brebus Fairholme eingravirt. 

7) Gine filberne Tifchgabel mit den Buchſtaben »H. D. S. G.«, unzweifelhaft 
Gigenthum des ftellvertretenden (acting) Sehilfs- Arztes Harıy D. S. Goodſir. 

8) Eine filberne Tifchgabel, mit einem Delphinkopf auf zwei nad) ber rechten 


1) Die vollkändige Perſonal⸗Liſte der Franklin: Erpebition hat Simmonds 
a. a. O. p. 273— 76 abbruden laffen. 

2) Mir folgen bei diefer Annahme ber Notiz in dem neueften Hefte ber Bier: 
teljahrsſchrift North American Review (Vol. 80 und No. 167 p. 339). Faſt alle 
englifhen Angaben haben die Lesart »J. T.«, bie entweder auf den Oberheizer bes 
„Terror“ John Torrington, befien Grabmal im 3. 1850 auf der Beechey⸗Juſel ges 
funden wurde, ober auf den Schügen deffelben Schiffes, James Thompſon, gebentei 
werben müßte. Allein bei biefen beiden Mitgliedern der Exrpebition läßt ſich aus 
Rückſicht auf deren Stellung der Beflg einer filbernen Babel kaum vorausfehen. 











Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 13 


und linfen Getie hin ansgebseiteten Fittigen, ala Familienzeichen bes erſten Gteuer- 
manns Robert D. Sergeant erkannt. 
U. Bon den Schiffe „Zerror*. 


9— 11) Drei ſilberne Tiſchgabeln mit den Buchflaben »F. R. M. C.«, unver 
fennbar den Gapt. Francis R. M. Erozier Commander des Terror anzeigenb, 

12) Ein filberner Deffert> Löffel, duch die Buchſtaben »G. A. M.« als Gigen- 
tum bes zweiten Steuermanns A. Mac Been Eenntlich. 

13) Eine filberne Tiſchgabel, an den Buchſtaben »J. S. P.« als ' Eigentum 
des fiellvertretenden Arztes Sohn ©. Peddie erkannt. 

14) Eine filberne Gabel, durch die Buchſtaben »A. Me. D.« ale Cigenthum 
des Gehilfs⸗Arztes Alerander Mac Donald kennilich. 


Die Gegenſtaͤnde wurden in jenen Tagen zu London von Tau⸗ 
ſenden in Augenſchein genommen und der genaueſten Pruͤfung unter⸗ 
worfen. Unter allen denjenigen, welche ſie geſehen, hat Niemand es 
jemals bezweifelt, daß ſie von der Expedition des Erebus und Terror 
herrührten. Vielmehr iſt allgemein anerkannt, daß ed unmöglich fei, 
neben ſolchen thatfächlicden Zeugnifien die mitgetheilten Eslimo⸗Aus⸗ 
fagen noch als leere Gerüchte und Haltlofe Täufchungen zu mißach⸗ 
ten. Angefichts einer derartigen pofitiven Beglaubigung leitete eine 
Anzahl anderer Artikel, die theild Feine Kennzeichen der früheren Eis 
genthümer trugen (3. B. gegen zwei Dutzend filberne Löffeln und 
Gabeln, vier Mefjer, Geldſtücke), theils als Fragmente verftümmelter 
Inſtrumente und Geräthichaften erfannt wurden (3. B. ein golbener 
Ehronometer ohne Gehaͤuſe, Meberrefte eines Fernrohrs), mit größter 
Wahrfcheinlichkeit auf denfelben Urſprung. Nichts war zunaͤchſt un⸗ 
erflärlicher, als die Art und Welle, wie fo viele und mancherlei Stüde 
in die Hände der Wilden gefallen fein mochten, und die Kügung, Durch 
welche grade fo viele bezeichnungsvolle Beftandtheile aus dem Beſitz 
der Bermißten ihren Weg fo weithin von dem Schauplage des endli⸗ 
chen Erliegens der Unglüdlichen gefunden hatten. An dieſe Betrach⸗ 
tungen fnüpften fich weiter unzählige andere Fragen, Gombinationen 
und Vermuthungen. 

Rae Hatte den obigen an die Admiralitat überreichten Bericht ſo⸗ 
gleich auch der englifchen Zeitung „Times“ mit einer Zufchrift über- 
fandt, welche einige nicht unerhebliche Bemerfungen barbietet. Er vers 
fichert aufs nachbrüdlichfte, daß nach allem, was er gehört und gefehen, 
auch nicht der geringfte Grund zu dem Gedanken vorhanden fei, als 








14 R. Brandee: - 


ob jene Berunglüdten durch eine Gewaltthat der Eingeborenen umges 
bracht fein Eönnten. Er fpricht die Meberzeugung aus, daß fie eines 
jammervollen Hungertodes geftorben fein und daß die Kälte ein fol- 
ches Ende unfehlbar bejchleunigt und unvermeidlicher gemacht haben 


müßte. Aus den Erzählungen der Eskimo bringt er noch folgende 
Umſtaͤnde bei: Die auf der großen Infel (King Wiliams-Land) er 


blickte Schaar nahm ihren Weg längs dem Weftrande nach Süden zu. 


Alle Männer, mit Ausnahme des Offizierd, zogen an den-Striden des - 


Schlittens, auf welchem das Boot lag. Unter den einige Wochen ſpaͤ⸗ 
tee in einer füblichen Gegend, auf dem amerifanifchen Continent, ent 
deckten Leichnamen wurden einige entkleidet angetroffen, andere Dagegen, 


welche jene überlebt haben mußten, lagen in zweifacher und breifacher 


Kleivung Hingeftredt. Sämmtliche überbrachte Gegenftände wurden ale 
Zierrath oder Schmud an den Esfimo’s entvedt; fie hatten die Gelb: 
ſtuͤcke vurchlöchert und trugen fie an Bändern. Ihren Erzählungen zufolge 
follte auch eine Anzahl von Büchern bei den erflarrten Leibern vorfind- 
lich gewefen fein, Die aber, von den Findern entweder vernichtet oder 
außer Acht gelafien wären. Indeſſen fcheint Rae den von ihm gemachten 
Erfahrungen zufolge, auf die natürliche Bevachtfamfeit und Sorgfalt 
diefer Wilden die beften Hoffnungen zu fegen, und er zweifelt nicht, 
daß faft alles, was jene Abtheilung der Vermißten in jenen Gegenden 
hinterlaffen, fich noch werde auftreiben lafien. Er habe fich, verfichert 
er, damals nicht in der Lage befunden, feine Nachforfehungen weiter 
auszudehnen: da ihm weſentlich darauf anfam, mit feiner Botfchaft 


heimwärtd zu eilen und da jede längere Verzögerung der Rückkehr 
ihn der Gefahr ausgefeht haben würde, noch einen zweiten Winter in 


feinen Schneehäufern zubringen zu müflfen. Zugleich ftellt er nähere 


Fittheilungen für feinen Bericht an die HubfonsbaisGefellfchaft in | 
Ausſicht, Die indeß, fo viel und befannt, bis jegt noch nicht an die 


Oeffentlichfeit gelangt find "). 


1) 88 ift kaum denkbar, daß Mae Hiermit auf ven vom 4. September aus Dort 


Bactory datirten, an den Bouverneur des Hubfonsbai- Territoriums, Sie George | 


Simpſon, gerichteten Brief Hingebeutet haben follte, da bie in demſelben enthaltenen 
Müttheilungen über die verunglüdte Mannfchaft mit dem obigen Bericht an bie Ad⸗ 
miralität vom 29. Juli aus der Repulfe-Bai, abgefehen von einigen unbebeutenden 
Abweichungen und Sufäpen, im Auedruck wörtlich übereinfimmen. 








Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 15 


Bei der fieberhaften Aufregung, mit welcher die engeren Kreife 
der Angehörigen und Freunde der Vermißten und bei der lebhaften 
Spannung, mit welcher Die ganze gebildete Welt in Folge einer fol- 
hen Kunde der Aufhellung des endlichen Schickſals der Angehörigen 
entgegenjah, läßt es fih kaum erflären, weshalb die Mittheilungen 
nicht im einer befriedigenderen, auf die Einzeinheiten mit Klarheit, Schärfe 
und mit ber erforderlichen Ausführlichkeit eingehenden Darftellung dar⸗ 
geboten wurden, und daß es erft mancher dringenden Anfragen und 
ſelbſt gehäffiger Vorwürfe beburfte, um einige weiter führende Erör- 
terungen und Motivirungen der von Rae gehegten Anfchauung zu er 
ringen. 


5) Beurtheilung der Nachrichten und Anfichten des 
Dr. Race. 


Was wir an den Nachrichten des Dr. Rae vor Allem vermiſſen, 
iſt die nähere Auskunft über die Orte, die genaue Aufzählung und 
Bezeichnung der PBerfonen, bei welchen bie verfchiedenen Gegenſtaͤnde 
aus dem Befib der verfchollenen Erpebition entvedt, und von welchen 
die Ausfagen, deren Beziehung auf einen Theil der vermißten Mann 
fhaften fo nahe liegt, aufgenommen wurden. Angaben bdiefer Art find 
ein unbebingtes Erforderniß, wenn wir in den Stand gefebt fein fol- 
len, über den Grab der Glaubwürbigfeit jener Erzählungen ung ein 
beftimmteres Urtheil zu bilden. Es iſt von ber höchften Erheblichkeit zu 
wiffen, mit wie vielen PBerfonen oder Gruppen der Eingeborenen, bie 
ihm der Zufall unterwegs entgegenführte, und an welchen Stellen ſei⸗ 
ner Reife Rae hierüber in Verkehr getreten if? ob die Berichte der 
verfchiedenen Erzähler in den Thatfachen übereinflimmen, oder ob fie 
und in wiefern mehr oder weniger von einander abweichen? Unſtrei⸗ 
tig zwar bat fich Rae, foweit wir über ihn urtheilen können, als einen 
gebiegenen und Faren Mann, ald einen überaus tüchtigen, verftänbi- 
gen und zuverläffigen Reifenden bewährt. Zumal für die Gegenden, 
aus welchen er die erfchütternde Kunde nach England brachte, iſt er 
als erfte Autorität zu betrachten. Allein bei einer Angelegenheit von 
einem fo allgemeinen, das menschliche Herz fo tief ergreifenden Ins 
terefie ift Doch nichts natürlicher ald das Verlangen, den Urſprung 
und die Entwidelung der ausgefprochenen Anficht Schritt um Schritt 





16 K. Brandes: - 


verfolgen, die Grundlage auf welcher fie erbaut ift, und bie Fäden, 
welche in ihr zufammenlaufen, in moͤglichſt vollſtaͤndiger Unmittelbarkeit 
fich zur Anfchauung bringen zu fünnen. — Wir wollen den Berfuch was 
gen, nach Maßgabe der befannt geworbenen Thatfachen und Umſtaͤnde 
über Ort und Zeit des vermeintlichen GErliegend der verunglüdten 
Schaar eine nähere Verftändigung anzubahnen. 

Rae ift dem von ihm vermutheten Schauplaße jener grauenvollen 
Katafteophe, fo viel ſich aus feinen Berichten entnehmen läßt, am naͤch⸗ 
fien gewefen, als ex ungefähr im Anfang ber legten Aprilmoche 1854") 
bei der Mündung des Caſtor⸗ und Pollux⸗Fluſſes, gute 60 englifche 
Meilen weftlich von der Pelly⸗Bai, die Erkundung der Weſtkuͤſte von 
BoothinsLand begann. Bon diefem Punkte aus Haben Deaſe und 
Simpfon mit ihren Böten — noch dazu auf dem Umwege über Cap 
Britannia und bei minder günfligem Winde — in faum zwei Tagen 
(vom 20— 22. Auguft 1839) die Küftenlandfchaft erreicht, welche 
als Wahlftatt der Kataftrophe bezeichnet wird. Es laßt ſich anneh⸗ 
men, daß Rae bei feinem Eintreffen an jenem PBunfte noch nicht im 
Beſitz der ungweifelhafteften Zeugniffe oder auch nur beftimmter An- 
haltspunfte der bis dahin mitgetheilten Erzählungen geweſen ift, da er 
fonft gewiß alles aufgeboten Haben würde, um vor dem Aufgehen des 
Eifed an jene verhängnißvolle Stätte zu gelangen ?). 


1) Die genaue Angabe bes Datums fehlt; es ergiebt fi aus ben verſchiebe⸗ 
nen Mittheilungen nur, daß Rae am 17. April in Pelly-Bai ankam, daß er am 
20. in der Nähe die erfle Kunde von umgekommenen weißen Männern erhielt, und 
baß er am 26. Mai bereits bie Ruͤckreiſe von Cap Porter nach der Repulſe⸗Bai 
vollendet Hatte. 

2) Der Ginfender einer Zufchrift an die »Times« (mit der Chiffre E. J. H.; 
in dem Blatte vom 30. October v. 3.) giebt fi als den Bruder eines auf 
dem „Terror unter Segel gegangenen Offiziere zu erfennen, macht es dem Dr. 
Mae zum bittern Vorhalt, daß er fih von der Michtigfeit der Gekimo » Berichte 
nicht an Ort und Stelle überzeugt, und bafür auf unzuverläfftge Kundſchaft hin Er⸗ 
zählungen von fo vagem Charakter in Umlauf geſetzt Habe, die ſchon mit Müdkficht 
auf ihre furchtbare Wirkung bei den Angehörigen und Freunden ber Vermißten beffer 
ganz verfchtwiegen geblieben wären. — Auf biefen Angriff erwiedert Mae fogleich am 
folgenden Tage (Times, 31. October), daß er die von ihm geforberte Nachforfchung 
ohne befondere Schwierigkeit hätte ausführen Fönnen; allein ein zweiter Winterauf: 
enthalt in der Repulſe-Bai wäre dann unvermeiblich gewefen. Ihm Habe jedoch 
nichts mehr am Herzen gelegen, als biefe unzweifelbaften Nachrichten von dem Un⸗ 
tergang der über weite Strecken bin fo lange vergebens gefuchten Mannſchaft nach 














Die Iepte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 17 


Die Ermittelung der angegebenen Dertlichleiten des Tobestampfes 
ber Berunglüdten gründet fi, wie wir fahen, nicht auf namentliche 
Bezeichnung ber Erzähler, fondern. auf Combinationen des Dr. Rae. 
Die Eingeborenen befchrieben die Anzahl der Flüffe, welche zu übers 
fpreiten waren, ehe man zu dem großen Strom gelangt, in welchem 
er den Großen Fiſchfluß erfannte und fchilderten befien weftliche Um⸗ 
gebungen als flaches, von allen Anhöhen entblößtes Geſtadeland ). — 
Allein Angaben diefer Art behalten immer etwas unficheres; zumal in 
Landfchaften, deren Oberflächenbilvung fo wenig befannt ift und in wel⸗ 
hen der Begriff „lu“ kaum recht Har zu machen fein möchte: Der 
Unterfchieb zwifchen ben dortigen Heinen Küftenflüffen und dem Großen 
Fiſchſtrom ift fo groß, daß ein uncultivirted Naturvolt kaum beide uns 
ter einem Namen begreifen wird. Endlich ift auch die Weſtſeite des 
Meerbufens, durch welchen der Große Fiſchfluß einmündet, nicht ganz 
ohne Anhöhen; e8 wurde dort von Capt. Bad der „Mount Barrow“ 
benannt und „ein kuͤhnes Felſengeſtade“, wiewohl nur zu der Höhe von 
50 Fuß emporfleigend, beobachtet). Zudem wird die Unzuverläffigkeit 
aller diefer Angaben noch durch den Umftand vermehrt, daß unter den 
Esfimo, welchen Rae begegnete, Feiner jemald an Ort und Stelle war. 

Allein es laßt fich doch fchwerlich denken, daß ein fo erfahrner 
Reifender, wie Dr. Rae, über die Richtung und Gegend, aus welcher 
die von ihm entdedten Artikel Herfamen, fich ganz getäufcht Haben 
follte. Vielmehr drängt füch die Beobachtung auf, daß die letztern, we⸗ 
nigftend damals, noch nicht weithin verbreitet worden waren. Da die 
Eskimo befanntlih nur auf einem ſchmalen Strid an der Nordfüfte 


England zu überbringen, damit abermalige Ausrüftungen und neue Opfer von Mens 
ſchenleben bei erneuten Rettungsverfuchen in Gegenden erfpart würben, bie weit von 
dem Berbleib der Vermißten entlegen waren. — Erinnern wir uns hierbei, daß Mae 
unter günfligem Wetter ſchon im Mai 1854 wieder in Repulſe-Bai eintraf und daß 
er dort noch zwei lange Monate thatenlos dem Aufgange des Eifes entgegenharsen 
mußte, fo werden wir kaum umhin fönnen, es zu bedauern, daß biefe Zeit nicht 
einem fofortigen Betriebe authentifcher Nachforſchungen gewidmet werden Tonnte. 

2) Diefe Erklärung hat Mae am 13. Nov. v. 3. in ber Sitzung ber Royal 
Geographical Society zu London gegeben. Vgl. Daily News 15. Rov. und Sims 
monde a.a.D. p. 262. 

2) King Arctic Voyage II. 68. Auf ber Karte des Capt. Bad erſcheint bie 
Weſtſeite der Mündung bes Gr. Fifchfl. noch von den »Chantrey mountains« und von 
der » Queen Adelaide range« umgürtet. 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 2 


18 K. Brandes: 


ded amerifanifchen Continents und ben vorgelagerten Infeln umher⸗ 
fireifen, ba fie mit dem weiter ſüdwaͤrts ſich ausbreitenden Indianern 
in größter Feindſchaft leben, Fommt es lediglich darauf an, zu ermit- 
ten, ob Gegenftände oder Geräthe weiter im Often oder Ins Wellen 
fich gegeigt haben. Und Hierbei treten uns folgende zwei wichtige nes 
gative Ergebniffe entgegen: 1) Rae traf in ben Gegenden von der 
Repulſe⸗Bai bis zur Pelly⸗Bai — während ber erften 18 Tagereifen 
— auf feine Spur, obgleich Erzählungen und Gerüchte biefer Art in 
Gebieten, wo die Eingeborenen noch nie weiße Menfchen gefehen hat⸗ 
ten, und wo ungewöhnliche Greigniffe fo felten find, die Aufmerkſam⸗ 
feit in hohem Grade hätten auf fich ziehen müffen. — 2) In Victoria⸗ 
Land war weder von Rae im 3. 1851, noch von Collinſon — defien 
Schiff Enterprife ven Winter 1852 —53 in der Cambridge⸗Bai ein, 
gefroren lag, und der Im folgenden Fruͤhjahr die Oftfüfte von Victoria: 
Land (der Infel King William⸗Land gegenüber) ausgekundſchaftet und 
aufgenommen hat, — eine Spur der erzählten Kataflrophe entdedt '). 
Hierbei iſt noch zu bemerken, daß die Eingeborenen auf Bictoria Land 
mit Ihren Stammesgenofien auf dem gegenüberliegenven Bontinent in 
Verbindung ftehen, mithin auch dort bis dahin Feine Spuren der Bew 
mißten befannt geworben fein konnten. — Durch diefe Beobachtungen 
gereinnt die Ausfage, daß die fchiffbrüdige Schaar auf dem King 
Williams⸗Land erfihienen und von da fünwärts über die Simpfon- 
Straße nach der AdelalvesHalbinfel gegangen fei, in fofern eine ge 


») Mae fand indeß bei der Barker: Bai, 68° 62 N. Br. und 103°20W. Br, 
am 20. Aug. 1851 einen etwas über 5 Fuß langen Fichtenſtab, an welchem in ber 
Mitte ein Flicken weißes Leinen, wie zun Befag, mit Heinen Eupfernen Nägeln bes 
feftigt war, vermuthlich das Endſtück einer englifchen Flaggenſtange, denn fowohl 
ver Stab, ale auch Leinen uud Nägel, trugen den Gtenmel ber englifchen Regierung. 
Ferner fand er nur % engl. Meile davon entfernt ein gegen 4 Buß langes, 3 Zoll 
Breites und bides, offenbar für irgend einen Zweck bearbeitetes und durchlöchertes 
Gtäd Cichenholz. Lieber beide Segenflände, die von Nord⸗Somerſet herabgefpült zu 
fein fchienen, vermochte er jedoch Feine Auskunft zu erlangen (vgl. Parl. Papers 1852 
Vol. 5. Report of the proceedings under Dr. Rae p. 8). — Gollinfon bat brieflichen 
Nachrichten zufolge aus der Cambridge⸗Bai ein Bragment von einer Flügelihür mit 
dem Wappen der Königin Bictoria mitgebracht, welches vom Erebus und Terror 
berzurübren fehlen. Allein auch biefer Fund kann nicht zu weiten Erusittelungen 
geführt Haben, da bie über Gollinfon bis feßt veröffentlichten Rachrichten mit dem 
Ausipruch begleitet find, daß er Feine Spur der Bermißten aufgefunden. 


Die legte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 49 


wifle Betätigung, ald dieſe Gegenden zwifchen Victoria⸗Land und ber 
Pelly⸗Bai liegen. 

Zur Ermittelung der Zeit, in welche die Linfunft der Mann 
ſchaften auf dem King Williams⸗Land oder ihr Ende auf der Ade⸗ 
laide- Halbinfel fällt, bieten vie aufgefundenen Artikel feinen rechten 
Anhaltepunf. An ſich erfcheint es auf ben erſten Bid nicht recht 
annehmbar, daß fo viele Gegenftände, die bei wilden Voͤlkern doch 
mehr nur den augenblidlichen und fchnell vorübergehenden Reiz ver 
Neuheit als dauernde Freude am Beſitz gewähren konnten, lange auf 
einen. verhältnigmäßig Fleinen Theil dieſer fpärlich bevölferten Land⸗ 
ſtriche concentrirt geblieben find, zumal da die Eingeborenen, wenn 
au nur in rohen Zügen, den Charakter eines wandernden Handels⸗ 
volks Haben und oft für ihren Unterhalt mit großem Mangel und mit 
furchtbarer Roth fümpfen müſſen. Bon viefem Geflchtspuntte aus 
würde die Gavißheit, daß Fein Stüd der Gegenftände bis zum Früh- 
jahr 1853 nad Victoria Land und bis zum J. 1854 nach der Pelly⸗) 
und Repulfe-Bat gelangt war, den Zeitpunft 1850 für die erfle Be- 
fisnahme feitens der Wilden auffallend früh erfcheinen laſſen. 

Rae theilt über die Merhode, durch welche ftch diefer von ihm be- 
zeichnete Zeitpumtt ergab, folgende charafterifiifche Ausfunft mit”). Er 
befragte die Esfimo, auf welche er traf, über die verfchiedenen Orte, 
wo fie den lebten, den vorlegten und fo weiter zurüd jeden Winter 
bis zum 9. 1849 zugebracht hätten? Aus ven Antworten auf dieſe 
Fragen ergab fich mit Zuverläffigfeit, daß ihre Erzählung in das Früh⸗ 
jahr 1850 fall. Man darf Hierbei nicht vergeffen, daß dieſe rohen 
Wilden für Zahlen feinen Sinn und feinen Begriff Haben. Es kam 
3 B. bei ihren weftlicheren, durch die Berührung mit Europiern mehr 
eultivirten Stammgenofien vor, daß einige Nägel gegen bie gleiche 
Anzahl Heiner gebadener Flſche verfauft werden follten. Diefer Hans 
dei ließ ſich auf feine andere Weile vollziehen, als dadurch, daß im- 
mer jeder einzelne Nagel gegen jeden einzelnen Fiſch ausgehändigt 


1) Wie wir fahen, traf Rae auf dem Wege von her Belly-Bai nach dem Ca⸗ 
flor- und Pollux⸗Fluſſe am 20. April neben mehrern andern Gingeborenen, denen 
das Ereigniß ganz fremb war, denjenigen, ber ihm die ecſte dunkle Kunde zubrachte. 

2) Bol. fein ale Cewiderung auf vielfache Anfragen und Cinwürfe art die Times 
gerichtetes Schreiben in der Nr. vom 7. Nov. p. 9. 


2* 





20 8. Brandes: 


wurbe. Wie wenig Einficht fie von Zeitrechnung haben und wie ihnen 
in dieſer Beziehung felbft alles Gedaͤchtniß fehlt, ergibt ſich aus ver 
Antwort eines Eskimo am Cap Warren auf die Nachfrage M'Clure's 
über die angebliche Ermordung eined weißen Mannes: „ES gefchah 
voriges Jahr, ober ald ih noch Kind war”). So erflärt fi, daß 
man von biefem Volke weit eher über den Monat, — fie rechnen und 
beobachten nach Mondwechſeln — ald über das Jahr einer Thatſache 
Auskunft erhält; fie Haben ihren Bären», Vogels, Fiſch⸗ und ihren 
Robbenmonat. In die Zeit des Robbenmonats, Ende April oder An- 
fang Mai, mußte die Begegnung der nach Süden wandernden Män- 
ner auf der Ring Williams-Infel fallen. 

Bei dieſer Befchaffenheit der Nachrichten des Dr. Rae dürfte es 
. nicht ohne Interefie fein, den Verlauf und die Ergebnifie der Nach⸗ 
fuchungs» Erpeditionen zu vergleichen. 

Die beiden Schiffe Erebus und Terror find bekanntlich am 26. 
Juli 1845 in der MelvillesBai zulebt gefehen. Erft im Jahre 1850 
— als der Annahme des Dr. Rae zufolge kein einziges Mitglied der 
Mannfchaft mehr am Leben war — wurden auf der Beechey⸗Inſel 
die Spuren ihres erſten Winterlagers entvedt. Es ift nicht zu zwei⸗ 
fein, daß beide Schiffe an diefem Geſtade eingefroren lagen, während 
die Mannfchaften im Winter 1845 — 46 und im folgenden Frübiaht 
theils die benachbarten Gegenden durchftreiften, theils dem Schiffe 
dienſt oblagen, oder mit der Ausbeflerung der erlittenen Schäden oder 
andrer Mängel an den Fahrzeugen befchäftigt waren, endlich eine Ans 
zahl auserlefener Mitglieder den von der Koͤnigl. Gefellfchaft zu Lon⸗ 
bon ihnen aufgetragenen Beobachtungen und Arbeiten nachhing. Allen 
Anzeichen nach ift die Erpedition damals noch in vollem Wohlbefinden, 
in Kraft und Gefundheit gewefen. Aus fpätern Ermittelungen ergiebt 
fih jedodh, daß der Sommer 1846 für die arktifche Schifffahrt fehr 
ungünſtig war, und es laßt daher fich faum denken, daß die beiden 
Schiffe vor Ende Juli wieder auf hoher See geivefen find. 

Wohin Franklin fi dann weiter wandte? — das iſt die viel 
fach erörterte Frage, über melde die Muthmaßungen weit auseinan- 


') M’Clure’s despatches 25. Aug. 1850 »it might be last year, or when I 
was a child.« 








Die Ichte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 21 


der gegangen find und im Laufe der lebten Jahre einen außerordent⸗ 
lichen Wechſel erfahren haben. Die früher faſt allgemein angenommene 
Anfieht, daß er ben WellingtonsGanal hinauf gegangen fei, erſchien 
ben von Rae überbradhten Zeugnifien gegenüber nicht mehr haltbar. Der 
Rückweg aus diefer Meeresfiraße würde die Expedition faſt unfehlbar 
nach den Küften von Rorb» Somerfet, dem Leopolds⸗Hafen u. ſ. w. ges 
fährt haben, wo ſeit 1848 Vorraͤthe und Nachrichten zu ihrem Empfang 
niedergelegt waren. — Der arktifche Veteran, Rear Admiral Sir John 
Roß if fo eben mit einer zweiten, fchon früher wenn gleich ſchwan⸗ 
fend gelegentlich von ihm gehußerten Anflcht hervorgetreten: Franklin 
fol im Laufe des erften Winter Aufenthalts auf der Beechey⸗Inſel 
die Schiffe als nicht zur arktifchen Seefahrt geeignet, feine Manns 
daft, da unter ihr nur zwei oder drei Mitglieder bie erforderlichen 
Kenntniffe und Erfahrungen befeflen hätten, als eine unglüdlich ge 
wählte, überhaupt feine ganze Ausräftung als verfehlt und für feine 
Aufgabe unangemeflen erfannt haben. Endlich fol er dadurch, daß 
die Goloner’fchen Proviantlieferungen ſich ganz verborben zeigten, zur 
fchleunigften Ruͤckkehr nach der Baffinsbai genöthigt worben fein‘). Allein 
diefe Säge find entweder unerwiefen oder ſtehen mit der herrichenden 
Ueberzeugung, mit allen befannten Thatfachen im ſtärkſten Widerfpruche. 
Wie die Mannfchaften vier Jahre lang an ber fo vielfach befuchten 
Baffins⸗Bai umhergeirtt fein, oder wie fie vom Wolftenholme-Sund 
ihren Rüdweg über King Williams» Land und Adelaide» Halbinfel ges 
fucht Haben follten, war vollends unerflärlih. In jener Sigung der 
geographifchen Gefellfchaft zu London am 13. November 1854, welche 
wefentlih der Verftändigung über die legten Schickſale Franklin's und 
über die zur definitiven Aufbellung derfelben zu ergreifenden Maßregeln 


5) Rear Admiral Sir John Franklin, A narrative of the circumstances and 
causes which led to tbe failure of the searching expeditions 1. f. w. By Rcar- 
Admiral Sir Jobn Ross. London bei Longmans 1855. 8. Die zuletzt ausgefpros 
dene Bermuthung ſcheint aus der Thatfache entfprungen zu fein, daß am 9. Juli 
1852 im Hafen Elarence bei der Behringeftrage 10570 Pfund eingemachtes Fleiſch, 
welches von Goldner am 10. Der. 1847 geliefert worden war, in völlig verborbenem 
Zuſtande gefunden und in das Meer gefchüttet wurden. Vgl. Parliam. Papers 1852 
—53. Vol. 60. Arctic exped. p. 66. — Nber es ift in Anfchlag zu bringen, daß 
diefe Borräthe auf jenem langſam fegelnden Schiffe zweimal die Linie paſſirt und 
bereits 4 Jahr 7 Monate gelagert Hatten. 


22 8. Brandes: 


gewidmet war, vermochte Niemand, fich mit biefer Meinung au bes 
freunden; fie wurde vielmehr als eine mit dem Charakter und der 
Pflichttreue Franklin's unvereinbare Berbächtigung und Anſchuldigung 
bezeichnet. 

Es bleibt noch die dritte Annahme übrig, daß Franklin von ber 
Beechey⸗Inſel aus weiter weftlich oder ſüdweſtlich nach dem großen 
MelvilesSund feinen Lauf richtete. Erinnern wie und nun, wie 
ungünftig die folgenden Jahre der arktiichen Schifffahrt geweſen find, 
wie Capt. James Roß im 3. 1848 nur wit der Außeriten Anftren- 
firengung bis zum Leopolds⸗Hafen fam, wie er dort erſt am 28. Aug. 
des 3. 1849 durch die mit Aufwand aller ihm zu Gebote ſtehenden 
Kräfte im Eife ausgehauenen Eanäle die hohe See wieder zu erreichen 
vermochte, wie ed auch hier fich fofort wieder von Eisfeldern umſchloſ⸗ 
fen und mit unwiderftehlicher Gewalt gen Often getrieben fah, — nehmen 
wir died Alles zufammen, fo wird e8 in hohem Grave mwahricheinlich, 
daß auch Franklin mit feinen Gefährten. in den noch unerforfchten Theilen 
ded Gr. MelpillesSundes unter langem vergeblichen Harren ſchwere 
Prüfungen und die äußerfien Drangfale zu beitehen hatte. Kam es 
dahin, daß die Schiffe entweder bei einer Untiefe oder im Packeiſe oder 
an einer Landbildung im Süden des Melvilles Sundes eingefroren wa⸗ 
ren, daß fie ein Jahr nach dem andern darüber hingehen fahen, ohne 
wieder eine offene See zu gewinnen, fo fonnte ihnen zuletzt feine andre 
Wahl bleiben, als wenigftens einen Theil der Mannfchaften nad) der 
Station der Hudſonsbai⸗Geſellſchaft in Nordamerifa zu entjenden, 

In welchem Zeitpunkte diefer legte Ausweg ergriffen wurde, iſt 
fchwer zu fagen. Immerhin bleibt daher beachtenswerth, daß bis Ende 
1850 feine ver ausgeſandten RettungssErpeditionen in jene Gegen⸗ 
den gefommen if. Hätte das Syſtem der erften Nachforfchungen plan» 
mäßig ausgeführt werden fünnen, wäre James Roß damals über Cap 
Walfer Hinausgelangt, wäre der Beel-Sund bis zum Cap Nicolai von 
feinen Mannſchaften ausgefundfchaftet, Hätte Nichardfon im Wollafton- 
und VictoriasLand fuchen und hier etwa im Frühjahr 1849 mit den 
Streifpartien des Invefligator zufammentreffen können, dann möchte 
aller menfhlichen Vermuthung nach das Rettungswerk zum Theil ges 
lungen fein). Aber wel ein Abftand zwifchen Entwürfen und Er: 

2) Jeht ergiebt fi, dag unter allen ven zahlreichen Rettungsplänen, welche 











Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 23 


folgen! Es ergiebt fih, daß in dem letzten Monat des Jahres 1849 
und in ber erſten Hälfte des folgenden ſaͤmmtliche Hülfe-Erpebitionen 
dem Melsille-Sund fern waren. Denn die Küftenfahrt des Lieut. Bullen 
von der Behrings⸗Straße bis zum Mackenzie 1849 blieb weit. außer 
dem Bereiche des Berbleibd der DVermißten; Dr. Rae war, nachdem 
er im Auguſt 1849 das BictoriasLand unerreichbar jenſeits der von 
toſendem Treibeis wogenden Meeresftraße gefehen, fchmerzlich in feinen 
Hoffnungen getäufcht nach Hort Confivence, James Roß nach England 
jzurüdgelehtt. Das Jahr 1850 wird abermals durch eine Reihe unzufant 
menhängender, mißlungner Verfuche bezeichnet. Lady Franklin hatte wie 
unter dem Antriebe einer tiefen Ahnung, ihrer Brigg die Nachfuchung 
an der Offüfte von Boothia⸗Land empfohlen; aber Forſyth ſah fich 
außer Stande, Prinz Regents Inlet zu durchfahren; er fehrte noch 
in demfelben Jahre unverrichteter Sache nach England zurüd. Bullen 
fam vom Madenzie her auf feinem Wege zum Bankso⸗Land nur bis 
Eap Bathurſt. M’Elure vermochte nicht aus der Prinz Waled-Straße 
in den Melville⸗Sund zu gelangen; ee mußte neben ben Princeß⸗In⸗ 
feln im Badeife fein Winterlager auffchlagen und ſich damit begnüs. 


der Admiralität eingereicht worben find, vielleicht leiner fo viel Ausſicht auf Erfolg. 
hatte, als der des Dr. Rihard King, bekannt ale Mitglied und Berichterftatter der 
Expedition des Capt. Bad in den 3. 1833 — 35. Diefer gelehrte Reifende fchil- 
derte im Febr. 1848 den Weg längs des Großen Fiſchfluſſes als die geradefle und 
richtigſte Zugangsſtraße nad den Gegenden im Weſten von Nord⸗Somerſet. Dort, 
meinte er, werbe Franklin mit feinen Gefährten am Sicherfien zw fülden fein. Ge 
fei zwar nit daran zu denfen, den bort umherirrenden Mannfchaften auf diefem 
Wege Lebensmittel mitzunehmen, dazu ſei diefer Zugang zu fehwierig, die Reife zu 
weit; aber es werbe doch ſchon eine wefentliche Hülfe fein, wenn es gelänge, ihnen 
kundige Wegweifer entgegen zu führen, mit welchen fie in jene wildpretreiche Land⸗ 
haften gelangen Fönnten, die ohne Führer nicht zu finden wären. Im 3. 1850 — 
freilich diesmal für den Hauptzwed bereits zu fpät! — bot fih Dr. King wieder: 
Holt zu diefem Unternehmen an, welches ihn unfehlbar anf die von Mae fo bedeu⸗ 
tungsvoll erkannten Bunkte, nach der Infel Montreal und Point Ogle gebracht haben 
würde. — Man darf der Behörde Teinen Vorwurf daraus machen, daß fie dem Dr. 
King Fein Gchör ſchenkte. Es ift eine Häufige Erfahrung, daß Meifende für den 
von ihnen erfundeten Weg eine Art fangwinifcher Liebhaberei gewinnen, und man 
mochte ſich eriunern, daß King ſchon in früheren Jahren eine geographifche Cul⸗ 
deckungsreiſe am Br. Fiſchfluß hinauf in's Werk zu fegen firebte, und daß es ihm 
mißlang, durch Subferiptionen die erforderlichen Mittel aufzubringen. Endlich Hielt 
es die Admiralität nicht mit Unrecht für flcherer, Nord-Somerſet u. f. w. durch ent: 
fprechende Ansrüftungen von ber Barrow⸗Straße ans zu erforichen. 


24 | 8. Brandes: 


gen, die Exiſtenz jener nordweſtlichen Durcchfahrt auf einer Schlitten 
reife zu erforfchen. Die Geſchwader, welche aus England und Korb» 
amerifa nach der Barrows Straße entfandt wurden, fanden fowohl ben 
Wellington- Canal, ald den MelvillesSund ihren Schiffen verfchloffen. 

Erft im Frühjahr 1851 kam ces, während die Rückfahrt ber 
Amerikaner unter den überrafchendften Erfahrungen mißlungen war, 
durch die Organifation der Schlittenzüge zu einer weitern Ausdehnung 
der Rettungsverfuche. Abgefehen von den Entdeckungen des Capt. 
Benny am Wellington Canal, die einer entlegenern Gegend angehör- 
ten, wurben jebt zu gleicher Zeit von Rae die Küften von Wollafton 
und Victoria⸗Land ausgekundſchaftet; — von M'Clure der Weſtrand 
des Prinz» Albert- und ein Theil des Prinz⸗Wales⸗Landes, dazu die 
BaringsInfel bis zu dem von Barry 1819 entvedten Banks⸗Land⸗ 
Streifen; — von den durch Eapt. Auftin aus feinem Winterlager ent: 
fandten Schlittenzügen die Ofthälfte der Melville-Infel, die Geſtade 
der Byam-Martin-Straße, dad Cap Walker und von dort in füds 
wetlicher Richtung, am Rande des Melville-Sundes bin, eine Strede 
des Prinz Wales» Landes. 

Hoͤchſt merfwürbig, wie biefe Erpebitionen, die von brei Selten 
vollfommen unabhängig, jede einzelne ohne Kenntniß der beiden andern, 
unternommen wurden, fich dennoch fo überrafchend ergänzten, ohne ein- 
ander zu berühren, — wie M’Elure’8 Lieut. Haswell am 14. Mai 
1851 am NRordrande der Mündung des PBrinz-Albert-Sunded (das 
mals „Ruffel- Golf“ genannt) ankam, während 10 Tage fpäter Race 
vom Südrande aus auf die damals noch geheimnißvolle Bucht feine 
forfchenden Blicke richtete; und wie die Schlitten des Lieut. Wynniatt 
vom Inveftigator und des Lieut. Osborn vom Pioneer am 23. und 
24. Mat auf ein paar Tagereifen einander nahe gefommen find. 

Kaum läßt fich denken, daß Franklin oder ein Theil feiner Mann⸗ 
ſchaften in dieſem oder felbft im folgenden Jahr, — in welddem Col: 
linſon feine Schlittenzüge zur Durchfuchung des Prinz Alberts⸗ und 
Wollaſton⸗Landes entſandt Batte, und Kennedy mit Bellot in Süd⸗ 
Rords Somerfet und im norböftlichen Theil des Brinz » Albertö- Landes 
längs des Peel⸗Sundes forfchte — in jenen Gegenden noch verweilt 
haben ſollte. Dagegen läßt fich mit ziemlicher Sicherheit annehmen, 
daß Cap Walfer,.diefer vielgenannte mit feinem hohen Felsgipfel weit 





Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 25 


hinaus bervortretende Punkt, niemals von den Vermißten erreicht wor⸗ 
den if. Denn gewiß hätten fie hier irgend ein Anzeichen ihrer Ges 
genwart zurüdgelafien, welches bei fo vielfachen nachmaligen Befuchen 
ſchwerlich unbemerft geblieben wäre"), und zugleich hätte von hieraus 
der Zugang nad) Fury Beach und den dafelbft lagernden Borräthen 
kaum Hindernifie darbleten können. Man erinnert fi), daß Kennedy 
und Belot im Jahre 1852 ſich aus den großentheils noch unverdor⸗ 
benen Meberreften verproviantirt und ohne beſondere Schwierigkeit den 
Weg nah Cap Walker zurüdgelegt haben. 

Angefichts diefer Thatfachen bleibt kaum zweifelhaft, daß jene Ab» 
theilung der Mannfchaft, welche die durch Rae nad) England über 
brachten Artifel mit fich führte, nicht fpäter al8 im 3. 1850 nach der 
Inſel Ring Williams⸗Land und in die Gegend gelangt ift, wo Ihren 
Leiden das lehte Ziel geftedt war. Die Eskimo, denen ihre Habfelig« 
keiten zunaͤchſt in die Hände fielen, gehören offenbar den uncultivirtes 
Ren Gliedern dieſes weitverbreiteten Volls an. Sie find von ven Na⸗ 
tionen der Hudſons⸗Bai⸗Comp. durch fchwer zu bereifende Strecken 
getrennt, durch die ununterbrochenen Kämpfe mit den etwas tiefer im 
Lande wohnenden Indianerſtaͤmmen verwildert. ine Abtheilung der 
‚ Emebition des Gapt. Bad fah fich bei einem Ausfluge auf der Weſt⸗ 
ſeite von Adelaide-Land am 12. Auguft 1833 von ihnen angegriffen; 
es kam zum Blutvergießen, drei Männer des feinblichen Haufens wur⸗ 
den getöbtet, mehrere verwundet ?). Der Berfehr und bie Verbindung 
der verſchiedenen Eskimozweige erſtreckt fich bekanntlich von der Behrings⸗ 
frage ſelbft bis nach Labrador Hin; wenigftens ift erwiefen, daß ein- 
jene Gegenftände im Laufe der Jahre durch Taufchhandel dieſes Weges 
gegangen find. ben fo gewiß ift aber auch, daß einzelne Eskimo⸗ 
gruppen mit ihren übrigen Stammgenofien nicht in Berührung kommen, 
wie z. B. die von Sir John Roß in Boothia angetroffenen Eingebores 


2) gs Könnte Hier freilich geltend gemacht werben, daß auch Kenneby und Bel: 
lot die mehrfach zurücgelaffenen Spuren der Anwefenheit Auſtinſcher Mannfchaften, 
welche fie noch dazu mit Gewißheit erwarteten, nicht vorgefunden haben. Allein bie 
Nachſuchungen der letztern waren doch, eben weil hier mehre Schlittenzüge einander 
erwarteten und nad) verſchiedenen Richtungen ausgingen, ungleich erfchöpfender. 


2) King Narrative to the shores of the arctic ocean. London 1836. 8. 
Vol. 2. p. 68. 


26 K. Brandes: 


nen und bad von M’Clure und Miertfching im Prinz Albert» Land 
befuchte Naturvölfchen. So mögen auch die Artikel, welche die An 
wefenheit einiger Mitglieber der Franklin'ſchen Mannfchaft unwider⸗ 
ſprechlich befunden, zuerſt in die Hände einer mehr ifolleten Gruppe 
gefallen fein. Außerdem fehlen alle Anzeichen einer planmäßigen Bes 
gegnung der dort umbherftreifenden Eskimoſchaaren; ihr gegenfeitiges 
Zufammentreffen ift zufällig, und mag daher von Zeit zu Zeit erft 
nach längeren Zwifchenräumen ftattfinden. 

Endlich ift ed zwar nicht als gewiß anzunehmen, daß jene Schaar 
der Weißen, über deren Anzahl die Mittbeilungen von Rae nicht aus 
tbentifch und zuverläffig fein können, den ganzen noch überlebenden 
Beftand der einft fo Fräftigen und unternehmenden Mannfchaft auss 
machten. Aber unmöglich läßt fich denfen, daß heute nach mehr ale 
5 Jahren, Einer von ihnen noch unter jenen armfeligen Wilden ums 
herirren ſollte. Die bis jetzt zum Vorſchein gebrachten Gegenflände 
(und diefe find gewiß nur ein Theil der dort umgebenden) gehören den 
beiden Befehlshabern und einer Anzahl der erſten Offiziere beider Schiffe 
an. Man wird nicht folgern, daß dieſe in Perſon unter den heim⸗ 
fehrenden gewejen find. Die Gegenftände mögen bei einer Kataftrophe 
gerettet, fie mögen von den Eigenthümern bei der Trennung oder im 
Augenblicke ihres Todes den Gefährten zum Weberbringen anvertraut 
fein. Es kann nicht auffallen, daß lebtere auch in ven Augenbliden der 
höchften Bebrängniß jene Pfaͤnder, deren materielle Laft äußerft gering 
war !), nicht von ſich werfen mollten; fie haben es als Heilige Pflicht 
angefehen, die Silbergefchirre mit den Familienwappen und Namens⸗ 
hiffer der bereits Berblichenen u. f. w. bei der von ifnen immer noch 
gehofften Heimkehr den Angehörigen und Freunden der Berblichenen 
gu überliefern. 

Was aus den Schiffen Erebus und Terror geworben ift, ob das 
eine oder das andere oder beide von den arftifchen Elementen zerftört 
find? oder ob eines derfelben zulegt daran gegeben wurde, um einer 
zufammengefchmolzenen Minderzahl des Schiffsvolks Feuerungsmaterial 
zu gewähren? oder aber, ob ſie noch eingefroren in einem unbefuch- 





1) Das ſammiliche von Rae überbracdhte Silbergeräih betrug, wie er in Times 
vom 31. Oct. verfidert, an Gewicht nur 4 bis 5 Pfund. 





Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 27 


ten Theil des Melville-Sundes flehn? ob fie von der Gewalt ver 
Weftwinde und der weftlihen Strömung zum atlantifchen Ocean hins 
weggeführt und im 3. 1851 von der Renovation aus gefehen find?!) 
— das alles find Fragen, für welche wir vergebens noch einen Auf 
ſchluß ſuchen. Gewiß if nur, daß die auf der King Williams⸗Inſel 
u. f. w. umherirrende Schaar den Schiffen fern geweſen ift, daß bie 
Schiffe den Esfimo nirgends erreichbar geworben find. Nae hat auf 
eine überzeugende Weiſe dargelegt, daß die Bretter und Planken ober 
Geräthe in diefen ganz holzarmen und doch des Holzes in fo hohem 
Stade bebürftigen Gegenden über hunderte von Meilen bin weit und 
breit verfchleppt fein würben °). Der Mangel an Holz ift bort fo 
groß, daß die Eingeborenen oft genöthigt find, fich der durch den Froſt 
gehärteten Biſamſtierfelle zur Anfertigung ihrer Schlitten zu bevienen. 
Aber nirgends wurde auch nur bie geringfle Spur der Schiffe gefehen 
— man müßte denn an die von Rae bei Victoria Land und von Col⸗ 
linfon an der Cambridge sBhi aufgefundenen Stüde denken, deren Urs 
fprung und Beichaffenheit doch viel zu unficher if. 

Zur individuellen Anfchauung der Lage, in welche Franklin mit 
der Zeit verfeßt fein mochte, bieten fich zwei arktifche Expeditionen aus 
der neuen Zeit dar. Eapt. Sir John Roß fah fich auf feiner zweiten 
Reife, nachdem er drei Winter im Eife verlebt, zuletzt am 29. Mai 
1832 genöthigt fein Schiff Bictory aufzugeben. Es war ein großes 
Glück für ihn, daß er aus den zurüdgelaffenen Vorräthen des geftrans 
deten Schiffes Fury, an welchen fein Rüdweg vorbeiführte, den Bedarf 
für feinen vierten Winter im Eife entnehmen fonnte, daß er weiterhin 
an der Küftle von Navy Board Inlet von dem dort zufällig vorübers 
fegelnden Fahrzeuge aufgenommen wurde. — Capitain M’Elure fror 
nach furchtbaren Bebrängnifien im September 1851 an der Mercy- 
Bai ein und harrte im folgenden Sommer vergebens des Aufbres 
chend der ihn umgebenden Eisfelder. Seine Borräthe fingen an fich 


2) Bol. Brandes: Sir John Franklin S. 277 — 82. — Unter andern if von 
Simmonds (Globe 9. Nov. 1864) behauptet worden, daß es mit den letzten Nach⸗ 
richten vollkommen im Ginklange ſtehe, jene beiden „Schiffe im Cisberge“ als die 
Wende des Erebus und Terror anzunehmen. Der entgegengefegten Anficht iſt der 
Berichterſtatter Times 24. Oct. 

?) Bol. Rae's Erklärung in einer Zufhrift an ben Herausgeber ber Times 
(Rr. vom 31. Oct. 1854). 





28 RK. Brandes: 


zu erfchöpfen, die Mannſchaft fiel bei den Inapp zugemeflenen Ratio 
nen in Schwäche und Krankheit. Er erkannte die Unmöglichkeit, feine 
Gefährten noch einen Sommer zu unterhalten, und wäßlte im Jahre 
1853 das Frühjahr als die günftigfte Zeit zur Landreife, um den 
größeren Theil feiner Mannfchaften in zwei Abtheilungen nach verſchie⸗ 
denen Richtungen Hin zu entlaffen. Aber auch bei ihm trat die glüds 
liche Yügung ein, daß jeber der beiden zu entfendenden Abtheilungen 
unterwegs eine Niederlage von Borräthen zu Gebote ftand. Die erfle 
Abtheilung, welche auf dem Wege durch die Madenzie-Landichaften 
nach den Hudſonsbai⸗Stationen gehen follte, würde auf den Royal Prin⸗ 
zeß⸗Inſeln die von ihm zurüdgelafienen Vorräthe gefunden haben. Die 
zweite Abtheilung vermochte auf dem Wege nach der Baffinsbai in dem 
am Leopolohafen auf Nord⸗Somerſet 1849 erbauten und ausgeftatteten 
Vorrathshauſe, bei defien Anlage M’Elure als Lieutenant des Gapt. 
James Roß mitgewirkt, Unterkunft zu finden und felbft ein Fahrzeug zur 
Heimfehr zu benugen. So hätte M’Elure mit einer gewiſſen ruhigen 
Zuverficht dieſe Männer von fich laſſen können, währen er felbft noch 
einen Sommer hindurch der Möglichkeit Barren wollte, bie entdeckte 
norbiweftliche Ducchfahrt zu vollenden. 

Aber wie war das Alles ganz anders bei Franklin! Er konnte 
den Seinigen auf ihren weiten und öden Wegen nach den Stationen 
der HudfonsbalsLandfchaften Feine Vorräthe nachweifen, und ihm ahnte 
nicht, daß im Leopoldhafen und in den MadenziesLandfchaften Rieder 
lagen von Borräthen und Kundfchaft gebende Flaggenſtangen feiner 
warteten. Indem feine Männer an den Norbfüften des Prinz Wales- 
Landes ihre Wanderung antraten '), kam es darauf an, zu entjcheiden, 


2) Der Anfangspunft diefer Wanderung an ben Norbfüflen des Prinz Wales: 
Landes läßt ſich natürlich nicht beftimmt ermitteln. Da indeffen, wie wir oben bemerkten, 
Gap Walter ſchwerlich von der Expedition Franklin's befucht worden war, fo ergiebt 
ih, daß biefer Punkt eine beträchtliche Strecke weiter weftwärts zu fuchen iR; und 
da weber Lieut. Wynniatt von Wehen her, noch auch Lieut. Osborn von Often ber 
an bem von ihnen erforfchten Küftenzuge auf eine Spur trafen, Eönnte man ver: 
muthen, bag Franklin's Männer auf der dazwiſchen unbefucht gebliebenen Küftenlinie 
gelandet find. — Im letzten Aprilbefte des North American Review finden wir bie 
Muthmaßung, daß die verunglüdte Schaar im Auguft 1849 am Sübrande von Wol- 
lafton und BictoriasLanb Hülfefuchend umhergeirrt fei, während Mae an der gegen: 
über Tiegenden Küſte des Feſtlandes drei Wochen lang mit Schmerzen und zuletzt 
doch vergebens einer Möglichkeit zur Ueberfahrt Karte. Demnach müßten fie ben 





Die lehzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 29 


ob fie entweder die Richtung nach den Gegenden des Mackenzie⸗ und 
Kupferminenflufies, wo Franklin im 3. 1821 faſt des Hungertobes 
geforben wäre, ober bie Richtung nach dem Großen Fifchfluffe ein- 
ſchlagen wollten. Die dazwifchen liegenden Landſchaften waren thells 
wegen der größern Breite des Meeresarmes ſchwer zu erreichen, theils 
fhredten fie durch ihre Außerfie Hüffslofigfeit gurüd. In biefer Lage 
mögen fie durch die Ausficht auf Wildpret beivogen worben fein, ber 
Richtung über Kings Wiliams-Land und über die Simpfon Straße, 
gegen den großen Sclavenfee Hin, den Borzug zu geben. Die Stelle, 
an welcher Sir John Roß noch einen Theil der Vorräthe des Schiffes 
Fury übrig gelaffen, konnte ihnen nicht unbefannt fein. Ein unglüds 
licher Ausſchlag hat fie von diefer Richtung, die ihnen noch Rettung 
hätte bringen fönnen, zurüdgehalten. — Ferner ift e8 nicht undenkbar, 
daß Franklin oder ein Theil feiner Gefährten — mit denfelden Ers 
wartungen, wie einige Jahre hernach M'Clure in der Mercy Bai — 
auf den Schiffen zurüdblieben, während jene verunglüdte Schaar mit 
einer Anzahl der theuerften Gedenkſtuͤcke der Offiziere dahin ging, um 
auf dem Landwege Rettung zu fuchen, vielleicht auch um eine Net» 
tungs»Erpebition für die Zurüdgebliebenen in Bewegung zu, fegen. 
Bei diefer Vorausſetzung bliebe wiederum zweifelhaft, ob jene im Eis⸗ 
meer ausharrenden Seefahrer fechenartigen Krankheiten, ober unter 
den Gehrechen und Schwächen des Mangels an Lebensmitteln erlegen 
find, ob ihnen eine plößlich hereinbrechende Kataftrophe der arftifchen 
Elemente — man denfe an die fchnelle Vernichtung des Breadalbane 
bei der Riley-Spite 21. Aug. 1853 — einen Untergang ohne langen 
Todeskampf gebracht hat. Bon ihnen hat bis jeht noch Niemand eine 
Spur gefehen. 

Wir treten jetzt zu der lebten und furdhtbarften Scene am Ende ber 
Lebenstage jener Hinwärtd wandernden Schaar. Rae rollt auf Grunds 
lage der Eskimo⸗Kundſchaft ein unausſprechlich büfteres Bild berfels 
ben auf. Er zeigt die Unhaltbarfeit des einft mit hoffnungsfrohem 
Muthe gefprochenen, und jegt von Manchem ihm entgegen gehaltenen 
Worts des Oberſten Sabine: „Wo Eskimo leben können, wo Rae fich 


Winter 1849 — 50 auf Bictorin »Lanb zugebracht haben. Dies läßt fich jedoch kaum 
denken, da die Spuren Ihres Winterlagere bei den mannichfachen Nachforſchungen 
son Rae oder Gollinfon gewiß nicht unenideckt geblieben wären. 


80 K. Brandes: 


feinen Bedarf fchafft, pa werden Franklin's Männer nicht verfommen!“ 
— Denn Franklin Männer kamen aufgerieben durch Befchwerben 
und Mangel zur ungünftigften Zeit des Jahres in einem ber hülf⸗ 
lofeften Striche des arftifchen Amerifa an, während zur Erlegung des 
ſcheu und fpärlich umherirrenden Wildes die rafchefte Gewandtheit und 
zumal zum Fangen der Robben eine jeltene Gefchidlichkeit und Uebung 
erforberfich gewejen wäre !). Denjenigen bie es imglaublid) fanden, 
Daß eine mit Flinten und Schießbedarf, mit Zelten, Schlitten und eis 
nem Boot verjehene Schaar auf ihrem Wege fich mit einem Male 
niedergelegt haben follte, um am den Leibern ihrer Gefährten die Qualen 
des nagenden Hungers zu lindern und dennoch eines unvermeidlichen 
Todes zu harten, daß bei einem folchen Ausgange nicht jeder Einzelne 
auf möglichft weiten Wegen feine Rettung gefuccht haben follte?), ent- 
gegnet Rae Folgendes: 


Vergegenmwärtigen wir uns auf einen Nugenblid das Gemälde einer Schaar 
muthvollee Männer, die duch Mangel und vielleicht auch duch Krankheiten in die 
Außerfie Bebrängniß verfebt, nad den Mündungen eines Gtromtes, wie 3. B. bes 
Großen Fiſchfluſſes, ihren Weg nehmen. Dort gedenken fie dem als nahe bevor: 
fiehend erwarteten Aufbruch des Eiſes, dem Zeitpunfte entgegen zu harten, in wel- 
chem fie auf ihrem Boote ſich einfchiffen fünnen. Allein bei ihrer Ankunft find Wie: 
Ien die letzten Kräfte gefgmunden, fie vermögen ſich felbft nicht weiter fortzufchleppen, 
gefhweige denn beim Wortziehen des Schlittens Hülfe zu leiften. Die Kräfte ber 
übrigen reichen nicht Hin, um biefe Laſt weiter zu bewegen. Welche Auskunft blieb 
ben Männern in einer folchen Lage? Ich meine nur diefe: zuſammen zu halten, 
ihrer Wanderung vorläufig ein Ziel zu ſetzen. So konnten biefenigen, welche noch 
Kräfte Hatten, auf die Jagd ausgehen, um für fi, und ihre ermatteten Gefährten 
Unterhalt zu ſuchen, bis bie Cisdecke des Stromes fi loͤſte, und ihnen Allen anf 
ihrem Bote ein leichteres Kortlommen ermöglicht wurde °). 


Endlich Hat Rae wiederholt verfichert, daß die Mittelbarfeit feiner 
Nachrichten — er jchöpfte fie nicht von Augenzeugen und konnte mit 
den Erzählenden nur durch Bermittelung eines Dolmetichers ſich ver 
fländigen — deren Glaubwürbigfeit nur erhöhen könnte. Hätte man, 
fagt er, diejenigen angetroffen, welche die hinterlaffenen Gegenftände 
von den Leibern Der Geflorbenen genommen, oder nahebei aufgefejen 
hatten, fo möchte der Berbacht einer abfichtlichen EntRellung der Wahr: 


!) Times vom 31. Oct. 


2) In den Bemerkungen Daily News 26. Oct., 28. Det., Times 30. Dct.n. f. m. 
2) In der Erflärung Times 7. Nov. 





Die letzte Kunde über Franklin and feine Gefährten. 9 


heit nahe liegen. Allein diejenigen, mit welchen ex verkehrte, konnten 
fein Intereffe und keinen Grund haben, den Thatbefand zu fälfchen; 
und eben fo wenig lafle fich zweifeln, daß Ihnen von den wirklichen 
Augenzeugen bie richtige Kunde arglos mitgetheilt fe. Wie mannich« 
fach auch Unguverläffigkeit, Lügenhaftigfeit, Tüde und Wildheit des Nas 
tionalcharakterd der Eslimo ihm entgegengehalten wurde, wie oft auch 
die Vermuthung ausgefprochen ift, daß er mit denjenigen Berfonen 
jufammengetroffen fei, welche die Gegenftände felbft geraubt hatten, 
und daß biefe den Hergang ihres Verbrechens durch ihre Erzählungen 
ju verdeden bemüht gewwefen — Rae weiſet auf's Entfchievenfte den Ge 
danfen zurüd, ald ob Mord ober PBlünderung an ben Verunglüdten 
geſchehen fein Könnte. 

Aus Anlaß diefer lehten traurigften Runde von der Vernichtung 
ver Mannſchaft, die einft mit fo glänzenden hochgehenden Hoffnungen 
die englifhen Küften verließ, ift verfchlevenen bis dahin mißachteten 
Gerüchten und Nachrichten eine neue Bedeutung beigelegt worden. Im 
Herbſt 1849 brachte der Capt. Barker aus dem Lanlafter- Sunde eine 
Eskimo⸗Sage von vier großen Schiffen, welche in einem Meeresfunde, 
befien nach Zagereifen angegebene Entfernung auf den Prinz Regent 
Inlet paßte, eingefroren fein follten; zwei ver Schiffe follten feit vier 
Jahren auf der Weftfeite, die beiden andern auf der Oftfeite liegen. 
As M'Clure am 24. Auguft 1850 das Cap Warren befuchte, 30g bie 
Ausfage zweier Eskimo, daß eine Anzahl weißer Minner — Niemand 
wußte woher? — dort anlangte, fi) ein Haus erbaute, aber in Kolge 
des an einem von ihnen verübten Mordes, Hinmeggeflüchtet fei, ans 
fangs feine Aufmerffamfeit auf ſich, bis er dieſe Mittheilungen ale 
gehaltlofe Beftanbtheile von veralteten unklaren Sagen erkannte. Ein 
fonderbares Zufammentreffen, daß faft in denſelben Tagen der berüdhs 
tigte Esfimo Adam Bed die zur Rettung Franklin's ausgefandten Ges 
ſchwader an der geönländifchen Küfte Cin der Melvile-Bai) — durch 
angebliche Gerüchte von zwei 1846 im Norden der Baffins⸗Bai ge 
frandeten Schiffen und von den am Wolſtenholme⸗Sund erfchlagenen 
Mannfchaften derfelden — auf einige Tage in die hoͤchſte Beſtuͤrzung 
verſetzte Und um diefelbe Zeit war an der Behringsftraße, wo Das 
mals die fabelhaften Erzählungen von ſchiffbrüchigen weißen Männern 
zu hunderten umliefen, die fcheinbar begründete Ausſage über mehrere 





32 RK. Brandes: 


im Innern des ruffifchen Nordamerika angefiebelte Europäer von Col⸗ 
linfon einer ernfthaften Unterfuchung werth befunden. — — Alle Diele 
Erzählungen, Angaben und Gerüchte waren indeß laͤngſt entkraͤftet und 
befeitigt; die nunmehr auftauchenden Berfuche, diefelben mit der Bots 
fchaft des Dr. Rae in Berbindung, zu ſetzen oder ihnen auf Grund 
derfelben ein beflimmtes Intereffe zu vindiciren, wurben eben fo ſchnell 
als verfehlt erfannt und vermochten nicht, dauernden Anklang zu ges 
innen. 


6) Pläne zu weitern authentifhen Nachforſchungen über 
den Thatbeftand der Nachrichten des Dr. Rae. 


Sogleih unter dem erſten Eindrude der erfchütternden Botfchaft 
des Dr. Rae erwachte in England auf’8 Lebendigfte der Gedanke, daß 
e8 eine heilige Pflicht des Baterlandes fei, das Schickſal der verun⸗ 
glüdten Erpebition an Ort und Stelle zu erforfchen und Alles auf- 
jubieten, um über das furdhtbare Geheimnig die legte Aufhellung zu 
erringen. Alle Blicke richteten fich nun mit einem Male auf den Gros 
gen Fiſchfluß, auf die Halbinfel Adelaide und auf das King Williams; 
Land. An den Wellingtond-Canal und die hohe Polarfee dachte Nies 
mand mehr. Die bis dahin fo erbitterten Gegner des Capi. Belcher 
verflummten und feine Angelegenheit trat fpurlos tief in den Hinter- 
grund zurüd. 

Unter den zurüdgefehrten Seefahrern, die im Laufe der wenigen 
feit ihrer Ruͤckkehr verflofienen Wochen ſich von ihren Leiden und Be 
ſchwerden fichtlih erholt Hatten, — es wird namentlich erwähnt, daß 
feld an den Männern des Inveſtigator die fünfjührigen arftijchen 
Drangfale nicht mehr zu fehen waren — fpracdhen Viele den Wunſch 
und das Berlangen der Theilnahme an jeder neuen Expedition zur Aufs 
Härung über den Untergang Franklin's und feiner Gefährten aus. Diefe 
Männer wollten die erflarrten Leiber Ihrer Landsleute und alle ihre 
Gebeine an den öden arktifchen Küften zufammentefen, um fie in einer 
gemeinfamen öffentlichen Begräbnißfeier dem heimifchen Boden zurück⸗ 
zugeben; fie wollten mit unermüblichem Fleiße alles, was von ber 
Habe oder Hinterlafienfchaft der Berunglüdten bei ven Eskimo noch 
anzutreffen war, an fich bringen und den trauernden Angehörigen und 
Sreunden in der Heimath überweifen. 








Die Iehte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 83 


In der oben erwähnten Sitzung der geographifchen Gefellfchaft 
zu London (13. Novbr.) kam es neben den Ausfprüchen der tiefften 
Theilnahme an dem traurigen Looſe ber Berfchollenen, neben ben herz⸗ 
lichften Beileiböbezeigungen für die Hinterbliebenen und vor allem für 
die edle „Wittwe“ — man nahm jet zum erften Male feinen An- 
Hand das diesmal fo inhaltvolle Wort zu gebrauchen — Lady Franklin, 
zu einer Anzahl von Borfchlägen neuer arktifchen Expeditionen. Aus 
den Berichten über dieſe Verfammlung ergiebt fi), wie fo Manche 
noch dem Gedanken nachhingen, daß die Mannfchaften in den ſchwe⸗ 
ren Stunden der Entſcheidung ihres Mißlingens ober ihrer Außerften 
Gefahren fich zertheilt Haben Fönnten, und daß eine Abtheilung in den 
Landſchaften fühlich von Lancafter-Sund gegen die Baffins-Bai hin 
ihren Weg genommen haben möchte, während die andere am Strande 
der Adelaides Halbinfel ihr Ende fand. Ja zwei gewichtvolle Stimmen, 
Sroreaby und Kellett, erhoben fich für die Möglichkeit des Weberlebens 
einiger unter ben DBermißten '), obgleich die übrigen Mitglieder der 
Berfammlung nur die entfeelten Leichname und die Hinterlafienen Bes 
fisthümer nebft den etwa noch vorhandenen Aufzeichnungen ale das Ziel 
der weiteren Nachforſchungen betrachteten. Bon befonderem Eindrude 
war ed hier, daß Capt. M’Elure die Nachrichten des. Dr. Rae für 
hinreichend erklärte, um bie Meberzeugung von dem vollftindigen Un⸗ 
tergang der ganzen Franklin'ſchen Expedition zu bethätigen. Im Laufe 
der Verhandlungen empfahl hierauf Sir John Roß — indem er zus 
gleich auf die commercielle Rüglichkeit eines folhen Unternehmens hin- 
wies! — die Ausfendung eines Schiffes nach der Weftfeite der Baf⸗ 
fins-Bai, d. h. nach den Gegenden fühlich von der Ponds-Bai, um 
von dort aus die Gebiete bis zu dem Hudſonsbai⸗Territorium auss 


1) Selbſt der in feinen alten Tagen für neue Auffellungen über Franklin noch 
fanguinifch empfänglie Sir John Roß neigt jeht am Schluß ber oben angeführ- 
ten vor Kurzem erfchlenenen Schrift dem Gedanken zu, daß doch wohl ber eine ober 
andere von Franflin’s Männern noch am Leben fein könnte, das traurige Schickſal 
der übrigen anzufagen. Er motivirt mit biefer Anſicht die Forderung, nad) Maß⸗ 
gabe des damaligen Standes der Angelegenheit die Nachforfchungen zu erneuern. — 
Ran erinnert ſich, wie berfelbe arktifche Veteran fchon am 1. Nov. 1851 durch ein 
an die Admiralitäts-GCommifflon gerichtetes Memorandum feine Weberzeugung dahin 
ausgefprochen Hatte, daß weber Franflin, noch einer feiner Männer fo lange Zeit (d. h. 
bis vor mehr als 34 Jahr) in der Polargegend am Leben geblieben ſein koͤnnte. 

Zeitſchr. f. allg. Erbfunde. Bo. V. 3 


34 | 8. Brandes: 


zufundfchaften. Kellett flimmte dieſen Borfchlägen bei, indem er der 
Möglichkeit gedachte, in jenen unerforfchten Einöden noch umherirrende 
Mitgliever der Franklin'ſchen Mannfchaft zu retten. Dagegen richtete 
Lieut. Osborn die Aufmerkſamkeit auf die Gegenden jenfeitd des Peel⸗ 
Sundes, indem er meinte, daß dort die Leichname und Weberrefte ans 
derer Mannfchaften Franklin's aufgefunden werden müßten. Noch weis 
ter gingen die Vorfchläge des Capt. Inglefield. Diefer Offizier war 
von dem Berlangen erfüllt, fowohl den Bereich der lebten Kataftrophe, 
als auch die Küftengebiete, an welchen die Schiffe entweder veruns 
glüdt oder von den Mannfchaften verlaffen fein mußten, umfafiend er⸗ 
forfcht zu fehen. Hochgehenden Sinnes drang er darauf, im naͤchſten Fruͤh⸗ 
jahr zwei Fahrzeuge Cd. h. Dampfer) auszurüften; die eine dieſer Er- 
pebitionen, für die Fahrt nach Cheſterfield⸗Inlet und der RepulfesBai 
beftimmt, follte von dort aus die Umgegend des Großen Fifchflufies 
auf dreifundert Meilen weit erforfchen und, wie er meinte, in demſelben 
Jahre noch nach England zurüdiehren, die andere aber zunaͤchſt nad) 
der Beechey⸗Inſel ihren Lauf richten und von dort aus gegen den 
Peel⸗Sund vordringen. 

Solche weitausfehende Unternehmungen lagen jeboch nicht mehr 
in dem Sinne der Aomiralität, und es läßt ſich nicht leugnen, daß 
diefelben theils auf zweifelhaften Borausfegungen beruften, theils wie 
berum zu einem mehrjährigen Verweilen der Mannfchaft in ben arkti⸗ 
fhen Regionen führen konnten und mannichfachen, außer aller menſch⸗ 
lichen Berechnung liegenden Eventualitäten unterworfen waren. An- 
gefichtö der entfcheidungsvollen Botfchaft des Dr. Rae, und felbft fchon 
aus Anlaß der leuten arftifhen Erfahrungen, ließ es fich die Behoͤrde 
fichtbar angelegen fein, fortan neue Gefahren und Opfer von Men 
ſchenleben grundfäglic nach Möglichkeit zu vermeiden. Dagegen ging 
fie fogleih in den Tagen nad Rae's Ankunft fehr Iebhaft auf die 
Aufgabe ein, zur Unterfuchung der Gegenden, welche Rae als Wahl: 
flätte des Untergangs jener verunglüdten Schaar bezeichnete, ohne al- 
len Verzug die geeigneten Maßregeln zu berathen. Nichte lag näher, 
ald dem Dr. Rae die Leitung biefer Expedition zu übertragen. Er 
fand, wie fein anderer, in einer vollen und Haren Anfchauung der Er 
jorberniffe und der bisher errungenen Bermittelungen und hatte aus 
ßerdem auf jeden Ball jetzt die nächfte Anwartfchaft des Preifes von 








Die letzte Kunde über Sranflin und feine Gefährten. 35 


10,000 Pf. Sterling, welcher im Jahre 1850 für die erfte gewiſſe 
Aufhellung des Schickſals der vermißten Expevition ausgefeht worben 
war. Dennoch hat Rae alle ihm wiederholt geftellten Anträge auf die 
Anführung dieſes Unternehmens mit der größten Entſchiedenheit zu⸗ 
ruͤckgewieſen, indem er fi theils auf feinen gefchwächten Geſundheits⸗ 
zuftand berief, theils die Nothwendigkeit der fofortigen Bearbeitung 
feiner auf den legten Reifen gefammelten geographifchen Materialien 
geltend machte. An den Berathungen der Lorb8s@ommiffionerd der 
Admiralität in den Tagen vom 23— 27. Oct. hat er indeß den thaͤ⸗ 
tigften Antheil genommen. Diefe führten zu dem Ergebniß, daß bie 
ganze Angelegenheit dieſer Nachſuchungen dem Directorium der Hubs 
fonsbais ®efellfchaft anvertraut wurde. Bapt. Shepherd, der in Lon⸗ 
don anweſende Vice: Gouverneur der Gefellichaft, wurde bei der le: 
ten und entfcheivenden Eonferenz zugezogen; er Bat an demfelben Abende 
(27. October) noch dem in Amerifa refivirenden Gouverneur Georg 
Simpfon die ausführlichften Mittheilungen zur unverzögerten Ausrüs 
flung der Erpebition überfandt. 

Anfangs brachte e8 für den Plan diefer Nachfuchungen eine ers 
hebliche Berwidelung, daß gleichzeitig auch eine Rettungs» Expedition 
für Eollinfon und feine Gefährten als unerläßlih erfannt wurde"). 
Nach dem Inhalt der Depefchen, welche Lieut. Mecham an der Prinz 
Wales⸗Straße muffand, Hatte Eollinfon im Frühjahr 1852 die Abſicht, 
eine öftliche Richtung einzufchlagen, vie ihn bei günftigem Erfolge nach 
den von Rae fo verhängnißvoll bezeichneten Gegenden geführt haben 
mußte. Wie es ihm jedoch hiebei ergangen fein mochte, blieb bei ber 
von allen Seiten beftätigten Unſicherheit arktifcher Unternehmungen 
hoͤchſt zweifelhaft. Die einzige angemefiene Auskunft beftand darin, 
mittelft einer Boot-Erpedition vom Madenzie nach feinen Spuren zu 
fuchen. Hierbei. fam es zu Statten, daß bei Fort Simpfon ein gros 
ßes Boot, wie deren fich die Hudſonsbai zur Schifffahrt auf größern 
Flüffen bebient, zur Bereitſchaft ftand. Dies war aber nicht genug; 


ı) Gapt. T. B. Collinſon, Bruder des abwefenden Befehlshabers der Enter: 
prife, dringt in Times vom 27. Dct. auf Entfendung einer von 2 bis 3 Offizieren 
begleiteten Erpebition von etwa 30 Mann nad) der Mündung bee Madenzie u. f. w. 
Er betonte, daß biefes Unternehmen ſich auch zur Aufhellung des Schidfals der Frank⸗ 
Iins@rpebition erfolgreich erweifen werbe. z 

* 


36 8. Brandes: 


denn man mußte auch darauf bedacht fein, die nöthigen Vorraͤthe für 
den Fall einer Begegnung mit hülfslofen Abiheilungen der Collinfon- 
fchen Mannfchaft mitzunehmen. Außerdem war es erforberlich, fich mit 
zwei Heineren tragbaren Booten zu verfehen, die man ohne Zeitverluft 
am Athabaska⸗See herftellen zu können hoffte. Selbft die Zufammenfegung 
der. Mannfchaft, vie Wahl der Offiziere und Steuerleute hatte ihre 
Schwierigkeiten. Endlich mußte auch Bedacht darauf genommen wers 
den, die Zurückkehrenden am großen Biren-See mit einem entfprechen 
den Borrathe von Tebensmitteln zu empfangen und dadurch den furcht- 
baren Rothfländen und Berlegenheiten bei ver einftmaligen Rüdkehr 
Franflin’d vorzubeugen. 

Daher war ed eine außerordentliche Erleichterung, als in ber 
zweiten November Woche die Nachricht von dem glüdlichen Eintreffen 
Collinſon's an der Behringsftraße ankam. Denn die Ausfendung je 
ner Boots Erpebition auf den Madenzie konnte nunmehr ganz wider: 
rufen werben; fie Hätte in der That Feinen Sinn mehr gehabt, da 
gleichzeitig gemeldet wurde, daß Eollinfon den Winter 1852 —53 in 
der Cambridge» Bai zugebracht und die Küftlen von Wollaftons und 
Victoria⸗Land ausgekundfchaftet hatte. 

Demnach blieb innerhalb des von der Admiralität angenommenen 
Syſtems jest feine Aufgabe mehr übrig, als in den Landfchaften weſt⸗ 
ih von der Mündung des Großen Fifchflufies nach Den lebten Ueber⸗ 
teten und Spuren der Verunglüdten zu ſuchen. Sind dieſe Land: 
ſchaften an fich auch lange nicht fo entlegen, als die meiften letzthin 
durchforfchten Gebiete, fo find fie doch deſto ſchwerer erreichbar. Die 
beiden unmittelbar dorthin führenden Meereöftraßen bedingen unver: 
hältnigmäßig weite Ummege, und werden durch die Hemmungen des 
Eifes hoͤchſt unſicher. Sämmtliche Landwege führen über lange Tages 
reifen von unwirthlichen und hülfslofen Einöden. — Den beften Zugang 
bot noch das eigenthümliche Stromfyftem des nordamerifanifchen Feſt⸗ 
landes dar; allein diefe Waſſerſtraße — es war die von der Erpe: 
bition des Capt. Back 1832 — 34 zurüdgelegte und von feinem Be: 
gleiter King nachmals wiederholt empfohlene — war Durch mehrere 
Tragftellen (Portagen), außerdem durch Stromfchnellen und Waffer: 
fälle vielfach unterbrochen. Sie erforderte tragbare Kähne (Canots) 
und eine für den Dienft eingeübte Bemannung. Dr. Rae drang auf 





Die Iegte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 97 


möglichfte Befchleunigung biefer Vorbereitungen. Ex hielt zwei Ca— 
nots, jedes mit 6 bis 7 tüchtigen Leuten und zwei Offizieren bemannt, 
für ausreichend und rieth, diefelben entwever am Athabasfas See oder 
beim Fort Refolution oder irgend fonft wo am Großen Sclaven⸗See 
im Boraus anfertigen zu lafien. Die Erpebition follte fich zeitig ger 
nug auf ben Weg machen, damit fie vor dem Eidgange mindeftens 
den Athabaska⸗See erreichen und bei guter Zeit Cim Juni) das Feld 
der Nachforſchung betreten könnte. Endlich empfahl er noch beſonders, 
den zur Zeit in Churchill verweilenden Esfimo- Dolmetfcher William 
Ouligbuck, der den Expeditionen von Bad, Deafe und Simpfon fo 
weſentliche Dienfte geleiftet, zur Thellnahme zu gewinnen. Doch wa—⸗ 
ven das alles nur vorläufige Rathichläge, die anfangs für die Aus⸗ 
fendung einer Erpedition von England aus berechnet, nunmehr dem 
Gouverneur Simpfon, in defien Hand man die Ausführung legte, 
lediglich zur Erwägung anheim gegeben wurden. Die eigentliche Auf: 
gabe der Expedition befchränfte ſich darauf, die vorfinplichen Leichname 
mit Ehren zu beftatten, und alles, was die VBerunglüdten zurüdgelaflen, 
zur Vieberfendung nach England mit ſich zu nehmen. Die und vor 
liegenden Zeugnifle beflätigen, daß Gouverneur Simpfon dem Vers 
trauen ber englifhen Regierung gewifienhaft zu entfprechen bemüht 
geweſen if. Ohne Zweifel haben die von ihm entſandten Männer 
in dieſer Stunde längft das verhängnißvolle Feld ihrer Miffton er- 
xeicht. 

Die lange Reife der Unternehmungen für Franklin und feine Ge⸗ 
fährten neigt dem Ende zu. Aber welch ein Gegenſatz jener glänzenden 
Hoffnungen, der belebenden Zuverficht bei ihrem Beginne, und des Jam⸗ 
mers der Verzweiflung angefichts der legten Ergebniffe. Als Dr. King im 
Jahre 1850 feine fefte Ueberzeugung ausſprach, daß die Beichreitung 
der Straße des Großen Fifchfluffes, fei es früher, ſei es fpäter, zur 
Auffuhung Franklin's doch noch bevorſtehe!), ahnte ihm gewiß nicht, 
in welchem Sinne fein Wort zur Zeit in Erfüllung gehen follte. 
Nach mammichfaltigen Wechfeln, nach taufend Mißverftänpniffen, bits 
tern Täufchungen und trüben Erfahrungen gilt die legte umfaflende 


1) Parl. Papers 1850 Vol. XXXV Arctic Exped. p. 155 »That the route 
by the Great Fish River will sooner or later be undertaken in scarch of Sir John 
Franklin, I have no doubt«. 


98. 8. Brandes: 


That am Schluß des Drama nicht mehr den Lebenvigen, fonbern den 
Todten. 

Die Admiralität iſt unverkennbar beſtrebt, allem Hader und allen 
Zerwürfniffen, welche aus dem Hergange der Rettungs» Expeditionen 
entfeimt find, mit verfühnender Hand vorzubeugen und, fo viel an ihr 
ift, jegliche drohende Nachwehen zu befeitigen. Mit anerkennenswer- 
ther Umficht hat fie dem Verdienſt der verfchienenen Perſonen befrie 
digende Anerkennung angedeihen laffen, und bei Uebertretungen Einzel 
ner nach Möglichkeit Milde und NRachficht geübt. Sie hat den Namen 
Prinz Alberts⸗Land im Norden des Wellington⸗Canals ausgelöfcht 
und dafür die von eifernden Stimmen der Amerikaner beanfpruchte 
Bezeichnung „Grinnell⸗Land“ auf ihrer neueflen arktiichen Karte ein- 
geführt. Sie hat in der Belcher’fchen Angelegenheit, wiewohl die Foͤrm⸗ 
lichfeit des Kriegsgerichts unvermeidlich geworden war, eine beruhigende 
Ausgleichung erreicht. Bei der neulichen Ruͤcklehr des Capt. Eollinfon 
fahen fich die von ihm in Haft gehaltenen Offiziere mit Freundlichkeit 
und Wohlwollen bei ihren Behörden aufgenommen, während anderjeits 
bie Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Unterfuchung der Dif- 
ferenzen ferngehalten wurde, um diesmal jeden Eclat zu vermeiden. — 
Das Andenfen der Verfchollenen wird unausgefeht in Ehren gehalten; 
ihren Hinterbliebenen find Erweifungen des befonderen Wohlwollens 
nicht verfagt. Auch den Namen verjenigen, welche bei den Rettungs⸗ 
Unternehmungen gefallen find, ift die gebührende Anerkennung gezollt'). 
Bor Allen ift den höheren und nieberen Offizieren, welche an ben 
verfchiedenen Expeditionen Theil nahmen, eine angemefjene bevorzugende 
Beförderung zu ‚Theil geworben, und wer die Schifföberichte in ven 
englifchen Blättern genauer verfolgt, dem werben nicht felten Ramen 
begegnen, die bei den Sranflin-Unternehmungen zuerfl genannt wur: 
den und vielleicht noch eine glänzende Zukunft vor ſich haben. 

Unter den geographifchen und wiflenfchaftlichen Ergebniffen ſteht 
bie Entvedung ber nordweſtlichen Durchfahrten durch Capt. M'Clure 
immerhin oben an. Ihm ift einftimmig die Palme der neueren Ent 


») In der am 30. Mai 1855 gelefenen Jahresadreſſe des Praͤſidenten ber Lond 
geograph. Geſellſchaft wird erwähnt, daß die Aufrichtung des Denkmals für Belloi 
am Greenwich Hospital in der nächften Zeit zu erwarten ficht. Bemerkenswerth if, 
daß biefe Adreſſe den Nekrolog Sir John Franklin’ als verewigten Mitgliedes der 
Geſellſchaft enthält. 











Die letzte Kunde über Sranklin und feine Gefährten. 39 


deckungen augefchreiben, denn feiner Kuͤhnheit und Entſchloſſenheit ver- 
danft England bie Löfung einer Frage — die endliche Befeitigung eines 
Problems, welches feit dreihundert Jahren jo oft — man zählte achtund⸗ 
funfjig Male! — von den eriten Kationen Europa’8 vergeblich erftrebt 
war und manches in unausfprechlihem Elend verfommene Menfchen- 
ieben gefoftet hatte. Sein Name wurde in England gefeiert, während 
er mit den Seinen nicht ohne Wehmuth über fo manches Mißlingen — 
denn er hatte weber Franklin's Spuren gefunden, noch war ihm vergönnt 
geweien, die Durchfahrt zu vollenden — fich unter den Hemmungen 
der arktiſchen Schifffahrt der Heimath entgegenſehnte. Sir ©. Bad 
nahm in der Jahresverfammlung der Beographifchen Gefellfchaft au 
London am 22. Mai 1854 die Patrons⸗Preismedaille für den noch 
nicht zurüdgefiehrten Entveder in Empfang. Die Admiralität hat ihm 
zum Zeichen ehrender Anerfennung im Anfange des Monats Derems 
ber eine Eoftbare goldene Uhr überreichen laſſen, deren Inſchrift feine 
Berdienfte in angemeflener Weife hervorkebt '). Won der Geographi⸗ 
then Gefellichaft zu Baris wurde ihm in ihrer Hauptfißung am 27. 
April 1855 ihre für die neueſte und wichtigfte Entdedung flatuten- 
mäßig ausgefehte große goldene Jahresmedaille verliehen). Endlich 
hat auch das Parlament am 19. Juni noch den erften Schritt einer 
nationalen Anerkennung feiner weltgefchichtlichen Thaten befchloffen. 


7) Die dritte nordamerifanifche Erpedition. 


Schließlich Haben wir noch der fogenannten zweiten Grinnell⸗Ex⸗ 
pedition zu gedenfen, bie unter Anführung des Dr. Kane nach dem 
Smith⸗Sunde jenſeits der Baffindbai ausgefahren und zur Zeit unter 
allen zur Rettung Franklin's ausgefandten Expeditionen die einzige noch 
nicht zuruͤckgekehrte geblieben ift. Diefe Erpebition ſteht in dem Kreiſe 
der lebten arktifchen Unternehmungen binfichtlih der Großariigkeit des 
Entwurfs unübertroffen; an Kühnheit und Thatenluſt bei verhältniß- 
mäßig befchränkten Mitteln kann fich Feine andere ihr gleichftellen. Waͤh— 
rend die britifche Admiralitaͤt den Grundſatz befolgte, für fünmtliche 
Erpeditionen nach dem höheren Norden mindeftend zwei reichlich aus⸗ 
geftattete Schiffe zu entfenden, und biefen ausprüdlich Die Weifung er- 


!) Moming Herald 11. Der., in Galign. Messenger 13. Dec. 1854. 
2) Abbildung diefer Preismebaille in London Illustrated News 16. Juni 1854. 


40 - - R& Brandes: 


theilte, fich zur gegenfeltigen Unterflügung und Hülfeleiftung ſtets zus 
fammenzuhalten, haben diesmal 16 amerifanifche Seeleute e8 unternoms 
men, mit einer Brigantine von nur 144 Tonnen Gehalt durch das 
neuentdedte Eingangsthor nach dem vermeintlichen offenen Polarmeer 
ienfeits der Baffinsbai ihren Lauf zu richten. Kane gehörte zu den 
eifrigſten Anhängern ver Meinung, daß Franklin auf jenem Polarmeer 
fein Ziel zu erreichen fuchte und nirgends weiter, als dort, aufzufinden fei. 

Sein Unternehmen ging auf einen Theil unferer Erde, über deſ⸗ 
fen Geftaltung die verfchiebenften Anftchten gehegt wurden. Jene merk⸗ 
würdige Landmaſſe, welche unter dem Namen Grönland die Davisfttaße 
und Baffinsbat nad Often hin umfchließt und als Hauptförper des 
arktifchen Archipels betrachtet wird, iſt bis zu den legten Zeiten Gegen⸗ 
ftand der verſchiedenſten Hypothefen in der fpeculativen Geographie 
geweſen. Die frühere Vermuthung, welche dem Grönlande, hauptſäch⸗ 
lich auf Grund der merivionalen Richtung feiner Höchften Erhebungen ') 
eine weite Ausdehnung nad Rorvden und vielleicht ſelbſt bis gegen den 
Nordpol Hin zufchrieb, ift durch die Erfundungsreife des Capt. Ingles 
field, der fchon in dem Walfiſch⸗ Sunde eine unabfehbare Meereöftraße 
entvedte, ftarf erfchüttert. Allein die Frage, ob vom Smith» Sunde 
ab grönländifche Infelbildungen ſich noch weit hinaufziehen, oder ob 
ein freies Polarmeer in derfelben Weiſe, wie nordwärts des Wellington- 
Canals, fortan als alleiniges Element in jenen polaren Zonen herrfche 
und den Fahrzeugen Franklin’d einen unbegrenzten Spielraum bis zur 
Spipbergifchen See eröffnet babe, harrt noch der Aufhellung. 

Die Operations» und Verpflegungsmethode, durch welche Dr. Kane 
die Erforfchung diefer geheimnißvollen Gegend zu erreichen hoffte, ift 
eine eigenthümlich ſinnreiche Combination der verſchiedenen Erfahrun⸗ 
gen, welche theild die nordamerifanifchen Wilden, theild die Ruſſen, 
theils auch die englifchen Expeditionen in Anwendung gebracht haben?). 


2) Bappäus Handbuch der Geogr. und Stafiftif von Nord Amerika. Leipz. 
1855. 8. ©. 253. Diefer Band bildet bekanntlich einen Theil der umfangreichen 
und Außerft fleißigen neuen Bearbeitung bes Handbuchs der Geographie und Stati⸗ 
fit von Stein und Hörſchelmann, weldye noch im Erſcheinen begriffen ifl. 

2) Dies fagt der Arzt der Erpebition, Dr. Iſaac I. Hayes, ausprüdlih in 
feinem aus Pröven vom 20. Juli 1853 datirten, jedoch erſt am Ende bes vorigen 
Jahres zur Deffentlichfeit gelangten Briefes. Der Drudfehler in Times vom 2. Nor. 
1854, welche diefen Brief aus dem Jahre 1854 datirt, ift nicht ohne verwirrende 





Die Iehte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 4 


Er wollte zuerft mit feinem Schiffe fo weit als irgend möglich im 
Smith s Sund oder jenſeits defielben nach Norden vorbringen. Zu 
berfelden Stunde jedoch, in welcher er zufegt durch die Hemmungen 
des Eifes oder durch Landbildungen vor Anfer zu gehen genöthigt und 
bie pafiendfle Stelle dazu gefunden fein würde, follten neun feiner 
Männer mit ihm die Richtung zum Rorbpol weiter verfolgen. Dies 
war der Moment, für welchen Schlitten und Boot (man gab diefem 
den begeichnenden Ramen Forlorn Hope) mit einem Hunbegefpann 
bereit fland. Weber die Auswahl der Männer, welche mitgehen follten, 
hielt er ein gehelmnißvolles Schweigen; Alle harrten gefpannten Sinnes 
dem mifcheidenden Ausfpruch entgegen, denn jevem verlangte unter 
den Erwählten zu fein. Der Zweck dieſer Ausfahrt ging dahin, an 
einer viele Tagereifen von dem Ankerplatze entlegenen Stätte einen 
nördlichen Mittelpunkt für das eigentliche Erkundungsunternehmen im 
kommenden Jahr zu gründen. Sobald hierzu die rechte Stelle erfehen 
war, fobald Boot und Schlitten nebft den dazu mitgenommenen Vor⸗ 
räthen als erſte Grundlage des neuen „Eentral-Magazins” ficher ges 
borgen waren, gedachte Kane durch die Hülfe des Kompafles und der 
Steme — denn er berechnete daß inzwiſchen die lange arktifche Wins 
ternacht hereingebrochen fein würde — feine Männer unverweilt wie⸗ 
der nach dem Ankerplatz der Brigantine Hinabzuführen, deren Räume 
inzwifchen von den zurüdgebliebenen Gefährten zum Winterlager und 
gaftlichen Empfang der Anfümmlinge eingerichtet waren. Hierzu boten 
die einförmigen Wintertage die bequemfte Zeit, auf etwa weiter erfors 
derliche Vorbereitungen zu ber bevorftehenden Reife zu finnen und ein» 
zugehen. Dann aber beim erften Beginn des Fruͤhlings follte Die ges 
fammte Mannfchaft mit angemeffenen Trandportmitteln, Vorräthen und 
Apparaten aller Art zunächft nach dem im Herbſt erfehenen Stapel 
platz aufbrechen. Die Kenntniß des Weges verfprach für dieſe Strede 
eine erhebliche Befchleunigung und Erleichterung der Reife. Die Bors 
räthe des Depots und der in demfelben begründete Bereinigungspunft 
mußten den Mannfchaften außerorbentlih zu Statten fommen. Sie 
mochten mit erhöhter Zuverficht von biefer weit vorgefchobenen Station 
ausziehen, um bie unbefannten und geheimnißvollen Regionen gepen 


Bolgen geblieben, 3.8. im Athenacum v. 4. Nov. p. 1337. — Unfere Zeitfchrift ent: 
hält im Juli⸗Heft vorigen Jahres einen Brief von einem um 4 Tage jüngeren Datum: 


42 K. Brandes: 


den Nordpol hin mit Aufgebot aller Mittel und Kraͤfte in moͤglichſt 
weiten Dimenſionen auszukundſchaften. 

Man flieht aus Allem, daß Dr. Kane für dieſes Unternehmen, 
welches recht eigentlich das Werk feiner perfönlichen Vermittlung und 
feiner Bemühungen war, Jegliches mit der größten Sorgfalt und mit 
der confequenteflen Umficht erwogen hatte. Ihm war bie dem fireben- 
den Menfchen felten vergönnte Freude geworben, ‚hochgehende Ideen 
und Hoffnungen, welche Geift und Gemüth Iebendig erfüllen, an ber 
Wirklichkeit meſſen zu koͤnnen. Selbſt unterivege noch verfüumte er 
feine Gelegenheit, das Gelingen feines Vorhabens zu ſichern. Rod 
an den verfchiedenen Punkten der grönländifchen Küfte — Yiöfernaes, 
Sufertoppen, PBröven, Upernavif — iſt er darauf bedacht geweſen, als 
lerlei Nachrichten einzuziehen, fi) von Kundigen Rath zu erholen, 
feine Ausrüftung mit dem geeigneten Bedarf zu vervollftändigen. Auf 
feinem Schiffe hielt er die ſtrengſte Reinlichkeit und Disciplin, welche 
man nur etwa Durch die unbändigen 15 bis 20 unterwegs erhandel 
ten Esfimohunde geftört fah. Die Vertheilung von Speife und Tranf 
während der Schlittenreifen war mit Außerfler Genauigfeit abgemefien; 
die Transporibeträge waren mathematifch berechnet. Was er an Les 
bensmitteln mit fich führte, namentlich der Pemmikan und das einge 
machte Fleiſch, war unter feinen Augen aufs Sorgfältigfte zubereitet 
oder mit vorfihtigem Bedacht ausgefucht. Weberhaupt hatte Kane, 
wiewohl er feinen Gefährten mannichfaltige Entbehrung und Befchräns 
fung auflegte, nichts außer Acht gelafien, was bie Sicherung des Les 
bens und der Gefundheit erheifchte. Zür den Bau der Schnechäufer 
hatte er die ſicherſten Vorkehrungen getroffen. Auf jede erfinnliche 
Schwierigkeit des Weges war er gefaßt. Weberall zeigte fich bei fei- 
nen großartigen Plänen eine wunderbare Klarheit und Einfachheit, ein 
feltener Scharfblid. Nirgends fah man etwas Entbehrliches oder Ueber⸗ 
flüffiges; dennoch wurbe nichts vermißt, was zum Gelingen erforder 
lich, fo weit es anging, nichts hintangeſetzt, was zu erfprießlichen ober 
intereſſanten Ergebniſſen gereichen konnte. Ynter andern führte er eis 
nen Daguerreotyps Apparat mit fich, der ſchon auf der grönlänbifchen 
Küfte bei angeftellten Verſuchen fich vortrefflich bewährt hatte ). 

') Wir verfagen es uns die höchſt anſchaulichen und anziehenben Bingelaheiten 


zu wiederholen, welche Hr. Prof. Ritter im Juli⸗Heft 1854 Br. IH, S. 4— 77 
diefer Zeitfchrift mitgetheilt Hat. 





Die letzie Kunde über Franklin und feine Gefährten. 48 


Aus brieflihen Mittheilungen verſchiedener Mitglieder dieſer Er 
pedition ergiebt ſich, daß fie alle mit vertrauensvoller Hingebung auf 
ihren Yührer blidten und mit enthuftaftifchen Hoffnungen von ben 
Ausfichten ihres Unternehmens erfüllt waren. Einige unter ihnen dach⸗ 
ten an nichts geringeres, als die Spike des Nordpols zu befteigen. 
Aber Kane Hat mit der ihm eigenthümlichen Feſtigkeit und Weberlegs 
famfeit ausbrüdlich den Borfag ausgefprochen, nicht blos auf das Vor⸗ 
wärtögehn, fondern auch auf die Sicherung der Rüdfahrt Bedacht zu 
nehmen, und zu dem Ende für das Winterquartier des Schiffes eine 
Stelle auszuwählen, die außer dem hinlänglicden Schuß gegen die art 
tifchen Elemente zugleich eine möglichht leichte Wiedererreichung der ofs 
fenen See darbieten werde. Er war entichlofien, im Jahre 1854 zus 
ruͤckzukommen und feine Vorräthe waren nicht auf einen längern Auf- 
enthalt in unwirthlidden Gegenden berechnet. 

Dennoch ift er bis jept nicht zurüdgelehrt; feit der Weiterfahrt 
der Erpedition von Upernavif ift Fein Lebenszeichen derfelben nach Ame⸗ 
rifa oder Europa gelangt. Dennoch koͤnnte man nicht fagen, daß zur 
Zeit in der Heimath der Ausgebliebenen eine verzweifelnde Anficht über 
ihr Scidfal die Oberhand gewonnen hätte Dr. Kane Hatte unter 
den mannichfaltigftien Erfahrungen während der hoͤchſt merfwürbigen 
Rückfahrt der erften Grinnells Erpebition (1850—51) eine feltene Tuͤch⸗ 
tigfeit, außerordentliche Geiftesgegenwart, eine bewundernswerthe Kalt 
blütigfeit in den Stunden der größten Gefahr, unermüdliche Friſche 
und Ausdauer bewährt. In welchem Maße die überrafchendften Er⸗ 
lebniſſe fich auch Häuften, man hatte ihn nie rathlos gefehen, die Ueber⸗ 
fegenheit feines Blids hatte ihm nie verfagt. Daher mochte die Zus 
verficht, daß er auch auf feiner zweiten kuͤhnen Fahrt Die Mittel zum 
Unterhalt und zur Rüdfehr finden werbe, nicht fo leicht erfchüttert wer⸗ 
den. Auch das Bild der von ihm erlefenen kernhaften Mannſchaft bes 
lebte unausgefeht günftigere Erwartungen. Ja wir finden noch aus 
dem lebten Monat in einer wiffenfchaftlichen Zeitfchrift den Gedanken 
angebeutet, daß Kane am Enbe durch ein andered Thor der Polarſee, 
duch Wellington-Sund zurüdfehren und die von Belcher Hinterlaffe 
nen Schiffe als glüdliche Prije mit ſich führen werde! ‘) 


1) North American Review April 1855. p. 336. Man wird diefe Anbeutung 
feeilich fo ernft nicht nehmen bürfen. Zubem Haben die Lords-Commiſſioners ber Ad⸗ 
miralität durch eine im letzten Herbft veröffentlichte Belanntmachung erklärt, daß bie 


44 K. Brandes: 


Indeſſen konnte es doch nicht fehlen, daß neben folchen Hoffnungen 
auch ernfte Beforgniffe erwachten. In den legten Jahren feit der Ab 
reife des Dr. Kane — dem die Fahrten M'Clure's und alle fpätern 
Ergebniffe unbekannt geblieben find — war bie Ohnmacht aller menſch⸗ 
lichen Einfiht und Kraft gegen die Gewalten der arktifchen Natur, 
die Unficherheit und Trüglichleit der Berechnung wiederum, und mehr 
als je zuvor, anfchaulich geworben. Dazu kam die Beobachtung, daß 
der Sommer 1854 im nörblichen Bolarmeer fich ganz befonders ſchlimm 
und verfchloffen gezeigt hat, und der fühnen Mannfchaft verberblich ges 
worben fein konnte. Endlich läßt fich denken, wie bie grauſenerre⸗ 
gende Botfchaft des Dr. Rae manche Gemüther mit Schreden ergriff 
oder Doch mit finftern Ahnungen erfüllte. 

Daher vereinigten fi) im December 1854 verfchiedene Körper: 
fchaften der Vereinigten Staaten, um die Aufmerkſamkeit des verfammel: 
ten Gongrefied auf diefe Angelegenheit zu lenken, die Ausfendung einer 
Rettungs» Expedition herbeizuführen. Im Senat wurbe diefer Antrag 
am 15. Jan. ohne erheblichen Widerfpruch genehmigt. Den Einwand 
eines Redners, wie dieſes Unternehmen doch gar zu ungewiß fei und 
neue Opfer von Dienfchenleben herbeiführen könne, erledigte vie Ent- 
gegnung, daß Kane überall durch Signalftangen und Wahrzeichen 
feinen Weg anzuzeigen verheißen Habe, und demzufolge fein Verbleiben 
ungweifelhaft zu ermitteln fiehe. In dem Haufe der Repräfentanten 
ſcheint die Angelegenheit zuerſt nicht ohne Bedenken aufgenommen zu fein; 
wenigftens febte man fie zweimal aus, bi8 am 29. Jan. nachdem ben 
geießgebenden Körpern in den Staaten New⸗York, Pennſylvanien und 
New⸗Jerſey dringende Vorſtellungen überreicht waren, die Ausrüftung 
eined Dampfboots mit einem Transportfchiff zum Befchluß erhoben wurbe. 
Die Betätigung des Praͤſidenten Pierce erfolgte am 3. Februar. 

Die. Ausführung der Vorbereitungen zu biefer Rettungs » Erpebi: 
tion iſt nicht ohne mannichfache Schwierigkeiten und Verwickelungen 
geblieben. Im März d. J. war für 50,000 Dollar das ehemalige 
Poftdampfboot „City of Boston“ angefauft, jedoch hernach, als man feine 
Herrichtung bereitö begonnen, theild als zu fchiwer, theils als zu alt befun- 
den worden. Man kam zu dem Entfchluß, daſſelbe mit dem in Philadelphia 


großbritannifche Megierung fich ihr Cigenthumsrecht auf jene fünf Schiffe (Aſſiſtance, 
Reſolute, Inveftigator, Pioneer und Intrepid) fortwährend vorbehäft. 








Die Iehte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 45 


gebauten Schraubendampfer „Aretic" (250 Tonnen) zu vertaufchen. 
Diefem wurbe die Klipperbarfe Eringo beigefellt und demzufolge mit 
bem bezeichnenden Namen „Releafe” benannt. Die Regierung hatte 
zur Ausrüftung und Bemannung die Summe von 150,000 Dollars 
ausgefeht; außerdem mußten auf die Schraubendampfmafchine noch 
30,000 Doll. und auf die Klipperbarfe 17,000 Doll. verwandt wers 
den. Henry Grinnell Hat feinen um die Sache Franklin's hochverdien⸗ 
ten Ramen von Neuem bewährt; er Hat es fich nicht nehmen laſſen, 
auch diesmal zur Ausflattung der Männer, die mit Gefahr des eiges 
nen Lebens auf die Rettumg ihrer Landsleute ausgehen, mit freigebiger 
Hand beizufteuern. Die Borräthe der Expedition find auf reichliche 
jwei Jahre berechnet. In dem glüdlichen Falle, daß die vermißte 
Mannfhaft am Cap Alexander, dem nächften Beflimmungsort einer 
folden Begegnung, Die vermißten Mannſchaften anträfe, würde ihrer 
Rüdkehr fchon Im Monate September entgegenzufehen fein. — Zum Be 
fehlöhaber iſt Lieut. Henry I. Hartftein aus Süd» Karolina ernannt. 
Sämmtliche Mitglieder der Fahrt find nach den eingegangenen freiwils 
ligen Meldungen ausgewählt. Unter ihnen finden wir einen Bruder 
des Dr. Kane und zwei Männer, die während der erften Expedition 
1850 — 51 unter feinen Gefährten waren. Der Schraubendampfer 
Arctic if dem befondern Commando des Lieut. E. C. Simms aus Bir 
ginien übergeben. 

Die Expedition iſt den lebten Rachrichten zufolge unter mannich⸗ 
fahen Bezeugungen der Iebhafteften Theilnahme am 2. Juni in See 
gegangen. Es wird erwähnt, daß Henry Grinnell dem Befehlshaber 
wenige Tage vorher Eremplare der fämmtlichen arktifchen Parlaments: 
Drudftüde und Admiralitaͤtskarten überreichte, Die ihm von dem jün- 
gern John Barrow aus England eingefhidt waren. Inter den Kar⸗ 
ten befand fich ein vom Gapt. Inglefield mit bemerfenswerthen hands 
fchriftlichen Noten verfehenes Eremplar feiner Aufnahme des Smithfun- 
des. Lady Franklin hat gleichzeitig eine fleinerne Gedenktafel an Henry 
Grinnell mit der Bitte überfandt, die Infchrift, welche in London aus 
Mangel an Zeit nicht mehr vollendet werben fonnte, in New⸗York 
eingraben und hiernach das Denkmal ihres jetzt als verloren bes 
trauerten Gatten und feiner treuen Gefährten „welche zum Nutzen der 
Wiffenfchaft im Dienfte ihres Vaterlandes gelitten Haben und geftor- 


46 K. Brandes: Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 


ben find”, ven Offizieren und Mannfchaften der amerifanifchen Erpe 
dition überweifen zu laflen. Ihrer Beitimmung zufolge wird dieſes 
Monument auf der Beechey⸗Inſel neben dem Bellot«Denfmal „bei den 
Stätten aufgerichtet werden, wo die Berunglüdten den erften Winter 
zugebracht Haben, und von wannen fie aufgebrochen find, um die Wis 
dermwärtigfeiten ihres Unternehmens zu überwältigen ober umzufommen. 
Zum Gedächtniß der Trauer ihrer tief ergriffenen Vaterlandsgenoſſen 
und Freunde und des im Glauben befiegten Herzeleivs Derjenigen, 
bie in dem heldenmuͤthigen Führer der Expedition den hingebenpften 
und liebevollftien Gatten verlor." Der Wortlaut dieſer Inſchrift bie 
tet den würbigften Schluß unferer Darftellung: 


TO THE MEMORY OF 


FRANKLIN, 
CROZIER, FITZJAMES, 


AND 
ALL THEIR GALLANT BROTHER OFFICERS AND FAITH- 
FUL COMPANIONS WHO HAVE SUFFERED AND 
PERISHED IN THE CAUSE OF 
SCIENCE AND THE SER- 
VICE OF THEIR 
COUNTRY 
THIS TABLET 
IS 
ERECTED 
NEAR THE SPOT WHERE 
THEY PASSED THEIR FIRST ARC- 
TIC WINTER AND WHENCE THEY ISSUED 
FORTH TO CONQUER DIFFICULTIES OR TO DIE. 
IT COMMEMORATES THE GRIEF OF 
THEIR ADMIRING COUNTRYMEN AND FRIENDS AND THE 
ANGUISH SUBDUED BY FAITH OF HER WHO HAS 
LOST IN THE HEROIC LEADER OF THE 
EXPEDITION THE MOST DEVOTED 
AND AFFECTIONATE OF 
HUSBANDS 
And so He bringeth them into the heaven where they would be. 
1855. 


THIS STONE HAS BEEN INTRUSTED TO BE AFFIXED IN ITS PLACE BY THE 
OFFICERS AND THE CREW OF THE AMERICAN EXPEDITION, COMMANDED BY 
LIEUT. H. J. HARTSTEIN IN SEARCH OF DR, KANE AND HIS COMPANIONS. 





Jieuere £Literatur. 


The Mediterranean. A memoir physical historical and nautical by 
Rear-admiral Will. Henry Smyth etc. 8. London. J. W. Parker 
and Son. 1854. 500 8. 


„Das Bekannte überhaupt ift darum, weil es bekannt ift, nicht erkannt.“ 
Diefes Wort des Philofophen findet feine Anwendung auf den uns vorlie- 
genden Gegenftand. Das Mittelmeer mit feinen Geſtadelaͤndern, als der ei⸗ 
gentliche Schauplatz aller culturhiftorifchen Entwidelung der Menfchheit, ift 
feit Jahrtaufenden wie fein anderer Raum auf unferer Erooberfläche befannt 
geworben; zur kigentlichen Erkenntniß aber, namentlich feiner maritimen und 
nautifchen Verhaͤltniſſe, hat das Hier zur Anzeige zu bringende Werk de ſei⸗ 
nen Gegenſtand vollkommen burchbringenden und beberrfchenden englifchen 
Admirals erft einen ernften, feften und fichern Schritt gethan. Der Hr. Ver⸗ 
faſſer Außert ſich über fein Unternehmen, vie Schwierigkeit deſſelben fo wie 
bad verfpätete Erſcheinen des Werkes in der Widmung an feinen Freund, 
ven Admiral und Gydrographen der englifchen Aomiralität Sir Fr. Beaufort; 
er bezeichnet darin fein Werk als ein ſolches, welches ven Zuſtand ver nau⸗ 
tiſchen Kenntniß des Mittelmeeres bis zum Sabre 1824 aus eigener Beob⸗ 
achtung und Erfahrung enthalte, und deſſen Erfcheinen fich verzögert habe, 
weil es einer forgfältigen Meberarbeitung unterzogen und dann auch erft ſpaqͤ⸗ 
ter durch Die Vermeſſungen des Archipelagus ergänzt worden ſei. Auch Au- 
ßere Unglüdsfälle, wie der zerſtdrende Brand einer Druckerei, hielten die Ver⸗ 
öffentlichung dieſes Wertes auf, woraus jedoch, wie der Berfaffer meint, dem 
engliſchen Seevienft Fein erheblicher Nachtbeil erwachfen wäre, indem feine 
Seekarten, welche ven Inhalt dieſes Werkes zur Anſchauung brächten, laͤngſt 
in den Verkehr und Gebrauch übergegangen feien. Außerdem wären bie ge= 
fammten Materialien, welche feine Unterfuchungen umfaßten, jeberzeit ven 
Freunden geographifcher Forſchung zugänglich geweſen. 

Daß Bebeutung und Intereffe des Gegenſtandes weit reichende Kreife in 
Anfpruch zu nehmen berechtigt ift, darin wird wohl jeder Kundige mit dem 
Verfaſſer übereinftiimmen. Es giebt an unferem Erdenrund feine Meereß- 
fläche, die in jeder Richtung menschlichen Interefien fo viel Lehrreiches, An⸗ 
ziehendes und Erhebendes aufzuweifen Bätte, wie gerade dieſe. Ein Seemann, 
wie Admiral Smith, erinnert mit Mecht daran, daß es das Meer ift, auf 
welchem vie Flotten von Karthago, Griechenland und Nom in frühern Zei⸗ 
ten fritten, wie die von Spanien, Frankreich, Italien und England in Tpätern 


48 Neuere Literatur: 


Jahrhunderten. „Eine Hauptaufgabe für's Meifen, bemerkte Dr. Johnſon dem 
General Paoli, ift der Anbli der‘ Ufer des Mittelmeer.” An jenen Küften 
entftanden over dehnten fich aus bie vier Weltreiche, von Affyrien und Per⸗ 
fien, das griechifche und römifche. So ift gefommen, daß faft jede Strede 
diefer Meeresküfte in Biftorifcher Hinſicht eine clafflfche geworben, wie ſie im 
Allgemeinen für den Urfprung der Religionsſyſteme, und für vie Entwicklung 
faft aller Künfte und Wiflenfchaften vie ewig venfwürbigen Ausgangspunfte 
aufzuweifen bat. Und immer von Neuem wieber, abgefehen von den unend⸗ 
lich anziehenven Iandfchaftlichen Naturreizen dieſer Küftengeftade und von ven 
an fie gefnüpften claffifchen Erinnerungen, tritt dieſes Meeresbecken von Zeit 
zu Zeit mitten in bie unmittelbaren Zeitinterefien Hinein und macht feine 
ererbten Anfprüche, der culturhiſtoriſche Mittelpunkt für die Gejchichte der 
Menfchheit zu fein, wieder mit Erfolg geltend, wie dies gerade in unfern Ta⸗ 
gen nach verfchienenen Richtungen Hin ganz unverkennbar fich barftellte. 

Es möchte nun fonderbar erfcheinen, bemerkt ver Verfaſſer, daß folche 
Küftenftredden von diefen außerorventlichen Intereffen ver Menfchheit feit alten 
Zeiten bis auf die Gegenwart begleitet, noch heutzutage ver Vermeſſung und 
genauen Beſtimmung ihrer Lage und Verhaͤltniſſe bevürften; und dennoch be» 
weifen vie in dem Werke felbft nievergelegten langjährigen Arbeiten des Ber 
faflers, daß allerdings dazu eine ziemlich dringende Nothwendigkeit vorlag. 
Und zwar ift dies eine natürliche Folge ver fortfchreitenden Wiflenfchaften auf 
den bier in Betracht Eommenven Gebieten geworden. Die bybrographifchen 
Bermeflungen haben überhaupt große Kortfchritte gewonnen, weil ihnen ge- 
nauere Snftrumente, beilere aftronomifche Tafeln, corrertere Seekarten und 
grimblichere nautifche Anorpnungen zur Verfügung flanden ober nach und 
nach erworben wurden. Geftügt nunmehr auf ſolche Bortfchritte im nauti- 
[hen Wiflen, konnten die Seemänner aller Nationen leichter dahin gelangen, 
die Praxis in der Schifffahrtöfunft zu verbeſſern, mit grünblichern Kenntnif- 
fen audgerüftet die Erfcheinungen der Winde und der ozeanifchen Strömun- 
gen zu beobachten. Auf viefem Wege Liegt in den unausbleiblichen Fort⸗ 
ſchritten, zu welchen ſich der menfchliche Geiſt hingebrängt fühlt, die auch in 
dem Werke audgefprochene Hoffnung, daß es einft gelingen werbe, vie Tiefe, 
Geſtalt und phyſiſche Natur des Ozeans zu beflimmen, was für die Kenne 
niß aller Verhältniffe an unferem Erdglobus von tiefer Bedeutung fein möchte. 
Wenn nun aber bei den Koften und Kräften, welche 3.3. die Unternehmung 
und Herftelung einer vollftändigen ozeaniſchen Vermeſſung erheifchen würbe, 
wohl vorläufig darauf zu verzichten ift, fo Liegt doch die Darftellung einer 
unterfeeifchen Karte des Mittelmeerd nach des Verfaſſers Anficht in den Gren⸗ 
zen der Möglichkeit. Und zur Herbeiführung eines folchen Unternehmens if 
allerdings die in Rede ſtehende Arbeit eine der wichtigften und intereffante: 
fien Borftufen. 

Die Schon erwähnte Genauigkeit in dieſer Arbeit verdankt fie, wie bier 








W.H.Smyth: The Mediterranean. 40 


anerkannt wird, ben inzwiſchen für ſolche Unternehmungen immer mehr der 
Vollendung zugeführten Inſtrumenten und Apparaten, fo wie ihrer weiter 
verbreiteten funbigen Handhabung, während in frühen Zeiten, bie nicht 
allzu lange Hinter und liegen, der Mangel folcher Hilfmittel jede genauere 
Beobachtung und Darfielung geographifcher Bermeflungsverhältniffe faſt un⸗ 
möglih machte. Noch um die Mitte des 17ten Jahrhunderts kannte man 
nicht im Entferntefien vie wahre Geſtalt und Größe des mitieländifchen 
Meeres, wie die Beichichte der Lnterfuchungen vefielben darihut; man 
folgte immer faft blind den Angaben des Ptolemaeus; ja von Toledo bis 
Gairo war fogar ein Fehler von 18 Längengraven auf allen Karten. Dieb 
wird nicht überrajchen, wenn man weiß, daß noch im J. 1664 der berühmte 
franzoͤſiſche Aſtronom Auzout in einer BZueignungsfchrift ven König Lud⸗ 
wig XIV. alfo anrebete: Mais Sire, c’est un malheur, qu’il n’y a pas un 
instrument & Paris, ni que je sache dans tout votre royaume, augquel je 
voulusse m’assurer, pour prendre pr&cisöment la hauteur du pole. Aber 
weber in England, noch in Italien, noch im ganzen übrigen Europa gab es 
bamald Werkzeuge, womit man eine genaue Längen- und Breitenbeflimmung 
hätte machen köͤnnen. Kamen nun auch fpäterhin vie geeigneten Infirumente, 
welche der menschliche Erſindungsgeiſt herſtellte, in Gebrauch, fo vergingen 
doch große Zeiträume, bis mit ihnen nur die befannteften und zugänglidy“ 
ften Punkte des Mittelmeered feftgeftellt wurten. Ueber die wahre Größe 
und Länge des ſchwarzen Meeres bat befanntlich vie Ungewißheit bis vor 
wenigen Jahrzehnten fortgebauert und ift in allen Punkten bis jetzt kaum 
feſtgeſtellt, was freilich in Solge der gegenwärtigen Kriegsoperationen auf die⸗ 
fem fonft eiwas abgefchloffenen Meerestheile fich anders geftalten vürfte. Schr 
lehrreich ift im der Hinficht die Gefchichte ver hydrographiſchen Arbeiten im 
Wittelmeere, wo fie der Verfaſſer unſeres Werkes in dem vierten ſehr voll- 
ſtaͤndigen Abfchnitte veffelben (S. 310— 353) und vorführt. Aus ihr er. 
giebt fich, daß Das Mittelmeer in der That die Wiege ifl, worin fich wie Hy⸗ 
drographie bildete, aber zugleich auch, wie es einer langen Reihe von Jahr« 
hunderten, ja felbft mehrerer Sahrtaufende bedurfte, che man dieſes am mei⸗ 
fm von allen Meeren ver Erde befahrene nur einigermaßen genau Tennen 
lernte; ja ſelbſt noch jeßt, ungeachtet der eigenen angeſtrengten Arbeiten 
des Verfaflerd und aller fpäteren ununterbrochenen Beftrehungen fo vieler in« 
telligenten Seeofflciere vergeht faft fein Jahr, das nicht zur genaueren Kennt« 
niß des Mittelmeere® unerwartet Beiträge lieferte. 

Die frübeften und befannten Forfchungen im Mittelmeer und an deſſen 
Küften und Infeln reichen bis in ven Beginn des 6. Jahrhunderts vor un⸗ 
ſerer Zeitrechnung zurüd, indem der große Perferfönig Darius Hyſtaspis, als 
er fih zu feinem Kriege gegen die Hellenen züftete, es für feinen Zweck wün- 
ſchendwerth fand, die Eigenthümlichkeiten der Küften Griechenlands zu kennen, 
und deshalb eine Fleine Eskadre ubrüſten ließ. Auf biefer ſchifften fih 15 

Zeitſchr. f. allg. Grbfunde. Br. V on 4 


50 Neuere Riteratur: 


in gutem Aufe ſtehende Perfer unter Leitung eines griedhifchen Führers Des 
mokebes mit dem Auftrage ein, die Küften Griechenlands zu unterfucdhen und 
zu zeichnen, alfo eine wirkliche Aufnahme auszuführen. Wie Herodot be» 
richtet (III, 136), wurbe ver Auftrag in Bezug auf den größten und bes 
rühmteften Theil von Hellas vollzogen, vie Perfer kamen fogar bis Tarent 
in Unter⸗Italien, wo aber ihre Erpebition gewaltfam unterbrochen wurbe, 
weil man vie PBerfer für Spione hielt. Die über viefe Unterfuchung ge⸗ 
wonnenen Mefultate find und jenoch verloren gegangen. Einen Beitrag 
anderer Art zur Kenntnig der Mittelmeerküften lieferte um vie Mitte bes 
4. Jahrhunderts vor Chr. Geb. Skylar von Karyanda in feinem befannten 
Periplus und in dieſem zugleich den erften Verſuch eines Schiffswegweiſers 
(Sailing Directory), dem bis zu unferen Zeiten unzählige Arbeiten ähnlicher 
Art für alle Meere der Erde gefolgt find. Schon in den fpäteren Zeiten des 
Alterthums gab «8 eine ganze Reihe verfelben theild allein für das Mittel» 
meer oder dad innere Meer, mie ber Sprachgebrauch damals dad Mittel» 
meer zu nennen pflegte (7 drzos Galacca), theild gemeinichaftlich Für das Mit⸗ 
telmeer und das Welt» oder Außere Meer (7 dxros Odlacca). Marcianud 
von Heraflea, der felbft eine Beichreibung der Küften des inneren und Aus 
Beren Meeres lieferte (Geographi minores ed. Dodwell. Oxoniae 1708. 
Vol. L), bemerkt in der Hinſicht ausdrücklich, daß eine große Menge von 
Schriftftelleen folche Befchreibungen verfaßt hätten, wovon viele freilich keinen 
Blauben verdienten, und er vechnete zu dieſen Autoren befonbers den Menip⸗ 
pus von Pergamus, ven Artemivoruß von Ephefus, welcher in ver 169. Olym⸗ 
piade einen großen Theil des inneren Meeres bis Gadir (Cadir) befchifft, 
felbR das äußere Meer Eennen gelernt und darauf eine Umfchiffung des er⸗ 
fin in 11 Büchern verfaßt Hatte, ven Timoſthenes und Cudoxus aus Rho⸗ 
dus, den Androſthenes aus Thafus, den Euthymanes aus Waflalia, den Apelles 
aus Kyrene, ven Phileas von Athen, ven Kleon aus Sieilien nebft mehreren 
anderen, deren Schriften fammtlich verloren gegangen find. Wären ſie uns 
erhalten, fo vermöchten wir ohne Zweifel beffer zu beurtheilen, bis zu welchem 
Grade der Genauigkeit die Kenntniß des Mittelmeeres und feiner Küften im 
Altertfum bereits gebichen war. Nach ver amtlichen Stellung bes Timo⸗ 
fihenes, der einft Admiral ver Flotte des Königs Ptolemäus II. Philadelphus | 
zu Alexandria gewefen, nach der Angabe des Agathemerus (Kb. I, c. 5), 
daß derſelbe den Umfang der Küften Siciliens berechnet habe, endlich nach 
den den Schriften dieſes Mannes, wovon daB größere Werk, Periodos ge- 
nannt, eine Schilverung der Klften in 10 Büchern, ein kleineres eine Be⸗ 
fhreibung der Seehäfen enthielt (Strabo Ed. II. Cas. 421; Marcianus 63, 
64), durch einen fo ſachkundigen Beurtheiler, wie Eratoſthenes, gemachten 
Lobfprächen war wohl anzunehmen, daß Timofthenes auch vie beſten Arbei⸗ 
ten der Art, entweder auf Grund eigener Borfchung oder wenigſtens ves ber 
Ken damals vorhandenen Materials, geliefert habe. Dies fcheint aber nicht ver 
Fall geweſen zu fein, weil fowohl Strabo (6. 92, 93) ald Marcian (64) . 


- 





W.H. Smyth: The Mediterranean. 31 


dem Timoſthenes Unkenntniß des Wittelmeeres und des abriatifchen Meeres, 
namentlich der Küften Italiens, Spaniens und Nord⸗Afrika's, vorwarfen. 
Bon allen Hier zuledt angeführten Schriftfiellern, die in einer Geſchichte ver For⸗ 
ſchungen im Mittelmeere während des Alterthums einer Erwähnung verbient 
hätten, nennt umfer Derfafler Leinen, außer daß er gelegentlich ven Timoſthe⸗ 
ned berührt. Wenn aber verfelbe dafür den befannten Seefahrer Pyhtheas 
bie Infen Lipara und Stronghle (dad heutige Lipari und Stromboli) wife 
ſenſchaftlich unterfuchen laͤßt und fich dabei auf die Scholiaften zum Apollo⸗ 
nius Rhodius (lib. IV. v. 761) beruft (©. 319), fo ift dies umeichtig, da 
viefe bei ber angeführten Stelle nicht dad minbefle von einer foldhen Untere 
fuchung reden, fondern nur bemerken, daß Pytheas von den vulcanifchen Er⸗ 
fheinungen beider Infeln fpreche (Apollonii Rhodü Argonantica. Ed. Brunck. 
Lipsise 1813. II, 299, 600); nicht minder irrig ift, wenn der Verfafler ben 
befannten griechifchen, im Alterthum wegen feinee Gewiſſenhaftigkeit gepriefe- 
nen G@eographen Dicaearchus eine Zeichnung ber griecdhifchen Küſten nach 
eigenen Aufnahmen machen läßt (S. 316), indem Cicero (Epistolae ad 
Atticum VI, c. 2), Strabo und Agathemerus (lib. I, c. 1), die drei den Die 
caearchus am meiften erwaͤhnenden Autoren, nicht das entferntefle Davon fagen, 
und ebenfo wenig in M. Fuhr's neuefler Saumlung ber Fragmente des 
Dicaearchus und der über viefen Autor aus dem Altertum enthaltenen An⸗ 
gaben (Darmftabt 1841) eine Stelle zur Beflätigung biefer Angabe vor« 
kommt. Dagegen bemühte man fich in Altertum allerbings vielfach, wie 
Längen-e und Breitnausbehnung des Mittelmeeres zu berechnen, un bie 
Refultate flimmten in Bezug auf die Breite gut unter einander überein, wo⸗ 
gegen fle für bie Länge namhaft von einander abwichen. Die Breite zwi- 
fchen der Aequinoctiallinie und Syracus fand nämlich Eratofthenes zu 25400, 
Hipparchus zu 25600, Strabo zu 25400, Marinus von Tyrus zu 26075, 
Prolemaens zu 26833 Stadien; dagegen die Länge vom h. Vorgebirge (C. 
St. Vincent) bis zur ficilianifchen Meerenge Dicararcgus zu 7000 (Straba 
U. Ed. I. Cas. 103), Eratoſthenes zu 11800, Hipparchus zu 16300, 
Strabo zu 14000, richtiger zu 15000 ’), Marinuß zu 18583, Ptolemarus 
gar zu 29000 Stadien (Smyth 823). Unter biefen Hefultaten iſt das für 
die Entfernung von den Hereulesſaͤulen bis zur genannten Meerenge, wie 
fdyon Goffelin bemerkte (Geographie de Strabon. Paris 1805. I, 335) 
bei Steabo merfwürbig genau, indem ed von ben Ergebniffen ver neue⸗ 
ren Beilimmungen nur um etwa 150 Stadien verfchieven if. Goſſelin be⸗ 
rechnete nämlich nach d'Anville's Karten vie grade Linie zwifchen Gibraltar 
2) Admiral Smyth irrt nämlih, wenn er Strabo diefe Entfernung zu 14000 
Stadien fegen läßt. Lieſt man nämlich in den drei Stellen, wo vie 
der Säulen des Hercules von der Straße von Meifina erwähnt wird (Ed. 11, Cas. 
105, 106, 122), mit Goſſelin ge 12000 ©tadien (Geographie de Strabon 


I, 286), fo beträgt jene erſte Zahl 15000, weil der griechiſche Beograph die Sau⸗ 
Ien nm 3000 Stadien von den h Borgekirge entfernt fein Täßt. 
4 * 


52 Neuere Literatur: 


und Meſſina zu 21° 44’, maß unter dem 36° Nörbl. Br. gleich 12147 Sta- 
dien fein würbe, währen Strabo 12000 Stadien angenommen hatte. Nach 
Admiral Smyth's Beflimmungen von Gibraltar zu 5° 20° 9" Well. 2. Gr. 
und von Mefjina zu 15° 34’ 40” Oeſtl. 8. Gr. ift bie Uebereinflunmung 
der älteren und neueren Mefultate nicht jo groß, doch erfcheint fe bei dem 
vürftigen und unzuverläffigen Material, deſſen fly der griechifche Geograph 
bedienen konnte, noch groß genug. Die ganze Ränge des Mittelmeeres beſtimm⸗ 
ten ſodann Eratoſthenes und Hipparchus zu 27300, Strabo zu 25500, Aga- 
themerus zu 26800 (lib. I, c. 4) Stabien, M. Bipfaniud Agrippa, wie Pli⸗ 
nius angiebt (VI, c. 88) zu 3440 römijchen Meilen, vie nad) Goſſelin 27520 
Stadien betragen (Recherches sur la Geographie des Anciens. Paris 
1798. II, 19), Marinus von Tyrus und Ptolemaeus zu 25080 Stadien, 
Zahlen, welche vie wahre Längenauspehnung des Mittelmeeres um 20 und 
mehr Brave Üiberfteigen. Der Grund dieſer Irrthlimer lag befonberd in den 
falfchen Borftelungen, die man über vie Ausbehnung der oͤſtlichen Theile 
des Mittelmeeres. beſaß und in dem Mangel zuverläfjiger aftronomifcher Be⸗ 
flimmungen, deren Wichtigkeit zur Verbefferung der alten Karten ſchon Hippar⸗ 
chus beſtimmt anerkannt hatte, obgleich von diefem Autor ſelbſt noch (Strabo 
Ed. II, Cas. 63, 106) Maflalia und Byzanz in venjelben Breitengrab ver- 
fegt wurben, während beide Orte, wie Goffelin bemerkt (Recherches sur 1a 
Geogr. systömatique des Anciens I, 57; Gkogr. de Strabon I, 248) um 
2° 16' 21” Br. aus einander liegen. Admiral Smyth, deſſen Bekanntfchaft 
mit den Schriften des Altertbums, wie die angeführten Thatfachen zeigen’), 
Teine beſonders genaue ift, vergrößert die Irrthümer ver Alten noch um ein Be 
deutendes, indem er ungerechter Weile Strabo die Behauptung beilegt, daß 
derfelbe Maffalia 13° fünlich von Byzanz verjegt habe, während jene Stabt 
21° nörblich von dieſer Tiege (S. 321). Unter ſolchen Umſtaͤnden barf 
man ſich nicht wundern, die kartographiſchen Darftelungen des Mittelmeeres 
im Altertdum fehr unrichtig zu finden, indem namentlich die peutingerfche Tafel 
daſſelbe nur als einen langen Canal zeichnete, worin auch vie Infeln ihrer 
Lage, Geſtalt und Ausdehnung nach falfch angegeben waren. Erſt Agatho⸗ 
damon, ein alerandrinifcher Geograph des 5. Jahrhunderts, gab dem Mittel- 
meere auf feinen Karten zum Ptolemäus ungefähr vie Geftalt, welche vaffelbe 
auf ben heutigen Hat (Smyth 323), 

- - Bei der beveutenden maritimen Thätigkeit, welche auch im Mittelalter, wie 
hiſtoriſch nachweislich ift, in jeder Periode deſſelben flattgefunven hat, kann das 
Borhandenfein einer zahlreichen Meihe kartographiſcher Arbeiten, wenigſtens 
aus der fpäteren Epoche des Mittelalters, wo eine erneute wiflenfchaftliche 
Thaͤtigkeit nach den früheren Verwüſtungen fi zu regen begann, nicht auf- 
fallen. Regierungen und Private der ferfahrenden Nationen fahen überein- 
ſtimmend die Nothwendigkeit ein, Schiffern und Handelsleuten zu Hilfe zu 


’) So nennt berfelbe u, a. noch den Strabo einen Eretenfifchen Geographen (S. 11). 











W.H. Smyth: The Mediterranean. 53 


kommen, und fo entflanben zahlreiche Karten des ganzen Mittelmeeres ober 
einzelner Theile deſſelben, vie, wie unfer Berfafler verjichert und nachweiſt, 
öfters eine größere Benauigkeit, als gepriefene Karten felbft unferes Jahr⸗ 
hunderts befaßen. Rautifche Karten hatten vie fpanifchen Seefahrer ſchon um 
das 3. 1286 nach dem Zeugniß des berühmten barcelonefer Handelshiſtori⸗ 
kers Gapmani in f. Quaestiones criticae, und fo ift es auch nach demſelben 
Schriftfieller eine beftimmte Thatſache, daß die aragonefliche Regierung ihre 
Galeeren im I. 1359 mit folchen Karten verfah. Etwa in dieſelbe Zeit (um 
1320) fällt die von dem berühmten und vielgereiften Venetianer verfertigte 
Karte des Mittelmeered, die zwar feit Ianger Zeit verloren iſt, ſich aber ihrem 
ungefähren Charakter nach aus der Planifphäre zu veflelben Autors Werke: 
Liber Secretorum Fidelium crucis in Bongar's Gesta Dei per Francos 
abnehmen läßt. Im Beginn des 15. Jahrhunderts ordnete ſodann König 
Heinrich V. von England, als er einen Kreuzzug nach dem Orient beabfich- 
tigte, den bekannten belgiichen Nitter Sir Gilbert de Lannoy (evidently a 
well qualified officer, wie unfer Autor fagt ©. 328), ab, die Küften Aeghp⸗ 
tend und Spaniens zu unterfuchen. Diefer vollzog den Auftrag und fein 
noch erhaltener Bericht, worin die Meeredtiefen, vie verfehienenen Ankerplaͤtze, 
Befeſtigungen, Kriegövorräthe, Produkte und Hülfsmittel an Holz und Waf- 
fer verzeichnet find, gemährt nach dem Urtheile des Admiral Smyth, der ben» 
felben einfehen Tonnte, eine authentifche Kenntnig der hydrographiſch⸗geogra⸗ 
phiſchen Berhältnifle jener Begenven, wie fie vor 430 Jahren beſtanden. Es 
wäre fiher von Interefle, wenn dieſer Bericht mit ven Ergebniffen der neues 
zen Forſchungen in jenen Gegenven verglichen und bekannt gemacht würde, 
Aber beſonders reich wurde erſt der Schluß des 15. und der Anfang de? 
16. Jahrhunderts an Beiträgen zur Kenntniß des Dittelmeeres, indem bamald 
die zahlreich in den englifchen, franzöftfchen, italiänifchen und fpanifchen Bi⸗ 
bliothefen und Archiven vorhandenen Seeatlaſſe (Portolanos) entſtamden; von 
ten im britifchen Mufeum zu London aufbewahrten theilt der Verfaſſer ein 
langes Berzeichnig mit (S. 330—331). In dieſe Epoche gehören dann noch 
die Karten zu der Schrift des Chriſtoph Bondelmonte über die ionifchen un 
eoeladifchen Infeln (Liber insularım Archipelagi a G. B. de Sinner. Lip- 
siae 1824), fo wie vie rulographifchen Karten des mit dem Agäifchen Meere 
überaus vertraut gewefenen venezianifchen Capitains Bartolommeo zu beffen 
Schrift über den griechifchen Archive, In allen viefen früheren Propucten 
literariſcher Tätigkeit finden fich fchon zahlreiche Untiefen und Felſen verzeichnet, 
die fpäter aus den Karten verfchwanven und von denen Admiral Sıuyth’& 
Werk auch ein Verzeichniß giebt (S. 332— 336). Solche Fehler verurfachten 
in allen Theilen des Mittelmeeres bis in vie neuefte Zeit eine große Menge 
von Schiffbrüchen und anderen Unglüdäfällen, und noch vor kurzer Zeit wa⸗ 
ten die Karten der befschteften Regionen fo fehlerhaft, daß im I. 1848 das 
Admiralſchiff des franzoͤſiſchen Admirals Baudin im Angeficht von Puzzuoli 


54 Neuere Literatur: 


auf ein ſubmarines Felſenriff auflief, weil daſſelbe, obgleich den neapolitawifchen 
und malteflfchen Piloten unter dem Namen bed Fumoſoriff wohl bekannt, 
in einer aus der großen italiänifchen Aufnahme Hervorgegangenen Karte, 
welche auf der Flotte als Kührer diente, fehlte. Auffallend iſt aber bei ver 
von unferem Derfaffer auf bie Geſchichte der früheren hydrographiſchen Li⸗ 
teratur verwandten Sorgfalt, daß er eine große Karte aud dem Beginn 
des 16. Jahrhunderts und von ganz eigenthümlichen Charakter nicht er 
mwähnte, obwohl viefelbe bekannt genug ift und auch in England wohl ber 
fannt fein konnte, da Eremplare davon nicht allein in ven Bibliotheken 
von Berlin und Dresven, fondern auch mehrfach in Bologna und Rom fi 
befinden. Es ift dies der große unter dem Namen Bahrije ober Meer⸗ 
befchreibung bekannte Seeatlas des türfifchen Schiffscapitains Pir Heid. Gert 
3. von Hammer nennt venfelben unitreitig das merkwürdigſte und zugleich 
gehaltvollſte Werk der türkifchen Literatur in geographiſcher Ausbente, das 
nicht aus anderen Werken gefchöpft, fonvern eine Frucht eigener Reifen und 
Beobachtungen des Verfaſſers fei. Lieber diefe Arbeit berichtete ſchon v. Diez 
in feinen Dentwürbigkeiten von Alten I, 33 — 57; dann Kerr v. Hammer 
erſt in Berghaus Hertha 1825 IH, 66, und ausführlicher in ver naͤmli⸗ 
hen Zeitfchrift 1826 V, 99— 131. Pir Neid war der Bruber eines im Be 
ginn des 16. Jahrhunderts im Mittelmeer ſehr gefürchteten türkifchen Gorfaren 
des Kemal Heid, und verfaßte fein Werk in den Jahren 1520 — 1523 zu 
Galipoli auf ausprüdlichen Befehl Sultan Soleiman’s ded Großen. Es bes 
ſteht daſſelbe aus 128, nad Heren von Hammer's Urtheil, freilich über al 
Ien Begriff fehlecht gezeichneten Karten des weißen Meered, (Aspri Thalassa, 
Aongı Balacca), wie die Türken und Griechen das Mittelmeer im Gegen» 
fag zum fehmarzen Meer (Mauri Thalasss, Maven Oalasca) nennen, 
dann aber aus einer ausführlichen Beichreibung, deren Werth in ber Ans 
gabe der Untiefen und fchiffbaren Furthen, fomwie ihrer Sonden, welche 
der Verfaffer auf feinen Zügen mit Kemal Reis felbft aufnahm ober berich- 
tigte, befteht. Noch im I. 18286, wo Admiral Smyth's und des franzöfi- 
fehen Capt. Gauttier Arbeiten zum Theil freilich noch nicht vollendet waren, 
bielt Herr von Hammer bie tärkifche Arbeit für fo wichtig, daß er glaubte, 
eine Ueberfegung derſelben würde für die Schifffahrer im mittelänvifchen Meer, 
befonders aber im Archipelagus, ein ermwünfchtes Linternehmen fein. @inen 
zweiten tuͤrkiſchenSeeatlas verfaßte ſpaͤter Ben Hadſchi Hatiri Reis, Schmefters 
fohn des Kemal Reis und brachte denſelben Soleiman des Großen nächkem 
Nachfolger Selim dem II. var. (Hertha DI, 66.) 

Auch vie zweite Hälfte des 16. und ber Beginn des 17. Jahrhunderts 
blieb Hinter der nächkivergangenen Epoche in Bezug auf Borfchungen und Bei- 
träge zur Kenntniß des Mittelmeered nicht zurücd, doch waren es wieder meifl 
Staliäner, vie fich darin außzeichneten. So nahm auf Beichl Pabſt Sirtus 
des V. der römifche Ingenieur Bartolomeo Grefcentio im J. 1585 die Küflen 








W.H.Smyth: The Mediterranean. 55 


Algeriend, im 3. 1612 Francisco Bafllicata vie des Inſel Candia auf, au 
welche Arbeiten ſich dann bie ded Marfeilles I. Oliva und die von H. A. Magimi 
anfchlefien. Im SI. 1630 unterfuchten endlich noch Giovanni Vitelli und 
Geronimo Benaglio viele Theile des Mittelmeeres. Unter den gebrudten Wer⸗ 
fen aus viefer Epoche hebt Admiral Smyth die Schrift des ſchon genann⸗ 
ten B. Grefcentio: Della nautica mediterranea. Roma 1607, beſonders aber 
das große, für feine Zeit auögegeichnete und namentlic auch auf dad Mit« 
telmeer ſich beziehende Wert eines in Italien damals lebenden Engländers Mob, 
Dudley: Arcano del Mare heraus, das im 3. 1676 in zwei dicken Bänden 
erichien, enblich gehört Hierher ein Lange Zeit hindurch bei ven italiänifchen 
Gapitainen und Steuerleuten fehr beliebter Beriplus in ver Prima parte della 
Specchio del mare, nel quale si deserivono tutti li porti, spiaggie, baje; 
isole, scogli e seccagne del Mediterraneo. Fol 1664 bed Francisco Maria 
Levanto. Geringeren Werth Batten vie in dieſer Zeit erjchienenen Karten, und 
namentlich zeigen fich bie von Grefcentio aus dem 3. 1607, dann bie von 
vom Iekigenannten Autor nach de Ghaberts Urtheil (Memoires de l’Acad. 
de Paris 1759. ©. 485) als fehr unvolllommene Darftellungen, fo wie felbft 
vie von Dudley nach Admiral Smyth mangelhaft war, Wie in Italien, 
waren in Frankreich die Karten noch im legten Biertel des 17. Jahrhun⸗ 
bertö voller Fehler, da bie Ortöbeflimmungen, bie man zum Grunde legen 
mußte, bis auf einen halben Brad abwichen, und man von den meiſten 
Orten nicht einmal eine Längenbeflimmung befaß. Die meiften Punkte waren 
nur nach den Entfernungen roh beftimmt, ober man hatte Pofltionen nad 
der Bouflole, deren Abweichung man fchlecht oder gar nicht Tannte, feſtge⸗ 
Alle. Da dieſe Karten überdies Planfarten waren, 3. B. die von Miche⸗ 
lot und Therni, fo entflanden auch dadurch wefentliche Fehler, auf welche 
man erft ernfihaft aufmerkffam wurde, als Gaflendi und Payrefc die von 
ven Eatholifchen Miſſionaren zu Cairo und Aleppo gemachten Beobachtuns 
gen berechneten. Hatten doch die zu ihrer Zeit fehr berühmten beiden fran⸗ 
zöflfchen Geo⸗ und Kartographen, Nicolaus Sanfon, den die Brangofen ven 
Schöpfer der Geographie in ihrem Lande nennen (Biographie universelle 
1825. XL, 351) im 3.1652 und Guill. Sanfon noch im I. 1668 vie Länge 
des Mitielmeeres vom 5. Vorgebirge bis zum Golfe von Iffus 60 Grade d. 5. 
um ein Drittel oder Vieriel zu groß angenommen (Gosselin Göogr. des (irocs 
analyase. Paris 1790 8.42). Endlich warf ver große Miniſter Golbert im). 
1678 fein Auge auf den elenden Zuſtand ver mediterraneiſchen Kartographie, 
und er flaunte mit echt, wie de Chabert fagt (a. a. O. 485), ein Meer, 
welches der ältefte Schauplah des Seehandels und ver Schifffahrt if und 
wegen feiner günftigen Lage zwifchen drei Welttheilen ſtets vas befuchtefie ge» 
weien war, fo unvolllommen vargeftellt zu finven. Waͤhrend nämlich vie Kar» 
ten der entfernieften Meere damals fchen fo zuverläffig waren, daß vie nmieiſten 
Seefahrer ihnen verizauen konnten, zeigten ſich umgekehrt die de6 Mittelmearrd 


56 Neuere Literatur: 


ber Art, daß die Schiffer vie Küften nicht aus ven Augen verlieren durften und 
ich fletö von zum Theil ſehr unwiſſenden Piloten geleiten laſſen mußten. 
Deshalb fandte die franzöftiche Regierung bie beiden Linienfchiffscapitaine Co⸗ 
golin und Chevalier nebft zwei gelibten Ingenieuren aus, um vie fpanifchen 
und italiänifchen Küften, dann vie Küſten des abriatifchen Meeres unb des 
Archipelagus zu unterſuchen. Dies gefchab, noch blieben vie ungemein ſchoͤn 
gezeichneten Karten in ven Archiven des franzöftfchen Marineminifteriums ru» 
ben. Im 3. 1685 drang wieder ver Chevalier de Tourville in einem Briefe 
an den Marineminifter auf die Nothwendigkeit der Serfielung einer beſſeren 
Karte; dies und vie Vorbereitung zu dem 2. Bande des Neptune francais, wel⸗ 
cher das Mittelmeer umfaffen follte, beflimmte die Negierung, einen Schüler 
Gafitni’s, ven Auffcher der Galeeren zu Marfeille ve Chazelles, welcher ſich fchon 
durch feine aftronomifchen Beobachtungen an der Sübküfte von Frankreich ei» 
nen Auf erworben Hatte, zu Aufnahmen an bie griechifchen, türkifchen und 
ägyptifchen Küften abzuſenden. Durch Chazelled Beobachtungen erlangte man 
endlich die Gewißheit, daß die dem Mittelmeer noch von den Sanfon’d gegebene 
Laͤngenausdehnung völlig unrichtig war; bie Irrthümer der Alten, an denen 
man gegen 600 3. hartnädig feftgehalten, wurden dadurch endlich befeitigt, und 
das Mittelmeer erhielt von nun an feine richtigen Dimenftonen. Zu dieſem 
Reſultate trugen auch die durch ven P. Feuilliee in nem I. 1700 und 1701 
zu Tripoli und in Aegypten angeftelten aftronomifchen Beobachtungen weſent⸗ 
ih Bei. De Chazelles hatte vie Abficht, nach feinen Beobachtungen und aus 
den in den franzöftfchen Archiven enthaltenen zahlreichen. Materialien einen 
Atlas des Mittelmeeres in 32 Blatt herauszugeben, aber vie Schwierigkeit 
der Arbeit war fo groß, daß als de Ehazelles im Jahre 1710 nach einer 
langwierigen Krankheit flarb, fein Werk nicht beendigt war. In der Zeit 
veröffentlichte Henrp Michelot, Pilote Hauturier sur les Galöres da Roi 
im I. 1709 eine eompendiöfe Anleitung zur Befahrung des Mittelmeeres, 
die bei den Seeleuten fo vielen Beifall fand, daß fle noch faft 100 Sabre 
fpäter eine neue Auflage erhielt, und envlich erfchien zwifchen 1685 und 1718 
mit Unterflüßung der venetianifchen Regierung und venetianifcher PBatrioten 
ein mehr, ald 400 Karten flarfer, von zahlreichen Erläuterungen begleiteter 
Atlas des Mittelmeeres, der Atlante Veneto des Padre Vincenzo Coronelli, 
dem im 3. 1717 der Portolano del Mare Mediterraneo ein auögezeichnetes 
Werk des genueflfchen Piloten Sebaftiano Oorgoglione folgte. Diefe mit 
ſolchem Beifall aufgenommene Arbeit, daß bis zum 3. 1815 vier andere Aufs 
lagen verfelben nöthig wurden, nannte ver letzte Held der venetianifchen Ma⸗ 
rine Admiral Angelo Emo fogar das wahrfte und klarſte Bild des 
Meereö (la veritabile e luminossima face del mare. Smyth 345). 
Troß dieſer mannigfachen Beftrebungen war doch um die Mitte des 
vorigen Jahrhunderts an ven befuchteften und anfcheinenp befannteften Kü- 
Ren des Mittelmeeres fehr viel, an den weniger befuchten fogar faſt al⸗ 





W.H.Smyth: The Mediterranean. 57 


(ed zu thun, obgleich des berühmten Delisle Karte, vie ſich auf Chagelles 
Reffungen an den Küften Aegyptens, Syriens und ver Infel Rhodus fügen 
tonnte, viele Borzüge vor den früheren Hatte, und d'Anvilles Arbeiten durch 
Genauigkeit, foweit feine Materialien es zuließen, wieder bie feiner Borgänger 
übertrafen. Deshalb fchlug der öfters genannte Marquis de Ghabert, ein 
ſehr intelligenter franzdfifcher Seeoffizier, im I. 1759 der parifer Academie 
in einem Memoir vor, vie Wieneraufnahme ver de Chazelleöfchen Arbeiten zu 
beantragen. Er felbft wurde in Folge deſſen von dem franzöflfchen Mini« 
flerium zue Ausführung feiner DVorfchläge beſtimmt und fo befchäftigte er 
fih während vier Erpebitionen bis zum I. 1775 damit; die Mefultate feiner 
Arbeiten kamen ebenfowenig zur DOeffentlichkeit. Merkwärbiger Weite trugen 
Caſſtns damalige Triangulationen zur Rectification der Kenntniß ver franzö» 
ſiſchen Mittelmeerkuſten nur wenig bei. Grfolgreicher war vie in großem 
Maßſtabe unter der Leitung Rizzi Zannoni’s, eines geſchickten Mannes, wie Ads 
miral Smyth fagt, durch ein Corps von Ingenieuren unternommene Bermef- 
fung der füdettalifchen Küften, mit Ausſchluß Siciliend, woraus der koſtbare 
große und fchön geftochene Atlas: Atlante maritimo delle due Sicilie hervor- 
ging. Derfelbe umfaßte zugleich pas Innere des Königreich Meapel, ba bie 
Ingenieurs ihre Arbeiten dahin ausgebehnt hatten. Smth bemerkte indeſſen 
ſpaͤter viele Fehler in viefen durch Rizzi Zannoni geleiteten Arbeiten. Endlich 
erfchien noch im I. 1798 eine von Zannont und Vincenzo di Luccio, Piloten 
des ehemaligen Dogen von Venedig, vereint bearbeitete Karte des abrintifchen 
Meeres, die aber nach Smyth vol ver gröbften Irrthümer und fogar eine 
Schande für die Geographie ift, obgleich di Zuccio 14 Jahre lang hydro⸗ 
graphifche Arbeiten dafür ausgeführt zu Haben verfichertee Auf einer uns 
gemein höheren Stufe fanden die im Jahre 1783 begonnenen Arbeiten 
der fpanifchen Seeofficiere, veren Karten fich fogar ven höchſten Ruhm durch 
Genauigkeit und Schönheit der Ausführung erworben haben, ja die Carta 
esferica, que comprehende las costas de Italia, las del Mar Adriatico 
desde Cabo Venere.hasta las islas Sapiencia en la Morea y las cor- 
respondientes de Africa, parte de las istas de Corcega y Cerdeña con 
las demas, que comprehende este mar etc. Madrid 1804, nennt unfer 
Verfaſſer, ver vollgiltigfte Beurtheiler, ſogar noch jetzt bie beſte des Mittel- 
meered, welche wir befiten. Die ganze Bolge der fpanifchen Küftenkarten 
und der Hafenpläne erſchien in 2 Bänden in Folio und bildet ven Atlas ma- 
ritimo de Espana, zu deſſen Erläuterung in 2 Duartbänden das Derrotero 
de la Costas de Espana. Madrid jchon im 3. 1789 trat. Die Ipanifchen 
Küſtenaufnahmen erfolgten unter Don Vincente Tofino de San Miguel’s Leitung 
von den Öfficieren Joachim, Luyando, Malefpina, Ciſcar, Bauza, Ferrar, 
Gipinofa und anderen, die fpäter ‘die Yrüchte ihrer Verdienſte faſt ſaͤmmtlich 
nicht erndteten, fonvern im Kerker oder in der Verbannung flarben. Nach⸗ 
bem ihre Arbeit in der Heimath beendigt war, wandten fich bie Officiere an⸗ 


56 euere Literatur: 


deren Theilen bed Wittelmeeres zu, und D. Dionyſio Alcalı Galiano und 
Don SIofef Maria de Salazar beobachteten im I. 1802 an ven Darbanellen, 
ven Küften Klein» Aftens, Nord⸗Afrika's u. ſ. w. Der Huin ver fpanifchen 
Flotte endete dieſe ruhmvollen Arbeiten, indem drei der ausgezeichnetften Of⸗ 
flciere, die Eapitaine Galiano, Ilcedo und Chirucco, ald Commandeure dreier 
74sRanonenfchiffe, in ver Schlacht von Trafalgar am 21. October 1805 ven 
Heldentod flarben. 

Der Krieg mit Frankreich hatte am Schlufle des vergangenen und im 
Beginn des jetzigen Jahrhunderts die englifchen Flotten häufiger als fonf 
in das Mittelmeer geführt und die Notwendigkeit genauerer Karten, als bie 
bisherigen waren, gelehrt. In weniger befuchten Gegenden zeigte ſich naͤm⸗ 
lich ein fo empfinplicher Mangel an zuverläfligen Daten, daß man nod 
immer zu ben auffallendften Entdeckungen gelangte, mitunter fogar da⸗ 
durch in große Verlufle geriet. So fand die im J. 1800 durch einen großen 
Sturm an der ägpptifchen Küfte überrafchte englifche Flotte unvermuthet eine 
fichere Zuflucht in der Rhodus gegenüber an ver Fleinaftatifchen Küfte gelege- 
nen Bai von Marmeriche, welche den fchönften Hafen, worin die größten Flotten 
der Welt ficher ankern Lönnten, bildet, und doch Hatte Niemand auf der bri⸗ 
tiſchen Flotte eine Ahnung von der Eriftenz eines folchen Hafens gehabt. 
Dagegen gingen ver britifchen Slotte in ven I. 1798-—1800 und fpäter meh» 
sere größere und Fleinere Kriegsichiffe an der Agyptifchen Küfte theils auf 
ben Grund, theild ganz verloren, weil die baflgen Untiefen auf den neueren 
Karten ganz unberüdfichtigt geblieben waren, obwohl man fie auf ven älte- 
ven ganz richtig verzeichnet hatte. Die afrikanifchen Küften waren überhaupt 
bis auf Eapt. Smyth und die neueren franzöflfchen Arbeiten feit Eroberung 
Algeriens fo wenig belannt, daß noch Baron Zach von ihren Bofltionen mit 
Hecht fagte, daß fle weniger gut beflimmt feien, als die im inbifchen Ocean. 
Bon dem griechifchen Meere galt faft vaflelbe, weshalb der englifche Gapitain 
Beaver fi im Beginn dieſes Jahrhunderts beklagte, daß zwifchen ver Spo⸗ 
rabeninfelgruppe und dem Feſtlande von Alten Feine Seelarte zuverläffig fd, 
einige der Sporaden fehlten ganz, feine fei richtig gezeichnet und, nachdem Beaver 
noch mehrere ähnliche Fälle angeführt, erflärte er fehr energifch, daß bie meis 
flen Karten in diefen Gegenden nichtswürdig ſchlecht fein (Life of Capt. 
Beaver 154), ja der befannte Geograph Maltebrun fagte in noch viel fpäte 
ver Zeit, daß er jedes Mal Zweifel Habe, fobald er eine Karte des Mittelmeeres 
zu Hilfe ziehen mäfle (Smyth 354). inter folchen Umſtaͤnden entſchloß fich 
pie britifche Regierung fchon im I. 1811, wenigftend einen ver unbefannte- 
fien Küftenftriche, ven der Landſchaft Karamanien, durch ven damaligen Ca⸗ 
pitain, jegigen Admiral Beaufort, unterfuchen zu laffen. Dies fam zur 
Ausführung, doch mußte die Unterfuchung ſchon im I. 1812 beenvigt wer- 
den, weil Beaufort von Eingeborenen meuchelmörberifch angefallen und ſchwer 
verwundet wurde. 














W.H.Smyth: The Mediterranean. 59 


Seine erſten Aufnahmen begann Admiral Smych felbft als Lieutenant im 
3.1810 an der oͤſtlichen fpanifchen Küfte, wo er ein Kanonenboot befehligte. 
E fegte diefelben Bier bis zum 3. 1812, dann im 3. 1813— 1814 an der 
fieilianifchen Küfte fort, als ihn der Dienft dahin führte. Mit Hilfe guter 
Juftrumente, unter der Protection der Admirale Sir Mobert Hal und Pen⸗ 
roſe, dann bed Generald und Gouverneurs von Malta Sir Thomas Mait- 
land, endlich mit der wiflenjchaftlichen Unterflüßung des berühmten Aftrono» 
men Piazzi gelang ed unferem unermüblichen Forſcher, feine Unterfuchungen 
immer weiter außzubehnen, obgleich ex viejelben auf feine eigenen Koften un⸗ 
ternahm, bis envlich vie britifche Megierung auf ihn aufmerkfam wurbe und 
ihm im Mai 1817 bie Unterfuchungen amtlich aufgab. Als Smyth im J. 
1818 feine Arbeiten nach dem abriatifchen Meere übertrug, ſtellte vie öfter 
reichifche Regierung eine Kriegejloop -von 20 Kanonen unter feine Befehle, 
und ed wurben ibm noch acht dfterreichifche und nenpolitanifche Officiere 
jugetheilt, um fich unter ihm im Beobachten auszubilden. Am Ende des 
3. 1820 befand fih Smyth an ver genuefifchen Küfle, als ihn ein Befehl 
feiner Regierung zurüdrief. Da aber gleichzeitig der audgezeichnete franzöfl« 
ide Seecapitain Gauttier im Auftrage feined Bouvernements ähnliche Unter⸗ 
fuhungen im Mittelmeer ausgeführt, und Suyth Gelegenheit gehabt Hatte, fich 
von Gauttier's Genauigkeit im Unterfuchen zu überzeugen, ging das franzöft« 
he Miniſterium auf feinen Vorſchlag ein, um viefelben Regionen nicht dop⸗ 
pelt erforſchen zu laflen, das Unterfuchungsfeld zwifchen ihm und Bauttier zu 
tbeilen, fo daß er den wefllichen, Gauttier ven öfllichen Theil des Mitttelmee- 
res übernahm. So arbeitete Gauttier in den nächften Jahren in ben griechie 
hen Gewäflern, Smyth dagegen, der fich fchon im Sommer 1822 mit einem 
andern Schiffe nach dem Mittelmeer zurückbegeben Hatte, 6i8 zum I. 1824 
an der afrifanifchen Küfte, an den Küſtenraͤndern von Sardinien und Corſica 
und envlich im Ganal von Elba. Aus viefen 12jährigen Arbeiten find num 
nicht weniger, als 105 Karten, deren Verzeichnung Smyth S. 397—405 mit⸗ 
tbeilt, nebft dem in ver Ueberfchrift angeführten Werk hervorgegangen. Bür 
feine wiflenfchaftlichen Verdienſte verlieh vie geographifche Geſellſchaft zu Lon⸗ 
don dem trefflichen Borfcher in ihrer Generalverfamnlung am 22. Mai 1854 
eine ihrer beiden goldenen Preismedaillen (The Founders Medal) in ven 
ehrenvollften Ausprüden, indem er von dem Vorſttzenden ausdrücklich ver 
Bater der britifchen Meeredaufnahmen genannt wurde, ber auf feine Kinver 
ftolz fein könne. 

Smyth's Werk ift übrigens micht allein eine umfaſſende und überaus 
werthvolle Monographie des Mittelmeeres an fich innerhalb des Unferfuchungs- 
feldes unſeres Forſchers, wie wir eine folche bisher noch nicht befaßen, ſon⸗ 
dern auch eine mit vielen intereffanten Bemerkungen aufgeftellte Beſchreibung 
der gefammten Küftenränver, eine wahre Periegeſe im Sinne der alten geo⸗ 
sraphifchen Schriftfteler. Doch ift zu bedauern, daß das Werk nicht eigentlich 











60 Neuere Literatur: 


vollſtandig ift, da der äflliche Theil des Mittelmeeres von ihm nicht un⸗ 
terfucht worben war, und Gauttier's Beobachtungen, fo viel wir wiffen, nicht 
publicirt worben find. Um eine volftändige Arbeit der Art herzuftellen, Hätte 
der Verfafier alle Materialien feines franzoͤſiſchen Collegen zur Hand Haben 
müſſen, und da dies nicht ver Kal war, fo bleibt feinem etwaigen Nachfolger 
immer noch vieles zu thun übrig. Die neueren franzöftfchen Unterfuchungen 
an ven algerifchen Küften, fowie die der Franzoſen währen ihres früheren 
mehrjährigen Aufenthalts in Griechenlann hätten ſicherlich auch manches inter 
eſſante Material zu einer vollſtaͤndigeren Monographie des Mittelmeeres gelie- 
fert. Da ferner feit feinen Arbeiten mehr als 30 Jahre, für einige ber» 
felben fogar eine Periode von mehr ald 40 Jahren verfloffen ift, fo bat 
fih der Verfaſſer bemüht, feine Materialien zum Theil aus anderen fpäter 
gefammelten zu ergänzen; indeſſen iſt nicht alles gefchehen, was hätte geſche⸗ 
ben können. Die ftatiftifchen Angaben in Siyth's Werk gehen nämlich wenig 
über das Jahr 1829 hinaus, während vie meiften flatiftifchen Zahlen über 
bie Bittelmeerländer uns jet fchon bis zum I. 1852 zur Dispofttion ſtehen. 
A. Autenberg und Gumprecht. 


(Schluß folgt.) 


D. Manuel Recacho, Memoria sobre las nivelaciones barometri- 
cas etc. Madrid 1853. 


Dieſes ſchoͤn ausgeftattete, corrert gedruckte und in einem eleganten Styl 
geichriebene Werk, welches ein glänzendes Zeugniß von der Wiffenfchaftlichkeit 
und dem ernften Streben nicht allein des Verfaſſers, fondern des gefanımten 
fpanifchen Geniecorps ablegt, nimmt unter den Schriften, welche in viefem 
Jahrhunderte über die phyſikaliſche Geographie einzelner Theile Spaniens er- 
ſchienen find, unbedingt den erften Plag ein und wird fonach die Hauptquelle 
für die Orographie und Sybrographie des fo Höchft vermidelten und bisher 
auf den Karten fo gänzlich verkehrt vargeftellten Gebirgsſyſtems ver basfi- 
fhen Provinzen bilden. Die fogenannte „topographifche Brigade“ des fpa- 
nifchen Ingenieurregiments, deren eigentliche Beftimmung die VBermeffung ver 
Küften, Grenzen und militärifch wichtigen Punkte, fowie vie Anfertigung ver 
Pläne der feften Plaͤtze ift, erhielt im I. 1849, wie der Verf. in der Ginlei- 
tung erzählt, von dem Generalinfpector des Geniecorps ?’) den Auftrag, vie 


— — — 


) Es iſt dies der Generallieutenant Zarco bel Valle, Praͤſident der könig⸗ 
lichen Acad. der Wiſſenſchaften, einer der ausgezeichnetften Genieoffiziere Curopað. 
beffen perfönlihe Bekanntiſchaft zu den angenehmften Brinnerungen des Ref. ans 
Spanien gehört. 








M. Recacho: Memoris sobre las nivelaciones barometricas. 61 


Niveanverſchiedenheit von San Gebaftian und Vitoria mittelft einer genauen 
barometrifchen Nivelation zu beflimmen, letzte zugleich auf vie hohen Ge» 
birge von Abarra, Hernio, Aralar, ©. Adrian, Ardnzam und Arlaban aus⸗ 
zubehnen und einen topographifchen Plan des ganzen zwifchen ber Küfle, dem 
Plateau von Mava und Navarra gelegenen Gebirgsélandes, welches in ben 
Hayon biefer barometrifchen Nivelationen ftele, zu entwerfen, da die vorhan⸗ 
denen Karten fo böchft ungenau wären. Mit der Direction biefer eben fo 
ehrenvollen als ſchwierigen Commiſſion wurde der Verf. Hauptmann des 
Geniecorps, betraut und demſelben ein halbes Jahr Zeit dazu bewilligt. Der⸗ 
ſelbe verſah ſich mit zwei vortrefflichen Barometern von Bunten, deren eins 
während ber Operationen verloren ging, mehreren Thermometern, einem Ekli⸗ 
meter (eclimetro nivelador) and Munchen, einer Tupfernen Meßkette von 
50 Schritt Länge, einer großen Bouffole von Kater und mehrern Handbouſſo⸗ 
Ien und begab fich mit einer Section ber topographifchen Brigade im April 
1850 nach S. Sebaflian, wo er feine Operationen damit begann, die Höhe 
eines eine Legua von ©. Sebaftian und nahe hei dem Dorfe Lafarte gelege- 
nen Punktes, welcher als Bafls für vie ferneren Nivelationen bienen follte, 
auf das Allergenauefte zu beflimmen. Nachdem von hier aus vie Nivelatio⸗ 
nen der Straße nach Andoain und den benachbarten Ortichaften Buruntza, 
Adarra und Belcoain ausgeführt worben waren, begannen die eigentlichen 
barometrifchen Operationen am 18. Mai mit ver Beflimmung der Höhe des 
Berges Adarra. Diefe, wie alle folgenden, gefchahen durch genaue und viele 
fach wieberholte correfponvirende Beobachtungen, deren Reſultate nach ven 
Formeln von Laplace und ven Tafeln von Biot berechnet wurden. Hierauf 
begab ſich die Section nach Tolofa, Alegria und Villafranca, beftimmte bie 
Höhe des Monte Hernio, der Berge von Aldaba und des hoben Aralarges 
birges und fchlug Hierauf ihre Reſidenz in Idiazabal auf, wo fie lange blieb 
und zahlreiche Beobachtungen machte. Die wichtigften waren die Meflungen 
rer hoben Sierra de S. Abrian, deren culminirender Gipfel, ver Pic von 
Criſto de Aizcorri, den hoͤchſten Punkt des badfifchen Gebirgsſyſtems bildet ’). 
Dann kehrte die Section nach Ormaiztegui zurüd, unternahm von hier aus 
die Nivelation ver Straße bis Onate und die Höhenbeflimmung der Sier- 
ren von Mutiloa und Aranzazu und anderer Gebirge, und endlich die. Ni⸗ 
velation ver franzöflfchen Heerfiraße von ver Brüde von S. Prudencio, 
wo die Strafe von Onate fih mit ihr vereinigt, bis Vitoria. Nachdem 
von Vitoria aus auf höheren Befehl noch Excurſionen nach ven navarrifchen 
an Guipuͤztoa und Alava grenzenden Gebirgen von Urquiola und Lecumberri 
gemacht, ſowie eine volftändige barometrifche Nivelation von der Brüde von 


2) Dies bemerkt der Verf. mehrmals in der befchreibenden Abtheilung feines 
Werkes. Aus den beigefügten Höhentafeln geht aber hervor, daß das Gorveagebirge 
die größte Höhe erreicht, Indem deſſen Haupigipfel den Pic von Nizeorri allerdings 
nur um 9 Fuß übertrifft. 


02 Neuere Riterhtur: 


®. Prudencio an über Vergara, el Orrio und die Felſenpics von Amboto, 
S. Antonio und Urquiola bis zu der berühmten, im Mai deſſelben Jahres 
auch vom Ref. befuchten Peña Gorvea in Bizcaya, welche fich ald der zweit- 
höchfte Gipfel des Baskenlandes herausftellte, ausgeführt worden waren, kehrte 
die Section in ven legten Tagen des Detober nad ©. Sebaftian zurück umb 
arbeitete daſelbſt den vorgefchriebenen topographifchen Plan aus. Diefer im 
Maaßſtabe von „2,5 außgeführte Plan, weldyer in dem uns vorliegenden 
Eremplare leider fehlt, umfaßt ein im Umfange 42 Legua® in der Wläche 31 
Duadratleguns haltenbes Stud Land, das zwifchen 42° 51’ und 43° 23’ 
Breite, fowie zwifchen 1° 15’ 55” und 1° 41’ 38” öftlicher Länge von Ma- 
drid gelegen ift, oder mit andern Worten ven größten Theil von Guipüzcon, 
ungefähr die Hälfte von Bizcaya und bie angrenzenden Begenten von Alava 
und Navarra. Auf vemfelben find 92 Ortfchaften von Guipuͤzeva und 24 
von Alava, Pizcaya und Navarra nebft einer fehr großen Menge von hypſome⸗ 
teifch beſtimmten Gebirgägipfeln und andern Pımkten verzeichnet. Diefem 
großen Blan find zmei Eleinere im Maßſtabe von „4, und 14, beigegeben, 
welche wahrfcheinlich die von der Section in großer Anzahl angefertigten 
Pläne von Ortfchaften und Straßennivellementd enthalten. 

Auf diefe Schilderung der ausgeführten Arbeiten folgt der eigentliche in 
drei Sertionen und drei umfangreiche Tabellen zerfallende Inhalt des Werkes. 
Die erſte Seetion enthält einen kurzen Abriß der geographifchen, topographi- 
ſchen und ſtatiſtiſchen DVerbältniffe des unterfuchten Landes; bie zmeite eine 
Schilderung der GCommunicationen; die dritte allgemeine Bemerkungen über 
das Vertheldigungsſyſtem jenes Grenzlandes. Wir wollen und bier auf ei« 
nen Zurzen Auszug der erften Section befchränfen, va vie beiden andern für 
die Geographie Spaniens weniger wichtig find. Die Gebirge der basfifchen 
Provinzen find Verzweigungen eines im Allgemeinen in oftweftlicher Richtung 
ftreichenden Gebirgezuges, welcher Guipuzcoa von Navarra und Alava ſchei⸗ 
det (daher von dem Verf. Diviforia principal genannt) und fich bei Ronces⸗ 
valles von der Pyrenaͤenkette abzweigt, ald deren Fortſetzung er betrachtet 
werden muß. Nachdem viefer Hauptgebirgäzug, welcher während feines felt- 
fam gewunvenen Laufes unter den mannichfachften Formen auftritt, indem er 
ſich bald zu mächtigen Gipfeln erhebt, bald zu tief eingefchnittenen Päflen er- 
niebrigt, der aber im Allgemeinen weniger hoch ift, als feine Verzweigungen 
und deshalb fich in feinem Zuſammenhange nur höchft ſchwierig verfolgen laͤßt, 
den Berg Engui emporgethürmt bat, von welchem aus eine Kette ſich von ihm 
abzweigt, vie ſich in nörblicher Richtung bis Yuentarrabia erſtreckt), bildet 





!) Diefe Kette wird vom Bidaſſoafluſſe zwiſchen Zumbilla im Vaſtanthale und 
Deun durchbrochen. Ich habe diefelbe für ben Hanptgebirgszug gehalten. Sie bil⸗ 
det bei Prun den zadigen Branitgipfel des Monte de la Haya, deſſen höchke Spitze 
ih durch barometrifche Mefiung 2479,9 par. Fuß hoch fand. 


M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 68 


er endlich noch an Höhe vafch abnehmend vie Bäfle von Velate'), Donamaria, 
Huici und Lerumbesri, worauf er fich, feine biäher norbweflliche Richtung plöß« 
lich in vie ſüdweſtliche Anvernd, dem hohen Aralargebirge zuwendet. Bon bier 
and erſtreckt ſich die Hauptkette in weſtlicher Richtung durch vie Gebiete vor 
Aya und Ataun, über bie Berge von Alyania, bie Bäfle von Echegarate, Ot⸗ 
jaurte und ©. Abrian, den Pic von Aitzcorri, in welchem fle, wie überhaupt 
da8 ganze baskifche Gebirgsland, nach ſchon gemachter Angabe die größte Höhe 
erreicht, über vie Sierra de Araͤnzazu, den Monte Artia, ven Pag von St. Juan, 
bie Sierra de Elguea, den Monte Arurbin, den Vaß von Arlaban, die Berge 
von Jarindo, Ataun und Baflibayeta, die Benas de Urquiola und ven Paß 
von Burdineruci bis zu den Gebirgen von Gorvea und Orbuna, worauf fle 
endlich mit ven Hochgebirgen von Santander fich verfnäpft. Diefe Hauptkette 
zerfällt in einzelne meift aus terrafienförmig über einanver gefeten Bintenn’s 
beſtehende und von hoben Pic’d over grotesk geformten Felsomaſſen uͤberragte 
Gebirgsſtoͤcke, vie der Verfafler kurz, aber in fehr anziehenner Weiſe ſchildert. 
Den erfien viefer Stöde bildet die Sierren, Penas oder Monte genannten 
Gebirgömaffe von Aralar, welche ſich auf ver Grenze zwifchen Guipuzeoa und 
Navarra erhebt und im SO. von dem Thale von Araquil, im Norven von 
den Thälern von Aralz und Larramı, im Güben von dem Thale von Vo⸗ 
runda (alle dieſe Thäler gehören zu Navarra), im Weſten von den Gebieten 
der zu Bulpuzeoa gehörenden Ortfchaften Amezqueta, Zaldivia, Abalcisqueta, 
Ataun, Aya, Billafranca u. a. begrenzt wird. Ein Zweig des Aralarftodes, 
welcher die Gebiete von Leeumberri und Albeaſu fcheidet, verbinvet jened maͤch⸗ 
tige Gebirge mit der Sierra Madre, über welche fich vie Hauptkette bis zu 
den Sierren von Alzania erſtreckt. „Die mittlere, über 4000‘ (fpaniiche 
Buß) betragende Erhebung des weitläufigen Plateaus (meseta), fährt ver 
Verfafler fort, woraus der Aralar beftcht, macht aus ihren Hochflächen 
(päramos) unbemohnbare Gegenven, welche blos währenn einiger Zeiten bed 
Jahres tranfitabel find. Entblößt gegen die Gipfel Hin von jever Art von 
Daumen, bietet ver Aralar ein nacktes und trauriges Bild dar, das blos Durch 
Die Gegenwart der zahlreichen Viehheerden belebt wird, welche auf den vortrefflis 
hen Weiden, womit bie Hochflächen bevedkt find, ihre Nahrung finden. Wenn 
man von den Gipfeln binabfteigt, werben bie Abhänge der Verzweigungen 
des Gebirges an Vegetation allmälig reicher, aber man bemerft, daß ver 
Baumwuchs an den an Guipuzeoa grenzenden Abbängen viel tiefer, ale 


1) Die Kette von Roncesvalles bis Lerumberri wird Montes be los Alduides 
genannt. Der Paß von Belate, den ich Leider bei näffendem Nebel paffixt habe, 
und welcher das Baflanthal vom Thale von Lanz fcheidet, muß noch eine bedeutende 
Höhe beſitzen, da die Schenle des Heinen am Anfange ber gewaltigen, über den Poß 
hinwegführenden Schnecke gelegenen Dorfes Almanfos nach meiner Beobachtung be- 
reits 06,5" hoch liegt Das Gebirge iſt dort mit dichter fchöner Buchen waldung 
bebe 


64 Neuere Literatur: 


auf der Säd- und Oftfeite beginnt, wo in geringer Entfernung vom Gipfel 
mächtige Waldungen von Buchen, Eichen und andern Bäumen anfangen, welche 
für fich allein den Reichthum der Ortfchaften ausmachen, denen fie gehören. 
Die einzige permanente im obern Theile des Aralar gelegene Wohnung ifl 
dad berühmte Hospiz (hermita hospederia) von ©. Miguel escelſis, das 
nach dem Modell der Nipenhospize, nur im Kleinen, eingerichtet iſt und 
wofelbft die Wanderer, in welcher Zahl fie anch kommen mögen, alles fin- 
den, was fie brauchen, und zwar umfonft, wenn fte fich nicht in ber Lage 
befinden, bezahlen zu fönnen. Bon diefen Hospiz aus Tann man auf einem 
guten Rückwege nach Ugarte Araquil binabfleigen, einem im gleichnamigen 
Thal gegen 2500’ tiefer gelegenen und anderthalb Stunden entfernten Dorfe; 
auch gehen von da bie Fußpfade aus, welche nach Lecumberri, Araiz und 
Amezqueta binabführen, u. f. w. Die größte Länge des Gebirgäplatenus bes 
trägt 3 Leguas von Oſten nach Welten, die Breite anderthalb. Gegen das 
Thal von Araiz und Guipuzcoa Hin fällt das Plateau außerordentlich ſteil 
und bildet eine Menge von Pics und Deprefiionen, weshalb der Aralar 
den Namen einer Sierra fehr wohl verdient. Unter viefen Pics find vie be- 
merfenswertheften die von Naunarri, Balerbi, Irumugarrieta und Eftenarri, 
weil fie fich plöglich und beinahe fenfrecht mehr, ala 4000’, über die Sohle 
der Thäler erheben. Auf der entgegengefeßten Seite bat das Gebirge aller» 
dings auch einige fleile Abhänge, allein fein Gipfel erfcheint in Form einer 
Hochebene und wegen bed Baummuchfed, den man aller Orten entbedkt, 
weniger wild. inter den verjchlevenen dieſem Gebirge entquillenden Baͤ⸗ 
hen find bie bemerfenswertheften vie von Amezqueta, Abalcisqueta, Aya, 
Ataun und Erradqui, lauter Zuflüffe des Oris, und andere der entgegen- 
gejehten Seite, die in den Ebro fließen; aber alle dieſe Bäche entfpringen 
an ven untern Abhängen, weshalb es auf der Oberfläche bloß trodne Ge⸗ 
hänge (vertientes) giebt. Man findet vafelbft blos eine einzige Quelle und 
eine- Eifterne, welche dad Hoſspiz von ©. Miguel mit Wafler verforgen. 
Die Gebirgsart ift Kalk’), ver. einige Erzgänge, worunter ein Kupfergang 
bemerft zu werben verbient, enthalt, indem verfelbe zu Ercavationen und 
Stollen von mehr, ald einer Stunde Länge, Veranlaffung gegeben hat. Auch 
befinden fich vafelbft mehrere auf Galmei bauende Gruben.“ Der nächte Ges 
birgsſtock iſt die Sierra de Alzania. Sie erhebt fich auf ven Grenzen von 
Navarra, Alava und Guipuzeoa und befigt eine viel geringere Höhe, zeichnet 
fich aber durch ihre reiche Vegetation und beſonders durch ihre prächtige aus 
eorpulenten Eichen und Buchen beftehende Waldung aus. Ihr Hauptgipfel 
iſt der Monte Achu, der fich neben dem Paſſe von Echegarate oder Idia⸗ 
zabal erhebt, worüber die Duerftraße geht, welche die von Vitoria nad) 
Bamplona führende Straße mit ver großen franzöftfchen Heerftraße verbinder. 


2) Jedenfalls ver Kreideformation. 





M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 63 


Das Alzaniagebirge ſteht in unmitielbarem Zufammerhange mit dem mach⸗ 
tigen Gebirgäftode der ©. de San Adrian. Diefed Gebirge, welches einen 
ähnlichen wilden und alpinen Charakter beſitzt, wie ber Aralar, beginnt mit 
ben Montes de Alfafün und erhebt fich raſch bis über 5000’, um den Monte 
Araz zu bilden, über ven die politifche Grenze zwiſchen Guipuzeoa und Alava 
geht, waͤhrend vie Hauptwaſſerſcheide an feinem nörblichen Abhange Hin ſtreicht 
und üßer den Paß von Otzaurte nach dem gleichnamigen Verggipfel laͤuft. 
Dort beginnt ein anderes zu demfelben Store gehöriged Gebirge, welches 
Aizcorri genannt wird, nach einem Verlauf von 4 Leguas über der Stadt 
Onate mit dem Monte Aloña endet und ſich gegen Süden mit der Sierra 
de Ardnzazu verknüpft. Die Oberfläche des Aizcorrigebirges, welches den 
culminirenden Theil des gefammten Adrianſtockes bildet, ift ebenfalls ein Pla⸗ 
teau, das jeboch blos eine Länge von einer Legua beſitzt. Auch ift daſſelbe 
nicht fo eben, wie die Gipfelflaͤche des Aralar, ſondern voll Schluchten und 
Selten, „fo daß fich vafelbft nur wenige ebene, mit Gras⸗ und Baummuchd 
bevedte Flaͤchen befinden. Dagegen find die Abhänge mit der üppigften Wal⸗ 
bung befleivet. Auch bei viefem Gebirge (wie faft bei allen ver Hauptfette) 
find bie nach Guipuzcoa ſchauenden Abhänge ungleich fteiler, als bie nach 
Alava und Navarra gefehrten; von dort aus Fönnen fogar Karren an man« 
chen Stellen bis auf das Gipfelplateau gelangen. Im obern Theile des Ger 
birges giebt es feine andere Wohnung, ale die Hermita und Venta von ©. 
Abrian, welche ſich auf dem einzigen für Saumthiere practicabeln Paſſe be⸗ 
finden, der über biefes hohe Gebirge zwiſchen ven Gipfeln Araz und Alona 
führt." Der Punkt, wo fich die Venta befindet, entipricht der Bereinigung 
des Aizcorri und des Araz und war ehebem eine große Grotte ober Höhle 
von einigen 50 Varas Tiefe und 9 bis 10 V. Weite. Später wurde die 
Hintere Wand durch Menſchenhand durchbohrt, und fo befindet ſich an dieſer 
Stelle gegenwärtig ein beinahe natürliches, Tunnel von 75 Varas Länge und 
25 Barad Weite am Eingange. Dieſer Tunnel dffnet ſich durch ein unförm- 
liches Loch von 8 bis 9 Varas Weite nach dem Fahrwege von Cegama (auf 
der Seite von Alava), welcher fih jehr bald bei Salvatierra mit der von 
Bitoria nach PBamplona führenden Straße vereinigt. In dieſer unter dem 
Namen des Bafled von S. Adrian oder ver Peüa horadada (des durchbohr⸗ 
ten Felſens) bekannten Höhle, deren Gewölbe aus einer 80’ dicken Felsmaſſe 
befteht, liegen mit der Ausficht nah NO. vie Venta von ©. Adrian, eine 
elende Schenke, aber einzig im ihrer Art, und die Hermita beffelben Heiligen. 
Auf der Oberfläche diefer Sierra giebt es wenig Waſſer; aber je mehr man 
Binabfleigt, deito häufiger werben Die Quellen. Unter denſelben ift viefenige bon 
Slurbeguieta die bemerkenswertheſte, theils, weil aus ihr der Rio Oriä ent« 
Tpringt, theild wegen der Eigenthümlichkeit, daß viefelbe an dem dem mittel- 
Yändifchen Meere zugekehrten Abhange des Araz entfpringt, und der Bach Halb 
Ffünftlich über eine horizontale Fläche Hinfließt, bis er einen Vorſprung er- 
Zeitfchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 5 


66 Neuere Literatur: 


reicht hat, woſelbſt fiy, ſobald ver Bach nur etwas angeſchwollen ift, das 
merkwindige Schaufpiel darbietet, daß ein umb berfelbe Bad Wafler nad 
zwei verjchiedenen Meeren entſendet. Die Gebirgsart der Sierra ifl ein von 
Spalten, Höhlen und fehr tiefen Schluchten wimsmelnder Half. Derfelbe ent- 
hält einige Eifen- und Bleigänge und verſchiedene Mineralquellen.” An das 
Adriangebirge fchließt ſich im Gebiete von Oñate vie viel niebrigere, aber eben- 
falls unbewohnte umd ziemlich rauhe Sierra de Aranzazu an, welche im SW. 
durch den ihr zugehörigen Monte Artia von dem Gebirgöfnoten der Sierra 
de Elguen getrennt if. Das Aranzazugebirge ift berühmt wegen ver auf ihr 
befindlichen gleichnamigen Hermita, eine beſuchten Wallfahrisortes, wohin 
von Oñate au ein guter Saumpfad führt. Die Sierren von Eiguea, Arur⸗ 
din und Arlaban, welche von bier an vie Hauptkeite bilden, find von mitt- 
lerer Höhe, aber ſtark und fchön bewaldet. Auf dem Arlabangebirge befindet 
fich der gleichnamige Paß, über ven vie franzöftfche Heerfiraße aus dem Thale 
des Deva nach dem bei Ulibarri⸗Gamboa von ihr erreichten Plateau von 
Alava führt. In vemfelben Gebirge beſinden fich vie berühmten Steinfalzs 
Iager, welche dem in ber Nähe dieſes Paſſes höchft maleriich gelegenen und 
wohlhabenden Flecken feinen Namen (Salinad) gegeben haben. Weiter bin, 
bereits innerhalb Bizcaya’9, erhebt fich die Hauptkette wieder fehr bedeutend 
in der ans groteöfen nadten Felsmaſſen beftebenden Sierra de Urquiola ®), 
deren erhabene Gipfel, unter denen die Pena Amboto die erſte Stelle ein- 
nimmt, fi; anfangs in oflmefllicher Nichtung, fpäter in norpfüblicher an ein» 
anber reihen, in welcher Richtung fich viefe Sierra biß zu dem mächtigen 
Stode der Pena Gorbea oder Gorbeya erſtreckt. „Diefer liegt in Vizcaya, 
5 Leguas (füpfünäftlih) von Bilbao an ver Grenze von Alava in den Ge⸗ 
bieten ver Ortfchaften Orozco, Geanuri und Ochandiano. Es wird von drei 
rundlichen über einander gefeßten Hochfläcdhen, welche die Namen Sayambano, 
Bicos Azulo und Penas de Gorbeya führen, gebilvet und hat einen Umfang 
von 12 Leguad. Er vereinigt ſich mit der ©. de Urquiola durch die Pena 
de Altamira und bildet einen Knoten, von dem eine Menge von Zweigen 
ausläuft; einige der letztern erſtrecken fich unmittelbar bis an's Meer, andere 
verfnüpfen die große Kette, der das Borbeagebirge angehört, mit ven centralen 
Ketten (7. Auf dem Gipfel giebt es eine Kläche von beveutender Ausdeh⸗ 
mmg, auf welcher aromatifche Pflanzen im Ueberfluß wachfen. An den Ab⸗ 
hängen trifft man zahlreiche Quellen und eine Menge von Bäumen aller Art. 
Die auf das Gebirge führenden Wege find auf der alava'ſchen Seite häufiger 
und von geringerer Steilheit, ald auf der entgegengefehten, doch giebt es auf 
beiden Seiten Stellen, wo man zu Pferde bis auf die Gipfelflädhe gelangen 
fann. In dem Borbeagebirge befinden fich verſchiedene Höhlen, Grotten, na- 


2) Diefes Gebirge if daffelbe, welches in nıinen Schriften unter dem Namen 
Sierra de Durango vorkommt. 





M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas.. 67 


türliche Schneegruben und merkwürdige Wafferfälle; auch ift das Verſchwin⸗ 
den eined Baches bemerkenswerth, welcher nach langem unterirbifchen Laufe 
bei Orozco wieder an's Tageslicht gelangt ).“ 

Die wichtigften der innerhalb des von dem Verfaſſer unterfuchten Gebietes 
in oder an der Hauptkette entſpringenden Beräfler find Die Küftenflüffe Lezo, 
Urumen, Oris, Urola und Deva und der in den Ebro abfließenve, das Pla- 
teau von Alava durchfurchende Zadorra. Somohl die Baſſins (cuencas) 
biefer Flüffe und Ihrer Nebenflüffe, als vie ſie ſcheidenden Gebirgsketten, welche 
als Berzweigungen der Hauptfette betrachtet werden müflen, haben einen höchft 
unregelmäßigen Berlauf. Died gilt beſonders von den Gebirgen, die ſich in 
allen Nichtungen Hin verzweigen und in hoͤchſt irregulärer Weiſe bald hoch 
erheben, bald tief deprimirt erjcheinen, fo daß es oft faft unmöglich ik, zu 
erkennen, woher fie kommen und zu welchem Zweige der Hauptfette fie ge» 
hören. Dazu kommt, daß nicht wenige dieſer Nebenketten von ven Flüſſen 
durchbrochen und daher vielfach zerftüdelt worven find. Aus biefen Gründen 
eriheint das Bergland von Guipuzcoa und Vizcaya ald ein wirre® Labyrinth. 
— Unter den oben genannten Flüffen ift der Lezo der unbebeutendfle. Gr 
entfpringt am Buße bed Monte ve la Haya, geht in ſuͤdweſtlicher Richtung 
fließend bei Oyarzun und Renteria vorbei und mündet in die Mia oder Bucht 
von Pafaged. Zur Zeit ver Fluth ift er bis Renteria ſchiffbar, ſonſt kann 
er überall durchwatet werben. Sein kleines Baffin befinvet fich zwifchen dem 
Hayagebirge im Süden, ven Bergen von Oyarzun, welche im Verein mit 
denen bed Puerto de Gainzchusqueta und des Monte Jaizquibel e8 gegen Often 
begrenzen und zugleich vom Baffin des Bidaſſoa ſcheiden, und einer miebrigen 
vom Adarra anögehenven Bergfette, die das Baffin des Urumen gegen Often 
begrenzt. Diefer Fluß entipringt in ven Gebirgen von Navarra bei dem 
Dorfe Goizueta, fließt gen NO. und fällt nach einen Laufe von 8 Leguas, 
während den er die Ortfchaften Goizueta, Hernani und Aſtigarraga berührt, 
kei ©. Sebaſtian in's Meer. Während der letzten 3 Leguas iſt er zur Fluth⸗ 
zeit Schiffbar, ſonſt faſt überall zu durchwaten. Die Neigung feines Bettes 
ift von Hernani an faft überall = 0,08’ auf 100'; über ihn find 6 Brücken 
gefchlagen. Sein Baſſin wird im Süben durch die Berge von Goizueta, im 
Oſten durch Die ſchon erwähnte Kette, im Weften durch eine Höhenkette, welche 
fich zwoifchen demſelben und dem Baſſin des Oris und des in Iehtern fließen« 
ven Lerzaran erhebt. Auch dieſe Kette geht vom Adarra aus, der mit dem 
Druntza und den Bergen von Santa Barbara und Oriamendi die Barriere 
bildet, welche die fchönen, obgleich engen Thäler von Hernani, Aftigarraga, 
Loyola und Mivera de Santiago von dem Baffin des Urumea ifolirt. Mit 
Ausnahme viefer Thaler beſteht das ganze Baffin ans hohen Hügeln und 


2) Bol. über diefes intereffante Gebirge meine „Wanderungen bitch bie norbs 
öflichen und centralen Provinzen Spaniens“ Bd. T, 1. 


pw 


5* 


68 Neuere Literatur: 


tiefen gewundenen Grünen, deren Abhänge und Kaͤmme in hoͤchſt malerifcher 
Weife mit zerſtreuten Gehöften (caserios), Eichen= und Uepfelhainen bedeckt 
find. Viel bedeutender ift ber Oris, der Hauptfluß vom Guipuͤzeoa, von 
deſſen Urfprung bereitd oben die Rede war. Währenb ver erfien 4 Leguad 
feines mäandrifch gefrummten Laufed bat dieſer wilde und fchöne Fluß. we⸗ 
nig Waffer, und er kann daher überall durchwatet werben; dann aber wird 
der Vebergang jchwierig, und ton Tolofa an ift derſelbe blos noch mittelft 
Fähren oder Brüden möglich. Die lebten anberthalb Leguas kann derſelbe 
mit großen Böten and Eleinen Seefahrzeugen befahren werben. Leber ven 
Ori« führen 22 Brüden; die franzöftfche Heerftraße allein, weldye von To⸗ 
loſa an in feinem herrlichen Thale abwärts Läuft, überfchreitet ihn acht Mal. 
An feinen Ufern liegen 13 Mahlmühlen, 10 Eifenhütten, 1 Kupferhammer, 
2 große Baumwollenfpinnfabrifen, 1 Tuchfabrit, 2 Bapierfabrifen, 1 Guß⸗ 
eifenfabrif und 1 Dampfmehlfabrif; auch vie übrigen Fabriken beflgen meiſt 
Dampfmafchinen. Die Neigung des Flußbettes beträgt bid Cegama im Mit 
tel 5 auf 100, von da an bis Tolofa 1 auf 100. Linter feinen zahlreichen 
Zuflüfien find die bemerfenswertheflen: ver Fluß von Idiazabal oder Urfuas 
ran, welcher am Monte de Echegarate entipringt, dad Thal von Idiazabal 
bewäfiert und am Eingange des Thals von Segura in den Oria fällt; ver 
Fluß von Ormaiztegui, der dem Berge Zumärraga entquillt, das fchöne Thal 
von Areria, durch das die franzoͤſiſche Heerſtraße von Tolofa aufwärts gebt, 
durchſchneidet und bei Tolofa mündet; die Flüſſe Arguunza und Amezqueta 
und der Bach Zalvivia, vie fämmtlich von Aralargebirge berabfommen; ver 
Otzarain, ver ſich aus den Quellen der Berge Aldaba und Hernio bildet; 
endlich der Arajed, der bebeutenpfte von allen, welcher aus den Quellen des 
Berges Aspiroz entſteht, parallel mit der von Pamplona nach Tolofa füh- 
senden Straße, die ihn fünfmal auf guten Steinbrüden überfchreitet, in Das 
Baffin des Oria, mit dem er fih in Toloſa vereinigt, binabfleigt und einen 
Lauf von 5 Leguas befigt. Alle dieſe Nebenflüfie treiben eine Menge von 
Mühlen und Eifenhätten. Das Baffin des Dria wird gegen Often und Sü⸗ 
den durch die fchon befchriebene Scheidegebirgöfette des Urumeabaſſins, gegen 
Weften durch eine hohe Bergkette begrenzt, welche vom Aizcorri ausgeht und 
über die Berge von Telleriarte, Alto de Aicealecoa, ven Paß von Legazpia 
und die Berge von Gaviria bis zum Pafle von Zumärraga fireicht, fich von 
dort gen Weften erſtreckt, vie links von Ormaiztegui befindlichen Berge bil- 
dend und nun gen Norven verläuft. Diefes legte Stüd beſteht aus ven 
Bergen von Beafain, Villafranca, Azpeitia, vem Alto de Goyaz, dem Monte 
Hernio und ten an der Küfte liegenden Bergen von Aſteazu. Das ganıe 
Baſſin umschließt viele fruchtbare Thäler, befteht aber größtentheild aus wil- 
ben, doch meift fchön bewaldeten oder wenigſtens bebufchten Bergen. Zu den 
bebeutenderen Berggipfeln gehört ver bei Vidania fich erhebende Hernio, deffen 
nackte Belöfuppe ein Kreuz trägt. Der Fluß Urola entipringt ebenfalls im 





M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 69 


Aizcorriſtocke, aber etwas weftlicher als der Oria am Monte Araya im Ges 
biete von Segura. Nachdem er zwifchen Billareal und Jumarraga die fran⸗ 
zöftfche Heerſtraße durchſchnitten Hat, fließt er durch ein fchönes Thal nach 
den Vegas von Azpeitia und Azcoitia und von da zwifchen den Bergen Her⸗ 
nio und Ilzarriz hindurch nach der Vega von Ceſtona, hierauf durch vas 
Thal von Arrona und nılindet, nachdem er bei Iraeta und Oiquina vorbei 
gezogen ift, zwifchen Zumaya und Guetaria in ven Ocean. Der Urola bat 
einen Lauf von 6 Leguas Länge, vom Legazpia an ein Gefälle von 2, fpäter 
von 1 auf 100, trägt 5 Brüden und treibt 5 Eifenhütten und 18 Mühlen. 
Bon dem Baffin des parallel fließenden Deva ift das des Urola durch 
eine hohe, wilde und zerriffene Bergkette getrennt, welche vom Aizeorriſtocke 
ausläuft und über ven Paß von Orate, den Monte Satui und den Pag von 
Descarga, den die franzöfliche Straße überfteigt, nach dem Monte SIrine 
fireicht, um von da über ven Monte Eloͤſua, M. Quirichu, Collado ve Azta⸗ 
rate und die Berge von Ilzarriz und Anduz nach ver Küfte zu laufen. Das 
Baffin des Urola birgt Feine einzige Bega von Beratung, indem es gänz« 
lich von Hohen fihroffen Bergen und tiefen engen gewundenen Gründen er» 
füllt ift. — Der Deva entfpringt zwifchen ven zum Arlabangebirge gehörigen 
Bergen Arurbin und Balvagarrain, eine Halbe Legua von Salinas, und flieht 
über Gaftanared, Escoriaza, Arechavaleta, Mondragon, Vergara, Plaſencia, 
Elgoibar dem Meere entgegen, in welches er fich bei Deva ergießt. Die letz« 
ten 2 Leguas feines Kaufe, wo er den Namen Ria de Eibar führt, find 
fhiffbar. Der Deva, nach dem Oriä einer der bedeutendſten Flüffe der bas⸗ 
fifchen Provinzen, nimmt unterwegs viele Gewäfler auf; vie wichtigfien fin 
die Flüffe Bolivar, Aramayona, Aranzazı und Rio de Anzuola. Der Deva 
beſitzt während feines obern Laufes bis Escoriaza ein Gefälle von 6 auf 100, 
von dort an von 1 auf 100, fließt faft immer zwifchen fleilem Ufern Hin, 
kann daher nur an wenigen Stellen vurchwatet werben, trägt 14 Brüden 
und treibt eine Baummollenfpinnfabrit (bei Vergara), 3 Eifenhütten und 
22 Mühlen. Unter den Zufläffen des Deva ift beſonders der Aranzazı ber 
merkenswerth. „Diefer Fluß entfpringt in den zur Sierra de Aruͤnzazu 
gehörenden Felfen von Zurcruz und flrömt, nachdem er die übrigen Gen 
wäflee der meftlichen Abhänge dieſes Gebirges und diejenigen bes M. Artia 
aufgenommen bat, gen Norden in einem engen Bette zwifchen erhabenen Fel⸗ 
fen, bis er in einem großen Loche, el Boqueron de Gueſalza genannt, ver⸗ 
ſchwindet, um unterirbifch fortzufließen bis gegenüber ver Höhle von San 
Elind, welche am Abhange der Pena de Urrejola am Fuße einer faft ſenk⸗ 
rechten Wand von 800 bis 1000’ Höhe Tiegt; Hier vereinigen ſich mit dem 
neugeborenen Aranzazu die vom Vaſſe von San Juan, der Sierra de Er 
guea und von den Montes de Arauz berablommenven Wäfler, worauf der 
Aranzazu feinen Lauf in nörblicher Richtung, nun bereits in weniger engem 
Bette, bis 1 Legua nördlich von Onate fortjept. Die Quellen ver Abhänge 


70 Neuere Riteratur: 


des Alona und biejenigen der Sübabhänge des Monte Satul vereinigen fi 
mit einem Bache, Namens Olavarrieta, welcher vom Paſſe von Onate in 
Form einer natürlichen Kaskade berabfteigt, um ſich mit dem Anzueladserreca 
zu dereinigen, einem Bache, welcher ebenfalls vom M. Satui berabfommt 
und unterirbifch unter ver Stadt Oñate Binwegfließt, bis unter der Pfarr⸗ 
kirche, wo feine Bereinigung mit dem Dlavarrieta erfolgt. Der vereinigte 
Bach fleigt parallel mit der Straße abwärts, um eine Biertellegua oberhalb 
Zubillage in den Aranzazu zu münden, welcher feinen Lauf eine andere Bier- 
tellegua fortfeßt, um einen andern Bach aufzunehmen, ver fich in den Bellen 
von Zaraya und an den Norpabhängen ver Pena de Urrejola bilde. Nun 
fließt er ohne weiteren Zuwachs fort, die Straße immer begleitend, bis zur 
Brüde von ©. Prudencio, wo er fich dem Deva einverleibt. Die Neigung 
feines Bettes wechjelt außerordentlich, unn feine ebenfalls wechſelnde Waſſer⸗ 
menge ſetzt 29 Mühlen, 3 Eifenhütten und 2 Eifenhämmer in Bewegung.“ 
Das Bafiin des Deva befindet fich zwifchen dem zwifchen vem M. Alona und 
RM. Jarindo gelegenen Stüde der Hauptkette, ver Bergkeite, welche e8 von dem 
Baſſin des Urola fcheidet, und den Ketten, vie fich zwiſchen ihm und den Bai- 
ſins der weftlicher firömenven Flüſſe Campanzar und Ondarron erheben. “Diefe 
lehten Ketten bilden ein Bebirge, welches vom Aoriangebirge ausgehend, fich 
über die Penas de Ipizticoarriaga, de Udala, ven Paß von Campanzar, ven 
M. Intzorta, Elgueta und den M. Azconavieta bis an die Meeresküfte zwi» 
fihen Deva und Motrico erſtreckt. Das Thal des Deva iſt von einer herr⸗ 
lichen Bega erfüllt und fehr volkreich; darin liegen vie Flecken Escoriaza 
und Arcchavaleta, die Stäpte Monpragon und Bergara und eine Menge Wei⸗ 
ler (barrios) und einzelner Häufer (caserios). Sehr volkreich iſt auch das 
Baffin des Ardnzazu. In demſelben befinven ſich außer der Stabt Onate 10 
große Flecken und viele Caſerios. In dem Valle de Leniz genannten und 
von den Bergen S. Adrian, Jarindo und Murugain gebildeten Quellthale des 
Deva Liegen die Ortfchaften Uribarri, Udala und die befuchten Bäder von 
Santa Agueda. Der größte Theil des Devabaffind beſteht aber aus wilden, 
theils bewalveten, theils nackten Belfenbergen und tiefen engen, unzugänglichen 
Gründen. Die wichtigften Berggipfel find die Peüas de Zaraya und ber 
Monte Aitzorroz, Glieder der ©. de Elguea, zwifchen denen und dem M. 
Arurbin ſich das enge Bafjin des Bolivar befindet; die Penad de Urrejola, 
ber M. Audarto und M. Eurchichiqui, Berge, die ebenfalls zu dem vom El⸗ 
gueagebirge ausgehenden Zweige gehören; ber M. Satui, ein dem kom Alone» 
gipfel des Adriangebirges ausgehenven Zweige angehöriger Felſenberg, deſſen 
Bafle 7 Leguas im Umfange hält und deſſen weflliche Verzweigungen bas 
Thal des Deva bis Bergara begrenzen; die Berge von Descarga, welche ven 
Satui mit dem Irimo, dem Ende des weitläufigen Monte Oloͤſua verbinden, 
der dad Balfin des Deva gegen Norden von Vergara an begrenzt; ver M. 
Udalach, ein Hoher bei Mondragon fich erhebender weithin fichtbarer Berg 





M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 71 


von vollenveter Kegelform, welcher im Verein mit den wilden Benas de Ur⸗ 
quiola dad Quellthal des Deva gegen Welten begrenzt; ber M. Inkorta, ber 
von Mondragon an bis Dergara das Devathal in verfelben Richtung um« 
wallt; ver Paß von Glgueta, über den die Straße von Vergara nach Bilbao 
Dinwegführt; der M. Azconavieta, der das Thal des Ubera begrenzt u.a. — 
Der Zadorra rinnt vom alaveflfchen Abhange des Aizcorri herab in ver Ge⸗ 
gend von Salvatierra, und fällt nach einem ruhigen Laufe zwiſchen unbebeu- 
tenden Hügeln bei Miranda de Ebro in den Ebro. Er ift der beveutenpfle 
Fluß von Alava. 

Die Küfte ded von dem Verf. unterfuchten Theiles ver basfifchen Pro» 
vinzen ift über alle Maßen fteil und rauh und deshalb für die Schiffe im 
höchften Grade gefährlih. Don Yuenterrabia an bis zur Bucht von Paſages 
wird fie von den fteilen Felſen der Baſis des langhingeſtreckten Berges Jaiz⸗ 
quibel umgürtet, zwifchen Paſages und der Mündung des Urumen von bem 
nicht minder fleil in’d Meer hinabflürzenden Monte Ulia, dann zwifchen ber 
Mündung ded genannten Ylufied und dem Eingange zur Bai von ©. Sebaftian 
von den Belfen des M. Orgullo over Urtuͤll, deſſen Scheitel dad Caftillo de 
la Mota, die Eitadelle von S. Sebaftian trägt, enplich von da bis zur Muͤn⸗ 
Dung des Oris von dem M. Igueldo. Die wenigen, meift aber unfichern Anker⸗ 
pläße dieſer Küfte find folgende: 1) Die Bucht von Pafages oder Ria ve 
Lezo, ein mitten im Rande gelegenes, herrliches Bafiin von 11300’ Länge und 
1880’ Breite, welches durch das hohe Küftengebirge vollfländig gegen alle 
Stürme gefchägt if. Allein theild vie große, in Folge von Berfandung ein» 
getretene Seichtigkeit, theils die Schwierigkeit und Gefährlichkeit, womit 
das Einlaufen verfnüpft ift, verringert bie Bedeutung diefed an den Hafen 
von Cartagena erinnernden Bafjind in folddem Grave, daß daſſelbe nur 
felten von größeren Bahrzeugen befucht wird. Sein Eingang befteht aus ei⸗ 
nem gewunbenen, anfangs in oflfünlicher, ſodann in norböftlicher Richtung 
verlaufenden, beiverfeitö von Hohen Belfen umgürteten Canal von 4825’ Länge, 
930’ mittlerer Breite und 10,5 bis 4 Klaftern Tiefe, welcher ſich zwiſchen 
ven Bergen Jaizquibel und Ulia, deren Vorfprünge die Namen Bancha del 
Eſte und Bancha del Defte führen, befindet. 2) Die Enfenada de la Zur- 
riola, gebildet von der Mündung bed Urumen, zwifchen ver Punta de las 
Aniuras (dem Außerften Vorſprunge des M. Ulin) und dem M. Orgullo, ift 
ein ſehr fchlechter Ankergrund, und blos Böten und Fiſcherkaͤhnen zugänglich, 
indem die Barre nur 3’ Wafler halt. 3) Die Bucht von ©. Sebaftian, we⸗ 
gen ihrer Figur la Concha (die Mujchel) genannt, befindet fich zwifchen dem 
M. Orgullo und dem öftlichen Vorfprunge des M. Igueldo, Sie gemährt, 
trotzdem daß fie durch das Felſeneiland von Santa Clara und eine Reihe 
Klippen gegen die hohe See hin adgefperrt ift, fo daß blos ein Canal von 
1080’ Weite und 55’ mittlerer Tiefe zwifchen ver genannten Infel und bem 
M. Orgullo übrig bleibt, geringe Sicherheit, Fann fogar bei Nordwinden ven 


12 Neuere Literatur: 


Schiffen fehr gefährlich werden. Der Hafen von ©. Sebaftian ſelbſt ift Hein 
und ſchlecht und kann große Schiffe nicht aufnehmen. 4) Die Mündung des 
Dris, ein guter Ankergrund, aber mit gefährlich zu paſſirender Barre. Gier 
und zu Pafages giebt es Werften und Doggs für Handelsſchiffe. Am Ein- 
gange der Barre ver Bidaffoamündung bei Yuanterrabia und auf dem Monte 
Orgullo befinden fich Leuchtihlirme mit feſtſtehendem Feuer. 

In der zweiten Section werben die Straßen von Vitoria nach Bayonne, 
von ©. Sebaftian nach Hernani, von Tolofa nach Panıplona, von Bilbao 
über Azpeitia, von Alfafua, Onate, von Bilbao über Elgueta, von Mondra- 
gon und andere neue, damals im Bau begriffene und ſeitdem vollendete Chauſ⸗ 
feen geichilvert. Es ergiebt fich hieraus, was auch jener Reiſende in den bas⸗ 
fifchen Provinzen mit großer Freude bemerkt, daß dad Straßenweſen in feinem 
Theile Spaniens befier beſtellt ift ald in jenen Provinzen, wo faft alle grö- 
Beren Ortichaften durch gute Chaufleen verknüpft find, obwohl wenige Ge: 
genden Spaniens, und Europa’s Überhaupt, vem Straßenbau ſolche Schwie⸗ 
rigkeiten entgegenfeßen bürften, als jenes wild verwickelte Berglabyrinth Can⸗ 
sabriene. Dennoch ift die Communication im Innern dieſes Laͤndchens noch 
immer vieler Verbefferungen fähig. Der Verfafſer ergreift viefe Gelegenheit, um 
fich am Schluffe des Abſchnitts über dad Project einer Eifenbahn von Ma⸗ 
drid nach Bayonne auszufprechen. Diefelbe würde blos innerhalb ver bas⸗ 
ifchen Provinzen Schwierigkeiten varbieten, ift jedoch auch hier nicht unmög⸗ 
Uch, obwohl ihre Ausführung daſelbſt mit enormen Koften verfnäpft fein 
dürfte. Die Hauptfchwierigfeit befteht darin, daß man die Eifenbahn- nicht 
auf demjenigen Wege durch das baskiſche Gebirgsland führen kann, welcher 
die geringfien Schwierigkeiten barbietet, fondern fle nothwendigermeife über 
©. Sehaftian, Tolofa und Vitoria legen muß. Auf diefer Linie würde bie 
Eifenbahn aus einer faft ununterbrochenen Reihe von fchiefenen Ebenen, Tun⸗ 
neln und Viaducten beflehen müſſen. 

Don außerorventlicher Wichtigkeit für Die Topographie ver basfifchen 
Provinzen find die beigefügten Tabellen, welche die zweite Hälfte des Werkes 
Bilden. Die erfte Tabelle enthält vie Statiftit von 90 Ortfchaften von Gui⸗ 
puzeoa, 6 von Alava, 12 von Navarra und 5 von Vizcaya. Bei jeder Ort⸗ 
fehaft find Die geographifche Lage, vie Zahl ver Bürger (vecinos), die Zahl 
der Seelen und der Häufer, die Entfernungen von Tolofa, S. Sebaftian, 
Pamplona und Vitoria, die Communicationen, die Communimtiondmittel, vie 
Erzeugniffe, die Inbuftrie angegeben und Bemerkungen über Befchaffenheit des 
Terraind, Wäffer, Wälder, Anpflanzungen, Bauart der Häufer u. f. w. beis 
gefligt. Wir entnehmen dieſer intereffanten Tabelle folgende Einwohnerangaben 
der wichtigften Ortfchaften. Die gemerbihätige Billa Andoain im Oristhale 
Bat 1487 E.; Cegama, eine ebenfalls fehr gewerbthätige Villa, mit 3 Fa⸗ 
briken eiferner Reifen und Schienen, 8 Mühlen u. ſ. w., im Quellthale des 
Oria am Fuße des Adriangebirges, Bat 2100 &.; Hernani, Vila mit Streich- 


M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 73 


hoͤlzchen⸗ und Lichtfabrifen und 3 Eifenfchmelzhütten, in fchöner Vega am 
obern Urumea, bat 2363 E.; Mondragon, Billa im Quellthale des Deva 
an ber franzoͤſiſchen Heerſtraße, mit 2 Eiſenhütten, einer großen Eiſengießerei, 
einer Lederfabrik, 12 Mühlen u. f. w., hat 2120 E.; Onate, Billa in fehr 
romantifcher Lage mit 3 Eifenhütten, 2 Eifenhämmern, 15 Mühlen u. f. w., 
bat 5600 E.; Paſages, Flecken mit einer Seifenfabrik, Spißenfabrik, mit Werfs 
ten u. ſ. w., hat 1000 E.; St. Sebaftian, Ciudad, Feſtung und Hauptſtadt 
von Buipuzeoa, mit einer Tapetenfabrif u. |. w., hat 10036 E.; Tolofa, Ciu⸗ 
dad und ehedem Hauptftabt berfelben Provinz, reizend im Thale des Oris 
gelegen, mit einer Tuchfabrif, 3 großen Fabriken von Papier ohne Ende, 
4 Sabrifen von Eifenartikeln, 8 Mahlmühlen u. |. w., bat 7220 E.; Ber: 
gara, romantifch am Deva gelegene Villa, mit einer großen Baumwollen⸗ 
fpinnfabrif, 15 Mühlen u. f. w., hat 6807 E.; Vitoria, Ciudad, Feſtung und 
Hauptftabt von Alava, mit 1 Tapetenfabrif, 1 Spiegelfabrif, 1 Goldrahmen⸗ 
fabrit, 1 Wagenfabrif, 1 Steingutfabrif, 6 Keverfabrifen, 4 Mühlen u. f. w., 
Hat 11266 E. Die zweite Tabelle enthält vie bei den audgeführten Nivelas 
tionen der frangöfifchen Heerftraße, ver. Straße von Tolofa nach Navarra, 
der Straße von Azpeitin nach Bidania, dem Wege nach Amezqueta, ber neuen 
Straße nach Idiazabal bis zum Pafle von Echegärate, der Straße von Onate 
Bid zur Brüde von ©. Prudencio, der Straße nah Bilbao von Vergara 
bis Elorrio, und der Straße von ©, Sebaftian nach Hernani gemeflenen Hö⸗ 
ben, im Ganzen 461! Bei jenem Punkte iſt fowohl vie abfolute, als vie 
relative Höhe über den vorhergehenden Punkt und die Entfernung beiver 
Bunfte in ſpaniſchem Fußmaß angegeben, und bisweilen find noch befonvere 
Bemerkungen beigefügt, Die bemerfenswertbeften Punfte find folgende: 


. Buß abf. H. 
1. Branzöfifhe Heerſtraße. DOrmalztegui (Ausgang) . . . 764,24 


i ſFuß) abſ. H. Barrio de Andoaga (Herm. de 
Ebene von S. Sebaflin. . . 70,05 ©. Lucie) . .. 868,17 
Alto de Miranuz. . . . . 196,15 Puerto de Zumärraga . .  . 1349,58 
Eingang von Lafarie. . . . 92,88 Zumärraga (Eingang) . . . 1260,50 
Andoain (Gi ri 0. 168,79 Billareal (Ausgang). . . . 1277,58 


Billabona (PB 210,11 Venta de Glied . . . . . 1312,61 
Tolofa (Ausg an N) . 276,88 s = Descarga . . . . 1702,06 
Ansgangspunkt der Straße nad Puerto de Descarga . . . . 1762,73 
Aypeltia . . . 316 Hermita de fa —8 .. 386,51 
Alegtia (Platz). . 358,69 Anzuola (Platz). 826,07 
Scaftiguieta (Ausgang) 414,74 Bergara —8 de © Antonio) 522,81 
Legorreta (Blab) . . .» » . 461,58 Barrio Zablari . . . 527,49 
Sfafondo (Eingang) . 0. 475,66 Buente de Urrieta. . . .:. 601,27 
Villafranca GGlatz) 2 2.582,60 Hermita de S. Prubdencio . . 641,66 
Beafain (Ausgang) . - 575,07 Auegangepunft | der ‚Straße na 
Barrio de Yarza (Ausgang) . 578,68 Dünte. . 648,50 
Ansgangepraft der Straße von Caſa Legorre 0... 731,31 
Spiazgabal. . . 600,32 Mondragen (Pla) 2020. 757,18 





1) 7 fyan. Buß find = 6 parifer Fuß. 


74 Neuere Riteratur: 


Buß abi. H. 

Arechavaleta GPlatz). .3841,16 
Escoriaza (Ausgang). . 1006,24 
Gaflaäares 8) . 1141,25 
Salinas (Eingang) . . 1582,38 
s (Auegang) . . 1670,39 
Buerto de Arlaban . 2213,93 
Grenze von Alava . 2060,28 


ulibarri⸗ Gamboa (Eingang) . 1947,29 
⸗ uegang) 
NArcoyave (Eingang) . . 1849,55 
Mendivil (Bingang) . . . . 1836,96 
Durana (Bingang) 
Betono (Ausgangspunktd. ‚Straße 
nad Bilbao) „2. . 1844,22 
Bitoria (Playa be ©. Maria) . 1918,92 


2. Straße nad Navarra. 


Brüde von Ravarra in Tolofa 280,13 
Barrio Amaryy . - 816,14 
Lizarza (Musgang) - - » - 417,47 


Grenze von Ravarra . 424,97 
Atallo (Ausgang) . 594,20 
Arribas (Ausgang) 604,90 
Betelu (Ausgang) . 679,87 
Venta de Lezacda . 923,27 
Buerto de Aepiroz . 2085,17 


3. Straße nad Aypeitia. 


DVenta de Muüca . - - . . 963,36 
Buerto de Ayzcomuita . . 1792,14 
Bivanla . ». . - -» . 1719,42 


4. Weg nad Amezqueta. 
Dre am Auegange vo von alegria 359,61 
. 508,16 


Ugart 8, 
Ameyqueta (Blat) . 659,62 


5. Straße nad) Idiazabal. 
Buß abſ. 6. 
Ausgangspunkt von ber rangdf- 


Strafe . . 607,49 
Idiazabal (Eingang) . 262,45 
(Ausgang) 779,83 

Born de Ravar . . . . . 1022,15 
s Urfuarin . . . . 1650,41 

Puerto de Cchegaͤrate. . 2362,67 


6. Straße von Düste. 


Ausgangspunkt in Ormalztegui. 874,82 
Gollado de Atagoitia. . . . 1858,43 
Barrio de Tellerlarte. . . . 
Hermita de S. Erifiöval . . 947,88 
Dfiate (Plah) . 
Barrio de Zubillage (Cingang) 720, 03 
Buente de S. Prudenc . 648,03 


7. Straße nad Bilbao. 


Ausgangspunkt bei Vergara 552,51 
Bergara (Blap) . 534,11 
Barrio Ubera (Eingang) 707,59 
Elgueta (Pla) . . . 1661,08 
Bentas de Pagatza . 1620,67 
Glorrio (Plak) . 631,68 


8. Straße von ©. Sebaflian 
nah Hernant. 


Ausgangespunfi . . 31,00 
Bentas de Oriamendi 472,85 
Hernani (Bingang) 96,04 
eringaagepant mit ber Eiroße 

nad) Irun 103,13 


Die dritte Tabelle enthält die Nefultate ver in ven Gebirgen und an ver 
Küfte angeftellten barometrifchen Beobachtungen, im Ganzen 132 Höhebeftim- 
mungen! Die wichtigften find folgende: 


1. Sauptfette. 


. Fuß abi. $. 
Monte de Huici . 2981,95 
Puerto de Aspiroz . 2035,17 
Monte de Albeafu 2151,01 


Alto de Irnmugarrieta (hochſter 
Punkt des Aralar). . 
Alto de Elcumus . 


. 5282,25 
. 5180,25 


Buß abſ. H. 
Monte Achu . 3415,16 
Buerto de Idia abal . 2... 2330,29 
Telegraph von Gehegärate .  . 2705,29 
Monte Echegärate . 2. 2741,92 
Benta de ©. Adrian . . 3731,93 
Monte Araz 2» 5196,47 
Criſto de Azcorri ). .©% .5511,01 
Monte Aria . . 2. 4122,58 


2) Diefe Meſſung fcheint ſich blos auf die Kapelle zu begtehen, nicht auf den 
daneben (Junto al ©. Erifto) befindlichen Pic, den höchften Bipfel des Aizcorri, 


den der Berf. auf 6000' ſchaͤtzt (alfo nicht gemeflen Hat). 


Dies dürfte den oben 


berührten ſcheinbaren Widerfpruch, welcher aus den Höhenangaben des Wigcorri- und 








M. Recacho: Memoria sobre 


Buß abſ. 9. 

Monte Arurbiä. . . . 3628,00 
. Salbagarrain . . 3342,42 
s Zarindo . . 3073,74 
Peba de Amboto . . 4883,74 
Puerto de Burbiäscruc . . 2468,44 


Hermita de ©. Antonio S. de 
Urgacola) 2... 2652,59 
Monte Gorbea . . . . . 5520,39 


2. Rebenfetten zwifchen Lezo, 
Urumea und Dris. 


Monte Achuandi zw. duo und 


Umme . . . . . 1100,00 
Monte Burunka . . 1828,06 
s Mbarra . . 2419,43 
s  Benavita 1798,07 
s Hure. . 2652,44 
-BGagtelaech. 2707,70 
>  Bagota . 2921,55 
s Afa . . 3154,87 
= Dbavibio . 2938,97 


Bico de Naunarri . 


Monte Urmola . . . . . 1535,48 
s Mranzagumendi . . . 2786,10 
s Marinamendi. . . . 2926,67 
s de ©. Barbara . . . 2621,22 
Gorriti (Bieden) . 00. 2310,17 
Air > 0... 1746,32 
Albeafu 2 > 2... 1906,72 
Drendain = . 1400,84 
Ma =... 1044,03 
Dlaverria E .0.0 2:00. 781,84 
Segura ⸗ . . 868,62 
3. Nebenketten wilden Dris 
und Urola. 
Monte Belcoain . 1808,56 
Eraz de Hernio_. . 3818,41 
Monte Aldaba üb. Wegrie . . 2038,68 
Pico de Murumendi . . 3193,03 


Monte Zaspi . . 
s SZrapalata . 


. 3474,58 
. 2285,35 


los nivelaciones barometricas. 75 
Buß abf. 6. 
Monte Nicealecoa . . 2930,37 
3 ullloea . . . 1571,84 
Soravilla (Ortſchaft) 212,43 
Aduna ⸗ . . 777,42 
Cizuͤrquil ⸗ . 415,32 
Aldaba ⸗ . 1889,94 
Ichaſo ⸗ . 1658,53 
Gaviria ⸗ . 1587,57 
Mutiloa ⸗ 877,56 
4. Nebenketten zwiſchen Urola 
und Deva. 
Monte Satui . . 3118,25 
=: Sim . . . 9208,27 
BeHas de Alone . . 4653,79 
= = Uneola . . . . 2898,70 
Bico de Andarto (in der ©. de 
Elguea) . . „9825, 34 
Peñũas de Aritzorroz ob. Baray 
in demſelben Daehitge - " 4108,20 
Monte de Eurchichiqu 


. 1583,76 


5. Nebenketten zwiſchen Deva 
und Gampanzar. 


Monte Azconavieta . 2604,90 
⸗Ingorta . 1862,58 
Puerto be Sambanjar . 1646,35 
Peua de Udalach. . 3880,59 
Monte Murugain. . . . 2764,49 
»s ©. Brian. . . 2829,56 
6. Küftengebirge. 
Bateria del Almirante auf dem 
Zaizquibel 740,00 
Monte Ulla. 720,08 
Orgullo 485,00 
gela de S. Clara” 174,00 


Monte de Igueldo (ehemaliger 


Leuchtthu 662, 
one m Welbo (Höäfer ” 
kt 1142,00 


gyuelbs —8 5 2.49 


Möchten recht bald in andern Gebirgsgegenden Spaniens ebenfo gründ⸗ 
lihe und vollſtaͤndige Nivellationen und orographifche Unterfuchungen ange- 


ftellt werben! 


Gorveagebirges mit ber Behauptung des Verf, bag 


des Baskenlandes fei, erklären. 


MM. Willkomm. 


erſtes der Höchfte Dergeipfel 


Sriefliche MittHeilungen. 


Die Oaſe Jezd und die neueften Zuftande der in ihr 
lebenden Barfi. 


Oftfünöftlich von Ispahan und an dem wefllichen Rande ver ungeheuren 
hohen Salzmüfte Perſtens Tiegt unter dem 32° 14’ nördl. Br. nach des fran- 
zöftfchen Capitains und fpäteren Generald Trezel Beobachtungen und felbft 
ringsum von Wüften umgeben vie merfwürdige Dafe von Jezd, deren Name fchon 
im Altertbum in dem des durch Ptolemäus in dieſe Gegenven verfeßten Volks 
ber Isatichae vorkommt und die Durch ihre Lage flet3 ein guter Raſtort für 
die zwifchen Kerman, Herat, Meſched und Ispahan gehenden Raravanen geweſen 
if. Hier verfammeln fich die Handelsleute von Schiraz, Kafıhan, Teheran, 
Herat und Iöpahan, und durch dieſe Dafe geben zugleich die Waaren Indiens, 
Kabuls, Kaſchmirs, Bocharas gegen Welten. If nun die Onfe dadurch und 
durch die Induftrie ihrer Bewohner ein wichtiger Punft für vie Handelsver⸗ 
bältniffe eines großen Theils von Weſt⸗Aſten geworben, fo bat fich viefelbe 
feit Jahrhunderten noch eine andere hohe Bedeutung in ven Augen ver Hiſto— 
rifer, Geographen und Ethnographen erworben, indem bier fich vorzugereiie 
die Refte der uralten Bevölkerung Perftens mit ihrem Feuer⸗ und Lichtvienfl 
erhalten haben, weil dieſen die von jever Militairftraße, jedem Eroberungd- 
zuge entfernte und im DVerhältniß zu Kandahar, Kabul, Balk, Herat und an« 
deren Punkten gefchüßte Lage ver Dafe eined der ficherften Aſyle gewährte. 
Aber eben viefe Befchaffenheit ver Lage war es, welche die Kemntniß von 
Jezd und der neueren Zuftänbe ihrer Parfl- Bevölkerung dem Borfchungseifer 
ber neueren europäijchen Reiſenden entzog, jo daß nur der britifche Capitain 
Ehriftie und der franzöfifche NHeifende Dupre darüber aus eigener Anfchauung 
zu berichten vermochten. Die Nachrichten ver beiden genannten Reiſenden und 
diejenigen, welche Andere, wie M. Kinneir, Trezel und W. Oufeley aus den Bes 
richten der muhamebanifchen Eingeborenen und auch von Parfi über Jezd einzu- 
fammeln vermochten, hat Herr C. Ritter in feiner Erbfunde Bd. VII, S. 265 
— 286 volftändig zufammengeftelt. In ven Iekten 30 Jahren flofien vie 
Quellen zu der Kunde Oft» Perftens fpärlicher, und fo mußte ſchon Hr. Ritter 
im Jahre 1842 das Geftänpnig ablegen, daß ver neuere Zufland von Jezd 
wenig befannt fei. Um fo erfreulicher ift, daß es Heren Profeffor 3. 9. 
Petermann, dem unfere Zeitfchrift ſchon die intereffante Mittheilung über vie 
Johannesfünger (Mandaͤer) in Syrien verbankte (Bd. II, 220— 223), im 
verfloffenen Jahre gelungen war, die Dafe zu erreichen und über die neue⸗ 
ſten Zuftände derſelben, fowie über vie der dort lebenden Parfi Kenntnig zu 
geben. Wir verdanken Herrn Petermann's intereffanten, im Nachftehenven 


Die Dafe Jezd und die neueflen Zuflänve der dortigen Parſi. 77 


folgenden Bericht der gütigen Mittheilung des Herrn C. Ritter, der ihn brief- 
lichen Nachrichten des Reiſenden an feine Familie entlehnte. 
Gumprecht. 


1) Reife nach Jezd und Aufenthalt daſelbſt. 

„Am 21. Juli (1854) hatten wir nach achttägiger Meife zu Pferde 
von Perjepolis immer gegen Nordoſt ven Tängften Marſch, 14 Farſang, wie 
unser Muder (Pferbetreiber) und vorbergefagt, vor und. Wir Tamen erft eine 
Halbe Stunde nach Sonnenuntergang, 74 Uhr Abends, fort. Die Nacht war 
anfangs ſchwül, erſt gegen Morgen wurde es etwas frifcher. Wir ritten ſtets in 
öftlicher Richtung durch vie waflerlofe Wüfte, kamen um 9 Uhr an einer 
verfallenen Karawanſerei vorbei, wo wir nur kurze Zeit lagerten, ritten dann 
in Der nur durch Sterne erleuchteten Nacht weiter und hielten, da und Mattig« 
feit dazu nöthigte, abermald an und fchliefen kurze Zeit. Die Karawane war 
mittlerweile weiter gezogen, Tein Kührer für uns zurüdgeblieben, und fo ritten 
wir auf's Gerathewohl nach und erreichten fle glücklich bei Anbruch des Tages. 
Die ganze Nacht war Fein Wafler zu fehen, weshalb viefer Marfch fo ftarf 
ift. Dagegen fanden wir viele Salzſpuren auf der Erboberfläcdhe vor '). End⸗ 
lich nach Sonnenaufgang, nachdem wir bei einem alten Khan vorbeigefommen 
waren, fahen wir in der Ferne Bäume und Waflerftreifen, und gelangten um 
12 Uhr (di. 7 Uhr Morgens), alſo nach 114 Stunden glüdlichen Rittes, 
in Das Dorf Dehfchire, Hinter welchem wir bei einem serfallenen Khane uns 
fere Zelte auffchlugen. 

Hier war Waſſer zwar nicht im Weberfluß, doc) gerabe genügend. Wei⸗ 
zen und Gerfte waren Hier fchon theilmeife (mit der Sichel) gefchnitten. 
Kleine grüne, fcheinbar unreife Melonen wurden und zum Kaufe angeboten; 
Bier waren viele Bäume, meift Weiden, Teine Sruchtbäume barunter. 

Sormabend den 22. Juli ritten wir um 2 Uhr Morgens aus; erft zwei 
Stunden in der Ebene fort, dann über einen zwar nicht fteilen, aber wegen 
der glatten großen Steine fehr befchwerlichen Felspfad. Auf einem Plateau 
lag das Salz ganz dicht zu Tage. Der Felſen war theild Schiefer, theils 
Eifenflein mit rother Erbe. 

Nah 5 Stunden, aljo um 7 uhr Morgens, kamen wir an das ganz 
von Belfen eingeſchloſſene, gut bewaͤſſerte, mit vielen Weiden, Pappeln, Nuß⸗ 
und anderen Bäumen befette Dorf Alyabad, bis zu welchem eine Deputation 
von Parfen unferen Reifegefährten von Tafft aus entgegenfam. In Alyabad 
ſchlugen wir unfere Zelte auf einem von Bäumen umfchatteten Plate auf. 

Sonntag den 23. Juli ritten wir von da das Thal entlang, welches 
nicht viel weiter wurde und an beiden Seiten von ziemlich fchroffen, kahlen 


2) Die Ebenheit und Salzfülle des Bodens, fowie die Waflerlofigfeit erweifen, 
daß das Terrain um Jezd ſchon den Charakter der großen verfifchen Salzwüſte von 
Koheſtan an ſich trägt und eigentlich felbit eine Dafe ift. ©. 


78 Brieflihe Mitiheilungen: 


Felfen umfchloffen war, vie auch Fleine Seitenthäler und Schluchten bilden, 
durch einige trockene Strombetten, kleine Bäche und Banäle, und kamen nach 
5 Stunden zu dem großen fchönen Dorfe Choräfchn, oder Feruſcha, wie bie 
Leute fagten, daß ed in Tafft genannt werde. Kurz hinter demſelben kam 
eine neue Deputation von Parfl’8 und einige Taufend Schritt weiter wieder 
mehrere, fo daß ed im Ganzen etwa 20 Perfonen auf Eſeln und Maulefeln 
waren; nur einer, ver Keihuda, der Vorfänger im Mathe ver Zwölf von ſaͤmmt⸗ 
lichen Parſi's in Perfien, war zu Pferde. Bei einer Mühle fliegen wir ab, 
Iegten und auf Teppiche Hin, welche die Parſis nebft Gurken, Melonen und 
Wein mitgebracht hatten, aßen und tranfen, wobei wir bemerften, daß fle die 
Becher ſtets mit einem Tuche, nie mit ver bloßen Hand, nahmen. 

Dann ritten wir in corpore nach Tafft weiter, trafen unterwegs nod 
manche Parft zu Fuß, die Manekofchi, meinen Parji= Heifegefährten aus In- 
dien, der von feinen Glaubensverwandten zu Bombay abgefandt war, um bie 
noch exiſtirenden Reſte ver Parfi zu Jezd aufzufuchen und darüber zu bes 
richten, begrüßten, und gelangten in zwei Stunden nach ber bebeutenven 
Stabt Tafft *), wo wir neben Manefofchi dad Haus eined mit Gewalt muha⸗ 
mebanifirten Parſt zu unferer Dispofition erhielten. Es war fehr heiß. Me⸗ 
Ionen, Wein, Granaten, Maulbeerbäume u. f. w. wuchſen in und außerhalb 
der Stadt in Gärten ?). 

Montag den 24. Juli (2 Jahre nad) meinem Eintritte in Damaskus), 
famen wir enblich nach Jezd, ohne Zweifel die dftlichfte Stadt, welche. ich be» 
fuchen werbe, denn von nun an wenden wir und wieber wefllich nach dem 
7 Tagemärjche von bier entfernten Ispahan ?). 

Um 2 Uhr Morgens ritten wir aus Tafft in geraber Öftlicher Richtung, 
bis etwa 2 Stunden vor Jezd, der Belfenkette links zur Seite, die 1 Stunde 
weiterhin auch auf der rechten Seite aufhört. Der Weg zeigte fich fehr 
fteinig, und namentlich war die ganze große Fläche vor Jezd fo voll von Steinen, 
ale ob fie ein ausgetrocknetes Steinbette ſei. Der Morgen war heiß und bie 
Vegetation gleich Null, nur Gärten gab ed, wie in Tafft, und eben fo weit 
vor Jezd. Feigen und Granatenbäume hatten bier, wie in Tafft, von ber 
Kälte des legten Winters fehr gelitten, viele Bäume waren erfroren. Einige 
Stunden vor Jezd kam auch ber Deftur Mobed, ver Oberpriefter ver Varſi, 
unferem Heifegefährten entgegen. Seine Kleivung war durchaus nicht ver- 
fchieden von der aller Andern; fie beftand in einem fchöngelben Turban und 


1) Da Tafteh ein perfiihes Wort für ein Seibenzeug zu Maunelleivern iR und 
diefes dem von uns Taft genannten Seidenzeuge entipricht, enblich die Weber des be⸗ 
nachbarten Jezd berühmt durch ihre Seivenwaaren find, fo tft mit Sicyerheit anzuneh⸗ 
men, daß das Wort Taft von vem Namen des Ortes abflammt. ®. 

2) Diefelben Gewächſe find auch der Vegetation in ben meiſten nordoſitari⸗ 
ſchen Daſen eigen. 

2) Die früheren Berichterſtatter ſetzten bie terun Jezds von —* zu 
117 engl. oder 35 — 36 geogr. Meilen an. Ritter VIII, 266. 





Die Dafe Jezd und die neueften Zuflände ver dortigen Barfll. 79 


einem ode von gleicher Farbe. In A Stunden flarfen Nittes gelangten wir 
nach dieſer Hauptiſtadt einer bebeutenden Provinz und dem Sauptplaß ver 
perfifchen Parfl, und fanden bei einem wohlhabenden Parſi ein Quartier. 

Mein Heifegefährte, der vornehme Parft, heit Manekdſchi Limdſchi Ha⸗ 
darja. In diefem Namen ift Manek Rubin der Vorname, Limdſchi ber 
Name des Baterd, Hadarja der Familienname, ven viele, aber nicht alle Gue⸗ 
bern noch daneben führen; endlich Heißt dſchi, was jedem Namen beigefügt . 
wird, in der Buzarate- Sprache fo viel, ala „Herr”. Manekdſchi's 16 jähri- 
ger Sohn, ver ihn begleitete und auch ſchon verheirathet ift, heißt deshalb 
Ormuzpfhi, fein Koch Sapurdſchi, fein aus Jezd gebürtiger Secretair und 
Dolmetfcher Kai Chosru; auch Hatte Manekdſchi einen Mobed oder Prie⸗ 
ſter in feiner Begleitung. Unſer Wirth in Jezd, ein vornehmer Gueber, nennt 
fih Schirmerd (Ldmenmenn). 

Die Zahl ver in Jezd wohnenden Parfen fol an 1200 Männer betra- 
gen !), welche jährlich an 4000 Thaler Steuern zahlen müflen; in ganz 
Perſien giebt es mehr, ala 3000 Parfi-Bamilien *). Die Guebern von 
Adſerbeidſchan betrachtet Manekufchi nicht als feine Blaubensgenofien, ſondern 
nur als eine Tegerifche Secte, deren beiliges Seuer aus 72 — 75 Arten von 
Beuern bereitet werbe, worunter auch daß einer verbrannten Wittme und eines 
verbrannten Hundes fei. Das allein reine Feuer von Jezd bereite man fo, 
dag 12 Xöcher neben einander in die Erde gegraben werben; in jedes derſel⸗ 
ben ſtecke man ein Stüd koſtbares Holz, und daß erfte zunde man mit einem 
Brennglad an. Dieſes Feuer verbreite fich bis zu dem Holze im zwölften 
Loche und gebe dann das heilige Feuer. Die Barfen von Jezd dürfen pas 
Feuer nicht anblafen, da ver menſchliche Hauch vafielbe verunreinige. Des⸗ 
halb dürfen fie auch nicht Tabak rauchen! Nur in Jezd, Tafft und in eini« 
gen umliegenden Ortfchaften in Kerman und in Teheran wohnen noch Par⸗ 
3, aber nur menige derſelben. In Tafft ſah ich einige Betende; fle wendeten 
fich Dabei nach der Sonne (e8 war gegen Sonnenuntergang) und legten ihre 
weißen Gürtel ab, vie fie nach dem Schluffe des Gebets wieder umgürteten. 
Leider behaupteten fie, gar Keine alten und nur wenig neuere Bücher zu haben. 
Trotz aller Mühe konnte ich Feines zu Geftcht befommen ?). Der Secretair 


2) Dupre rechnete in ven I. 1807 — 1809 eine noch geringere Zahl, gmlich 
nur 4000 Guebern. Ritter a. a. O. 267 

2) Dupre berechnete dagegen bie in ben 15 um bie Stabt gelegenen Orten les 
benven Parfen allein noch auf 8000 Köpfe. Ritter 267. ®. 

2) Roh im 10. Jahrhundert unſerer Zeitrechnung waren die Guebern in. 
Jars nach der Geographie von GI Iſtachri im Befike ihrer heiligen Bücher (Orien- 
tal Geography by Ebn Haukal ed. by W. Ouseley 114, 116); ja fogar noch im 
Jahre 1722 befaß ein fehr gelehrter Bart zu Iegb Ruflam nach Angabe eines muha⸗ 
medaniſchen Gelehrten von Iſpahan Muhammed Ali Hazar mehrere Werke über die 
Religion der Parſi und über Philoſophie, die Ali Hazar ſelbſt bei Ruſtam geſehen 
hatte. Dieſe und andere Umſtände veranlaßten W. Ouſeley im Jahre 1819 es fall 


„80 Briefliche Mittheilungen: 


unferes Meifegefährten verfprach jedoch nachzufehen, ob er mir nicht eines 
oder mehrere ihrer Zenpbücher verfchaffen könnte, vie er nach Bagdad bringen 
will. Da Biele von ihnen Namen ihrer alten Könige führen, fo kündigen 
fie damit den Muhamedanern an, daß fie die eigentlichen und urfprünglichen 
Befiger des Landes find und daſſelbe wieder zu haben wünfchen. Dies er: 
regt den Fanatismus ver ohnehin fanatifchen Moslems, und bei jedem Könige- 
wechfel, wo das Land eine Zeit lang ohne Oberhaupt ift, fallen viefe über 
fie Her, mißhanbeln, tönten wohl auch und berauben die armen Parſi's und 
nehmen ihnen namentlich (wie fie fagten) ihre Bücher weg, fo daß ihnen nichts 
übrig bleibt, wahrfcheinlid) um das Gedaͤchtniß an ihre Vorfahren bei ihnen 
zu verwifchen. Ein Bruder unferes Wirths war bei dem legten Thronwechſel 
auf dieſe Weife ungefommen. Wir konnten und auch felbft von der Unier« 
vohrfigfeit ver Parſi's überzeugen. Oft famen Muhamedaner, um und gleich- 
fam als Wunberthiere zu fehen, da Fremde überaus felten in dieſe Gegenven 
eindringen. Unſer PBarfiwirth verhinderte fle nicht nur nicht, fondern nahm 
fie auf das Freundlichſte auf und ließ ihnen Pfeifen reichen. 

Die Parfen wiſſen nicht mehr, wie ihre Altvorbern ihre Todten begra- 
ben haben, weshalb unfer Meifegefährte den Auftrag Hatte, Die Gräber von 
Nakſchi Aufem genau zu unterfuchen, Seht begraben fie die Leichen nicht 
mehr, ſondern haben für viefelben außerhalb ihrer Wohnorte hehe Thürme 
mit einer Treppe von außen erbaut. Oben ift ein Bitter und zugleich find | 
auf zwei Seiten Rinnen, mwoburc der Regen abläuft. Die Mitte ift Teer 
und hohl, ein Koch, welches bis auf ven Grund geht. Zunächit derſelben 
find rund herum Stellagen oder Lagerftätten für bie Leichen ver Kinder, dann | 
eine Abtheilung für die ver Frauen und zuleßt eine für bie ver Männer. 
In alter, weißer Kleivung werben die Leichen von 8 bis 24 Männern, je | 
nachdem ver Verftorbene reich over angefehen ober arm war, abmechfelnd ta- | 
hin getragen. Auch Geiftliche folgen, und zwar paarweife von 2 big 30, je 
nach dem Reichthum. Eine Thüre des Thurmes ift von außen verfchloflen, 
Tann aber von innen, fal8 Einer wieder aufleben follte, geöffnet werben; fie | 
führt auf den nicht fehr Hohen Ihurm, der oben 80 Fuß im Durchmeffer hat. 
Menn alle Bretter mit Leichen belegt find (man fängt von ver Weitfeite an), Ä 
fo werben die Gebeine in dad Mittelloch geworfen, wohin auch der Hegen 
von allen Seiten abläuft, und die Bretter werben auf’d Neue gebraucht. Ties 
geichieht von den zwei Trägern, die übrigen Begleiter fichen auf einen ke: | 


als gewiß anzufehen, daß ein einfichtsvoller europäiſcher Neifender, der die Haupt: 
fige der noch beftehenden Gucher: Gemeinden in Perfien bereifen würde und fich das 
Vertrauen ihrer Vorfteher zu erwerben im Stande wäre, einen reichlichen Lohn für 
feine Mühe und Forſchung durch Auffiudung von Denfmölern und Echrijten erhalten 
dürfte. Ouſeley's Unterredungen mit einem Parſi hatten ihn fehr begierig gemacht, 
biefe literarifchen Schäpe zu heben (W. Ouscley, Travels in various countries of Ihr 
East. 11, 359), woran ihn jedody feine perfönliche Stellung, wie er fagte, hinderke 





Die Dafe Jezd und die neueften Zuftänbe ber dortigen Parfl. 81 


tonveren Plage. If das Mittelloch ganz angefüllt, fo wirb, wie jetzt in 
Jezd gefchieht, ein neuer Tobtentburm gebaut. 

Vielweiberei haben fie nicht, daher auch Teinen Haren‘ Wenn ein Parſi 
mannbar wird, jo erhält er.einen härenen Gürtel, ver nach der Verficherung 
der Jezder Juden von Hundshaaren fein fol. Die Prieſter follen nichts eſſen 
, bürfen, was fle nicht felbft gefchlachtet und vorbereitet Haben. Die Prieſter 
ber unterften Klaffe beißen Mobed's, über ihnen ſtehen vie Deftur Mobed's, 
und über biefen wieber die Defluran Deflur. Der Jezder Oberpriefter hat 
12 Deflurs unter ſich; außer ihm befindet fih in Bombay noch ein anderer 
Deſturan Deſtur für die dortigen Parft. Unter den Safjaniden Hatten vie 
PBarft einen alleroberflen Priefter, unter welchem alle Anveren flanven. Dies 
jer hieß nach Maneivfchi’8 Behauptung Schahfchän (vielleicht Schahi Schahan, 
König der Könige), woher ver Name Saflan, bekanntlich der der Saſſaniden⸗ 
Donaftie, kommen fol, und er hatte venfelben Namen, wie der jedesmalige 
König, der fi} feinen Befandten nannte und unter ihm fland. 

Nach Manekdſchi's Verficherung giebt es in Indien keine Secten unter 
den bortigen Guebern. Der einzige Unterfchied zwiſchen ven inbifchen und per 
fiſchen Guebern fol der fein, daß die legten um einen Monat weiter in ihrer 
Zeitberechnung find. Die Guebern rechnen das Sonnenjahr zu 365 Tagen 
und legen nad je 120 Jahren einen Monat zu, mas bie inbifchen einmal 
unterlaffen haben follen. Jever Tag, jeder Monat hat feinen beſonderen Nas 
men; eine Wocheneintheilung kennen fie nicht. 

Seit einigen hundert Jahren haben fich die perfifchen Parſi einen beſon⸗ 
deren Volksdialect aus der perfifchen Sprache gebildet, welchen die Moslems 
nicht verfiehen. Dies if die Deri⸗Sprache, in verfelben wird Die Pehlvi⸗ 
Sprache das Huswärefch genannt ?). 

Da fie ſich fo fehr vor den Muhamebanern fürchten, fo Haben fle in 
Berfien keine allgemeinen Ateſchgahs (Feueraltaͤre), fonvern jeder Hausvater 
bat in feinem Haufe einen Fleinen ver Art, vor dem er feinen Gottesdienſt 
verrichtet ?). Sie halten viefelben aber fehr geheim, fo daß wir nie einen 
Atefchgah fehen over einem Gotteövienfte beiwohnen Fonnten. 

Es ift fehr übel, daß jetzt Jezd zugleich unter ven Gouverneur von 
Kermän fleht; Kermän, ald Hauptſtadt der Provinz, ift auch feine Nefivenz. 
In Jezd bat er feinen Sohn, einen Yjährigen Jungen, zum Statthalter ein- 
gefeßt, der wieder einen Stellvertreter hat. Da nun Jezd ganz außer aller 
Berbindung mit ver Hauptftraße Perftens ift, fo ift e8 fein Wunder, daß bie 
moslemiſche Bevölkerung fich Vieles herausnimmt und nur geringe Furcht vor 


1) Noch im 10. Jahrhundert Hatten die perfifchen Guebern in Bars neben dem 
Parſi das Pahlavi (Pehlvi) als gewöhnliche Schriftfprache ihres Adels und ihrer 
Priefter in In aebrauf Onfeley 111, 357. G. 

2) Ouſeley hoͤrte im —* "hiefee Jahrhunderts, daß den Parſi von Jezd vom 
Gouvernement der Gebrauch von 4 Ateſchgah's geftattet fei. Ritter VIIT, a2. 


Zeiiſchr. f. allg. Erdkunde. Br. V. 6 


82 Briefliche Wittheilungen: 


ihrem Gewalthaber bat, dem auch nur wenig Leute, als feine Diener, zu Ge 
bote ftehen. Kein Parſi darf ſich unterfichen, auf dem Marfte fich Hinzu- 
fegen, und auch in ihren eigenen Häufern feen fie fich exft, wenn die anwe— 
fenden Muhamebaner ihnen die Erlaubniß dazu gegeben haben. Gleich ihnen 
und vielleicht noch mehr als fle, werben bie Juden in Jezd bebrüdt. Die Juden 
leben überhaupt in ganz Berften unter ſtarkem Drud, aber vieleicht nirgends 
fo fehr, als in Jezd. Einige von ihnen tragen einen weißen Turban, aber Alle 
müflen auf ihrer Bruſt ald Abzeichen ein rundes Stüdchen Zeug, weiß mit 
rothem Kreife, aufgenäht tragen. Died hat etwa vie Größe eined Viergro⸗ 
fchenftüds. Sie find fammtlich Weber; auch fie Elagen barüber, daß bei je 
dent Thronwechfel eine allgemeine Plünverung der Raja’d, d. i. der nichtmos⸗ 


* Jemifchen Unterthanen flattfindet. Wir jelbft Hatten Gelegenheit, und von ver 


Unbändigkeit ver Jezder Moslems gegen die Sremben zu überzeugen, bem 
ald wir, um die großen und fchöngewölbten Bazard einmal zu befehen, eines 
Tages dahin gingen, fammelte fi bald ein großer Haufen alter und junger 
Zeute um und ber, der immer mehr wuchs und ven Weg verfperrte, fo daß 
wir nur mit Mühe noch durchkommen fonnten. Unſere beiden Diener, ver eine 
ein Muhamedaner, ver andere ein Jude, der fich aber auch für einen Moslem 
ausgab, fuchten erft durch friebliches Zureben, dann mit ihrer Peitfche pas 
Volt zurüdzutreiben, wurben aber dafür tüchtig burchgeprügelt. Eine Wache 
in der Nähe fagte ihnen, fie ſollten jich felbft Helfen, während ver Gouver⸗ 
neur, den man um Hilfe anfprechen wollte, fchlief. Wir flüchteten in das 
Haus eines jüpifchen Rabbiners und ließen und von dem Kethuba, dem 
Borfteher der Guebern, 2 Mann zur Escorte bringen. Mein breitfrämpiger 
weißer Hut, ift e8 beſonders, was den Drientalen, zumal in Gegenden, wohin 
nur wenig Brembe kommen, aufflel. Ein Saiv (Nachkomme des Prophe⸗ 
ten Aly) fagte und, das Volt glaube, wir Franken trügen folhe Schirme an 
unferen Hüten, um nicht in den Himmel zu fehen, wohin wir ja doch nicht 
fommen fönnten, denn einem Ghriften fei verfelbe, wie jedem Nichtmoslem, 
verfchloffen. 

Natürlich Hatten wir kein großes Verlangen, weitere Befuche und Spa- 
ziergänge in der Stabt zu machen, die überhaupt wenig Sehenswerthes dar⸗ 
bietet. Das einzige und bier Auffallende waren Kleine thurmartige Auf⸗ 
füge, die an allen vier Seiten Löcher nach unten hatten, und Budgi's d. 5. 
„Windfänge* genannt werben, weil fie dazu dienen, ven Wind nach den un- 
teren Gemaͤchern zur Abkühlung zu leiten. Die ganze Stabt ift mit einer 
Lehmmauer umgeben, bat einen bedeutenden Umfang und fol nach der Bes 
Hauptung eined moßlemifchen Mollah (Belehrten) 100,000 Einwohner zählen, 
was offenbar übertrieben iſt ). Viele Häufer Tagen hier, wie in allen per 
fifchen Städten, in Ruinen. 


1) Fraſer gab in Uebereinſtimmung mit Gapt. Ehriftie 50,000 Einwo 
bie Stadt Jezd an. Ri 8 pt. Chriſti in obere für 





Die Dafe Jezd und bie neueften Zuftänve der dortigen Parfl. 83 


Kurz nach unferer Anfunft fchidten wir unfer Empfehlungsfchreiben an 
ben Stellvertreter des Stellvertreters des Gouverneurs, ber und ben Freitag 
zu fehen wänfchte. Als wir an diefem Tage zu ihm ſchickten und ihn fragen 
ließen, ob ihm unſer Befuch genehm wäre, ließ er uns fagen, er wünfche und 
lieber den Sonnabend zu fehen, da Freitag ihr Feiertag fei. Wir Tießen uns 
dies gefallen und fchidten am Sonnabend abermals zu ihm, worauf wir den 
Beſcheid erhielten, er fei nicht dazu aufgelegt und wünfche vielmehr ven fols 
genden Sonntag unferen Beſuch. Das war und außer allem Spaß; wir 
ließen Manekdſchi allein zu ihm gehen und ihm fagen, daß dies unfer Feier- 
tag fei, und wir daher nicht kommen koͤnnten. 

Unfere Ankunft in Jezd mußte fich, wie ein Lauffeuer, verbreitet ha⸗ 
ben, denn ſchon am nächftfolgennen Morgen ganz früh kam ein Rabbiner 
mit mehreren anberen Juden, um meinen Reifegefährten, Mr. Brühl, einen 
englifchen Mifftonar, zu befuchen, und kurz barauf ließen neun Hindu⸗ 
Kaufleute aus Sind, und zwar aus Schifarpür am Indus, das erft feit 
5 Jahren unter englifche Botmaͤßigkeit gekommen war, und fragen, ob fie 
uns ihre Aufwartung machen bürften. Sie fanbten einen Diener mit gros 
Gen Präfentirtellern vol Kandis und zum Geſchenk voran, und traten kurz 
darauf felbft ein. Ale waren grün gefleivet und trugen bie hohe perfifche 
Belzmüse, Gulah genannt. Sie waren ſaͤmmtlich auf der Mitte der Stirn 
gezeichnet. Die meiften hatten dad Zeichen [T, der eine, ver Vorſitzende der⸗ 
felben, ein anderes (K), wovon ver obere Theil weiß war; einer ober zwei 
Hatten auch das Zeichen (8) gelb. Sie boten uns ihre Dienfte und fo- 
gar Geld an, fo viel wir deſſen bebürften, ein Zeichen, wie gut der englifche 
Name bei ihnen angefchrieben fein mußte, denn fie Bielten und für Englän- 
der °). Sie waren nur gekommen, bier ihre indiſchen Waaren zu verkaufen. 

Da wir jenoch bald einfahen, daß ein langer Aufenthalt in Jezd uns 
Beiden nicht von großem Nußen fein würde, fo mwünfchten wir nach wenigen 
Zagen weiter zu reifen. Allein Dir. Brühl's Bedienter hielt und von einem 
Zage zum andern Hin; ber Grund war, weil er ſich auf Eurze Zeit verhei⸗ 
ratben wollte, was dort oft gefchieht. Fremde Moslems thun das in Jezd 
oft, und rauen und Mädchen gehen zu einem Mollab, bei vem fie ſich ein» 
fchreiben laſſen. Diefer macht dann den fchriftlichen Contract und flipulirt 
ven Kaufpreis. Mahmuds, des Diener, Wunfch fcheiterte daran, daß Fein 
Frauenzimmer ſich auf fürzere Zeit, als einen Monat, mit ihm verheirathen 
wollte. Er mußte füch endlich doch dazu bequemen, und Muder und Pferde für 
Iſpahan zu frhaffen. Da ſie, wie er verficherte, Die einzigen in Jezd gerabe 
anmefenden waren, fo verlangten fle mehr Lohn, ald gewöhnlich. Nach vielem 


1) Diefe Angaben ſtimmen fehr wohl mit ven in biefer Zeitfchrift Bb. IV, 
©. 477 mitgetheilten über die Autorität überein, bie ſich die Engländer in fo kurzer 
Zeit bei den Bingeborenen der nen acquirirten Provinzen am Indus erworben haben. 


6* 





84 Briefliche Mittheilungen: 


Hins und Herreden verfprachen wir ihnen envlich für ein Maulthier bis Iſpa⸗ 
Han (7 Xagereifen) 90 Kaan, etwa 10 Thaler. Da fle den folgennen Mor: 
gen aber, wie verabrebet war, nicht kamen, Alles zurecht zu machen, fo fchid« 
ten wir zu ihnen. Sie gaben und zur Antwort, fle wollten nun gar nicht 
nach Iſpahan gehen, da fte aus Schiraz wären; dies gefchah, um noch mehr 
Geld von und zu erprefien. Wir ließen fie zu und fommen und drohten, fie 
durchzuprügeln und in das Gefängnig werfen zu laſſen, worauf fle envlich 
nachgaben. 

Unfer Wirth drückte wieberholentlich fein großes Bedauern aus, daß mir 
ihn ſchon wieder verlaffen wollten. Er fagte, feit unferer Ankunft fei es hell 
in feinem Haufe geworden, nun aber werde wieber Binfterniß in demſelben 
eintreten. 

Am Tage unferer Abreife waren wir noch von Hrn. Manekofchi zum 
Mittagefien eingelaven worden, wobei es viele Gerichte gab, und wir gendthig: 
wurben, dem Jezder Weine ſtark zugufprechen, ver aber nicht befonber8 gut 
ift und zumal einen Nachgeſchmack nach Juchten Hat. Manekdſchis Sohn, 
fein Secretair und ber Kethuba, den man zuvor einmal mit Gewalt zum 
Moslem gemacht Hatte, worauf er in Dfehulfa (Iſpahan) in eine armenifche 
Kirche geflohen war und fi von da aus von dem König einen Firman, daß 
er wieder zu feinem Glauben zurückkehren dürfe, verfchafft hatte, aßen am 
zweiten Tifche. Sie genofien Fein Bleifch, tranfen aber Wein und faßten vie 
Glaͤſer ohne Tuch an, weil fle ſich vorher gewafchen Hatten. 

Hier, wie in Ifpahan und andern Orten, müſſen die Felder alle 10 Tage 
bewäflert werben, was aber in Jezd, wo es Ganäle giebt, weit leichter, als 
in Iſpahan ift, wo bie Gärten aus einem tiefen Brunnen gefpeift werben, 
aus welchen man das Waſſer mit Büffeln herausholt. Unterbleibt dies ein- 
mal, fo gehen Feld⸗ und Gartenfrüchte zu Grunde. Regen giebt es auch 
bier, wie in Iſpahan, das ganze Jahr nicht. Jedoch Hatten wir einmal zu 
Jezd in der Nacht kurze Megenfchauer, vie und faft von unferem Lager auf 
dem Dache herunter getrieben Hätten. 


2) Reife von Jezd nah Ifpahan (vom 5. Auguft 1854). 

Erft 3 Stunden nach Sonnenuntergang kamen wir fort und hatten ziem- 
lich eine ganze Stunde durch die Stabt zu reiten; wir gelangten dann in bie 
große flaubige Ebene, die in weiter Berne zur linfen Seite von kahlen Felſen 
umgeben war, jo daß alfo auch die Felſenkette zur Rechten nicht, wie ich 
früher glaubte, aufhörte, ſondern ſich nur weiter zurückgezogen hatte und Sest 
umſchloß. 

Lange ritten wir durch eine troſtloſe Wüfte ohne alle Vegetation; ſelbſt 
fein Grashälmchen, Fein Dornenftrauch war zu fehen. Nach 24 Stunden 
erreichten wir ein langes balbverfallenes Dorf mit Waffer und Bäumen, Mä- 
mebabad (fo fpricht man Bier für Muhamerabad) und eine Stunde fpäter 


Heife von Jezd nach Iſpahan. 85 


ritten wir theils vorbei, theil® durch ein eben folches theilmeife verfallenes 
Dorf, welches unfer Mucker Eſchkoſer (Esfiver?) nannte. 3 Stunden darauf 
gelangten wir an das Dorf Hymnudabad (?), welches links von der Straße 
lag und mit Bäumen und Anpflangungen von Baummolle und Ricinus ver- 
fehen war. Eine halbe Stunde fpäter kamen wir nach Efiabad, wo wir bei 
dem Gottesacker hinter dem Dorfe unfer Zelt auffchlugen, In und außerhalb 
des Dorfes war ein Khan, in dem wir aber nicht bleiben wollten; uns ſüd⸗ 
weſtlich gegenüber lag ein anbered Dorf, Sad'rabad, etwa 4 Stunde entfernt. 
Der Tag war ſehr heiß, aber das dortige Wafler vortrefflih. Einen großen 
Theil ded Tages brachten wir in dem Leichenhaufe zu, wo es fchattig und 
fühl war, und ſich Viele um und verfammelten. In dem binteren Theile des 
Leichenhaufes befanden fich drei Hohe Stufen an ver Wand, auf denen wahre 
fcheinlich der Iman fleht, um über ver Leiche zu beten. Rechts und linfs 
waren zwei Bemächer, veren jedes ein Grab enthielt. Gegen Abend famen 
viele Frauen, und um Urzeneien für ihre Leiden zu bitten. 

Den 6. Auguſt. Nach kurzem Schlaf ritten wir in der Nacht in weſt⸗ 
licher Richtung fort. Der Weg war und blieb fo flaubig und vegetationd« 
los, wie vorher. Kurz nach Mitternacht kamen wir an einem lang auẽge⸗ 
tehnten Dorfe vorüber, dad und wieder Mamedabad (Muhamedabad) genannt 
wurde. Vorher aber fihon und zwar nur 4 Stunde nach unferem Ausritt 
Hatten wir links vom Wege in einiger Entfernung ein Dorf, Tſchebaͤrdeh 
(Bierborf) genannt, weil e8 in vier Abtheilungen gebaut war, und rechtd an 
der Straße eine eingefallene Rarawanferei gefehen. Später kamen wir noch 
bei mehreren verlaffenen Dörfern und Imänfäpes (Gräbern von Heiligen) 
vorbei, und + bi8 2 Stunden hinter Maͤmedabad an das lange Dorf Meidls 
Schar (die Dörfer find immer dem Waller entlang gebaut), dann durch ein 
Thor, Hei welchem ein Abanbar (Watlerbehälter) war. Weiterhin war das 
Erdreich auf eine merkwürdige Weife zerrifien und vielfach eingefunfen, was 
wahrfcheinlich von Erdbeben herrühren mochte, theilmeife aber auch wohl von 
dem Waffer, welches fich gewaltfam einen Weg vurchgebahnt hatte, bis zu dem 
großen, theilmeife ebenfalls verfallenen und verlaffenen Dorfe Meybüd, wo 
Baummolle und Ricinus gepflanzt waren. Wir ritten noch bis zu dem einen 
Büchfenfchuß davon entfernten Dorfe Bivabad d. h. Weidendorf, wo ich aber 
feine Weiden, ſondern nur Fruchtbäume ſah, wo wir gegen 10 Uhr arabifch 
(5 Uhr Morgend nach Frankenuhr) anlangten und unfer Zelt auf einem freien 
Plage vicht am Wege auffchlugen. Gute grüne Waffermelonen machten uns 
die Hitze ded Tages etwas erträglicher. Auch hier, mie aller Orten, findet 
fich viel Anbau von Baumwolle, und die Ränder find mit Ricinus bepflanzt. 
- Wir fahen viele Schafe und Ziegen, erfuhren aber, daß dieſelben nicht von 
bier jeien, fondern aus dem fruchtbaren Schiraz hierher zum Verkauf kommen. 
Bidabad Hat kein Vieh, außer Efel, und dad Wafler ift fo gering, daß es 
faum für den Bedarf binreicht. Ueberhaupt fol es von Jezd bis Iſpahan 


86: Briefliche Mitiheilungen: 


feine einzige Duelle geben. Ban findet hier erſt 120 Spannen tief Waſſer, 
welches dann mahrfcheinlich in die Höhe geleitet oder berausgepumpt wird. 

In Birabad wird auch Wein und Gerfte gebaut, das Land wirb nicht 
geduͤngt, aber nad) jevem Jahre ein Jahre unbenutzt gelaffen, weil bier Kein 
Mangel an Land if. Der Dünger, den man forgfältig wegfchafft und aufs 
bewahrt, benugt man entweber für Gurken, Melonen u. f. w. oder ald Brenn 
material. Die Bewohner find bier faft überall arm; fle nähren ſich nur 
fümmerlich und vie Frauen weben orbinaire Zeuge. 

Eine Viertelftunde ndrvlih von Bidabad liegt das Dorf Debabad und 
2 Stunden davon in berfelben Richtung Aerdegün, ein Städtchen, worin viele 
Guebern fein folen. Auch in Meibüp follen früher viele Guebern in Hoͤh⸗ 
Ien, die noch fichtbar find, germohnt haben. Bidabad hat viele Maulbeer⸗ 
bäume. 

Dienftag den 8. Auguft Hatten wir eine weite Tour (alfo war wohl ver 
7. Auguft ein Raſttag?) von 12 Barfang vor und und mußten uns gefaßt 
machen, 12 Stunden und länger auf unferen Thieren zuzubringen, venn 1 Far⸗ 
fang, etwa fo viel, ala 1 Lieue, ift nach PBerferberechnung oft fall 2 Stun- 
den lang, zuweilen auch weniger ald 1 Stunde. Wir ritten veshalb gleich 
nach Sonnenuntergang fort, zuerft nordweſtlich 4— 5 Stunden im ärgften 
Blugfande, hei mehreren Karamanfereien und verfallenen Bauten vorbei; bie 
Begetation war fehr fpärlih. Nur einzelne Dorngefträuche, worunter auch 
Kapperfträucher ftanden, und ein wohlriechenned Kraut niit Kleinen Knospen 
ohne Blätter waren zu fehen. Wir bemerften bier und ba unterirbifche Ca⸗ 
näle, 2 bis 3 Fuß tief, und tiefe Brunnen, zu welchen Stufen führten. 

Links und rechts Tiefen kahle Belfenketten; vie zur Mechten, welche ent⸗ 
fernter waren, ſchienen nach 6 Stunden aufzuhören, wenn fie nicht, was 
ich troß dem Vollmond wegen des Dunftkreifes nicht bemerken konnte, fid 
noch weiter entfernen. Nach 5 Stunden wurde der Erdboden fleinig, und, 
wie ich fchon früher bemerkt Hatte, fchienen wir mehrmals durch ausgetrod« 
nete Betten von Bächen, die vielleicht durch flarke Negengüfle im Winter ge: 
bildet waren, zu reiten. Nach 5ftündigem Mitte Famen wir bei einem Dorfe 
vorbei, wo mehrere Bäume ſtanden. Wahrfcheinlich Tſchfte, welches vierfach, 
wie Bidabad, fein follte. Nach Angabe unferer Muder ift es verlaflen und 
verfallen. 34 Stunden fpäter kamen mir wieder bei einer porfähnlichen Stelle 
vorbei, was aber nur Gärten fein follten. Wir bemerften Gebäude (?), unter- 
irdifche Candle und vielfady zerfpaltenes Erdreich. Diefe Spalten find nicht 
Folgen von Erdbeben, welche in dieſen Gegenden, wie in Jezd, gar nicht vor⸗ 
kommen. Sie ereignen ftch, nach der Verficherung unſeres Sald, nur in ver 
Nähe des Meeres, z. B. in Schiraz (?!), und entſtehen angeblich von den fies 
fen Ahemzügen des Meeres. Eine halbe Stunde fpäter gelangten wir nad) 
dem fchönen, theilweife ummauetten, mit einer Beftung verfehenen Orte Aghda 
(Agdeh nach Trezel auf Kiepert's Karte). Gleich am Eingange ſieht man ein 








Reiſe von Jezd nach Iſpahan. 87 


neue ſchoͤne Karawanſerei, in deren Mitte ein ſchoͤnes 4 eckiges, oben 8eckiges 
Minaret, gegenüber einer Moſchee, ſich befindet, Hier waren auch Bupgis 
(Windfänge), wie in Jezd. Noch andere Karawanjereim giebt es, überall 
mit Maulbeerbäumen umgeben. Hier ſah ich auch zum erften Male wieber 
zwei Balmen. Außerhalb des Dorfes auf einem fchönen Plate fchlugen wir 
unfer Zelt auf. Gier, wie in Bidabad, fanden wir zum erſten Male dffent« 
liche Appartementd, davon zwei nahe unferem Nuheplap waren. Das Waffer 
war nicht gut; e8 Hatte einen fchmwefeligen bittern Gefchmad, 

In der Naht vom 11. zum 12. Auguft bemerkte ich kurz vor meis 
nem Einmarfche in Iſpahan eine ungewöhnliche Menge von Sternfchnuppen, 
bie aber ſtets cometen⸗ oder rafetenförmige Streifen Hinter fich hatten und 
einen den Leuchtkugeln ähnlichen Punft zeigten, zuweilen verfchwanven, bald 
auch wieder zum Vorſchein kamen, und zwar fletd am wefllichen Horizonte. 
Die folgenden Nächte waren vergleichen zu Ifpahan wenig bemerkbar, wohl 
aber wieder in der Nacht vom 18. zum 19. September auf dem Wege von 
Hammadan nach Bifutan.“ ©. Ritter. 


Herr A. v. Humboldt, den Herr C. Ritter die erwähnten meteorologiſchen 
Beobachtungen mittheilte, erfreute ſich derſelben lebhaft. „Man begreift,“ 
ſchrieb derſelbe unter dem 20. April dieſes Jahres an ven Lehztgenannten, „daß 
die trockene perſiſche Luft bei ihrer oft beſungenen Durchſichtigkeit zu Beob⸗ 
achtungen anregt. Der 12. Auguſt iſt nur ver etwas verfpätete Termin des 
auf den 10. — 11. Auguſt fallenden Laurentiusſtroms. Von dem glühen⸗ 
den Trachen des Heiligen, wie eine Chronik in Bezug auf die Licht⸗ 
phänomene des Raurentiustages fagt, bis zum 19. October ift mir bis jetzt fein 
einziger großer Sternfchnuppenfall befannt (Cosmos III, 605)." In Bezug 
auf viefen Ausfpruch des berühmten Forſchers, der den meteorifchen Lichtphä«- 
nomenen eine fo umfaflende Aufmerkſamkeit gewidmet bat, ift es vielleicht von 
Intereſſe, zu bemerfen, daß der verftorbene afrikaniſche Reiſende I. Richard⸗ 
fon nach dem währenn feiner letzten Reife gehaltenen Tagebuche vor dem 19. 
October wiederholt zahlreiche leuchtende Meteore während feined Aufenthalts 
zu Zin Tellus im Lande Ahir beobachtet Hatte, denn unter dem 4. October 
1851 fagt er, daß in ven klaren Nächten eine fehr große Zahl von Meteoren 
über feinem Kopfe ſich Hin und ber bewegt Hätte; faft eine Minute lang dauerte 
die Bewegung der einzelnen Phänomen. Einige leuchteten ſchwach und erfchienen 
nur für einen Augenblick, während andere fehr ſchoͤn waren und einige Secunden 
lang ſichtbar blieben (Narrative of a Mission to Central Africa performed in 
the years 1850 — 1851. I, 10). Ebenfo beobachtete Richardſon dort am 
8. Octbr. um 74 Uhr Abends ein Phänomen, wie er nie zuvor gejehen, nämlich 
ein ungebeured, etwa 2 Minuten dauerndes Kichtmeteor, welche am füblichen 
Horizont in nicht bedeutender Höhe über die Hälfte des Himmels in einer 

wenig gefrümmten Bogenlinie von DOften nad) Welten dahin ſchoß, einen 


88 Miöcellen: 


Schweif wie ein Comet befaß und um feinen Kopf ein blaues Licht von 
außerorbentlicher Intenſitaͤt glühend hatte. Er und Alle, welche das Meteor 
fahen, fchrien vor Erflaunen auf. Darauf bemerkte ver Reifende nach Ver⸗ 
lauf weniger Deinuten noch viele Eleinere Meteore in berfelben Richtung, und 
zwar einige in geraber (horizontaler? ), andere in abfleigenver Linie, am Him⸗ 
mel dahin ſchießen (a. a. ©. II, 19). Gumprecht. 


Miscelſlen. 


Die große Einſenkung der Erde in der Mitte des alten 
Continents. 


(Bei gelegentlicher Vorzeigung der E. v. Sydow'ſchen Waudkarte von Aflen im ber 
Geographiſchen Geſellſchaft.) 

Die lehrreichen Begleitworte, welche Herr E. v. Sydow ſeiner dritten, 
zu Gotha bei J. Perthes herausgegebenen Auflage der Wandkarte von 
Aſien beigegeben, machen ed unnöthig, die Verdienſte dieſer vortrefflichen 
Arbeit für den geographiſchen Schulunterricht noch insbeſondere hervorzu⸗ 
heben. Die Begleitworte (S. 1— 19) reichen ſchon Hin, zu zeigen, mit wie 
großer Gewifienhaftigkeit und ernfter Forſchung dieſe Kartenarbeit ausgeführt 
wurde. 

IH wi nur mit wenigen Worten auf die Darftellung ver großen aralo- 
caspiſchen Erdſenkung hinweiſen, welche auf dieſer Karte fo überſichtlich und 
anfchaulih in ihrem Geſammtzuſammenhange durch zwedimäßige Zeichnung 
und Farbung niedergelegt erfcheint, wie mir dies noch von feiner anderen 
Kartenvarftelung befannt geworten iſt. 

Zwei große Hauptlinien der grünen Flächen, moburch die Niederung ded 
Landes meift unter 500 Buß abfoluter Höhe bezeichnet ift, ziehen fich in dias 
gonaler Richtung, die eine von NW. gegen SO. durch die ganze Mitte Eu⸗ 
zopa’8, auf der Grenze des ſüdlichen Gebirgslandes und des flachen nörkli- 
chen Niederlande Hindurch, von Holland bis zum Südoſtwinkel des caspifchen 
See's gegen Afterabad; die andere Kinie, weniger beftimmt hervortretend, von 
NO. gegen SW. auf ähnliche Weile, am Oſtrande ver obifchen und aralis 
chen Niederung durch ganz Weft- Sibirien, bis zu demſelben Sübenbe des 
caßpifchen Binnenfee's Bin. 

Hierdurch bildet fich ein mächtiger gegen Süden gerichteter ftumpfer Winfel 
eines Tieflandes, das, ſich gegen den Norden immer breiter ausdehnend, vie 
enorme Breite eined Triangeld erreicht, ver von Holland und dem Mheinvelta 
norboftwärts bis zum Mündungslanve des Jeniſei (zueifchen 20 bis 100° öfl. 








Die große Einfenfung der Erbe in der Mitte des alten Eontinente. 89 


Länge) ſich gegen 1000 Meilen weit auspehnen laͤßt, und veffen Umfang 
über 200,000 IPkeilen faft außfchlieglich mit europäifchem und aftatifchem 
Zieflande erfüllt if. Denn allein die Meriviankette des Uralſyſtems durch» 
ſchneidet dieſes Tiefland in einer Strede von 250 bis 300 Meilen von Nor⸗ 
ven nad Süden, und theilte erſt deſſen früheren uniformen Zufammenhang 
durch ihre im geognoftifchen Sinne jüngfle Emporhebung in eine europäifche 
und eine aflatifche Seite der Niederung. 

Auf dem Südrande des mitteleuropäifchen Tieflandes, das von NM, 
gegen SO., von Holland bis zur Wolga unterhalb Kafan am Weſtfuße des 
Ural fortftreift, durch Norddeutſchland, Sachfen, Schleflen, Galizien, bis zur 
Ukraine, nach Moskau und Kafan, Liegen vie folgenden Orte an ven gemefle- 
nen Stellen auf insgeſammt einer geringen abfoluten Höhe vertbeilt: Amfter- 
dam = 0’ im Spiegel des Oceans; Münfter und Paderborn 300 bis 400’; 
Hannover 240’; Hildesheim 214’; Braunfchweig 200’; Magveburg 128’; 
Berlin 100’; Leipzig 300’ (?); Wittenberg 204’; Dredven 280’: Breslau 
375’; Brieg 424’; Krakau 669’; Warfchau 330’; Pinst 408’; Mosfau 325’; 
Kafan 270’ Uferhöhe (Wolgas Spiegel 54’); Saratom 36’; Sarepta — 30’ 
unter dem Niveau des Oceans. 

Nur die einzelnen Borfprünge des weftphälifchen Sauerlanves, des Teu⸗ 
toburger Waldes, des Wefergebirges, des Harzes, der Lauſitzer Höhen, bed 
Miefengebirges, der Tarnowiger Höhen, ver Karpathen, der Plateaus von 
Podolien oder Goch» Polen (bis 1000’), bilden mit ihren Ausläufern vie 
Borgebirge dieſes Tieflandes, zwifchen denen fich die tiefern Buchten des Nie⸗ 
derlandes bie und da fünmärts verbreiten, wie die weftphälifche Bucht, vie 
Weſerbucht, die Leipziger Bucht von Magdeburg die Elbe und Saale aufs 
mwärts, die fchlefifche Bucht u. f. w. 

Don Moskau und Kafan, in der Richtung von Don und Wolga, finft 
diefe mitteleuropäifche Niederung zu der noch tieferen polnifchen und caspifchen 
Niederung hinab. Zwiſchen Saratom und Sarepta Hat die Wolga ſchon bie 
Niederung des Meerniveaus paſſirt; fie finft nun bis Aftrachan und zum 
caspiſchen Seefpiegel bis zu 77 bis 78’ Pr. unter das Niveau bed Oreand 
hinab. ' 

Die ganze flache Umgebung des caspiſchen See's, in gleicher Nieverung 
wie der Spiegel des Sees, nimmt nah U. v. Humboldt's Berechnung ein 
Areal von 6000 Duadrat- Meilen ein; das caspifche Meer bedeckt mit ſei⸗ 
nen Bewäflern 7500 DO.» Meilen; die Einfenfung beträgt alfo an 13500 O.- 
Meilen, ein Erdraum, größer ald Srankreich oder ganz Deutfchland, dem Um⸗ 
fange des äfterreichifchen Kaiſerſtaats etwa gleich, die ganze Fläche tiefer ges 
Iegen ald der Spiegel des Oeeans. Nimmt man die Niederung bed Aral⸗ 
See’ 3 mit feiner Wafferfläche von 1124 DO.» Meilen und vem flachen, gleich 
niederigen Steppenboben Weftfibiriend hinzu, ver norbwärts bei Tobolsk 
nur 108’ über dem Meere erhoben liegt, fo wächft das gefammte Nieverland 


90 Miscellen: 


zu beiden Seiten des Ural zu dem enormen Umfange von 200000 Q.⸗Mei⸗ 
len. Davon ſenkt fih aber nur der fürlichfte ſtumpfe Winkel in der Reihe 
der Binnenfeen, 13000 bi8 14000 Q.⸗Meilen groß, tief unter bas Niveau 
des Oceans. Denn wenn auch ver Aral» See + 33 bid 34’ über dem Spiegel 
des Dceand (over 110 bis 112’ über dem Spiegel des caspiſchen See's) liegt, 
fo ift doch feine Waflertiefe bis auf 222’ funbirt, und fein Seebopen liegt 
alfo auch tiefer ald dad Niveau des Oceans. 

Der cadpifche See ftürzt aber, nach Eichwald's Sundirungen in der Mitte 
feiner Ueberfahrt (gegen den Karabogas Golf, an feiner Oftküfte unter 42° 
n. Br.) über 600’ Tiefe hinab, wo man noch Feinen Grund fand. Frühere 
Sundirungen, von Hanway, Iaffen fogar ven Einfturz gegen das Sübende des 
See's bis zu 2700 Fuß Binabreichen. 

Könnte man die jüngere Iodere Schutt“, Sand» und Geröll» Dede, 
welche gegenwärtig die ganze aralo=caspifche Niederung überlagert (wie 2. 
v. Humboldt bemerkt), abheben, fo würde die Einfenfung dieſes ungeheuern 
Raumes His auf ihren Felsboden eine noch viel größere werben, als fie ge 
genwärtig erjcheint. 

Wie, drängt fich bier die Frage auf, fonnte eine dem Umfange nad) fo 
ungeheure Vertiefung in der Mitte ver alten Welt entfichen, daß viefe fogar 
unter das allgemeine Niveau der feiten Erdrinde hinabgedrückt wurde, jo 
daß dann auf ihr nur die aral= und caspifchen Waflerftellen als ſchwache 
Mefte, vielleicht fortfchreitende Verdunſtungen an Ort und Stelle früher grö- 
Beren Meeresſtandes, zurüdbleiben mochten? 

Bei einem fo einzig daſtehenden Phanomen von folcher Großartigfeit 
ſollte man dafür Halten, daß deſſen genaueſte Erforfchung und Bildungsge⸗ 
ſchichte in dieſem Theile der Erdkruſte Ichrreich für die Bildungsgefchichte der 
Ervoberfläche auch an andern Stellen verfelben werben müfle. 

Noch weit ift man von dieſer Erforfchung entfernt; an Hypotheſen zur 
Erforfchung dieſes Depreſſionsphaͤnomens Hat e8 nicht gefehlt; fchon feit des 
großen Aftronomen Dr. Halley’3 Zeiten, ver bei feinen ernften Studien über 
die Cometenbahnen es einft für wahrfcheinlich hielt, ein folcher Comet möge 
an dieſer Stelle ver Erbe in den Weg gekommen fein und auf dieſe Weife 
durch einen gewaltigen Erdſtoß fie eingeprüdt haben. 

Einen wichtigen Beitrag zur weitern Erforfchung dieſer Gefammtverhält- 
niffe giebt endlich der Geolog Dr. Grewingk) durch feinen Bericht über 
die Erforfhung und Höhenmeffungen des Eranzförmigen Ringgebirges, 
welches im Halbfreis ven großen Südrand dieſer Einfenfung mit feinen cos 
loſſalen plutonifchen Maſſen umragt und bei feiner einfeitigen Hebung aus 


I) Dr. &. Grewingf die geogneftifchen und orographifchen Verhaͤltniſſe des noͤrd⸗ 
lichen Berfiens. Gt. Petersburg. 8. 1853 





Die große Einfenkung der Erbe in der Mitte des alten Eontinente. 91 


der Tiefe wicht ohne Einflup auf den anderfeitigen Einflurz der Maflen in vie 
Tiefen gewefen fein kann. Es erfcheint dies als fein iſolirtes Phänomen an 
fih, fondern nur ald Kortfegung und Norpgrenze der Gefammterhebung ber 
ganzen hoben Plateaumaffe des anſtoßenden Suüd⸗Aſtens und Nord» Afrikas, 
die weiter oflwärts im Hochlande Tibet und ber Mongolei in flufenmweifen 
Abſaͤtzen allmählich bis zum Baikal in die nord=fibirifche Geſtadelandſchaft 
fich fenfte und abflel, Hier aber im Weſten vom iranfchen Hohen Plateaulande 
plöglich in die hohlgewordene Tiefe hinabſtürzte. 

Nicht wenig überrafchend ift e8, Bier, vom coloffalen Kaufafus im Weſt 
der Sünfeite des ca8pifchen Sees, von der Abfcheron Halbinjel bei Baku an, 
um die ganze Süpfeite dieſes Sees ein faſt ununterbrochenes Ringgebirge 
(gleich den NRinggebirgen im Monde), im Halbfreid um den ganzen Südein⸗ 
ſturz des caspifchen See's und der anliegenden Nieberung bis zur Oflgrenze 
der niedern Bucharei über Balk, von Aſterabad, über Meſched, Herat biß 
zu dem riefigen Hindu Khu und dem Bolor» Gebirge verfolgen zu können. 

Die genannte Karte, auf welcher wir die Höhenzahlen nach den Meffun- 
gen eingetragen haben, giebt ſie in folgenver Aufeinanverfolge alſo an: 

Der Kaukaſus 15000’ im W. mit dem Elborus 18500’, nach Abich's 
Mefig., mit dem Craterſee eines erlofchenen Bulcand auf feinem Gipfel. 

Der Urarat, 14656’ Pr., mit feinen Doppelgipfeln und 3 anderen um⸗ 
herſtehenden Eolofien gleicher Höhe, wie der Alagdy und andere plutos 
nifche Gebirgsbildungen mit ihren Erpbebenregionen. 

Die Sfahand» Gruppe, an ver Oftfeite des Urmia Sees, 11,345’ üb. M. 

Dr Dfhamur Dagh, noch näher zum cadpifchen See gerüdt, 13—14000'. 

Der Sfawalan, 12000’ Hoch, über Arvebil dicht zum Süpmeftwinfel des cas⸗ 
pifchen Seeabſturzes gerüdt, eine emporgehobene ganz trachntifche Ke⸗ 
gelgruppe. 

Die lange Strede des fteilen Küftengebirged von Ghilan und Mazenberan 
am Nordrande Hoch» Perfiend in Nordweſt von Teheran, indgefammt 
trachytifche, plutonifche und felbft vulcanifche Bildungen, bis zum noch 
thätigen Bulcan Demamend, wozu bad Randgebirge von Schemrun 8560’, 
der Churchurah 7650’, Ver Demawend Nemo 8540’, das Plateau, auf 
dem Teheran liegt 3400’, der Vulcan Demawend 13788’ Pr., und ver 
neben dieſem Tiegende Kegel Enczan 6600’ gehören. 

Dflwärts des Demamend folgen der Seria Khu 7200’, ver Shah Khu 
dicht Aber Aſterabad, und der Sunduk Khu 7270. 

Insgeſammt plutonifch aufgeblähte, gewaltige Trachyt » Gebirgsmaffen. 

Weiter bin fenft fich zwar ver riefige Anfchwellungsring im Süden ber 
bucharifchen Niederung, doch bleibt er immer in einer mittlern Höhe von 3400 
bis 4000’ über dem Meere; an ihm liegen Meſhed 1832’, Herat 2628’; 
oſtwaͤrts Herat fleigen die Maflengebirge jedoch wieder zu gleichen Höhen: 


92 Miscellen: 


coloffen empor, wie bei Dſchellallabad im Hindu Khu zu 18984’, in ven Hoch⸗ 
ebenen von Iſſikul an den Quellen des Orus (Gihon) zu 14664’, im be⸗ 
rühmten Bamir Hochpaß bis zu 18000’, 

Bon dieſem innerften Winfel ver coloffalen Erhebung zeigt der Lauf des 
Oxus gegen NW. die Senkung an, von dieſer Ringerhebung virect zum 
Arals und caspiſchen See, vie ſchon bei der Stadt Buchara zur Niederung 
von 1116’, in eine Steppenfläche Hinabgefunfen if, nach AL. Burnes. Diefer 
birecte Stromlauf bezeichnet alfo von SO. her die große Depreſſton vom Hindu 
Khu, den Bolorfoftem und dem perfifchen Hochlande, wie die Wolga zwifchen 
dem Kaufafus und Ural vom NW, ber, vie große Senkung. Da, wo fie 
beide in ihren Enden fich begegnen, liegt die größte Tiefe des caspiſchen See 
Endes unter dem Niveau des Oceans. 

Diefes hypſometriſche Verhaͤltniß der Gefammterfcheinung giebt des Aſtro⸗ 
nomen Arago Hypotheſe über die Geſammtbildung dieſer Deprefiton, melde 
Al. v. Humboldt in feinem fo inhaltreichen Gentralaflen mitgetheilt hat, eine 
gewiffe Wahrfcheinlichkeit. Statt die Einwirkung unbekannter Himmelsfräfte 
zu Hülfe zu rufen, nahm Urago zu feiner Erflärung bie noch heute, wenn 
auch in Eleinerem Maßſtabe, fortwirkenden telurifchen Kräfte, die plutonifchen 
Kräfte der Beuerbildung und vie Gewalt ver hebenden Dämpfe in ver Ges 
birgötheorie in Anfpruch. 

An der Emporhebung großer Maflen ver Erbrinde, fagte er, koͤnne man 
nach fo vielen befannt geworbenen geologifchen Thatfachen nicht mehr zwei⸗ 
feln. Erhebung großer Erdmaſſen fegen nothwenvig Erzeugung leerer Raͤume 
in der Tiefe voraus, aus denen fle emiporgehoben wurben, und bamit fei, 
eben fo nothwendig, pad Zurüdfinken der erflarrenden Maſſe verbinden, wenn 
die hebende Gewalt der Dämpfe nach dem Durchbruch zu Ende gehe. Dies 
fei eine befannte Erfcheinung bei Fleinern befannten Kegelbildungen in den 
Grateren over den aufgebrochenen Halbkefieln ver Calderas, vie fih an fo 
vielen emporgehobenen Maſſen zeige, va fle auch die Möglichkeit des Wieder⸗ 
einfintens der Emporhebung näher verfünven; es fcheine daher fehr natürlich, 
auch bei dem in großem Halblreife emporgehobenen Gebirgsplateauringe an- 
zunehmen, daß zwifchen feiner Franzförmigen Umgebung (melche nur bie 
Michtungen der Erhebung bezeichnet) ein merkwürdige Sinfen, in Folge des 
Hebens, flattgefunnen Habe, wodurch dvieſes coloflale Depreifionspyhänomen 
hervorgegangen. 

Fr. Arago Eannte, zu feiner Zeit, die plutonifche und fo vorherrſchend 
trachytifche, zum Theil vulcanifche Naturbefchaffenheit- dieſes Ringkranzes noch 
nicht, deren genauere Kenntniß wir erfi Grewingks Berichten verdanken. Da⸗ 
durch ſcheint diefe, gleichfalls durch A. v. Humboldt befürmwortete fehr fcharf- 
finnige und doch fehr einfache Löfung des Problems (Gentral= Aflen. Deutfch 
Ausgabe von W. Mahlmann IT, p. 539) eine nicht unwichtige Beflätigung 
erhalten zu haben. 


Höhenbeflimmungen in Sibirien. 93 


Mit den Fracturen ber aus der Tiefe emporgehobenen und wieder zu⸗ 
fammengeftürzten Trümmer Eonnten, wenn die Richtung des Ausbruchd der 
Gewalt von SO. nah NW. gegangen wäre, die im Norben vorliegenden 
ſibiriſchen und pontifchen Nieverungen allervings mit ihren Iodern Maſſen 
überfchüttet worben fein. Ob fich darüber Nachweife finden, vürfte fich aus 
fortgefeßten genaueften Beobachtungen ermitteln laſſen. 

@. Ritter. 


Höhenbeftimmungen in Sibirien. 


Für die Kenntmiß der Erhebung der Oberfläche Sibiriend über dem 
Meeresſpiegel beflgen wir bis jet noch fehr wenig pofltive Data. Es iſt des⸗ 
halb von Intereffe, folgende zu erhalten, welche die Umgebungen des Baifals 
fee'8 betreffen und in dem Compte-rendu annuel addresse & S. Exc. Mr. 
de Brock, Ministre des Finances, par le Directeur de l’Observatoire 
physique central A. T. Kupfer. Année 1853. St. Petersbourg 1854, 
S. 53 und 54 mitgetheilt werben. 

Höhe des Bailalfee8 - - - 2... 1308 engl. Buß, 
= von Hlütdl. - » - 2 2 02.412377 ⸗ 
= von Werfholnef . . . ‚14559 =» +» 
= eines Berges, 12 Werft von Irkrist, 


auf ver Straße nach Jakütesk. 1638 = = 
= ber Station Homutonäfaja . . . - 1296 = = 
⸗⸗ =» Schervomßfala . . . . 13773 = - 
. = =» Uflorvindfafa . . . . 1457 - = 
= ⸗ Olſonofskaia... 1955 = = 
⸗2 ⸗Bajendajewskaja.. . 1875 = = 
= = ⸗ Chogotstkaia.... . 18023. = 
: = »  Malo Manfurdfaia . . 1730 -» = 
. =» » Chorbatonmäfffja . . . 148 - = 
= des Dorfes Katſchug ?) . . x. .1486 - > 
. = ⸗Biroulky an ver Lena. . 1547 °. > 
s von Lendfi Defiatof . . . 17935 = = 
= ber Quelle der Lena (Fluß <fehanfeher) 2842 = «= 
⸗des Lenaufers bei Goluft . 2021 = = 
⸗Wdes Berges Soubfhaja nahe der Slu— 

dinfa . . 2... . 3996 - = 


2) Katſchug if das hier DB. 1V, ©. 432 erwähnte, als Einfhiffungsort auf 
der Lena für den Verkehr dieſer Gegenden wichtige Dertchen Katfchuga. 


94 Sigungsbericht der Berliner geographiichen Geſellſchaft. 


Höhe ver Stuianfa . - . 2 0... 8990 engl. Buß, 
s der Station SIuvina . . . . 4129 -» = 
s der Vegetationdgrenze am Kharmadaban 5410 = > 
⸗ der lebten Station unmittelbar unter 
dem Gill . 2 2 2» dh 
s von Tuna -. . 2» 2 2 2 0. . 1609 
«e von Turn . 2. 2 202000. 21887 
- der Mineralquelllen . . . . 1953 
= des Militairpoftens Schanginsk . 3253 
Vorſtehende Höhenmeſſungen wurden von dem Capitain Meglitzky an⸗ 
geſtellt. 
Außerdem finden ſich in demſelben Compte-rendu ©. 54 und 55 bie 
Höhen einiger Punkte des nörblichen Ural vor, nämlich von: 
Tſcherdin 60° 24’ 11” nm. Br., 56° 30' 51” öl... Gr., 600 engl. F., 
Oronetz 6450’ — =» 570 51 “nn MA = € 
Puftoferst 67° 32’ 3" = = 52° 9457" = nu 12. 0. 
Sie find vermuthlih Herrin Komaldfy zu danken, der an dem britten 
Punkte magnetiiche Beobachtungen anſtellte. 


u u 4% 


Gumprecht. 


Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde 
am 14. April 1855. 

Diefelbe wurde flatutenmäßig zu Berathungen über innere DVerhältnifie 
der Gefellfchaft verwandt und dabei der Gefchäftsbericht über die Verwaltung 
ver Kaffe im Ießtverfloffenen Rechnungsjahre vorgetragen. Danach war ber 

- Beftand der Kaffe nach erfolgter Berti 
lung am 8. April 1854 ... . 7200 Thlr. — Ser. — Vi. 
E3 gingen ein im Jahre 1824 ...... 2131 = 5=- — ⸗ 
Die Summe der Einnahmen belief fich auf 9381 Ihlr. 5 Ser. — Pi. 
Die Ausgaben betrugen... 2.2... 1941 = 18»: 6 = 
Der Kafienbeftand ſchloß am 14. April 
1855 ab mit .. 2.222020. 7439 Thlr. 16 Sgr. 6 Pf. 


Walter. 


Sitzung der Berliner Gefellihaft für Erdkunde 
am 19. Mai 1855. 
Herr Dove legte die von ihm und Herrn Kiepert au&gearbeiteten beiven 
Karten der nörblichen Hemijphäre und der Norbpolarlänter vor und beglei- 
tete fie mit Bemerkungen, woraus ſich ergab, daß durch die bedeutende Ver⸗ 





Sigungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 95 


mehrung des bezüglichen Materials die Temperatur⸗Verhaltniſſe ver arktiſchen 
Regionen neuerlichſt viel fchärfer, als früher, Hätten feſtgeſtellt werben können. 
Diefe neuen Unterfuchungen lehren, daß die Bewegung ver Iſothermen in ver 
jährlichen Periode in Aften eine ganz andere ift, als in Amerika, und daß bie 
fältefte Stelle, welche im Juli vie Form eines Dreiecks annimmt, von Aſien nad 
Amerifa und wieder zurück wandert, wobei aber bie Geflalt der Sfothermen 
fich völlig verändert, endlich daß fich die Annahme zweier Kältepole ald irrig 
ermweift. Herr Dove legte ferner dad Werf: Notes on Meteorology of Ire- 
land by Humphrey Lloyd. Dublin 1854, vor und theilte daraus die That⸗ 
fache mit, daß in Irland die Meereßtemperatur im Mittel um 2° Bahrenheit 
höher ift, al8 vie Temperatur ver Luft an der Küfle. Die Urfache dieſer Er- 
fcheinung ſucht der VBerfaffer in ver Bemegung des Meeres, wie dies auch von 
den Seeleuten allgemein behauptet werde. Gin ähnliches Phänomen, fügt 
Hr. Dove hinzu, komme auch bei Kopenhagen vor, wo jedoch nach feinen Bes 
rechnungen bie Meereötemperatur nur um 4° im Mitiel höher fei, als bie 
der Luft. Bei der Borlegung feiner Abhandlung über vie klimatiſchen Ver⸗ 
bältniffe des preußifchen Staats macht noch der Vortragende darauf aufmerk⸗ 
fam, daß ver diesjährige Februar der kältefte Februar fei, ven man fe in Berlin 
beobachtet babe, und daß die Kälte ihren Weg von Welten genommen babe. Am 
1. Ian. ſtand dad Barometer in Oftpreußen 1” niebriger, ald am Rhein; und 
dies möge die Veranlafſung geweſen fein, daß fich Auftfiröme aus dem weft» 
lichen Europa gegen Oſten ergofien, ferner, daß dadurch wieber die Lufte 
maflen Amerifa’d gegen Europa hin in Bewegung Tamen und ben rauben 
Winter Nord» Amerita’d nach Europa verpflanzten. Eine Schrift von €. 
Defor: Les Cascades du Niagara. Neufchätel, veranlaßte envlich Herrn 
Dove, über das öfters behauptete Nückwärtöfchreiten ver Waflerfälle des Nia⸗ 
garaftromd zu fprechen; er theilt vie Anficht des Verfaſſers mit, daß die Fälle 
feit 2 Jahrhunderten fich faft gar nicht verändert hätten, indem bie von ihrem 
Entbeder, dem Pater Hennequin, im Jahre 1678 gelieferte Beichreibung noch 
ganz auf die heutigen Verhaͤltniſſe paſſe. Zuletzt legte Herr Dove eine 
Schrift über Ebbe und Fluth von Dr. G. Schröber, Manheim 1855, ſowie 
den Sahresbericht der Geſellſchaft für nüßliche Kenntniffe zu Trier vor und 
begleitete beide mit furzen Bemerfungen. — Herr Mitter las ein Schreiben 
des Seren I. ©. Kohl über feine Meife in Canada und in den Vereinigten 
Staaten vor (daffelbe findet fich bereitö Hier Bo. IV, ©. 498 — 504 mitges 
theilt), fowie Auszüge aus zwei Briefen des Herrn ©. E. Petermann über 
feine Reife in Perſten und feinen Aufenthalt bei ven Parſi in Jezd (ſ. Hier 
S. 76—88). — Herr Walter Hielt endlich einen Vortrag über die Baſtard⸗ 
verhältniffe ver in Amerika lebenden Menfchenrafien und wies barin nad, 
Daß wenn die Mulatten im Allgemeinen ein fchwächliches, zur Fortpflanzung 
wenig geeignetes Gefchlecht find, noch zwifchen ven aus ver Verbindung von 
Anglofachien und Negerinnen bervorgegangenen Kindern und ben birecten Ab⸗ 


⸗ 





96 Sigungsbericht der Berliner geographiſchen Gefellſchaft. 


fömmlingen von Romanen und Negerinnen ein auffallender Unterfchien flatt« 
finde, indem jene viel zahlreicher und Fräftiger feien, al& viele. Unterſuchun⸗ 
gen über die Ergebniffe von Verbindungen zwifchen Inbianerinnen und 
Anglofachfen, dann zwifchen Inbianerinnen und Romanen ergäben ähn⸗ 
liche Mefultate, Die Nachlommenfchaft von jenen in Norpamerifa fomme 
nämlich fehr fpärlich vor, während aus ver zweiten Art von Berbinbung 
in Mexico und Sübamerifa fi eine eigene ungemein zahlreiche Meftizen- 
klaſſe gebilvet Habe. — Herr Bumprecht las envlich einen Brief Barth's von 
Wurno und Kano vor (ed ift dies der im IV. Bde., ©. 411 — 413 bereits 
mitgetheilte). — Als Geſchenke für die Bibliothek der Geſellſchaft waren ein- 
gegangen: 1) Zeitichrift für allgemeine Erdkunde, herausgegeben von Dr. T. 
E. Gumprecht. Bd. IV, Heft 4; 2) Neuer Atlas über alle Theile der Erde, 
entworfen und bearbeitet von Dr. H. Kiepert. Lief. 1. Berlin 1855; 3) Karte 
der nörblichen Hemifphäre innerhalb des 70. Breitengrades, entworfen und 
bearbeitet von Dr. H. Kiepert, nebft Darftellung der Wärmeverbreitung von 
Dr. H. W. Dove; 4) Karte der Norvpolarländer, entworfen von Dr. &. 
Kiepert, nebft Darftelung ver Wärmeverbreitung von Dr. 5. W. Dove. 
Sämmtlich Geſchenke des Verleger, Herrn D. Reimer; 5) Ergänzungäheft 
zu dem Schulatlad von Theod. Freih. v. Kiechtenftern und Henry Lange. Ser 
tion 2. Geſchenk des Hrn. Dove; 6) Bulletin de la Societs de Geographie. 
Ser. IV. T. 8. Paris 1854, von der Parifer geograph. Gefellfchaft; 7) Dry 
Leaves from Young Egypt. By an Ex-Political. London 1849. 8., von 
Herrn 2. v. Orlih; 8) Mittheilungen über wichtige Erforfchungen auf vem 
Gefammtgebiete ver Geographie von Dr. A. Petermann. Gotha 1855. Heft I— 
IH, von dem Herren Verleger; 9) Karl Kreil, Reſultate aus den magnetifchen 
Beobachtungen zu Prag. Wien 1855. 4., von vem Hrn. Verf.; 10) Archiv für 
Zandesfunde im Königreich Preußen. Heft L Berlin 1855. 8., von ven Heraus: 
geber Hrn. Meyer; 11) €. v. Sydow, Orographifcher Atlas, 24 Bodenkarten 
enthaltend. Gotha 1855, von dem Hrn. Berf.; 12) Pacific Railroad Surveys. 
Washington 1854; 13) Report and charts of the Course of the U. St. 
Brig Dolphin by Lieut. S. P. Lee. Washington 1854. 8. Nebft 1 Karte: 
14) Report of the Secretary of the Interior, communicating a report 
from Mr. Bartlett on the subject of the boundary line between the United 
States and Mexico. 8.; 15) Second report on Meteorology by James 
P. Espy. qu. fol. Nr. 12 —15 find Geſchenke ver Smithsonian Institution 
zu Wafhington; 16) Abhandlung über einige Denkmäler des nörblichen Sp: 
riend von C. Ritter. Berlin 1855. 4., von dem Hrn. Verfafler; 17) Ueber 
pie Elimatifchen Verhältniffe des preußifchen Staats von H. W. Dove. Berlin 
1855. 8., von dem Hrn. DVerfaffer. Zur Anficht endlich war ausgeſtellt die 
Wanpfarte von Deutſchland von Freche, Schullehrer und Cantor zu Neurode. 








II 


Barth's Schieffale und Unterfuchungen im cen- 
tralen Nord-Afrifa. 


(Schluß.) 





An die früher mitgetheilten höchſt erfreulichen Nachrichten über 
das Wiedererfcheinen Barth's (Bd. IV, ©. 404 — 414) fchließen wir 
nun in einer geordneten Weberficht eine Reihe anderer an, welche den 
für die Kunde Central⸗Afrika's überaus wichtigen Zug des Reiſenden 
von Kufa nach Timbuftu betreffen. Diefelben wurden vorzüglich meh⸗ 
teren in dem 1. und A. Hefte von Herrn Petermann’s Zeitfehrift ver- 
öffentlichten Briefen Barth's an die Herren Bunfen, Beke und an 
den Herausgeber felbfl, dann den in dem neueften Bande der Schrif- 
tn der Londoner geographifchen Gefellfchaft (XXIV, 2833 — 285) ent 
haltenen Schreiben des Reiſenden entlehnt und ergänzen bie „Älteren 
bier gelieferten Berichte (II, 67 — 68, 313 — 363; III, 59-—-69, 223 
-226, 392 — 396, 517— 519) in der wünfchenswertheften Weiſe. 
Indefien find, um das Bekannte nicht zu wiederholen, in der folgenven 
Zufammenftellung alle diejenigen Nachrichten weggelaffen worven, bie 
fh in den bereits mitgetheilten Documenten vorfanden. 

Bon den dur Barth in den lebten zwei Jahren (feit dem No⸗ 
vember 1852) unterfuchten Gegenden Gentrals Afrifa’d war nur ein 
Theil, nämlich der große, zwiſchen Kuka und Sofoto gelegene Strich 
bei Gelegenheit der erſten britifchen Expevition und dann bei Clap⸗ 
perton's zweiten Befuche diefer Gegenden von Europäern betreten 
worden. Leider entbehrte Clapperton bei feinen Yorfchungen einer 
ſeht wefentlichen Hilfe, indem die ihm zur Begleitung mitgegebenen 

BZeitſchr. |. allg. Erdkunde. Dh. V. 7 


98 Bumpredt: 


Raturforfcher, Dr. Oudney bei der erften, Dr. Morrifon bei der zwei⸗ 
ten Reife fehr bald ein Opfer des afrifanifchen Klima’s wurden. Clap⸗ 
perton's frühzeltiger Tod zu Sofoto unterbrach diefe Forſchungen fogar 
ganz; aber troß Der mannigfachen Unglüdsfälle war die Kenntniß des 
angegebenen Theil der Nigerländer, welcher bei ven Eingeborenen unter 
dem Namen Haufla, bei den Bornuern unter dem Namen Afnu, bei 
den Arabern unter dem Namen Sudän !) befannt ift, bis zu Barth's 
Eintritt in denfelben fo weit vorgefchritten, daß derſelbe mit Bornu 
zu den befannteften Regionen Central⸗Afrika's gerechnet werden Fonnte. 
Einen großen Gewinn erlangte die pofitive Geographie des Continents 
aber befonderd dadurch, daß Clapperton es nicht unterlaffen Hatte, die 
Lage der wichtigften, auf feinen beiden Reifen befuchten Orte aftrono: 
mifch feftzuftellen. Biel weniger befannt waren dagegen die nächften weft 
lich von dem durch Glapperton Durchzogenen Gebiet gelegenen Theile Een- 
tral⸗Afrika's, da in diefelben weder vor dieſem Reifenden, noch nach⸗ 
her, je ein europäifcher Fuß eingedrungen war. Wir müflen nämlich 
von Mungo Park abfehen, der nur die Flußfahrt von Sanfading bie 
Boufja den Niger abwärts unternommen hatte, ſowie von Hornemann, 
über deſſen Reife bis Nyffi, wo er feinen Tod gefunden zu haben 
fcheint, wir aller Rachrichten entbehren. Selbſt Berichte von Einge 
borenen fehlten über die an beiden Seiten des mittleren Niger zwifchen 
Timbuftu und Boufja gelegenen Landfchaften gar fehr, indem wir dar- 
über nur einige Stinerare befaßen, von denen das erfte der im Jahre 
1820 zu früh am Senegal verftorbene franzöfifche Orientaliſt Rouzée 
aus dem Munde eines Bellanpilgers, des Hadſch Befchir, aufgezeichnet 
hatte (Nouv. annales des voyages 1827. VIII, 202 — 204), dann 
ein zweites durch Fresnel mitgetheiltes (Bull. de la Soc. de Geogr. 
3= Ser. XIV, 154 — 156), ferner ein drittes, in biefer Zeitfchrift 
(III, 52) enthaltenes, endlich ein viertes, öfters erwähntes (II, 359, 
360), das des Scheifh Ahmedu, unzweifelhaft das befte, hierher gehören. 
Wären aber auch dergleichen Stinerare in größerer Zahl vorhanden 
und enthielten fie mehr als trodene Namen, fo vermörhten fie doch nicht 
einen einzigen, von einem Europäer aus eigener Anfchauung verfaßten 


’) Es if dies der enger begrenzte Begriff von Sudan, zu dem die afrifantfchen 
Araber weber Timbuftu, noch Bornu umb noch weniger die welih von Timbuitn 
oder Rlich von Bornu gelegenen Ranbfehaften zn reinen pflegen. 





Barth’ Schidfale und Unterfuchungen im centralen Norb-Afrifa. 99 


Bericht zu erfehen, da Zuverläffigkeit, Unbefangenheit und Eindringlich⸗ 
keit im Beobachten nur Reifenden von europäifcher Race und Bildung 
verliehene Gaben zu fein fcheinen. So ift alfo Barth's Reife von 
Sokoto nad Timbuktu ein überaus wichtiges Moment für die Erwei⸗ 
terung unferer Kunde des centralen Afrika, welche um fo mehr Werth 
dadurch erhält, daß fich ihre Ergebnifie im Often unmittelbar an die durch 
@lapperton in Haufia, im Weften an die durch Caillis und M. Park, 
enblich im Süben an die Durch Elapperton, Laird gemeinfchaftlich mit 
Olfield und die Gebruͤder Lander gewonnenen Nefultate anfchließen. Da 
unfer Reifender eine Reihe von Längen- und Breitenangaben für die Lage 
der von ihm befuchten Orte geliefert hat, fo wirb auch bie zwifchen Samt 
am oberen Niger, wo M. Park feine legte aftronomifche Beobachtung 
machte, und Sofoto nebft Boufia, beides Orte, deren Lage Elapperton 
feftftellte, gebliebene Lüde zur Entwerfung einer Karte von EentralsAfrifa 
auf feften Pofttionen in der Danfenswertheften Weiſe ausgefüllt '). 

Ende November des Jahres 1852 war Barth mit feinen Vorbe⸗ 
reitungen zur Reife nah Timbultu fertig, nachdem er die lebte ihm 
gebliebene Zeit mit der ihm eigenen löblichen Vorforge benupt Hatte, 
um feine Papiere und Tagebücher zu vervollſtaͤndigen, zu orbnen 
und möglihft in Sicherheit zu bringen, fall8 er auf der bevorftchen- 
den Reife dem Tode nicht entgehen follte. In einem kurz vor feinem 
Berlafien Kuka's am 20. November 1852 gefchriebenen und von Herrn 
PBetermann veröffentlichten Briefe berichtet er, wie er fich damals in 
befter Gefundheit befunden und von dem Scheifh von Bornu in ber 
freundlichfien Weife Abfchied genommen habe, bei welcher Gelegenheit 
er fich noch bemühte, defien Mißtrauen in Bezug auf den von ihm be- 
abfichtigten Befuch der Yellanftaaten zu befeitigen, was ihm auch ge 
(ungen zu fein fehien, da der Scheifh ihm zum Abſchiede zwei fchöne 
Kameele für feine Reife fandte. Wenn er aber damals dem Scheifh 
die Ausficht eröffnete, daß kinnen Yahresfrift ein englifcher Conſul 
nad Kuka kommen und hier feinen Aufenthalt dauernd nehmen würde, 
fo war dies, wie der Verfolg zeigte, eine ſehr verfrühte, obwohl 
England allerdings früher furze Zeit hindurch in Bornu einen Conſul 

1) Ob Barth felbft aftronomifche Beobachtungen anftellte, was Herr Petermann 
zu bezweifeln fcheint (Mittheilungen I, 13), darüber f. den Schluß dieſes Auffapes 
(6. 123). . 

7 


100 Oumpredt: 


in der Berfon des Mr. Tyrrwhit gehabt Hatte. Die neueren Bornu- 
herrfcher waren nämlich einfichtsnoll genug, den Einfluß der europät- 
fen Givilifation und den Werth directer Handelöverbindungen ihres 
Landes mit Europa gebührend zu würbigen, da fie feit etwa 35 Jah: 
ren in fleter Verbindung mit Murzuf und Tripolis ftehen unb von 
hier aus mannigfache europäifche Gegenflände für ihren Bedarf bes 
ziehen. So war ed fchon ein Dreingender Wunſch des zu Den 
ham's Zeit In Kuka refivirenden Scheilhs von Bornu gewefen, einen 
Engländer als Conſul bei fich zu befigen, damit derfelbe die etwa 
anfommenden Kaufleute feiner Nation in Empfang nehmen fönnte. 
Tyrrwhit, der Denham's Erpebition nachgereift war und fi ihr zu 
legt noch angefchlofien Hatte, ließ fich bereit finden, nach Denham's 
Abgange zu Kufa zu verbleiben, fiel aber bereitd wenige Monate bar 
auf dem Klima zum Opfer (Denham I, 275, 334; I, 151). Faſt 
unmittelbar nach Overweg's Tode hatte Barth am 7. October 1852 
zu diefem Zwed ein Geſuch an Herrn Bunfen gerichtet (Zeitfchrift I, 
205, 207), worauf er demfelben die Angelegenheit zum zweiten Male 
am 12. October deſſelben Jahres dringend zur Unterſtuͤtzung empfahl, 
Indem er mit Recht dabei fagte: „Laffen Sie das Angefangene 
nicht fruchtlos zu Grunde gehen, das, wenn es mit Ener- 
gie und Durdbringung einiger Opfer verfolgt wird, 
große Früchte für Aufbellung diefes Welttheils in jeber 
Beziehung gewähren fann.“ 

In feinem Schreiben vom 12. October berichtete noch Barth, daß 
er fünf größere Wörterbücher (mohl Vocabulare! &.) vollendet, dieſel⸗ 
ben aber zurüd behalten Habe, um, wo möglich, eine Einleitung dazu 
zu fehreiben, dann, daß er mit verfelben Gelegenheit die durch Over— 
weg bei feiner legten Ercurfion nach Gubfcheba (Gujeba) gefammelten, 
aber von ihm nicht abgefandten Steine ſchicke (es find dies biefelben, 
welche unfer Reifender in feinem unmittelbar nach Overweg's Tode ge 
fchriebenen Briefe erwähnte (Zeitjchrift I, 207), von deren Ankunft in 
Europa wir noch immer nichts wiffen), endlich, daß durch den Scheifh 
von Bornu und feinen Bezier Ihm verfprochen worben fei, eine Copie 
des Buches des Edris Alasma nach England zu übermacdhen. Es 
fei dies ein Werk, fügt er hinzu, das feinem Namen nach von einem 
der größten Beherrfcher Bornu’s herrühre und, wie er hoffe, ein ganz 





Barth's Schickſale und Unterfuchungen im centralen Nord» Afrika. 101 


neues Licht über die Geichichte und Geographie von Central⸗Afrika vers 
breiten werbe '). Ob die Zufage erfüllt wurde, ift ung unbekannt, jeden⸗ 
falls iſt e8 von Intereffe, in der Angabe eine Beftätigung zu erhalten, 
daß eine literarische Thätigkeit bei der muhamevanifchen Bevölkerung 
Central⸗Afrika's nie ganz gefehlt hat. Aus neuerer Zeit gaben hier- 
über ſchon das hiſtoriſch⸗geographiſche Werk des Sultan Bello über 
das Neih Takrur, wovon des Verfaſſers Secretair einen durch Elap- 
perton nach Europa gebrachten und fpäterhin veröffentlichten Auszug 
machte (Denham II, 158 — 170), dann die dur Barth zu Wurno 
gefundenen intereffanten Bücher, aus denen derſelbe viel zur Gefchichte 
des Landes lernte (Zeitfchrift IL, 61, 224), Zeugniß; aus älterer Zeit 
gehört zu folchen Titerarifchen Documenten Gentral-Afrifa’8 das ausführs 
liche Werk des Sidi Ahmed Baba, eines in der Saharaoafe Arowan 
Arauän, Geogr. von Afrifa 255) geborenen hiſtoriſchen Schriftftellers, 
über die Gefchichte Timbuktu's, wovon der franzöfifche Generals Eonful 
Baron Rouffeau zuerft Kenntniß erhielt und Rachricht mitteilte (Bull. 
de la Soc. de Geogr. 1” Ser. VI, 157, 158; IX, 152, 153). 
Diefer Berichterftatter erfuhr, daß das Werk, worauf wir früher 
bereit Bezug nahmen (Bd. II, 343), fih in mehreren Eremplaren 
im Sudan finde, und er hoffte, eines derſelben fich zu verfchaffen. 
Ueber den Erfolg feiner Bemühungen wurde nichts befannt, dage⸗ 
gen lernte Barth Sivi Ahmed Baba's Werk während feines Aufents 
halts zu Timbuktu kennen, und er entlehnte daraus eine chronologifche 
Tabelle, die er an Herm Bunfen fandte, durch defien Güte Herr Bes 
termann im Stande war, fie in dem neueften A. Hefte feiner Mitthei⸗ 
lungen zu veröffentlichen (S. 97 — 98). Bedeutende Excerpte aus 
demfelben Werke beabfichtigte endlich Barth, der von Rouffeau’d Er⸗ 
wähnung feine Kunde gehabt und eine neue literarifche Entdeckung 
gemacht zu haben fiheint, von Timbuftu aus nach Europa zu befürs 
dern. Dur ihm erfahren wir zuerfi auch den Titel: Tarikh el 
Sudan d.h. Geſchichte des Sudan, dieſer, wie er fagt, wichtis 
gen Arbeit. 


2) In der Reihe der Bornuherricher von 1512 — 1677, über bie vor einigen 
Jahren eine von einem franzöflfchen Schaven zu Tripolis verfaßte, Notiz veröffentlicht 
worben {fl (Bull. de la Soc. de G£ogr. 1849. XI, 252 — 259), fommt ber Name 
des Edris Alaoma nicht vor. 


102 Gumprecht: 


Ungefähr am 25. November 1852 (das beſtimmte Datum ergiebt 
fih nicht aus den nach Europa gelangten Briefen) verließ Barth 
Kuka, um fi) nach dem Welten zu begeben, indem er zunaͤchſt das 
wohlbefannte, 70 geogr. Meilen weftnorbweftlih von Kufa entfernte 
und fchon öfterd erwähnte Zinder befuchen wollte. Hier langte er glüd- 
lich an und verweilte wenigftens einen ganzen Monat. Denn ſchon 
früher Hatten wir einen durch Ihn dort am 1. Januar 1853 gefchries 
benen Brief mitgetheilt (II, 67), ein zweiter, jeßt durch Herrn Peter⸗ 
mann veröffentlichter wurde am 29. deffelben Monats dafelbft von un⸗ 
ferem Reiſenden gefchrieben. Am 20. Januar hatte Barth zu Zinder 
die Freude, eine große Hilfe zur Förderung feiner Forſchungen im We⸗ 
ften in 1000 Dollars zu erhalten, die einen Theil der ihm von der 
englifchen Regierung bewilligten Unterflügung ausmachten. ‘Diefelbe 
fam ihm um fo gelegener, als feine eigenen Mittel bei der Abreife 
von Kufa fich bis auf 200 Dollars verringert hatten, und er großer. 
Maarenvorräthe zu Gefchenfen für die einheimifchen Fürften und ihre 
Diener behufs Erwerbung der Möglichkeit und Sicherheit feiner Wei⸗ 
terreife bedurfte. Andere 400 Dollars nebſt einer Kifte mit fchönen 
und nüglichen, durch die englifche Regierung gefandten Stahlwaaren 
famen zu fpät in Zinder an, als er den Ort bereit verlaflen hatte. 
Beides blieb zwecklos dafelbft liegen, indem der Reifende auch nicht von 
Kätfena aus im Stande war, dieſe Gegenftände, die fpäter dem Uſur⸗ 
pator von Bornu in die Hände ftelen und ihm felbft ganz verloren 
gingen, an fich zu ziehen. 

Von Zinder beabfichtigte Barth, fich zunächft nach Kätjena zu 
wenden, um fobann Sofoto zu erreichen. Einen Theil diefes Planes 
änderte er anfänglich, weil man ihm die Unficherheit der Umgebungen 
Kaͤtſena's zu groß vorftellte, weshalb er fich entfchloß, gerade nad 
Kano, der größten Hanbelsftabt diefes Theils von Eentral- Afrika ober, 
wie fle Richardfon nicht unpaffend genannt hatte (A mission II, 309), 
dem London des Sudan zu gehen. Aber auch auf den Wege ftell- 
ten fih ihm Hinderniffe durch Räuber entgegen, die heidniſche Marias 
di's geiwefen fein mögen, indem Richardſon früher ſchon gehört Hatte Ca. 
a. O. II, 351), daß diefe den Weg für Reifende gefährden. Er fam 
deshalb auf feinen früheren Plan zurüf. Seit der Regierung des 
fhlaffen Sultan Aliyu find nämlich die Handelsftraßen im Yellanreiche 





Barth's Schickſale und Unterfuchungen im centralen Nord» Afrita. 103 


von Sofoto durch Räuber beunruhigt, während dieſelben früher zur Zeit 
von Aliyu's unmittelbarem und Fräftigem Vorgänger Atiktu fehr ficher 
geweien fein follen (Zeitfchrift II, 61). Bon Kätfena theilt Herr 
Petermann ein Schreiben Barth's vom 6. März an Herrn YBunfen 
mit, muthmaßlich daſſelbe, wovon früher hier die Rebe war (Zeit 
ſchrift IT, 59). Seinen dortigen Aufenthalt bis zum 21. März 
benußte der Reifende theils zu wifienfchaftlichen Borfchungen über das 
gegenwärtig in Hauffa regierende Bolf der Yellans, theild zum Ans 
kaufe einer bedeutenden Mafle von Manufakturwaaren, womit ver Markt 
von Kätfena ſtets reich verforgt if. Dadurch erfchöpfte er wieder feine 
Kaffe bis auf 350 Peſo's (Dollars) und 100 türfifche Machuben, 
legte eine für ihn werthlofe Münze, die feinen Cours im Suban 
bat und ihm merhvürdiger Weiſe aus Tripofi oder Murzuf, wo man 
doch die Geldverhältniffe des Sudan genau fennen muß, zugefandt 
worden war (unter den Machuben find wahrfcheinlich die Zermahbuͤb 
oder türfifchen und aͤgyptiſchen Goldzechinen zu verftehen, welche etwa 
14 Thle. Pr. C. in Golde gelten). Die eingehandelten Manufakturwaaren, 
wovon Barth ein Verzeichniß mittheilt, beftanden größtentheild in Klei⸗ 
dungsftoffen (Turkedis und Toben), Die in ber großen, am unteren Niger 
gelegenen und hier öfters genannten Landfchaft Nyffi (Nyfe), forwie zu 
Kano verfertigt werben, und in Geflchtöbinden. Denn Nyffi's Bewohner 
gehören zu den induftriöfeften Völferfchaften Nord⸗Afrika's und zeichnen 
fih vorzüglich im Spinnen von Baumwolle und Weben von Kleidungs⸗ 
floffen aus (Clapperton bei Denham II, 54, 113; Schön in den Bas 
ſeler Miffionsberichten 1845, ©. 71, 78; R. and J. Lander, Jour- 
nal II, 316), ja deren Zeuge flehen in dem Rufe, die beiten im Rigers 
lande zu fein, fo daß fie Gegenftand eines fehr bedeutenden Handels⸗ 
verkehrs in Central⸗Afrika find und daß Kaufleute von allen Seiten, 
von Kotonkora, Your, Kano, Sokoto, Bornu zu ihrem Einfaufe her 
beiftrömen. Bon bdiefen Zeugen werden beſonders die zu Zagofchie 
gefertigten ihrer außerorbentlichen Künftlichkeit wegen gefchägt, indem 
diefelben europälfchen Babrifen felbft feine Schande machen würden. 
Die Fabrikation hat zu Zagofchie eine folche Ausdehnung erlangt, daß 
Oldfield diefen von ihm befuchten Ort das Mandhefter Eentrals 
Afrita’s zu nennen nicht Anftand nahm (Laird and Oldfield, 
Narrative of an expedition into the interior of Africa by the 


104 Bumpredt: 


River Niger. 2 Vol. 8. London 1837. II, 63, 109). Die Stadt Kano 
ift Dagegen in dieſen Theilen Eentral-Afrita’8 berühmt durch die fehr 
gute blaue Färbung, welche ihre Bewohner den Kleidungsftoffen zu geben 
wiſſen, und befigt zu dem Zwecke große Faͤrbereien. Im Jahre 1827 
foftete nach Glapperton hier eine Tobe 5000, eine Turfevi 3000, das 
Farben einer Tobe vom dunfelften Blau aber 3000 Kauris (d. h. 2 
bis 24 Thlr. Br. E&)'). Für das Glänzgendmachen einer Tobe, was 
nur mittelft mechanischer Mittel durch eigene Werkleute gefchieht, zahlte 
man damals 700 Kauris (Denham I, 61), Preife, die von den auf 
dem Markt von Kätfena von Bart angetroffenen wenig abweichen 
werden und zur Berechnung ber von ihm verwendeten großen Summe 
dienen fönnen. 

Ueber das Betragen feiner Leute füllte der Reiſende noch von 
Kätfena aus das günftigfte Urtheil, da fie ihm mit der mufterhaftes 
ften Treue anhingen. Leider verlor er einen jüngft erſt in Dienft ge 
nommenen maroffanifchen Scherif aus Mefnas (Mequinez) der ihn als 
Führer nach Timbuftu dienen follte, aber hier an der Dyfienterie farb, 
ein neuer Beweis, wie wenig felbft Eingeborene der Küftenländer Nord⸗ 
Afrifa’s von arabifcher Rationalität dem Klima der Rigerländer wider- 
Mi fehen. Dies darf freilich nicht verwundern, da Barth's Aufenthalt 
zu Katſena bereits in den Beginn der Regenzeit fiel. Dagegen ſchloß 
Barth hier mit feinem bisherigen Begleiter, dem Mejebriffaufmann 
(sic! G.) Ali Laggeren, welcher lange Jahre hindurch nach Sofoto und 
Gonja, letztes das Land der Sourounüfle, gereift war, feite Bebin- 
gungen, die fih auf Die ganze Reife nach und von Timbuktu zu bes 
jiehen Hatten. Der Lohn der Begleiter und Diener follte mit Aus: 
nahme des mit All Laggeren verabreveten nach der ehvaigen glücklichen 
Rückkehr nach Zinder gezahlt werden. Es ift aber Alt Laggeren oder Ali 
Lagran berfelbe Begleiter Barth’, von dem früher berichtet war, baß er 
zwei feiner Gefährten von Kano nach Kuka gefandt habe, um bier den 
angeblich zu Mariadi erfolgten Tod Barth's zu melden (IV, 84). 

Die Nachrichten über Barth's Weiterreife von Kätfena, das er 
wegen eined unerwarteten feindlichen Einfalls der Bewohner Guber's 


+) Barth nennt hier (Petermann 1, 8) die Rauri Kurdi, was nah Miffiener 
Schön der in Hauffa übliche Name if. Carette fagte deshalb ſchon (IT, 206), die 
Neger nennten bie Kanri's Kourdi naouga, was woͤrtlich Landesmünze bedente. 





Barth's Schielfale und Unterfuchungen im centralen Nord -Afrita. 105 


erſt am 21. März verlafien konnte, nach Wurno waren bisher ziemlich 
dürftig (Zeitfchr. IT, 59 — 61, 227) und befchränkten fich wefentlich auf 
die Mittheilungen unferes Reifenden über Wurno ſelbſt. Sie erhalten 
auch jegt durch die von Heren A. Petermann mitgetheilten beiden Schreis 
ben an die Herren Beke und Bunfen aus Wurno vom A. April und 
Zind vom A. Mai einen wefentlichen Zuwachs, indem deren Inhalt 
durch Herrn Petermann's darauf gegründeten ausführlichen Bericht 
vom 3. Januar 1854 bereitö befannt war. Dagegen find die drei von 
Barth entworfenen und im 1. Hefte von Herm Petermann's Zeitfchrift 
mitgetheilten fartographifchen Skizzen: 1) der Landſchaften Kebbi und 
Zanfära, 2) des Lanbflrichs zwiſchen Sofoto und Wurno, 3) des 
Rigerlaufes zwiſchen Saraljamo und Kabra (die legte Skizze wurde 
fon in Barth's Schreiben aus Timbultu vom 14. December 1853 
(Zeitſchrift IT, 394) erwähnt; ein anderes Kartenblatt, welches Barth 
hier auch als in der Ausführung begriffen erwähnt, fcheint nicht 
nach Europa gekommen zu fein), wie ich früher bemerkte (Zeitſchrift 
IV, 333), ungemein dantenswerthe Gaben zur Orientirung in biefen 
Gegenden, deren Kenntniß dadurch ganz umgeftaltet wird, indem wir 
über Das weftlihe Hauͤſſa bis jeßt einzig die beiden fehr bürftigen 
Kartenfkiggen in den Werfen über Denham’s und Clapperton's gemein, _ 
ſchaftliche Reife, dann über Clapperton's zweite Reife befaßen. Die zwi⸗ 
ſchen Hauͤſſa und dem mittleren Laufe des Nigers gelegenen Landfchaften, 
forwie der Lauf dieſes Stromes finden fich Hier zuerft theilweiſe nach Aus 
topfie europäifcher Augen dargeftellt, eine Menge bisher ganz unbekann⸗ 
ter Namen von Orten und Landfchaften erfcheinen gleichfalls zum erften 
Male, und namentlich erhält die Kenntmiß der hydrographiſchen Ber 
hältniffe in dem zwar fchon durch Elapperton in verfchiedenen Richtungen 
durchzogenen Hatıffa die wefentlichften DBeränderungen und Vermeh—⸗ 
rungen. So finden wir auf Barth’8 Karten zum erften Male im Nord» 
Nordweſten des großen und fchönen, zwifchen Sofoto und dem Niger 
gelegenen Kebbi ( Zeitfchrift III, 62, 65, 225) die bisher nur durch 
Dupuys befannt gewefene fruchtbare und weidenreiche Landſchaft Za⸗ 
berma (Janberma in Dupuys, Journal of a residence in Ashantee. 
London 1824. App. CI, CIII) richtig verzeichnet; fo erſcheint über, 
haupt zum erften Male auf einer Karte die von civilificteren und bes 
triebfamen Tuarifs zu beiden Seiten des Niger bewohnte Landfchaft Den⸗ 


106 Oumpredt: 


bina (oder Dindina Zeitfchrift IT, 62) ) und endlich fehen wir im 
Süden Kebbi's nunmehr die Landfchaft Gando *) beftimmt niedergelegt, 
da diefe mit dem durch Blapperton und Zander bekannt gewordenen 
Lande Jauri (Youri Zeitfchr. III, 68) im Süden zufammengrenzen fol. 
Nicht minder treffen wir bier zum erfien Male den ganz unbefannt 
geivefenen Ort Kaurin Namoda als Haupifladt der Landfchaft Zanfära, 
während noch Blapperton den feit langer Zeit befannten und neuerlichft 
wieder durch Bart befuchten Ort Zurmie (Zyrmi ober Zulamie) als 
Hauptort Zanfära’s kennen gelernt Hatte (Denham II, 70, 74, 117. 
Indeſſen ift Kaurin Namoda wahrfcheinlih nur berfelbe Ort, den 
Elapperton ohne Namen ald neue Hauptflabt von Zanfära erwähnte 
(Denham II, 107). Hier finden wir endlich den Niger außer mit dem 
Kamen Iſſa, der ihm von dem Son’rayvolf und der alten eingebos 
renen Bevölkerung Timbuktu's gegeben wird (Zeitfchr. III, 62, 68), zum 
erfien Male mit dem Namen Majo belegt. Der lebte iſt jedoch fein 
fo unbefannter Name, indem wir benfelben bereitd im Beginn dieſes 
Jahrhunderts in einer bisher ganz unberüdfichtigt gebliebenen Mitthei⸗ 
lung Seetzens, welche diefer Reiſende im Jahre 1808 zu Cairo von 
einem aus dem centralsafrifanifchen Lande Adar °) gebürtigen Fellan⸗ 
ftudenten über feine Heimath einzog, als den eines ſehr großen 
Fluſſes kennen lernten, doch ift es faft gewiß, daß der Majo des Fel⸗ 
lan nicht der Niger, fondern ein amberer größerer centralsafrifanis 
fer Strom, wahrjcheinlich der Hauptfluß von Hauͤſſa, welcher weis 
terhin noch gefchifdert werden fol, if. Dies ergiebt ſich daraus, daß 
in Seetzens Bericht gefagt wird, der Majo liege 30 bis 40 Tagereis 
fen [üblich von Adar (v. Zach, Monatl. Eorrefpondenz 1810. XXIV, 
233). Sehen wir nämlich auf Barth's Karte von Kebbi und Zanfära, 


1) Diefe beiriebfamen Tuariks nennt Barth Dendi (Petermann I, 14); es find 
bies die nämlichen Tuariks, in Bezug auf welche früher fchon bemerkt war (II, 68), 
bag man das fo weit fübliche Vorbringen des großen Tuarikvolks bisher nicht ge⸗ 
kannt habe. 

3) Das Ericheinen einer eigenen Landfchaft Gando darf nach dem früher Mit: 
geteilten (III, 65, 225) nicht auffallen, wohl aber if es auffallend, daß nach Barthe 
Kaärtchen von Kebbi und Zanfära die gleichbenanute Stadt gar nicht zu der Landfehaft 
Gaudo gehört, fondern vie Hanptſtadt von Kebbi ift, was wohl durch politifche Ber: 
änderungen, die hier fehr häufig vorfommen, zu erflären fein mag. 

3) Dies Adar iſt nicht mit der Landſchaft Adir oder Tanfala zu verwechfeln, 
welche Glapperton in der Nähe Sokoto's werfüdmweftlich davon kennen lernte. 


Barth's Schickſale und Unterfuchungen im centralen Nord⸗Afrika. 107 


daß die Landfchaft Adar genau nörblich von dem Hadffafluffe angegeben, 
und noch durch ein großes Land, durch Guber, von dem Hauffafluffe ges 
trennt ift, fo paßt Lage und Entfernung des letzten viel beffer auf den 
Seegen’ihen Majo, als auf den Niger, der nur weftlich oder höch⸗ 
tens ſuͤdweſtlich von Adar feinen Lauf nimmt. Daß ferner der Fellan- 
ftudent feinen Majo durch Guber und Kano fließen Iäßt, ift eine weitere 
Beftätigung der hier ausgefprochenen Anficht, da der Hauffaftrom dieſe 
zu Haüfla gehörenden Landfchaften wirklich durchfteömt, während dass 
felbe mit dem Niger bekanntlich nicht im entfernteften der Fall IR. 
Daß aber Barth den Niger Majo nennt, darf gar nicht irre führen, 
indem Majo ein Wort der Hiefigen Landessprache von allgemeiner 
Bedeutung iſt und gleichmäßig zur Bezeichnung des Niger, wie des . 
Haüſſaſtromes dienen Tann. Dies folgt fehr befimmt aus zwei Anga- 
ben bed Fellanfludenten, der einen, daß Majo (nad) Seetzens Verdol⸗ 
metfchung) fo viel, als Meer heißt, dann einer anderen, daß bie Ein- 
geborenen den Majo noch Gulbi nennen. Seetzens Verbolmetfchung 
ift jedoch unzweifelhaft theilweife irrig, weil an ein Meer hier nicht 
im entfernteften zu denfen iſt. Der Fellan wird fich zur Erklärung 
von Majo des arabifchen Wortes Bahar bevient haben, welches frei« 
lich Meer, zugleich aber jedes größere Waſſer, mithin auch jeden grös 
Beren See und jeden anfehnlihen Fluß bebeutet, wie denn bie Aras 
ber den weißen Nil Bahar el ablad befanntlich zu nennen pflegen 
(Ritter’d Erdkunde, Aftifa. 2. Ausg. ©. 521) 1. Genau daſſelbe gilt 
von dem Namen Gulbi, wonit zwar auch der Ril bezeichnet wird, zus 
gleich aber jedes Waffer bezeichnet werben kann. So fagte Lyon jchon 
vor 35 Jahren nach feinen Erfundigungen in Fezzan mit fehr beftimms 
ten Worten: The river called Goulbi or Nile (d. 5. der Ril der 
Neger, Zeitfehrift II, 347, oder Niger); the former is Soudan term 
(nämlich ein Hahflawort f. hier ©. 98) for all waters and by 
no means applicable to the Niger alone (Lyon, Narra- 
tive of travels in Northern Africa. London 1821. 8. 145). Webers 
einftimmend damit Außerte ſich der Amerikaner Hodgfon nur wenige 
Jahre fpäter nach feinen in Algier eingezgogenen Nachrichten, daß Golbi 
der Nigername in Hauſſa fei, und auch er fagt, daß dieſes Wort fo 


3) Der bekannte Meifende Brown fprach in der Hinficht ſchon ausdrücklich aus: 
Bahr is applied to a great lake, as well as to a river (Travels p. XX). 


108 Gumprecht: 


viel, wie Bahar, sea a bedeute (Notes on Northern Africa. New York 
1844. App.), eine Betätigung ber aufgeftellten Deutung des Namens 
Majo in dem Berichte des Fellanſtudenten. Den Namen Gulbi für 
den Niger lernten wir übrigens fchon im vorigen Jahrhundert Eennen, 
indem ver berühmte Reiſende Niebuhr von einem im Jahre 1772 zu 
Kopenhagen anweſend gewefenen tripolitanifchen Gefandten Abb er rha⸗ 
man oder eigentlich von defien aus Hauffa gebürtigem Diener den Niger 
fo nennen hörte (Neues deutfches Mufeum 1790, IL). Später Fam 
berfelbe in den von Lyon's Reifegefährten Ritchie in Fezzan gefam- 
melten Nadjrichten über GentralsAfrifa wirklich al6 Name des Hauffa- 
ſtromes vor. Einer von Ritchie's Berichterflattern, der Hadſch Hamet, 
erzählte nämlich demfelben, daß ein Strom aus dem See von Ryffi 
komme, das Land Kafchna durchfließe, hier den Namen Gulbi erhalte, 
dann durch Gano (Kano), Bornu und Känem gehe und enblich in 
Bagermi eintrete, wo fich jede Spur von ihm verliere (Quarterly Re- 
view 1820. XXIU, 234). Freilich iſt in diefer Notiz Wahres mit 
Falſchem reichlich gemengt, indem der Hadſch den nach Weften gehen: 
den Hatffaflrom mit dem entgegengefeßt nach Often fließenden Yẽu ver: 
bunden hat, ein Mißgriff, welcher befanntlich oft bei afrifanifchen Bericht: 
erftattern in Bezug auf Fluͤſſe vorfommt, deren Quellgebiete nahe liegen, 
wie e8 bei dem Hauͤſſaſtrom und Deu wirklich der Fall ift (Clapper- 
ton, Journal 168) und der zu vielen Berwirrungen in der Geographie 
Central⸗Afrika's Beranlaffung gegeben hat. Endlich beftätigt noch 
Barth's Karte von Kebbi und Zanfara das über die allgemeine Bedeu⸗ 
tung des Wortes Gulbi Gefagte, da fie, wie weiterhin fpeciell ange: 
geben werden wird, zu vielen Blußnamen in Haufla ausdruͤcklich Gulbi 
oder Gulbin ſetzt (S. 110). Berüdfichtigen wir zuletzt den erſt Durch 
Glapperton in Europa befannt gewordenen Namen Quorra bed mitt- 
leren und unteren Riger, fo ergeben die neueren linguiftifchen For⸗ 
ſchungen ein ähnliches Refultat, nämlich daß auch dieſes wahrfcheinlich der 
Hauͤſſaſprache entlehnte Wort eine allgemeine Bedeutung hat und faſt 
Gleiches mit Majo und Gulbi bezeichnet. So hörte Hodgfon (a. a. D. 
S. 110), daß Korama im Haufla Fluß heiße, und der deutſche Mif- 
fionar Schön beftätigte Died in feinem Werke über diefe Sprache, wo ed 
unter Anderem heißt (Vocabulary of the Haüssa language. London 
1843, s. voc. river): River s. Koramma pl. Korammu. Might not 


Barth's Schickſale und Unterfuchungen im cemtralen Nord⸗Afrika. 109 


Quorra be a corruption of this word? Daß aber dieſes Quorra⸗ 
Wort in den Nigergegenden eine große Verbreitung erhalten hat und 
@lapperton befannter, als die übrigen hiefigen Namen des Niger, bie 
er nicht gefannt zu haben fcheint, geworben ift, darf nicht wundern, 
da das Hahffa eine fehr reiche, ausgebildete und wohlflingende Sprache 
ift, welche eben dieſer Vorzüge wegen in den Nigergegenden weit über 
ihre urfprünglicde Heimath, hinaus Eingang gefunden hat"). 

Durch Barth's Karten erhält beſonders die Kenntniß der hydro⸗ 
grapbifchen Verhältniffe in den Gegenden zwifchen Kätfena und Tim 
buftu mannigfache Veränderungen, indem hier zum erften Male viele neue 
Kamen von Flüffen und der Lauf derfelben erfcheinen. Eine Zufammen- 
ſtellung der neuen Refultate mit den älteren wird dies anfchaulich machen. 

Nah Barths Erkundigungen entfleht der Strom von Haufja füb- 
fübsftlich von Kätfena in etwa 10° 20’; er nimmt dann feinen Lauf 
zuvörbderft nach Nordweſten, indem er in einiger Entfernung weftlich 
von Kätfena vorbeifließt. Yngefähr unter dem 10° 20’ nörbl. Br. ver⸗ 
einigt fi) mit ihm ein anderer von Rorboften fommender Fluß, deſſen 
Namen unfer Reifender aber nicht anführt. Bon da an ändert der 
Strom feine Richtung in eine weftlidhe um, mit welcher er durch die 
Landſchaft Ouber geht und deren Hauptort Kalaua (Kalawawa bei 
Denham II, 79, 114) berührt. Weſtwaͤrts Kalaua bei Guangäfo nimmt 
er noch einen zweiten anfehnlicheren, von Sübfüdoften kommenden Fluß 
auf, der Zanfära durchzieht, Kaurin Ramoda berührt und feinerfeits 
unfern von Sanfanneh Ayfa (Zeitfchrift IN, 59, 224) fih durch ein 
von Süpfünoften kommendes und nach der von ihm befpülten Stadt 
Zirmie Zirmiefluß bei Clapperton (Journal 180) genanntes Waffer 
verftärkt. Bei Wurno erhält endlich der Hauffaftrom den Namen Rima 
(Gulbin Rima auf der Karte); von hier geht er nach Suüͤdweſten 
bis zu der in der Landſchaft Kebbi gelegenen Stadt Bunfa, wo er 


1) Dagegen ift zu bemerken, daß das Wort Gulbi weber bei Schön, noch unter 
den von Koelle gefammelten Haufiaworten vorfommt, indem jener das Waſſer im 
Hauffe Iia, dieſer rua nennt (Polyglotta africana or a comparative vocabulary 
of nearly three hundred words and phrases by Rev. S. W. Koelle. Fol. London 
1851, f. Water). Die Verſchiedenheit dieſer beiden Worte erklärt ſich dadurch, daß in 
der Hauffafprache die Labialen I umd x fehr Häufig verwechſelt werben, was nach Bow⸗ 
dich (Mission to Ashäntee 196) nnd Schön (a. a. O. 46) auch in andern Theilen 
Afrika's wicht ungewöhnlich if. 


110 Gumprecht: 


nochmals in eine ganz weſtliche Richtung umſetzt, bis er zieht ober⸗ 
halb des in etwa 14° nörbl. Br. und 39 45’ öfll. 2. Gr. gelegenen Orte 
Geitſchr. II, 331) in den Niger fällt. Unterhalb Wurno vereinigt ſich mit 
dem Strome und zwar auf deſſen linfer Seite die Raba (Gulbin 
Raba) oder Bugga, ein unbebeutendes (Denham II, 114), ſtark ge 
wundenes Flüßchen, das abermals von Sübfüdwehten fommt und furz 
vorher, ehe es in den Rima fällt, Sofoto berührt. Bei Argungu ver: 
läßt envlich die Rima das Fellanreich von Sofoto, und tritt in die 
Landfchaft Kebbi ein, wo fie den Namen Gulbin Kebbi oder Gul⸗ 
bin Sofoto führt. Gegenüber Bunfa ') verflärkt fie fi von der Süd⸗ 
feite her duch den Gindi (Gulbin Bindi) oder Zoma (Gulbin 
Zoma) ?), einen fehr langen und anfcheinend anfehnlichen Fluß, deſſen 
Quelle Barth nicht befannt geworben zu fein fcheint, und der in dem 
größten Theile feines Laufes, namentlich während feines Verweilens in 
Kebbi, einer faſt genau weſtlichen Richtung folgt. Zuleht fallt noch 
ein Wafler, Ranneo oder Karinrua genannt, dad wiederum von Süd⸗ 
fünoft fommt, in den Hauffaftrom. 

Vergleichen wir mit biefen neuen hydrographiſchen Ergebnifien 
bie früher bekannten, fo ergeben fi) namhafte Abweichungen, ohne 
daß wir bis jebt zu beftimmen vermöchten, welche von den Dar 
ſtellungen, bie ältere oder neuere, zuverläßiger ift; ficher dürfte nur 
das fein, daß, da beide Darftellungen auf einzelnen, von den Rei- 
ſenden betretenen Routen beruhen, feine eine vollfommene Richtigkeit 
bat. Barth's Karte zeichnet ſich allervinge, wie erwähnt, durch 
einen großen Reichthum von Gewäflern aus; da aber die meiften 


davon nad Angaben der Eingeborenen niedergelegt find, fo muß eine 


weitere Betätigung abgewartet werben. Was fpeciell den oberen Lauf 


des Hahfjaftromes und feiner dortigen Zuflüffe betrifft, fo möchte 


1) In Denbina nennt Barth außer Bunfa noch die Städte Delu und Baya (Gayı), 
die erfle auf der Norbfeite des Gulbin Kebbi, unfern der Mündung dieſes Blufies in 
ben Niger, Gaya aber unmittelbar an dieſem Strome oberhalb Say. 

2) Diele oftmalige Wiederholung des Beiworts Gulbin bei ben eigentlichen Fluß⸗ 
namen darf nicht unbeachtet bleiben, wie ©. 108 bemerft war. And Dupuys nennt 
einen Ghnibi Kherba (App. C). Dagegen laſſen fich bie zahlreichen, von demſelben in 
Aſchẽnti gefammelten fehr vagen Daten über einen zweiten Ghulbi (LXIII, XCUI, 
XCVN, XCVII, CV, CXXVIH m. f. w.) weder auf ben Niger, noch auf den Hauffe: 
from, fondern nur anf Ströme im Weſten des Niger beziehen. 








Barth's Schidfale und Unterfuchungen im centralen Nord⸗Afrika. 111 


ih der Darftellung auf der Karte zu Elapperton’s zweiter Neife vor 
ber Barth'ſchen fogar den Borzug geben, da jener Reiſende feinen Weg 
viel nörblicder, näher am Steome hin genommen und benfelben zwei 
Mal in aller Muße zurüdgelegt hat, während Barth durch den hier 
(S.104) erwähnten Einfall des feindlichen Quberanerheered gezwungen 
wurbe, eine fehr fühliche, von dem Steomlaufe entfernte Route nach 
Zirmie einzufchlagen, und die Nähe des Feindes Ihn überbied zu gros 
Ber Eile nöthigte, wobei ihm Feine Zeit zu grünblicheren Beobachtungen 
geblieben fein kann. So mußte er bis Bunfa, einem Orte vor Dir 
mie, einen ermüdenden 19flündigen (Petermann I, 12) und von Bunfa 
einen zweiten 26 flündigen Marfch durch das veröbete und verwilderte 
Quber zurüdlegen, bis er erft unter dem Schuge von Allyu's Heer 
Ruhe und Sicherheit fand. Deshalb ift es erfläclih, daß mandhe 
Namen auf Barth's Karte fehlen, deren Kenntnig wir fchon durch 
Glapperton erhalten hatten. So giebt Barth weder auf der Karte, 
noch in feinen Briefen dem erwähnten, in Zanfära und Bart bei Kau⸗ 
rin Namoda vorbei fließenden Strome einen Namen, obgleich ein fol 
cher bei Efapperton, wenn auch in vier verſchiedenen Formen, vorfommt, 
fo daß man die beliebige Auswahl hat. Einmal nennt nämlich der 
britiſche Forfcher den Fluß Futſchie (Denham I, 116), ein zweites Mal 
Felſche Cebenvort II, 78), das dritte Mal Fuiſchir (Futchir, Journal 
179) und endlich erfcheint derfelbe auf den nach Clapperton's Ermit- 
telungen gezeichneten beiden Karten als Fulſche. ES vereinigt ſich 
derfelbe nach Elapperton eine halbe Tagereife nörblih von der auch 
auf Barth's Karte von Zanfära und Kebbi genannten Stadt Bada⸗ 
raua mit dem die Grenze der Provinzen Kätfena und Kano bildenden, 
in feinem höheren Laufe von Glapperton ald Fluß von Duncami (ein 
Ortsname, der bei Barth fehlt), dann aber ald Quarrama (Den- 
kam II, 70, 73) aufgeführten Zirmiefluffe. Durch die neu gewonnene 
Kenntniß der Hiefigen geographifchen Verhältniffe mobificitten ſich natürs 
lich auch in manchen Stüden die früher hier (III, 67, 68) aus Glapper- 
ton’8 Berichten mitgetheilten hybrographifchen Angaben. Ob die neuen 
Darftellungen Barih's bei Gelegenheit von defien Ruͤckreiſe, wie er hoffte, 
Veränderungen und Berichtigungen erhalten haben, läßt fich noch nicht 
ermeſſen, doch dürften folche kaum zu erwarten fein, da der Reifende von 
Wurno diedmal einen fogar noch viel fünlicheren Umweg genommen 





112 Gumprecht: 


zu haben ſcheint, wenn nämlich der Ort Gandi, über den er ging, mit 
der erwähnten Capitale Gando identiſch iſt. 

Ueber Wurno und feine Umgebungen erfahren wir aus ben neuen 
Berichten zu den früher (III, 60, 223) mitgetheilten Nachrichten end⸗ 
lich noch, daß der Ort urfprünglich zu der großen Landfchaft Guber, 
Sokoto dagegen zu Kebbi gehörte CPetermann I, 11), ferner, daß biefe 
beiden Landfchaften durch ein Fluͤßchen getrennt feien, befien Name in 
dem Berichte nicht genannt wird, das aber wahrfcheinlich die Raba ift, 
da beide Städte wohl auf derfelben Seite der Rima, Dagegen auf verſchie⸗ 
denen der Raba liegen, enblich daß in der Nähe Wurno's in ber legten 
Zeit eine große Zahl von Fellan⸗Anſiedelungen entftand. Diefe Berbreis 
tung des Fellanvolles in Central⸗Afrika (ſte laͤßt fich oͤſtlich bis Dar Fur 
verfolgen, wo Anftebelungen der Fellans fchon durch Brown (S. 269, 
271) und den Scheifh EI Tounfy (Dar Sur 134) ') beobachtet worben 
find, ift überhaupt eine höchft merfwürbige Erſcheinung. Denn während 
wir fonft in dem afrifanifchen Eontinent ein fortwährendes Drängen ber 
Binnenvölfer gegen die Küfte fehen, wie dies namentlich bei ven Gall, 
Mandingo und den Anwohnern des oberen Gaben der Fall ift, vers 
folgen die am oberen Senegal, urfprünglich aber in der Landfchaft Fu- 
lahdu d. 5. Kellanreich heimifchen Fellans ein entgegengefehtes Bes 

fireben nach Oſten und in das Innere des Continents hinein. 
| Die Temperatur fand Bartf u Wurno, wie früher angegeben (II, 
62), fehr Hoch; fie erreichte nach feinen jebigen beflimmteren Angaben 
um 2 Uhr Nachm. 108— 111° Fahrenh. (34— 35! R.) und Abends 
fogar noch 95 — 98°. (23 — 290 N). Aus der fehr baumarmen 
Flora bei Wurno fiel ihm nächft den früher fchon genannten Bäumen 
(OL, 61) die Kufa auf, die hier aber wohl nicht die Adanfonie (Zeit 
ſchrift IV, 254— 256), fondern eine baumartige Euphorbie iſt 

Zu Wurno hatte Barth fehr viele Materialien gefammelt, wovon 
er einen Theil an den um die central=aftifanifche Geographie hoch⸗ 
verbienten britifchen Borfcher Desb. Cooley zu ſenden beabfichtigte. 
Diejes Autors befanntes, das centrale Nord-Africa im Mittelalter 
nach den Anfichten der arabifchen Schriftfteller betreffendes Werkchen 
(The Negroland. London 1811) glaubte er nicht genug preifen zu 


’) In neuerer Beit hörte noch Fresnel von ven Fellan in Dar Fur (Bull. de 
la Soc. de G£ogr. 3= Ser. XIII, 91). 








Barth's Schickſale und Unterfuchungen im centralen Nord⸗Afrika. 113 


fönnen, da, wenn er auch darin manche unnüge Conjectur tabeln nrüffe, 
3. B. daß Eooley Kalaua, Gubers frühere Haupiftadt (f. Hier S. 109), 
irrthuͤmlich mit den Keluituarifs in Verbindung bringe, ferner die uns 
auläffige Identifieirung Surami's, der einfligen Reſidenz Kantä’s, des 
möächtigften Fürften von Kebbi (Bello’8 Bericht bei Denham UI, 163 — 
164), mit Zyrmi (Zirmie), endlich Eooley’s Combinirung der Kelgeres- 
tuari8 (Zeitfchrift III, 61, 67) mit dem Hauffanamen Kilingiwa, 
eines Sultans von Kätfena, fich doch im Allgemeinen des Verfaſſers 
Hauptfäge auf eine wunderbare Weife beivahrheiteten, und dieſe Wahr⸗ 
heit, feßt der Reifende Hinzu, müfle auch in England zur Geltung 
fommen (Betermann I, 12). 

Nach faſt Hwöchentlichem Aufenthalte zu Wurno trat Barth) etwa 
um den 5. Mai 1853 feine Weiterreife nach Zimbuftu an, indem er 
ſich zuerfi nad) Say wandte, was aber nicht auf dem graben Wege, 
fondern mit einem Umwege über die fübweftlich von Say gelegene und 
hier wohl öfters erwähnte Stadt Gando (Zeitfchrift III, 225) geſchah. 
Hier refidiet der Hellanfürft Khalilu, ein Glied der Herrfcherfamilie 
von Sofoto, Sohn Abu Allahis, eines Bruders des Begründers der 
Fellanmacht im Sudan, Danfodio (Zeitſchr. IU, 224, 225). Derfelbe bes 
fist ein großes Reich '), das ſich nad) Barth auf ber linken Seite des 
Niger nicht allein über Dendina, einen großen Theil von Kebbi und 
angeblich auch über die ausgedehnten Landſchaften Nyffi und Jauri?) 
und dem Worte nach über die Landfchaft Zaberma, fondern auch im 
Weſten des Stromes über die große Landſchaft Gurma erfiredt. 
An ihn war Barth von Aliyu empfohlen (Zeitfchrift II, 225), 
aber der Reifende fand Kebbi in großer Unrufe, da bie alte Bevöl- 
ferung des Landes im Aufftande gegen die Fellaneroberer begriffen 


2) Weber bie Entfiehung dieſes zweiten Fellanreichs gab ſchon Clapperton (Jour- 
nal 206) Kunde. Nach feines Vaters Danfoblo im Jahre 1816 erfolgtem Tode trat 
nämlich defien Sohn und Nachfolger Mohammen Bello alle im Weften Haufja’s ge: 
Iegenen Lande an ven Mohammen ben Abballah ab, den Glapperton Danfodio's Bru⸗ 
dersſohn nennt; mit ihnen ift wahrfcheinlich das früher Hier nach Ahmedu erwähnte 
(II, 360) Reich Khalili gemeint. 

2) Nach Schön’s (80, 87), Oldfield'e, umb der Gebrüder Lander Nachrichten bil⸗ 
deten die Fellan in Nyffl ein eigenes großes Reich mit ver Hauptſtadt Rabbah, zu bem 
aber Jauri nicht gehört zu haben fcheint, und das dem Sultan von Soloto tributair 
war (Laird und Oldfield a. a. O. II, 86). 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 8 


114 Gumpredt: 


war !). Zu diefer Erhebung mögen vie Kebbler durch den Charakter Kha⸗ 
lilu's ermuntert worden fein, indem dieſer Fürft zwar eine eigenthlümliche 
Verfönlichkeit, welche allen weltlichen Glanz verachtet, aber nad) ben 
von Barth gehörten Urtheilen nicht die nötbige Energie zur Regierung 
feines weiten Reiches befigt. Leider ift ein von Say aus an Herm 
Bunfen gerichtetes Schreiben Barth's mit einem Berichte über deſſen 
Zug von Sofoto bis zu der letztgenannten Stabt noch immer nicht in 
Europa angelommen ?), fo daß uns alle Nachrichten über die Bes 
fchaffenheit des Landſtrichs zwifchen beiden Städten, fowie über des 
Reiſenden Aufnahme bei Khalilu fehlen. 

In der großen Stabt Say *), die auf einer 3 Meilen breiten, 
10 Meilen langen und nach Weften zu von einem flachen, bei Barth's 
Anwefenheit aber trodenen Arme des Fluſſes eingefchlofienen Riger- 
infel liegt, febte der Reifende über den Strom (Zeitſchrift II, 331), 
worauf er an deſſen rechtem Ufer in einer ziemlich geraden, norbnorb- 
weftlich gerichteten Linie, die, wie bereitö früher gemuthmaßt war (I, 
360), eine Sehne des von dem Niger zwifchen Timbuftu und Say 
gebildeten und nach Often gewandten Bogens if, feinen Weg durch 
die fammtlich noch nie von einem Europäer betretenen Landfchaften 
Burma, ibthäfo und Dala nahm. Deshalb gewährt Barth's Befuch 


1) Empörungen der durch die Fellan unterjochten Urbeiwohner des Landes gegen 
ihre Beherrfcher in Folge ber arten Behandlung, bie fie von ihnen zu erleiden ha⸗ 
ben, Tommen fehr oft vor. Namentlich wiffen wir durch Clapperton, daß dergleichen 
in Banfära und den durch die Fellan eroberten Theilen von uber ſich ereigneten 
(Journal 154, 207). ©. auch Seitfchrift II, 223. 

2) Mit diefen Häufigen Berluflen von Briefen und Sendungen in der Sahara 
und im Süden contraftiren Ruſſeggers Grfahrungen im Often gar fehr, wo biefem 
Neifeuden während 5 Jahren in den Mehemed Ali unterworfenen Ländern nicht ein 
Brief oder ein Paquet abhanden kam (Meifen II, 14). 


2) Say foll nad Barth In dem öftlihen Son'raydialect (f. über die Son'ray 
und ihre Sprache Berl. Monatsber. N. F. IX, 301-303; geitfchrift IT, 329, 332, 
353, 357) gleichfalls ein allgemeines, Fluß beventendes Wort fein, wogegen ber 
weſtliche Son’raybialect, d. d. der von Timbultu, dafür das Wort Ifa hat (Berliner 
Monatsber. IX, 303, 304; Zeitfchrift III, 68). So wirb auch ber gleich noch zw er: 
wähnende Fluß Sirba allgemein Say genannt. Die Lage der Stadt Gay wurbe von 
Barth in 13° 10" nörbl. Br. und 3° 7’ öfll. 2. von Gr. gefeht (Petermann's Mitthei⸗ 
‚ Tungen I, 94), alfo nicht in 14° 40’ n. Br. und 0° 30’ AfL. 8. Gr., wie früher 
(1, 331) nad) Herrn Betermann’s Aufſatz in den Times vom 28. März 1854 ange: 
geben war. Die eine Uferfeite des Niger beflcht hier aus 80 Fuß hohen Felſen. 


- 


Barth's Schickſale und Unterfuchungen im centralen Nord⸗Afrika. 115 


biefee Gegenden wieder eine neue wichtige Bereicherung der central 
afrifanifchen Geographie, Die um fo erfreuficher ift, als ſie fih un- 
mittelbar an ein fchon ziemlich befanntes Terrain im Süden anfchließt. . 
Gurma grenzt nämlich an die große Landfchaft Borgu, deren Kenntniß 
wir @lapperton’d zweiter Reife, dann der Reife der Gebrüber Lander 
verdanken. Bon Gurma war aber bisher fo viel wie nichts befannt ges 
wejen. Selbft der aus Bello’s Werf gemachte Auszug (Ghoorma bei Den⸗ 
ham II, 163), Bowdich (Goorooma ©. 206) und Dupuys (Ghoroma 
S. XLIV) führen davon allein den Namen ohne weitere Bemerkung 
an und auch Elapperton (Journal 117) bemerft nur, daß Gurma ein 
großes Land fei, welches nach Ausfage der Muhamedaner ein civilis 
firtere8 Bolt bewohnt und die Fellans beherrfchen, andere Berichter 
ftatter @lapperton’d aber von nadten Wilden, aljo Heiden, bewohnt 
fein laſſen. Beide anfcheinend fich mwiberfprechende Nachrichten mögen 
indefien richtig und mit einander zu vereinigen fein, denn da Barth 
in feinem von Döre in Libthafo aus am 16. Juli 1853 an Herrn 
Bunſen gerichteten und durch Herrn A. Petermann ganz neuerlichft 
mitgetheilten (I, 94 — 98) Briefe anzeigt, daß Gurma ein größten- 
theils hochgelegenes bergiges Land ſei, wo ſich feine durch den Aufents 
halt zu Say angegriffene Geſundheit vermöge der reineren Luft fehr 
gebefiert habe, fo ift es möglih, daß, während die Fellan nur einen 
Theil des Landes einnehmen und die civilifirten Bewohner Gurma’s 
von Clapperton's Berichterftatter ſind, die Urbewohner des Landes das 
gegen ſich in dem größeren gebirgigen, ſchwerer bezwingbaren Theile 
des letzten ald Heiden in ihrer ganzen Rohheit erhalten Haben. Barth 
fcheint in der That eine ſolche Vermuthung zu beftätigen, indem nad) ihm 
die Fellan nur einen Heinen Theil von Burma im Norben inne haben, 
wo große Strecken wilder Wälder Die wenigen cultivirten Stellen, an 
denen fie drei Heine, gleich zu erwaͤhnende Staaten gebildet Haben, von 
einander trennen. Gurma's gebirgige Befchaffenheit möchte endlich 
wohl daher rühren, daß Aeſte jenes großen Gebirgszuges, welcher im 
Süden im Lande Yoruba beginnt, dann Borgu durchzieht und fi 
noch auf der linfen Seite des Stromes durch Youri, Zanfara, Guari 
und Zegzeg verfolgen läßt (Elapperton Journal 117), bis in dieſe 
Landfchaft überireten. Don der Sprache der Eingeborenen Gurma's 
berichtet enblich Barth die merfwürdige Eigenthümlichkeit, daß fie einige 
. 8 * 





116 Gumprecht: 


Worte mit der Sprache der Bewohner Guinea's an der Beninbucht 
gemein habe. Koelle gab davon neuerlichſt in ſeinem S. 109 erwaͤhnten 
großen ſprachlichen Werke Proben. Der gewoͤhnlichſte und hervorragendfte 
Baum dieſer Landſchaft iſt die Kuka, worunter bier, wie S. 115, wohl 
nicht die Kuka der Bornuer (IV, 254), ſondern eher eine Euphorbiacee 
zu verftehen ift, da der Reifende viefelbe das wohlbefannte Candela- 
brum nemnt (f. hier ©. 112), bei feinem anderen Gewächfe aber, als bei 
baumartigen Euphorbien armleuchterförmige Bildungen fo vorherrfchen. 
Die zweite von Bart durchzogene, ſüdlich von Gurma begrenzte 
Landſchaft Libthäfo liegt nach deffen Karte (Taf. TI bei Petermann) zwi: 
fhen dem 14 — 15° nörbl. Br. und dem 0 — 2° wefll. & von Gr., 
15 Tagereifen oder 180 — 200 engl. Meilen von Timbultu und be 
fteht aus einer öden Hochebene mit faft Tahlem Boden ohne Bäume 
und Sträuder. Ein Granitterrain beginnt fchon bei Say und feht 
nach Weften zu durch dieſe Landſchaft fort, erfcheint aber bei dem gleich 
zu erwähnenden Ort Tſchampagoͤre mit vielem und zum Theil fchönem 


Gneis gemengt. So bildet Granit Höchft wahrfcheinlich auch die hohen | 


Felſen an den Rändern des Niger bei Say. Etwas weiter nach We 
ften zu, wo das Plateau eine Abdachung hat, liegt ein großer See, der 
periodifch troden if, wovon fich auch Bart} überzeugte. Eine befondere 
Stadt Libthaͤko giebt es nicht, wie nach den erften nach Europa gelangten 
Berichten Barth's aus Diefen Gegenden (Journ. of the Geogr. Soc. of 
London. XXI, 215; Zeitfchr. II, 331, 359) anzunehmen war, da Barth 
nun ausdruͤcklich ſagt (Betermann I, 94), daß der Ort, von wo er feinen 
Brief vom 19. Juli an Herrn Bunfen richtete, Döre, die Landfchaft aber 
Libthaͤko Heißt; Kibthäfo alfo, von wo aus der Reifende an Lieut. Col. 
Herman einen ausführlichen Brief ſchrieb (ebend. 328), ift denmach aud) 
dieſes Döre. — Die dritte und nörblichfte Landfchaft Dalla war meines 
Wiſſens biöher nur durch Ahmedu befannt (Journal XXI, 216). 
Ueber Barth's weiteren Weg, den von Say nach Timbuftu, find wir 
durch Das oben erwähnte Schreiben aus Döre viel beffer unterrichtet, als in 
Bezug auf den erften Theil des Weges nach Say. Bon der letztgenannten 
Stadt paffirte der Reiſende bis Döre die Orte Tſchampagoͤre, Tſcham⸗ 
paslauel, Boſebaͤngo, Bundoͤre und Sebba, welche zum Theil die Wohn: 
orte Kleiner Hellanhäuptlinge von Gurma find, indem das zwiſchen Say 
und Döre gelegene Land in brei Territorien getheilt if, wovon das 


Barth's Schickſale und Unterfuchungen im centralen Nord⸗Afrika. 117 


eine mit der Hauptfladt Tſchampagoͤre in 13° 12’ nörbl. Br. und 
2° 41’ öfl.2 von Gr. in flaatlicher Hinficht beffer organifiet if, als 
die beiden übrigen. Sein Fuͤrſt, der einft das Land Maſſena im Nord⸗ 
weften von Timbuktu regierte (Cailie II, 160, 217), es aber gegen 
den ehrgeizigen fpäteren Beherrſcher Iinnie’s und Timbuktu's Ahmed 
Labu verlor und ſich mit vielen feiner Fellans in diefe Gegend zurüd- 
309, Hält in feiner Refivenz einen Heinen Hof, wie Barth fagt, von 
wirflich fürftlichem Charakter, welcher eine Welt für fich bildet und mit 
Allem, was ihn umgiebt, in jchroffem Contraft fteht. Tſchampa⸗lauel, 
13° 12’ 30" nördl. Br., 2° 33’ öfll. 2. Gr., iſt eine ähnliche Reſidenz 
des Gebieterd von Toroͤde, deſſen Yellanunterihanen, vie Zoröde, alle 
ſchwarz find und zu der vornehmften Klaffe der Fellan gehören. Barth 
jcheint den Urfprung des Namens Toroͤde nicht zu kennen; aber un 
zweifelhaft ift derfelbe von dem Namen des Landes Futa Toro am Se⸗ 
negal abzuleiten, von wo ein großer Theil der jetzt am Niger und im 
Sudan wohnenden Fellans berfiammt, wie Clapperton beſtimmt an⸗ 
giebt 3). Am Senegal gelten die Torödes jedoch nicht für reine Yel- 
lang, fondern für eine Mulattenrace, indem fie aus der Bermifchung 
der urfprünglich Bellen Fellans mit den ſchwarzen dort einheimifchen 
Zolofs und Mandingo's Kervorgegangen find (Mollien, Voyage dans 
Yintörieur de l’Afrique. Paris 1818. I, 275, 276; Raffenel, Voyage 
dans l’Afrique occidentale. Paris 1846. S. 262). Sebba, 13° 12’ 
30” nörbl.Br., 2° 33’ öfll. L. Gr., ift die Hauptſtadt des dritten Heinen 
Staats in Gurma, Namend Yaga, der von dem von Toroͤde wieber 
durch eine A Tagereifen breite, fehr ausgedehnte und unfichere Wildniß 
getrennt ifl, und worin man nur bei einem einzigen Orte Namens Bofe- 
bango, defien Lage Bart in 13° 34' 30” n. Br. und 1° 19’ Sf. L. 
von Gr. verſetzte, vorbeiflommt. In Yaga wird Durra faſt allein 
gebaut. Bofebängo, das aber nicht mehr zu Gurma gerechnet zu wer 
den pflegt, bewohnt ein unabhängiger Stamm ber Son'ray, die Ka⸗ 


2) Melly or the petty kingdoms of Foota-’Torra, Foota-Bonda and Foota- 
Jella (d. 5. Sata Tora, Bondu umd Buta Jallon, Geographie von Afrifa 206, 235) 
were the places, from whence they (d. 5. die Fellan) spread themselves eastward, 
until they became very considerable (Clapperton Journal 205). Daun fagte der⸗ 
felbe Berichterftatter noch von den Gingeborenen der Stabi Zaria: They are mesily 
all Fellatahs; a great. many of ıhem from Foota-Bonda and Foota-Torra (a. a. 
D. ©, 159). 


4 


118 Gumprecht: 


fäbe, nahe Verwandte der Larba, welche ein wenig noͤrdlich von ber 
Straße angefeflen find und fle täglich unficher machen. Zehn Minu- 


ten weſtlich davon giebt es endlich einen Fluß, den ſchon erwähnten | 


Sirba (f. hier S. 114), deſſen oberer Lauf nach Barth den Eure 
paͤern erft vor einigen Jahren befannt geworben fen fol‘). Der 
felbe macht eine Biegung von Nordweſt nach Nordoſt und fließt weiter 
nah Weiten am Saume der Straße hin. Unſer Reiſender fand ihn 
an der Stelle, wo er über ihn febte, 12 Fuß tief, und da Boote 
völlig fehlten, fo wurde er gezwungen, den Webergang mittelft zu- 


fammengebunbener ungeheurer Bunde von Binfen zu bewerffteligen. 


Es ift diefer Fluß der anfehnlichfte, den man auf dem Wege von Say 
nach Döre antrifft; einige andere, ebenfalls von Barth paflirte Ge⸗ 
wäfler, wie der Goͤrebi, den derfelbe eine Meile weftlih von Tſchampa⸗ 
lauel fah, und der Yali, angeblich ein Zufluß des Sirba, find nämlich, 
wenn auch nicht ganz unbebeutend, doch viel Kleiner, als der Sirba. 
Bundöre, 13° A3’ 30" nördl. Br., 1° 39’ 30" öfl. 2, iſt endlich ein 
von dem Emir von Yaga abhängiges und durch Gurma's bewohnte: 
Dorf zwifchen Bofebängo und Sebba Tore, 14° 28’ n. Br., 0° 40’ 
oͤſtl. L, gehört endlich ſchon zu Libthäfo und Hat, obgleich Außerlicy 
ein ungemein elender Ort, einen nicht unbebeutenden Handel Hier 
iſt man ſchon innerhalb des Handelögebiets von Timbuktu, denn Araber 
aus feiner Umgebung find e8, welche den Markt Doͤre's vorzugsweiſe 
verforgen. Wie zu Timbuktu, macht hier das Salz, welches in ber 
Saharavafe Taodennt (oder Taudeyni, Geogr. von Afrifa 248, 257; 
Zeitfchrift II, 349) in großer Menge gewonnen und nach den Niger: 
ändern verführt wird, einen Haupthandelsartifel aus. Die Rata davon 
(etwas mehr, als ein halber Eentner) galt während Barth's Anwefenheit 
5—6000 Kauri’s, d.h. etwa 8 Thlr. Pr. C. Außerdem bringen die Araber 
nad) Doͤre Gold, das unzweifelhaft aus der Berglandfchaft im Süden in 
der Nähe des Kong, nämlich aus Maniana, Gaman, Moft und Afchänti 
ſtammt. Naͤchſtdem finden fih hier Tuariks ein, welche von den Fellans 
Peli, d. 5. Bögel?), wahrfcheinlich wegen ihrer Agilität, oder auch 


») Ich weiß wicht, bei weldyer von. Barih angebenieten Gelegenheit bies ge: 


{ 
2) Daß andy bie heutigen Tibboz wegen ihrer Gelenligkeit Bögel genannt zu 
werben pflegen, erwähnt Lyon (227). 








Barth's Schickſale und Unterfuchungen im centralen Nord⸗Afrika. 119 


Wodẽbe, Rothe, muthmaßlich wegen ihrer braunen Hautfarbe, genannt 
werben. Zwifchen Timbuktu und Say iſt nämlich das Rigerthal beinahe 
gänzlich in ben Händen von Tuarifs, deren groͤßtentheils auf den Inſeln 
angefievelte Stiaven den Boden für fie bebauen. Zu den Tuariks ge 
hören zuvörderft Die von Dindina oder Denbina, vorzüglich aber dies 
jenigen, die zu Gar’o, in der 7 Tagereifen NRW. von Döre gelegenen 
und einft berühmten, jeßt aber nur in elenden Reften vorhandenen 
alten Hauptfladt des früheren Son'rayreichs ) wohnen (Zeitſchrift IE, 
328; IV, 411, 414). Ebenfo bringen die Bewohner des früher gelegent- 
lich ausführlicher Hier erwähnten Reichs Moſi (Zeitfchr. I, 385, A28) 
nah Döre ihre berühmten Efel, ihre vortheilhaft befannten breiten 
Baumwollenftreifen, Leppi genannt ?), ihre wohlfellen ſchwarzen Hems 
den und eine Menge befonderer großer Gurunuͤſſe (oder Colanüſſe, 
Nüſſe von Sterculia acuminata) zum Verkauf. Die Nüffe ſtanmen, 
wie Bart ausprüdlich bemerkt, nicht von Selge, fondern von Tangere 
ber *). Bon den Bewohnern des Ortes, welche theild Abkümmlinge 
der urfprimglichen Son’raybenölferung, theils Fellans find, zeichnen ſich 
ine durch ihre Inbuftrie aus, wogegen die Iehten in dem gewöhnlis 
chen Charakter ihres Volls laͤßig find und fat nur Biehzucht treiben, 
da fie einzig Milch, und zwar nicht allein faure, fondern, wie ber 
Reifende hervorhebt, auch füge Milh auf den Markt bringen. In 
den öftlichen Theilen der von Barth auf dem rechten Ufer des Stromes 
in biefen Regionen durchzogenen Lanbfchaften find die Son'ray auf 
das Flußthal befchränft, weiter im Weften findet man fie hauptfaͤch⸗ 
lich zwifchen der Straße und dem Fluſſe, an einem beträchtlichen und 
vielverzweigten, in den Sommermonaten aber trodenen Bette deſſel⸗ 
ben angefievelt. Endlich giebt es Anfievelungen dieſes Volksſtammes 


1) Die Lage dieſer alten Haupiflabt Hatte Barth, wie er fagt, zuerft in 16° 
40’ nördl. Br. und im Meridian von Greenw. zu finden geglaubt; fpäter gab er da⸗ 
für 17° 19’ nörbl. Br. und 0° 47’ 20” Sl. 2. Gr. (Petermann’s Mitteilungen 
I, 93). 

2) Die Zeuge werden nämlich im Sudan meif nur in Streifen gewebt, die man 
dann aneinander heftet (Schön 78; Beitichrift II, 68). 

3) Selge ift die Hauptflabt Sallagha oder Gelga der am Nordrande bes Aſchanti⸗ 
reiches gelegenen großen und durch ihre bedeutende Probuchion von Gurunüſſen be: 
Taunten Landſchaft Sonja (Bowdich 178; Dupuys XXXVI, XL, CXXV, CXXX). 
Zangere war dagegen, wie ich glaube, biöher ganz unbefannt. 


120 Oumpredt: 


ſelbſt nörblich von Döre in mehreren Dörfern zwifchen Arribinda und 
dem Omborigebirge, und zuletzt gar noch näher an Timbuktu. Yür die 
Korifebung feines Zuged war es dem Reiſenden böchft unangenehm, 
zu Döre die Erfahrung zu machen, daß er jeine Kano⸗ und Nyffi⸗ 
waaren nur mit enormen Verluſte zu verkaufen vermochte. An baa⸗ 
rem Gelde fehlte e8 gänzlich und auch Kauris haben von Doöri bis 
Timbuktu Teinen Cours, was bei der fonfligen Allgemeinheit dieſes 
Zahlmitteld in den weftlichen Nigerländern allerdings auffallend ift. 
Dagegen hatte Barth die Befriedigung, zu Döre mit großer Aufmerf- 
famteit und felbft mit Verehrung behandelt zu werben, indem man von 
ifm feinen Segen verlangte, obwohl es nicht unbefannt war, daß er 
ein Chriſt ſei. Selbft die Araber behandelten ihn nicht als einen ges 
wöhnlichen Chriften, theild weil er von Often kam, theild wegen fei- 
ner Gelehrſamkeit Cwahrfcheinlich im Lefen. und Verſtehen des Koran). 
Hier erfuhr endlich Barth, daß der Mörder Laing’s, der Sheilh von 
Arauän, welcher beinahe AO Jahre hindurch zugleich über die Sahara- 
Dafe Afoad geherrfcht Hatte (Zeitfchrift IT, 340 — 341), vor einigen 
Monaten geftorben fei, und er fah Died ald eine gute Vorbedeutung 
für Die Möglichkeit feines Gelangens nach Timbuftu an. Bon vielleicht 
praftifcherem Werthe aber war für ihn der Umftand, daß er bier einen 
fehr gefcheuten und wohlbefannten Araber aus Timbuktu, welcher zur 
Bartei des geiftlichen Oberhaupts diefer Stadt, des fchon oft genannten 
Scheilh Bakay, gehörte, antraf und ihn gleich in feine Dienfte nehmen 
fonnte, woburch ihm der Eingang in Timbuftu erleichtert wurbe. 

Von Döre oder, wie ed noch in einem aus Timbuftu an Dr. Befe 
am 7. September 1853 gefchriebenen Briefe heißt (Journ. of the Geogr. 
Soc. of London. XXIV, 282), von Libihäfo hoffte Bart Timbuktu 
in 20 Zagen zu erreichen; Heftige Regen, die angefchwollenen Flüſſe, 
die Schwäche der Kameele, von denen 6 feit feinem Abgange aus 
Bornu gefallen oder unbrauchbar geworben waren '), enblich die Krank 
heit und die Hanbeldgefchäfte des zu Döre in Dienft genommenen 
Timbuktuers verzögerten die Reife, die auch nicht auf dem geraden 
MWege über Kombori (einen bisher unbekannt geweſenen Ort) ober 


12) Es if eine in Gentral: Afrifa wohlbelannte Thatſache, daß die Kameele das 
feuchte Klima der Nigerländer nicht ertragen nnd auch nicht auf dem feuchten Boden 
fortfommen koͤnnen. 











Barth's Schidjale und Unterfuchungen im centralen Nord⸗Afrika. 121 


auf bem gewöhnlichen Karawanenwege durch Gilgodi, Dalla und über 
den Ort Duenza (Duanza bei Ahmedu), fondern mit einem Umwege 
in nordweſtlicher Richtung ging, wobei die Gefellfchaft zwei Tagereifen 
weftlih von Duenza das Omborigebirge, auf defien hoͤchſtem Punkte 
Duenza liegt, quer durchzog. Dan fam babei duch einige Meine uns 
abhängige Städte der von den Timbuktuern Koar genannten Son’ray, 
dann mitten durch die Stämme der Tademeffet, weiche bi 60 Meilen 
füblich vom Niger wohnen, und endlich am 27. Auguft nach Sarais 
jamo, dem größten Orte, den Barth feit Say gefehen hatte. 300 
Yards von Saraljamo fchiffte fich der Neifende am 1. September auf 
einem Zuflufle oder Arme des Niger ein, der aber ungenchiet feiner 
Breite und Schönheit fich weiterhin viel mit Pflanzen überwachien 
zeigte 5), weil er wegen feines Zidzadlaufes wahrfcheinlih ein ſehr 
geringes Gefälle Hat. Beſonders fiel Barth während ver Fahrt bie 
außerorbentliche Menge von Canälen, rijl bei ven Arabern genannt, 
auf, die ſich währenn der Ueberſchwemmungen bilden und das Land 
netzſoͤrmig durchziehen. In der Hinficht, meint er, ließe fich der Strom 
mit feinem anderen vergleichen. Bei der von dem Aſte und dem Ni⸗ 
ger felbft bei ihrem Zufammentritte gebilveten großen Inſel Kora 
gelangte Barth endlich in Den Hauptſtrom, der hier Majo, wie ers 
wähnt (S. 106), oder auch Iſa Balléͤo ?) Heißt und von Suͤdſuͤdweſten 
fommt. Am 5. September, um dad Ende der Regenzeit, erreichte ex 
Kaͤbarah, wo er erfuhr, daß die Wafferverbindung mit Timbuktu nur 
während 4 — 5 Monaten im Jahre möglich fei, wenn bie Regen reich⸗ 
(ih fallen, im April wäre es fogar ganz unmöglich, zu Waſſer von 


2) Aehnliche Ueberwachfungen mit Pflanzen traf Gaillie bei dem gleich weiter 
zu erwähnenben Canal, ber von Käbarah nach Timbuftn führt (Zeitfchr. II, 361). 

2) Balleo, Baleo oder Baleio iſt ein Wort der Fellanſprache und bedeutet ein- 
fach ſchwarz (Mollien II, 175). Die am Senegal wohnenden Fellan nennen gleich 
falls den Senegal fo (Mollien II, 125) ober auch Maio Baleio d. h. ſchwarzer 
Fluß, welches Iehte ein Name if, den auch ver Niger bei den Fellan führt (Journ. 
of the Geogr. Soc. of London. XXI, 218). Ans der bei Hequard (S. 286) und im 
Barth's Itineraren übereinfimmend vorlommenden Deutung von Maio Baleio ergiebt 
ſich alfo, daß Maio gleich Ifa, Sai, Gulbin und Koara ein allgemeines Wort für 
jeven Fluß ift, welches ven Kellan gleichmäßig zur Bezeichnung bes Niger, wie bes 
Hauffafromes dienen fann (f. bier ©. 106 — 107), ferner daß der Name Ifa Ba: 
leo auf Barth's Karte (Petermann Taf. I) irrig fein muß, da er eine Zufammen- 
fegung zweier, ganz verfchievenen Sprachen entlehnter Worte fein würde. 


122 Guͤmprecht: 


Kaͤbarah nach Timbuktu zu gelangen (Zeitſchrift II. 332). Den über 
Kaͤbarah nach der letztgenannten Stadt führenden Canal fand er 
ſo wenig tief, daß den Bootführern, die ſaͤmmtlich ausſtiegen und mit 
der größten Schwierigkeit das Boot mit dem Reiſenden weiter zogen, 
das Waſſer nur bis an die Knie ging '). Während in dem Ha 
fen von Käbarah nur wenige Fahrzeuge vor Anker lagen, hatte unfer 
Meifenver zu Koromeh ?) unterhalb Käbarah und nahe an der Einmin- 
dung bes Käbarahflüßchens in den Niger, eine Reihe beträchtlich gro> 
Ger Barken, die einen prächtigen Anblid gewährten, wahrgenommen. 
Die bewegliche Stadt, wie er diefe Barfenanhäufung nannte, und 
die zwifchen Käabarah und dem großen Strom, gegenüber Koromeh, 
liegende Inſel oder die Infeln Day verdienen, wie er ausfipricht, 
eher, als Kaͤbarah, Timbuktu's Hafen genannt zu werben). In dem 
Majo traf Barth einen wirklich prächtigen Strom, den er von allen 
Strömen, die er in Afrifa gefehen, nur mit dem Nil während feines 
höchften Standes vergleichen Fönne, Doch reiche derfelbe nie bie Käba- 
rah heran. 

In Barths zulegt erwähnten, in der Zeitfchrift der Londoner geo⸗ 
graphifchen Gefelfchaft enthaltenen Briefe an Dr. Bele findet fi end⸗ 
ich nochmals die Beftimmung der Lage von Timbuktu (18° A’ 0” 
nördl. Br., 1° 45’ öfll. 2, Gr.), dann noch die einiger anderen Punlte, 
die bisher nicht befannt waren, fo bie 

von Saraljamo 17° 6’ 0” nördl. Br., 1° 50’ 0” öſtl. 2, 

der Verbindungsftelle des Käbarahflüßchens mit dem Niger 17° 76’ 
0” nörbl. Br., 1° 50’0" oſtl. L., 

des Ortes Böne 15° 50’ 0" nördl. Br., 1° 0’ 0” öfll. L., 

des Ortes Kübo 15° 19’ 0" nördl. Br., 0° 22’ 30” öftl. &, 

des Ortes Arribinda *%) 14° 53'0" nördl. Br, 0° 6’ 10” öfll. L 

2) Diefe Schilderung des Canals oder Flüßchens flimmt, wie früher (II, 361) 
gezeigt war, ganz mit der von Gaillis überein und ift ein Beweis mehr für die 
Wahrhaftigkeit des franzoͤſiſchen Reifenden, an der Barth anfangs felbft gezweifelt Hatte 
(Berl. Monatsber. N. 5. IX, 288). Dagegen finden wir ben von dem Tartaren 
Uargi erwähnten Namen Mazza des Flüßchens bei Barth nirgends vor. 

2) Koromeh Fam fon in den früher angelangten Berichten Barths vor ( Beits 
ſchriſt 11, 382). Ä 
3) ©. Zeitſchrift 11, 332, 361. 


*) ©. Hier ©. 120 und Journ. of the Geogr. Soc. of London. XXI, 216 nad 
Abmebn, ber über dieſes Arribinda zog. 


Barth's Schickſale und Unterfuchungen im centralen Norb- Afrika. 123 


Die drei leptgenannten Orte liegen auf dem Wege, den Barth 
von Döre nach Saraljamo zog, fo daß der Reifende im Ganzen von 
nicht weniger als 15 von Say bis Timbuftu gelegenen Punkten vie 
fee Lage angiebt. 

Bei dem Intereſſe, das jedes pofitive Datum zur Kunde des 
centralen Nord» Aftifa hat, wäre es nun allerdings wünfchenswerth, 
den Grad der Zuverläßigfeit beurtheilen zu fönnen, den Barth’s 
Ortöbeftimmungen beiten. Namentlich gilt dies von Timbuftu, deſſen 
Lage, wie früher (Zeitfchrift II, 354— 356; IV, 80) angegeben, oft 
®egenftand der Unterfuchung gewefen if. Unferes Reifenden Beſtimmung 
von Timbuktu weicht nämlich anfehnlich von derjenigen ab, welche Jos 
mard nach den ihm zu Gebote flehenden Daten als die wahrfcheinlichfte 
glaubte annehmen zu Fönnen, in der Länge des Orts fogar um 2 Grabe, 
indem Barth diefe zu 1° 45’ weſtl. &. von Greenw. oder 40 5’ weft. 
2. von Paris angab, wogegen Jomard 6° well. 2. von Paris annahm. 
Weniger bifferirt die Breite, für die Barth 18° 3’ 30" bis 18° A’ 5" 
(Zeitſchrift II, 329, 333) oder endlich 189 3’ 48” (Petermanns Mit 
theilungen I, 13), Jomard aber 17° 50’ fehte. Herr Petermann 
hält fi) nun für überzeugt, daß die Jomard'ſchen Zahlen die richtiges 
ren find und fpricht fogar die Meinung aus, daß alle von unferem 
Reiſenden angegebenen Pofitionen nur auf Ableitungen (computa- 
tions of a dead reckoning, I, 13), nicht aber auf wirklichen aſtro⸗ 
nomifchen Beobachtungen beruhen. Wäre dies richtig, fo verlören 
allerdings auch alle früheren Angaben Barth’, 3. B. die am oberen 
Tſchaddalauf und in Adamaua (Berl. Monatsberichte N. %. IX, 368), 
einen großen Theil ihrer Zuverläffigfeit, und wir haben es deshalb 
mit Grund zu beflagen, daß Barth in feinem feiner Berichte auch nur 
‚mit einem Worte die Beobachtungen anführt, woraus er feine pofitiv 
hingeftellten Zahlen gefunden hat. Leider ift zu fürchten, daß Herrn 
Petermann's Bermuthung nicht ungegründet ift, indem unter Barth's 
Bofitionen eine 3. B. vorfommt, die beftimmt nicht auf an Ort und 
Stelle gemachten Beobachtungen beruft. Es ift dies die von Gar’o, 
wohin der Reifende nach feiner auf dem Kärtchen des Landſtrichs zwi⸗ 
fchen Sofoto und Timbuktu (Petermann Taf. IT) eingetragenen Reife- 


te gar nicht gekommen ift. 
8 r Gumprecht. 





II. 
Die Vulkane von Mexico '). 


Zweiter Artikel. 





Nördlich von dem Pic von Orizaͤba fteigt unter dem 19° 28’ 57" 

nördl. Breite und 99° 28’ 57" weſtl. Länge 
der Nauhcampatepetl oder Eofre de Peröte 

(Nauhcampa heißt indiſch ein vierediges, cubifches Ding, tepel 
Berg *) zu 13,416 Fuß Höhe auf. U. v. Humboldt giebt feine Höhe 
auf A089 Meter oder 2089 Toifen an). Er hat feinen Namen von 
ber Eofferartigen Geſtalt des Felſens auf feinem Gipfel, und bietet Das 
Bild eines fchroffen, duͤſtern und größtentheild von dichten bunfeln 
Pinienwaldungen bevedten Yelfengebirges dar. A. v. Humboldt vers 
fichert, übereinftimmend mit Mühlenpfordt, daß man auf feinem Gipfel 
feinen Krater bemerfe, und daß nur die dichte Lava⸗ und Bimſtein⸗ 


2) Nach einer gefälligen fpäteren Mittheilung des Herrn Verfaſſers iſt Dolg- 
non's Schilderung feiner Erfteigung des Pic von Orizäba (Bd. IV, S. 389 — 394) 
einem Berichte diefes Reifenden entnommen, ben dverfelbe in einem zu Mexico unter 
dem Titel: Trait de l’Union, erfcheinenden Blatte während bes Verfaſſers Anweſenheit 
in dem Lande veröffentlichte. Bin hier noch fpäter vorlommender Begleiter Doiguon’s, 
Mojerns, angeblich Belgier von Geburt, hatte ſich nämlich gerühmt, den Gipfel 
bes Pics erftiegen zu haben, und verfaßte wahrſcheinlich nur nach Doignon's Pit 
theilungen feinen Bericht darüber nebft einer Zeichnung des Kraters, die er ſodaun in 
Belgien und Frankreich befannt machte. Diefes Verfahren veranlaßte nun Doignon, 
bie unwahren Angaben des M. Majerus zu berichtigen und barzuihun, daß berfelbe 
gar nicht fo Hoch hinaufgelommen ſei, als er angiebt. Doignon's Mittheilungen hält 
übrigens unfer Herr Verfafler für fehr glaubwärbig, ba fie ihm bei feinem eigenen 
Berfuche, auf deu Bipfel zu gelangen, ſowohl durch die Behörden, als durch ine 
läßige Perfonen aus der Gegend beftätigt worben feien. 

2) 9. v. Humbolvt, Essai I, 265. = 

2) A. a. O. II, 226. G. 











C. Piefchel: Die Bulfane von Mexico. 125 


kruſte, welche dies Porphyrgebirge umlagere *), fowie die großen Lava⸗ 
lagen zwifchen den Dörfern La Dja und Las Vigas, über die an fei- 
nem Fuße die Straße von Jalapa nach Perdte führt, auf die vulka⸗ 
nifhe Ratur und einen Ausbruch des Berges fchließen laſſen. Nach 
meinem Dafürhalten fpricht jedoch auch die Geſtalt des fleilen, röthli- 
hen Felsabſturzes Des Berges im Often dafür, indem der Abſturz Die 
Kraterwand eines ehemaligen Vulkanes gebilpet haben dürfte, Der 
Krater felbft befand fich ohne Zweifel auf dieſer öftlichen Seite nad 
Jalapa zu, da die verfchiebenen Lavaſtroͤme und die tiefen vulfanifchen 
Abftürze und Baranco’8 gerade nach der Seite hin auf einen Aus 
fluß und ein Zufammenftürzen in fich fchließen laſſen. Giebt auch feine 
Gefchichte oder Sage von einem ſolchen Ereigniffe Kunde und iſt das 
jelbe fogar bereitd unter einer vieljährigen Dede der uͤppigſten Vege⸗ 
tation begraben, fo liefert Doch Die ganze Umgegend zu fprechende und 
deutliche Beweife, daß auch hier einft das vullanifche Element feine 
Schreden verbreitende Macht in einer Welfe und in einem Umfange, 
wie vielleicht nur bei wenigen Bulfanen, geübt hat. Namentlich iſt dies 
mit den vorhin erwähnten weiten Lava⸗ und Schladenfeldern, welche 
man auf der großen Straße von Vera⸗Cruz nad Merico von Jalapa 
aus am nörblichen Fuße des Eofre de Peröte paflirt, der Fall. 

Der Gipfel ift von dem Fleinen Städtchen Peröte, welches am 
nörblichen Abhange liegt, leicht In wenigen Stunden zu Pferde zu er 
reihen und foll eine herrliche Ausficht auf die ihn umgebende Hoch 
ebene und auf die ganze Abdachung nach der Küfte von Bera-Eruz 
gewähren. Der Berg dient, wie der Pic von Orizäba, ven Schiffen, 
welche fih dem Hafen von Vera⸗Cruz nähern, ald Wahrzeichen der 
Richtung, fowie den umwohnenden Randleuten als Wetterprophet. 

Der Belgier Majerus, der im Jahre 1848 den Eofre de Peröte 
beftieg und feine Höhe zu A090 Mötres beftimmte, fah von feinem 
Gipfel aus eine eigenthümliche Kichterfcheinung, nämlich auf einer Höhe 
von 13,000 Fuß über dem Meere vor YAufgang der Sonne, furz vor 
ber Lichtverbreitung der erften Strahlen, die ganze Sonnenfcheibe plöß« 


2) 9.9. Humboldt Essai II, 205. Das Geftein it wahrfcheinlich, wie bei dem 
Bic von Orizaͤba, Trachyt. Bremplare davon fehlen in den hiefigen Sammlungen, 
fo daß feine genauere Beſtimmung unmöglich ift. ©. 


126 C. Pieſchel: 


lich als Reflex uͤber dem Horizonte ſchweben. Die Erſcheinung dauerte 
nur einen Augenblick; fie fol übrigens ſchon von mehreren Reiſenden 
von derartigen hohen Standpunften in biefen Gegenden beobachtet 
worben fein. 

Bwifchen dem Cofre de Peröte und der Malinche bei Puebla er- 
heben fich aus der weiten Sandebene viele Hügel und Bergfpigen, die 
ſich theils durch ihre kegelfoͤrmige Geſtalt und ihre fanft abfallenden 
Afchenlinien, theils durch ihr Lavageftein ald vulkaniſche Produlte er- 
geben. Darunter zeichnet fich namentlich der 2 Stunden von Peroͤte 
entfernte, eigenthlimlich Fegelförmige ſchwarze Lavahuͤgel, Cerro de Pis 
jarro genannt, auß. 

Außerdem find in der näheren oder ferneren Umgebung des Pic 
von Orizaͤba und des Cofre de Peröte, die man beide wegen ihrer 
Nähe auf einem Gebirgsrüden zu einander ald zwei Ventile eines vul⸗ 
fanifchen Heeres anfehen kann, noch andere vulfanifche Erfcheinungen 
zu erwähnen, die früher mit den Ausbrücdhen dieſer Vulkane vielleicht 
mehr oder weniger in Verbindung geftanden haben. Es befinden ſich 
nämlich auf der weftlichen Seite diefer beiden Vulkane, namentlich in 
der Hochebene von San Andres Chochicomula eine Menge Vertiefun⸗ 
gen in einem poröfen vulfanifchen Geſtein oder Sande von einer bis 
zwei Stunden im Umfange, die mit falgigem Waſſer angefüllt find und 
deren Grund oft mit einer 400 Klafter langen Sonde noch nicht ge 
funden worden fein fol. Darunter zeichnet fih namentlich die Laguna 
von Aljajaca aus, deren Tiefe angeblich zu 321 Klafter ermittelt wurde. 
Bon ähnlichen Lagunen befinden ſich zwei durch ihr fchwefelhaltiges 
Waſſer ausgezeichnete auf dem Wege von Peroͤte nad San Andres. 
Ebenfo erhebt fih einige Meilen von San Andres ein einer vulfani- 
fcher Kegel, an deſſem Buße ein warmer, fchmwefelhaltiger Quell, Ome⸗ 
208 (oder Jomeros) genannt, der vielfach von Kranfen gegen rheuma- 
tifche Leiden benugt wird, entfpringt. Das ganze Plateau von San 
Andres zeigt ebenfalls eine Menge ſolcher Kleinen conifch geformten 
Hügel vulfanifchen Urfprungs. Bier Meilen weftlih von San Andres 
follen fich bei einer Hacienda, Jalapasco, noch vier Heine Vulkane bes 
finden, wovon zwei in ihrem Krater mit Waſſer gefüllt find, während 
die inneren Kraterränder des dritten, von fruchtbarem Sande bebedt, 
mit Maid bebaut werden. In der Nähe dieſer befindet ſich auch der 








Die Vulkane von Mexico. 127 


Heine Bulfan von Acojuca, deſſen in fi) gufammengefunfener Krater, 
wie ich erfuhr, zwei Feine Seen einfchließt. 

Das verbindende Glied zwifchen den Vulkanen von Pucbla und 
ven von Peröte und Orizaͤba bilbet 


bie Malincdhe oder Sierra de Doña Maria, 


ehemald das Gebirge Matlacueye oder die Sierra de Tlascäla genannt, 
indem biefed Gebirge einft die Grenze zwifchen den Republifen Eholula 
und Tlascaͤla bildete. Die höchften Spitzen befielben find die Malinche und 
der Bonete. Die Malinche zeigt, von allen Seiten gejehen, einen aus 
der Ebene mit vulfanifchen Afchenlinien anfteigenden Kegel, deſſen Spike 
ein zerriſſener und zerklüfteter Yelsrüden bildet, und ber in feinem wild 
durcheinander geworfenen Geftein in den verfchievenften Farben erfcheint. 
Alles died läßt auf vulfanifchen Urfprung fchließen, obgleich Feine Nach» 
richt eriflirt, daß der Berg jemals eine vulfanifche Thaͤtigkeit entwidelt 
hat. Derfelbe erreicht faft die Schneelinie und iſt in den Wintermos 
naten oft mit Schnee bebedit, welcher fich angeblich felbft den Sommer 
über in einzelnen Schluchten und Tiefen erhält und zur Erfrifchung 
nah Puebla gebracht wird. Seine Abhänge fteigen allmählig aufwärts 
und find mit zahlreichen Hacienda's und Rancho's (größeren und klei⸗ 
neren Sandgütern), fowie mit umfangreichen Pinien« und Eichenwaͤl⸗ 
dern bededt, deren Fruchtbarkeit und Friſche Durch die vielen Bäche, 
welche in großer Menge den Abhängen und Schluchten entfpringen und 
die weiten Ebenen befruchten, unterhalten wird. 


Der Popocatepetl 


(popocani rauchend, tepetl Berg) '), unter dem 18° 35’ 27” noͤrdl. 
Breite und 100° 53’ 15” weftl. Länge von Paris, ift der höchfte Berg 


!) 9. v. Humboldt Essai I, 265. Der Erzbiſchof von Merico, Lorenzana, ber 
NH im zweiten Drittel des vorigen Jahrhunderts durch die Herausgabe der officiellen 
Verichte des Ferdinand Cortez an den Kaifer Carl V. über feine Eroberung Merico's 
fo verdient gemacht Hat, fagt ansbrüdli, daß ver Name Poporatepeil einen Berg 
bevente, welcher rauche (Los Indios llamaban à este Volcan Popocatepec 6 sterra, 
que humea; Historia de nueva Espafla escrita por su esclarecido conquistador 
Hernan Cortts. Mexico 1770, p. 70). Einer von Gortes Gefährten auf feinem 
Groberungszuge, Bernal Dias, nennt den Bulcan ähnlich, wie Lorenzana, und ab⸗ 
weichenb von dem heutigen Sprachgebrauche, Popocatepeque, und ſeht ausdrücklich 


128 C. Pieſchel: 


der mexicaniſchen Republik, und nach A. v. Humboldt (I, 266) da 
zweithoͤchſte Berg nach dem Mont St. Elias auf dem ganzen noͤrdlichen 
amerifanifchen Continent von dem Iſthmus von Panama bis zur Beh | 
ringsſtraße ). Derfelbe giebt feine Höhe auf 5400 Meter oder 2771 
Toifen, alfo auf 16,626 Pariſer (17,717 engl.) Buß und 600 Meta 
höher, als die hoͤchſten Spitzen des alten Continents an ?). Rad) den 
Meffungen des Englänvers F. Glennie °) ift der Höchfte Punft des 
Kraters 17,884 engl. Fuß über dem Meere. Man nennt ihn in Der: 
bindung mit feinem Nachbar, dem Irtaccihuatl *%), die Vullane von 
Puebla, da beide Berge zu dieſem Staate gehören und ber gleicnani 
gen Stadt am naͤchſten liegen °). 

Glavigero fagt in feinem befannten Gefchichtswerte über Mexich, 
daß dieſer Vulkan zur Zeit der mericanifchen Kriege oft feurige Aus 
brüche gehabt und noch im 17. Jahrhundert häufig mit großen Acer 
maffen die benachbarten Ortfchaften bevedt habe, daß aber in bem ver: 
floffenen Jahrhundert nur noch etwas Dampf und Rauch aus demie 
ben aufgeftiegen fei 5). Ebenſo erzählt Bernal Diaz, daß, ald Cortez 


Hinzu, daß der Berg hier alfo Heiße (Popocatepeque, que assi se llamora aquel 
bolcan; Historia verdadera de la conquista de la Nueva Espana escrita por el (x 
pitan Bernal Dias el Castillo. Madrid 1632. Fol. 55, b). Da bie beiden genau: 
ten Werke, Lorenzana’s Ausgabe der Driginalberichte des Cortez fowohl, ale die 
Geſchichte des Bernal Dias zu den feltenften in Dentfchland gehören und die neneren 
in Dentfchland erfchlenenen Uebertragungen bes lepten die interefianten Angaben X 
Verfaſſers über den Vulkan nicht mittheilen, fo werde ich im folgenden si 
Gtellen zur Erläuterung in der Originalfprache anfchließen. 

1) Siehe feboch bier IV, 390. | 

2) 9. v. Humboldt Essai I, 265; Fleinere een » 463. 

2) Bulletin de la Soc. de Ge£ogr. 2=* Ser. IX, p 

) Nach Herrn von Humboldt (Tleinere Schriften 1 u liegen beide Ber 
24 deuntſche Meilen auseinander. ®. 

*) Der Popocatepetl wird, wie Herr v. Humboldt bemerkt (Hl. Schrift. I, 4). 
als der größere ber beiden Berge und zugleich als ber in neuerer Zeit noch thätigt 
von dem Irtaccihnatl im Lande andy wohl unter dem Namen Volcan grande de 
Mexico unterfchieven. G. 

©) Storia naturale del Messico, Cesena MDCCLXXX. Vol. I, p. 41. Pit 
Angaben Glavigero’s ftimmen fowohl mit den Berichten von Gortez und Dich 
wie mit den neneren Grfahrungen äberein, indem die beiden genannten Berichiet: 
Ratter ausführlich und mit ven befimmieften Worten die große Thätigfeit des Bu 
fanes während ihres Croberungsezuges in Mexico ſchildern, wogegen der Bay U 
nenerer Beit feine Ihätigfeit fo wenig fund gab, daß man ihn ſelbſt im der Elali 
Merico für erloſchen hielt, bio im Jahre 1824 die Bebrüber Gleunie mit mem 


eeaoae_ 








Die Bulfane von Merico. 129 


im October 1519 mit feinem fpanifchen Heere und den verbünbeten 
Tascalteken von Cholula nach Tenochtitlan ') marfchirte, und er den 
die Sierra Nevada oder Irtaccihuatl mit dem Popocatepetl verbindenden 
Gebirgeruden von Ahualco überfchritt, der Gapitain D. Diego Ordas 
in feinem Auftrage mit 10 anderen fühnen Gefährten den Bulfan er: 
Riegen habe, um die Urfache des Rauches zu ermitteln ®), und daß 
derjelbe dabei wirklich bis zum Kraterrande gelangt fei”), weshalb ihm 
Karl V. erlaubte, einen brennenden Bulfan in feinem Wappen zu füh- 


Gefährten Taylenz durch ihre Erſteigung des Berges die Mexicaner hierüber aufklaͤr⸗ 
ten (Burkhart in Schweigger’s Sonrnal für Ehemie 1827. L, ©. 386). Da aber 
vie Thätigfeit des Popocatepetl in der That während ber legten Jahrhunderte abge- 
nommen zu haben fcheint, fo wird die von bem Heren Derfafler in Bezug auf bie 
Verminderung ber vullanifchen Intenfität in Merico im Allgemeinen ansgefprochene 
Anſicht (f. Hier IV, 380) beftätigt, hoch hatte der Krater früher ſchon, wie bie gleich 
anzuführenden Aeußerungen von Dias erweiſen, längere Epochen ver Ruhe. G. 

') Tenochtitlan fft der alte aztefifhe Name der Stadt Merico, ver bis zum 
Jahre 1530 allgemein im Gebrauch war. G. 

2) Dias Worte hierüber find im Original folgende: Y es que el bolcan, que 
esta cabe Guaxocingo (ein in der Nähe des Popocatepetl gelegener altmericanifcher 
Ort) echava en aquella sazon, que estavamos en Tlascala mucho fuego, mas que 
otras vezes solia echar; de lo qual nuestro Capitan Cort&s y todos nosotros, como 
no avriamos visto tal, nos admiramos deilo y un Capitan de los nuestros, que sc 
dexia Diego de Ordas, tomole cedicia de ır & ver, que cosa era y demandò licen- 
cia ä nuestro General para subir en U... y los principales (Indianos), que con- 
sigo llevava, ponian le temor con dezille, que quando estuviesse ä medio camino de 
Popocatepegue no podria sufrir el temblor de la tierra, ni llamas, y 
piedras y ceniza, que del sale & que ellos no se atreverian, 4 subir mas de 
hasta, donde tienen unos Cues de idolos .... el Ordas y los dos soldados vieron al 
subir, que commencö el bolcan de echar grandes Nlamaradas de fuego y piedras 
miedo quemadas y livianas y mucha ceniza y que temblava toda aquella sierra y 
montaa adonde esta el bolcan y estuvieron quedos sin dar mas passo adelante, 
hasta de allä ä una hora, que sintieron, que avia passado aquella Ilamarada y no 
echava tanta ceniza ni humo y subieran hasta la boca que muy redonda y 
ancha y que avia en el anchor una quarto de legua y que desde alli se parecıa 
la gran Ciudad de Mexico (a. a. DO. Fol. 55, b). G. 

3) Nach den durch Herrn v. Humboldt angeſtellten Unterſuchungen über die älte⸗ 
ven Befteigungen bes Popocatepetl (Essai I, 164; IV, 16— 19) bleibt es trotz Dias 
Angaben zweifelhaft, ob Ordas wirklich ben Gipfel des Berges erreicht ober ſich 
nur defien fpäter in Spanien gerühmt habe, indem Gortez in feinem offlciellen Be: 
riht an den Kaiſer ansdrücklich und ausführlich angiebt, daß die große Kälte auf den 
höheren Theilen des Berges, der Echnee, das erſchreckende Getöfe und die Aſchenaus⸗ 
twürfe die Erpedition gehindert habe, den Gipfel des Berges zu erreichen, obgleich die⸗ 
felbe auch wach Gortez wenigſtens bis in die Nähe des Gipfels gelangt war. ©. 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. IV. 9 





130 C. Vieſchel: 


ren. Im Jahre 1522 ſoll ſodann nach einem Berichte von Cortez 
ſelbſt der Spanier D. Francisco Montaño ſich 70 bis 80 Klafter tief 
in den Krater hinabgelaſſen und Schwefel aufgefunden haben, den man 
in Folge deſſen zur Fabrikation des Pulvers ausbeutete. 

Der Popocatepetl wird jetzt noch zu den brennenden Vulkanen 
gezaͤhlt, obgleich man ſeit mehr als 3 Jahrhunderten keinen Ausbruch 
von ihm kennt und derſelbe nur zeiweiſe Aſche und Rauch ausgewor⸗ 
ten haben ſoll, ja zur Zeit fogar nur Schwefeldämpfe aufſteigen läßt. 
Am 4. Januar 1804 foll er jedoch einige Stunden vorher Das an 
diefem Tage ftattgehabte Erdbeben und den heftigen Sturm durch eine 
gerade auffteigende Rauchfäule, fowie durch Ausmerfen von Sand unt 
Bimftein, verbunden mit unterirdifchem Donner, angekündigt Haben; 
und noch fpäter fanden nad Mühlenpfordt Ausbrüche von Afche umd 
Rauch, namentlich im Monat Mai der vorigen Jahrzehnte, beſonders ftart 
und fichtbar ftatt, wovon ich aber während meiner mehr als zweijährigen 
fpäteren Anwefenheit in Merico nicht das Geringfte bemerkt habe. 

Eine intereffante Zufammenftellung über diefe Erfcheinungen und 
namentlich über den unterirdifhen Donner, den man von Merico in 
der Richtung zum Popocatepetl häufig gehört Haben will, wurbe von 
einem der ausgezeichnetften Gelehrten Mexico's, D. Pablo de la Llave, 
in einem im Registro trimestre, I. Band des Jahres 1832, publicir- 
ten Auffabe veröffentlicht. Die ſtets gleichmäßige Richtung der Er- 


fcheinungen beflärft die Annahme, daß viefelben ihren Urfprung in die 


fer unterirdifchen Werfftatt, in der oben bereits erwähnten vulfanifchen 
Linie, haben, die ihre fortwährende Thätigfeit durch die Vulkanreihe 
vom mericanifchen Golf bis zum ftillen Meere auf der Oberfläche do 
eumentirt. 

Der Popocatepetl galt und gilt vielleicht noch jebt wegen feines 
angeblichen fortwährenden Rauchens für die Bervohner der umliegen- 


den Ortfchaften ald Wetterprophet, indem es nämlich Regen giebt, fo- | 


bald bei Sonnenuntergang ein ſchwarzer, zu diden, nad Norden ge: 
neigten Wolfen ſich verbichtender Rauch auffteigt, während, wenn ber 
Rauch nah Süden ſich neigt, ed Kälte und Reif giebt. Offenbar nur 
eine Wirfung der auffteigenden Dämpfe bei veränderter Luftſtroͤmung 
und wechfelndem Winde, 

Die Form des Vulkans ift die eines ziemlich regelmäßigen Ke⸗ 





Die Bulfane von Merico. 131 


geld, der, von Süben aus gefehen, fich in einem fpigen Winkel zu⸗ 
jpigt, während er, von Dften und Welten gefehen, mehr einen ftumpfes 
ven, breiteren Kegel barftelt . Der Gipfel if, wie der des Irtacci⸗ 
huatl, feines Nachbar, mit ewigem Schnee bevedt, welcher fich befon- 
ders nach Rorden, gefühlt durch den Schnee des Srtaceihuatl, weiter 
hinabzieht, als gegen Süden und Südoſten, wo die Schneelinie fich 
oft bis auf 1000 Fuß von der Spige zurüdzieht. Diefe Schneelinie 
erleidet aber in den verfchledenen Jahreszeiten große Schwanfungen. 
Man fieht nämlich in den Monaten März bis Mai den wenigften 
Schnee auf dem Gipfel, während in der Regenzeit vom Juni bis October, 
wo Die Schneeberge allerdings nur felten fihtbar find, und namentlich 
in den Monaten December und Januar, zuweilen plöglich fo viel Schnee 
fällt und derſelbe fich fo tief herabzieht, Daß ver ganze niedrige Ge 
birgsiug zwifchen dem Popocatepetl und SIrtaccihuatl davon bedeckt ift, 
und beide Gipfel zu einem Schneegebirge verbunden find ). Doc in 
ven Wintermonaten ift der Schnee nicht von langer Dauer, ba bie 
heißen Sommenftrahlen bei dem ewig heiteren Himmel ben Schnee täg- 
lich fortfchmelzen, wenn nicht über Nacht zu viel gefallen if, oder Die 
Luft zu anhaltend kalt bleibt. 

Die ganze vulfanifche Thätigfeit des Vulkans fcheint fich jebt nur 
auf dad Aushauchen von Schwefeldämpfen zu befchränfen, die auch zu- 
weilen, je nach der Beleuchtung des Berges, den Gipfel in einem gelbli- 
hen Fichte erfcheinen laffen °). Einen impofanten Anblid gewähren aber 
beide Schneeberge mit ihren weißen Abhängen gegen Abend, wenn fie 
duch die gebrochenen Strahlen der untergehenden Sonne in einer 
Khön rofenrothen Beleuchtung erglänzen und den Bewohnern der nur 
7 deutiche Meilen davon entfernten Haupiſtadt Merico und ihrer Um⸗ 
gegend eines ber prächtigften Schaufpiele darbieten *). 


+) Herr v. Humboldt nennt den Gipfel abgeftumpft (Vue des Cordilleres 108; 
Essat I, 161), wie ben Pic von Orizäbe. G. 

2) Die Anficht des Popocatepetl in Hrn. v. Humboldt's Atlas zu feinem Essaı Taf. 16 
if von Lonis Martin in dem Moment gezeichnet, wo ſich die Schneelinie durch friich 
gefallenen Schnee bis zur Bipfelhöhe des Pic von Teneriffa herabgefenft hatte. G. 

2) Ganz viefelbe Beobachtung machte Hr. v. Humboldt Essai II, 345. G. 

+) Here v. Humboldt verſichert, daß der. Anblick dieſes Bergtoloſſes mit feiner 
glaͤnzenden Schneemaſſe ſogar viel großartiger fei, als Alles, was tie Gebirgslaͤnder 
Merico's darbieten (Kleinere Schriften I, 464). G. 

g* 





132 C. Pieſchel: 


Der Popocatepeil iſt in neuerer Zeit vielfach erſtiegen worden, 
namentlich haben ihn die Gebrüder %. und W. Ofennie und J. Tan: 
leur durch ihren Befuh am 17. April 1827 in den Kreis wiſſenſchaft 
licher Beobachtungen und Korfchungen gebracht '). Der Weg, den dieſe 


- Reifenden zur Befteigung des Berges einfchlugen, bildet einen foͤrmli⸗ 


chen Umgang um denfelben, indem fie von Merico über Ameca, San 
Nicolas de 108 Ranchos, Atlireo, Tochimilco und die Hacienda Santa 
Catarina — Ortfchaften, die ringd um den Fuß des Berges liegen — 
gingen, und auf diefe Weiſe A Tage gebrauchten, um den Gipfel zu 
erreichen. Sie hatten einen höchft befchwerlichen Weg eingefchlagen, 
vermuthlich aus Mangel unterrichteter Führer. Erſt nach einem mühe 
vollen Steigen von der Grenze der Vegetation um 3 Uhr früh an, 
das bei den fortwährenden Heftigen Schmerzen im Kopfe und im den 
Kniegelenfen in Folge der dünnen Luft, ſowie bei dem gefahrvollen 
Klettern über zerrifiened bafaltifches Geflein auf dem loderen Sande 
und Bimfteingerölle, wie auf den zadig gefrorenen Schneemaflen dor- 
pelt beſchwerlich wurbe, erreichten fie Abends 5 Uhr ihr Ziel, ven 
Kraterrand. Sie wurden dabei noch wiederholt durch einen Regen von 
Heinen Steinen und Afche, welche der Vulkan unter donnerähnlichem 
Geräufche auswarf, beläftigt. 

Sie fanden den Krater nad Südoften geneigt, einem ungeheuren 
Trichter gleichend, defien Seitenwände nur wenig Neigung hatten unt 
defien Tiefe man nicht erfchauen konnte. Die Seiten waren durch 
rabienähnliche Spalten der Länge nach geflreift. Drei Freisförmige Aus- 
höhlungen theilten fie, fo weit man hinab fehen Fonnte, in A Guͤrtel 
von ungleicher Breite und ungleichem Durchmeſſer. Der oberfte Gürtel, 


welcher den Kratermund umfaßte, war der größte und beſtand aus Fels, | 


während die anderen nach ihrer Meinung aus Sand gebilvet zu fein 
fhienen. Im Innern fand fi Schnee nur an der Norbfeite, Doc 


fonnte man ‚nicht fehen, wie weit er hinabreichte. Die Süpfeite bes 


1) Die Befleigung des Popocatepeil durch Fr. und W. Glennie und Taylear 


wurde von bem erſten in ber Seitung von Mexico geſchildert. Mittheilungen aus 


dem Bericht finden ſich theile in dem Bullet. de la Soc. de Geogr. 1° Ser. 1828. 
1X, 1 —14, theils in Schweigger’s Journal für Phyſik und Chemie 1827. L, 387 
— 395 nad einem Artifel in der mericanifchen Zeitung EI Sol vom 8. Mai 18327, 
Pr. 1432. G. 





Die Vulkane von Mexico. 133 


Kraterd zeigte fi uneben und von geringerer Dide als die Nordſeite, 
die zugleich auch glatter war. Im Krater felbft hörten die Reifenven 
ein ununterbrochenes Getöfe, dem einer fernen Meeresbrandung gleich, 
das, fobald e8 fich zu einem heftigen Raſſeln verflärfte, jevesmal von 
einem Auswurfe von Steinen, Afche und Sand begleitet wurde. Die 
meiften Steine fielen in den Krater zurüd. Sowohl innerhalb, wie 
außerhalte der Mündung des Kraterd fliegen Dampffaͤulen von vers 
ſchiedenſtem Umfange auf, wovon namentlich die aus der Tiefe foms 
menden am bebeutendften waren '). 

Die Quedfilberfäule des Barometerd fand am Rande des Kra- 
ters auf 15” 3,60”, und das Thermometer zeigte 30° Fahrenheit in 
freier Luft. Die Reifenden beflimmten die Grenze der Vegetation auf 
12,693 engl. (12,043 Barifer) Fuß, die der Nadelhölger auf 12,544 
engl. (11,890 3.) Fuß, endlich, wie früher bemerkt, die höchften Punfte 
des Kraterd auf 17,884 engl. (16,837 P.) Fuß über dem Meere. 

Am 10. November 1827 beftieg der Engländer Samuel Birdbed 
den Popocatepetl und ermittelte feine Höhe zu 10,347 Buß über dem 
Niveau der Stadt Merico, deren Meereshöhe nah N. v. Humbolbt 
2276 Meter over 7,238 Fuß beträgt *), alfo zu einer abfoluten Höhe 
von 17,585 Fuß. Die Duedfilderfäule feines Barometers zeigte um 
3 Uhr Nachmittags 15,616 engl. Zoll bei einer Temperatur von 22° 
Fahrenheit. 

Am 29. April 1834 gelang die Erfteigung dem damaligen preußis 
ichen Gefchäftsträger fin Merico, v. Gerolt °), in Gefellfchaft des frans 
zöſiſchen Gefchäftäträgers, Baron Louis Gros, und eines englifchen 
Landfchaftsmalers, Fl. Egerton, nach einem bereits im Monat Mai bes 
vorhergegangenen Jahres vergeblich gemachten Berfuche, den Popoca⸗ 
tepetl über die Dörfer Ozumba und Allautla zu erfleigen, nachdem fie 
Tags zuvor die Grenze der Vegetation erreicht hatten. Sie ritten von 


1) Diefe Beſteigung iſt befonders dadurch von Interefie geworden, baß fie den 
Mericanern zuerfi die Gewißheit verfchaffte, wie ©. 129 erwähnt war, daß der Bul- 
fan ein noch thätiger if, indem man in Merico felbit darüber in Ungewißheit war. 

®. 


2) 9. v. Humboldt Essai II, 144. ®. 

3) Herr v. Gerolt beichrieb nach Prescott, History of the conquest of Mexico. 
New York 1844. 1, 46 feine Grfleigung des Popocatepetl in ber revista Mejıcana 
1, 462 — 482, G. 


134 C. Pieſchel: 


früh 2 Uhr an noch 14 Stunden im tiefen Sande, bis fie ſich vor 
Kälte in den Füßen nicht mehr auf den ermübeten Pferden Halten 
fonnten, worauf fie, begleitet von vier Dienern und Yührern, in der 
Richtung des Pico del Fraile (Moͤnchsſpitze) Über eine Sandwäfte von 
Kleinen feinen Bafaltlava» und Bimfteinftüden, aus welchen vereinzelte 
Trachyt⸗ und Porphyrfelſen bervorragten, ihren Weg nahmen. Gegen 
9 Uhr gelangten fie an den Pico del Fraile, einen etwa 150 Fuß Hohen 
rothen Thonporphyrfelfen im Welten des Vulkans, wo die Indianer ſich 
weigerten, weiter zu folgen, und mit den Inſtrumenten zurüdblieben. 
Diefe fchroffe Felswand, die ſich bergaufwärts nach dem Gipfel zicht, 
binderte fie, in grader Richtung fortzufleigen, und fie wurben ge 
nöthigt, fich Sftlich zu wenden und in einer weiten Schneewaſſerſchlucht, 
welche fich etwa 1000 Zuß unter der Spitze des Vulkans in fühlicher 
Richtung in einer Neigung von 35 Grad herunterzieht, aufwärts zu | 
Klettern. Obgleich fie fi) bereitS 2000 Fuß über der Grenze des wis 
gen Schnee’8 befanden, fo hatten fie nur an wenigen Stellen auf 
diefem Wege Schnee angetroffen, was fie theild ver fleilen Neigung 
ded beweglichen Sandes, theild der Erwärmung des Bodens durd 
dad unterirbifche Feuer zufchrieben. Nach mehr als dreiſtündigem, be- 
ſchwerlichen Steigen erreichten fie den Anfang der Schlucht, und auf 
dem Schnee, in den fie zuweilen bis an die Hüften einfanfen, im Zick⸗ 
zad weiterfletternd, gelangten fie gegen 3 Uhr Nachmittags nach 19: 
flündigem Steigen auf die Spitze des Berges, wo fie plöplich in einem 
unermeßlichen Abgrunde den Krater vor fich hatten. | 
Die Krateröffnung, deren unterer Rand gegen Often liegt, hatte 
eine unregelmäßige elliptiſche Form. Die große Are lag in der Richtung 
von Rordiweft und wurde auf eine Länge von 5000 Buß, die furge auf 
4000 Fuß nah Augenmaaß abgeſchaͤtzt, woraus ſich eine Beripheric 
von circa einer halben deutichen Meile ergiebt '). Die innern Seiten 
wände des Kraterd fanden fie fenkrecht gegen 800 bis 1000 Buß ab: 
fallend und den Boden deffelben von gleicher elliptifcher Form, wie bie 


1) Gortez fagt, muthmaßlich nach Montaſo's Bericht, Folgendes über die Krater: 
nündung: Y habia de la una parte de la boca à la otra dos tiros de Ballesta, por- 
que hay en torao quasi tres quartos de legua y tiene tan gran hondura, que no 
pudieron ver el cabo y alli al rededor hallaron Azufre de lo que el humo expile 
(Lorenzana 318). G. 











Die Vulfane von Mexico. 195 


Deffnung. In biefem Abgrunde fahen fie zwei Schwefelgasquellen in 
weißen Dämpfen dem Boden entfteigen, deren fefte Brobucte fich in den 
unteren Räumen ald Schwefel nieverfchlugen. Sie fanden den ganzen 
Boden fowohl, wie die Seitenwände, mit Schwefel bedeckt und fchloffen 
daraus, daß dieſer Prozeß ſchon viele Jahre angedauert habe, und 
vielleicht die Ebene im Krater von vielhundertjähriger Anhäufung des 
Schwefeld herrühren möge. An den Kraterränbern trafen fie keinen 
Schwefel, fondern nur eine Menge Kleiner runder Löcher von 1 bis 3 
Zoll Durchmefler, woraus fchwefelige Waſſerdaͤmpfe mit Geräufch und 
abwechjelnd mit größerer und geringerer Gewalt auffliegen. Das ſie 
umfchließende Geftein ift ein fefter lavaartiger rother Porphyr mit vie 
lem glafigen Zeldfpath '), der durch die warmen Dämpfe, wo biefe 
entfteigen, ganz erweicht wird. Die Kraterwaͤnde beftanden aus horis 
zontal gefchichteter braͤunlich grauer Lava und fielen fo fleil nach Innen 
ab, daß die Reiſenden Feine Stelle finden fonnten, um hinabzuſteigen. 
Bon den Seitenwänden fielen unter dumpfem Widerhall fortwährend 
Steine in den Abgrund, und in ziemlich gleidhmäßigen Zwifchenraäumen 
hörten fie von Zeit zu Zeit ein unterirdiſches, bonnerähnliches Getoͤſe, 
wie eine Artilleriefalve aus weiter Entfernung. 

Der körperliche Zuſtand von Bellemmung und Erfchöpfung und 
die durch den fo fehr verminderten Luftdruck auf's Aeußerſte getriebene 
Spannung der Blutgefäße, befonderd im Vorderkopfe und in den Aus 
gen, geftatteten den Reifenden nur einen kurzen Aufenthalt. 

Ihren phyſikaliſchen Beobachtungen nach betrug die Höhe an der 
Grenze der Vegetation 5144 engl. Fuß über Merico, und das Wafler 
fochte bei 90° Centig. um 6 Uhr Abends. Auf dem Pico del Braile 
fochte um 9 Uhr früh das Wafler bei 82° Centigr., und feine Höhe 
wurde auf 9400 engl. Fuß über Merico berechnet. Die barametrifche 
Höhe des Popocatepetl ermittelten fie auf 17,938 engl. Fuß ?). 

Am 27. Februar 1851 fand die erfte Unterfuchung des inneren 
Kraters, der fogenannten Solfatara, auf dem Popocatepeil ſeitens zweier 


— 


1) Wohl Trachyworphyr mit Dligoklaokryſtallen. G. 

2) Gs if ſehr zn bedauern, daß wir von Herrn v. Gerolt, ver bekannilich ſelbſt 
Geognoſt und Bergmann war, feinen Bericht über feine geognoſtiſchen Beobachtungen 
an dem Berge befigen, ta er bisher der einzige naturwiſſenſchaftliche Forſcher geweſen 
if, der eine Erſteigung des Popocatepetl unternonmen hat. G. 


136 C. Pieſchel: 


Franzoſen ſtatt. Dieſelben gingen von Atlixco, im Südoſten des Vul⸗ 
kans, über San Nicolas de los Ranchos, wo ſie zwiſchen letztem Orte 
und San Juan Teankismanalco einen breiten und 50 bis 200 Meter 
langen Lavaſtrom überſchritten. Sie paſſirten Zalizintla, das höchſte 
indiſche Dorf am ſüdöſtlichen Fuße des Vulkans, 2500 M. über dem 
Meere und umgeben von vullaniſchen Sandhügeln. Ihr Nachtquartier 
nahmen fie in dem aus wenigen Bretter» und Erbhütten für Arbeiter, 
ſowie aus einfachen Anlagen zu Schwefelöfen beftehenben Rancho de 
Llanacas unter den legten Tannen, indem eine furze Strede aufwärts, 
in 3826 M. Höhe, fich die Grenze der Baumvegetation befindet. Einige 
Gräfer und eine Art Immortellen ſchmückten das vulfanifche Geröll, 
verfehwanden aber bald noch eine kurze Strede höher hinauf auf dem 
todten ſchwarzen Sande, 3872 M. hoch. Mit großer Mühe fliegen 
die beiden Reiſenden auf einer ſchwarzen beweglichen Afchenfläche, bes 
jaet von Bimſtein⸗ umd Lavaftüdchen, aufwärts. Zerrifiene Lavafeljen 
und Bafaltblöde lagen in einzelnen Gruppen zerftreut, oft halb bes 
dedt vom Sande in verſchiedener Höhe. Einzelne bildeten lange Fels- 
fümme, Weberrefte eines erflarsten Lavaſtromes, andere iſolirte Fels⸗ 
fpigen, ausgeworfene erfaltere Lavablöde, die bei dem geringfien Ans 
ſtoß auf der fchrägen Sandfläche Hinabzurollen drohten. Porphyr, Tra⸗ 
chyt, Obfidian, Bafalt und andere vulfanifche Gefteine fanden fich bier 
repräfentirt. Nach zweiſtuͤndigem Steigen erreichten fie die untere 
Schneegrenze, die aus einer in Zaden und Spitzen gefrorenen 2 bie 
3 Fuß hohen Cismaſſe befland, und auf der fie wie auf einer Terraſſe 
aufwärts kletterten, was ihnen aber in Folge der guten Anmweifungen 
ihrer Fuͤhrer fo wenig Schwierigfeit machte, daß fie die Befleigung des 
Bopocatepetl in Zukunft für eine Promenade der mericanifchen Stuper 
erklärten, die nicht mehr Schwierigkeiten, als die Befteigung des Bes 
fuvs oder Aetna, darbiete. Sie hatten wegen einer ftarfen Wolken⸗ 
ſchicht, die fi um den Kegel während ihrer Beſteigung legte, nichts 
von dem Nefler der Sonnenftraglen auf dem Schnee zu leiden, und 
fühlten bei ihren noch jungen und Fräftigen Conftitutionen keinerlei 
Beichwerden beim Einatmen der dünnen Luft. Der Krater ſtieß fort- 
während fchiwefelwaflerftoffhaltige Dünfte aus, welche die dicke Kuftfchicht, 
obgleich fie noch einige Hundert Meter unterhalb der Kratermündung 
fih befanden, ihnen entgegenwarf, und das Steigen in dieſer duͤnnen 


Die Vulkane yon Mexico. 137 


Luft bei dem unerträglichen Geruche dieſer Gaſe fehr unangenchm - 
machte. Biele follen dieſer Luft nicht widerſtehen fönnen und ohnmächs 
tig niederfallen. Die Führer nennen dieſes Unwohlſein: Seekrankheit 
des Vulkans (el mareo). 

Beim Erreichen des Kraterrandes nah 5 Stunden hörten fie 
dumpfes Getöfe aus dem Innern, ähnlich dem eines fernen Waſſer⸗ 
folle8 oder der ferien Brandung des Meered. Der Kraterrand, 5344 
Meter über dem Meere, umfchließt in einem circa *ftünbigem Umfange 
einen 500 Deeter tiefen, xunden, nach Innen fpipzulaufenden Keſſel, 
deffen Seitenwände fchroff abfallen. Aus der Tiefe erhoben fich Rauch⸗ 
faulen, die aus Oeffnungen in verjchledener Höhe (fumeroles) auf: 
fliegen. Das Geräufch der ausſtrömenden Gaſe wurde untermifcht von 
dent Getöfe der fich Iöfenden, hinabſtuͤrzenden Felsblöcke und der hin⸗ 
abrolienden Afche. Die Reifenden fliegen 86 Meter tief in das Innere 
des Kraters hinab, wo fie unter einem großen Yeldblode Raſt mach⸗ 
ten, und fih ſodann an einem Selle in den Abgrund etwa 71 Meter 
tief hinabließen. Auf einem fchrägen Abfape von 400 Meter Länge 
zwifchen großen Felsblöcken und breiten, Schwefelwaſſerſtoffgas aus⸗ 
hauchenden Spalten hindurch gelangten fie auf den Fuß des Abgrun- 
des. Hier befanden fich drei Hauptdampföffnungen: In Süboften, Süs 
den und Nordoſten, von denen die erfte die ftärffte war; außerdem 
zählte man noch über 30 ſolcher Deffnungen von 1 bis 2 Fuß Durchs 
meffer, die alle unter ſtarkem Donner mit großer Gewalt dicke Dampf⸗ 
faulen mit Salzen und Schwefel gefchtwängert, auswarfen. In der 
Mitte des rundes, im Sande, befand fich eine Bertiefung mit reis 
nem Trinkwaſſer, das vermuthlih aus dem geſchmolzenen Schnee 
feinen Urfprung hatte. . 

Nach dreiſtuͤndigem Aufenthalte im Krater traten die beiden Reis 
fenden ihren Rüdweg aus der Tiefe defielben an. Er war weit müß- 
famer und gefährlicher, als das Hinabfleigen, indem fie bald auf dem 
beweglichen Sande zurüdzutichten, wobei oft große Steine mit hinab» 
tollten, bald vergeblich mit dem Fuß nad) einem fiheren Stanppunfte 
auf den lockeren zerbrödelten Steinen fuchten, bald die heißen übelries 
chenden Schwefeldämpfe fie halb ohnmächtig machten, bis fie endlich 
die fenfrechte Felswand erreichten und ſich an einem einfachen Seile 
hinaufziehen ließen, wobei fie mit Händen und Züßen arbeiten mußten, 


138 C. Pieſchel: 


um dem Seile die nöthige Richtung an den Felokanten und Spihzen 
vorbei zu geben. 

In neuefter Zeit, namentlih im Jahre 1853, ift der Popocate⸗ 
pet! innerhalb weniger Monate von mehreren Gefellfchaften erfliegen 
worden. Der Marquis de Radepont gelangte auf venfelben in Bes 
‚ gleitung eined Branzofen und eines Schweizers von Puebla aus über 
San Nicolas de los Ranchos, wobei die Gefellfchaft eine Racht am 
Abhange der inneren Kraterwand unter Steinen und Yelsvorfprüngen, 
welche die zur Zeit dort mit der Schwefelausbeute beichäftigten Arbeiter 
zu ihren nächtlichen Wohnungen eingerichtet hatten, zubrachte, und fid 
felbft an Seilen in den 300 bis A00 Fuß tiefen Krater hinabließ, um 
die Löcher und Aushöhlungen in Augenſchein zu nehmen, woraus ber 
Schwefel gewonnen wird. 

Einige Zeit darauf erflieg endlich noch der franzöfifche Maler Bin- 
gret aus Merico den ‘Bopocatepetl. Er ließ fich gleichfalls in den Krater 
hinab und fertigte fpäter einige interefiante Bilder und Anfichten da⸗ 
von an. Derfelbe brachte die Racht in jener Nifche zu, weiche, 50 Fuß 
tief am inneren Kraterrande gelegen, von den Schwefelarbeitern ale 
ein Zufluchtsort für die Nacht mit großen Felsbloͤcken umfeht war und 
von ihm fcherzweife „Uhötel du Popocatepeil“ genannt wurde. Bon 
hier wurde er an einem Seile auf einen Abſatz in ben Krater hinab- 
gelafien, wo die Arbeiter den Schwefel ausbeuten, und von wo er bie 
andere Hälfte der Tiefe des Kraters, ungefähr 300 Fuß, zu Fuß bin 
abftieg. Er vergleicht den Krater mit einem großen Schmelgofen, ver 
mit den theild in zerriſſenem und verwittertem ausgebrannten Geſtein, 


theild in vulfanifchem Sand- und Steingerölle beftehenden Weberbläbs 


feln des legten Auswurfs gefüllt ift, und woraus Hier und da durch 
Spalten Schwefelvämpfe auffteigen. Die Nifchen und Löcher am ins 
neren Kraterrande, die fogenannten Schwefelminen, wo die Arbeiter 
den Schwefel gewinnen, nennt er Solfataren und bezeichnet fie ald 
Hauptfig eines etwaigen neuen Auswurfmaterials. Die ftarfen Schwefel: 


dünfte hindern Hier oft Die Arbeiter bei ihrem Werke. Auf dem Grunde 


des Kraters zeigten fi) mehrere Heine Deffnungen, fumeroles, die 
Dampf und vulfanifches Geröll mit innerem Getöje auswarfen. Den 
ganzen Umfang des Kraters fcehägte Der Reiſende auf 4 Stunde. 

Ich felbft beftieg den SBopocatepetl am 26. März 1853 in Gefell 


Die Bulfane von Merico. 139 


haft von fieben anderen, den verfchiedenften Nationen angehörigen Reis 
jenden (dem Franzoſen M. Birlet d'Aouſt, den Engländern MM. George 
Hamilton, Sir Francis Lyon, N. Davidfon, R. I. Budley, dem Nords 
amerifaner John G. Eofter aus New⸗York und dem Deutfchen H. 
Hubdemann aus Hamburg). Wir brachen Tags zuvor von dem Eifens 
werke San Rafael auf, gingen über Amecameca, wo wir bie nöthigen 
Führer refp. Träger für die Nahrungsmittel für Menfchen und There 
mit und nahmen, und gelangten über die Heine Hacienda Tamacoco 
nach einem Aftündigen Ritte über die Vorberge, durch einen ununter 
brochenen Tannenwald auffteigend, gegen Abend nach dem Rancho Tla⸗ 
nacad. Mir waren größtentheild dem Wege von Amecameca nad 
Puebla gefolgt, welcher zwijchen den beiden Bulfanen den Bergrüden 
überfteigt, und auf welchem einft Cortez mit feinem Croberungsheere 
zum erften Male in das Thal von Tenochtitlan hinabgeftiegen ifl. Der 
aus wenigen Holz⸗ und Erbhütten, fowie aus einigen einfachen Oefen 
befichende Rancho Tlanacas ift von zwei Gefellfchaften, der aus Mes 
xico und ber aus Puebla, die gegenfeitig das ausfchließliche Eigen- 
tbumsrecht der Schwefelminen im Krater für fih in Anfpruch nehmen 
und deshalb ſchon darüber in PBrocefie verwidelt find, erbaut, um den 
vom Krater herabgeichafften Schwefel zu ſchmelzen und gereinigt fofort 
nad) den Städten Mexico und Puebla zu verfenden. In einer mit 
Gras und Erbe bedeckten zeltartigen Hütte von Tannenflämmen fans 
den wir, wie unfere Diener in einer zweiten, binreichended Unterkom⸗ 
men. Der Abend war bereits fehr fühl und die Luft fo fein, daß 
man fich troß der warmen Kleider und Deden nur in der Rähe eines 
mächtigen Feuers wohl fühlte Die Höhe dieſes Punktes mittelft Ko⸗ 
chen des Waſſers feftzuftellen, mißglüdte, da der Apparat bereitd auf 
dem Transport gelitten hatte. Der Rancho liegt mitten in einem Tan 
nenwalde am Anfange einer Fleinen Schlucht, die etwas Waſſer liefert, 
was auch fein indifcher Name Tlanacas bezeichnen fol. Die Spige 
des Bulfans erfchien von hier wie ein runder weißer Schneerüden, 
der leider nur noch kurze Zeit in den Straßlen der untergehenden 
Sonne erglänzte und fich bald in bide Nebelwolken hüllte, die ber 
Wind hinauftrieb und um ihn legte. Um 3 Uhr am andern Morgen 
waren endlich die vielen Pferde gefattelt und mit den jäumigen Füh— 
vern Alles geordnet. Wir ritten eine halbe Stunde im Binienwalde 


140 C. Pieſchel: 


fort und uͤberſchritten bald nach dem Aufhoren deſſelben die Grenze ver 
Vegetation. Unfer Weg führte Durch einen Baranco auf ber nörblis 
chen Seite des Bergfegeld nad Oſten zu ſtets in tiefem vulfanifchen 
Sande bergan fleigend. Obgleich derfelbe nur almählig an dem Kegel 
anftieg, war ber Sand Doc fo tief, daß die Pferde bald fehr ermüde⸗ 
ten, und wir e8 bei dem langfamen Gehen faum vor Käfte aushalten 
fonnten. Nach 14ftündigem Steigen ließen wir die Pferde nach dem 
Rancho zurüdbringen, feßten mit unferen indifchen Führern den Weg 
zu Fuß fort, unterflügt von langen, mit Eifen befchlagenen Alpen 
ſtöcken, und gelangten kurze Zeit darauf an einige aus dem Sande 
hervorragende Lavafelfen, worauf ein Hölzerned Kreuz errichtet war, 
Luaco genannt. Hier fing der Tag am zu grauen. Der Sand wurde 
mit jedem Schritte bergan fefter Durch den Froft, und wir famen bald 
auf eine glatte ſchwarze Eismaffe, auf der das Steigen fehr gefährlich 
wurde. Es war Died der Uebergang zum Schnee. Der Sand wir 
durch das am Tage herabfließende Schneewafler fo getränft, daß die 
ſes, während der Nacht gefrierend, eine fürmliche Eisfrufte bildet. Schon 
hier vermochten einige unferer Gefährten, die weniger ficher und fell 
auf den Fügen waren, kaum zu folgen und mußten oft ifre Hände 
zu Hilfe nehmen. Die Steigung mochte mehr ald 35 Grad betragen. 
Nach einer halben Stunde erreichten wir den Schnee, der nicht ſehr 
tief war. Um mir das Steigen in demfelben zu erleichtern, folgte id 
dem Beifpiele der Indianer, bie fich die Stride um die Sohlen der 
Schuhe banden, um das Ausgleiten zu verhindern, und trat flets in 
die Fußtapfen der vorangehenden Führer. Auf dieſe Weiſe immer 
fhräg am Kraterfegel, deſſen Neigung ftets fteiler wurde, auffteigend, 
waren wir von ber weflichen Seite ganz nach der öftlichen des Bub 
fans herumgekommen. Se höher wir famen, deſto eiftger und feſter 
wurbe der Schnee, der bald fogar in fürmliche Heine Eisfpalten über 
ging, welche dadurch entftehen, daß die heißen Sonnenftrahlen am Tage 
den Schnee fchmelzen, deſſen Wafler dann bei dem flarfen Abfall ded 
Kegels in dem Eife rinnenartige, allmählig fehräg am Berge hinab: 
laufende Bertiefungen bildet. Man muß fo treppenartig aus einer 
Spalte in die andere fohräg aufwärts klettern; dabei find die Ränder 
derfelben oft fo fpis und Fantig von harten Eiszaden gebilvet, daß he 
die Füße und die bei diefem Klettern nothwendig oft in Anſpruch ge 








Die Vulfane von Merico. 141 


nommenen Hände blutig reißen. Sch beivunderte einige Indianer, die 
ohne Sandalen oder Schuhe mit bloßen Küßen auf diefem Schnee und 
Eife fortlletterten, ohne fh zu verwunden oder über Kälte zu Flagen. 
Als die Sonne auf dieſer Stelle uns überrafchte, bot fih uns ein un- 
beichreibliches Schaufpiel dar, wie ich es einft nur ähnlich von dem Pic 
Teyde auf Teneriffa gefehen hatte. Ein weißes Wollenmeer hatte den 
Luftraum gegen Often in zwei Etagen getheilt; unter bemfelben lag 
die Ebene von Puebla (Anahuac) mit den bewaldeten Abhängen, und 
über demfelben erjchienen die düfteren Yelsrüden der Malinche und des 
Cofre de Peröte, ſowie der bfendende Schneefegel des Pic von Ori⸗ 
zaba, neben welchem die mächtige Sonnenfcheibe fich gravitätifch in den 
blauen wolfenlofen Aether erhob. 

Unfer Weg wurde durch die Sonne befchwerlicher, indem der 
Schnee fih loderte und das Eis durch das Schmelzen fchlüpferig 
wurde; dazu fam, daß wir jet unfer Geſicht durch Schleier und um- 
fere Augen durch farbige Brillen gegen die auf der Schneefläche re 
flectirenden Eonnenftrahlen fhüten mußten, um nicht das Schidfal 
des Herrn v. Gerolt und feines Gefährten zu haben, bie ihren erften 
Verſuch der Befteigung aufgeben mußten, weil ihnen das ganze Ges 
ſicht und die Augen fo geſchwollen und entzündet waren, daß fie erſt 
nach vier Wochen fich von diefer furchtbaren Einwirfung des Schnee’s 
wieder hergeftellt fahen. 

Die Luft wurde fühlbar immer dünner und geftattete nur 30 bie _ 
40 Schritte zu thun, nach denen man wieder neue Kräfte durch Still 
ftehen fammeln mußte. Das Steigen war auf dieſe Weife weniger 
gefährlich und befchwerlich, als augenblidlich ermattend und erfchlaffehb. 
Endlich nah 8 Uhr, alfo ungefähr nad Sflündigem Steigen vom 
Rancho, wie man und vorhergefagt Hatte, erreichten wir nad) einander 
den Kraterrand, und zwar im Often, an feiner niebrigften Stelle. Der 
Auf der erften Ankömmlinge, daß glüdlih das Ziel erreicht fei, gab 
Manchem der Nachzügler, wovon einige fchon fo erfchöpft waren, daß 
fie vom Weiterfteigen abftehen wollten, und andere fogar fchon nahe 
daran waren, vor Erfchöpfung in Ohnmacht zu fallen, fo viel Kraft 
und neuen Muth, daß wir uns bald Alle oben glüdlidh und wohlbes 
halten verfammelt fahen. 

Die Luft war dünn und falt, und die didften Deden genfigten 


142 \ C. Pieſchel: 


ſelbſt in der Sonne kaum, uns zu erwaͤrmen. Das Thermometer zeigte 
nur 60 R. an. Auffallend war die Erſcheinung, daß die Luft in der 
Nacht bis zu Sonnenaufgang weniger kalt ſich fühlbar gemacht Hatte, 
al8 nach Sonnenaufgang, und in der That ſank auch das Thermo- 
meter am tiefften unmittelbar vor und nah Eonnenaufgang, wo «6 
faum 1 bis 2° R. angeigte. Yür den Körper war diefer Contraft 
um fo fühlbarer, als die Luft bis zu Sonnenaufgang auffallend ruhig 
und fill blieb, während mit dem Erfcheinen der Sonne eine flärfere 
Luftftrömung entftand, und vielleicht auch durch den Einfluß ver 
Sonnenftraßlen die Haut mehr erwärmt und deshalb empfindlicher ges 
gen die Külte der Luft wurde. 

Der Krater zeigte eine ovale Deffnung, die von Nordweſten nad) 
Südoften ihre Rängenare und einen Umfang von ungefähr einer 
Stunde hat. Im Süpdmeften befindet ſich der höchfte Punkt des Kra⸗ 
terrandes, der ſich gegen Oſten zu dem niebrigften Punkte Hinabzieht. 
Ich verfuchte, nach dem höchften Punkte zu gelangen, fonnte aber nur 
auf der Nordſeite des Kraterrandes herum bis zu Dreiviertel biejer 
‚ Seite, dem zweithöchften Punkte des Kraterd, gelangen, da der jühe 
Abfall der Kraterwand auf der inneren Seite, fteile rauchende Felſen 
und eine tiefe Schlucht im Eife auf dem Außeren Rande am weiteren 
Vorbringen auf diefer Seite hinderten. Der Krater bat eine trichter: 
fürmige Geftalt, deren Tiefe ich auf 500 bis 600 Fuß abfchäte, und 
. die ich noch bei Feinem Vulkan fo fchön regelmäßig geformt gefehen 
habe. Die Wände fallen fteil zu allen Seiten ab, und nur an ber 
öftlihen, wo wir angelangt waren, laflen die Arbeiter der Schwefel: 
minen fi an einem 240 Fuß langen Seile hinab. 

Seit dem Jahre 1848 Hat man nämlich hier mit der Ausbeutung 
des Schwefeld begonnen, der fich eines Theils gefchmolzen, indem er 
ſich ftrahlenförmig um die Deffnungen ergießt, anderen Theil aus den 
Dämpfen condenfirt, in Zaden, Blumen, Kriftallen und Staub geformt, 
findet. Man gewinnt ihn in einer Tiefe von 300 bis A400 Fuß auf 
einzelnen felfigen Abfägen aus der Kraterwand. Derfelbe wird in Hei- 
nen Säden mittelft einer Winde nach oben gezogen und dann, auf 
Rindshäuten zufammengepadt, auf einer Art Rutſchbahn auf dem Eiſe 
und Schnee bi8 an den Fuß des Kraters hinabgerutfcht, von wo er 
mit Efeln nach dem Randho zum Kochen weiter beförbert wird. Ter 








Die Vulkane von Merico. 143 


Schwefelreichtfum fol ganz bedeutend fein, doch wird über den Betrag 
der Ausbeute nach mericanifcher Art tiefes Schweigen beobachtet, ente 
weder weil man fich Feine Concurrenz fchaffen will, oder weil man felbft 
ven Ertrag nicht genau anzugeben vermag. Andererſeits hat aber theild 
ber Streit über das Eigenthumsrecht, theils der befchräntte Confum im 
ganzen Lande bei den hohen Betrieböfoften noch jeden flarfen Betrieb 
gehindert. Die Arbeiter bringen die ganze Woche über im Krater bei 
ihrer Arbeit zu, haben fich bereits dort unter Felsbloͤcken einen ganz 
wohnlichen Aufenthalt für die Nacht eingerichtet und fleigen nur bes 
Sonnabends herunter, um bis zum Montag im Kreife ihrer Familie 
zu leben. 

Die Wände des Kraters find von Schichten verfchievenen Ges 
fteind gebildet, von deren Abſaͤtzen im Innern oft ganz malerifch lange 
Eiszapfen herabhängen. Die Schichten liegen horizontal und geben 
durch ihre verfchievdenen Farben ein eigenthümliches Bild. Sie wech 
fein vom dunfelften Roth in's Yleifchfarbige, in's Gelb, Braunroth, 
Gelbbraun ıc. Daß dieſe Schichten durch die vulfanifche Thaͤtigkeit 
aus dem Innern ver Erde aufgetriebene Steingebilve fein follen, das 
gegen feheint ihre Freiöförmige, Horizontale Lage zu fprechen. Ich Halte 
dieſelben deshalb vielmehr für einzelne Lava» und Auswurfsfchichten, 
pie fich je nach der Thätigkeit des Vulkans in Folge jedes Ausbruchs 
gebildet und fo mit der Zeit über einander gelegt Haben. Daß man 
jeßt die Schichten, wie Bänder, über einander liegen fieht, hat das 
Snfichzufammenfinfen des Krater nach dem lebten Auswurfe hervors 
gerufen, indem das Geftein des äußeren Kraterrandes erfaltet ift und 
ſich verhärtete, während der inwendige noch meichere Rand durch wies 
derholte Ausmwürfe eine glattere, fteilere Abdfchleifung erhielt. 

Die Bodenflaͤche des Kraters, die man ganz deutlich vom oberen 
Rande überfehen kann, mag vielleicht ein paar Hundert Schritt im 
Umfang haben. Sie ift mit Schnee und Eis und an einigen Stellen 
mit hinunter gerutfchtem Steingerölle bevedt. An zwei Stellen fah 
ich aus derfelben dunkle Rauchwolfen auffteigen, die fich ſtoßweiſe aus 
dem Krater erhoben, in freier Luft aber bald verfchwanden. Obgleich 
ihre Farbe eine Mifchung mit anderen Subflanzen, vielleicht mit Afche 
oder Sand ꝛc., verrieth, fo fonnte ich doch nichts als Dämpfe wahr: 
nehmen. Ebenſo befanden fich zwei Stellen auf dem Kraterrande im 





144 G. Vieſchel: 


Süden und Rorbweiten, welche leichte Schwefeldaͤmpfe aus Spalten 
aushauchten. An der legten, wo zwifchen dem Lavageftein die heißen 
Dämpfe emporfliegen, war das Geröll einige Finger breit unter ver 
Oberfläche brennend Heiß, und die ganze Oberfläche warm und weid, 
Die auffteigenden Dämpfe lagern ihre falzgigen Theile auf dem Geftein 
in einer weißen Krufte ab und bilden durch Riederfchlag Feine Waſſer⸗ 
rinnen nach innen, die fich theild in dem vulfanifchen Sande verlaus 
fen, theils zu Keinen Eiszacken erftarren. Sie enthalten im Ganım 
viel Alaun, Kochſalz und Kupferoryd. An dem oberen Kraterrande 
bemerft man feinen Schwefel, obgleich die Dämpfe an einzelnem Ge⸗ 
ftein, wo fie ausfteömen, dünne braungelbliche Schwefellagen abfehen; 
doch fchon einige 20 Fuß an der öftlihen Kraterwand hinab bemerh 
man zwifchen dem Geflein große Stüden Schwefel, die ſich nad der 
Tiefe des Kraters zu mehren fcheinen. 

Bon einer weiteren vulfanifchen Thätigfeit, von Afchen- und Sant: 
auswürfen, von unterirvifchem Getöfe, Erfchütterungen ıc. war mäh- 
rend unferer Anmefenheit nicht das Geringfte zu fpüren. Es herrſchte 
eine Ruhe auf und in dem Krater, wie auf einem längft entihlum 
merten Bulfan, und hätten jene Dampffäulen nicht die Thätigkeit eined 
unterirbifchen Elementes verrathen, jo würde man nicht gewußt haben, 
daß man auf einem Vulkan fleht. 

Außer der imponirenden Form dieſes Kraterd zog namentlich nes 


die Formation der Schnee» und Eisgebilde, die wie ein weißer Mantel | 


mit aufrecht ſtehenden, fein gezadten Kragen den Kegel umbüllen, mein: 
Aufmerffamfeit auf fih. Der Schnee, der fi durch die tägliche Ein 
wirfung der Sonnenftrahlen auf der oberen Spike des Kegeld zu ir 
nen Eislanten geformt hat, umzieht den oberen Theil des Kraterkegel? 


in fchrägen, von Welten nach Oſten herablaufenden Spalten, deren 


Ränder oft 2 bi 3 Fuß hohe fpigzulaufende Eisfanten von ben Hr 


ſchiedenſten Geftaltungen bilden. Diefe umfchließen den Kratertand 
auf eine Entfernung von circa 12 bis 18 Fuß von der höchften Linie 


deffelben abwärts, je nachdem die innere Wärme bed Gefteines durch 


die fortdauernde vulfanifche Thätigkeit das Eis und den Schnee zu⸗ 


rüddrängt, und fchmüden gleichfam die Krateröffnung wie ein weikt, 
geftärkter, hochftehender Kragen, wodurch das Ganze ein eigenthümli 
ches Ausfehen erhält. 


Die Vulkane von Mexico. 145 


Gletſcher Hat der Poporatepetl gar nicht, da die Neigung bes 
Kegels zu flark ift, und ber Schnee, wie das Eis, nur wenige Fuß 
hoch Kegt, auch die Schluchten nur von geringer Tiefe zu fein fcheinen. 
Der Schnee ift Törnig und ähnelt dem Firne auf den ſchweizeriſchen 
Gletſchern, indem er fich meift zu Heinen Eiskoͤrnen geftaltet. Eine 
eigenthümliche Erfcheinung bieten auf dem norbweftlichen Abhange bie 
burgartigen, gefchichteten Eismaflen, bie als große oblonge, vieredige, 
Iharfabgelantete Schneelaften fich zwiſchen der Spike und dem Pico 
del Fraile neben tiefen Spalten im Schnee herabjiehen. Es waren 
Formen von Schneemafien, wie ich fie nie gefehen. Sie näher in 
Augenſchein zu nehmen, hinderten die vielen Schluchten und Abfchüffe 
im Schnee zwiſchen und und ihnen. Die Entftehung diefer Maflen 
blieb mir eben fo räthfelhaft, wie ihre Form felbft, und ich fann bie 
fcharfen, Iangen Seitenfanten mir nur durch ein gewaltfames Abbrechen 
der Maſſen durch eine herabrollende Lawine oder duch flarfe Waſſer⸗ 
firöme in Folge von Regen erflären. 

Auf der füblichen Seite des Kegeld fah ich bei meiner fpäteren 
Rundreiſe um den Bopocatepetl im December 1853 fehr wenig Schnee 
und nur große Felder von fchwarzem vulfanifchen Sande, die fich in 
dem Gerölle fleil herabzogen und um fo mehr ſich dem Auge bemerkbar 
machten, als fie von großen rothen Flecken und Streifen am oberen Ende 
eingefchloffen waren. Diefes war ohne Zweifel ein ausgehranntes, 
rothes, vulkanifches Geftein, das ifolirte, aus dem Dunklen Gerölle her 
vorragende Felsmaſſen bildete. 

Was aber die Mühen und Anftrengungen der Beſteigung des 
Popocatepetl am meiften belohnt, das ift das herrliche, über alle Bes 
fchreibung überrafchende Banorama, welches der weite Gefichtöfreis bei 
fhöner Beleuchtung und Harer Luft gewährt. In vielen Geographien 
und Reifebefchreibungen heißt e8, daß man von diefer hohen Spige die 
beiden Meere, den atlantifchen, wie den ftillen Ocean fehen fönne. Die 
Möglichkeit mag in Berüdfichtigung der Höhe vorhanden fein, doch 
trage ich Bedenken, ob je ein fterbliched Auge dieſen Genuß gehabt hat, 
indem es wohl felten ober nie Augenblide geben dürfte, bie auf Dies 
fer Höhe nach beiden Seiten hin einen fo weiten Gefichtöfreis in der 
nöthigen Klarheit gewähren, da je nach der Luftſtroͤmung eine Dunft- 
ablagerung fich ſtets auf einer Seite zeigt. Wir Hatten es mit. dem 

Zeitſchr. f. allg. Erdfunde. Bo. V. 10 


146 C. Pieſchel: 


Wetter Außerft glüdlich getroffen. Die Nacht, wie der ganze folgende Tag, 
war fehr ruhig, und nur gegen Often hatten bie wärmenden Strahlen 
beim Sonnenaufgang den Dunft zu Wolfen zufammen gezogen, und eine 
ſchneeweiße Wolkenſchicht hatte zugleich den Horizont in zwei Etagen 
geteilt. Während darunter das weite Thal von Puebla mit der Stabt 
gleiches Namens und vielen zwifchen den bewaldeten Bergabhängen und 
fruchtbaren Feldern der Ebene zerftreut liegenden Ortfchaften und Land» 
gütern ſich ausdehnte, und durch die verfchievdenartigen Farbennuancen, 
durch die eigenthümliche Beleuchtuug und den Schattenrefler der Mor 
denfonne ein intereffantes Bild ſich darbot, erhoben fich über der weis 
Gen Wolfenfläche die dunklen zerrifienen Felsruͤcken der Malinche und 
des Cofre de Perote, fowie der weiße Kegel des Pic von Drizäba, 
von rofigem Morgenlichte gefärbt, in dem eigentbümlich durchſichtigen 
blauen Aether. Am füblichen Buße des Berges dehnt fi das Thal 
von Amilpas mit feinen hellgrünen Zuderfeldern aus. Gegen Welten 
begrenzen die Berge von Ajusco, fowie Binter denfelben bie Hochebene 
von Toluca mit ihrem ſtolzen Schneegebirge, dem Nevado de Toluca, 
den Horizont. Gegen Süden und Südweſten ſchweift das Auge über 
unendliche mannigfach geformte Bergrüden der Sierra madre in den 
Staaten von Dajaca und Puebla. Gegen Norden und Nordoſten 
breitet fich das Thal von Merico mit der lang gebehnten weißen Häufer- 
mafle der Hauptftabt und den hellerglänzenden Waflerfpiegeln der 2a 


gunen von Ghalco, Xochimilco, Tescoro, San Eriftobal und Zumpano 


aus, defien Hintergrund die Gebirge der Bergwerksdiſtricte von Pa 


chuca, Real del Monte, Atotonilco el Chico, Zimapan, San Zofe dei 


Oro, el Doctor, und in weiter Ferne die von Guanajuato bilden. Zu 
unferen Füßen lag der Irtaccifuatl mit langem zerrifienen Schneerüden 
und präfentirte fich in einer fchöneren Form und Beleuchtung, als von 
irgend einer Seite aus dem Thale gefehen, indem die weiße Schnee 
maſſe einen überrafchenden Contraſt mit den büftern Schluchten feiner 
Abhaͤnge bildete. 

Bon Beängfligungen und Andrang des Blutes zum Kopfe, wos 
von fo viele Reiſende bei einer derartigen Beſteigung erzählen, ver- 
fpürte Feiner unferer Gefährten das Geringfte. Einige, die fehr er- 
Höpft angelangt waren, erholten ſich allerdings nur langſam wieder 
und genoffen nur mit Widerwillen einige Erfriſchung. Ich ſelbſt Hatte 


Die Vulkane von Mexico. 147 


auf das Sorgfältigfte auf meinen Förperlichen Zuftand Acht, muß aber 
geftehen, daß ich nach einem mehr ald zweiſtündigen Aufenthalte in 
diefer dünnen Luft, den ich meiftentheild zu Unterfuchungen und Sam⸗ 
meln der verfchievenen Gebirgsgeſteine und des Schwefels, fowie zum 
Entwerfen einiger Skizzen benußte, nur einen ganz unbedeutenden Drud 
oberhalb der Augenhöhlen im Kopfe verfpürte, der fich mit jedem 
Schritte bei dem fpäteren Hinunterlaufen verringerte. 

Zu dem Hinabfteigen gebrauchten wir faum den britten Theil der 
Zeit des Hinauffteigens, indem wir namentlich auf dem loderen Schnee 
und Sande in langen Sprüngen hinabeilten, wobei wir allerdings oft 
bis zur halben Wade in bemfelben verfanfen. Wir entbedten auf dies 
fem Wege ein langes Seil, welches ftellenweife am Boden im Eife und 
Schnee, wie im Sande, befefligt war, und wahrfcheinlich den Arbeitern 
beim SHinauffteigen behilflich fein follte, indem dieſe ſich an demfelben 
hinaufziehen. Wir benußten es gleichfalls bei dem Hinabrutfchen. An 
der Schneegrenge, am Ende der Nutfchbahn für die Schwefelfäde, fans 
den wir in einer Kleinen Schlucht ein Kleines hoͤlzernes Haus, eine 
Zufluchtöflätte der Arbeiter bei böfem Wetter, das aber zur Zeit größ- 
tentheild mit Schnee angefüllt war. 

Um 2 Uhr waren wir, in jeder Weife vom fchönften Wetter bes 
günftigt, glüdlich wieder im Rancho Tlanacas, wo wir leider weder 
unfere Diener, Pferde, noch Lebensmittel fanden, da biefelben auf Res 
quifition des Richters aus San ago, der das Befleigen des Pics 
ohne befonvere Erlaubniß von ihm oder den Pueblaer Eigenthümern ber 
Schwefelminen zu hindern firebt, auf Pueblaer Territorium in Befchlag 
genommen und abgeführt waren, fo daß wir und genöthigt fahen, bie 
A Leguas bis Amecameca noch zu Fuß zu machen, um Lebensmittel 
und Pferde zu erhalten. Abends 10 Uhr gelangten wir, obgleich fehr 
ermübet, doch glüdlich und ohne weiteren Unfall in San Rafael an, 
von mo Ich den folgenden Tag bei guter Zeit das 13 Leguas entfernte 
Merico erreichte. 

(Fortſehung folgt.) 


10* 


IV 


Weber die wiflenfchaftliche Reiſe der drei Gebrüder 


Sclagintweit in Indien. 


Nach Originals Doenmenten und Briefen im Anszuge mitgetheilt (Mitte Juli). 





Es iſt dem Unterzeichneten durch die gütigen Zuſendungen des 
Herrn Alexander von Humboldt vergoͤnnt, aus den Original⸗Docu⸗ 


menten ber bisher bei und eingelaufenen verſchiedenen Berichte und 
Briefe der genannten deutfchen Reifenden, bie, wie fchon durch Je 


tungsblätter befannt geworben, glüdlich in Indien angefommen und 
von Bombay über Madras nad) Calcutta förtgefchritten waren, einige 
genauere Ergebniſſe ihrer für verfchiedene Zweige pofitiver Wiſſenſchaf⸗ 
ten wichtigen Unternehmung zu veröffentlichen. 

Wenn fte auch nicht, wie unfere beutfchen afritanifchen Reifenden 
im centralen Sudan, eine bisher faft gänzlich in Zabel und Dunfel ge 
hüllte Terra incognita topographifch zu entveden Haben, fo ift ihre 
Aufgabe, die noch verfchleierten phyſikaliſchen Geſetze der Natur in den 
wunberreichen Bormen und Erfcheinungen des umfangreichften und colof 
falten Hochgebirged unjeres Planeten, des Himalaya» Syfemd, 
näher zu erforfchen, doch nicht weniger großartig und ſchwierig. Sie 
werden dies auf das Sorgfältigfte mit allen Mitteln thun, melde 
felbfteigene Uebung und Erfahrung in den Riefenhöhen der Alpen Eu 
ropa’s ihnen an die Hand geben, und die der mitgeführte Schah 
für alle Erfcheinungen geeigneter Meß⸗ und Beobachtungs-mftrw 
mente und Apparate ihnen darbietet, und zwar fo weit ihre jugend 
lichen Kräfte ihnen dies zur Vervollſtaͤndigung vorangegangener, eng 
liſcher Beobachtungen, die und noch in der jüngeren Zeit von ba 


Die wiffenfchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 149 


hochverbienteften Männern, einem Br. H. Hodgſon, Th. Thomfon, A 
Campbell, Joſ. Hoofer, &. Strachey und Anderen zu Gute gekommen 
find, geftatten werben. 

Ihre wiffenfchaftlihe Vorbildung hierzu iſt von ben Meiftern in 
Deutfchland und auch in England, wo wir nur einen Faraday nennen, 
erprobt; ihre Haffifchen Arbeiten über die bairifchen und ſchweizer Als 
pen, zumal über den Monte Rofa, liegen bereit vor, und die Webers 
windung der großen Arbeit ihrer neuen Aufgabe wird durch Das er⸗ 
freuliche Zuſammenwirken dreier Brüder wohl möglich fein. 

Kur durch großmüthige mehrjährige Unterſtuͤtzung Sr. Majeftät 
unſeres allergnädigften Königs unter dem Patronate eines A. v. Hum⸗ 
boldt, der einft von dem Cordillerenſyſteme herab den ganzen Planeten 
mit einem neuen wiffenfchaftlichen Lichte überftrahlte, konnte eine folche 
Arbeit unternommen werben. Dank der raftlofeften Förderung unferes 
Großmeifters aller wifienfchaftlichen Reife» Erpeditionen, Dank aber auch‘ 
der eifrigften Hingebung des damaligen Gefandten in London, des 
Ritters Bunſen, und deſſen Vermittelung bei den Gebietern Indiens, 
wozu er den energifchen Beiltand der Royal Society und der oflindi- 
fchen Compagnie unter der Leitung des die Wiſſenſchaft überall för⸗ 
dernden trefflichen Golonel Sykes gewann und fich der befonderen 
Stüße der magnetifchen Commiffion, unter des edeln Colonel Sabine 
einfichtöreicher Leitung, zur Mitwirkung und Durdhführung des großen 
Unternehmens erfreute. Nun erft, nach Jahre langer Vorarbeit und 
auf das forgfältigfte mit einem reichen Schatz Foftbarer phyſikaliſcher 
Inſtrumente, mit Borkenntnifien, Brieffhaften und Geldmitteln ausge 
rüflet, wurde e8 den unter ſich brüderlich vereinten und jeber in fel- 
ner Art befählgten jungen Männern möglich, durch den indiſchen Ocean 
fchiffend, ihrer großen Aufgabe vertrauensvoll entgegen zu gehen. In 
der indiſchen Welt war ihnen durch die perfönliche Befreundung und 
den Weltruf ihres überall befannten und bewunderten Beſchützers, 
A. v. Humboldt, der Weg zu den oberften Gipfeln der Staatsbehör- 
den, wie zu allen wifienfchaftlichen Gapacitäten gebahnt. 

Das erfle Schreiben der drei Brüber Adolph, Hermann und 
Robert Schlagintweit an ihren Föniglichen Beſchirmer nad) der 
Ueberfahrt von England im Dampfichiffe nach Aegypten und von Da 
durch das vothe Meer nach Indien ift vom 14. Rovember 1854 von 


150 &. Ritter: 


Bombay aus datirt und am 10. Januar d. 3. Hier in Berlin ange 
langt. Man hatte am 20. September Southampton auf dem großen 
Dampfer „Indus“ verlaffen und landete am 5. October, alfo nad 
16 Tagen, in Alexandrien. Nach raſcher Reife durch Aegypten fuhr 
man am 8. October von Sues ab, erreichte Aden am 14. und Bom⸗ 
bay am 26. October, alfo in 19 Tagen. Die Bemüßung, an ver- 
ſchiedenen Punkten möglichft genaue Angaben über die Temperatur 
und über das fperififche Gewicht des Meerwaſſers zu erhalten, ergab 
zunächft, daß die Temperatur deſſelben im Mittel fehr conflant war, 
dagegen bebeutenb zunahm, je weiter man nach dem Süben gelangte. 
Während z. B. im Mittel der verfchievdenen Beobachtungen die Tempe 
ratur des Waſſers im nördlichen Theile des atlantifhen Meeres zwi- 
Liſſabon und Gap St. Vincent 20 bis 21° Celſ. zeigte, war die im 
wittelländifchen Meere von Gibraltar bis Malta 21 bi 22° C., von 
Malta bis Alerandrien 23 bis 24° €. 

Sehr beveutend iſt die Wärme im rohen Meere; im nördlichen 
heile von Sues bis zum 23° nördl. Br. wurden 24 bis 28° E., im 
ſuͤdlichen Theile von 23° nörbl. Br. bis gegen Babsel-Mandeb 30 
bis 319,5 Eelf. mittlere Temperatur des Meerwaſſers beobachtet. In 
dem perfifchsarabifchen Meere wurbe die Temperatur wieber etwas 
geringer; fie betrug bei Üden und Bombay 27 bis 28° Eelf. 

Das rothe Meer iſt nicht nur das mwärmfte, fondern auch bei 
weitem das falzigfte Diefer verfchiedenen Meere. Das Marimum 
des fpecififhen Gewichts betrug 3.3. im Golf von Sues 1,393. 
Im Mittel für das rothe Meer fanden die Reifenden 1,031, während 
das Mittel im atlantifchen Meere 1,0277 und im arnbifchen Dieere 
1,0278 betrug '). Diefer Unterſchied wird dadurch hervorgebracht, daß 
das rothe Meer ein Binnenmeer ift, welchem die Nähe der heißen Länder 
mafjen von Afrifa und Arabien eine bedeutende Erwärmung mittheilt. 
Der Zufuß von füßen Waſſern if nicht hinreichend, um die große 
Berbunftung in Folge der Hige zu compenfiren, fo daß nothwendig 
nach und nach der Salzgehalt des Meerwaflerd zunehmen muß. Diele 
Ungleichheiten in dem Salzgehalte und in der Temperatur der vers 


’) Wergl. Monatöberichte der Königl. Preuß. Alademie der Wiſſenſchaften, Fe: 
bruar 1855, S. 73. 


Die wiffenfchaftliche Reiſe ner Gebruͤder Schlagintweit in Indien. 151 


fHiedenen Meere werden theilweife durch Die Meeresſtroͤmungen aus- 
geglichen, welche man da, wo zwei Meere nur durch fchmale Ganäle 
verbunden find, oft in fehr ausgezeichneter Weiſe beobachten kann. Die 
Meerenge von Gibraltar und die Straße von Babsel-Mandeb zwis 
hen dem rothen und arabiſchen Meere boten in biefer Beziehung einige 
interefjante Erfcheinungen dar. In der Straße von Gibraltar geht 
ein Talter Strom aus dem atlantifchen in das mittelländifche Meer. 
Das kaͤltere Waſſer befindet fih Hier auf der Oberfläche, und erſt in 
der Tiefe begegnet man dem wärmeren Strome des Mittelmeeres. Man 
follte eigentlich Die umgekehrte Erfcheinung erwarten, nämlich daß das 
wärmere Wafler, als das leichtere, ſich an ber Oberfläche befinden 
müffe. Diefes anomale Verbältniß erflärt fich jeboch daraus, Daß das 
Wafler des atlantifden Dreand weniger Sal enthält, ald das bes 
Mittelmeeres, und daher ungeachtet der größeren Kälte doch noch abs 
folut leichter bleibt, ald das wärmere, aber falgreichere Waſſer des letz⸗ 
tern. An der Straße von Bab⸗el⸗Mandeb war der kalte Meeresitrom 
aus dem arabifchen Meere durch Die geringere Temperatur des Waſſers 
ebenfalls fchon lange vor der Einfahrt in die Straße felbft deutlich 
bemerkbar. 

Die Reife durch Aegypten war fehr interefiant, aber nur flüchtig. 
Die Wüſte, die wie durchzogen, fagen die Reifenden, befleht nicht aus 
bloßem Sande; es find im Gegentheil zahlreiche Keine und große Ges 
ſchiebe eingemifcht, die dem Boden eine größere Feſtigkeit verleihen, als 
man vermuthet. Die Wüfte ift entfchieven ein: ehemaliger, jebt empor⸗ 
gehobener Meeresboden. Wir waren im Stande, eine Reihe alter 
Meeresſtrandlinien, voll von Seemufcheln, gegen 200 Fuß über dem 
Meere aufzufinden. 

Die Lage von Bombay ift ausgezeichnet ſchoͤn. Die ganze Inſel 
dieſes Namens mit beinahe einer halben Million Einwohner iſt bevedi mit 
ihönen Lanphäufern, Balmenhainen aller Art und Anpflanzungen. Die 
Ausficht auf das Meer auf der einen Seite und auf die blaue Kette 
der Ghats auf der anderen bildet einen fehr ſchoͤnen und wechſelnden 
Hintergrund der Landſchaft. Ueberraſchend ift die große Anzahl ber 
verfchlenenen Racen, welche man bier vereinigt finde. Die erflen 
Verſuche, verfchievene ethnographifche Photographien mit einen vorzuͤg⸗ 
lichen Apparate zu fammeln, find bereitd gemacht. 


152 &, Bitter: 


Der Gouverneur der Bräfiventichaft Bombay, Lord Ekphinftone 
— der große Staatsmann (f. Allgem. Erdk. VI, 1078-1087), welcher 
durch feine Gefandtfchaftsreife nach Cabul und feine Geſchichte von In⸗ 
dien auch Iiterarifch berühmt ift — war bei ver Ankunft der Reifenden 
ſehr frank, empfing fie aber doch fpäter wiederholt und Tonnte ihnen 
wefentliche Dienfte leiften, da ex felbft vor wenigen Jahren Das noͤrd⸗ 
liche Indien und zwar Nepal, Kaſchmir bis Jokardo und Ladak bereiſt 
Hatte, worüber er nad Abreiſe unſerer Landsleute, die ihm durch Hrn. 
A. v. Humboldt empfohlen waren, an dieſen am Jahresende den 31. 
December 1854 einen verbindlichen Brief ſchrieb, durch welchen zu⸗ 
gleich die Hoffnung bekraͤftigt wurde, daß unſere Reiſenden in Hin 
ſicht auf den v. Humboldt ſchen Nachweis des Unterſchiedes der ewigen 
Schneegrenze an der Süd» und an der Nordſeite des Himalaya ent⸗ 
ſcheidende Beobachtungen würden anftellen können. 

Bon Bombay lief demnaͤchſt ein Eonvolut von Zeichnungen und 
Photographien der Reifenden ein. Es find 12 fihöne Photographie 
bedeutender Perfönlichfeiten aus Bombay, an deren Spige die der bes 
beutendften Perſon, des geiftvollen und großen Staatsmannes Lord 
Elphinſtone felbft, vortrefflich gelungen ift; dann folgen 7 verfchiedene 
Racenbilder mit Bemerkungen und Meſſungen einzelner Gliedertheile 
und ihrer Berhältniffe in Meters nach einem beigefügten, von Robert 
Schlagintweit ausgearbeiteten tabelarifchen Schema, wie ein folches mit 
den gefundenen Angaben alle nachfolgenden Racen-Photographien bes 
gleiten fol. Die Handzeichnungen enthalten Skizzen der Küften vom 
Dampfichiffe und den Stationen aus gefehen, theils in doppelten far- 
big ausgeführten, teils in nur ffizzieten Umriſſen, meift in einem gro 
Ben Mapftabe, und find auf das Lehrreichſte mit Winfelmeffungen der 
Reigungsflächen und mit geodätifchen, geographifchen und geologifchen 
Roten verfehen. Sie bilden faft ſaͤmmilich geologifch Höchft intereffante 
und durch die genaue Darftellung lehrreiche Anfichten. So ftellen fie 
aus dem atlantiſchen und mittelländifchen Meere die Küftenumriffe von 
Galicien, das Cap Finisterre, die Berlanges⸗Inſeln, das Gebirge von 
Eintra, die Tajomündung, Gibraltar von verfchiedenen Seiten, Pie 
Küften von Tunis, die GalitasInfeln, Cap Bon, Pantellaria, Malta, 
Gozo u. f. w. dar. 





Die wiſſenſchaftliche Reife ver Gebruͤder Schlagintweit in Indien. 153 


Unter den 10 Anflchten von Aegypten find die der Wüftenlinien, 
zumal um den Telegraphen- Thurm zwifchen Sues und Cairo, ſowie die 
des berüßmten ‘Dfchebel Attafa, von der letzten Wüftenflation von der 
Nordſeite her gefehen, Ichrreich durch die Darſtellung der langen Linien 
der horizontalen Paralellſchichten, die von unzähligen Schluchten und 
Niffen, den Erofionsthälern heftiger Regengüffe, quer durchbrochen wer⸗ 
den, und an ihren Füßen in der Wüfte überall zahllofe iſolirte Feld- 
blöde zerftreut Haben, wovon einige die colofjale Größe von 10,000 
bis 20,000 Eubifmeter erreichen; lebtere liegen auf alten, mit Meeres- 
mufcheln, deren obere Grenze auf der Skizze durch Linien nachgewie⸗ 
fen wird, angefüllten Seeufern. 

Ein drittes Dutzend von Käftenanfichten giebt ein fehr anfchaus 
liches Bild von den Geftadeländern des rothen Meeres von Sues bis 
BabselsMandeb und den vielen vorliegenden Infeln, die oft in ben 
ſchroffften vulfanifchen Kormen aus dem Meere ganz fteil emporftarren. 
Die Straße Bab⸗el⸗Mandeb ift durch beſonders große Conturanſich⸗ 
ten von der Nord⸗ und von der Sübjeite bedacht, woburd der Unter⸗ 
fhied des arabifhen und afrikaniſchen Geſtades deutlich Hervortritt. 
Auch die mit dem geübten Blide des Geologen aufgefaßten Formen 
und Darftellungen des Golfs und des dicht unter dem furchtbar zer- 
riſſenen Bulfane und dem hohen Gebirgsräden des Dfehebel Scham: 
fhan gelegenen Hafens von Aden find fehr Ichrreich. 

Bon Bombay aus erreichten die drei Brüder, gegen Süoften 
die ganze Halbinfel Dekhans glüdlich durchziehend, die Haupiftabt der 
weiten Präfiventfchaft, Madras, am 19. Februar 1855, um von 
da mit dem Dampffchiffe nad Calcutta zu gehen. Ihr Bericht 
aus Galcutta vom A. April fagt uns, daß fie bei ihrer Landreife Durch 
Gentral»Smdien ') fo viel, als möglich, beftrebt waren, verſchiedene 
Wege zu befolgen, theils um gegenfeitig correfpondirende Beobachtuns 


1) Da vie Lage von vielen in den Berichten nur dem Namen nach angegebenen 
Ortfchaften nicht allgemein bekannt fein möchte, und ſelbſt manche diefer Namen auf 
feiner der gebräuchlichen Karten eingetragen find, fo haben wir hier und ba kurze los 
cale Andeutungen, ſowie zur leichteren Orientirung, 3. B. auf Berghaus Generalfarte 
von Vorder⸗Indien, bie aſtronomiſche und hypſometriſche Lage wach dem Haffifchen 
Werke Ehw. Thoraton’s: Garetieer of India. 4 Vol. London 1854, beigefügt. 


154 C. Ritter: 


gen anzuftellen, theils um biefelben über eine etwas größere Flaͤche 
auszudehnen. Da ein Hauptzwed ihrer Unternehmung die Bekim- 
mung magnetifcher Eurven im Innern von Indien if, wo 
diefe bis jetzt gefehlt Hat, fo mußte weit fühlicher bis Madras gegan 
gen werben, um bie magnetifche Lage biefer Stabt an den Himalaya 
nördlich anzummüpfen; Doch rüdte man füblich nicht bis zur Hochebene 
der Nilgherry in Süd» Dekan, welche fchon außerhalb des Itinerard 
liegen blieb, vor. 

Nachdem von Bombay aus eine Excurſion auf die Nachbarinſeln 
beendigt war, begann Adolph Schlagintweit am 5. Novbr. feine Reife 
nah Puna, im SO. von Bombay im Hochlande der Mahraitha, im 
Oſten der Ghatkette, unter 18° 31’ n. Br. und 1823 engl. Fuß über 
dem Meere gelegen. Auf Lord Eiphinftone's Rath ging er jedoch nidt 
ben directen Weg borthin, fondern über Die feine Gruppe ber weſilichen, 
zwifchen den Quellen bes Krifchnas (Kifinas) und des Nira⸗Fluſes 
und zwifchen 18° 1’ und 17° 55’n. Br., 4500 bis 4700 Buß in 
dem Meere gelegenen Ghats von Mahabalefhiwar, die den Engländen 
durch Sir John Malcolms Einrichtung feit 1828 als ein Sanatarium 
dient. Diefe in Eimatifcher Beziehung und durch ihre Naturſcenerie 
einzig merfwürbige Geſundheitsſtation liegt nur 70 engl. Meilen ſüd⸗ 
oͤſtlich von Bombay. Bon Puna aus, das eben fo weit von bem 
Sanatarium entfernt if, wurden in die Umgebungen ber Provinz ver 
ſchiedene geologifche Excurfionen gemacht, unter Anderem nach Sholapur 
im Süboften, zur Gebirgsfeftle Sinhgarh, A162 Zug über dem Met, 
und noch zu einer Der älteften Landesfeſten in Maharaſhtra, Burandhar, 
AA72 8. über dem Meere, bie jetzt ebenfalls ein Sanatarium if. 

Erft am 30. Decbr. folgten die beiven Brüder Hermann und Ro⸗ 
bert Schlagintweit nach Beendigung ihrer Arbeiten in Bombay auf der 
directen Straße über den Poß des Bhor Ghat, der, durch Sir John 
Malcolm als Kunftftraße eingerichtet, AO engl. Meilen ſüdöoͤſtlich von 
Bombay aus dem nörblichen Konkan über die Chats, unter 18° 48 
n. Br., ſehr bergan nach Buna führt, von wo fie alle drei gemeinſchaft⸗ 
ih am 3. Januar aufbrachen, um ſuͤdwärts dem Kiftnafluffe entlang, 
buch die Provinz Bidfchajapur (Bedjapur), über Sattara, 17° 451 
Br, Terdal, 16° 30’ n. Br., am rechten Ufer der Kifina, und Mudhal 











Die wiffenfchaftliche Reiſe ver Gebrüder Schlagintweit in Indien. 155 


im Südweſten der Stadt Bedjapur, den Ort Kalapghi unter 16° 
11’ noͤrdl. Br. und 75° 33° fl, & von Gr. zu erreichen. Hier hiels 
ten fie fi 3 Tage auf, um eine vollfländige Reihe magnetifcher 
Beobadtungen auszuführen Hierauf reiften fie fübwärts über 
Badamy und den Tumbudra⸗Fluß nach Bellary. 

Bellary (Balahart), werlich der Oſt⸗Ghats und noͤrdlich von 
Myſore, liegt unter 15° 8’ nördl. Br. und 76° 59’ öfll. 2. auf einer 
Hochflaͤche von 1600 Fuß Meereshöhe und ift der weftlichfte Haupts 
ort in der Präfidentichaft Madras. Die Stadt hat 30,000 Einwahner 
und bildet eine militaixifche Hauptflation mit vielen Artillerie» Depöts 
und einer berühmten Selfenfefte, ebenfo ift diefelbe der Centralpunkt 
der Juftigverwaltung im mittleren Dekhan. 

Bon hier aus verfolgten die Reiſenden erft zwei, dann brei vers 
ſchiedene Straßenzüge, um fih in Mabras, das füböftlich von Bellary 
liegt, wieder zu vereinigen. Hermann und Robert Schlagintweit gins 
gen am weiteften, nämlich, fühwärts über Bairur und Devanhally in 
Myfore einvringend, bis Bangalore, der einfligen Reſidenz des 
Sultans Zippo (feit 1809) mit prächtigen Braminen»Tempeln und 
englifchen Truppen» Cantonnements, 3000 Fuß über dem Meere, im 
Nordoſten des berühmten Seringapatam, unter 12° 58’ nörbl. Br. 

Bon Bangalore aus wurden die Gebirgsfetten ver öftlichen Ghats 
auf verſchiedenen Päflen überfliegen. Hermann Schlagintweit ging 
gegen Oſten über Tſchittur, unter 13° 12°’ nörbl. Br., am Panifluſſe, 
104 engl. Meilen von Bangalore gelegen, und dann über Vellor und 
Arcot am Balsrfluffe durch einen Hauptpaß nach Madras. Robert 
Schlagintweit nahm einen füdlicheren Weg über Kifinagirri eben» 
dahin. Adolph Schlagintweit ging viel nörblicher von beiden über 
Baganpally (oder Banyapilly, im Nordoſten von Condapetta gelegen) 
und über Kaddapa, zunächft um bie Diamant» Minen und die fih 
bier als die früher fo berühmte Golfonda- Gruppe der Diamantlager 
vom Pennar nordwärts bis zum Kiſtna ausbreitenden, ferundären 
Gebirgsfchichten des Terrains, in dem bie Lager liegen, zu unterfuchen. 
Kaddapa liegt im Welten des Nellor- Küftenviftriets, im Nordweſten 
von Madras, am Sübufer des Benmar, wo biefer Fluß Die Ghats 
nach Dften Hin durchbricht, ſchon in einer Depreffion von 450 Fuß 


156 C. Hitter: 


über dem Meere, unter 14° 28’ nördl. Br. Bon Kaddapa ging endlich 
Adolph Schlagintweit ebenfalls nach Madras, aber auf einem öfliche 
ven Wege, gerade ſuͤdwaͤrts fiber Tripetty, wo fich einer der berühn⸗ 
teften Hindutempel in Süd» Dekhan befindet, und über Nagagiri, unter 
‘13° 19’ nördl. Br., 33 engl. Meilen norböftli von Arcot, am Ba 
Iarflufie gelegen, und von da gegen Often nach Madras, wo er am 
19. Februar 1855 eintraf. 

Die Reifenden machten diefe faft A Monate (vom 5. Rovenhe 
bis 19. Februar) dauernde Landreiſe durch das weitlaͤuftige gebirgige 
Dekhan Vorderindiens zu Pferde, und zwar auf Dekhan⸗Ponnies Das 
Gepaͤck fowohl, als die Mehrzahl der Inftrumente nebft den Zelten 
wurden auf 20 Kameelen transportirt. Die Barometer und die 10 Zuß 
langen Geothermometer wurden von den Kulie's getragen. Die Re 
fenden hatten, wie fie felbft berichten, dad Gluͤck, ihre Inftrumente, auf 
die Barometer, während der ganzen Reife im beften Zuftande erhalten 
zu fehen. Vom Generalftabe in Bombay waren ihmen zwei Quiben, 
Eleazar und Salomonbfchi, zugetheilt worden, die recht bald das Ableſen 
der Snftrumente lernten und zur Verallgemeinerung der Beobachtungen 
fehr wefentliche Dienfte leifteten. Beide waren Indier von ber Alten 
Anfiedlung in Bombay. 

Der erfte von Calcutta aus eingelaufene wiffenfchaftliche Bericht 
(ein engliſch gefchriebener Report) enthält außer dem fihon ange 
zeigten Stinerar für das Allgemeine der geographifchen Wiſſenſchaft 
fehrreiche neue Ergebniffe und Andeutungen über magnetifche de 
obadtungen, über Meteorologie und Geologie, fo daß « 
wünfchenswerth erfcheint, biefelben, wenn auch nur in allgemeiner Ueber 
ſicht, in dieſer Zeitfchrift als Beifpiel mitzuthellen, um zur Kenntnip zu 
bringen, nach welcher Richtung die Beftrebungen gehen, deren tiefere, 
in die einzelnen Zweige verwandter MWiffenfchaften einbringende dor: 
fehungen anderen Fach⸗Journalen zur Veröffentlichung durch den Drud 
vorbehalten bleiben, wie etwa ben berühmten Poggendorff'ſchen Anne 
len der Chemie und Phyſik, der Zeitfchrift der deutſchen geologiſchen 
Gefellfchaft in Berlin oder den Monatsberichten der Berliner Acade⸗ 
mie der Wiffenfchaften, je nachdem es die Abficht der Herren Verfaſſer 
fein wird. Die ald Gemeingut der geographifchen Wiſſenſchaften ſich 
ergebenden Refultate des erften Reports find etwa folgende: 


Die wiffenfchaftliche Reiſe ver Gebrüder Schlagintweit in Indien. 157 


Magnetifche Beobachtungen. 


Der magnetifchen Stationen, an denen mit dem kleineren Unis 
verfals Magnetometer, weldes Colonel Sabine eigens für dieſe 
Reifeunternehfmung conflruirt hatte, Beobachtungen angeftellt wurden, 
find ſechs, nämlich zu Bombay, Mahabaleffwar, Puna, Kaladghi, 
Bellary und Madras. 

Die zu Bombay gemachten Beobachtungen wurden mit den durch 
Adolph Schlagintweit in Mahabalefiwar gleichzeitig unternommenen, 
fowie mit den auf der Bombayer Sternwarte ebenfalls zu derfelben Zeit 
angeftellten, verglichen. Die Sternwarte von Bombay liegt auf einem 
Felſen von boleritifchem Trappgeftein, aus welcher Gebirgsart auch ein 
großer Theil des von den Reiſenden durchwanderten Dekhan⸗Ter⸗ 
rains beſteht. Wir fanden, ſagt der Report, die Einwirkung dieſes 
Trappgeſteins auf Die Magnemadel durch Dekhan im Allgemeinen viel 
geringer, als gewöhnlich angenommen wird. Schon in Bombay war 
die Differenz der Obfervation auf dem Trappfeld der Sternwarte nur 
eine fehr geringe von dem Kleinen Magnetometer, der auf der Esplas 
nade auf einem von tiefliegender Süßwaflerformation gebildeten Erd⸗ 
grunde aufgeflellt war. 

Die Declination ift in Bombay weftlich, wie an ben Küften; fie 
wird landeinwärts, etwas weſtwaͤrts von Sattara, gleich O, und nimmt 
dann öftlih, im directen Verhälmiß mit der Zunahme der öftlichen 
Lange, regelmäßig zu. Die Inclination nahm in ber Strede von Bom⸗ 
bay nach Bellary rafcher ab, ald von da nach Madras, nämlich von 
18° 24’ auf 12° 5". 


Meteorologie. 


Außer den gewöhnlichen Beobachtungen über Temperatur, atmos 
fphärifchen Drud und Feuchtigkeit der Luft, drängten ſich während ber 
Landreife durch Dekhan noch gar manche andere atmofphärifche, jenen 
Rocalitäten eigenthümliche Phänomene zur Beobachtung auf, zumal über 
die Sonnenftraflung am Tage und bie nächtliche Rabiation auf dem 
Plateau von Buna und die Damit zufammenhängenden Wechfel der Tem⸗ 
peraturen, deögleichen über bie veränderliche Durchfichtigkeit der Luft 


158 C. Ritter: 


bei Sonnens Auf» und Untergang und die damit in Verbindung ftehen- 
den Färbungen ded Morgen: und Abendroths, fowie über andere Luft: 
Erfcheinungen an ven Seegeftaden. Schon von Aden bis Bombay, ſowie 
auf der Küftenfahrt von Madras bis Ealcutta war die Aufmerkfamfeit 
der Relfenden Hierauf gerichtet gewefen. Die Vergleichung der auf den 
genannten Seeftreden gemachten Beobachtungen mit den auf der Land» 
reife jeden Morgen von 4 bis 5 Uhr angeftellten erwies, daß die Phä- 
nomene der erfteren dem Continentalgebiete gänzlich fehlten. 

Die Abnahme der Tagestemperatur zeigte ſich in Indien viel ra⸗ 
pider, als in Centrals Europa und in den Alpen. 

Die häufigen fyftematifch angeftellten Unterſuchungen über perio- 
difche Phänomene der Vegetation, über die Anfänge der Jahreszeiten; 
winde und die Regenzeiten in den Alpen Hatten gutes Material dar 
geboten, um fpäterhin durch Vergleichung Eurvenlinien für diefe Phaͤ⸗ 
nomene Auch hier aufzufinden. Als allgemeine Eigenheit Tann ſchon 
hervorgehoben werden, daß in den Tropen die Differenzen in dem An 
fange der verfchiedenen Perioden und in ihrer Dauer viel weniger von 
afteonomifchen Breiten und den mäßigen abfoluten Höhen, wie fie in 
EentralsIndien nur vorfommen, als vielmehr von den Grenzen ba 
wechfelnden Monfoone abhängig find, weshalb auch hier die Entwids 
fung und die @ultur der Gewaͤchſe das ganze Jahr hindurch anderen 
Berhältniffen unterworfen fein muß. 

In Bombay, Madras und Galcutta haben fich Hilfreiche Männer 
gefunden, welche bereit find, durch betailirte meteorologifche Beobad: 
tungen zur Bergleihung mit denen auf den Stationen der Reifenden 
einige Jahre hindurch die wiffenfchaftlichen Beftrebungen der lebten zu | 
unterflüßen. 

In Madras und Calcutta wurben ein paar der Geothermomete, | 
die man behufs der Beobachtungen 2 Meter tief in den Boden einge | 
fenft hat, zuruͤckgelaſſen. Glüdlich genug waren beide lange Inftıw | 
mente gut erhalten an diefen Stationen angelangt. 

In alten drei Präftventfchaften haben Die Neifenden ein reiches 
meteorologifches Material mitgetheilt erhalten '). 


— — 


) Die nachfolgenden ſpeciellen meteorologiſchen Bemerkungen werden vollſtändi⸗ 








Die wiffenfchaftliche Reife der Gebrüber Schlagintweit in Indien. 159 


Geologiſche Bemerkungen. 


Die Trappgefleine in Dekhan. 


Die erſte großartige geologifche Erfcheinung, die dem Wanderer auf 
dem Wege von Bombay gegen Madras durch das centrale Indien ent 
gegentritt, if die große Trappformation im Dekhan. Das Trapp⸗ 
geftein diefer Landfchaft gehört zu der Klafie der eruptiven Gebirgsarten 
der Dolerite und erinnert an ähnliche Felsarten in den vulfanifchen 
Diftrieten Islands. ES wechfelt zuweilen mit bafaltifchen und olivin- 
baltigen Gefteinen, und ift bald von compacter, bald von zelliger oder 
amygdaloider Structur. Die Scheidelinien, die oft zwiſchen den ver- 
ſchiedenen Trappgeftein-Schichten in vollfommener Horlzontalität und 
auf fehr lange Streden an den Seiten der Bergzüge fi) durch das 
Auge verfolgen lafien, find entfchieven Feine Demarkationslinie verfchies 
dener Lavaftröme, denn von Lavaftrömen, Schlafen oder von Kras 
tern, aus denen fie herrühren könnten, findet fich nirgends eine Spur. 
Die horizontalen Trennungen foheinen nur ein Abfonderungsphänomen 
zu fein, hervorgerufen durch die Spannung, welche in ven großen 
Trappmaſſen während des Prozeſſes ihrer Abkühlung unter dem laſten⸗ 
den Drude mächtiger Waſſermaſſen ftattgefunden hat. 

Die allgemeine Form der weftlichen Chats und der angrenzenden 
Theile von Dekhan und Konkan fcheint durch eine Reihe von Spalten 
und Verwerfungen ihre Geftaltung erhalten zu haben. Das eine Sys 
ſtem diefer Verwerfungen ftreicht von Norden nah Süden, parallel 
mit der mittleren Richtung der Ghatfette und vieler untergeorbneten 
Ketten in Dekhan und Konfan, ſowie mit den allgemeinen Küftenlinien. 
Das zweite Syftem flreicht von Oſt⸗Suͤd⸗Oſt nach Weſt⸗Nord⸗Weſt, 
jedoch mit vielen Abweichungen; man kann bemerfen, daß viele Seiten- 
äfte der großen Hauptfette der Ghats, fowie der obere Lauf vieler 
Flüſſe in Dekhan fehr auffallend mit diefem zweiten Syfleme der Ber- 
werfungen libereinflimmen. 

An den fühlichen Grenzen der großen Trappausbreitung beobach- 


Exer in Poggendorff's Annalen, fowie die geologifchen Nachrichten in der deutſchen geo⸗ 
Togiſchen Zeitſchrift mitgetheilt werben. 


160 C. Bitter: 


tet man lange Ausläufer derfelben in den Tälern und Depreffionen 
jroifchen den, wie Infeln aus dem ihre Baſis umlagernden Trapp her 
vorragenden Sandfteinbergen. 

Das merkwürdige, mehr oder weniger eifenhaltige, dem Backſtein 
ähnliche, rothe Geftein, von englifchen Reifenden gewöhnlich Laterit ge: 
nannt, ift feine unveränderte vulfanifche Gebirgsart, fondern erft durch 
Zerſetzung des Trapp, zumal feined manbelfteinartigen Theiles, entſtan⸗ 
den. Man ann feine deutlichen Webergänge aus der primitiven Form 
des Trappbodens verfolgen, wozu viele Detaild in Profilen und Karten 
zeichnungen die Beweiſe liefern werben. An vielen Stellen, wo der 
fogenannte Laterit mit Schichten des foliden Trappgefteins zu wechfeln 
fcheint, bildet er nur die äußere Krufte des inneren unverändert geblie: 
benen urfprünglicden Gefteins, und geringe Nachgrabungen genügen, 
um in der Tiefe den zelligen, leicht zerreiblichen Mandelftein zum Bor: 
fehein zu dringen. Dazu kommt, daß der bei den Engländern gebraͤuch⸗ 
lich gewordene Name des Laterits fehr verfchledenartigen, nur an- 
ſcheinend ähnlichen Gefteinsvorfommniffen beigelegt wird und von kei⸗ 
ner beftimmten Bedeutung in der geologifchen Terminologie if. Er 
fann keineswegs für den bezeichnenden Ausbrud von Ablagerungen 
einer und berfelben Periode der Erbbildung angefehen werben. In 
Dekhan und Konkan ift diefer Laterit das Product einer Zerfegung von 
Trapp und Mandelftein an Ort und Stelle. In Mahiffüra (Myfore) 
ift er aus Fryftallinifchen Schiefern entftanden, deren Beftandtheile darin 
noch deutlich wahrgenommen werben können. Bei Nagagiri, Arcot und 
Madras iſt er nur ein Conglomerat von gerollten Sanpfleinfragmen 
ten, die durch ein rothes, zelliged Cement von Eifenoryd» Hydrat zu: 
fammengebaden find. Diefes letztere Conglomerat ift im Alter vom La 
terit des Dekhan fehr verfchieden und fiher unter ganz anderen phy⸗ 
fifalifchen Verhältniffen, wie jener, gebildet worden. 


Die fecundären Gebirgsarten von Kaladghi und Babdami, 
von Bangapilli und Kaddapa. 


Im Süden der Kiftna und der Gutipurwa, eines fühlichen Zus 
fluſſes der Kiftna, beginnt ein ganz anderes, vom Trappgebiet vers 
ſchiedenes, aus ferundären Geſteinen zufammengefehtes Syftem von 


Die wiffenfchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 161 


Bergen, deren Streichungslinie von Often nach Welten geht. Obwohl 
nicht ſehr Hoch, bringen fie doch eine wichtige veränderte Geftaltung in 
der Orographie des füblichen Dekhan’s hervor, da der Krifchna, wel- 
cher biß dahin von Norden gegen Süden floß, ſich von hier an plöß- 
ih gegen Often wenden muß und weiterhin bie zwiſchen der Trapp⸗ 
bildung im Norden und der füblicher auffteigenden Serundärformation 
liegende Depreffion einnimmt. 

Diefelben Serundärformationen, welde fih im Kaladghi⸗ und 
Badami-Diftricte finden, find noch weit mächtiger um Banganpilli 
und Kaddapa entwidelt. Diefe beiden fecundären Gebirgsfetten find 
vollfommen von einander geſchieden durch Die große Maſſe der cryftal- 
liniſchen Schiefergebirgöformation der Mahifjuras Ghats und der Süd- 
Mahrattha⸗Gebiete (Beded + Diftriete). Hier nur wenige Andeutungen 
über die beiden mehr weftlichen und öftlichen ſecundaͤren Gebirgsreihen. 
Die Ipdentificirung der Secundärgebirge von Badami mit denen von 
Kaddapa beruht auf folgenden Gründen. In beiden zeigt fich deut⸗ 
lich ber Unterfchieb zweier Gruppen: 1) eine untere Gruppe von mers 
gelichem Kalkftein und Schiefer, welche gehoben und zerftört find, und 
2) eine mächtigere Maſſe von Sandftein und Sandſtein⸗Conglomerat, 
welche in beiden Gegenden jene zerflörten Schichten ungleichförmig 
überlagert. 

Die Sandfteinfchichten find im Allgemeinen wenig geneigt, oft ganz 
horizontal. An verfchiedenen Localitäten, zumal nahe Tripelty im Kad⸗ 
dbapa-Diftrict und zu Gutipurwa im Often von Badami, fah man 
diefe Sandfleinfchichten auf der einen Seite abweichend auf Die Schie- 
fer= und Kallſteine aufgelagert, während fie auf ber andern Seite in 
der Entfernung von wenigen Meilen unmittelbar auf cryftallinifchen 
Gebirgsarten ruhen. Diefe überrafchende Thatfache Hatte zu der An- 
ficht Veranlaffung gegeben, als müfje man hier zweierlei Sandſtein⸗ 
formationen annehmen, eine obere und eine untere, wovon aber in 
den genannten Diſtricten nach den bereits ausgeführten Unterfuchungen 
nicht Die Rede fein fann. 

Sowohl die Mergelfalkfteine, als die Sandfleine, find fehr arm 
an organifchen Reſten. Rur menige Spuren von Corallen, einige 
Heine Bryozoen und fehr undeutliche Fragmente eines zu d'Orbigny's 
Gruppe der Fimbriaten gehörigen Ammoniten, welche im Süben von 

Zeitſchr. f. allg. Grofunde. Bb. V. 11 


162 C. Ritter: 


Kaddapa gefunden wurden, machen zu der Anſicht geneigt, biefelben 
dem unteren juraffüfchen Syſteme anzureihen. Doch find dies nur vor: 
läufige Bemerkungen, die genauerer Beflimmungen in den Kaddapa— 
Bergen bebürftig find. 

In den SandfleinsRevieren liegen einige der berühmteften Dia- 
mantgeblete Indiens, doch in den Sandfleinen von Kaladghi und Ba 
dami hat man bisher noch Feine Diamanten gefunden. Die Unter: 
fuhung der Diamantminen um Kaddapa (zu Banganpili, Tſchinnuͤr 
u. a.) hat gezeigt, daß der Diamant fowohl aus dem feften @efteine 
feldft, wie aus feinem Schutte gewonnen wird. 

Zu Banganpilli fenkt man Kleine Schachte und Gruben ein, um 
zum Sandflein» Conglomerat zu gelangen, in welchem nach Ausfage 
der Arbeiter allein die Diamanten gefunden werben, nicht aber in bem 
feinförnigen Sandſteine. Man zerfleint das Conglomerat erft und 
wäfcht e8, um die Diamanten herauszufinden. In Tfchinnür dagegen 
werben bie Diamanten aus einem Haufen von Sandfteinfchutt am 
Fuße der Berge, deren unterer Theil aus Schiefern, der obere aus 
Sandftein befteht, gervonnen. An einem dritten Orte (ob Saruldimin?) 
gewinnt man die Diamanten fowohl aus der foliden Gebirgsart, als 
aus ihrem Detritus, der ſich In geringen DQuantitäten in einigen Ber: 
tiefungen angehäuft Bat '). 


Die erpflallinifhen Schichten der Ceded⸗Diſtricte und 

von Mahiffura (Myfore). 

„Eine große Strede eryftallinifher Schiefer trennt jene beis 
den oben genannten Gebiete fecundärer Gebirgsformationen. Auch bie 
Schiefer bilden ein ausgedehntes Syftem von Spalten und Berwerfungen, 
Das von Norden nach Süben ſtreicht. Die langen Bänder des dunklen, 
hornblendereichen Grünfteins, welche das Land durchſetzen, flreichen pa 
rallel mit dieſen Spaltungen und ftehen offenbar im innigften Zufam 
menhange mit ihnen. Die granitifchen und fyenitifchen, domartig ges 
ftalteten Berge, die fih an vielen Stellen 500 bis 1000 Fuß übe 
die welligen Ebenen erheben, zeigen eine fehr beflimmte concentrifck 
Abfonderung, eine Thatfache, die auch ſchon in den trefflichen geologi⸗ 


2) Meber biefe Diamantlager in Indien ſ. Allgem. Erdk. VI, S. 343, 368. 





Die wiftenfchaftliche Heife der Gebrüber Schlagintweit in Indien. 163 


ſchen Papieren des verforbenen Capt. Newbold erwähnt if. Durch 
biefe concentrifhe Abfonderung und durch zwei Syfleme von Klüften, 
welche einander in rechten Winkeln durchſetzen, ift die ganze Oberfläche 
der Berge in eine Menge ifolirter gigantifcher Blöde aufgebrochen, die, 
wenn fie durch Die Wirkung von Negengüffen abgerundet find, das 
Anjehen enormer, durch Waſſer gewälzter Blöde gewinnen, eine Ans 
nahme, die jedoch ganz unbegründet erfcheint. Diefe Vorkommniſſe find 
ganz analog ähnlichen Anhäufungen von Granitblöden in den Granits 
Diftrieten des Schwarzwaldes, des Harzes und Fichtelgebirges In Deutfch- 
land, fowie in anderen Theilen der Erde, die den Geologen zu verfchies 
denen Meinungen Beranlafjung gegeben haben. Aber nach dem, was 
der betreffende Reifende im großartigften Style in Myfore fah, hofft er 
durch mehrere Riffe und detaillirte Kartenzeichnungen nachweifen zu 
fönnen, daß 2. v. Buch's Anficht die richtige ift, indem dieſer Forfcher 
zuerft die Aufmerkfamkeit auf den Urfprung der fchaaligen eigenthüms 
lichen Abfonderung des Granits lenkte und die Abrundung deſſelben 
feinem coneentrifchen Gefüge, aber nicht dem Negennieberfchlage zu- 


fchrieb. 


Der emporgehobene Meereögrund an den Küflen der 
Halbinfel Indiens. 

Es ift auch zu beachten, daß die Halbinfel Indiens an ihrer Um⸗ 
füumung einer bedeutenden Emporhebung unterworfen geweſen ift und 
zwar innerhalb der gegenwärtigen Periode der organifchen we 
oder ihr doch ſehr nahe. 

An der Weftküfte zu Bombay, Baflein und ſuͤdwaͤrts gegen Goa, 
ſelbſt Höchft wahrfcheinlich bis zur Außerften Südfpige der Halbinfel, 
wie auf der Infel Eeylon (von wo der Reifende einige fehr intereffante 
Sperimina von Mufchelbildungen durch die Güte des Fredrick Layard 
Esq. erhielt), und wiederum längs der Oflfüfle von Madras an ſuͤd⸗ 
warts fanden fich erhabene Seeufer, mit Seemufcheln bebedt, oft bis 
in bedeutende Diftancen landeinwärte. So fah der Beobachter bis 
40 engl. Meilen weit weftwärts der jeßigen Seefüfe von Madras 
Seemujcheln Im Sande gelagert. 

Dr. Buift ift wohl der erſte, welcher diefe wichtige Thatſache mit 
Sicherheit auf der Weftküfte von Bombay nachgewielen Hat. 

11* 





164 C. Ritter: 


Viele diefer Mufchelfperies, von Cardium, Arca, Venus, Tellina, 
.  Gerithium u. a. m., find offenbar ganz iventifch mit den jeßt lebenden 
. Mufchelthieren am dortigen Geſtade bes indifchen Oceans. Eine fall 
yolftändige Sammlung diefer Mufcheln, die der Reiſende Durch den 
gütigen Beiftand mehrerer Theilnehmer aus den verfchiedenften Lorali- 
täten diefer Küftenumfäumung erhielt, wird ihn in den Stand ſetzen, 
genauer zu erforfchen, in wie fern die Mollusfen fpecififch von den jeht 
abweichen follten, oder ob, wie fich jet herauszuftellen faheint, nur in 
lebenden Bezug auf die Vergefellfchaftung und relative Zahl der Ins 
dividuen eine Differenz zwifchen den organifchen Formen des erhöhten 
Seebodens und der noch heute im benachbarten Drean lebenden Yauna 
zu beobachten ift. 


Die topographifchen und fonftigen Angaben. 


In Beziehung auf den topographifchen Charakter dürften im mitt- 
feren Indien folgende zwei Gruppen mit Beftimmiheit zu unterfcheiden 
fein: 

1) Die Uferlandfchaften und Infeln, die fih durch üppige Vege⸗ 
tation auszeichnen. 

2) Das Defhan, eine weit ausgebreitete Trappformation, mit 
zahlreichen, fehr regelmäßig geformten Hügelzügen bedeckt, alfo kein ein; 
faches, etwa ganz ebenes Plateau. Der ftetd wiederfehrende Typus 
diefer Hügel ift durch treppenförmige Abfäte charakterifirt, Die mit der 
Klüftung des Gefteind in unmittelbarem Zufammenhange ftehen. Zu: 
gleich find alle Abdachungen gegen Süden und Weften weit fteifer, ale 
die entgegengefeßten. | 

Das Land iſt fehr cultivirt, aber Palmen, Bambus, Aloen x, 
die im Allgemeinen den tropifchen Character einer Landfchaft wefent 
lich erhöhen, find hier verhältmißmäßig nur felten. 

Die Sandfteinformation von Kaladghi bis Babami befteht aus 
fteil abgedachten Tafelbergen. Die granitifchen Diftricte von Myſore 
find zwar auch zum Dekhan (fo heißt die ganze fübliche Halbinfel) ge 
hörig, unterfcheiden fich aber, wie in geologifcher, fo auch in topographi- 
ſcher Geftaltung auf das Beſtimmteſte von der Trappregion. Hier find 
die Fugeligen und fchaaligen Formen granitifchee Abfonderungen auf 





Die wiflenfchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 165 


das. Schönfte entwidelt. Die Reifenden Haben wiederholt verfucht, fie 
zu zeichnen und zu photographiren. 

Die Umgebungen von Kaddapa bilden ein für ſich fehr fehon 
entwideltes Gebirge mit tiefen Thälern und zahlreichen Mulden laͤngs 
der Abhänge, und haben in der Geftaltung ihrer Berge große Aehn- 
lichkeit mit Wales, 

Die Abdachungen der Miyfore»Landfchaften gegen den bengalifchen 
Meerbufen find vorzüglich von Berwitterungsprobucten, den Laterit’s, 
bevedt. Hier bezeichnet fowohl die üppige Wegetation, als auch die 
periodifche Seuchtigfeit und relative Kühle der Luft die Nähe des Mee⸗ 
red. Die Seebrife erſtreckt fich, wenn nicht weiter verbreitete Luftftrö- 
mungen fie befchränfen, 60 bis 80 engl. Meilen landeinwaͤrts. 

Die Wege find hier, fobald man die unmittelbare Nähe der Kü- 
ften verläßt, fehr fchlecht und im Innern durch die primitivften Fuß⸗ 
pfade erſetzt, während in Bengalen und den oberen Provinzen bie große 
Trunkroad (Hoßbahn) Hunderte von Meilen weit das Land durch⸗ 
zieht. Auch die Militair- und Eivil- Stationen find auf der zuruͤckge⸗ 
legten Route fehr felten; man mußte wochenlang in Zelten wohnen. 

In etönographifcher Beziehung waren die Reifenden, befonders der 
jüngere Bruder Robert, ſtets bemüht, außer den Zeichnungen auch aus⸗ 
führliche Meffungen, Photographien, Gipsmasfen ıc. zu machen. 

Die Sammlungen und Zeichnungen werben fo lange in Ealrıtta 
aufbeiwahrt, bis Die im Laufe des Sommers zu machenden damit vers 
einigt werben fönnen. 

Von den Photographien konnten während der Reife nur die ne 
gativen ©lasbilder angefertigt werden; die furze Friſt, die den Rei⸗ 
jenden in Calcutta vergönnt war, um nicht durch die Regen der Ebe- 
nen in ihren Beobachtungen unterbrochen zu werben, geftattete ihnen 
nicht, fchon jegt die pofitiven Bilder abzunehmen, die erft nach ihrer 
Rückkehr aus dem Himalaya nebft ven anderen in Calcutta copirt 
werden jollen. 

„Unfere Pläne für diefen Sommer,” fehreibt Hermann Schlagint- 
weit am A. April von Calcutta, „find folgende: Adolph und Robert 
gehen über PBatna und Benared nach Almora und Gerhwal, und 
werben dann von der MWeftfeite nach Nepal zu fommen verfuchen. 
Die indische Regierung und insbefondere Lord Dalhouſie haben ven 


166 &. Ritter: 


Kefidenten in Khatmandu ermächtigt, diefen Plan beftens zu unter 
fügen. Ich felbft gehe nach Dardſchiling, um von dort durch Silhim 
zu reifen und fpeciell die Umgebungen des Kintſchindſchinga zu unter: 
fuchen. Diefer bis jet noch nicht befuchte Theil des Himalaya (die 
von Hoofer und Campbell befuchten Paͤſſe liegen bedeutend öſtlich und 
weſtlich davon) dürfte ſowohl für phyſikaliſche Experimente in großen 
Höhen, als auch in topographifcher Beziehung von befonderem Inter 
effe fein. Doch find bis jeht vom Radſcha bedeutende Schwierigkeiten 
erhoben worben, über die ich erft in Darbfchiling Beftimmtes es 
fahren Tann.“ 


Dom 16. März und 28. April 1855 liefen von den oberften Be 
hörden in Calcutta und Darbfchiling, an der Südgrenze von Sifhim, 
die zuvorkommendſten Briefe an Herrn A. v. Humboldt, mit den Zeug: 
niffen der ehrenvollſten Aufnahme und hilfsreichſten Theilnahme an 
den Beflrebungen der von ihm fo warm empfohlenen Reifenden, em 
In Abweſenheit des Generals ®ouverneurd von Oftindien, Lord Dal: 
houſie, Hatte Sir James William Eolville, Präfldent der Royal So- 
ciety in Galcutta, die Sorge für das Yortfchreiten der Unternehmung 
übernommen. Obwohl mit Gerichtögefchäften überladen, die ihm weni 
ger Muße ließen, als er wünfchte, um den Reifenvden, wie er jagt, 
nüglich zu fein, Hatte er fie feinem Freunde, dem berühmten Brian 9. 
Hodgfon, vieljährigem Reſidenten des britifhen Gouvernementd am 


Hofe von Nepal und thätigem Freunde des Botaniferd Joſ. D. Ho 
fer während defien Himalaya Reifen, dringend empfohlen, und auf dee 


Generals Gouverneurs Befehl Alles von Seiten des Gouvernements in 
Bereitfchaft ſetzen lafien, die Behörden in den Provinzen und den Ge 


birgen zum Beiftand der Wanderer aufzurufen. Zwar lebt noch ber 


alte Feind der europätfchen Reifenden in Sifhim, der Diwan (wohl der; 
felbe, der zu Hooker's Zeit ihm und dem Dr. Campbell als Premier: 
Minifter des Radſcha von Siehim fo gefährlich entgegentrat), aber 
in Ungnade gefallen, fagt der Präfivent, werde er hoffentlich den For⸗ 
[dungen Hermann Schlagintweit’8 das Eindringen in das Hochgebirge 
nicht veriwehren fönnen. Den beiden anderen Brüdern wiünfche er, 
fehreibt derfelbe ferner, daß es ihnen gelingen möge, in diefer Saifon 


Die wiffenfchaftliche Meife der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 167 


Khatmandu zu erreichen; der dortige britifche Refident werbe ſchon bie 
rechten Mafregeln ergreifen, um ihnen bie eiligfte Durchreife durch 
das in der böfen Jahreszeit fo ungefunde Morung oder Terai, d. i. bie 
Sumpffieberregion, möglich zu machen. Daß fie tief in Repal eins 
zudringen vermöchten, habe er zwar wenig Hoffnung (ſelbſt dem Prin⸗ 
zen Waldemar von Preußen war dies ja verfagt worden), doch würs 
den fie, wenn auch die öffentliche Meinung des Landes ihnen hinder⸗ | 
lich fein follte, unter dem Schuge der Minifter Dſchang Bahadur's von 
Repal, ven fchon Dr. Hooker als Begünftiger wiflenfchaftlicher euros 
päaifcher Reifender rühmte, ficher fo viel durchführen, als ihnen felbft 
möglich fein werde; daran zweifle er feinen Augenblid. 

Bom 28. April lief auch von dem um die wifienfchaftliche Kenni⸗ 
niß des Himalayaſyſtems fo hochverbienten Major B. H. Hodgfon an 
Herrn A. v. Humboldt ein Schreiben ein, welches die rührendften Aus- 
drüde Der Verehrung und des Danfed für den deutfchen Neftor der 
Raturforfchung, ſowie die Nachricht enthielt, daß Hermann Schlagint- 
weit ihm die Briefe v. Humboldt's überbracht habe, und, wie es ihm 
leid gethan, daß er wegen der fchiweren Krankheit feines Sohnes den 
Reiſenden felbft nicht in fein Haus habe aufnehmen Fönnen. “Doch 
hoffe er, derfelbe werde mit feinem Aufenthalte zu Dardſchiling, dem 
Sanatarium, zufrieden fein; in wenigen Tagen erivarte er die Ankunft 
der Erlaubniß, daß der Reifende feine Wanderung nach Sifhim forts 
feßen könne, was im erfien Moment feines Gintreffensd nicht möglich 
war. Den Brüdern in Kamaon habe er ebenfalld Empfehlungsbriefe 
zugefandt, die ihnen Hoffentlich für ihre Wanderung durch Nepal 
nüglich fein würden. Es iſt Ichrreih, am Schluffe diefes Briefes die 
befcheinenen Worte des hochverbienten Mannes über feine eigene, po⸗ 
litifch, wie wiftenjchaftlich fo bedeutende, awanzigiährige Wirkſamkeit im 
Hochgebirge zu lefen, deren Wichtigkeit ſchon aus Dr. Hoofer’d Hima⸗ 
layabriefen wiederholt befannt geworden wäre, wenn man fie nicht 
bereits feit Jahrzehnten aus dem Calcutta Journal der Asiatic So- 
ciety of Bengal fennen gelernt hätte. 

Die lebten Nachrichten von den beiden Zweigen der Reifeabtheis 
(ung find vom 24. April aus Dardſchiling und vom 17. Mai aus 
Rainy Tal an Herren A. v. Humboldt eingelaufen. 

Hermann Schlagintweit Außert fich aus Dardſchiling den 24. April 


168 C. Ritter: 


danlbar für die große Theilnahme, welche von ben engliſchen Behoͤrden 
allen feinen Beftrebungen, wie denen feiner Brüder zu Hüfe fam. Der 
Name v. Humboldt drang überall duch, denn er fei dort jo befannt 
und verehrt, wie überall; „felbft viele der unterrichteten Natives in 
den Städten,” fchreibt Hermann, „überrafchten uns ſehr haͤufig mit 
den fpeciellftien Exrfundigungen nach Ihnen, nachdem fie gehört Hatten, 
daß wir aus Deutfchland kaͤmen.“ 

Am 5. April von Calcutta abgereift und glüdlih in Dardſchiling 
angelangt, wollte Hermann Schlagintweit alsbald nah Silhim weiter 
gehen; aber erft bier erfuhr er, daß die deshalb gefchehene erſte Ans 
frage der englifchen Regierung von dem Radſcha zu Sikhim entſchieden 
mit „Nein“ beantwortet fe. Da aber aus Dr. Hooker's Geſchichte 
befannt genug ift, wie hier die Radſcha's unter dem Einflufie ihrer Mi- 
nifter ftehen, fo fommt e8 vorzüglich auf gefchirfte Unterhandblungen mit 
diefen an, um feine Zwede zu erreichen. Es wurde daher zunuächft der 
Vorſchlag gemacht, nur dirert an den Fuß des Kintichindfchinga zu 
gehen, und dies durch Dr. Campbell, den Refidenten des oſtindiſchen Gou⸗ 
vernements, der auch feinem Freunde, dem Botaniker Dr. Hoofer, als 
Bermittler mit dem Sikhim⸗Radſcha fo wefentliche Dienſte geleiftet Hatte, 
zu bewerfftelligen. Es wurde dabei bereitd angedeutet, daß es hierzu 
ganz unvermeidlich fein werde, ven Beamten des Radfcha, oder vielmehr 
ihm felbft invirect bedeutende Geſchenke im Betrage von 1000 Rupien 
(a 20 Sgr.) zu machen, um nicht unterwegs aufgehalten zu werben. 
„Dazu wird und nun die gütige Unterftügung Sr. Majeftät des Kö- 
nigs verhelfen, die uns hier auf das Freudigſte überrafcht hat,“ fchreibt 
der Brieffteller. 

„Die gemachten Sammlungen beftehen vorzugsweife in Inſekten 
und Berfteinerungen, fowie in einer ziemlich vollſtaͤndigen Reihe aller 
harafteriftifchen Fluß⸗ und Quellmaffer, die wir auf unferer Reife in 
Indien fanden. Sie find in Glasfläfchchen mit eingeriebenen und gut 
verfiegelten Stöpfeln verfehen, für fpätere chemifche Erforſchung wohl 
aufbewahrt.” 

„Unter den etfnograpbifchen Gegenftänden bürften von und viel 
leicht befonders die Photographien und Abgüffe des Geſichts in Gyps 
zu erwähnen fein. Alles bis jegt gefammelte Material liegt im Sur- 
veyor General Office zu @alrutta und wird fpäterhin mit dem im 








Die wiffenfchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 169 


Himalaya gewonnenen nad Europa gefchidt werden. — Dahin find 
auch Briefe zu abrefliren.” 

Adolph Schlagintweit fehreibt vom 17. Mai an Herrn A. v. Hums 
boldt; ber Brief ift zu Nainy Tal in der Provinz Kamaon, im Süb- 
often von Almora, datirt, derfelben Station, von wo aus auch Prinz 
Waldemar feine Nordweftreife nach den Gangesquellen und Kafchmir 
begann. Rad der am 25. März von Ealcutta erfolgten Abreife der 
Brüder Adolph und Robert hörten beide ſchon in Patna am Gans 
ges, Daß theilweife wegen der zwifchen den Nepalefen und den Tis 
betanern ftatifindenden Grenzftreitigfeiten für diefen Sommer durchaus 
feine Hoffnung vorhanden fei, daß die nepalifche Regierung ihnen 
geftatten werde, fih von der Hauptftabt Khatmandu aus tiefer in das 
Innere des Landes zu begeben. Sie befchlofien daher, weiter weftlich 
nad Kamaon zu gehen, und erreichten in der Mitte des Monats 
April die Hübfche englijche Station NRainy Tal, an 6400 engl. Fuß 
über dem Meere, in der Borfette des Himalaya, etwas füblich von 
Almora gelegen ’). 

Bon der Hige des April, die gewöhnlich in den Ebenen Benga- 
lens ſehr groß ift, Hatten fie verhältnigmäßig nur wenig gelitten, da 
diefed Jahr ungewöhnlich; Fühl war, d. 5. im bengalifchen Sinne für 
den Monat April. Das Thermometer fteht um Mittag ſtets 30° Eelf., 
gewöhnlich 33° und oft 36° bis 37° Celſ. (28°, 6 bis 290, 6 R.). 
Aber fie fanden die Hitze in der That mit einiger Borficht weit wenis 
ger unangenehm und flörend für ihre Beobachtungen, als fie früher 
gefürchtet hatten. Von Nainy Tal aus machten fie verfchiedene fehr 
interefjante geologifche Excurfionen in die Vorketten des Himalaya, bie 
bier aus eocenen Schichten (untere Tertiärformation) mit $oraminis 
feren und Fucoiden beftehen, die mit alpinen Schichten die größte Aehn⸗ 
lichkeit haben. 

Sie wohnten je drei Tage auf zwei der höchften Punkte der Bor 
feiten des Himalaya, auf dem Tfchinnur Pic, 8700 engl. Fuß, und Loe⸗ 
ria Kantha (9), an 8200 Fuß über dem Meere, von wo aus fie den 

1) Eine fchöne Zeichnung der lieblicden Lage dieſes Nainy Tal, d 5. See des 
Nainy, vom Prinzen Waldemar ift in dem fo eben von feinen Königlichen Gefchwiftern 
unter dem Titel: Zur Grinnerung an die Reife des Prinzen Waldemar von Preußen 


durch Indien in den Jahren 1844 bie 1846. Berlin 1853. Bol. edirten Prachtwerke, 
Th. 1, Taf. XXXIII in Kupfer geftochen erjchienen. 


170 @, Ritter: 


ungemein fchönen, belehrenden Weberblid des Himalaya von den nepa- 
lifchen Ketten an über Nanda⸗Devi, Trifüla, Niti, Badrinatha und 
bis über Gangotri (das Ganges⸗Quellgebirge) hinaus genofien. Sie 
verfuchten mehrere Zeichnungen diefer prachtvollen Himalayas Pics zu 
entwerfen, und maßen zu verfchiedenen Malen mit ihren vortrefflichen 
Piſtor'ſchen Theodoliten die Horigontals und Höhenwinfel aller wichti⸗ 
gen Punkte. Sie erhielten bier einen jeher guten Weberblid‘ über bie 
Orographie dieſes Theiled des Himalaya. Der Commiffioner Mt. 
Batten und Capt. Ramfay, welche mit der Topographie von Kamaon 
fehr vertraut find, unterftüßten die Beobachtungen der deutjchen Rei 
fenden auf die zuvorfommendfte Welfe. Eine große Eigenthümlichkeit 
ift es, daß die hoͤchſte Kette oder vielmehr die hoͤchſten von Oſten nad 
Weſten fortziehenden Gruppen, da fie überall durch tiefe Thalein⸗ 
fchnitte getrennt find, fih mauerartig fehr plößlich über die nie 
deren Vorketten erheben. Es verleiht Died dem Himalaya den Alpen 
gegenüber einen ganz eigenthümlichen Charakter. 

„Wir haben noch zu wenig vom Himalaya gefehen,” fagen bie 
Berichterftatter, „um einen Vergleich mit den Alpen wagen zu Fönnen; 
überrafchend fchön iſt jedenfalls feine Vegetation. Die prachtvollen 
Eichen am Tfchinntr und das frifche und üppige Grün aller Laubbaͤume 
an den Abhängen find ficher in den Alpen nirgends fchöner zu finden. 
Die Rhododendronbäume, die gerade vol rother Blüthen hingen, ale 
wir hierher Famen, verleihen der Landſchaft einen ganz eigenthümlich 
reichen Charafter.” 

„Wir haben vor einigen Tagen 70 Eoolied (Laftträger) mit meh 
reren Inftrumenten, Zelten u. f. w. nad) Almora vorangefandt. Ro: 
bert ift Heute Morgen abgegangen, ich werde morgen nachfolgen. Wir 
werben uns von hier zunächft auf zwei verfchiedenen Wegen nach Milum, 
einem Dorfe der Bhotias am Oftfuße der Nanda⸗Devi⸗Gruppe, begeben. 
Mein Bruder Robert geht mit dem größeren Theile der Eoolies den 
directeren Weg; ich felbft werde zuerft die Gletfcher am Urfprung bes 
Pindar- Stromes befuchen und dort den Sübfuß der NandasDevi und 
Randa-Kota unterfuchen, von da aber öftlih In das Thal von Milum 
(etwa 11,400 engl. Fuß über dem Meere) einbiegen.“ ') 


ı) Nach Edw. Thornton's Gazetteer liegt Milum in Dfchewahir, 13 engl. Mei: 
len fünlich des Dſchewahir-Pafſſes, unter 30° 25’ n. Br. und 86° 11’ öfl. &, von 








Die wiſſenſchaftliche Heife der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 171 


„Bon Milum wollen wir nach 14tägigem Aufenthalte, nur mit 
dem nöthigften Gepäd verfehen, nach Tibet gehen. Daſelbſt wird bie 
weitere Ausdehnung der Reife jehr von den Umftänden und von dem 
Zufammentreffen mit den Eingeborenen abhängen. Wir haben von dort 
aus und weftlich zu wenden und über den Mana Ghat nah Badri⸗ 
nath zurüdzufommen. Don da gehen wir nach Gangotri, dann aber 
auf zwei verfchiedenen Wegen nah Simla, wo wir Mitte Ortober 
anzufommen hoffen. Durch das gütige Intereſſe, welches Mr. Colvin, 
der Lieutenant-Gouverneur der Nordiweils Provinzen, an unferen Be- 
obachtungen nimmt, werden wir in den Stand gefeht werben, fchr zus 
verläßige correfpondirende Barometers Beobachtungen mit guten Inftrus 
menten fowohl hier in Rainy Tal, ald in Agra, zu erhalten.” 

Bon dem Bruder in Dardfchiling hatten fie zwar feine neuen 
Nachrichten erhalten, doch von ihm erfahren, daß er in Sifhim reichen 
Stoff für feine Beobachtungen angetroffen habe, und daß er fih in 
vollfommen gutem Gefundheitdzuftande befinde. Bon Milum aus fol 
wieder gefchrieben, auch eine Heine Sammlung von Photographien 
gefendet werden, die Robert Schlagintweit im Himalaya mit gutem 
Erfolge begonnen hat. 


Gr., die Stadt 11,430, der Tempel über verfelben 11,706 engl. Fuß über dem Meere. 
Es Hat 140 Steinhäufer, und liegt an der Bifurcation der Flüſſe Gunkha und ori. 
Der Ort ift nur vom Juli His Detober bewohnt; wegen des tiefen Schnee’s wird er 
dann von den Einwohnern verlafien, welche in bas untere Kamaon gehen, von wo 
fie aber das nächte Jahr zurückkehren, weil von hier über den Dſchewahir-Paß der 
Haupthandel nach dem tibetifchen Gebiete von Undes geführt wirb, indem bis jeht 
den Hindn’s ansfchlieglich der Markt auf tibetifhem Territorium unter chinefifcher 
Oberhoheit geftattet ift. 
Zuli 1855. C. Ritter. 


Sigung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde 
am 9. Juni 1855. 


Herr Maßmann theilte Auszüge aus den Briefen eines jungen Steuer⸗ 
mannes mit, welche Ende 1854 und zu Anfang 1855 während einer Fahrt 
durch das ſtille Meer von Auftralien nach Callao gefchrieben worden waren. 
— Herr Ritter legte einen Brief des Herrn de Angelid aus Valparaifo, Mit 
gliedes der Befelfchaft, vom 20. Februar 1855 vor, worin eine Senbung 
von gelehrten Arbeiten für die geographiſche Geſellſchaft verheißen wird. Hier: 
auf las derfelbe eine Mittheilung des Herrn v. Humboldt nad) “Briefen von 
Dr. 3. Macgowan in Macao und Berichten in dem North China Herald 
über das Erpbeben, welches Ende 1854 und zu Anfang 1855 in Japan 
große Verheerungen anrichtete, vor (dieſe Mittheilung wird im nächften Hefte 
der Zeitfchrift enthalten fein). — Herr v. Garnall fprach über den Berg⸗ 
werföbetrieb in dem preußifchen Staate und den außerorventlichen Aufſchwung 
deffelben in ven letzten Sahren, insbeſondere des Steinfohlen» Bergbaued. Im 
Jahre 1820 betrug die Steinfohlenförverung des ganzen Landes nur 44 Mill. 
Tonnen (= 4 Scheffel over 74 Kubiffuß, ohngefaͤhr A Gentner wiegen?) 
mit einem Werthe von wenig mehr, als 1 Mill. Thaler; Braunfohle wurde 
nicht voll 1 Mil. Tonnen gewonnen, und der Werth aller Bergwerkspro⸗ 
dukte (Kohlen und Erze aller Art) mag faum 2 Millionen Thaler betragen 
haben; im Jahre 1834 war diefer Werth auf 4 Millionen Thaler geftiegen 
und kam im Sabre 1854 auf reichlich 20 Millionen Thaler. Preußen bat 
mit feiner Bergwerföprobuftion, das einzige England ausgenommen, alle ans 
deren Zänder Europa’3, und — nur England und Norbamerifa ausgenom⸗ 
men — alle Länder ver Erde überflügelt. Der Redner gab nun zunächft 
eine allgemeine Leberficht von der Zufammenfeßung des die Steinfohlen ein- 
fohließenden Gebirged, feiner Lagerung, Verbreitung, Bedeckung nıit jüngeren 
Schichten u. f. w., ferner von der Mächtigfeit und Befchaffenheit der Stein 
Tohlenflöge, und ging dann zur Betrachtung der einzelnen Steinfohlengebirgs- 
partien in Preußen über, und zwar ver in Oberfchlefien, Nieverfchleften, Pro⸗ 
vinz Sachſen, Weftphalen (Hauptzug von Dortmund bis an den Rhein und 
die Bergwerke des Staated bei Ibbenbüren) und auf ver linken Rheinſeite 
(Bergbau des Staated bei Saarbrüden und die Kohlenminen bei Aachen) — 
zufaınmen von der Erboberfläche 50 Quadratmeilen einnehmend, aber fich uns 
ter den aufliegenden Bildungen noch viel weiter verbreitennd. Die Summe ver 
Mächtigkeiten übereinanderliegenver bauwürdiger Steinfohlenflöge, bemerkte ver 
Vortragende, Tame auf 120 und felbft bis nahe 200 Fuß. Dies fei wichti⸗ 
ger, als die Größe der eingenommenen Bläche, nur wäre zu bevauern, daß 
gewiffe ausgedehnte Theile des Landes, nanıentlich die nörblichften und öſtlichſten 
Provinzen unfered Staats, der Steinfohlen entbehrten. Das Steigen der Stein: 


Sitzun goͤbericht ver Berliner geographifchen Gefellfchaft. 173 


kohlenforderung beruhe theild auf allgemeinen Verhältniſſen, theils auf drtlis 
chen Urſachen, meift aber auf beiden zugleih. Unter die erften gehöre vie 
Zunahme ver Bevölkerung innerhalb ver Abfatkreife, die Abnahme ver Wäl- 
ber und das Hinaufgehen ver Holzpreife, ferner vie Verbefierung ver Trans⸗ 
portmittel, die Anlage von Straßen, und ganz beſonders vie Herſtellung von 
Eifendahnen, welche nicht nur felbft viele Kohlen confumiren, fondern auch 
vermöge Ermäßigung der Transportkoſten ven Steinfohlen neue und weit 
ausgedehnte Debitöfreife eröffneten. Als mehr oder weniger örtlich erfcheine 
ver Verbrauch bei der Metall» Inbuftrie, namentlich bei der Eifenerzeugung 
und Verarbeitung, wo die Steinfohlen an vie Stelle ver Holzkohlen getreten 
feien; ferner bei ven Dampfmafchinen aller Art, ven Brennereien, Brauereien, 
Zuderfabriten, vem Ziegel» und Kalfbrande u. f. w. Faſt überall fei darum 
ver Begehr nach Steinfohlen fo geftiegen, daß die Förderungen ihn nicht zu 
befriedigen vermocht hätten, wa8 in den meiften Revieren ein Hinaufgehen ver 
Derfauföpreife zur Folge gehabt Habe. Mehr würde man haben fürbern 
können, wenn es nicht an Arbeitern gemangelt Bätte, ein Mangel, welcher 
noch fortbeftehe und dem fich bei ven eigenthümlichen Schwierigkeiten ber 
bergmännijchen Arbeit nur langfam und nur mit großem Koftenaufwande ab» 
helfen ließe. Im Teßtvergangenen Jahre (1854) feien auf den fänuntlichen 
Steintohlenbergmerfen (392 Gruben) 48,573 Arbeiter befchäftigt geweſen. 
Die Iehtjährige Foͤrderung betrage: 

darunter auf Gruben des Staats 

Pe EEE un —æ] 

in Oberfihleften . - ..  8,650,273 %. 
in Rieverfehleften . . . 2,484,842 = | 35,7 p&t. 1,547,654,%. (2 Grub.) 
in dem wettiner Bezirk 196,919 » 06 = 119,390 =» (2 Grub.) 
in Weltphalen . . . . . 13,593,371 » 39,9 = 177,372 s (2 Grub.) 


in Saarbrüden ....  6,363,463 = 
in dem bürener Bezirk 2,767,405 » | 26,8 - 6,071,397 » (15 Grub.) 


Summe 34,056,274%. 100 pCt. 7,915,813 %.(21 Grub.) 


Gegen die Vorjahre fände die flärffle Steigerung in Weftphalen und in Saar⸗ 
brücken ftatt, bauptfächlich durch ven Debit auf den Eifenbahnen und den 
Verbrauch bei der Eifen-Inbuftrie. Die Verkaufspreife auf den Gruben haͤt⸗ 
tem ſich bis zum Jahre 1847 allmählig etwas gehoben; in jenem Jahre be» 
rechnete fich für alle Bergwerke des Staates ein Durchfchnitt von 11 Sgr. 
72 Bf. für die Tonne; fle fein dann im Jahre 1848 gefallen und erft 1852 
ziemlich wiever auf den früheren Stand gefommen; im I. 1854 war biefer 
12 Ser. 3,2 Pf., was 14 Sgr. oder 11 pCt. mehr, als im 3. 1851 betrage. 
Im Einzelnen ſtellten fich die Preife je nach ver Dualität der Kohlen ober 
bermöge der Concurrenz mit anderen Brennmaterialien fehr verſchieden. Als 
Mittelfäe Hatte man im J. 1854: im oberfchleftfchen Bezirke 6 Sur. 4,7 Bf, 
im niederſchleſiſchen Bezirke 11 Sgr. 1,5 Pf., im wettiner DBezirfe 23 Ser. 


174 Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 


7,9 Pf., in ven weſtphaͤliſchen Bezirken 13 Sgr. 7,0 Pf., im faarbrüder Be⸗ 
zirke 14 Sgr. 5,7 Pf., im dürener Bezirke 17 Sgr. 4,7 Pf. für die Tonne ges 
habt. Im Allgemeinen lafje ſich amehmen, daß von dem Kaufgelde (12 Ser. 
3,2 Pf.) nahezu die Hälfte in Arbeitälöhnen (der Arbeiter auf ven Gruben 
felbft) ausgegeben wird, alfo pro Tonne... ......- 6 Sgr. — Pf. 
nicht voll + betragen die übrigen Ausgaben aller Art, von 

denen wieder ohngefähr die Hälfte in den Koften des Zim⸗ 


merholzes beftehe, mithin circa .. 2.2.20 ree00 ne 2 = 89 = 
Hiernach ergäben fich ald Nettos Ertrag für die Beſitzer der 
Steinkobhlengruben ..-.- 222er en en 3 = 63» 


zufammen 12 Sgr. 3,2 Pf. 
Der Werth der Steinfohlenförverung nach den mittleren Verkaufspreiſen, 
welcher im Jahre 1820 nur gegen 14 Million Thaler betragen Hatte, fei im 


Jahre 1851 auf ......5 . . . . ...... .... 8,326,822 Thlr. 
und im Sabre 1854 2... ... 2. 2202er. 13,909,912 = 
gefommen und habe ſich aljo in 3 Jahren um... ... 5,583,090 *hlr. 


oder um 67 pCt. vermehrte. Davon kaͤmen etwa 4 Mil. Thaler auf die 
Vermehrung im Quantum und 14 Mil. Thaler auf die Steigerung der Ver⸗ 
kaufspreiſe. Der Gewinn ber Betreiber, einfchließlich der Zinfen der Anlage: 
Kapitale, laſſe fi) auf wenigftens 4 Mil. Thaler anfchlagen. Bei dem jüngs 
ſten Steigen der Steinfohlenpreife, welches in einzelnen Mevieren, namentlid 
im Weftphälifchen, bis 50 pCt. des früheren Preifes betrage, möge vie Bes 
forgniß der Eonfumenten nicht unbegründet erfcheinen, daß dadurch manche 
Induftriezweige in ihrem Fortbeſtande gefährvet werben Fönnten; allein es 
feien viele neue Steinfohlenwerfe in der Aufnahme begriffen und zwar im 
großartigften Mapftabe; dabei würben die Hohen Generalkoften zu flarfen 
Förderungen drängen, und dies müfle eine Goncurrenz im Angebot berbeifüh: 
ven, von ber ein Herabgehen ver Preife zu erwarten fei. Das einzige, was 
bie verzögern Tönne, fei der Mangel an Arbeitern, welcher fih nur allmaͤh⸗ 
lig beheben laſſe. Mebrigend wäre nicht zu verfennen, daß bie gezogenen Ges 
winne meift auf neue Anlagen verwendet würben, auch neue Unternehmer an 
Iodten. Alles dies müfle zu einem Aufſchwunge unferes Steinfohlenbergbaucs 
führen, den man früher nicht habe ahnen fönnen, der aber durch die uner⸗ 
ſchoͤpflichen Niederlagen unferer Gebirge auf Jahrtauſende gefichert erfcheine. 
Um eine Mafle von 34 Mil. Tonnen auch für Diejenigen anfchaulich zu 
machen, welche vergleichen zu beurtbeilen nicht geübt find, gab der Redner 
an, daß jene Maſſe dem Fubifchen Inhalte eines Würfeld von 632 Fuß Seite 
entſpreche; die Länge biefer Seite ift alfo etwas mehr, als der Durchmeſſer 
unfered Belle» Alliance» Plabes (circa 50 Authen = 300 Fuß). Denkt man 
ſich nun ein cylindrifches Maß von der Grundfläche dieſes Blades, fo würde 

man bemjelben, wenn es 34 Millionen Tonnen Steinkohlen aufnehmen fol, 





Situngdbericht der Berliner geographifchen Gefellfchaft. 175 


eine Höhe von 8564 Fuß zu geben Haben, was mehr, ald 22 ver ‚Höhe des 
Petrithurmes oder, wenn man für die Häufer des Platzes ringsum eine mitt- 
Ine Höhe von 50 Fuß annimmt, eine 17malige Ausfüllung des Platzes bes 
tragen würde. Denken wir und nun, bemerkt der Redner ferner, die abger 
dachte Maffe follte mit zweifpännigen Fuhren weggefahren werben, und ſetzen 
babei den beften Weg und die flärffien Pferde und fomit eine Labung von 
je 80 Gentnern voraus, und nehmen an, daß ein Wagen vicht Hinter dem 
anderen fahre, fo erhielte man einen Wagenzug von einer dem Erd» 
durchmeſſer gleichen Ränge. Bei pen Steinfohlen laffe fich das Verhaͤltniß 
im Mae zu der anftehenven feften Maſſe im Durchfchnitt wie 4 au 3 annehmen 
(d.i. 1 Kubiflachter 554 Tonnen fchüttend). Demnach wären im Jahre 1854 
an Flögmafie circa 600,000 Kubiklachter umbauen worden oder auf einem 
4 Lachter (34 Fuß) mächtigen Flötze 1,200,000 Quadratlachter oder, rund 
gerechnet, nahezu I; Duabratmeile. Wäre nun in unferen Steinkohlenfelvern 
überall nur ein einziged 4 Lachter flarkes Flotz vorhanden, fo würde man 
daraus bei feiner Bläche von 50 Quadratmeilen eine ver 1854er gleiche Foͤr⸗ 
verung auf 500 Jahre beftreiten können. Wir können aber im Durchfchnitt 
mehr, als 10 Lachter bauwürdige Steinkohlenmächtigkeit (alfo 20 folchen 
Flögen entfprechend) annehmen, und fo vie Nachhaltigkeit unferer Steinfohlen- 
becken auf mehr als 10,000 Jahre berechnen. Hiernach mögen wir, fchloß 
der Rebner feinen Vortrag, immerhin unfere Börberungen verftärfen, auch 
nicht Anftand nehmen, davon an unfere Nachbarn zu verkaufen, wenn fie 
ung die Waare in gutem Gelde bezahlen; venn, wie einer unferer reichen 
Bergwerföbefiger zu fagen pflegte, wenn man ihm von Schonung der Sub- 
ftanz fprechen wollte, „meine Erben werben fidy mehr über das Gelb im 
Kaften, als über die Mineralien in ven Bergwerken freuen.” — Zum Schluß 
legte Herr Kiepert den Entwurf zu einer neuen Karte von Paläflina, vor« 
nehmlich nach Mobinfon’d und vieler Anderen neueften Angaben, vor. — 
Bon Herrn Ritter wurden enblich die folgenven eingelaufenen Geſchenke vor- 
gelegt: 1) Zeifchrift für das Berge, Hütten und Salinenwefen in dem preußi⸗ 
Ihen Stante, herausgegeben von R. v. Carnall. Jahrg. I, II und II, Lief. 1. 
Derlin 1854 und 1855. Bon dem Herrn Herauögeber. 2) Zeitfchrift für 
Mgemeine Erdkunde, Herausgegeben von Dr. T. E. Gumpredt. IV. Band, 
Heft 5. Berlin 1855. Von dem Verleger Herrn D. Reimer. 3) Mitthei⸗ 
lungen aus 3. Berthes’ geograph. Inftitut über wichtige neue Erforfchungen 
auf dem Befammtgebiete ver Geographie von Dr. U. PBetermann, 3. Heft. 
Borha 1855. Bon dem Heren Verleger. 4) Zwei aufgezogene Wanpfarten, 
Nord» und Süd⸗-Amerika, von E. v. Sydow. Gotha. Bon dem Herrn Ver⸗ 
faffer. 5) Die norbbeutfche Ebene, insbeſondere zwifchen Elbe und Weichfel 
genlogifch Dargeftellt von H. Girard. Nebft 1 Karte und 2 Taf. Profile 
Berlin 1855. Von dem Verleger Hm. ©. Reimer. 6) Address to the 
Royal Geographical Society of London; by tlie Earl of Ellesmere. 


176 Sigungsbericht der Berliner geographifchen Gefellfchaft. 


London 1854. 7) Proceedings of the Royal Society. Vol. VOL. No. 12. 
Gefchenfe des Herrn Dove. 8) Memorial of Aaron Haight Palmer. 1855. 
Bon dem Berfafier. 9) Iahreöbericht der naturforfchennen Geſellſchaft in 
Emden für 1853. Emden 1854. Bon der Gefelfchaft. 10) Tablenur mit 
erläuternden Bemerkungen in portugieftfcher Sprache über Telegraphie, Geo: 
daͤſte, Steinktohlen« Kormation jammt ihren Einfchlüffen und über die Sem 
mering= Bahn. Don dem Berfafler, vem Kaif. braſil. General⸗Conſul Herm 
Sturz. 11) Karte vom Rieſen⸗ und Eulengebirge, gezeichnet von E. Haupt, 
in Kupfer geftochen und herausgegeben von Heinrich Brofe. 1855. Gefchenf 
des Herausgeberd. 12) Seventeenth Annual Report of the Aborigines 
Protection Society. London 1854. 13) Drei kleine Brochären, entbal- 
tend: Proceedings, Report of tbe Council und Acessions to the Library 
der R. Geographical Society in London. Se Königliche Hoheit ver Prinz 
Adalbert übergab in feinem und feiner Gefchwifter Namen ver Geſell⸗ 
fchaft als Geſchenk dad Prachtwerk, betitelt: Zur Erinnerung an die Reiſe 
ded Prinzen Waldemar von Preußen nach Indien in den Jahren 1844 bie | 
1846. Bd. J und U. Berlin 1853. Mit Karten und vielen Anſichten nah 
den Driginalgeichnungen des hohen Reiſenden, und mit einer Vorrede ve 
Herrn Al. v. Humboldt. gr. Bol., wofür der Vorſitzende, Herr Ritter, ven 

Dank ver Gefelfchaft ausſprach. | 





V 


Ueberſicht der Thaͤtigkeit der Berliner geographi⸗ 
ſchen Geſellſchaft in dem verfloſſenen Jahre vom 
6. Mai 1854 bis 5. Mai 1855 '). 


— — — — 


Dem Paragraph 27 der Statuten gemäß wird in ber jedesmali⸗ 
gen Mai⸗Sitzung von dem Dirertor eine Meberficht der Thätigkeit der 
Geſellſchaft im Iegtvergangenen Jahre gegeben. Da aber bie jedes⸗ 
maligen monatlichen Verhandlungen und felbft ein großer Theil der 
gehaltenen Vorträge ausführlich bereits in der Zeitfchrift für allgemeine 
Erdkunde veröffentlicht worden find, fo ift e8 Hinreichend, hier nur an 
den „Hauptinhalt der gehaltenen Vorträge zu erinnern. 

Zunaͤchſt gedenken wir des fchmerzlichen, durch den Tod herbeige- 
führten Verluſtes von zwei hervorragenden Mitgliedern, nämlich des 
Senerallieutenants von Scharnhorft und des Geheimraths Engel- 
hardt, welcher Iehte zu den Mitftiftern des Vereins, zu feinen Be 
amten und bis an fein Ende zu den thätigften Mitgliedern und Be- 
förderern defielben gehörte. Seinem Andenken und feinen Berbienften 
um das Baterland und um die geographifche Wiflenfchaft Bat fein viel- 
jähriger Freund und College, der Director des ftatiftifchen Bureau's, 
Herr Geheimrath Prof. Dr. Dieterici, in dem biographifchen Entwurfe 
feiner Gedaͤchtnißrede, die in diefer Zeitfchrift abgebrudt wurde, ein 
fhönes Denkmal gefebt. Engelhardt's letztes Werk, an dem er viele 
Jahre gearbeitet, war das wichtige: „Weber die Flächenräume der euros 
päifchen Staaten und der übrigen Länder der Erde.” Scharnhorft’s 

3) Vorgetragen von Herrn C. Ritter in der Sitzung der Geſellſchaft vom Bi Mai 
1855. 
Zeitſchr. |. allg. Erdkunde. Br. V. 12 


178 C. Ritter: 


raftlofe Thätigfeit für geographifches Studium wird ihm lange in ſei⸗ 
ner hinterlaffenen außerorbentlichen Kartenfammlung, die einzig in ihrer 
Art genannt werden muß, überleben. 

Ungeachtet der Berfegung oder des Abganges mehrerer Mitglie 
der unferer Gefellfchaft Hat ſich die Zahl derfelben doch vermehrt und 
ift bis auf mehr als 250 geftiegen, worunter wir die zehn zuletzt nad 
faft einflimmiger Wahl mit und vereinten neueften Mitglieder auf das 
Herzlichfte willfommen heißen und fie im Namen unferes Vereins um 
thätige Förderung unferer wifjenfchaftlihen Zwecke erfuchen, da bei ver 
herangewachfenen Größe und dem Umfange des Vereins in feiner in- 
neren Einrichtung gar manche Ermeiterung, Vervollftändigung und Ber: 
befierung nöthig fein möchte, befonders was das bisher durch fo vie: 
fache Theilnahme und Gaben vermehrte literarifche Beſitzthum in un: 
feren Kartens und Bücherfammlungen betrifft, um daſſelbe für Ale 
nutzbar machen zu koͤnnen. 

Als die erfreulichfte Bereicherung der Art dürfen wir das fol 
bare Reliefbild des Monte Rofa betrachten, welches wir der Gnate 
Sr. Majeftät des Königs, ald Zeichen feiner fortbauernden Huf, zur | 
Förderung unferer wifjenfchaftliden Beftrebungen verbanfen. Durch 
die forgfültigften Vermeſſungen und Vorarbeiten aller Art von den 
Gebrüdern Schlagintweit an Ort und Stelle und durch die genauefte 
Ausführung des Basreliefs von dem Künſtler Heren Warnſtedt dürfte 
bafielbe als das vollendetfte Meiſterwerk aller bisher veröffentlichten 
Reliefbilder gelten. Auch ift es begleitet von wiffenfchaftlichen Beilagen 
in Beziehung auf Hypfometrie, Geologie, Meteorologie und anderen 
originalen Beobachtungen der genannten Phyſiker, die fich gegenwärtig | 
zur Erforfchung des Himalaya -Syftems und zu analogen Arbeiten in 
einem noch größeren Umfange und Maßſtabe auf ihrer wiffenfchaftli- 
hen Miffion in Indien befinden, von wo ihr erfter Bericht an Herm 
AL v. Humboldt bereitd aus Bombay einging und uns zu den größ 
ten Erwartungen in Bezug auf die ferneren Forfchungen und Mitthei⸗ 
lungen dieſer jüngeren Mitglieder unferer Gefellfchaft, beſonders über 
Geologie, Meteorologie, Magnetismus, Hypfometrie und auch über 
Geographie, in der That berechtigt. 

Ueber die frühere Expedition nad) Central⸗Afrika, an welcher un 














Die Berliner geograpbifche Gefellfchaft im Jahre 1854 — 1855. 179 


jere Gefellfchaft ſich, beſonders zur Ausrüftung und Fortſetzung derfelben, 
jo eifrig betheiligt hatte, war bie früher fo rege und belebte Mittheilung an 
den Verein Durch den frühgeitigen Tod Overweg's und nicht lange darauf 
duch das ſcheinbare Verſchwinden Dr. Barth's aus den Kreifen der 
Lebenden, auf dem Rüdwege von feiner großen Entvedungsreife nach 
Zimbuftu, zu unferer Betrübniß verfümmert; wir Tonnten uns nur 
einzelner Mittheilungen des dritten nachgefolgten Gefährten, des rüfti- 
gen Afteonomen Dr. Bogel, aus Briefen an feinen Bater über die 
Umgebungen des Tſadſee's erfreuen, bis endlich in ver letzten Zeit 
nach langem Harren die hocherfreuliche fichere Kunde aus eigenhändis 
gen Briefen Barth’8 zu und gelangte, daß ec vollfommen geſund 
und frifchen Muthed aus den großen Gefahren der Timbuktu⸗Reiſe 
mit reicher wifjenfchaftlicder Beute nach Kuka zurüdgefehrt ift, und in 
feinem Schreiben an den Ritter Bunfen in Heidelberg die Hoffnung 
ausfpricht, ſchon in den naͤchſten Monaten über Murzuf und Tripolis 
nach Europa zurückkehren zu können. Es wird dies für unferen Kreis, 
wie für Die geographifche Wiffenfchaft, ein Hohes Weit und eine große 
Freude fein. 

Die vielen, unferen Sammlungen zu Theil gewordenen gütigen 
literarifchen Gaben find in den Protokollen und monatlichen Berichten 
dankbar verzeichnet; wir erinnern nur an Die reichhaltigen Gefchenfe 
der Smitbsonian Institution in Waſhington, an die vortrefflichen Muſter⸗ 
farten Ziegler’d in Wintertfur von den Gantonen St. Gallen und Aps 
penzell, an v. Sydow's große Wandfarte von Allen, und an die Mits 
tbeilungen vieler gelehrten Gefellfchaften, deren Zahl fich, um in Aus⸗ 
taufch mit unferer Zeitfchrift zu treten, von Jahr zu Jahr mehrt, fowie 
an die Gefchenfe zahlreicher neuer geographifcher Werke von ihren Vers 
faflern oder Verlegern, die von Peteröburg bis Wien, London, Paris, 
Madrid, News Mork und Boſton, alljährlich das Feld unferer Wiften- 
ichaft erweitern und bereichern. Desgleichen an die und zu Theil ges 
wordenen Gorrefpondenzen aus Bambobfcha, Japan und China ven Dr. 
Bowring und Philippi, dann aus Mefopotamien, Bagdad, Iſpahan, 
Jezd von Petermann, Mufeid Bey, Fresnel, Oppert u. A., aus Alge⸗ 
rien von Graf Schlieffen und Gerard, aus Nordamerika von Möll⸗ 
haufen und Dr. Kohl, aus Central» Amerika von Squier u. A., Die 

| 12 * 


180 C. Ritter: 


alle die wachſende Theilnahme an unferen Beftrebungen auch im fernen 
Auslande beweifen. 

Zu ſolchen Mittheilungen gehörte auch das Borzeigen von ein 
paar Hundert Gemälbeffiggen in Del, welche der Maler Herr Kiefe 
wetter auf feinen 16 jährigen Reifen in Oſt⸗Furopa und Weſt⸗Afien, 
zumal in Schweden, Yinland, Rußland bis zur Krim, im Kaufafus, 
nah Baku und zu den Kalmüden entworfen, und die derfelbe mit lehr⸗ 
reichen charafteriflifchen Bemerkungen, befonderd über feine in den ge 
nannten Ländern gemachten ethnograpbifchen Beobachtungen, begleitete. 

Auch den wifienfchaftlichen Vorträgen fehlte e8 nicht an Mannig 
faltigleit; im Gegentheil mußten, leider nicht felten, bebeutende Bor 


träge aus Mangel an Zeit zurüdgezogen ober vertagt werden, was 


gewöhnlich nicht ohne Nachtheil für ihre fernere Publicirung blieb. 


Herr Wolferd gab von der v. Struve'ſchen Gradmeſſung von der | 


Donau bis zum Eismeere nach defien zugefandtem Memoire einen Be 
richt und bemerkte, daß dieſe ofteuropäifche Operation ihrer Vollendung 
nahe fei und bereit 25 Breitengrade umfaſſe, alfo die ebenfalls groß 
artige Meflung in Oftindien von 21 Graden an Ausdehnung noch 
übertreffe. Er fügte aus Beſſel's nach den zehn letzten vorzüglichkten 
Gradmeſſungen abgeleiteten Refultaten defien Angaben über Größe und 
Geſtalt der Erde Hinzu. — Derfelbe machte auf ein Zeitbeſtimmungs 


Inftrument aufmerkfam und erflärte daſſelbe; auch befprach er feine 
Schrift über die Bergleichung der Temperaturverhältniffe ver Winter 


Berlins. 

Herr Solly zeigte einen von ihm erfundenen Wanderſtab vor, 
welcher ſich zu Höhenmefjungen auf Reifen eignet; er flellte den ein 
fahen Meßapparat vollſtaͤndig auf und erklärte deſſen Gebrauch. 

Herr Schröner legte einen kürzlich bei Fehrbellin in die dortigen 
ZTorfmoore gefallenen Meteorftein vor und las den Bericht über deſſen 
Auffindung von den Beobachtern des Niederſchlages, worauf Hr. Dove 
Bemerkungen über dergleichen Phänomene hinzufügte. 

Herr Dove theilte in mehreren Vorträgen feine Bemerkungen über 
die verfchievenen Theorien mit, die zur Erklärung der Erfcheinungen 
der Gletſcher und der erratifchen Blöde aufgeftellt find, fowie über die 
Beobachtung der neuerlichft in Grönland aufgefundenen Eisfelder. Zur 
Erläuterung der Gletſcherbildungen begleitete er das Prachtwerk de 








Die Berliner geographifche Geſellſchaft im Sabre 1854 — 1855, 181 


Abbildungen von Dollfuß über diefe Erfcheinungen mit Anmerkungen. 
— Ueber die Berichtigung der jährlichen Quellentemperatur nach den 
bisher unzufammenhängenden einzelnen Beobachtungen in der Falten und 
warmen Jahreszeit teilte derfelbe feine Anficht mit, und zwar in Bes 
ziehung auf die in dem Werke von Dr. Hallman niedergelegten mehr- 
jährigen zufammenhängenden und vergleichenden Unterfuchungen. 

Rah feiner Rüdfehr aus England machte Herr Dove mannige 
faltige Mittheilungen über die Vorträge der Naturforichers Section bei 
den wiflenfchaftlichen Zufammenfünften in Liverpool, ſowie auch über cos 
loſſale Schiffsbauten und über das Syſtem der Schaufelräder und der 
Schrauben, die bei den Bewegungen in Anwendung gebracht find, ferner 
über felbftzeichnende meteorologifche Beobachtungen der Mafchinen auf 
photographifchem Wege, über die Durch electrographifches Verfahren neu 
beftimmten Lüngenunterfchiede zwifchen ven Sternwarten von Greenwich, 
Paris und Brüffel, und über die Störungen der Magnetnadel durch 
das Eifen in den Schiffen und die Verfuche, durch angebrachte Ver 
befierungen diefelben aufzuheben. 

Unter Vorlegung vieler in diefe und andere phyſikaliſche Gegen⸗ 
fände einfchlagenden Darftelungen und Werfe befprach Herr Dove 
auch die Berichtigungen, welcher die Theorie der Ebbe und Fluth bes 
dürftig fei, dann des Aftronomen Lamont in Münden magnetifche 
Karte von Deutichland, worin die bedeutenden Störungen der magne⸗ 
tischen Curven am Rhein und in Böhmen auf den vulfanifchen Ter⸗ 
rains dargeftellt find; endlich berichtete derfelbe über vie Wahrnehmung 
des Colonel Sabine, nach welcher wahrfcheinlich die Sonne auch als 
Magnet wirkfam if. 

Später wurde von Heren Dove Capitain Allen’s Project, das 
mittellänbifche Meer über das 1200 Fuß unter demfelben liegende Baſſin 
des todten Meeres mit dem rothen Meere durch Canalifation in Ver⸗ 
bindung zu feßen, mitgetheilt; derfelbe gab Nachricht über die Verthei⸗ 
lung der Wirbelſtürme im indifchen Meere, über die Temperatur ber 
Oſtküſte von Afien nach neueren Beobachtungen in Hongfong, über 
das Klima von Cayenne nach 7Tjährigen Beobachtungen von Dalton, 
über die Temperatur des preußifchen Staates nach 7 jährigen Beob⸗ 
achtungen des meteorologifchen Inftituts, über die Erbwärme in Ber⸗ 
iin big zu einer Tiefe von 5 Fuß und über den wärmenden Einfluß 


182 C. Ritter: 


eines Fluffes bei firenger Winterfälte auf die zunächft liegende Luft 
nach eigenen Beobachtungen an der Spree in Berlin. 

Herr Heinr. Rofe hielt nad) Anleitung des Werkes von Withnen 
„über den Metallreichthum der vereinigten Staaten von Rordamerifa, 
Philadelphia 1854” in mehreren Sitzungen ausführliche Vorträge über 
den Metallreichthum Nordamerika's im Vergleich mit dem der übrigen 
Erbtheile. Es wurde das verfchienene Vorkommen der Metallſchaͤtze 
und deren Gewinnung nach Verhältniß und Zunahme feit dem An- 
fange unferes Jahrhunderts in Beziehung auf Gold, Silber, Eiſen, 
Kupfer, Zink, Quedfilber u f. w. mitgetheilt, ſowie die lehrreiche An- 
wendung biefer Verhältniffe auf Induftrie und Eultur der Bölfer un 
Staaten der Erde. Herr Tamnau hatte die Güte, aus feinen reichen 
mineralogifchen und metallurgifchen Sammlungen, eine fehr lehrreiche 
Folge von gebiegenen Kupfer» und Silbermaflen, fowie von Erzen aus 
den Gruben und Bergwerfen am Oberen See in den Vereinsſtaaten 
Rordamerifa’s vorzuzeigen und mit Bemerkungen über deren merkwuͤr⸗ 
diges und eigenthümliched Vorkommen zu begleiten. 

Herr Ehrenberg legte fein großartiges, mit 100 Kupfertafeln in 
Folio ausgeftattetes Werk über Mifrogeologie oder über das „Erben 
und Felfen fchaffende Wirfen des unfichtbar kleinſten felbfiftändigen Le⸗ 
bens auf der Erde,” Leipzig 1854, vor. Er hielt einen ausführlichen 
Vortrag über deffen Plan und Inhalt. Bei der überfichtlichen Erklä⸗ 
rung der Darftellung der Raturförper auf den einzelnen Kupfertafeln 
ergab fich von felbft, wie er durch eigene Sammlungen auf feinen Reis 
fen in Europa, Aften und Afrika, ſowie durch reichhaltige Zufendungen 
der ausgezeichnetften Reifenden von Erdgebilden aus faft allen Gegen: 
den der Erde, wie der Dceane, vom Nord⸗ bis zum Sübdpole, aus 
den Tropen, aus Ebenen, von Berggipfeln, aus dem tiefften Seegrunde, 
aus atmofphärifchen Niederfchlägen und aus den Delta’s großer Fluß 
betten in allen Grotheilen bei feinen Forſchungen unterftügt wurde 
Er zeigte, wie er dadurch nach 14jährigen phyſiologiſch⸗mikroskopiſchen 
Unterfuchungen aller dahin einfchlagenden Phänomene im Stande ge 
weſen fei, dieſes Fleinfte Leben in feinen bis dahin unbekannt geblicbe 
nen Individuen zu entdeden und deren Formen, wie fie faft über ven 
größten Theil der Erde verbreitet find, in feinem Werke zuſammenzu⸗ 
faffen, zu zeichnen, zu befchreiben, zu claffifisiren und fie ſelbſt aui 





Die Berliner geographiiche Sefelichaft im Jahre 1854 — 1855. 183 


eine eigenthümliche Weife für fernere Unterfuchungen compendiarifch 
aufzubewahren. Es ergab fich, wie dieſes kleinſte Leben feinen großen 
Anıheil an der gefammten Erbbildung nimmt und von jeher genoms 
men bat. 

Gehen wir nun von diefen allgemeineren zu den fpecielen Mit- 
theilungen aus den einzelnen Erdtheilen über, fo ift es fehr erfreulich, 
hierbei in Bezug auf das Gebiet von Alien ein von den Geographen 
längft gehegtes Verlangen zur Ehre eines faft verfchollenen und doch 
ausgezeichneten deutſchen KReifenden, des Dr. Seegen, der ald Märtyrer 
für feine Wiffenfchaft im Jahre 1811 in Arabien den Tod fand, nam 
lich die Veröffentlichung feiner Tagebücher und feines Nachlaffes, end⸗ 
lich realifirt zu fehen. Wir verdanken dies einem Mitglieve unferes 
Bereind, Herrn ©. Reimer ald Verleger, und nächft Hrn. Krufe auch 
Hrn. Dr. Müller’ mühfamfter und kritiſcher Entzifferung diefes ſchon 
halb verblichenen inhaltreihen Nachlaſſes. Seetzen, der ehrenwerthe 
Nachfolger eines Niebuhr, der wiſſenſchaftlich gebildete Vorgänger eines 
Burkhardt, ift der erſte Wegweiſer am Anfange dieſes Jahrhunderts 
ju vielen Entdedungen im Orient, zu denen er zuerſt für feine Nach» 
folger die Wege gebahnt Hat. Ich Habe mich bemüht, in einem Vor⸗ 
tage die großen Verdienſte dieſes Reijenden für feine Zeit hervorzu⸗ 
heben. 

Ebenfo fuchte ich in einem Vortrage aus den biographifchen Zus 
jendungen, die mir von dem englifchen Gouverneur zu Hongkong zus 
gefommen waren, eine Weberficht von den Berbienften des Fürzlich ver: 
ſtorbenen Groß- Mandarin Lin in Ehina um die Hortfchritte der chines 
ſiſchen Geographie in Bezug auf die Kennmiß des Auslandes, d. h. 
der übrigen Erde, zu geben, und zwar nach dem geographijchen Com⸗ 
yendium, das Fin, einer der gelehrteften Chinefen der neueren Zeit, 
unter dem Titel: „die oceanifchen Königreiche,” feiner Nation hinter⸗ 
lafien bat. 

Herr Walter fprach über die Temperatur des öftlichen Aſiens, 
welche durch die dafelbft vorherrfchenden Winde bedingt wird. 

Here Kleng berichtete nach einem an ihn eingelaufenen Schreiben 
bes Gouverneur Borwring zu Hongkong über die ethnologijchen Zu: 
fände in China und über den Handel der Fremden bafelbft, dann über 
Bowring’& Korrefpondenz mit dem König von Siam und über deſſen 


184 C. Ritter: 


Reiſen dahin, wie nach Japan, mit lehrreichen Angaben über dortige 
politifche und @ulturzuftände. Ein zweites fpäteres Schreiben gab Bes 
richt über feinen Aufenthalt auf einer Flotte von 5 englifchen und 
amerifanifchen Schiffen vor Anker an der Mündung des Peihofluffes 
im gelben Meere, und über die Verfuche, einen directen Handelöver- 
kehr mit der benachbarten Reſidenzſtadt Peking zu Stande zu bringen, 
nebft andern Rachrichten über die dortigen Volközuftände, 

Aus Honolulu, der Refidenzftadt des Sandwich» Infelreiches, lief 
an den Vorſtand von dem dortigen englifchen General⸗Conſul Wil. 
Miller ein Memoir über ethnographiſche vergleichende Beobachtungen 
unter auftralifchen Infulanern, Peruanern und amerifanifchen Indie 
nern, wozu Miller’8 langer Verkehr mit biefen Volksſtaͤmmen Gelegen- 
heit geboten Hatte, ein. 

Herr Philippi theilte zwei Briefe eines vaterländifchen, im chine⸗ 
ſiſchen Meere fegelnden Sciffscapitains im Auszuge mit, welche neuefte 
Nachrichten über das Königreich Cambodſcha und deſſen Beherrfcher, 
fowie über die dort neu begründete und ſchnell aufgeblühte Stadt und 
den Hafenort Kongport enthielten, nebſt Nachrichten über die Stadt 
Amoy und die im chinefifchen Reiche fortfchreitenden Verheerungen buch 
die Mebellenfriege. 

Ebenſo vermochte ich einen Bericht des nordamerifanifchen Schiffe: 
Capitains Perry über die Aufnahme feiner, ihn von den Vereinsſtaa⸗ 
ten anvertrauten Flotille bei den Japanern und über die von ihm 
dahin geführte Gefandtichaft, welche mit der Eröffnung eines Handels⸗ 
verfehrs zwifchen Japan und den Vereinsflaaten beauftragt war, fer 
ner über den ihm geftatteten Zutritt feiner Schiffe zu den japanifchen 
Häfen Simoda und Hakodadi, wie über feine beabfichtigte Küftenauf- 
nahme ber Infelgruppe Japans mitzutheilen. 

Aus dem von Prof. Petermann an feine Familie gelangten und von 
diefer uns zur Veröffentlichung überlafienen Schreiben aus Mefopota- 
mien berichtete ich noch Über Die von demfelben im Süden von Bagdad 
am Euphrat befuchte Gemeinde der Johannisjünger, und legte feinen 
merfwürbigen Bericht über das fo felten von Europhern befuchte Jet 
in GentralsBerfien vor, wo fich die größte Gemeinde der Buchen 
oder Feuerbiener, die in Indien unter dem Namen Parfi jeht zerſtreut 
leben, in ihrer Urheimath erhalten hat. 


Die Berliner geographifche Geſellſchaft im Jahre 1854 — 1855. 185 


Ebenſo Hielt ich zur Erklaͤrung der großen, farbig gebrudten, neue 
ſten Wandkarte Aftens von unferem Mitglieve, Herrn v. Sydow, einen 
Bortrag über das große aralo=caspifche Tiefland in der Mitte der 
alten Welt und über die colofialen Höhenverhältnifie feines füplichen, 
im Halbfreis daſſelbe umgebenden Gebirgsfranzes nach den neueften 
Bermeffungen, fowie über verſchiedene Verfuche, fi) von der Entſtehung 
diefer merkwürdigen Hauptienfung in der Mitte der größten Conti⸗ 
nente Rechenfchaft zu geben. 

Herr Bifchon, jetzt evangelifcher Prediger in Eonftantinopel, berich- 
tete in zwei Sitzungen ausführlich über feine Reife im Frühiahr 1853 
von Conſtantinopel über Smyrna, Eypern und Beirut nad) Serufalem, 
und fügte Bemerkungen über feinen dortigen Aufenthalt und die neueften 
Zuflände der von ihm bejuchten Küftenländer und Ortfchaften hinzu. 

Ueber Afrika fielen aus dem fchon angegebenen Grunde unfere 
diesjährigen Originalmittheilungen fparfamer aus, doc dürfen wir 
nun hoffen, daß in Kurzem die Quellen von daher uns defto reichlis 
her fließen werben. Außer den fragmentarifchen Notizen unferer Mif- 
fion Tiefen nur Schreiben des Dr. Bleek ein, der ald Sprachforfcher 
die Erpebition des englifchen, zur Befchiffung des Nigerftromes bis zu 
bem von Barth entvedten Benus beflimmten Dampfichiffes Plejade 
begleitete, aber fhon in Fernando Po durch Krankheit zur Heimfehr 
gezwungen wurde. “Derfelbe ift fpäter mit dem Biſchof von Nas 
tal nach der Oftfüfle von Afrika abgegangen, um dort für die Mif- 
fion ein Wörterbuch und eine Grammatif der Zulufprache auszuarbei- 
in, was ihm auch zu anderen ethnographifchen Forſchungen Veran⸗ 
laffung geben wird. Sein letzter Reifeberiht an den Vorſtand, ver 
auf fernere Mitthellungen rechnen läßt, If in einem der neueften 
Hefte der Zeitjchrift mitgetheilt. Dom Grafen Schlieffen, jetzt in Al 
gier, lief der Meifebericht eines Scheikhs ein, den er als Stinerar 
aus dem Munde des Scheikhs auffchrieb, weil diefer im Innern 
Afrika's auf längere Zeit mit unferem beuifchen Reifenden Dr. Barth 
zufammengetroffen war und von ihm Nachricht ertheilte. Durch Herrn 
v. Humboldt wurde ein an ihn gerichteted Schreiben des in Algerien 
berühmteften Löwenjägers, des Lieut. Jules Gerard, mitgetheilt, in wel⸗ 
chem berfelbe auf die Anfragen des Herrn v. Humboldt über Die Aus; 
dauer des Löwen in den verfchiedenen Temperaturgraden des fchrers 


186 C. Ritter: 


reichen Gebirgslandes von Nord⸗Afrika Auskunft giebt, wo er, wie 
fi) aus Gerards Löwenjagden ergeben hat, die Winterfälte von — 18 
Grad gut ertragen kann. 

Herr Dr. v. Klöden jun. bielt einen ausführlichen Vortrag über 
den Namen des weißen Nil8 und denjenigen Yluß, welchen dieſe Be 
nennung im eigentlichen Sinne nur zufommt. Der über 400 Jahre 
dort üblich gewefene Name wurde in feinem verfchiedenen Gebrauche 
bei den afrifanifchen Reifenden nachgewieſen. Diefe Mitteilungen bil⸗ 
den Bruchftüde eines größeren Werkes. Weber die Fortſchritte der Ent- 
defungen in Südafrifa konnten nur Bruchflüde angezeigt werben. 

KReichhaltiger waren die Nachrichten über Amerika eingelaufen. 
Herr Lichtenftein theilte bei Webergabe eines jchönen Geſchenks des 
preußijchen Conſuls Herrn Angelrodt in St. Louis an die Geſellſchaft, 
nämlich der großen Colton'ſchen Karte der Bereinsftaaten, deſſelben 
ftatiftifche Nachrichten über den außerordentlich fehnellen Anwachs ber 
Stadt und des Gebietd von St. Louis bis zum I. 1854, zumal durch 
deutſche Eolonifation, mit. Derfelbe gab auch eine Ueberſicht von Hm. 
Moͤllhauſen's Wanderung mit der großen Erpebition der Vereinsſtaa⸗ 
ten aus dem Miffiffippi- Thale gegen Weften duch die Rocky⸗Moun—⸗ 
tains nach Californien nebft Nachrichten über dortige Gebirgsarten und 
die Buebloss Indianer, bei denen 7 Stod hohe Haͤuſer für ganze Dorf 
gemeinden, Spuren von alten Kicchen, von chriftlichem und nichtehrift- 
Iichem Gotteödienfte, aber auch noch von Verehrung ihres Ahnherrn 
Montezuma vorgefunden werben. 

Nach feiner glüdlichen Rüdfehr in die Heimath Hat Herr Möll 
haufen Proben von den Verfteinerungen eines Urwaldes, den er in ben 
Rocky Mountains unter 35° nörbl. Br. und in einer Höhe von A000 
Fuß über dem Meere enivedte und 2 Tagereifen lang mühfam durch⸗ 
reifte, nebft Zeichnungen dortiger Zuftände auf einem Terrain, dem 
gegenwärtig aller Baumwuchs fehlt, vorgelegt. Zugleich wurde ein 
Bericht des Herrn Möllhaufen Hierüber von mir vorgelefen. 

Herr Walter befprach das in Amerifa herausgelommene ethno> 
graphifche Werf von Rott und Glivvon: Types of Mankind, und 
ihloß daran einen Vortrag über die verfchiedenen Menfchenracen; in 
einem Nachtrage hierzu entwidelte er feine Anficht über eine Streit⸗ 
frage der Zeit und theilte feine Gründe mit, die ifn bewogen, die Ur: 








Die Berliner geographifche Gefellfchaft im Jahre 1854 — 1855. 187 


bewohner Amerifa’8 für eine felbftftändige und eigentHlümliche Menfchen- 
race zu halten. 

Aus einem Briefe des Herrn Squier vom September 1854 aus 
Gentrals Amerika theilte Ich defien neue, während feines dortigen Auf- 
entHalts gemachte Beobachtungen über die Rahuals Indianer mit, die 
nach ihrer patriarchalifchen Verfaſſung, ihren Sitten, Gebräuchen und 
ihrer Sprache als beachtenswerthe Refte der Urbewohner Mexico's zu 
betrachten find. Ihr Hauptgewerbe befteht im Verkauf des aus ihren 
Waldungen gewonnenen fo berühmten mericantfchen Balſams. 

Herr v. Ledebur berichtete ausführlich über Die mericanifchen ans 
tiquarifchen Schäße des hiefigen Föniglichen Mufeums, zumal an Bilds 
werfen und Kunftarbeiten aller Art; er wied durch fie den früheften 
Einfluß der Chinefen auf mericanifche Bildung nad. Seine Befchreis 
bung ſchloß fih nur an die in der Föniglichen Sammlung befindlichen 
ädhten Idole an, die man fireng von den Häufig nachgemachten ber 
neueren Induſtrie zu unterjcheiden habe. 

Herr v. Klöden sen. las eine Abhandlung über die während der 
erften Hälfte des 16. Jahrhunderts ftattgehabten Eroberungszüge der 
Teutfchen in Benezuela, das Kaifer Karl V. zum Erblehn den reichen 
Kaufferren der Welfer zu Augsburg gegeben hatte, von Denen nun nach 
einander verfchiedene Expeditionen zur Eroberung und Erwerbung dies 
ied nermeintlichen Eldorado ausgefandt wurden. Unter ven beutfchen 
Kriegsoberften zeichneten fich befonderd die Alfinger, Georg v. Speyer, 
Federmann und Phil. v. Hutten durch ihre wunbergleichen Ihaten, 
aber auch durch ihre Grauſamkeiten, aus. 

Mit Borlegung einer von Herrn Kiepert entworfenen Karte bes 
nörblichen Sübamerifa hielt ich noch einen Vortrag über unfere gegen⸗ 
wärtige Kenntniß des riefigen Amazonas und feiner großen Zuftröme, 
fowie über die Ausfichten zu einer Dampficifffahrt auf demjelben, und 
zu der wünfchenswerthen Befreiung der bisherigen Monopole feiner 
Beichiffung und feines Handelöverfehre, wozu der ganze, das Strom⸗ 
baffın umgebende Staatenfranz von Republifen in dem Werfe, Das über 
die jüngfte Befchiffung des Amazonas unter Lieut. Herndon und Larb- 
ner Gibbon im Auftrage des Gouvernements der vereinigten Staaten 
Bericht giebt, aufgefordert wird, mit den Nordamerifanern vereint bie 
Hände zu bieten. 





188 @. Ritter: 


Zu den jüngften Mittheilungen gehören die von unferem audwärs 
tigen Mitglieve Dr. Kohl im Herbft vorigen Jahres am mich gerichtes 
ten Reifeberichte, die in wiffenfchaftlicher Beziehung manchen intereſſan⸗ 
ten Auffchluß über die neuefte Hiftorifche Entwidelung der nordameris 
fanifhen Staaten und Zuftände von New⸗NYork norbwärts bis zum 
St. Lorenzo, Quebec und der großen Seegruppe geben, von wo der 
Verfaſſer durch die inneren Staaten nach Wafhington zurüdfehrte, um 
dort, wo möglich, fein großes geographifch-hiftorifches Werk uber die 
Entdedungsgefchichte Amerifa’8 nach Columbus bis auf die Gegenwart 
mit Beiftand der Smithsonian Institution zu veröffentlichen. 

Es bleibt uns nur noch übrig, an einige Europa's geographiſche 
Verhaͤltniſſe betreffende Meittheilungen zu erinnern. 

Herr Kiepert machte eine kurze Anzeige von Herrn Viquesnels 
Bereifung des Gebirges Rhodope und von feiner geographifchen, wie 
fartographifchen Aufnahme dieſes altthracifchen Gebirgsſyſtems, das zu 
vor auf allen Landkarten der Türkei ganz irrthuͤmlich dargeſtellt war, 
nun aber durch die vorgelegte verdienftliche Arbeit feine Berichtigung 
erhalten hat. 

Herr Rammelöberg hielt einen längeren Vortrag über die von 
ihm bereifte und fo eben vollendete Semmerings-Eifenbahn in den 
öfterreichifchen Alpen, über deren Gefchichte und Einrichtung, fowie 
über die dabei zu überwinden gewefenen, burch die beveutenden Stei⸗ 
gungs- und Krümmungsverhältniffe verurfachten Schwierigfeitn; er 
legte Bläne und Anfichten zur Erläuterung vor. Herr v. Sydow theilte 
fpäter auch feine Bemerfungen über diefe Eifenbahn mit und befpracdh 
die dabei überwundenen Schwierigkeiten, indem er gleichfalls Anfichten 
derjelben vorlegte. 

Endlih machte ih in einem ausführlichen Vortrage auf Das von 
feinem Berfaffer, Heren Dr. Schmid! zu Wien, eingefandte Werk: Zur 
Höhlenkunde des Karftes, Wien 1854, aufmerkfam, welches als erfte 
wifienfchaftliche Befchreibung dieſes weitverbreiteten Hoͤhlenſyſtems und 
feiner merfwürdigen Erfcheinungen von verfchwinvenden und wieder 
bervorbrechenden Fluͤſſen u. f. w. angefehen werden muß. 

Herr W. Roſe legte mehrere Anftchten von Schweizergegenven, 
die er kuͤrzlich beſucht hatte, mit Bemerkungen darüber vor; er beſprach 
vorzüglich die große Zunahme der Bejucher ihrer Naturwunder in ben 





Die Berliner geographifche Gefellfchaft im Jahre 1854 — 1855. 189 


höheren Gebirgeregionen und die auch in den entlegenften Winkeln ver 
Thaler und Berghöhen getroffenen Einrichtungen zu ihrer Aufnahme. 
Herr Dieterici übergab der Gefellfchaft ven 5. Kolioband feiner 
„Statififchen Nachrichten über den preußifchen Staat für das Jahr 
1849”, befonders die Gewerbetabellen enthaltend, und entwidelte dabei 
ven Plan und den Zweck dieſer Arbeit des flatiftifchen Bureau's, in 
welcher zum erften Male auch der Aderbau und die Vertheilung des 
Aderlandes in dem ganzen Staate unterfucht und befprochen wird. 
So dürfte unfer Verein denn wohl mit einiger Hoffnung, für bie 
Zeitgenofien auf feinem Gebiete nicht ganz unwirkfam geblieben zu 
fein, mit Vertrauen. auf die Zukunft in ein neues thätiged Lebensjahr 
eintreten und auch fernerhin fein Scherflein zur fortfchreitenden Ers 
fenntniß des großen Exrbenfchauplages beizutragen bemüht bleiben. 


@. Ritter. 


— — — — — - 





VI. 
Die Vulkane von Mexico. 


Dritter Artikel. 


Nördlich zur Seite des Poporatepetl, 24 Meilen entfernt, gleich— 
fam zufanmen ein Ehepaar bilvdend, erhebt fich 


der Irtaccihuatl, 
(indifh: ixtac weiß, und cihuatl Frau) !), unter 19° 10’ nördl. Br. 
und 100° 55’ weftl. Lange, von den Spaniern auch Sierra nevada 
de Puebla genannt. Diejer Vulkan fol zur Zeit der agtefifchen Ka 
nige Rauch und Afche ausgeworfen haben, ſcheint jedoch bereits jeit 
langer Zeit erlofchen zu fein). A. v. Humboldt giebt feine Höhe auf 


2) A. v. Humboldt Essai I, 265; Heinere Schriften I, 467. Der Name würde 
alfo fo viel, ald Weiße Frau (Dame blanche), unzweifelhaft nach der Schnee⸗ 
und G@isbevedung des Berges, beveuten und er erhielt diefe Erklärung ſchon im einem 
alten, nur manuferipflich vorhandenen Werfe, nämlich in Camargo, Historia de 
Tlascala, woraus Prescott a. a. O. II, 44 folgende Stelle mittheilt: La Sierra ne- 
vada Ixtaccihuatl, que quiere decir la sierra, que humea y la blanca muger, fe: 
wie auch Gomara ſich darüber in ähnlicher Weife äußert: i con otro, que por tener 
siempre nieve, diceen Sierra Blanca (Cronica de la Nueva Espaßa in RBareia'. 
Historiadores primitivos de las Indias occidentales. Madrid 1749. II, 234). Der 
Berg führt außerdem bei den Bingeborenen den Namen Eihuatepetl (Frauenberg) und 
Eihuapiltepetl oder Damenberg, von Cihuatl mit dem Zufage pilli, was fo viel ale 
Edel oder Edeldame bedeutet (v. Humboldt, Fleinere Schriften I, 467). Aber es 
ift nach unferem berühmten Reifenden ganz ungenau, wenn Lorenzana dafür ben Na: 
men Zihnaltepec hat (La otra sierra inmediata, que los Gentiles creian era la muger 
de el Volcan y por esto la llamaban Zihualtepec, a. a. O. 71). G. 

2) Herr v. Humboldt zweifelt nicht, daß der Berg ein erloſchener Vullkan fei, 
obwohl felbft bei den Indianern fich Feine Sage vworfände, daß berfelbe einft Feuer 
ausgeworfen habe (Essaı I, 162). Wine geognoftifche Unterfuchung des ganzen Ber: 
ges fand noch nicht flatt, nur Sonnefchmid, der den Irtaccihnatl bis zu dem Beginn 
der Gletſcher befuchte, bemerft, daß das Geftein aus Porphyr und flellenweife aus 
Porphyrbreccie, d. 5. alfo in der Sprache der neueren Geognoſie aus Trachyt und 
Trachyt: Conglomeraten beftehe (Mineralogifche Beſchreibung der vorzüglichften Ber: 
werfs: Reviere von Merico oder Neu: Spanien. (Schleiz) 1804. ©. 322). ©. 





C. Piefhel: Die Vulkane von Merico. 191 


4786 Meter, 2455 Toifen oder 15,703 engl. Fuß an’). Sein Gipfel 
jeigt mehrere eigenthümlich gezadte Spiten von verfchiedener Höhe, die 
mit ewigem Schnee bebedt find, und die Phantaſie Bieler macht noch 
iegt eine auf dem Rüden liegende Frau daraus, woher auch die in- 
diihe Benennung ftammen fol. Der ganze Gebirgsfamm ift von vie- 
in Schluchten gerriffen, worin ſich der Schnee fammelt und vielen 
Baͤchen den Wafjerreichtbum gewährt, welcher die zu beiden Seiten lies 
genden Ebenen von Buebla und Merico befruchtet. Die eigenthümlich 
zerriſene Form des Berges macht die Bildung von Gletſchern möglich, 
die fih von allen merlcanifchen Schneevullanen auf diefem am zahl 
reihften finden, und deren großer Eisvorrath hHauptfächlich die Städte 
Merico, Buebla, Eholula, fowie die umliegenden Ortfchaften Jahr aus 
Jahr ein verforgt. 

Schon im Jahre 1746 foll der Verbrauch des Eifes in der Haupt- 
Radt fo bedeutend gewefen fein, daß er 15,522 Befos (1 Peſo = 
1 Thle. 13 Sgr. A Pf. preuß.) und einige Jahre fpäter jogar 20,000 
Peſos an Abgaben eingebracht haben fol. Noch jett fieht man täglich 
in den Straßen von Merico große Ladungen von Eis, in trodenes 
Gras verpadt, ankommen, die vom Irtaccihuatl auf Efeln nach Ehalco, 
und dann auf Kähnen zu Wafler nach Mexico gebracht werden. Der 
Preis des Eifes fol im Verhältniß zu der fonftigen hier herrfchenden 
Theurung nur fehr gering fein ?). 

Der aus diefen Gletfchern entjpringende Waſſerreichthum ift die 
Urfache, daß die Abhänge des Vulkans mit üppigen Wäldern und einer 
auffallend reichen Vegetation bevedt find, wie man ſie fonft nur an 
wenigen von gleicher Höhe findet. 

Bei meiner Reife von Merico über Cuautla, Atlirco nach Puebla, 
auf der füdlichen Seite diefer beiden Vulkane herum, fah ich die füd- 





’) Oltmanns berechnete aus v. Gerolt's Angaben in befien Perfiles geognosticos 
de los principales districtos minerales del estado de Nlexico con las elevaciones 
sobre el mar en pies ingleses, die Höhe des Irtaccihuatl zu 2454,8 Toiſen (14,728,8 
Bar. Fuß) oder zu 15,698 engl. Fuß (Aſtronomiſche und bypfometrifche Grundlagen 
ver Erdbeſchreibung. Stuttgart 1831. ©. 27). G. 

2) Ueber die Schnee⸗ und Cisgewinnung am Irtactihnatl berichtet bereits Los 
tenzana (S. 71) und auch Sonneſchmid (a. a. O. 321) giebt davon Nachricht. Letzter 
fand bei feinem Beſuche des Berges 40 Indianer, die Eisftüde, jedes ungefähr einen 
Gentner ſchwer, brachen. ®. 


192 €. Biefpel: 


öftliche Seite des Irtaccihuatl von Cholula aus und war überrafcht, 
in den wilden zerrifienen Beldwänden und Spalten auf dieſer Seite 
die Weberrefte eined alten Kraterrandes zu fehen. Nach der großen 
Ausdehnung, welche diefelben einnehmen, muß dieſer Krater einft von 
ungeheurem Umfange gewefen fein und mehr eine von Sübwelt nad 
Nordoſt gevehnte, fpaltenartige Form gehabt haben. 

In dem weftlih und nordweſtlich von biefem Bulfanen- Ehepaare 
ſich erſtreckenden Hocplatenu von Merkco begegnet man vom Fuße 
diefee Berge, namentlich von den Ortfchaften Amecameca, Zlalmanalco, 
Chalco bis zur Hauptſtadt Merico hinab einer Menge vulkaniſcher 
Bergfegel und Kleiner Erhebungsfrater, die gleichfam ald Trabanten 
fih um die großen Bulfane lagern und von deren auögebreiteter Thaͤ— 
tigkeit Zeugniß geben. Die Form von vielen ift fo regelmäßig coniſch 
gebildet und die abgeſchnittene Spige mit einer fo auffallenden Krater 
vertiefung verfehen, daß fie der ganzen Gegend einen eigenthümlichen 
Charakter verleihen. Man fteht oft in ihnen das fehönfte Bil eines 
Bulfans in verfleinertem Maßſtabe, und vielleicht haben fie auch in 
ihrer Weiſe eben fo thätigen Antheil an der Bildung dieſes Hochlan- 
des genommen, wie die großen Vulkane. Viele von ihnen find mit 
Bäumen bevachten, tragen jetzt auf ihrem Scheitel eine Wallfahrtd 
firche, und bilden durch ihre Form eine große Zierde der ganzen Ge 
gend. Andere find nur mit dürrem Gras und Cactuspflanzen bewach⸗ 
fen und dienen zu Steinbrüdhen. 

Einer der merfwürbigften diefer Fleinen Vulkane, Coschumac 
genannt, befindet fid) in unmittelbarer Nähe des Dorfes Ayotla, 7 Le 
guas von Merico, die zweite Station auf der großen Straße nah 
Veracruz. Die hoͤchſte Spige ift nach barometrifcher Meflung 852 
engl. Fuß über der Ebene von Merico. Diefer Krater ift von ziemlich 
runder Form und Hat 300 Fuß im Durchmeffer. Die Hauptausflußs 
öffnung an dem unteren Rande liegt gegen Often; fowohl innerhalb, 
wie außerhalb des Kraterd iſt der Berg mit einer grünlich grauen, 
wenig feſten Maſſe bevedt, welche im Bruch erdig und deutlich ge 
fchichtet iſt; fie ift mit runden Körnern gemifcht, die ihr ein poröfes 
Anfehen geben. Daß dieſe Maſſe den einfligen Lavaftrom gebildet hat, 
beweifen die gleichförmigen Schichten, welche, mantelförmig um ten 
Krater abgelagert, ihm feine conifche Geftalt gegeben haben. Inner 





Die Vulkane von Merico. 193 


halb, wie außerhalb Des Krater findet man Städe von bafaltifcher 
Lava und anderen vulfanifchen Felsarten, wie porphyrifches und tras 
chytiſches Geftein im Lavaſtrom eingefittet, wie man fie über das ganze 
Thal von Merico al8 Elemente der vulkaniſchen Auswürfe zerſtreut 
fieht. 

Eine andere Art von Felskegeln, die man nicht weniger zahlreich 
auf diefem Hochplateau bemerkt, fcheint dagegen einen ganz anderen 
Urfprung zu haben, indem ſie fchon in ihrer Außeren Yormation und 
Beftalt ein von den eben befchriebenen Kraterfegeln völlig verfchienenes 
Ausfehen zeigen. Zu biefer Klafie von Hügeln gehört ver 3 Stunden 
von Merico, dicht an der großen Straße nad) Pucbla und Vera⸗Cruz 
belegene Felshuͤgel, EI Peñon viejo genannt (Peüon bebeutet im 
Spaniſchen einen ifolirten hohen Berg), deſſen eigenthümliche runde 
Geſtalt, fowie die concentrifhe Schichtung der Felsmaſſen auf die Ent- 
Rehung durch Emporfteigen einer flüffigen Maſſe, welche gehoben nad) 
allen Seiten gleichmäßig abgeflofien und dann erflarrt ift, fchließen 
lt. Die Maſſe beftcht größtentheild aus einer rothen poröfen Lava, 
die an einzelnen Stellen in ein compactes Porphyrgeftein übergeht. 
Auf der ganzen Oberfläche findet man hohle Blafenräume von biefer 
Lava, die fich durch das Austrodnen und Entweichen der wäfjerigen 
Theile gebildet haben. Sie dienen theild den armen Leuten zu Woh—⸗ 
nungen, theil8 zu Ställen für das Vieh. Ein diefem ganz ähnliches 
Gebilde zeigt der Peñon nuero, ein Heiner ifolirter Felshügel, ber 
eine Stunde nörblid von Merico ſich aus dem flachen, moorigen Ufer 
des See's von Tescoco, links von der Straße nach Vera⸗Cruz, er 
hebt und durch fein iſolirtes Erjcheinen auf der weiten Ebene dem 
ganzen Thalbilde eine befondere Eigenthümlichkeit giebt. Diefer Peñon 
hatte bei feiner fuppelföürmigen Geftalt und feinem fchichtweife gehobes 
nen, wildzerriſſenen Geftein von rother und fehwärzlicher poröfer Lava, 
worin er gleichfalls Höhlen und Lufträume darbletet, ohne Zweifel dies 
ſelbe Entftehung, wie der ‘vorhin befchriebenee Das Emporfleigen Dies 
fer Mafien muß zugleich mit einer vulfanifchen Eruption verbunden 
geweien fein, indem das Geftein aus einer Miſchung faft aller vulfa- 
niſchen Felsarten und ihrer verfchiedenen Uebergaͤnge beſteht. Man 
findet Hier die rothe und ſchwarze poröfe Lava in dichtere rothe und 
ſchwarze Maſſen übergehen, die bald Feldſpathkryſtalle aufnehmen und 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Br. V. 13 








194 C. Pieſchel: 


verſchiedene Porphyrarten bilden, bald als Bafalt, Mandel⸗ und Kling: 
ftein, fowie ald tradhytifche Yeldarten auftreten und fchöne traubenfor: 
mige Hyalithe zeigen. 

Am Fuße des Berges entipringen” heiße fchwefelhaltige Quellen, die 
von den Merifanern vielfach als Heilbäder benupt werben, und deren 
Temperatur auf AL R. angegeben wird. Das Waſſer enthält viele 
Kohlenfäure, Schwefelfäure, Chlornatrium und fchwefelfauren Kalt. 

Eine ähnliche, reich mit Kohlenfäure gefchwängerte Schwefelquelle 
befinvet fih in dem 1 Legua von Merico entfernten mericanifchen Wall: 
fahrtsorte der heiligen Guadalupe, gleichfalld am Fuße eines Kleinen 
Hügeld. Ihr Waſſer wird getrunfen und vielfach zum Baden von den 
gerwöhnlichen Leuten benugt. Die Apotheker und Chemiker aus Merico 
fammeln ſich hier mit leichter Mühe ihre Koblenfäure vermittelft eines 
einfach über die Quelle gebedten Helmes, indem fie jo das Gas auf: 
fangen und in wenigen Augenbliden mehrere Schweinshäute damit 
füllen, um baffelbe zur Stadt zu bringen. 

So find auch die fchönen, Haren, warmen Schwefelquellen auf 
dem Weitabhange des Popocatepetl, in der Nähe von Guautla unt 
Huastepec, Die von rheumatifch Leidenden oft zum Baden benupt wer 
den. Erftere entfpringt aus einer vulfanifchen Felswand und hat un 
gefähr 28 R. Wärme; letztere bildet ein ſchoͤnes, von üppigen Platanen 
umfchlofienes Beden, aus deſſen weißkiefeligem Grunde das Waffer in 
ſchwefelwaſſerſtoffhaltigen Gasbläschen aufperl. Das Waſſer biefer 
Duelle ift fchwefelhaltiger und wärmer, als Das der erfteren. 

Der Porphyrhügel von Chapultepec, 1 Legua fübweftlich von 
Merico, am Wege nad) Tacubaya und Toluca, ift hier gleichfalls noch 
als ein folcher emporgehobener Hügel zu nennen, welcher fich iſolirt 
aus der Thalebene erhebt und früher wahrfcheinlich von Wafler um- 
flofien war. Seine Höhe beträgt 204 Fuß über dem Platze der Haupt: 
ftabt. Er beſteht, wie die erfien, aus röthlichem, dunkelgruͤnen Porphyr⸗ 
geftein mit eingefchloffenem Feldſpath und Hornblende. Aus feinem 
Buße entfpringt eine reiche, mit vielem Fohlenfauren Kalt gefchwängerte 
Duelle, deren Wafler auf einem 10,800 Fuß langen Aquaduct zur 
Hauptfladt geführt wird. Der aztelifche Name fol Berg der Graͤ— 
ber bebeuten und Ghapultepec die Begräbnißftätte der alten Herrſcher 
geweien fein, worauf auch der fchöne alte Cedern⸗ und Cypreſſen⸗Hain 





Die Bulfane von Mexico. 195 


(Cupressus disticha), der ihn in ehrwürbigen, majeftätifchen Exem⸗ 
ploren umfchließt, Hinweifen duͤrfte. Andere behaupten, Ehapultepec 
jei vor der Eroberung Merico’8 der Luflort der Könige von Anahuac 
gewefen. Der Vicekoͤnig Graf Galvez erbaute auf königliche Koften 
ein Schloß auf feinem Gipfel; fpäter ift daſſelbe wegen feiner beherr⸗ 
Ihenden Lage befeftigt worden und Hat in Revolutiongzeiten oft zu 
Waffenplaͤtzen gedient; jetzt ift e8 zu einem Militair-Collegium umges 
wandelt und der den Felſen umgebende Garten mit feinen alten Cy⸗ 
prefien dem täglichen Befuche des Publikums geöffnet. 

An den drei legtgenannten Hügeln findet fi) Feine Spur von 
einem Krater oder einer gewaltfamen vulfanifchen Eruption; fie tragen 
vielmehr, wie bereits erwähnt, das Gepräge eimer ruhigen Erhebung 
duch unterirdifched Feuer umgebildeter, mehr ober weniger gefchmolges 
ner Maſſen, die an der Oberfläche der Erde duch Einwirkung von 
Luft und Waſſer erflarrt find. Daß das lebte Element hier vorzüglich 
mitgewirkt hat, dafür fpricht namentlich die Lage ber Hügel, die darauf 
hinweift, daß fich diefelben einft aus dem Wafler des See's von Tescoco 
erhoben Haben, welcher früher, wie jebt noch oft bei anhaltender flarfer 
Regenzeit, fie wie Infeln mit feiner Waflerfläche umgeben haben mag. 

Weſtlich vom Srtaccihuatl erhebt fich der 


Cerro de Ajusco, 

der mit ſeinem ſich von Oſten nach Weſten hinziehenden Gebirgsruͤcken 
im Süden das Thal von Mexico unter dem 19° 15’ 27” n. Br. und 
101° 32’ 45” weftl. &. fchließt. Derfelbe führt den Namen von dem an 
kinem norvöftlichen Abhange gelegenen Heinen Dorfe Afusco, und feine 
Höhe wurde durch Meflung zu 12,054 Fuß beftimmt '). Er erreicht 
nicht die Grenze des ewigen Schnee’8 und nur in den kälteren Winters 
monaten December bis Februar fieht man zuweilen Tage lang feine 
Spike und Abhänge mit Schnee bevedt, was Dann bei der nur etwa 
10 bis 12 Leguas betragenden Entfernung von ber Hauptflabt die 
Aufmerkſamkeit der Mexicaner ald Prophezeiung einer Falten Witterung 
auf fich zieht. 


!) Dltmanns beflimmte die Höhe nach v. Gerolt's geognoflifcher Karte au 
12,064 engl. Fuß oder zu 1886,65 Totfen (11,319 Par. Fuß) a. a. ©. 1, 1, 28. 
G. 


13* 








196 | C. Pieſchel: 


Ich beſtieg den Cerro de Ajusco am 16. September 1852 in Ge 


fefchaft eines ehemaligen preußifchen Offizierd, Bar. v. H., mit dem 
ich einen mehrtägigen Spaziergang und eine Jagbpartie in den Bor 
bergen dieſes Vulkans gemacht hatte. Wir Drachen, begleitet von einem 
anderen Deutfchen und zwei indiſchen Führern, am gedachten Tage früh 
6 Uhr zu Fuß aus dem Dorfe Santa Magdalena de lad Kontrerad 
auf und gingen über das hochgelegene Dörfchen San Nicolas, welches 
fchon eine herrliche Ausficht auf das Thal von Merico darbietet, über 


die Hacienda Islada, durch die bewaldeten Bergabhänge in directer 


Richtung dem Gerro de Ajusco zu. Der Weg durch einen forwwaͤh⸗ 
venden Pinienwald, durch üppig bewachſene Schluchten, über Hare und 
wafferreiche Sturzbäche, über Wiefengrünbe, offene Walpftellen, auf 
weichen iſolirt Heine Rancho's mit Viehwirthſchaft liegen, ſowie über 
zomantifch gelegene Holsfchneidemühlen war reich an mannigfachen Ab: 


wechfelungen und fchönen Raturfcenen. So paffirten wir den Beinen 
Waſſerfall Cascada de Llano del negro, den Rancho viejo, Rancho de 
Campana und gelangten gegen 10 Uhr in die elenden Holzhütten des 
Heinen Rancho agua es condida. Nach Beforgung eined anderen fun 
digen Führers bis zur Spitze Des Berges fegten wir nach 12 Uhr un- 
ter Anführung eines 14 jaͤhrigen Knaben, Ceſario Naba, der uns auf 


die höchfte Spige zu führen verfprach, unferen Weg fort, immer im 


dichten Pinienwalde auffleigend und einem Kleinen Bache folgend. 
Rah einer halben Stunde gelangten wir auf eine Hochebene, 

Monte alegre, in deren hohem Grafe Rindvieh und Pferbe weibeten, 

und Die im Süden von einer pittoredfen Yeldpartie begrenzt und von 


einem waſſerreichen Bache durchriefelt wurde. Die Spitze des Gern | 
trat hier bereitd majeftätifch und entgegen und zeigte fich deutlich ald 
Kratertvand eines gegen Norbweften geöffneten Kraterfegeld. Wir über 





fchritten am Zuße diefe Oeffnung, Die vieleicht den vierten Theil des 
Kraterd einnimmt, und fliegen im Norden auf dem äußeren, fchrägen 
Abhange des Kraterrandes über loſes, mit üppigem Grafe und alten 


Tannen bewachjenes Geftein aufwaͤrts. Die Kraterränder find nad 
innen, wie nach außen bis zur hoͤchſten Spitze bewachſen; die inneren 
fallen fteiler ab, al8 die Außeren, und tragen bis zum oberften Rande 


die fchönften Pinien, ein Zeichen, daß hier bereits feit vielen Jahrhun: 
derten jede vulkaniſche Thätigkeit erlofchen if. Wo einft die Natur ein 


Die Vulkane von Merico. 197 


maͤchtiges, Verderben bringendes euer fchürte, da brennt jet der arme 
Kohlenbrenner mühfam feine Kohlen zum täglichen Erwerbe. 

Wir erklimmten die höchfte, von dem norböfllichen Rande des 
Kraterd gebildete Spige auf dem Außeren Kraterrande zwifchen dem 
lockeren Geftein und dem üppigen Graſe ohne Gefahr, wobei wir oft 
auf entwurzelten alten Tannenflämmen die bequemften Ruhefige fanden, 
um neue Kräfte, die bei der binnen Luft doppelt erforderlich waren, 
u fammeln. Gegen 3 Uhr erreichte ich auf dem höchſten Rande, 
deſſen Rüden oft kaum 3 Buß breit ift und von wild durcheinander 
liegenden Felsblöden gebildet wirb, über dieſe einige Hundert Schritte 
hinkletternd, vie höchſte Spige, Cerro grande de Ajusco. Ich hatte 
die reichfte Ausficht um mich; das Thal von Merico mit der weißen 
Häufermafje der Hauptftadt fchien fo dicht unter meinen Füßen zu 
liegen, daß man die einzelnen Straßen zu erkennen glaubte; dahinter 
und zur öftliden Seite lagen die Seen von Tescoco und Zochimilco, 
eingefehlofien von der grünen Thalfläche und einem weiten Gebirgs- 
freife, defien hoͤchſte Spigen, die Schneehäupter des Srtaccihuatl und 
Popocatepetl, majeftätifch herüberjchauten. Alles dies, ſowie die unzäh: 
ligen Ortfchaften mit ihren weißen Kirchen, San Angel, San Auguftin 
de las Cuevas, Zochimilco, Tepeca, Mircoac, Tacubaya nebft anderen, 
und die mit ihren dunklen Obftgärten und üppigen Feldern ſich von 
den Abhängen in die Ebene hinabziehenden Hacienda's gaben dem Bilbe 
einen fo mannigfaltigen großartigen Charakter, daß man wohl felten 
ein ähnliches wiederfinden möchte. 

Die Kraterwaͤnde fallen fchroff ab, find aber dennoch größtentheild 
mit einer üppigen Vegetation, namentlich mit ſchlanken Pinienftämmen, 
bedeck.. Im Süden erhebt fich der Kraterrand zu einer abgerundeten, 
gewoͤlbten Spige und fcheint dem erſtgedachten dreifantig fpitzulaufen- 
den Gipfel den Rang hinfichtlich der Höhe flreitig zu machen. Jene 
Spige iſt vielleicht nur wenige Fuß niedriger und hindert Deshalb die 
weitere Ausficht in die dahinter liegende Tierra caliente, nach Cuer⸗ 
navaca und Tasco. Der Kraterrand zeigt nur an einigen Stellen in 
der inneren Seite nadtes Geftein, wo wegen feines fteilen Abfalles 
feine Vegetation zu haften feheint. Das Geftein befteht aus Trachyt 
und bafaftifchen Lavaftüden. Gegen Nordweſten ift der Krater zum 
vierten Theile bis auf feinen Grund geöffnet, und von feinen gewaltis 








198 € Pieſchel: 


gen Auswürfen und Ausſtroͤmungen nach diefer Seite geben die lan- 
gen, von vulkaniſchem Schlamm und Aſche gebildeten Bergrüden Hinter 
den Ortfchaften Tacubaya, Mircoac, Tlacopaque, San Angel, San 
Hieronimus, Santa Magdalena bis San Auguftin, ſowie der foge 


nannte Pedregal, ein ſchwarzer Lavaſtrom zwiſchen San Angel, Tiiv 


pan, Eoyacan und San Auguftin, offenbar das Produkt der legten 
Eruption, die großartigften Beweiſe. Den Krater umgeben vide Fel⸗ 
jenfegel und vulfanifche Hügel, die fich auf den einzelnen Abftufungen 


der Abhänge bis in die Ebene von Merico Hinabziehen. Sie find alle 


dicht bewachfen und beftehen aus vulfanifchem Geftein. 

Sintereffant iſt e8, in der Kormation des gedachten Pedregal's noch 
den Fluß der einft flüffigen Lava zu erfennen und zu fehen, wie fih 
dieſe mächtigen Maffen in deutlichen Gefchieben über einander gelegt 


haben. Derfelbe it noch wenig bewachen, und feine Vegetation zeich⸗ 


net fich merklich von der benachbarten aus, indem die Pflanzen meilt 
den Euphorbien angehören, milchigen Saft haben und einen tippigen, 
aber Traftlofen Wuchs zeigen, fo daß ich diefe Vegetation eine vulfa 
nifche nennen möchte. Ihr fonderbarer Character wird dadurch hervor: 
gerufen, daß fie noch wenig Humus auf biefer poröfen Lava findet 


und fi nur durch das Regenwaſſer und den nächtlichen Niederichlag 


nähren kann. Eben fo eigenthümlich für die Lage ift die Thierwelt 
auf diefem Ravafelde, wo man unter anderen viele Schlangen antreffen 
fol, die fonft nur Bewohner wärmerer Landflriche find. Auch bemerkt 
man Infelten hier, 3. B. rothe Ameifen und befondere Arten von Baum: 
wanzen, die fonft nicht im Thale von Merico gefunden werden und nur 
in den tiefer gelegenen, der Tierra caliente angehörigen Orten leben. 

Ein nicht minder intereffantes Product dieſes Vulkans iſt ein 
brödliches, leichtes Lavageſtein, welches in den Bergrüden hinter Ta- 
cubaya gebrochen und vielfach zum Bau der Häufer in Merico, wie 
in den umliegenden Ortfchaften verwandt wird. Daffelbe ift eine mäd: 
tige, haufig Gerölle ſchwarzer doleritifcher Laven enthaltende Ablagerung 
von Trachyttuff, der fich leicht bearbeiten läßt und, in regelmäßige vier: 
fantige Steine gehauen, an der Luft ſich erhärtet. Diefer vulkaniſche 
Tuff, fowie der tiefer fich ihm anfchließenve abgelagerte Mergel zeigen 
auf's deutlichfte, Daß beide zu einer Zeit ausgeworfen, reſp. abgefegt wur⸗ 
den, als das Thal noch in einem weit größeren Umfange und zu eine: 


Die Bulfane von Mexico. 199 


weit beträchtlicheren Höhe mit Wafler gefüllt war, als jebt, und das⸗ 
felbe noch feine bindende Kraft auf diefed Eonglomerat, wie man es 
jegt findet, ausüben konnte. Daß diefe Tuffmaffe vulfanifchen Urfprungs 
it, beweift auch die Lage von ſchwarzer Lavaafche, die man dicht Hins 
ter Tacubaya darunter in einer Tiefe von 15 bis 20 Fuß beobachtet, 
und die dad Ausjehen einer ganz frifchen, erft Fürzlich ausgervorfenen 
vulkaniſchen, blaufchwarzen Afche hat. Nach dem Umfange diefer vul⸗ 
fanifhen, den Cerro de Ajusco umziehenden Abhänge zu fehließen, muß 
diefer Bulfan einft eine außerordentliche Thätigfeit entwickelt haben, 
und es fcheint faft der ganze ihn umlagernde Bergrüden, nach feiner 
vullanifchen Befchaffenheit zu urtheilen, ihm feinen Wrfprung zu vers 
danfen. 

Wir beabfichtigten, am Abend vom Cerro de Ajusco nach dem 
auf dem füdlichen Abhange gelegenen Rancho del Flojo zu gehen, wurs 
den aber durch unferen Führer theild wegen der heranrüdenden Nacht, 
theild wegen der angeblich weiten Entfernung veranlaßt, denfelben Weg 
urüd einzufchlagen, den wir binaufgeftiegen waren, und fehrten erft 
mit einbrechender Nacht in den Rancho Agua es condida zurüd. Die 
freundlichen, einfachen Bewohner gewährten uns mit vieler Bereitwillig⸗ 
keit ein, wenn auch fehr einfaches Obdach für die Nacht. Anderen Tages 
Riegen wir über die Thalabhänge, neben vielen Heinen vulfanifchen Hüs 
geln vorüber, nach Mexico zuruͤckkehrend, nach dem Heinen elenden Ge- 
birgedorfe Ajusco und nad) Tlalpan oder San Auguflin de Ind Cuevas 
hinab. Der lept erwähnte Ort liegt auf der Straße von Merico nad 
Acapulco, am Fuße des Cerro de Ajusco, umgeben von vulfanifchen 
Alchenfeldern und Lavahuͤgeln. Er hat feinen Beinamen de lad Eue- 
vas von mehreren Höhlen in dem nahen Gebirge, die durch unterirdi⸗ 
Ihe Gänge mit einander in Verbindung fiehen und 3 bis A Stunden 
weftlich von hier zwifchen den Ortfchaften Santa Fo und Guajimals- 
pan auf der Straße von Merico nach Toluco ausmünden follen. Die 
Sage erzählt von ihnen, daß heidniſche Myſterien vor dem eindringen- 
den Ehriftenthum darin Schuß gefucht hätten. Auffallend if «8, daß 
trotz der eifrigften Nachforfchungen jegt über diefe Höhlen und Gänge 
richte zu erfahren iſt. 

(Bortfeßung folgt ) 


VII. 
Zur Kunde von Suͤd⸗Afrika. 


Während die wiſſenſchaftliche Erforſchung der Nordhaͤlfte des afri⸗ 
kaniſchen Continents fortwaͤhrend im gedeihlichſten Fortſchritte begriffen 
iſt und faſt jedes Jahr neue dankenswerthe Beiträge zur Erweiterung 
und feſteren Begründung des Bekannten liefert oder Lüden ausfüllt, 
it man in Süd⸗Afrika nicht weniger thätig, wo man freilich ver 
bältnigmäßig mehr von den Umftänden begünftigt wird. Hat auf 
Süd-Afrifa in feinem größten Theile Teine fchiffbaren Fluͤſſe, welche 
den wifienfchaftlichen Forfcher, wie unter den norbafrifanifchen Strö- 
men der Ril, Senegal, Gambia und Niger, mit Leichtigkeit tief in das 
Innere zu fchaffen vermöchten, fo erfreut es fich dagegen mehrerer an⸗ 
derer für den europätfchen Reifenden nicht weniger wichtigen Borzüge, 
wozu namentlich der meift fehr fanfte Charakter der Eingeborenen, die 
faft gänzliche Abwefenheit des muhamedanifchen Yanatismus, die unges 
heure Ausdehnung deſſelben Sprachgebiets und endlich das beſſere Klima 
innerhalb eines fehr bedeutenden Theils feines Bereichs gehören. Aber 
vor Allem wurden Hier die Korfchungen durch die Verhältniffe des Cap» 
landes begünftigt, welches, ungeachtet feines völligen Mangels an ſchiff⸗ 
baren Strömen, durch die fortfchreitende Ausdehnung feiner Grenzen, 
die fleigende Zahl feiner Bewohner, das MWachfen feiner @ultur und 
feines Wohlftandes, feine georonete Verwaltung, endlich durch die auss 
gezeichnete Trefflichkeit feines Klima immer den beften Ausgangspunft für 
Reiſende nach dem füdafrifanifchen Binnenlande geboten hat. Deshalb 
ſah diefer Theil des Continents viel mehr, als jedes andere afrifanifche 
Küftenland, die von ihm ausgegangenen Forſcher nach Erreichung ihres 








Gumprecht: Zur Kunde von Süd⸗Afrika. 201 


Zweckes heimfchren. So finden ſich in der überaus langen Reihe von 
Märtyrern, welche die Erforfchung Afrifa’s während der lebten 60 
Jahre erforderte, nicht mehr als ſechs Männer '), die, von dem Cap⸗ 
lande auögegangen, als Opfer ihrer Beftrebungen einem frühen Tode 
verfielen. Es waren dies die im Jahre 1807 in den Betfchuanenländern 
ermordeten Engländer Cowan und Donavon, dann bie beiden Schotten 
Cowie und Green, welche im Jahre 1829 an der de Lagöa⸗Bai das 
flimatiiche Fieber hinwegraffte, ferner der Engländer Martyn und ber 
deutfche Naturforſcher Seivenftüder, die im Norden des Garip gleich⸗ 
falls von den Eingeborenen ermordet wurden, endlich der Engländer 
Alfred Dolman, den muthmaßlich feine eignen Leute, Hottentoten von 
Geburt, auf feiner Rüdkehr vom großen NgamisSee im Jahre 1851 
erihlugen. Hatten aber die vom Eaplande aus begonnenen Forſchun⸗ 
gen fo treffliche Folgen, daß in den Testen Jahren ein großer Theil 
Suͤd⸗Afrika's von der Capſtadt bis Angola durchfucht werden fonnte, 
jo fehlen dagegen von den Welt» und Ofträndern des Gontinents 
in dem Inneren gewonnene, Refultate in hoͤchſt auffallendem Grabe, 
wenn man die von den beiden muthigen deutſchen Mifftonaren Krapf 
und Rebman erworbenen ausnimmt. “Died wäre- um fo auffallender, 
als bekanntlich feit mehr als 300 Jahren eine europätfche Macht, die 
der Bortugiefen, ausgevehnte Beftgungen dort befaß, finden fich nicht 
in dem mörberifchen Klima der Küftenländer, wodurch jede europäifche 
Eolonifation derſelben unmöglich wird, in dem Drude, der Habfucht 
und dem Fanatismus der portugieftfchen Behörden, dem überall ver: 
breiteten Sflavenhandel, der jedem freundlichen Verhaͤlmiſſe der Ein- 
geborenen mit den Portugiefen im Wege fteht und dadurch eine ges 
nauere Erforfchung der Binnenländer hindert, in der fleigenden Auf- 
merffamfeit, die Portugal früher Brafilien zuwandte, je mehr man deſſen 
Schaͤtze kennen lernte, endlich in der langen, durch die fpanifche Herr⸗ 
(haft veranlaßten Erfchlaffung des portugiefifchen Nationalgeiftes, in 
dem fchlechten Zuftande des Unterrichts im Mutterlande, wodurch meift 
unwiſſende Beamte In die Eolonien kamen, fowie in den falſchen Han- 





1) ine lange und doch keineswegs vollſtaͤndige Lifte der Opfer afrikaniſcher Ent: 
befungsreifen bis zum Jahre 1851 habe ich in den Monatsberichten der Berliner geo: 
graph. Geſellſchaft N. F. VI, S. 73— 86 zufammengeflellt. 


202 Gumprecht: 


delsprincipien der Regierung, welche bis in die lehten Jahre allen 
fremden Schiffen den Zutritt in die Häfen der Colonien abfchloß '), 
und in der unausgeſetzten Finanznoth Portugals hinlängliche Grünte 
für diefe Erfcheinung ). Aber ungeachtet aller folcher ungünftigen Um: 
fände würde unfere Kenntnig Suͤd⸗-Afrika's Doch viel umfaffender fein, 
hätte nicht ein im Beginn des 16. Jahrhunderts gegebenes und lange be: 
ftandenes Geſetz jede Veröffentlichung über die portugieftfchen Entdeckun⸗ 
gen ohne Genehmigung der Regierung bei Todeöftrafe unterfagt (Le 
Bret, Gefchichte von Venedig. II, 869), was zur unmittelbaren Folge 
hatte, daß die portugieflfche Regierung fich zuletzt felbft ohne alle ge 
nauere Kenntniß des Zuftandes ihrer afrifanifchen Befigungen befand ’) 
und daß eine große Menge von älteren portugiefifchen hiftorifchen und 
erdkundlichen Arbeiten ungebrudt bleiben mußte oder völlig verloren ging, 
und wären auch die in neuerer Zeit in. Portugal erfchienenen Werke 
der Art im übrigen Europa bekannter geworden. Wie reich 3.2. einſt 
die portugiefifche Literatur an Schriften über Aftifa war, viel reicher, 


2) Erſt durch ein Decret vom 5. Mai 1844 wurden die Häfen bes portngient: 
ſchen Afrifa dem fremden Handel geöffnet. Dies gefchah an der Weftfeite des Conti: 
nents mit denen von Loanda und Benguela und hatte fo guten Grfolg, daß ſich ver 
Verkehr felb mit Poringal fofort hob (T. Omboni, Viaggi nell’ Africa occidentalr. 
Milano 1846. ©. 393). 

2) Don den faft unzähligen Zeugnifien und Urtheilen Seitens wohl unterriäte: 
ter Männer aus den meiften feefahrenden Nationen über viefe Berhältniffe genügt es, 
zwei hier anguführen. So fagt der mit den Verhältniſſen Sud⸗Afrika's durch feine 
longiährigen gründlichen Studien fo wohl vertrante Desb. Cooley Folgendes: The 
Portuguese could never engraft commercial prosperity on the systerm, which withered 
bencath their grasp. The avarice and fanatism, which in the sixteenth century ren- 
dered them equal to the boldest enterprizes, at the same time made their con- 
quests barren and spread desolation around their paths. Edinburgh 
Review 1837. LXI, 383. Ebenſo äußerte fi) mehr als 30 Jahre früher der frau: 
zöftfche Seeoffizier Ohier de Degrandpre, ein trefflicher und zuverläffiger Beobachter, 
nach eigenen Beobachtungen im portngiefiihen Wefts Afrifa in feinem Werfe: Voyage 
à la cöte occidentale de l’Afrique, fait dans les anndes 1786, 1787. 2 Vol. 8. Parıs 
1801. 1I, 34: ... Les diablissements des Portugais en Angola sont gouvermnes par 
Pavarice et la cruaute. 

3) Schr wahr fagt in ber Hinficht der britifche Capt. Tuckey: Les Portugai 
furent ensuite les premiers, qui s’avanctrent des cötes dans P’interieur et ils y receuilli- 
rent sans doute beaucoup de renseignements. Malheureusement pour l’univers il 
entrait dans leur plaisir de tenir leurs decouvertes secretes et ils l’executörent sı 
bien, que leurs €crits furent perdus m&me pour eux. ( Branzöfifche Ueberſetzung von 
Tuckey's Reife nach dem Gonge. Paris 1818. I, 8.) 





Zur Kunde von Süd= Afrika. 203 


ald die Zahl der befannt gewordenen gebrudten ahnen läßt, ergiebt ſich 
ihon aus den noch in den Archiven und Sammlungen Portugals und 
des Auslanded vorhandenen ungebrudten Manuferipten oder auch nur 
aus den Titeln der einft vorhanden geweſenen Werke. Dahin gehört 
die allgemeine Geographie des berühmten Hiſtorikers João de Barroß, 
die von ihm erwähnt wird, der dritte Theil der Chronik des Königs Jos 
hann des I., unter dem fein Sohn, der Prinz Heinrich, die glänzende 
Reihe der portugieflichen Entvedungen begann, der Auszug der Memoi⸗ 
ren dieſes Prinzen felbft über die neuen Entvedungen, die Beichreibung 
von Afrifa (Methiopien) des berühmten Seehelden Vasco de Gama, bie 
Beichreibung von Guinea von Franz Lamos, die der Minen des öftlichen 
Aethiopiens vom P. Franz v’Avelar, endlich D. Man. Barrada's Beichrei- 
bung von Aethiopien, Schriften, die wahrfcheinlich fammtlich verloren ges 
gangen find (Menges de Drumond in Berneur Journal des voya- 
ges. Paris 1826. XXX, 199). Bon anderen Werfen der Art fennt 
man wenigftens ihre noch jetzige Eriſtenz. So’ befindet fich in Der gro⸗ 
Ben Bibliothek ded Herzogs von Cadaval ein Band in Folio, enthals 
tend eine Gefchichte von Afrifa, ebendort ein Heft in Folio über bie 
medicinifchen Pflanzen und Wurzeln in den Wüften Angola’s ’), fowie 
eine Sammlung von auf die Entdedungen der Portugieſen bezüglichen 
Documenten in nicht weniger als 18 Foliobänden nebft vielen anderen 
Bänden von geringerem Umfange, ferner in der öffentlichen Bibliothek 
zu Liffabon ein merfwürbiges portugiefifches Manuſcript von Dominif 
©. Abreu de Brito unter dem Titel: Summariſche Befhreibung 
des Königreihe Angola, der Entdeckung der Infel Lo— 
anda und der Größe der Landeshauptmannſchaften Bras 
filiens, gefchrieben im Jahre 1592 und durch den Verfafler dem 
König Philipp I. (Philipp II. von Spanien) mit dem Zwecke gewids 
met, ihm über die Vergrößerung feiner Staaten und bie Bermeh- 
rung feiner Einnahmen Rath zu ertheilen ); in ber Bibliothef ber 


3) Im I. 1841 fandte die Sanitäts:Commiffion von Angola eine Saumlung 
von 57 verfchievenen heilfräftigen Wurzeln, deren fich die Cingeborenen Angola’s mit 
großem Nupen bevienen, nach Liſſabon, wo fie bie jeßt noch feinen Bearbeiter gefunden 
haben. I. v. Minutoli, Portugal und feine Kolonien im Jahre 1854. 2 Bde. Stutt- 
garbt 1855. 11, 305. Auch Omboni giebt ein Verzeichniß folcher Wurzeln (389400). 

2) Nah Menzzes de Drumond, ver dies Manufeript abfchreiben ließ, giebt das⸗ 
jelbe fehr wichtige Nachrichten über die Landcommunication quer durch Afrika von 


204 Gumprecht: 


liſſaboner Akademie der Wiſſenſchaften ein 3 Foliobaͤnde ſtarkes Ma— 
nuſcript, verfaßt unter der Regierung König Johann des IV. (re 
gierte von 1640 bis 1656) von Anton Dliveira de Cadornega, deſſen 
erfte zwei Bände die Eroberung und @olonifation Angola’ im Detail 
behandeln, der dritte die Geographie und Statiſtik dieſes 
Landes enthält (Mendzes de Drumond a. a. O. 200), endlich in der 
Bibliothek des Grafen Vimieyro eine Befchreibung Angola's von Joäo 
Mendes de Vasconcellos (Relagäo do Reino de Angola) "), und eine 
Beichreibung Guinea's von P. Manoel Alvared (Descripcäo geo- 
graphica da Africa, chamada Guine) ?), fämmtlicd Arbeiten, die den 
neueren Schriftftelleen über das portugieftfche Afrika ganz unbekannt 
geblieben zu fein fcheinen. Außerdem finden ſich im Liffaboner Archiv 
über 200 unebirte Briefe Albuquerqued von feinen Zügen in Oft: 
Afrifa und Indien nebft vielen Actenftüden über die Verwaltung Of: 
Afrika's (Kunſtmann in den Münchener gelehrten Anzeigen 1844. I, 
405, 406) und in der Bibliothek von Ajuda ein Coder mit Berich⸗ 
ten über die Entdedung von Guinea, EI Mina (St. Georg del Mina, 
der jeßige Hauptort der niederländifchen Befigungen in Guinea), Ca: 
cheo, Congo und Angola (Annäes maritimos e coloniäes. Lisboa 
1845. V. Parte näo official. ©. 102) *). Biele Documente follen 
aber fon zur Zeit der Philippe nach Spanien gewandert fein (Annäes 
V, 108), fo daß den zufünftigen portugiefifchen Forſchern über die 
Thaten ihrer Vorfahren auch in dieſem Lande eine reiche Erndte zu 
machen bevorfteht. Selbft nach anderen Ländern wurden zuhlreiche por; 
tugiefifhe manuferiptliche ältere Schriften und Documente geographis 
fhen Inhalts verfchlagen. So befigt das britifche Mufeum die Hands 
fchrift der fogar in Portugal völlig unbekannten und deshalb nicht in 


Angola nach Mozambique, die man fogar ſchon damals Fannte, obgleich die Portugie⸗ 
fen erft wenige Jahre vorher, im 3. 1574, unter ihrem Anführer Paulo Dias de No: 
vaes in Angola angelommen waren und bier feiten Fuß gefaßt Hatten. 

1) Nach Diego Barbofa Machabo’s Bibliotheca Iusitana. Fol. Lisboa 1759. 
II, 702. 

2) Ebendort IN, 173. 

2) In diefem ober follen fih viele Nachrichten ethnographifcher Art für vie 
Epoche von 1590 bis 1630 finden; berfelbe enthält 3. B. den Bericht eines Gapi: 
tains Cijara Mendes Eaftellobranco über feine Reife nach dem Reiche Gonge, alfe 
nad einem anfcheinend Höchft intereffanten Lande, von dem wir noch jebt fo viel wie 
gar nichts wifien. 





Zur Kunde von Süb =» Afrika. 205 


die große, zu Liffabon im Jahre 1778 — 1788 gebrudte Ausgabe des 
Gefchichtswerfes von de Barros und feines Fortfeherd Diego do Couto 
aufgenommenen 10. Decade des leztern Autors, woraus Desb. Cooley 
in feinem früher bier erwähnten Werkchen: The Negroland of the 
Arabs, noch einige interefiante Notizen zur Aufflärung der Kunde 
des öfllichen Süd: Afrifa entlehnen fonnte (jo ©. 136). Ferner findet 
fih in der großen Taiferlichen Bibliothek zu Paris das fchon erwähnte 
Werk von Cadornega über Angola (Duatremöre in den Notices et 
extraits de la bibliotheque du Roi, XII, 634), welches einft der 
Bibliothef der Parifer Abtei St. Germain des Proͤs angehörte und 
mutbmaßlich auch identifch mit dem dreibändigen manufecriptlichen Werfe 
über Congo, Angola und Benguela ift, das ver befannte Weberfeger 
der Reife des portugiefifchen Jeſuiten Lobo in Bortugal in der Bibliothek 
der gräflichen Familie Ericeira antraf und mitzunehmen die Erfaubniß 
erhielt. Iſt letztes der Fall, jo hätten wir in Cadornega's Werke viele 
interefjante Auffchlüfle namentlich über das Innere Angola’s zu erhal 
ten, da Legrands Manufcript (Voyage du Pere Lobo en Abyssinie. 
Paris 1728. S.IV) auch die Kriege der Bortugiefen mit der Eriegerifchen 
und mächtigen Königin Gingha ') von Matamba, der Semiramis von 
Angola, behandelt, wobei das portugiefifche Heer tief in dad Binnenland 
einzubringen Gelegenheit hatte. Aber noch ift daſſelbe nicht gedruckt ?). 
Nur wenige von den befannten älteren portugiefifchen Werfen und Docu- 
menten über die Berhältniffe Weſt⸗Afrika's find in neuerer Zeit veröffent- 
licht worden, indem der befonders durch den lebten Cardinal⸗Patriar⸗ 
den von Liffabon zur Herausgabe Hiftorifcher und geographifcher Dos 
cumente angefachte patriotifche Eifer bald nach deſſen Tode wieder er 
loſch. Doch danken wir dieſer Anregung die Veröffentlichung wenigſtens 
einiger werthvollen älteren Schriften. Dahin gehört das von dem vers 
ſtorbenen Ingenieur» Eapitain und Profeſſor Koepfe im Jahre 1841 zu 
Dporto herausgegebene Heine, aber wichtige Werk von Andr& Alvares 
de Almada: Tractado breve dos Rios de Guin& do Cabo Verde 
desde o Rio de Sanaga (d. h. dem Senegal) at& aos baixos de 

1) Gingha fcheint ein allgemeines Wort für Herrfcher zu fein, ba nach den por⸗ 
tugieſiſchen Hiftoritern über Angola mehrere Zürften des Innern zu verfchievenen Zeis 
ten fo genannt wurben. 


2) Langles fchlug es fhon im Jahre 1822 der Parifer geogr. Geſellſchaft zum 
Drude vor (Bulletin I, 163). 


206 Bumpredt: 


Santa Anna '), ferner das noch viel wichtigere und von Drumond de 
Menezes als verloren beflagte Werk von Gomes Eannes de Azurara: 
Chronica de descubrimento e conquista de Guin& escripta por 
mandado d’ El Rei Affonso V. welches durch die Fürforge des gelehr: 
ten Vizconde de Santarem zu Paris im Jahre 1842 erfchien. 

Auch an Karten mag es einer fo erprobten jeefahrenden Nation, 
wie die älteren Bortugiefen waren, nicht gefehlt haben, obgleich wenig 
darüber befannt if. Yür die MWahrfcheinlichfeit dieſer Vermuthung 
fpricht namentlich der Umftand, daß die Liffaboner Academie nah Me 
nezes de Drumond (Berneur XXXII, 201) ſich in dem Beſitze eines das 
Buch des Univerfum betitelten Atlas in 10 pergamentenen Folio⸗ 
tafeln befindet, der von einem gewiſſen Lazarus Louis angefertigt wurde 
und die Jahreszahl 1568 trägt. Die Arbeit fol ſich durch eine be 
wunbernswerthe Bolftändigfeit auszeichnen und eine faft unzählige 
Menge Poſitionen und Namen von Flüffen, Baien und Meeresein- 
fhnitten, felbft bis zu den Heinften herab, längs der ganzen Küfte von 
Afrika darbieten, fo daß fie einen Beweis giebt, bis zu welchem Umfange 
und Grade der Genauigkeit die älteren Unterfuchungen der Portugie 
fen gebiehen waren ?). Unter foldden Umſtaͤnden läßt ſich im vor 
aus annehmen, daß die Küften ihrer eigenen afrifanifchen Befigungen 
von den Portugiefen am wenigften vernachläffigt waren, und daß fie 
diefelben beffer kannten, als wir zu beurtheilen im Stande find, und als 
feloft ihre eigenen Nachkommen wiffen mögen, vie ſich an ben afrika 
nischen Küften jebt nur englifcher und franzoͤſiſcher Seekarten bebienen, 
wie die englifche KüftenunterfuchungssErpebition unter Capt. Owen 


2) Demfelben Heransgeber verbanten wir bie Veröffentlichung noch eines zweiten 
älteren werthvollen portugiefijchen Werkes, nämlich des von dem berühmten Admiral 
Don Joäo de Caſtro um die Mitte des 16. Jahrhunderts angefertigten Periplus ves 
rothen Meeres nach einem befieren und vollftändigeren Manuſcripte, als dem, wovon 
unfere frühere Kenntniß biefer Arbeit herrührt. De Caſtro's Periplus hat ſich befanzt- 
lich durch feine Genauigkeit flets der glänzendſten Anerkennung zu erfreuen gehabt und 
deshalb legte ihn aud der amsgezeichnete franzöflfche Kartograph Guill. Delisle feine 
Zeichnung bes erwähnten Meeres vorzugsweife zum Grunde (Histoire de l’Academie 
de Paris. Annee 1720. ©. 377). 

2) Auch die zahllofen Namen portugiefifhen Urfprungs am allen weftlichen und 
oͤſtlichen Küften Afrika's befonders auf älteren Karten fprechen für die genaue Kennt 
niß, welche die portugiefifchen Seefahrer von den Rändern des Gontinents einf bes 
faßen. 


Zur Kunde von Sid: Afrika. 207 


im Beginn biefes Jahrhunderts wahrzunehmen Gelegenheit hatte. Mag 
ed auch Feine veröffentlichte ältere portugiefifche Karte von den Küften 
des portugieftfchen Suͤd⸗Afrika geben, fo beflgen wir doch mehrere bes 
ftimmte Beweiſe, daß es der portugiefiichen Marine früher nicht an 
einer genauen Kenntniß der Küften gefehlt hat. So fand fi) noch in 
der Mitte des vorigen Jahrhunderts zu Evora in einer öffentlichen 
Bihliothel eine aus dem 16. Jahrhundert ſtammende Befchrelbung ver 
Küften von Angola (Roteiro da Costa de Angola) vor, die einen 
ſehr unterrichteten Ober⸗Piloten (Piloto Mor) Namens BDomingos 
Sernandes zum Berfafter Hatte (Barbofa Machado I, 711); fo ließ 
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts der General⸗Gouverneur von 
Angola Fr. Innocend de Souza Eoutinho ( 1764— 1772) die Küften 
von Angola aufnehmen und genaue Karten derfelben, ihrer zahlreichen _ 
Slugmündungen und Ankerplaͤtze zeichnen und fo erhielt endlich ber 
befannte britifche Reifende nach Abeffinien H. Salt während feines 
Aufenthalts zu Mozambique im Jahre 1809 eine dergeſtalt vollftän- 
tige und genaue ältere portugiefifche Karte der Oftküfte von Afrika, 
jo weit die Portugiefen Territorialanfprüche darauf machen, daß er fte 
der Veröffentlichung für würdig hielt. Er ließ fie für fein Reifewerf 
ftechen, was die Folge hatte, daß von da an jener Küftenftrich auf den 
neuen Karten genauer dargeftellt wurde, ald man es früher vermocht 
hatte. Manche ähnliche ſchätzbare Documente mögen noch in Portugal 
in den Archiven und Brivatfammlungen ruhen und dürften immer 
der Veröffentlichung werth fein, da es befannt ift, daß Owen’d Erye 
dition nicht alle Steeden ihred ungeheuren Unterfuchungsgebieis mit 
gleicher Sorgfalt erforfchen konnte. Erſt in der neueften Zeit hat die 
portugieftfche Marine wieder einzelne Punkte der weſtafrikaniſchen Küfte 
unterfucht und Pläne davon aufgenommen. Dies gefchah 3.8. mit der 
füblich von der Stadt Benguela gelegenen und hier noch öfterd zu ers 
wähnenden Bai von Moſſamedes (Annäes maritimos e coloniäes. 
Parte näo official. Vol. IV) und mit der Bai von Lobito nördlich von 
Benguela (ebend. Vol. VI). Aber viel bedeutender ift eine andere portu- 
giefifche Fartographifche Arbeit aus neuerer Zeit, die jedoch nicht allein 
hydrographifcher Natur ift, nämlich die Karte von Weſt⸗Afrika zwifchen 
dem 5 — 19° fübl. Breite, welche der Ingenieur» Öberftlieutenant und 
fpätere Marechal de Camp Luiz Candido Eorbeiro Pinheiro Furtado auf 


208 Gumpredt: 


Beranlaffung des Generals Gouverneurs von Angola Baron Moffäne 
des im Jahre 1790 anfertigte. Sie war die Frucht eines 25 jährigen 
Aufenthalts in diefen Gegenden und bis vor Kurzem die einzige, bie 


wenigftens ein leibliches Bild der verzeichneten Landſtriche gewährt. | 


Furtado hatte nämlich für feine Arbeit eine Menge von Punkten be 
ſtimmt und in derfelben eine große Zahl von einheimifchen Voͤllerſchaf⸗ 
ten, Fluͤſſen und Localitäten aufgeführt, wovon wir früher gar nichts 
wußten. Ein befonderes Verdienſt erwarb ſich der Verfaſſer noch da- 
durch, daß er für die richtige Schreibung der Namen Sorge trug 
(Balbi, Essai statist. sur le Royaume de Portugal. Paris 1822. Il. 
Append. CXIV). Diefe Karte ift in Europa erſt im Jahre 1821 durch 
Bowdich befannt worden, der fte in feiner Schrift: Account of the dis- 
coveries of the Portugueze in the interior of Angola and Mozam- 
bique, mitteilte, woraus fie in die Nouv. annales des voyages von 
Maltebrun und Eyries Bol. XXIII, und auß dieſen wieder in Berghaus 
und Hoffmann's Hertha Bd. I überging. Auch in dem 1825 zu Paris 
erfchienenen Werke won Feo Cardozo de Eaftellobranco e Torres: Me- 
morias contendo a biographia do Vice Almirante Luiz da Motta 
Feo e Torres, fol nad Eyries (Douville, Voyage au Congo. I, 
p. XVII) eine Copie davon vorhanden fein, indeſſen fehlt biefelbe in 
dem mir vorliegenden Eremplare und ich finde auch Feine Stelle in 
der Schrift, die über eine Beifügung der Karte Aufichluß gäbe. End: 
lich iſt in Bezug auf Fartographifche Darfielungen von Angola die 
große Karte zu Douville's MWerfe zu nennen, die, wie ſchon D. Eooley 
bei feinen Fritifchen Unterfuchungen gemuthmaßt hatte, auf zuverläfligen 
älteren portugiefifchen Karten, in deren Beſitz Douville gefommen fein 
mag, beruft. Herrn Kiepert’d neueſte Unterfuchungen hierüber haben 
ihn ganz zu demfelben Urtheile geleitet. | 

Nach langer Vernachläffigung und erſt nach dem Berlufte Bros 
filiend begann man in Portugal den continentalsafrifanifchen Beſitzun⸗ 
gen wieder Aufmerkfamkeit zuzuwenden und einige awedmäßige Mar 
regeln zu ergreifen, um durch befiere Benutzung der reichen Hilfsquellen 
biefer ungeheuren Landftriche die für den Staatöfchag und den Handel 
des Mutterlanded empfindlichen Verluſte einigermaßen auszugleichen. 
Bisher Hatten nämlich alle afrifanifchen Befigungen den Regierung 
kaſſen feine Weberfchüffe geliefert, vielmehr fehr bedeutende Opfer in 


Zur Kunde von Süd⸗Afrika. 209 


Anfpruch genommen. Zugleich erfchien in Portugal eine Reihe von 
Arbeiten mit der Abficht, Publikum und Regierung gemeinfam auf die 
begangenen Fehler und traurigen Zuflände des portugiefifchen Suͤd⸗ 
Afrika und alfo auch Angola’8 aufmerfjam zu machen, fowie Maßre⸗ 
geln zur Hervorrufung eines beſſeren Zuftandes zu veranlaflen. Dazu 
gehörten außer mehreren Journalartifeln namentlich folgende Schrifs 
ten: 

J. Accursio das Neves, Consideracgöes politicas e com- 
merciäes sobre os descobrimentos e possessöes dos Por- 
tuguezes na Africa e na Asia. Lisboa 1830. 12, 

Joaquim Antonio de Carvalho e Menezes, Meomoria 
geographica e politica das possessöes Portuguezes na Africa 
occidental, que diz respeito aos Reinos de Angola, Ben- 
guela e suas depedencias. Lisboa 1834. 41 pag. 

Luiz Ant. de Abreu e Lima, Visconde de Carreira, 
Memoria sobre as coloniäes de Portugal situadas na Costa 
occidental d’Africa mandada ao Governo pelo antigo Gover- 
nador Antonio Saldanha de Gama. Paris 1839. 8. 

Manoel de Barros e Sousa da Mesquita de Macedo 
Leitäo e Carvalho, segundo Visconde de Santarem, Me- 
moria sobre os descubrimientos portuguezes na Costa 
d’Africa occidental. Paris 1841; 

wozu noch der Dritte, Angola behandelnde Theil des vortrefflichen Werkes 
von Lopes de Lima: Ensaios sobre a statistica na Africa occi- 
dental e oriental, na Asia occidental, na China e na ÜOceania. 
Lisboa 1846, gehört, das mir aber fo wenig, wie bie übrigen eben 
genannten Werke mit Ausnahme des von Accurfio das Neved, zu Ges 
bot fteht, und das auch eine Spezialfarte der rien Beſitzungen 
in Angola enthalten ſoll. 

Um die Zuſtände des Landes zu verbeſſern, Ham num eine Reihe 
von Maßregeln theild bei der Regierung des Mutterlandes, theild bei 
den GeneralsGouverneuren in Betracht und theilwelfe auch zur Aus- 
führung, von denen wir einige hier anführen wollen, da man in Eu- 
ropa von jenen fernen Ländern wenig weiß. Vorzüglich gehörten dazu 
jolche, welche die Bodencultur und Den Erport der Landesproducie bes 
trafen. So intereffirte fich der General» Gouverneur Nicol. d'Abreu 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 14 


210 Bumpredt: 


Gaftellobtanco in den Jahren 1824 — 1828 befonbers für die Foͤrde⸗ 

sung des bis dahin völlig vernadhläffigten Baumwollenbaues und fen 

unmittelbarer Nachfolger der Baron de Santa Comba Däo in dm | 
Jahren 1829 — 1834 für Hebung der Kaffeebaumzucht, wozu die Berg: ' 
gelände im Innern ausgezeichnet geeignet find. Der Diſtrict Entdge | 
lieferte 3.8. einen fchon feit langer Zeit als trefflich bekannten Kaffer 

Der erfigenannte Gouverneur ließ auch eine Zuderfabrit am Bengoflufle 
anlegen und verfucdhte einen Export von vier zum Theil wichtigen Produk— | 
ten Angola’s, von Eifen, Schwefel, Erdöl und Gold, nach Liſſabon ein 
zuleiten. Denn das Land befiht eine Kühle des beften Eifens, das in 

nichts dem vorzüglichften auf Erden, dem fchwebifchen und bißcayifcen, 

nachfteht (Accurſio das Neves 246; Lacerda in ven Annäes manlı 

mos e coloniäes. Parte näo official. IV, 195) und von den Ein- 

geborenen troß ihres fehr einfachen und unvollfommenen Verfahrens in 
hoher Güte aus den Exzen bereitet wird. Schon im vorigen Jahr 
hundert Hatte das hiefige Eifen einen fo bedeutenden Ruf, daß Rav- | 
nal mit gebührender Anerkennung davon fprach, und daß der trefi 
liche Generals@ouverneur F. Innocens de Souza Coutinho in den 
Jahren 1764 — 1772 durch ſchwediſche und biscayifche Bergleute die 
Eifengruben von Oeiras im Diſtrict Golungo in befieren Betrieb zu 
ſetzen verfuchte und eine große Eifenhütte anlegte, Maßregeln, die lei⸗ 
nen weiteren Erfolg hatten, da bie Europäer bald ftarhen (Dmboni 
389), doch im Beginn dieſes Jahrhunderts Veranlaffung gaben, daß 
ein eben fo ausgezeichneter Gouverneur, der Graf Antonio Porto Sante 
We Saldanha de Gama), der Eifenprobuction der Eingeborenen ein 
größere Aufmerkfamfeit zumandte und fie durch zweckdienliche Maßre⸗ 
gein zu Heben verfuchte (Accurfio das Neves 247; Feo Cardozo 302). 
Die befannteften Eifengruben Angola’s, welche das befte Eiſen lieem, 
liegen in den Gebirgen öftlich von Benguela, Hauptfächlich in ven Di 
flricten von Golungo (Accurſio das Neves 242; Feo Cardogo 303): 
Ilamba (Omboni 390) und Balundo (Annäes. mar e col. Parte na0 | 
offie. IV, 156), fowwie am Fuße von Quibulla (Annäes IV, 148), in | 
welchen Gebieten e8 im Jahre 1799 überhaupt 9 Eifengruben gab. — | 
Der Schwefel findet fih hier gleichfalls auf reichen Lagerflätten und 
faſt rein im folder Fülle, daß nach Cardozo's Meinung die ganze vor 
tugieſiſche Monarchie mit Einfchluß Brafilien’s damit verforgt werden 


u m 


Zur Kunde von Süb- Afrika. 211 


könnte (a. a. ©. 303). Eine Ablagerung davon liegt in der Nähe ber 
Stabt Benguela, nur 5 Legoas füblic Davon und 1 Legoa vom Meere 
aunächft von der Farta-Bai (Bahia Farta), im Dombe grande von Quin⸗ 
zamba, wo fie Zacerba felbft fah (a. a. D. IV, 196; f. auch ebenv. 149; 
Feo Cardozo 335, 368; Douville I, 12; Tams, Die portugiefifchen Be: 
fitungen von Süd-Afrifa, Hamburg 1845. S. 154; Omboni 389). Zur 
Zeit des Gouverneurs de Borto Santo wurde diefelbe bearbeitet (Accurſio 
das Neves 249). — Erdöl giebt es theild nördlich von Loanda an ber 
Mündung des Dandefiromes, wo ed In folder Menge aus Felsfpalten 
fließt, daß man es vielfach ald Theer benubt (eo Cardozo 303, 335; 
Dmboni 389); theild im Diftrict Libongo und bei Moſſamedes (Omboni 
393). — Gold Hat Dagegen Angola in geringer Menge nur im Sande 
des Fluſſes Lombige und des Cunene (Lacerda IV, 197), fo daß es in 
der Goldproduction mit Brafilien nie hat wettelfern fönnen. Zu den 
neueren Mafregeln für die Hebung Angola's gehörte weiter in den 
Jahren 1829 bis 1834 die Unterbrüdung des Privilegiums des El⸗ 
fenbeinhandels, die Errichtung einer Induſtrie- und AderbausGefells 
ihaft für Angola und Benguela durch ven thätigen, zu bald vers 
ftorbenen Generals Gouverneur Domingo Saldanha v’Dliveira Daun, 
gleichzeitig und fpäter eine verbefierte DOrganifation der hier ſtationir⸗ 


ten Truppen und der Ausbau des für den Handel in das Land Cafs 
ſanci fo wichtigen Grenzforts Ambaca oder Embaca (8° 36’ nörbl. Br., 


25° 55’ öfll. 2); im 3. 1836 die von dem portugiefifhen Minifterium 
verfuchte Einführung von Kameelen aus Teneriffa, um dem völligen 


Mangel an Laftthieren abzuhelfen, eine Maßregel, bie wegen der ſchlech⸗ 


ten, den Thieren zu Theil gewordenen Pflege anfänglich feinen Erfolg 
hatte und auch feinen fchien haben zu fönnen, da das Klima wegen der 
mehrmonatlichen Dauer der tropifchen Regen an ver Kuͤſte zu feucht für 
Kameele ift, indeſſen nach fpäteren Berichten bei der im I. 1844 erfolgten 
Nachfendung anderer Thiere in den füdlicheren gebirgigen Iheilen Ange 
(a’8 gelungen ift, weil man in dem Jahre 1845 beabfichtigte, eine regel- 
mäßige Verbindung mittelft derfelben von Moffameded nach dem gejun- 
den Binnenlande, namentlich nach dem Diſtrict Huila, zu organifixen 
(Annäes marit. e colon. Parte offic. VI, 35, 157); ferner im Jahre 
1839 der von dem Gouverneur Ant. Emm. de Roronha unternommene 
Bau einer fchönen Straße nach dem Bengofluffe, fowie die von dem⸗ 
14* 


212 Bumpredt: 


felden angeordnete Einführung der Straßenerleuchtung zu Loanda, endlich 
die von ihm dem jungen deutfchen Arzte Dr. Lang übertragene Unter- 
fuchung der vorhin erwähnten Erbölvorfommniffe; im Jahre 1840 die 
von dem Gouverneur Emm. Eleuterio Malheire ausgeführte Erforſchung 
der Lanpftriche füplich von Benguela; im Jahre 1842 die von dem für 
die Emporbringung Angola’8 überaus thätigen, aber ſchon nad einem 
Jahre feines Amtes verftorbenen Gouverneur J. X. Breffane Leite er⸗ 
geiffenen Maßregeln zur Vernichtung des Sclavenhandels, zur Siche- 
rung des Friedens zwiſchen den Häuptlingen im Innern und zur Ci⸗ 
viliſtrung der Eingeborenen, die er dazu für wohl befähigt erachtete, 
fowie Maßregeln zur Eröffnung neuer Verbindungen nach dem Bin 
nenlande (Annäes marit. e colon. Parte näo offic. III, 632); im 
Jahre 1844 die erwähnte Eröffnung der Häfen Loanda und Benguela 
für fremde Schiffe, endlich im Jahre 1845 die durdy den Gouverneur 
P. Alerander da Cunha ergriffenen Maßregeln zur Unterbrüdung des 
Schmuggelhandeld und die von eben demfelben angeorbnete Aufhebung 
des Salzmonopold. In neuefter Zeit hat auch die portugiefifche Re⸗ 
gierung den öfterreichifchen Naturforfcher Welwitſch nach Angola ge= 
fandt, um bie reichen PBrobufte des Landes zu flubiren und darüber zu 
berichten, ein Plan, den ſchon frühere Minifterien wiederholt auszufüh⸗ 
ren ftrebten, wie namentlich der portugiefifche Naturforfcher Silva ſich 
dazu mehrere Jahre im Binnenlande zu Embaca aufgehalten hatte. 
Aber von dem Erfolge diefer Arbeiten wiffen wir nichts, und aud) von 
Welwitſch ift noch fein Bericht veröffentlicht worden. Lange vorher hatten 
die früheren Regierungen des Mutterlandes, beſonders um bie Mitte 
des vorigen Jahrhunderts unter König Joſeph I., manche gute Geſetze, 
3.2. die vom 11. und 25. Januar 1758 erlaffen, um den Zuftand 
Angola's zu heben, aber der geringe Nachbrud bei der Ausführung der 
Geſetze, fowie der Häufige Syſtemwechſel bewirkte, daß die Verhältniffe 
ſich dadurch nicht verbefierten. 

Mit diefen neueren Maßregeln im Laufe des Jahrhunderts ge⸗ 
ſchahen einige erfolgreiche Schritte zur Vergrößerung des Gebiets 
von Angola. So wurde im Jahre 1838 aus den im Reich Mas 
tamba eroberten, öfllih von Ambaca gelegenen gefunden und fruchtba> 
ren Landſchaften ein neuer Diftrict gebilvet, der den Namen Duca de 
Braganza (8° 47’ fühl. Br, 35° 53’ 20” fl. 2. von Ferro) erhielt 


Zur Kunde von Sübd⸗Afrika. 213 


und für bie Vergrößerung des Verkehrs nach Gentral-Afrifa Köchkt 
wichtig zu werben verfpricht; fo gefchah im 3. 1840 ein zweiter Ahnli- 
her Schritt durch die Anlegung eines Etablifjements an der geräumi- 
gen und fchönen Bat, die früher den Namen Angra do Negro hatte 
und jet bei den Portugiefen den der Bai von Moſſamedes nach einem 
früheren ®enerals Gouverneur, der fie im Jahre 1785 unterfuchen ließ, 
führt, bei den Engländern aber unter dem Namen der Heinen Fiſchbai 
befannt iſt. Bei der günftigen Lage des Etabliffenients in einer ver 
hältnigmäßig gefunden Gegend fol daſſelbe wohl gedeihen. Damit ges 
ſchah zugleich der erfte Schritt, Die Südgrenze des portugiefifchen Ges 
biets factiſcher feftzuftellen, indem bisher in den Verträgen, namentlich in 
dem 1815 mit England abgefchloffenen, nur im Allgemeinen angenommen 
war, daß daffelbe fich von 8° bis 18° fühl. Br. erſtrecke. Moſſamedes legt 
namlih nach den neueren Beobachtungen portugiefifcher Seeoffiziere in 
15° 7’ 25” ſüdl. Br. und 299 42’ 12” öſtl. &. von Ferro oder in 
15° 17” 70” fübl. Br. und 29° 42’ 7” öfll. L. von Ferro nach Owen 
und Vidal (Annäes marit. e colon. Parte näo offic. IV, 393). 
Für Angola's Aufblühen war es immer das wichtigfte Hinverniß, 
daß der Sclavenhandel in fo bedeutendem Umfange betrieben wurde. 
In neuerer Zeit gefchah dies fogar noch mehr, als früher, indem nach 
Bernihtung dieſes Handeld an den Nigermündungen die brafilifchen 
Erlavenmärfte fich größtentheild und die fpanifchen Infeln in Weſtin⸗ 
dim wenigftens fehr ftarf von hier aus nit Negern verforgten (Om⸗ 
boni 96). Bei der gahllofen Menge Heiner Buchten längs der ganzen, 
den Engländern nur wenig befannten Küfte von Angola war in ber 
That eine firenge Ueberwachung derſelben durch die britifchen und felbft 
durch die irn neuerer Zeit zu dem nämlichen Zwecke aufgeftellten portu= 
giefifchen Kreuzer faft eine Sache der Unmöglichkeit. Hierzu kam befon- 
ders noch die Ungeftraftheit des Sclavenhandeld. War berfelbe auch 
fit dem 10. Decbr. 1836 in Angola verboten, fo fehlte ed doch fehr 
an einer fräftigen Vollziehung des Geſetzes, indem bei dem großen, 
durh den Sclavenhandel gebrachten Gewinn faft die ganze weiße 
Givilbenölferung an dem Handel betheiligt war und die Gouverneure 
ihn nicht Hinderten, weil fie große Einnahmen davon bezogen, ja ihn 
jelbft betrieben. Letztes geſchah noch vor etwa 17 Jahren fo offen, daß 
die portugiefifche Regierung fich genöthigt fah, den damaligen Gouver: 


214 Oumpredt: 


neur Em. Bern. Bidal abzuberufen, und daß deſſen unmittelbarer Nach—⸗ 
folger, Ant. Em. de Noronha, bei einem Berfuche, im 3. 1839 das Geſet 
zur Ausführung zu bringen, von der dadurch entftandenen Aufregung 
ganz eingefchüchtert wurde und feine Entlaffung nahm (Omboni 393). 
Erft dem folgenden Gouverneur Breffane Leite gelang es, wie erwähnt, 
Kräftige Maßregeln zur Vollziehung zu bringen, als in Kolge des Ver 
trages vom 3. Juli 1842 mit Großbritannien eine portugiefifche Es— 
care an den Küflen von Angola erfchien, die man fpäter noch ver 
ftärfte (Annäes marit. e colon. Parte oflic. 1846. V, 149). Ju 
dem Zwede wurde damals ein Prifengericht zu Loanda errichtet. Wie 
nöthig aber auch die Unterbrüdung des Sclavenhandels für das fünf 
tige Wohl des Landes war, fo verurfachten die neuen Maßregeln doch 
augenblidlih Störungen und namentlich empfindliche Verlegenheiten für 
die Staatskaſſen, wie bereitd im J. 1843 der damalige Sees und Cole | 
nialMinifter 3.3. Falcão in der Deputirtenfammer in feinem Geſchaͤfts⸗ 
berichte, worin das Deficit in den Einnahmen von Angola und Mo 
zambique ausbrüdlich der gefehlichen Abfchaffung des Sclavenhandels 
äugefchrieben wurde, ausfprach (Ann. marit. e colon. Parte oflic. Il, 
161). Der Handel felbft hörte nicht auf, nur wurden die Sclaven 
von nun an heimlich, ohne Entrichtung der bisherigen Abgaben, aus 
geführt. Man machte zwar Anftrengungen, durch Hebung der Boden 
eultur die Ausfälle zu deden und Erport⸗Producte aufzufuchen '); 
da die Erfolge aber davon nicht augenblidlich fein konnten, fo muß 
ten die Kaflen des Mutterlandes das Deficit, das fich von Jahr zu 
Jahr vergrößerte, deden, während die Einnahme von der Sclavenaus⸗ 
fuhr früher fo bedeutend war, daß nicht nur alle Ausgaben zur Er 
haltung Angola's gedeckt werben fonnten, ſondern fogar Weberfchühe 
blieben. Ein Vergleich des Budget von Angola aus verfchiedenen 
Sahren vor und nach der Abfchaffung des Sclavenhanvels wird die 

2) Ginige Maßregeln der Art wurden mit glüdlichem Erfolge verſucht; fo nah 
die Ausfuhr der Drfeille fehr bedentend zu und concurrirte erfolgreich mit der von ben 
Juſeln des grünen Borgebirges, aber ver Gewinn wäre viel größer geworden, hätte 
bie portugieftfche Regierung nicht wieder zu Bunften des Mutterlandes reftrictive Neßj 
vegeln getroffen und im Jahre 1844 angeorbnet, daß Feine Orſeille, als auf portnait⸗ 
ſiſchen Schiffen und nur nach Portugal für Rechnung des Stants ausgeführt werten büri 
(Annäes maritim. e colon. Parte ofhic. II, 321; IV, 31). Erſt vor Kurzem wurt 


biefe Beichränfung durch das Decret vom 16. Januar 1852 aufgehoben und die Aut. 
fuhr der Orfeille ans Angola für frei erklärt. 











Zur Kunde von Süd» Afrika. 215 


Beränderung der Verhaͤltniſſe anfchaulich machen. Nach der von der 
Zinanzfammer zu Loanda am 10. Januar 1819 gemachten und durch 
Feo Cardozo (S. 341 — 342) mitgetheilten Auffiellung betrugen naͤm⸗ 
ich im nächft verfloffenen Jahre 1818 

die Einnahmen noch 175,202,419 Reis '), 

die Ausgaben 141,836,000 ⸗ 


fo daß ein Ueberſchuß von 33,366,419 Reis 
verblieb. Reichliche zwei Drittel der Einnahmen, nämlich 137,320,800 
Reis, rührten von 15,784 in dem genannten Jahre nad Brafilien 
verfehifften Sclaven her, Indem pro Kopf je 8,700 Reis Abgabe an 
den Staat gezahlt werden mußten ?). Schon in dem Jahre 1843 
zeigten fich Die Verhaͤltnifſe ungünftiger, da der vorhin genannte Ma- 
rines und ColonialsMinifter in feinem am 18. März abgeftatteten Bes 
richte die Einnahmen von Angola allein ohne Benguela nur auf 
106,149,116 Reis, 
die Ausgaben auf 140,504,072 = 


veranfchlagte, fo daß ein Deficit von 34,354,956 Reis vorauszufehen 
war (Annäes. Parte offic. II, 164— 169). Noch viel ungünfligere 
Ergebniffe lieferten die Jahre 1845 und 1846. Nach den officiellen 
Zahlen bei Omboni (S. 407) betrugen damals 

die Einnahmen 259,046,357 Reis, 

die Ausgaben 383,398,976 = 


wonach ein Deficit von gar 124,352,610 Reis oder in dem Laufe 
eines Jahres von etwa 62,176,305 Reis flattfand. Poſitive Zahlen 
aus den lebten Jahren über die wirklichen Einnahmen und Ausga⸗ 
ben fehlen, doch fcheint es nach den obwaltenden Umftänden kaum 
venfdar, daß die von Herrn v. Minutoli in feinem neueften Were 
(11, 293) mitgetheilten Budgetsanſchlaͤge des portugiefifhen Miniſte⸗ 
riums den wahren Verhältniffen entfprechen. Danach würden nämlich 
die etatsmaͤßigen Einnahmen voraudfichtlih 235,709,900 Reis, 
die Ausgaben. . . . 200.2. 264,242,604 ⸗ 


betragen, und es ftellte fich nur ein Deficit von 26,671,614 Reis 


) 1000 Reis oder ein Milreis find etwa 493 Stibergrofchen. 
2) Nach Omboni (S. 107) erhielt um das Jahr 1835 der General-Gonverneur 
feloR 13,000 Reis (fa 19 Thlr. Pr. E.) für jeden ausgeführten Sclaven. 


216 Gumpredt: 


heraus. Solche Annahmen ftehen aber mit ber immer ungünfliger wer: 
denden Handelsbilanz im entfchiedenften Wiverfpruche. Nach ven durch 
Herrn v. Minutoli gelieferten officiellen Zahlen (AI, 297) betrugen 
nämlich in den Jahren 1823 bis 1825 und 1830 bis 1832 

die Importen 850,000,000 Reis, 

die Erporten aber 725,000,000 ⸗ 


fo daß die Iehten von jenen um 125,000,000 Nele durchſchnittlich 
in einem Jahre überftiegen werden. Beruͤckſichtigt man hierbei, daß nad) 
v. Minutoli (II, 298) der frühere Sclavenhandel allein einen Erport- 
werth von wenigſtens 634,800,000 Reis hatte, fo würde der Werth 
aller übrigen ausgeführten Waaren jest faum noch 100,000,000 Reis 
ausmachen, was freilich fehr wenig wäre. Noch ungünftiger ftellt fich 
die neuefte Handelsbilanz, die einen Ausfall von fogar 791,000,000 
Réis ergiebt "). Unter diefen Umſtänden darf man fich nicht wundern, 
daß die weiße Bevölkerung Angola’8 den Gefegen des Mutterlandes 
über die Abjchaffung des Sclavenhandeld nur mit großem Widerftre- 
ben fich gefügt Hat und daß fie überhaupt weit größere Sympathie 
für eine politifche Verbindung mit Brafilien, wohin auch die Commu- 
nication viel leichter it, ald für Portugal Hat. Zu Benguela fand 
fogar ſchon im Jahre 1821 ein freilich leicht unterdruͤckter Aufftand 
ftatt, um eine Bereinigung mit Brafilien zu bewirken. 

Bei der großen Ungewißheit über die wahre Ausdehnung des por: 
tugiefifchen Gebiets, und da hier wahrfcheinlich noch nie eine orbent: 
liche Zählung der Bevölferung gemacht worben ift, ift es auch fait 
unmöglih, etwas Beflimmtes über die legte zu fagen. Feo Cardozo 
Ihäßte fie um das Jahr 1824 auf etwa 300,000 Köpfe (S. 331); 
Omboni lieferte im %. 1846 anfcheinend fpeciellere Zahlen ſowohl in 
Bezug auf die Territorial-Eintheilung, ale auf die Farbe der Einwoh: 
ner, aber es war ihm, wie er felbft jagt, nicht möglich, genaue Data 
zu erhalten, fo daß die NRefultate feiner Tafel fih nur der Wahrheit 
nähern mögen, ja mitunter auf das auffäligfte falfch find. So giebt 
er dem Binnenetabliffement (Presidio) Caconda, wo immer nur eine 
ſehr fchwache weiße. Bevölferung vorhanden war (Omboni febt fie 
y Beiden haben fi) den von Herrn v. Minutoli gegebenen fpeciellen Zahlen (Il. 


298) über die legten Cin- und Ausfuhren mehrere Druckfehler eingefchlichen, wes⸗ 
Halb ich diefelben hier mitzutheilen unterlafie. 





Zur Kunde von Sin - Afrika. 217 


für das 3. 1835, in welchem er ſich in Angola befunden hatte, gar nur 
zu 8 Köpfen, lauter Männer) eine Bevölferung von 2992 Mlulatten, 
und einem zweiten ähnlichen Etabliffement des Binnenlandes Pedras 
de Bungosans‘Dongo, in dem er 33 Weiße aufführt, 1098 Mulatten, 
endlich einer dritten Localitaͤt, Golungo, die 12 Weiße zu feiner Zeit 
enthalten Haben fol, 336 Mulatten, dagegen der Hauptſtadt Loanda, 
in welcher ſich ſtets die flärkfte weiße Bevölkerung concentrirt hatte 
(1601 Köpfe nach ihm, 691 nach v. Minutoli) nur 491 Mulatten. 
Diefe Zahlen find wahrfcheinlich durch Drudfehler, an denen e8 Ombo- 
nid Tafel auch fonft nicht fehlt, irrig '). — Nah Omboni betrug die 
ganze Bevölferung Angola’8 um das Jahr 1835 ohne den neuen Dis 
firict Duca de Braganza 386,463, und mit dem letzten ungeführ 
400,000 Seelen. Selbft Herr v. Minutoli fcheint feine neueren ſpe⸗ 
ciellen Data über die Bevölferung erlangt zu haben, da er im Wefent- 
lichen diefelden Zahlen, wie Omboni, hat; nur nachträglich bemerkt er, 
daß nach einer ihm zugegangenen amtlichen Notiz ſich gegenwärtig in 
Angola 1553 Weiße, 31,471 WMulatten und 556,163 Schwarze, alfo 
im Ganzen 589,187 Einwohner befanden. 


1) Gaconda und der Cunene ?°). 


Seit dem Jahre 1682 befigen die Poriugiefen unter dem 14° 
43’ fühl. Br. und 339 21’ öſtl. &. von Ferro und in etwa 70 Legoa's 
Entfernung von Benguela in einer waldreichen, gebirgigen, fehr frucht- 
baren und zugleich überaus gefunden Gegend des Binnenlandes das 
ſchon erwähnte Etablifjiement Eaconda ?), welches zu Omboni's Zeit 
war nur 179 Einwohner, darunter 8 Weiße, hatte, für die Portugie⸗ 
fen aber Höchft wichtig iſt und für die Zufunft noch viel wichtiger zu 
werben verfpricht. Es dient ihnen nämlich ald Niederlageplatz für ven 
Handel nach den ungeheuren Streden des Binnenlandes im Often 
und Südoften von Benguela und mit dem 160 Legoa's nördlich davon 


3) Den wahren Berhältnifien unzweifelhaft entfprechender wurde im I. 1799 bie 
Bevölkerung der Diftricte Caconda und Golungo (Bualangue) zu refp. 21 und 7 Weißen, 
dann zu 155 und 49 Mulatten angegeben (Ann. marit, e colon. P.n. off. IV, 161). 

2) Der Name Gunene wird theils wit einem e, theils mit einem i am Ende 
geſchrieben; Teßtes if in dem Original des hier folgenden Berichts von Leal der Hall. 

3) Bowdich nennt Caconda fogar den gefundeften aller portugieflfhen Orte in 
Angola (Nouv. annales des voyages AXIU, 210). 


218 Gumprecht: 


und 1 Legoa nur von dem großen Coanzaſtrom gelegenen Poſten Pe⸗ 
dras de Pungo⸗an⸗Dongo ald Verbindungspunft Benguela's mit dem 
Innern ihrer Befibungen auf der Nordfeite des Coanza (Feo Cardozo 
366 — 367). Namentlich durch die Begründung des neuen Etablifs 
fements Moffämebes muß Cacondas Bereutung noch wachfen, Indem 
bei der ungefunden Lage und dem BVerfalle Benguela’d zu enwarten 
it, daß dieſer Ort bald alle Wichtigkeit verlieren wird, während 
der Handel von Moffämedes bei dem guten Hafen, dem verhält 
nißmäßig gefunden Klima und endlich bei feiner den reichen Binnen- 
landfchaften Huila, Caconda und Quilengues viel mehr genäherten 
Lage dieſes Orts!) ſich bald bedeutend vermehren wird, wobei Caconda 
noch ferner den natürlichen Stapelplag abgeben dürfte Eine gra- 
dere Verbindung mit dem Innern einzuleiten verfuchte man bereits 
unmittelbar nad der Anlage von Moſſamedes, indem im Jahre 
1841 der Commandant des legtgenannten Ortes, der damalige Ar- 
tilleriesLieutenant und fpätere Major Joãño Fr. Garcia zum erften 
Male den Landweg nad) Caconda erforfchte (der Bericht darüber fin- 
det fi} in den Annäes maritimos e coloniäes. Parte näo oflic. IV, 
240 — 264). Als Beweis für die vergrößerte Aufmerkſamkeit, welche 
die portugiefifche Regierung jebt ihren füblicheren Befigungen in An- 
gola fchenft, ift die vor einigen Jahren angeordnete und wahrfchein- 
ich zur Ausführung gekommene Errichtung einer Aderbaucolonie in 
der zwifchen Moſſamedes und Caronda gelegenen und nur 39 Legoa’s 
von Mofjamedes entfernten Landichaft Huila oder Auila (Omboni 397; 
Annäes mar. et col. Parte offic. VI, 139) anzufehen. Caconda dürfte 
endlich auch der natürlichfte Verbindungspunft mit den von Süden her 
nah Norden vordringenden Europäern werben, indem ed von allen 
portugielifchen Etabliffements dem fruchtbaren und von einer verhält: 
nißmäßig civilifirten und bedeutend aderbautreibenden Bevölkerung be 
wohnten Lande des Ovampo, bis in welches Francis Galton bereits 
im Jahre 1851 vorgebrungen ift?) und worin der Miffionar Hugo 
Hahn nächftens feinen Sig nehmen wird, am nächften liegt. 

1) Mossämedes è molto piü vicino ai ricchi paesi dei Gubaes, dei Quilengues, 
dei Jau, degli Huila e dei Caconda, è molto piü salubre dı qualunque altro porto 
portughese di quelle region. Omboni 397. 


2) If Africa is to be civilised, I have no doubt, that Ovampoland will be an 
important point in the civilisation of its southern parts, fagt Galton ausvrädlich 





Zur Kunde von Süd⸗Afrika. 219 


Bon Benguela oder Caconda aus erhielten die Portugieſen die 
frühefte Kunde von der Eriftenz eined großen im Binnenlande öftlich 
und füdlih von Benguela fließenden Stroms, Namens Cunene, und, 
da wie aus den angegebenen politifchen Gründen fein einziges alteres 
portugiefifches Werk über Angola gedrudt befiten, fo waren es die 
früher hier ſtationirten Italiänifchen Gapuziner-Miffionare, welche mit der 
Eriftenz und dem Namen des Cunene und zuerft befannt machten. Ynter 
diefen war es J. A. Cavazzi, der am früheften in feinem Werfe: De- 
scrizione dei tre regni cioe Congo, Matamba, Angola. Bologna 
1687 (deutfch erjchienen unter dem Titel: Befchreibung der in dem 
unteren occidentalifhen Mohrenlande liegenden 3 Königreiche Congo, 
Matamba, Angola. München 1694, ©. 15) den Eunene als denje⸗ 
nigen Fluß erwähnte, bis zu dem die Landfchaft Benguela im Süden 
reihe. Haft 50 Jahre fpäter kommt diefelbe Angabe in der franzö- 
ſiſchen Bearbeitung von Cavazzi’d Werk, die dem erften Bande von 
des Dominikaners Labat's Schrift: Relation historique de l’Ethiopie 
occidentale. Paris 1732, einverleibt ift, vor. Hier heißt ed unter ans 
dern: Der Rimba und der große Fluß, den man auch Cunene nennt, 
find die Grenzen Benguela’s im Often (I, 67). Auf der von b’An- 
ville zu Labat's Werk gezeichneten Karte geht der Lauf dieſes Stroms 
nah Süpdoften und fein Ende findet fich im atlantifchen Orean. Dem 
unteren Theile des Stromes gab d'Anville noch einen Namen, naͤm⸗ 
ih Rio de Angra Fria, und er feht nad) anderweitigen von ihm 
benugten Quellen deſſen Mündung in den Norden des Cap Frio 
(18° 23’ füdl. Breite nad Capt. Owen’d Beflimmungen), wo er 
denfelben in dem unter dem Namen der Falten Bai (Angra Fria) bes 
kannten Meereseinfchnitte enden läßt. Da dieſe fpeciellen Data bei 
Cavazzi und anderen älteren Autoren fehlen, fo würbe ſich ſchon dar⸗ 
aus ergeben, daß d'Anville anderweitig nicht befannte Quellen zu 
Gebote fanden, wäre es nicht auch fonft befannt, daß ihm der da- 
malige portugiefifche Gefandte zu Paris Materialien zur Conftruction 
feinee Karten von Süd⸗Afrika mitgetheilt hatte. Cavazzi's Erwüh- 
nung des Cunene ging fpäter aus Labat's Werk in das treffliche große 
von Bruns: Neue fpftematifche Erbefchreibung von Afrifa. Nürnberg 


(The narrative of an explorer in tropical South Africa by Francis Galton. Lon- 
don 1853. S. 229). 


220 Gumprecht: 


1793 — 1799 (Cumeni IV, 161) über. Ritter erwähnte Dagegen den 
Strom nicht. Volle Hundert Jahre dauerte ed, ehe von dem legten 
‚ wieder die Rede war und faft 150 Jahre, ehe die neuen portugiefifchen 
Duellen, die des Stroms gedachten, im übrigen Europa befannt wur⸗ 
den. Erftered gefchah wiederholt gegen den Schluß des vorigen Jahr⸗ 
hunderts, zuvörberfi in des Portugiefen Mendez, durch Bowdich in 
feiner S. 208 angeführten Schrift, veröffentlichten Berichte über feinen 
Zug von Benguela nad) dem heutigen Mofjämebes (Nouv. annales 
des voy. XXIII. S. 233) und wenige Sahre fpäter faft gleichzeitig 
durch Drei portugiefifche Berichte, nämlich in einem offiriellen an den 
Minifter D. Rodrigo de Soufa Coutinho gerichteten Rapport des Durch 
feine fpätere große Entdedungsreife vom Zambefe nach dem Lande des 
Cazembe befannten Ingenieur-Öberftlieutenants Jofe Maria de Lacerda, 
dann in einem Auffabe eines früheren Gouverneurs vou Benguela, 
Namens Al. Joſé Botelho de Vasconcellos, endlich in des Oberftlieute- 
nants Furtado früher hier (S. 207) erwähnten Karte von Angola. 
Dennoch ift man über die Quelle, Mündung und den Lauf des Stro⸗ 
mes keineswegs im Klaren, da eine von dem Generals Gouverneur 
Baron Moffämedes im Jahre 1787 ausgefandte Erpebition, an der 
auch Lacerda Antheil nahm und die beftinmt war, den Fluß bis zu 
feiner Mündung zu erforfchen, ihre Aufgabe nicht Iöfte (Annäes ma- 
ritim. e colon. Parte näo official IV, 197, 206) '), die fpäteren Ver⸗ 
waltungsbehörden es aber bis in die neueſte Zeit verabfäumt haben, 
bie für, die inneren Landfchaften Angola’ fo wichtige Frage über bie 
Schiffbarkeit ded Stroms und deſſen Ausmündung in den atlantifchen 
Drean zur Entfcheidung zu bringen. Denn fchon Larerda hatte aus— 
drüdlich darauf Hingewiefen, daß wenn der Eunene ſchiffbar wäre und 
in den Drean falle, die Producte der Binnenlandfchaften, namentlich 
Kupfer und Eifen, den Strom abwärts mit Leichtigfeit an das Meer 
gebracht und mit portugiefifchen Schiffen nach Europa verführt wer- 
den fönnten (a. a. DO. IV, 195). Dieſe natürlichfte Anficht über ben 
Gunene war aber Lacerda, troß feiner Kenntniß des Innern von An- 
gola und trogdem daß er den Cunene aus eigener Anjchauung Fannte 
(a. a. O. IV, 197), nicht geneigt anzunchmen, vielmehr neigte er ſich 


1) Der fpecielle Bericht über diefe Erpebition fcheint verloren zu fein ober er 
ruht irgendivo noch in den Acten (a. a. O. IV, 206). 


Zur Kunde von Süd⸗Afrika. 221 


zu der fehr unwahrfcheinlichen Hypothefe, daß der Fluß nach Often gehe 
und die ganze hier etwa 300 Legoa’8 betragende Breite des Eontinents 
Bis zu der aus Älteren Berichten befannten Landfchaft Monomotapa durchs 
ziehe, wobei er annahm, daß der Zambefe der untere Lauf des Cunene 
fein möchte, eine Anficht, Die Durch den Herausgeber von Racerda’s Bericht, 
den früheren portugiefifchen Minifter Bisconde da Sa Bandeira, mit 
Recht verworfen wurde (a. a. O. IV, 196). Bon dem oberen Theil des 
Eunene berichtete nun Lacerda, daß deffen Quelle in Candimdo bei Ca⸗ 
conda liege, daß berfelbe feinen Lauf anfänglich nach Süden nehme, 
wobei er, nachdem er fich durch die Fluͤſſe Cobango und Eutado!) vers 
ftärft Hat, das Gebiet der Hiuptlinge (Sova’8) von Lebando und Lu⸗ 
ceque durchziehe. In diefem Gebiete fei der Strom, obwohl nur 20 
Meilen von feinem Urfprunge entfernt, fchon fo groß, daß er nicht 
mehr durchwatet werden könne. Der Sova von Lureque ziehe von 
ihm eine gute Revenue, indem er die zum Transport der Waaren 
über den Fluß nöthigen Canoes vermiethe. Dann wende fih der 
Strom nad Dften. Hier hören Lacerda's genaue Nachrichten auf 
und in der von Ihm fupponirten Yortfegung des Stroms bis zum 
Zambefe folgt der Berichterftatter fichtlich nur der Anficht der Eingebores 
nen, was er jedoch felbft eingefteht, denn er fagt: E nada mais pode 
dezir se com certeza deste famoso e grande rio (a. a. O. IV, 
196). Aus diefen Worten ergtebt fich deutlich, daß der Eunene im 
Innern wirklich ein beträchtlicher Strom ift, und daß die Eingeborenen 
Recht Haben, wenn fie ihn fo nennen, da Cunene in ihrer Sprache 
groß bedeutet (Annäes maritimos e coloniäes. Parte näo ofli- 
cıal. IV, 196) ?); ferner folgt aus Lacerda's Mitiheilungen, daß der 
Eunene der Abflußcanal fehr zahlreicher Gewaͤſſer eines großen Ge⸗ 
birgslandes bei Caconda fein muß, weil er fonft unmöglich nach 
einem Laufe von nur 30 Legoa's fo wafjerreich fein würde, wie ihn 
Larerda ſchildert. — Mit diefen Angaben flimmt auch Furtado's 
Karte fehr wohl überein. Nach ihr entipringt der Cunene etwa uns 
ter dem 13° 30’, und richtet feinen Lauf zuerfi nah Süden, dann 


») Diefer Cutato iſt verfchieden von einem anderen großen Fluſſe deſſelben 
Namens, der nach Furtado's Karte nad) Norden zieht und in den Coanza fällt. 

2) Auch hieraus ergiebt ſich, wie gut Labat und d’Anville unterrichtet waren, 
wenn fie ben Gunene la grande riviere nannten. 


222 Gumprecht: 


nach Süweſten und endlich in der Breite von Caconda beinahe genau 
nach Oſten, worauf er fich wendet und gegen Sübfüpoft fließt. Hier 
hört die Karte auf, fo daß und Furtado's Anficht über den unteren 
Lauf des Cunene leider unbelannt if. In den oberen Lauf des letz⸗ 
ten bis Caconda fallen nad Furtado mehrere Fluͤſſe, wovon er den 
Duando, den Cubamgo (wahrfcheinlich Lacerda's Cobando), der nad) 
der Karte fogar ‚langer und bedeutender als der Cunene felbft if, und 
den @utato de Ganguelas (Larerda’s Eutato) nennt. Der dritte por- 
tugielifche Bericht, der ded Gouverneurs Vasconcellos, ift von noch grös 
Berer Bedeutung, indem der Strom gerade innerhalb des Verwaltungs: 
bezirt des Gouverneurs lag. Nach demjelben befindet fi) die Duelle 
des auch von ihm als ein ausgezeichneter Strom hervorgehobenen 
@unene (o famoso Rio Cunene) an den Grenzen dreier Diftricte, 
der von Balundo (Bailundo) und Galangue, fowie an der Grenze 
des Diftrirtd des Sova (Häuptling) von Candumbo !). Hier ver- 
ftärft fich der Hluß durch viele andere, und durchzieht dann, verſchie⸗ 
denen Richtungen folgend, die Benguela zugehörenden Landſchaften 
Duallangue (Galengue bei Cardozo), Caronda und Quillengued (Duis 
lengues bei Feo Cardofo), worauf er fi) dauernd nach Süden und 
Sübwelten wendet, bis er am Cap Negro 15° 42’ fübl. Br. endet 
(a. a. O. IV, 154). So ftimmt diefe neuere und gewiß zuverläßige Mit- 
theilung faft vollfommen mit der älteren auf d'Anville's Karte überein, 
und es Tann fein Zweifel fein, daß die Verhäfniffe des Fluſſes und defien 
Mündung darin wefentlid richtig Dargeftellt find. Hiermit flimmen end- 
lich die Radprichten fehr wohl, welche Galton von Süden her bei feinem 
neueren Aufenthalte im Lande der Ovamp von vielen Individuen über 
die Eriftenz eines großen, nur A—5 Tagereifen nördlich darüber. hinaus 
gelegenen Stroms einzog, deſſen Namen er zwar nicht fennen lernte, 
da er einen folchen wenigſtens nicht erwähnt, der aber unmöglich ein 
anderer, als der Cunene fein kann. Wie Galton nämlich erfuhr 
geht diefer Strom der Ovampô, ber, gleich dem Gunene, fo tief if, 
daß man ihn nicht überfahren fann, und zugleich fo breit, daß man 
die Stimme eined rufenden Mannes auf der anderen Seite nicht 
verfteht, von Weften nad) Often bis zum Ocean, in den er aber 





2) Den Namen Candumbo hat auch Furtado's Karte, 











Zur Kunde uvm Säb » Afrika. 223 


nicht felbft münde. Er ende nämlich ſchon in der Nähe des Meeres 
wie manche andere Fluͤſſe Afrika's, namentlich wie der Webbe (Fluß) 
Schebeyli des Soͤmalilandes (Chriſtopher's und Cruttenden's Karten der 
Sömalifüfte im Journal of the Geogr. Soc. of London. XIV und XVIID 
in dem großen Batti⸗See, gleichfalls in einem großen See (pool), wobel 
fein Waſſer durch den gefährlich zu betretenden Sand ber den See von 
dem Meere trennenden Zunge fidert (Galton 218). Vergleicht man 
hierbei die aftronomifche Lage des Hauptort ber Ovampoͤ, wo Galton 
feine Erfundigungen einzog (die rheinifchen Miffionsberichte 1851, 
©. 402 nennen denfelden irrig Mondongo, indem Ondonga der Name 
des ganzen Landes der Ovampo ift [Galton 207]), in 17° 59 n. Br., 
36° 38’ 45” öſtl. L. von Kerro mit der von Gaconda und mit der des 
Gap Frio in 18° 22’, fo kann es in der That nicht zweifelhaft fein, 
daß auch der Strom der Ovampoͤ der @unene des Innern von Ben 
guela if. Rad den rheinifchen Miffionsberichten foll fich jener noch 
mit einem anderen prächtigen Strom, dem Omoronga, vereinigen. 
Auch das flimmt mit der Hier angenommenen dentität des Cunene 
und des Ovampöftromes überein, daß beide Ströme als Grenzpunkte 
der politifchen Verhältnifie und des Handels diefer Gegenden erwähnt 
werben, indem fchon Cavazzi, wie angegeben, berichtete, daß die Bros 
vinz Benguela im Süden bi8 an den Cunene reicht, und neuerdings 
Galton erfuhr, daß die portugiefifchen Handeldagenten aus Benguela 
nur bis an die nördliche Grenze der Ovampo und deren großen Strom 
gehen, nie aber denſelben überfchreiten (172, 218). 

Bei der Bedeutung des in Rede ftehenden Stromes war e8 na⸗ 
türlich von Höchftem Snterefie fich zu vergewiſſern, ob im Innern 
defien Mündung von der Art ift, daß fie Fahrzeugen eine leichte und 
ſtets offene Communication mit dem Binnenlande geftattet, oder ob fie 
vom Meere ganz abgeſchnitten ift oder endlich ob fie wie Die mancher ſuͤd⸗ 
afrifanifchen Steöme durch Sandbaͤnke nur periodifh unpafficbar ift. 
Letztes fcheint hier der Fall zu fein. Als nämlich die Weſtküſte Süd⸗Afri⸗ 
fa’8 durch den Bapt. Chapman mit der englifchen Brigg Eſpioͤgle unter- 
fucht wurde, fand dieſer am 23. San. 1824 angeblich im 17° 10 die 
Mündung eines Stromes von folcher Stärke, daß derfelbe 2 engl. Meilen 
weit die See färbte, und daß ein großes mit Waſſer beladened Boot die 
Mündung paffiren fonnte (Steedman, Wanderings and adventu- 


224 Bumpredt: 


res in the interior of South Afrika. 2 vol. London 1835. I, 189; 
W.F. W.Owen, Narrative of voyages to explore the shores of 
Africa, Arabia and Madagascar. 2 vol. London 1833. II, 230). 
Bei der bald darauf folgenden Anwefenheit von Owen's Erpebition an 
dieſer Küfte war es derfelben Dagegen fo unmöglich, die Mündung 
des von Chapman nach feinem und Owen's Vorgeſetzten, dem Com⸗ 
mobore Rourfe, Nourfe River genannten Fluſſes, in welchem man 
fofort den Cunene der Portugiefen zu erkennen glaubte, zu entveden, 
daß man fogar deſſen Eriftenz bezweifelte. Chapman’d und Owen's 
Erfahrungen laſſen fich jeboch bei der Annahme wohl vereinigen, daß 
der Fluß nur in der Regenzeit, wo er ſtets angefchiwollen fein muß, 
einen freien Abzug in das Meer hat, während er in der trodenen 
Jahreszeit fchon vor demfelben aufhört, weil er dann nicht mehr 
die Kraft hat, die durch die Brandung an feiner Mündung angehäuf- 
ten Sandinaffen zu durchbrechen. Dies vermuthete Owen felbft ſchon 
und ed entfpricht auch fehr gut den Ergebniffen einer ganz neuen im 
November 1854 unternommenen portugiefifchen Unterfuchung der Münz 
dung des Cunene, worüber der nachfiehende von dem Liffaboner Gou⸗ 
vernementsjournal (Diario do Governo) vom 23. März; 1855 mitge- 
theilte Bericht, den wir der Güte des Miffionard Herrn Hugo Hahn 
vervanfen, Auskunft giebt, fowie ziemlich gut felbft den durch Galton 
über Die Mündung des Dvampöftrems erhaltenen Nachrichten. Jeden⸗ 
falls ift ed nun außer Zweifel, daß es der langen hiefigen Küfle an 
feifchem Waſſer nicht ganz fehlt, obwohl früher dies fonderbarer Weife 
ſehr bezweifelt wurde, indem fogar zwei in ihren Fächern berühmte 
Männer, der Capt. Tudey (Maritime Geography. A vol. London 
1807 II, 548) und der Prof. Jamejon (Narrative of discovery and 
adventure in Africa. 3th ed. London 1832, 419) dieſe abfurde An⸗ 
ficht getheilt hatten, wogegen Steedman mit Recht ausfpricht, daß, Da 
man Ortfchaften an der Hiefigen, angeblich völlig wafferlofen und nach 
Tudey vom 15° 32’ — 31° füdl. Br. reichenden, alfo faft 1000 engl. 
Meilen langen Küfte nebft menſchlichen Bewohnern gefannt habe, alle bie, 
welche einer folchen Anficht zuftimmten, es auch hätten erklären müflen, 
auf welche Weife die Bewohner der Küfte fih ihr Trinkwaſſer ver 
ſchafften (a. a. O. II, 189), und wie die häufig hier vorkommenden 
Elephanten ohne daſſelbe zu leben vermöchten. 


" 


Zur Kunde von Sud⸗Afrika. 225 


Der von einer Karte und einigen landſchaftlichen Zeichnungen, 
Beilagen, die in dem mir vorliegenden Exemplare fehlen, begleitete neue 
portugiefifche Bericht über die Unterfuchung der Mündung des Eunene 
iR nun folgender: 

„Seit langer Zeit redete man von dem Fluſſe Eunene, der Frucht⸗ 
barkeit feiner Ufer und feinem Mineralreichtfum, aber diefe, faft nur 
von Handeldleuten, welche die MWüfte durchzogen, erhaltenen Nachrich- 
ten befagten nichts über defien Mündung, fo daß man daraus feine 
Gewißheit hatte, ob der Strom in feinem Laufe durchweg fchiffbar fei 
oder nicht. Entſchloſſen, meinem Lande einen Dienft zu leiften, faßte 
ih den Vorſatz, mich perfönlich nah der Mündung des Fluſſes zu bes 
geben, um zu ermitteln, bis zu welchem Grade von Wichtigfeit ſich 
berfelbe, welcher nach der Weftlüfte und nicht nach der entgegengefeh- 
ten Seite des Continents feinen Lauf nimmt, für ben Handel von 
Afrika erheben dürfte Der Irrthum, den Eunene nad Oſten flies 
ben zu laffen, fchreibt fich nämlich aus der dem „Berfuch über bie 
Statiftif unferer überjeeifchen Beſihungen, von Lopes de Lima” bei⸗ 
gegebenen Karte her. Es nimmt der Fluß feinen Urfprung in dem 
Lande Nano, defien Rame bei den Bewohnern diefer Gegenden eine 
allgemeine Bedeutung hat und nichts weiter ad Hochland fagen 
wi’), worauf er Molombo und Camba, die an feinem rechten Ufer 
liegen, von der am linfen Ufer belegenen Landfchaft Canhama trennt, 
indem ex eine frumme Linte bis an den Küftenftrich des Bezirks Mof- 
ſamedes ?) in 17! Grab nörblicher Breite befchrefbt, etwas, das fich 
fowohl aus der Befchreibung, welche die Handeldleute des Waldes 
über feinen Lauf machen, al8 auch aus den Angaben der Muimbas *) 
und Mufimbas, Bölferfchaften, die das linke Ufer des Fluſſes bewoh⸗ 
nen und einige Verbindungen mit den anderthalb Tagereifen füblich 
von Moffamebes anfäffigen Bewohnern von Croque unterhalten, ſchlie⸗ 
ben Laßt. Nach diefen Angaben ift denn auch die von mir beige 
fügte und aus einem englifchen Atlas (Bowles's new one-sheet 
map of Africa) entlehnte Karte entworfen; fie zeigt die Richtung, 
weicher der Fluß von feinem Urfprunge bis zu feiner Mündung folgt, 
und die von der Schilderung der Handeldleute oder Eingeborenen wenig 
abweicht. 

Mit dem feiten Vorfabe, einen genauen Bericht über die Müns 

Zeitfehr. f. allg. Erdkunde. Bo. V. 15 


226 Gumprecht: 


dung des Fluſſes zu geben und zu erforſchen, bis wie weit derſelbe 
im Innern ſchiffbar fei, ſchiffte ich mich am 3. November d. J. mit den 
Herren Bernardino F. F. de Abren e Caſtro, Coloniedirector, Antonio 
Accario de Oliveira Carvalho, Capitain und Eigenthuͤmer ber Brigg 
Aurora, Joſo Duarte Franco, Steuermann des eben genannten Schiffes, 
und dem Goloniften Antonio Romano Franco, welche ven lebhaften 
Wunſch Hatten, mich auf meinem Ausfluge zu begleiten, zu Moſſame⸗ 
des in dem Schooner Conſelho ein. 

Um Halb 12 Uhr Nachts fuhren wir aus der Bai des letzigenann⸗ 
ten Orts aus und fteuerten ſuͤdlich. Am zweiten Tage erhob ſich aus 
Suͤdweſt ein fcharfer Wind, der und nöthigte, einige Stunden beizu- 
legen. Am dritten Tage ward die Witterung gelinder, und wir fleuer 
ten weiter, bis wir endlich am 8. Tage an die Norbfpige der Großen 
Fiſch⸗Bai gelangten und noch am nämlichen Tage in viefelbe einliefen. 
Diefe weite, etwa 64 Meilen (Milhas) *) breite und 18 Meilen 
lange Bucht °) wird im Oſten durch große Sandvünen ®), im Welten 
durch eine gleichfalls aus Sand gebildete Halbinfel, deren größte Hoͤhe 
über dem Waflerfpiegel 8 bi8 9 Palmos (5,57 bis 6,27 xheinl. Fuß) 
betragen mag, begrenzt, und bietet Fahrzeugen von jeglicher Tragfaͤhig⸗ 


feit einen ficheren Anferplag dar. Sie hat zugleich einen Ueberfluß an . 


Fifchen, befonders aber an Walfifchen, wie wir zu beobachten Gelegen⸗ 


heit Hatten. Wollte man bier Factoreien für den Fifchfang anlegen, jo 


würde Jeder, der fich einem ſolchen Induſtriezweige widmete, meiner 
Veberzeugung nach einen außerorbentlichen Gewinn daraus ziehen. Ob⸗ 
gleich der umgebende Boden faft feine Spur von Begetation zeigt, ald 
etwa bin und wieder einen Gacteenftamm, fo findet man doch ganz naht 
füßes Waſſer und zugleich an der ſuͤdlich der Bai in einer Ausdeh⸗ 
nung von 30 Meilen fich Hinziehenden Küfte viele Baumflämme, die und 


ſogleich zu der ſich fpäter bewahrheitenden Folgerung veranlaßten, daß 


fie von den Ufern des Fluſſes Cunene herrühren, durch diefen zur 
Zeit des Hochwaſſers herabgefpült, dann durch die flarfe Steömung 
in's Meer geführt und endlich durch die Fluth an den nörblichen Ge 
ſtaden der Mündung des Fluffes wieder abgefegt wurden. Als wir 
und mehr dem Hintergrunde der Bucht näherten, glaubten wir einige 
Baumgruppen und einen großen See wahrzunehmen und fanden den 
Anblick des Landes deshalb immer anmuthiger werdend; dies war 


Zur Kunde von Süd⸗Afrika. 227 


jedoch eine Täufchung, die nur wenige Augenblide dauerte, indem eines 
der befannten Lichtphänomene und kleines Strauchwerk in große Bäume 
verwandelte und und veranlaßte, Sandflächen für Seen angufehen, 
worin fich die vermeintlichen Baume und andere erhöhte Punkte ab» 
tpiegelten. Am 8., 9. und 10. Tage nach unferer Abfahrt blieben wir 
in der Bai vor Anker, in der Abficht, unfere Reife zur See fortzus 
fegen, bis wir auf die Mündung des Fluſſes träfen. Da diefer Bunft 
jedoch faft unbefannt und die Beforgniß vorhanden war, es dürfte die 
Einfahrt eine fehwierige und fein gefchüßter Anferplag für den Schoo- 
ner in der Nähe zu finden fein, fo befchlofien wir, die übrige Reife zu 
Lande den Strand entlang fortzuſetzen. 

Rah Beendigung der nöthigen Vorbereitungen fchifften wir uns 
am 11. Tage um 8 Uhr 10 Minuten, aus und traten, zufammen 
10 Weiße und 11 Neger, welche lebte unfere Lebensmittel trugen, die 
weitere Reife zu Fuß an. Nachdem wir zweimal inmitten des leichten 
Slugfandes, den wir zu durchwandern hatten, ausgeruht, machten wir 
gegen 5 Uhr Abends am Strande das Esponjad (der Schwämme) 
Halt, wo wir eine Hütte auffchlugen und die Nacht zubradhten. 

Früh am Morgen des 12. Tages wurde die Reije in der Rich⸗ 
tung von Norden nach Süpen fortgefegt. Wir hatten große, in der 
Länge und Queere mit Bafaltadern durchſetzte Granitblöde ”) zu pafs 
firen, während und an der Oftfeite große Sanddünen blieben. Unſer 
Marfch war diesmal minder befchwerlih, da der Tag fein fo heißer 
war, und wir öfterd wegen der ziemlich ermübeten Träger ausruhen. 
Nachmittags halb 5 hr lagerten wir und nach einem Marfche von 
12 Meilen nahe am Strande, ohne daß jedoch irgend ein Zeichen 
wahrzunehmen gewefen wäre, daß der Fluß nahe fei. Bei der Aus- 
theilung von Wafjerportionen, was anzuordnen nöthig war, da wir 
kaum 10 große Flafchen für 21 Perfonen mitgenommen hatten, wur- 
ven wir etwas entmuthigt, ald wir bemerkten, daß wir nur einen 
Vorrath von 5 bis 6 Duart hatten, und Feine Ausficht fahen, in der 
Nähe Wafler anzutreffen. Es wurde daher befchloflen, zwei unferer 
Begleiter tiefer in das Innere mit dem Auftrage zu fehiden, an nies 
drigen Stellen nach Waſſer zu graben. Das war eine vergeblide Ars 
beit, doch verloren wir den Muth nicht, und mit dem feſten Vorſatze, 
alle Schwierigkeiten zu überwinden, machte fich zu dieſem Zwede Herr 

| 15 * 


228 Gumprecht: 


Abreu Vianna, von einigen Perſonen begleitet, auf den Weg. Wir 
wußten nämlich nicht, daß wir nur ungefähr noch Ay Meilen von dem 
Fluſſe entfernt waren. Schon um halb 10 Uhr fehrte die Feine Er- 
pedition zurüd und brachte zwei Flaſchen eines reinen Karen Waflers 
aus dem Fluffe, den wir am anderen Morgen zu fehen befommen foll- 
ten, mit. Hoffnungsvoll brachten wir die Nacht hin umd fehnten uns 
nach dee Morgenröthe, um unfer erflrebtes Ziel zu erreichen. Das 
dauerte nicht viele Stunden mehr. Um A Uhr Morgens wurde um- 
fere Hütte abgebrochen, und ſchon um halb 6 Uhr befanden wir und 
am rechten Ufer des Fluſſes, anderthalb Legoas oberhalb feiner Mün- 
dung, von wo ab wir fogleih Sandkraͤnze bemerften, die nad) ber 
Mündung zu ſich vermehrten; nahe derfelben liegt eine Fleine Injel 
mit einiger Vegetation. Da es aber von biefem Punkte fich nicht ers 
kennen ließ, ob der Fluß eine breite und freie Einfahrt habe, fo zogen 
wir längs des rechten Ufers bis zur Küfte hinab und bemerften bier, 
daß fi vorn am Fluſſe eine mit der Küfte in vollfommener Berbin- 
bung ftehende Sandbank befindet, welche zur Zeit des Hochwaſſers 
duch die Strömung des Yluffes durchbrochen oder verfegt wird. Iſt 
das Waſſer niedrig, fo fidert ed durch den Sand. Pimentel fagt zwar 
in feinem Coursbuche, daß die Strömung des Fluſſes ſich noch auf einige 
Meilen weit im Meere fpüren laffe, und er giebt fogar die Richtung 
an, in welcher ein Boot oder Kahn beim Eingang in den Fluß fleuern 
müffe. Ich bin aber völlig überzeugt, daß Pimentel fich gerade Hier bes 
fand, als die Zeit des Hochwaflers eingetreten war. Er felbft ſchweigt 
jedoch von dem Umflande, und glaubte unzweifelhaft, den gewöhn- 
lichen Waſſerlauf vor fich zu Haben. Wenn wir alfo, ſtatt den Reft 
unferer Reife zu Lande zu machen, zur See geblieben wären, fo würs 
den wir, da die Sandbank ziemlich Hoch ift und in den übrigen Küftenzug 
übergeht, wohl gar nicht auf den Fluß getroffen fein, obwohl Piemen- 
tel defien Breitenlage ganz richtig angegeben hat. Ja wären wir felb 
des Flufſes anfichtig geworden, fo hat die Küfte doch hier eine ſolche 
Brandung, daß fie einem Boote, welches fich hätte nähern wollen, den 
Untergang bereitet Haben würde. Nahe am Geſtade und am rechten 
Ufer des Fluſſes bot fich eine ziemliche Vegetation dar, und wir trafen 
große Rubel von Reben, Untelopen (der Verfaſſer fchreibt Penelo- 
pes! ©.) und Ziegen. Obwohl wir gleich unfere Gewehre zur Hand 





Zur Kunde von Süd- Afrika. 229 


nahmen, war ed doch nicht möglich, die Thiere fchußrecht zu befommen. 
Die Küfte läuft Bier in fün-fünsmweftlicher Richtung und gewährt in 
feiner Weiſe einen ficheren Schup. Nahe der Bank ift der Fluß ſehr 
feiht und würde ſich kaum mit einem plattbobigen Fahrzeuge befchiffen 
laflen; die Ufer find von geringer Höhe und beftehen aus Sand und 
Kies mit wenig Begetation. Wir Fehrten von dem Ausfluge nach uns 
ferem Zagerplage zurüd, und gleich darauf fließen wir zum erften Male 
auf einen Elephanten, der am linfen Ufer Iuftwandelte. Der Ans 
blid verurfachte eine große Bewegung in dem Fleinen Bivouak, und fo 
fort wateten fech8 unferer Leute Durch den Fluß, um Jagd auf das 
Thier zu machen, obwohl das Leben derfelben im Fluffe wegen der 
Menge der darin lebenden Jarar&s (Krofodile) in Gefahr ſtand. Einige 
der beherzteften Jaͤger ſchoſſen zwar ihre Flinten in ziemlicher Rühe auf 
das Thier ab, aber der Elephant fehte, ohne auf feine Verfolger im min⸗ 
veften zu achten oder den Schritt zu ändern, feinen Weg fort. In feis 
nem gemächlichen, doch weitgreifenden Schritte gewann er den Jägern 
einen ziemlichen Vorfprung ab, wie jehr dieſe auch beftrebt waren, ihn 
zu erreichen, und richtete feinen Weg nach dem Punkte des Ufers bin, 
der dem, wo wir unfere Hütte hatten, gegenüber Tag. Nicht ohne 
einige Angft fahen wir, wie der Elephant den Fluß in der Richtung 
auf und zu durchſchritt. Wir festen und in Vertheidigungsſtand und 
begannen zu feuern. Das Hinderte jedoch das Thier nicht, feinen 
Schritt in aller Ruhe fortzufeen, wenn ed gleich von Zeit zu Zeit 
feine gewaltigen Obren fchüttelte zum unverfennbaren Zeichen, wie ſehr 
die Muflf der Kugeln ihm eine fremde und keineswegs angenehme jel. 

Den Reſt des Tages und die Nacht brachten wir in vollfonmes 
ner Ruhe zu, indem wir im Boraus befchloffen Batten, zumal wir noch 
Lebensmittel genug und jet auch Waſſer im Weberfluß befaßen, den 
Fluß, fo weit wir fönnten, zu unterfuchen. 

Am 14: Tage um A Uhr Morgens gingen wir kings des rechten 
Slußufers weiter und fahen bei jedem Schritte auf der einen, wie auf 
ber anderen Seite des Fluffes große Ablagerungen von Schwemmholz 
und dicke Stämme, denen ähnlich, die wir an der Meeresfüfte geſehen 
hatten. Allmählig wurden die Ufer höher und engten den Fluß mehr 
ein, ohne daß deſſen Bett dadurch eine Unterbrechung erlitten hätte. Nach 
zweiſtündigem Marfche fahen wir aber zwei anfehnliche Yale. Noch 


230 Gumpredt: 


bilveten hohe Sandduͤnen das linfe Ufer, an dem rechten erhoben fich 
dagegen große fenfrecht abfallende Granitfelfen ®), was und nöthigte, 
uns etwas vom Ufer zu entfernen und dann M Stunden zu marſchi⸗ 
ren, ehe wir wieder an das Flußufer gelangten. Es war dies einer 
der befchwerlichften Tage auf unferer Reife, befonders für die Träger, 
da das Terrain von großen Schluchten durchfchnitten war, die bald 
quer unferen Weg durchfebten, bald Hin und wieder ſich wanden. 

Da es und der großen Ermüdung wegen nicht möglich war, 
unferen Weg an diefem Tage weiter fortzufegen, hielten wir ung 
an ven Fluß, um an deffen Ufern einen geeigneten Pla zu unferem 
Nachtlager aufjzufuchen. In der That gelangten wir an eine ange 
nehme und malerifche Stelle, die eine reichere Vegetation zeigte, indem 
der größte Theil der dortigen Bäume aus Eedern, jedoch von weit 
geringeren Dimenflonen, als in Europa, beftand. Die Ufer find bier 
etwas niedrig und laffen fich, befonders das rechte, leicht paffiren, ohne 
daß jedoch ein Saum von diden Felſen aufgehört hätte, wogegen am 
Iinfen Ufer die Sanddünen ununterbrochen fortgingen. Hier gewahrten 
wir viele Exreremente von Elephanten nebft Fußtapfen von Zebras, 
Rehen, Füchfen, Affen, felbft von Löwen. Die Richtung des Fluffes 
ftreicht in Nordoſt 4 Oft. 

Am 15. Tage fehten wir bei großer Abnahme unferer Vorräthe 
und ohne Hoffnung des Erfages durch irgend ein jagbbares Wild, 
unferen Marfch fort. Um halb 10 Uhr, als die Hitze drüdender wurde, 
hielten wir an, um auszuruhen und zum Frühftüd den Reſt unferer 
Lebensmittel einzunehmen, entfchlofien, in einem Lande, wo fich Feine 
Spur eines menfchlichen Wefens zeigte, und feiner Hungerfrife auszu⸗ 
fegen und umzufehren, um in fürzeiter Zeit die Bucht wieder zu ges 
winnen. Glüdlicher Weife entvedten wir während der Raft einen Ele: 
phanten nebft feinem Jungen in weniger, ald Slintenfchußweite, auf 
einem berafeten Inſelchen. Es ward fofort der Vorſchlag gemacht, die 
Mutter anzugreifen, um das Junge zu erhalten; dies gab ich jedoch 
nicht zu, weil mich eine große Verantwortlichfeit getroffen hätte, ſobald 
einer aus unferer Begleitung das Opfer folcher Kühnheit geworden 
wäre Wir fahen das Thier eine Weile um das Junge berumgeben, 
gleich als ob es daſſelbe gegen irgend einen Anfall fchügen wollte. 
Endlich ließ es daffelbe ſtehen und ging flußaufwaͤrts durch das Waffer. 


Zur Kunde von Süd» Afrika. 231 


Sobald wir es aus dem Geficht verloren hatten, geflattete ich die Jagd 
auf das Zunge; in wenig Minuten durchſchritt einer vom den uns begleis 
tenden Soldaten, ein beherzter Schwarzer, ven Raum, der ung von dem 
Thiere trennte, und gab ihm faft im Berühren einen Schuß, welcher 
ihm die Schulter Durchbohrte. Nun ward es durch 6 Mann nach dem 
Plage, wo wir lagerten, gejchleppt, geöffnet, abgezogen, zerfchnitten und 
rationdweife vertheilt. Es wog 7 Arroben (d. b. 224 Pfund, die por: 
tugiefifche Arroba zu 32 Pfund gerechnet. ©.), obgleich es erſt neu- 
geboren fein mußte, was fich daran erkennen ließ, daß es nichts, als 
Milch, im Magen hatte. Es ward fugleich eine Portion des Yleifches 
gekocht und gebraten, und ich kann verfichern, Daß es vortrefflich war. 

Mit befjerer Zuverficht fegten wir nun unfere Reife weiter fort. 
Der Anblid, den das demnächſt durchzogene Land darbot, blieb immer 
berfelbe, mit dem Unterſchiede, daß die Vegetation mehr entwidelt war 
und Fußtapfen verſchiedener Thiere fich in größerer Anzahl wahrneh- 
men ließen, befonders von Efephanten, was und glauben ließ, daß 
mehr nach dem Innern des Landes fich große Heerden diefer Thiere 
an den Flußufern aufhalten, die zu beflinmten Jahreszeiten die Ufer 
herabfommen, längs denen wir gezogen waren. Bon der Mündung 
des Fluſſes bis zu der von und erreichten Stelle, eine Strede von 
ungefähr 21 Meilen, begegneten wir fchon acht Elephanten, die nach 
vem Innern zu ihren Weg nahmen. Bis zu dem Punkte wenigſtens 
kann man dem Fluſſe eben feine Wichtigkeit beilegen, indem er eng, ges 
wunden und voller Fälle, mithin nicht fchiffbar if. Denn wollte man 
auch die Stromfchnellen ebnen, was nicht unmöglich fein dürfte, fo würbe 
man die Mündung doch nie völlig frei haben. Das Iinfe Ufer befteht näm- 
lih aus ftarfen Sanphügeln, welche die Gewalt des Hochwaſſers leicht 
binwegfpült und nahe an der Mündung, wo der Fluß am jeichteften 
und mithin auch die Strömung am fehmwächften ift, wieder abjekt. 

Ob der Strom an anderen Punkten ſchiffbar ift, wiffen wir nicht, 
und eben fo wenig, in welcher Entfernung von hier ſich deſſen Ufer- 
bemohner befinden. Was wir in der Entfernung fahen, war eine 
Kette ziemlich Hoher, von Norden nah Süden fich hinziehender Berge, 
auf deren Ueberſteigung wir jedoch in Betracht der wenigen oder gänzlich 
und fehlenden Bequemlichfeiten der Reife verzichteten. Ueberdies war der 
Zweck unferer Miffion ein anderer, und diefen hatten wir erreicht. Am 


232 Gumpredt: 


16. Tage traten wir deshalb unfere Ruͤckreiſe nach der Großen Fiſch⸗ 
Bai in der Richtung KordsMWeft 4 Nord an und famen dort am 17. 
etwa um 10 Uhr Morgens an, Indem unfere Yußreife zu Lande 30 
und einige Legaos betragen Hatte Wir jchifften uns Hier ein, und 
ließen am 18. um 1 Uhr Nachmittags den Anker in der fchönen Bai 
von Moſſamedes fallen. 

Gleich nach der Ausſchiffung wurde ein Protokoll über den Ber 
lauf der Reife, fowie über die Gründe, die und zur Veränderung des 
Namens jenes Flufies bewogen hatten, niedergefchrieben. Schon jet 
machen ſich die Folgen unfered Ausfluges bemerkbar. Mehrere Bes 
wohner von Moffämedes, die als Handeldleute den Wald zu durch⸗ 
ziehen pflegen, rüften fich zu einer Land» Ercurfion nach den Ufern des 
unterfuchten Stroms, wo fie ohne Zweifel eine neue Quelle der Bereiche⸗ 
rung ihres Handels⸗Etabliſſements finden werben. Knüpfen fie dann 
einen fried» und freundlichen Verkehr mit den Eingeborenen jener Land⸗ 
fireden an, fo dürfte dies leicht den Erfolg Haben, daß die Eingebo- 
renen fünftig felbft nad) Moffämedes, um Handel zu treiben, fommen, 
nach dem Beifpiel der Völkerfchaften der Gambos ?), Huila'°), Jau!'), 
Humputa, Quillengues, Humbe'?), Cumba, Mulondo '?) und anderer. 

Moflämedes, den 20. November 1854. 

Fernando da Eofta Leal.“ 


| ı) Ein Land Namens Nano erfcheint bereits in dem früher (S.220) angeführ- 
ten Berichte Lacerba’s vor, worin gefagt wird, daß baffelbe bis zu dem früher und 
fpäter nirgends weiter erwähnten, nad) Lacerba aber die beiden Provinzen Benguela 
und Angola trennenden Fluſſe Aco reiche und die Landfchaften Balundo, Ambo, Quiaca, 
Duitata und Galangue umfafle (a. a. D. IV, 190, 198). In des italiänifchen Capuci⸗ 
ners Gannecattim umfangreichen Wörterbuche der in Angola Herrfchenden Bundaſprache 
fonımt das Wort Nano gar nicht vor, während das Wörterbuch body ausdrücklich 
fagt, daß die Bundaſprache in Galangue (Gullungo bei Cannecattim) herrſche 
(Dieccionario da lingua Bunda ou Angolense. Lisboa 1804. ©. VII). So if es 
möglich, daß Nano ein Wort ber Benguelafpradhe ift, die, wenn auch von gleichem 
Stamm mit dem Bunda, doch fo fehr davon abweicht, daß fie von den Bunda Rebenten 
ſchwer verflanden wirb (Cannecattim, Collesäo de observacdes grammaticaes sobre 
a lingua Bunda ou Angolense. Lisboa 1805. ©. XV). Gine ähnliche geegraphiſche 
Bedeutung, wie Nano, fcheint übrigens noch ein anderes Bundawort, nämlich Banıbi, zu 
befigen, das kalt bedeutet (frio nad) Cannecatiim Diccionario 427) und einfach oter 
in Bufammenfeßungen fich vielfach auf den Karten D’Anville's und Furtado's und im 
den verfchiebenen älteren Berichten über Angola als Benennung von Rocalitäten, Ge: 


Zur Kunde von Sk: Afrika. 233 


birgen und Fläfen Angola's in mannigfachen Formen findet, wobei man deuilich 
fieht, daß foldye Namen vorzugsweife gebirgigen Gegenden eigen find unb daß alfo 
die gemäßigte oder ſelbſt kalte Atmoſphaͤre die Wahl von dergleichen Namen Geitens 
der Eingeborenen veranlaßt haben mag. So erfäheint fchon bei dem älteflen italiänis 
ſchen Berichteratter über Angola, Ed. Lopez, eine große, zwifchen ben Ambriz⸗ und 
oje: (sc! ©.) Fluſſe gelegene BebirgssLandfhaft des Meiches Congo, Namens 
Yamba (Purchas Pilgrims. London 1625. 1I, 999), was mit Yurtabo’s Karte 
übereiuftimmt, die zwifchen dem Ambriz⸗ und Logefluffe ein Land Banıba hat; fo 
erwähnten G. Mendez (f. hier ©. 218; Nouv. Annales des voyages. XXIH, 353, 
357) und der Lieutenant Garcia (f. ©. 218 und Ann. marit. e col. Parte n. ofhc. 
IV, 243) zwifchen Benguela und Gaconda eine Gebirgslandſchaft Bumbo, und aud 
Furtado die Namen Muene Bumbe, vd. 5. Herr von Bumbe, füblih von Loanba, 
Mume Bumbe zwiſchen dem 2oges und Danbeflufie, Bumbe Lunga ebenbort, 
Bambea moxima am Fluſſe Gutato dos Ganguelas (f. bier ©. 222), Cambambe 
em Coanza, Duimbnnby offünöfli von Moſſamedes hat, wozu endlich Banıbe 
(Dmboni S. 130) und die Bölkerfchaften der Bimba’s im Diſtricte Balundo 
(Ann. marit. e colon. Parte näo oflic. IV, 157) treten. Dana if anzunehmen, 
daß die von Lopez (Purchas II, 999) in das Binnenland Angola’s verfepten kal⸗ 
ten Berge (Monte freddi; Sierra fria der Portugiefen), die berfelbe fogar zn 
Schneebergen macht, bei den Angolaern auch Bumbo, Bambi oder ähnlich genannt 
werden. Hiernach und bei der großen Berbreitung bes fübafrifanifchen Sprachſtammes 
darf man fich ſelbſt nicht wundern, daß es noch ein Gebirge Bumbo an der de La⸗ 
goabai giebt (Sowie und Green bei Sieedman I, 285). ®. 

2) Der Name Mofjamebes wurde ſchon im 3. 1785 bei Gelegenheit von G. Mens 
dez Erpebition ber fogenannten Negerbai (Angra do Negro), wie ſchon S.213 erwähnt, 
nach dem damaligen Gouverneur dieſes Namens gegeben, während biefelbe bei den 
Engländern den Namen der Heinen Fiſchbai (Little Fishbay) führt. Aber erſt im 
3.1840 fand hier die Gründung einer Handelsſtation flatt, die ſich bald zu einem im 
3. 1846 ſchon 120 weiße Einwohner zählenden Dorfe erhob, das bei den Gingeborenen 
Bifungo Biltoto Heißt und eine Linlencompagnie zur Beſatzung hat. ine Befchrets 
bung der Bat, in welche ein großer Fluß, der Bero ber Bingeborenen, fällt, Liefern 
die Annäes marit. e colon. IV, 393 — 395, wozu der bier S. 207 erwähnte Plan 
der Bai gehört. G. 

2) Die Muimbas nennt auch Vasconcellos (Moimbas, IV, 151); ſie ſcheinen 
verſchieden von den am Cunene im Diſtrict Caconda wohnenden Munhembas (Vas⸗ 
concellos IV, 153) zu fein, welche letzte ebenfalls Lacerda als Monhembas erwähnte 
(IV, 198). G. 

2) Dieſe Meilen find wahrſcheinlich portugieſiſche Seemeilen zu 54 auf den Grab, 
während von den fpäter zu erwähnenven Legoas 18 auf den Brad gehen. ©. 

2) Die große Fiſchbai, die mitunter, freilich fehr ungeeignet, Tigerbai ge- 
nannt wird, da es weder hier, noch fonft in Afrika wahre Tiger giebt, wurbe in neue: 
see Zeit zuerft duch die britifchen Gapitaine Heywoob vom Töniglichen Schiffe Ne⸗ 
teus im Jahre 1811 und Owen im Jahre 1825 (IT, 230), dann durch die franjzoͤ⸗ 
fichen Seeoffiziere Gecille und Troude mit dem Kriegsfchiif l’Heroine beſucht An- 
nales maritimes et coloniales. Paris 1845. II bis ©. 272— 273). Die Befchreis 
bungen diefer Offiziere ſtimmen fehr gut mit der unferes Berichterflattere übereln. 


234 Bumpredt: 


Danach iſt die Lage der Bai, die Heywood in 16° 18’, Gecille und Zroube in 16° 
31’ fübl. Breite, 29° 21’ fl Länge von Ferro verfeßten, eine der ausgezeichnet- 
ſten diefer Gegenden, indem fie 15 bis 16 Meilen weit in das Land hineinreicht und 
noch in der Mitte 10 bis 12 Meter Tiefe Hat. G. 

6) La cöte orientale de la baie est formee de hautes dunes de sable stérile- 
d’une apparence brunätre. Annales maritimes et coloniales. Paris 1845. II bis 
©. 309, nad) Purdy, New sailing directory for the Ethiopice or southern Adlantıc. 


G. 
2) Dieſe Baſaltadern find viel wahrſcheinlicher Adern von Diorit, den ber Nei- 
ſende der dunklen Farbe wegen mit Bafalt verwechſelt haben mag. G. 


°, Ein großer Theil der hieſigen Küften und vielleicht der ganze Zug derſelben 
iſt granitifch, indem von bem granitifchen Gap St. Marie an bis zur Glephauten⸗ 
Bai in dem ganzen Terrain Granitfelfen anftehen (Warnet de Recouvrance, Annales 
marit. et colon. 1845. II bis ©. 265 — 266). G. 

2) Die Gambo's wohnen in dem zwiſchen ber Stadt Benguela und Gacondbe 
gelegenen Diftrict Quilengues (Basconcellos IV, 151). ®. 

10) Huila oder Huilla iſt ein Binnendifrict der Provinz Benguela 1 bier 
©. 211). 

113) Die Völkerſchaft der Jau erwähnt au Omboni ale in ber Nähe von I Def 
famebes wohnend (S. 397), nit minder Mendez dort ein Land Jaon (a. a. D. 
XXIII, 353, 355, 356). ®. 

12) Sumbe oder Suambo ift eine Landfchaft im Norboflen von Caconda (eo 
Cardozo 368; Basconcellos IV, 153, 161). ®. 

13) Ginen Sova von Molondo im Diſtrict Quilengues erwähnt Basconcellos 


(IV, 151). G. 
12) Die Namen Humputa und Cumba finde ich bei keinem Berichterflatter 
über das Innere von Benguela. G. 
Zufaß. 


Der früher Hier (S. 204— 205) als Berfafier eines ausführlichen dreibändi⸗ 
gen hiſtoriſch⸗ geographiſchen Werkes über Angola, das den Titel: Historia geral de 
Angola führt (Barbofa Machado I, 343), erwähnte Antonio Oliveira de Gabor: 
nega hat nad) demfelben Literarhiftorifer noch zwei gleichfalls nur handſchriftlich ver- 
bandene große Hiftorifche Werke über dieſe Gegenden, nämlich eine Befchichte der 
Greigniffe in Angola zu feiner Zeit bis zur Berwaltung des General: Gouvernents 
D. João de Lencaftre in 4 Bänden (Historia de tudas as cousas, que succederao 
em Angola no tempo dos Governadores, que governarao depois da Guerra [wahr: 
fheinlich ift damit der Krieg mit den Niederländern gemeint)) uud einen Abriß der 
Geſchichte der Eroberung der Provinz Benguela (Compendio da expugnagäo de 
Reyno de Benguela e das terras adjacentes) geſchrieben. Das erfigenaunte. ber 
drei Werfe war aber nicht allein im Jahre 1822, wie S. 205 berichtet, durch 
Langles ber Parifer geographifchen Gefellichaft zur Herausgabe vorgefchlagen wer: 


Zur Kunde von Süd» Afrika. 235 


den, fondern baffelbe geſchah noch einmal 10 Jahre fpäter im Jahre 1832 durch 
Dubeur, auf defien Borfhläge tie Central s Kommiffion der Geſellſchaft einging und 
den Drud befhloß, der aber noch heute bei dem Mangel an Mitteln nicht erfolgt ift, 
obwohl das Werf von ber Commiſſion als fehr vollftändig in geographiſcher Hin- 
ficht gerühmt wurde (Bulletin de la Soc. de Geogr. 1=* Ser. XVII, 287, 289, 
368, 369). Dies ift fehr zu bedauern, da Cadornega's langer Aufenthalt in An- 
gola und feine thätige Theilnahme an vielen Kriegen und Borfällen ihn zu einer 
befjeren Kenntniß des Landes geführt haben muß, als irgend Jemand vor ihm und 
nach ihm befefien Haben mag. Zugleich ift der Verfaſſer eines ber merkwürdigſten Bei⸗ 
fpiele der Widerfiandsfähigkeit einer enropäifchen Körperconftitution, fowie einer bei- 
fpiellos langen, ungefchwächten, geiftigen und Eörperlichen Thätigfeit in dem verberb- 
lien Klima von Angola und Benguela. Gabornega fam nämlich ſchon im Jahre 
1639 mit dem zum Bereral-Gouvernenr ernannten D. Pedro Cezar de Menezes in 
dieſe Gegenden, gerade als die Niederländer bie erſten Croberungsverſuche machten, 
denen im Jahre 1840 die Groberung von Loanda folgte, und focht fehr tapfer gegen 
die Feinde feines Volkes, wobei er allmählig zum Gapitain vorrüdte. Nach ber 
Vertreibung der Niederländer aus Angola im Jahre 1648 blieb er Hier noch über 
40 Jahre, indem er erft im Jahre 1690 in der Hauptflabt als penfionirter Haupt: 
mann ſtarb, nachdem er im 3. 1680 das erfte feiner genannten Werke verfaßt Hatte. 
Auch Barbofa Mahado (I, 342) bemerkt ausdrücklich, daß Cadornega ſowohl aus 
Büchern, als durch die Thaten, die er beſchrieben, eine wahre Kenntniß des Landes 
erlangt habe. Wo fidy aber zu Machado's Zeit deſſen beide anderen Werke in Por⸗ 
tugal befanden, giebt dieſer Verfaſſer nit an. — Zum Beweife der Kenntniß 
der älteren Portugieſen von ben afrifanifhen Küften läßt fi) endlich aus Barbofa 
Machado's überaus feltenem Werte noch eine Arbeit von Antonio Mariz Carneiro 
über die Oſtküſte des Continents zwifchen Mozambique und Sofala, nämlid das 
Regimento de Pilotos e Roteiro das Navegagoes de India oriental aumentado e 
acrecentado com o roteiro de Sofala at? Mogambique, das in Liffabon in drei ver: 
ſchiedenen Auflagen in den Jahren 1632, 1655, 1660 erſchien, anführen. 


Gumprecht. 


Neuere Literatur. 


The Mediterranean. A memoir physical historical and nautical by 
Rear-admiral Will. Henry Smyth etc. 8. London. J. W. Parker 
and Son. 1854. 5008. (Schluß). 


Das Werk unferes Berfaflers enthält nun 4 größere und einen Fleineren 
Abſchnitt nebft einem Anhange. Von den fünf Abteilungen giebt der erfle 
auf 100 Seiten eine Ueberficht der Küften des Mittelmeeres mit befonverer 
Berüdfichtigung ihrer Stäbte und Producte, fowie ihres Handels, der zweite 
auf 92 Seiten eine audführliche und wichtige Darftellung ver Eigenfchaften 
des Mittelmeered an fich, namentlich ver Eintheilung, Temperatur, Farbe, ſpez. 
Schwere, Strömungen und Größe deſſelben, endlich eine Nachricht über Die 
Bufammenfegung feined Waflers, woran ſich eine Aufzählung der darin les 
benven Fiſche anfchließt, der dritte gleichfalls auf 92 Seiten ift eine Abhand⸗ 
lung über die im Bereiche des Mittelmeered beobachteten atmofphärifchen Er» 
fiheinungen, ver vierte abermald von 92 Seiten liefert eine Gefchichte der Auf⸗ 
nahmen und anvermeitigen Unterfuchungen im Mittelmeere, woraus ber erfte 
Abſchnitt unferer Anzeige bereitd das Wefentlichfte mitgetheilt Hat, ver fünfte 
endlich auf 29 Seiten berichtet über die in dem Werke angenommene Ortho— 
graphie und Nomenclatur, und theilt ein überaus reiches Verzeichniß von 
16— 1700 Längen= und Breitenbeftimmungen von Xocalitäten an ver Küfle 
nebft Beobachtungen über bie Abweichungen der Magnetnabel mit. Die Krone 
des Werks, der größte Theil jener erften Reihe von Beobachtungen rührt von 
dem Berfafier felbft her (S. 431 — 452), der Heinere (S. 452— 470) if 
anderen Quellen, namentlich ven Beobachtungen Gauttier'd entlehnt. Diefer 
Reichthum von forgfältig beobachteten und fleißig berechneten Ortdangaben ift 
ein unfchägbares Hilfsmittel für die Theorie und Prarid in der Nautif und 
zugleich ein außerorbentlicher Gewinn für die Geographie und Kartographie, 
inden die Kenntniß der Geftalt des Mittelmeeres, ded Marmora- und ſchwar⸗ 
zen Meere von nun an auf unmanbelbaren Grundlagen beruht. Der 28 
Seiten lange Anhang behandelt die Eröffnung eines Weges nach dem Innern 
von Afrika, wozu Admiral Smyth das Material während feines Aufenthalts 
zu Tripoli im Jahre 1846 gefammelt Bat, dann die vulkaniſche Grahamsinſel, 
die bekanntlich im Jahre 1832 erfchien und bald wieder verfchwand. Was 
den von dem Verfaſſer enipfohlenen Weg in das Innere von Afrika betrifft, 
fo ift e& der von Tripoli aus über Fezzan, d. h. derfelbe, ven früher Horne⸗ 
mann und Gereitd im Beginn des vorigen Jahrhunderts die Geſellſchaft katho⸗ 





W. H. Smyth: The Mediterranean. 237 


liſcher Geiftlichen eingefchlagen Hatte, über deren Unternehmung ver Apmiral 
eine in biefer Zeitfchrift II, 245 — 248 mitgetheilte Notiz zu Tripoli aufge- 
funden Hatte. Um die Erneuerung der Unterfuchungen im centralen Afrika 
bat fich derfelbe in der That ein fehr wefentliches Verdienſt erworben, indem 
er wieder die erfle Anregung dazu gab, wie er felbft ausprüdlich bemerkt 
(S. 479), und den leichteften Weg dazu anwies. Ein ausführlich und forg« 
fältig gearbeiteted Negifter erleichtert ungemein bie Benugung des Werkes, 
indem es einen fehr großen Reichtum von einzelnen Beobachtungen und An- 
gaben jeder Art nachweift. — In dem Folgenden wollen wir ven Lefern unſe⸗ 
rer Zeitfchrift eine allgemeine Ueberſicht des Inhalts des Werkes mittheilen, 
indem wir uns vorbehalten, von einigen ber wichtigeren und intereflanteren 
Materien deſſelben ſpecieller Nechenfchaft zu geben. Der erſte Abfchnitt ent⸗ 
hält, wie gefagt, eine Schilverung aller Raͤnder bed Mittelmeeres; von den 
Darvanellen aus benutzt der Derfafler jedoch vie Gelegenheit, in das Meer 
von Marmora, das fehwarze und aſowſche Meer überzugehen, von veren 
Nändern und ihren Berhältnifien er gleichfalls einige Nachrichten, meift nach 
Gauttier, Liefert. 

Bon einem der beiden weſtlichſten am Mittelmeer gelegenen Punkte, ver 
Belfenfeftung Gibraltar, aus, die fi) an eine umfangreiche Kalkſteinmaſſe aus 
der oolitifchen (juraflifchen) SBeriove in 1430 Fuß 2) Höhe anlehnt, beginnt 
die Küftenfahrt und endet auf ver anderen Seite ver berühmten Meeresftraße 
bei Langer und dem Gap Spartel, dem zweiten weftlichften Punkte. Die 
Zänge der fpanifchen Meeresküfte von Gibraltar bis Cap Ereur, wo das fran⸗ 
zöftfche Gebiet beginnt, wirb auf 780 engl. Weil. angegeben. An die Befchreis 
bung der fpanifchen Küfte und ihrer Häfen fchließen ſich Bemerkungen über 
die fpanifchen Infeln Majorca, Minorca, Jviza nebft Formentera; beſonders 
ift e8 bier der umfangreiche Hafen Mahon, einer der flattlichften und ſicher⸗ 
fien Plaͤtze für die Schifffahrt in dieſem Meere, welcher den Engländer interef- 
firt. Die franzöflfche Küfte dehnt fich zwifchen Cap Greur und der Var⸗ 
Mündung auf 300 Meilen aus; vie hier gelegenen Punkte, welche kürzer over 
ausführlicher berührt werben, find Port Vendre, Cette, Montpellier, die Rhone⸗ 
Mündung, vie fonderbare, la Erau genannte Ebene, ver Golf von Foz, Mare 
tigued, Marfeille, Toulon, die Hyeren. Die Befchreibung der klaſſtſchen Kü- 
fien von Stalien und Griechenland nebft den dazu gehörigen Infeln nimmt 
den verhältnißmäßig ausgedehnten Raum von ©. 17—73 ein. Neben ver 
Darftelung und Kritik der Hafenorte, der phyſiſchen Befchaffenheit ver Küften- 
ftriche, der Hiftorifchen Erinnerungen, welche ſich an viefe Gegenden in fo 
reichem Maaße fnüpfen, find es auch flatiflifche Leberfichten von Laͤnder⸗ 
raum und Bevdlterungsverhältnifien, welche zur Kenntniß dieſer merkwuͤrdigen 


1) Die Hier und in dem Folgenden angeführten Höhen find ſämmilich in englis 
ſchem Maß gemeint, forwie auch die Angaben ber Längen und Flaͤchen. 


238 Neuere Kiteratur: 


Geftabelänver bier beitragen, zumal in Hiftorifchem Interefie für bie Zeit, in 
welcher das Buch entſtanden iſt, und zur Vergleichung mit ihren heutigen Zus 
fländen. Was ver Berfafler „geologifche Veränderungen“ nennt und worauf 
er in dieſer Meberficht ver Küften wieberholt und fpäterhin im Zuſammenhange 
zurückkommt, find nach feiner Auffaffung durch Waſſerkraft ſowohl, wie durch 
vulfanifche Thaͤtigkeit Hervorgebrachte bedeutende Umgeftaltungen an dem 
von ihm in Betracht gezogenen Theile der Erdoberflaͤche. Namentlich erregt 
in viefer Beziehung das untere Italien, füblich vom Veſuv, fowie Sieilien 
mit dem Aetna Hohes Intereſſe. Die Meflungen an dem Aetna, wie ſie 
Smyth im I. 1814 vornahm, ergeben ein faft gleiches Reſultat, wie Die von 
Herſchel im I. 1824 veranftalteten, nämlich 6i8 zur Biegengrotte 5,362 Fuß 
nach Smyth und 5,423 nach Herfchel, bis zum englifchen Haufe 9,592 Fuß 
nad) beiden Meffungen, und der Gipfel 10,814 Fuß Hoch nah Smyth und 
10,872 &. nach Herfchel. Die Höhe des Veſuos wird zu 3880 F. angegeben, 
vie hoͤchſten Granitmaflen ver Infel Eorfica folln 8,100 Fuß über dem Mee⸗ 
reßfpiegel erreichen, und auf Sarbinien fleigt der Gerc- Argentu bie 5,276 3. 
Höhe an. Unter ven Probucten, durch welche die Infel Sicilien den Nachbar» 
ändern beſonders voranfteht, nimmt bekanntlich ver Schwefel eine vorzügliche 
Stelle ein. Um Radduſa bei Aidine, am Fiume falfo, bei dem alten Himera 
befinden fich die fehr weit verbreiteten Lager vefielben, und in dem weiten Gebiete 
von Girgenti berrfcht, wie Hoff in feiner Befchichte der Veraͤnderungen ver 
Ervoberflähe Br. II, S. 250 anführt, der Slaube, daß, wo man auch gra- 
ben möge, man eine Schwefelmine finden werbe. Die am längften bekannten 
Niederlagen befinven fich in dem Theile der Infel, der ſich von ihrer Mitte 
bis an die fünliche Meeresfüfte erſtreckt und zu beiden Seiten von Linien ein» 
geichlofien wird, die man von einer Seite nach Sciacca zu und von der au⸗ 
dern in Schlangenzügen über dad Gebiet von Rabbufa ber nach dem Meere 
zieht. In dieſem Bezirke beſteht, kann man fagen, ein großer Theil des Bo- 
dens aus Schwefel, welcher bier und da ganze Gänge ausfült ?). — Die 
"benachbarte Infel Malta nimmt die Aufmerffamkeit des Englaͤnders beſonders 
in Anfpruch und erhält deshalb auch Hier eine fehr umfaſſende Darftellung: 
in alter Zeit mit ihren Nebeninfeln ald Zubehör Afrika's betrachtet und wohl 
Melita Africana zum Unterſchied von Melita Illyriaca genannt, ift fie, ſeitdem 
fie in englifchen Beſitz Tam, durch eine ParlamentBacte ale zu Europa gehörig 
erklärt worden, ungeachtet ver Gebräuche, Sprache und Lebensart der Einge- 
borenen, vie fehr entfchienen ihre Verwandtſchaft mit ven Arabern in ver 
Berberei beurfunden. Der Hafen von Malta gehört befanntlich zu den vor⸗ 
züglichften des Mittelmeered und fteht in gleicher Linie mit dem prachtvollen 


1) Ueber diefe Probucte, fowie über das Ganze der Juſel erhielten wir befannt- 
li bereits vor mehr als 25 Jahren von dem Verfaſſer eine treffliche und ausführliche 
Monographie. Doc iſt es nach ver üblichen geognoftifchen Sprache nicht richtig, wenn 
er den Schwefel Siciliens in Gängen auftreten Täßt. 





W. H. Smyth: The Mediterranean. 239 


zu Port Mahon auf Minorca. Malta Hat eine fehr bequeme Lage für ven 
Handel mit dem dfllichen Theile ver Berberei, mit Aegypten, Syrien und 
Griechenland. Schiffe finden Hier Alles, was fie bevürfen. In Betreff ver 
von Malta aus beſonders in das englifche Hanveldinterefie aufzunehmenden 
Nachbarinſeln und Länder treffen mit unſeres Verfaſſers Uinterfuchungen zu⸗ 
fammen vie Reiſebriefe des Engländer Blaquidre, welcher um viefelbe Zeit 
mit ihm das Mittelmeer bereifte und über Sieilien, Malta, Tunis und 
Zripolid eine fehr ſchätzenswerthe Darftelung veröffentlichte, um damals bie 
Aufmerffamfeit ber britifchen Negierung auf jene Gegenpen zu Ienfen und 
richtigere Begriffe über ihre politifchen und commerciellen Hilfsmittel zu ver- 
breiten — eine Kenntniß, die jedem Staate unentbehrlich ift, welcher Bortheile 
aus freundlicher Verbindung mit anderen Staaten zu ziehen ſucht. 

Der darauf folgenden Beichreibung des abriatifchen Meeres geht eine 
furze Biftorifche Skizze voran, woran fich einige Angaben über bie Seetiefe, 
bie zwifchen 100 und 500 Faden wechfelt, zwifchen Diranto und Valona 
350 Faden beträgt und dann plöglich zur jonifchen See bin zunimmt, fchlies 
Ben. Cap Spartivento (Winpfpalter), ald ver fünöftlichfle Vorfprung von 
Galabrien, und Cap Santı Maria di Leuca umfchliegen vie Küfte mit den 
Golfen von Squillace und Taranto und einigen winzigen Hafenplägen. Leber 
Trieft bemerkt der Berfaffer, daß dieſer blühende Hafenplatz der commertielle 
Sieger über Venedig und die bebeutenpfle Seeftant Defterreichd geworben fei 
und einen ficheren, Fünftlich gejchügten Hafen mit ziemlicher Waffertiefe beſitze; 
boch fei fein Anfergrund den Weft- und Showeit- Winden und befonvers ben 
heftigen Winpftößen der Bora ausgeſetzt. An ven Küften von Dalmatien werben 
dann Zara, Scarvona, Spalatro, Raguſa und andere Ortfchaften erwähnt. 
Auch Dem Gebiete von Montenegro und feinen Beziehungen zu Rußland wid» 
met der Berfafler eine Erwähnung. Die Aufzählung der valmatifchen Infeln, 
ſowie vie Erwähnung der albanefifchen Küfte mit ihren Hafenpläten Anti⸗ 
vari, Valona und anderen fchließt dieſen Abfchnitt. Unter der Ueberſchrift: 
„vie Küften und Infeln des weftlichen Griechenlands“ erfiredt fich die folgende 
Darftelung auf ven Raum zwifchen Ancona und Cap Malea, fanımt ven 
fieben Infeln und den übrigen zu Griechenland gehörigen. Auf vie ältere Geo⸗ 
araphie und Gefchichte Griechenlands wird in engliichen Geſchmacke viel Rück⸗ 
ficht genommen, beſonders find es die fleben jonifchen Infeln, welche als englie 
ſches Beſitzthum etwas ausführlicher befprochen werben. Auf Morea's Weftfeite 
finden PBatras, Caftel Tornefe, der Alpheius, Navarino, Modon, Koron, ver 
Bergzug Taygetus, der Bufen von Kolofynthia und der Eurotad, Erwaͤh⸗ 
nung. Aus den 8. Paragraphen, in welchem ver Archipelagus, das ſchwarze 
Meer und die Revante auf 22 Seiten vargeftellt wird, erwähnen wir vie Höhe 
des Berges Elias von Karystus aus zu A750 Fuß und des Berges Delphi 
(Dirphi) über dem Meeresfpiegel zu 7306 Fuß; der alte Pelion (Pleſſidi) 
bat 5200 Buß Höhe, der Kiffavo, der ehemalige Offa, 6100 Fuß, und der 


240 Neuere Literatur: 


Eiymbo (Olympus) 9850 Fuß über dem Meeresſpiegel. Was ven Berg 
Athos mit feinen zahlreichen Kirchen und Klöftern betrifft, fo iſt feine Höhe 
wohl auf 6500 Fuß anzunehmen; feine Spigen werben vom Gap Siguenn 
und der Ebene von Troja aus erblidt. Dem alten Ida in viefer Ebene, jekt 
der Berg Gagara, werden 5700 Buß berechnet, fowie dem Ida auf Candic, 
ver jetzt Berg Poitoriti beißt, 6700 Fuß. Der auf der Inſel Melos (Mile) 
fich erhebende Berg vulfanifchen Urfprungs, Namens St. Elias, wir auf 
2000 Fuß Höhe angegeben. Was ven Archipelagus, deſſen zahlreiche Infeln 
der Reihe nach aufgezählt werben, im Allgemeinen betrifft, fo finden fih 
auch Hier geologifche, auf vie Bulfanität dieſer Erdzone bezügliche Erdrterungen 
angereiht. Unter ven Infeln des Archipelagus und vorzüglich unter demjenigen, 
die der Küfte von Klein Aften am nächften liegen, find nicht nur mehren, 
welche Bewegungen ver Exbe, die dieſe Halbinfel trafen, zu Zeiten mitempfun: 
den haben, fonvdern bekanntlich auch einige, von denen vie Ueberlieferung eigen 
Tiche vulkaniſche Erfcheinungen berichtet, und wo fle zum Theil noch in ber neue 
fien Zeit wahrgenommen wurden. Hier bat man gleichfall8 das als eine du 
merkfwürbigften vulfanifchen Wirkungen nachgewiefene Phänomen der Erhebung 
des Bodens von innen heraus oftmald und in beträchtlichem Maaße beob⸗ 
achtet. Die Infeln Rhodus, Anaphe, Delos, Halone und Nea follen, eine 
bei den Alten gangbaren Sage zufolge, aus dem Meere Heroorgetreten ſein 
und man leitete die Namen einiger unter ihnen von dieſem Umſtande ab. Ueber 
die Zeit, in ver jede zuerft fichtbar geworben fein fol, erklärt die Sage ſic 
jeboch nicht; eben fo wenig über die Art, wie die Ereigniſſe gefchehen fin. 

Bon der Darbanellen = Straße, dieſem prachtvollen Meereswege, wird be⸗ 
merkt, daß fie fich von 6 bis 7 Meilen auf 2700 Yards zwifchen Seſtos un 
Abydos verengt. Was den thracifchen Bosporus oder die heutige Sttaße 
ven Conftantinopel betrifft, fo wird die mittlere Breite auf eine Meile, die 
Tiefe des Fahrwaſſers abwechſelnd zwifchen 16 und 30 Baden angegeben. Mn 
Bezug auf das jegt fehr in den Vorbergrund der englifchen Intereffen get 
tme ſchwarze Meer äußert fich ver Verfafler auf zwei Seiten feines Bert! 
(S. 76 und 77); vie Ränge deſſelben beträgt nach ihm von Weft nach If 
650 Meilen, die Breite etwas mehr ald 300 M., und das Areal 17,200 engl. 
Duabratmeilen. Der moderne Name des Meeres ſoll von ven dichten Nebeln 
berühren, mit welchen es bisweilen bedeckt ift, oder von ven Gefahren, welche 
der Schifffahrt durch dieſe Nebel entfliehen. Die Tiefe des Meeres if im 
Ganzen bedeutend, indem nicht leicht Grund bei 150 Faden gefunden wir. 
Die zufließenden Waſſermaſſen ver großen Ströme bewirken flarfe Pierre 
ftrömungen, befonderd im Beginn ded Sommers, wenn jene in Folge de 
Schneefchmelze fehr angefchwollen find; wenn dann noch flarfe der Strömung 
entgegengefegte Winde Hinzutreten und dadurch eine heftige Wellenbewegung 
entfteht, fo kann dies in Verbindung mit dem Nebelwetter Hleineren Fahr⸗ 
zeugen gefährlich werden. Sonft iſt das fchwarze Meer frei von Gefahrm, 








W.H.Smyth: The Mediterranean. 241 


bat außer einer oder zwei unbebeutenden Ausnahmen Feine Infeln, Belien, 
Riffe in der gewöhnlichen Bahn ver Schifffahrt und bietet überall den treffe 
Iichften Ankergrund dar. Solche Anficht bat Aomiral Smyth über pas 
ſchwarze Meer niebergelegt, und fie fcheint bis in bie neuefte Zeit auch fo 
ziemlich die allgemeine in England gewefen zu fein. Bon ven Hafenpläßen 
der Krim, namentlich von Sebaftopol, wird nichts Näheres erwähnt, dagegen. 
noch das aſow'ſche Meer und fein Haupthafenort Taganrog in einigen Zeilen 
berührt. Anders verhält fich der Autor dagegen im fünften Abfchnitt feines 
Werkes zu diefem für England ſchon feit Jahrzehnten fo wichtigen Terrain, 
in dem Abfchnitt, wo die von ihm beobachteten und berechneten Längen» und 
Breitenbeflimmungen ber verfchievenen Punkte im Wittelmeere, muthmaßlich 
alle nad) Gauttier, aufgeführt werden. Da find es nicht weniger, ala 43 
Bunfte auf der Krim, deren Länge und Breite angegeben werben, und zwar 
befinden fich darunter die Mündung der Alma und des Belbek, das hoͤchſte 
Haus des Lazarethes, die Hospitalkuppel und der Kirchthurm von St. Nico» 
las, alle drei Punkte von Sebaflopol, deren nörbliche Breite im Durchfchnitt 
40° 35’ ift, mit der Abweichung von einigen Sekunden. Eben fo verhält 
es ſich mit der öftlichen Ränge, die für die genannten Orte zwifchen 33° 31’ 
und 29°’ nad) Greenw. angegeben wird. Wenn man dieſe Beflimmungen mit 
früheren vergleicht, die ebenfalls auf correcte Sicherheit Anfpruch machten, 
3. B. mit denen, welche vie im J. 1804 aus dem kaiſerl. ruf. Kartenvepöt zu 
St. Peteröburg bervorgegangene Karte des ſchwarzen, afow’fchen und Mare 
mora⸗Meeres, zu der die damals neueften aſtronomiſchen Beſtimmungen von 
Franzoſen und Ruſſen benugt wurben, giebt, fo wird man kaum umhin kon⸗ 
nen, diefen englifchen Aufnahmen den Vorzug der Nichtigkeit einzuräumen. 
Die erwähnte ruffifche Karte hatte den Urfprung, daß zwei Seeofflziere, Graf 
Heiden und Herr Vaillant, durch eine Tange Reihe von Beobachtungen bie 
Länge und Breite der Stadt Odeſſa beflimmten, und zwar erfter auf 48° 
17’ 35” und Ießter auf 46° 29’ 30”. Admiral Smyth führt fünf Punkte 
in Odeffa nach Länge und Breite an, veren Rage durchſchnittlich ziemlich genau 
nit den eben erwähnten Angaben übereinftimmt. 

Die weitere Darftelung der Küſtengeſtade beginnt ſodann mit bem le⸗ 
vantifchen Baffin an dem alten Garamanien, wo am Golf von Abalia bie 
Bergſpitze des Takhtalu 7800 Fuß hoch zu erwähnen ifl. Nach einigen Bes 
merfungen über vie geologifchen Veraͤnderungen an ver Süpfüfte Klein⸗Aſiens 
wird die 440 Meilen Iange Küfte von Syrien befprochen mit den auf ihr ges 
Iegenen Safenplägen, wie Latafia, Beirut, Saida, Sur, Afka und Jaffe; daran 
fchließt fich die Bemerkung, daß ver See von Galilaͤa 628 Fuß unter Dem 
Spiegel des Meeres liege, ſowie das todte Meer tiefer, ala 1200 Fuß. Der 
Höchite Gipfel auf Enpern, der Oros Troados (Olympus) erhebt ſich 6590 
Fuß über den Meeresfpiegel. 

Die Nordküſte Afrika's beginnt nach altem Gebrauch im one mit Ti⸗ 

1 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Dh. V. 


242 Neuere Literatur: 


neh (Beluflum); über Damiette, Nozette und Alexandria geht bie Darftellung 
zur Barca über, wo ein Blick auf dad alte Eyrene geworfen wird, verfolgt 
die beiden Syrien, befpricht Tripoli mit feinen Exportartikeln und Verbin⸗ 
dungen in's innere Afrifa '), und giebt ſodann eine ausführliche Ueberſicht 
der im tuneflfchen Gebiete gelegenen Ortfchaften, berührt vabei die Ruinen 
von Carthago, und geht in einige Detaild der heutigen Stadt Tunis ein. 
Der letzte Küftenftrich, das Gebiet von Algier und bie Geſtade Maroflo's, er- 
fheinen Hier noch unter den Einflüffen ver barbarifchen Gebräuche, Die fo 
lange für die zur See mächtigen Eulturvölfer Europa's eine gerechte Klage 
bildeten, 518 jene feeräuberifche Macht am Vorabende ver Julirevolution von 
Frankreich gebrochen und befeitigt wurde. Zum Schluß dieſer Küftenfchau 
werben einige ftatiftifche Tabellen über Bodengroße, Bevolkerungs⸗, Aderbaus, 
Handels⸗ und Gewerbe» Verhältnifie der englifchen Beſitzungen am Mittelmeere, 
alfo von Gibraltar, Malta und den fonifchen Infeln mitgetheilt, welche, va 
fle ven 3. 1820 bis 1824 angehören (f. bier ©. 60), jegt nur ein hiſtoriſches 
Intereſſe Haben. Damals befanden ſich in Garniſon zu Gibraltar 3330 Mann 
englifche Truppen, auf Malta 2340 und auf Eorfu 3890, eine Stärfe, vie 
fo ziemlich viefelbe ift, wie fie in den Iekten Jahren war. 

Die Einleitung zu Den zweiten Hauptabfchnitte, der von den Strönnms 
gen, Ebbe und Fluth zc. handelt, umfaßt wieberum allgemeine geologiſche 
Erörterungen über vie vulfanifchen Erfcheinungen viefed Meeres in ihren ver: 
fehiedenen Beziehungen, was dann von felbft zu einer Unterfuchung über ven 
Urfprung des Meeresbeckens ſelbſt Hinleitet, indem hierbei verfchiedene An⸗ 
fichten und Hypotheſen, wie fle bereitd aus älteren Zeiten überliefert finv, 
zufammengeftelt werben. Der Berfaffer fcheint die auf Hiftorifche Quellen 
aller Zeiten geftühte, gründliche Unterfuchung dieſer Verhaͤltniſſe, wie fie in 
Hoff's Geſchichte der Veränderungen an der Erboberfläche vorliegt, wicht 
gefannt zu haben, während fonft eine große Reihe von Gelehrten aus alter 
und neuer Zeit und von verfchiebenen Nationen, aber mit Ausnahme deutfcher 
voiftenfchaftlicher Männer, citirt werden. — Was die Zlächeneintheilung des 
Mittelmeeres betrifft, fo ift fle zum Theil von den natürlich gegebenen Ver⸗ 
Hältniffen abhängig, theild aber auch, namentlich in ihren Fleineren Abfchnitten, 
von den hiſtoriſch entflandenen Einflüffen. Ueber Temperaturgrade und Farbe 
des Waſſers in verfchienenen Gegenden und Tiefen ſind höchft intereffante Be⸗ 
obachtungen angeftellt, auch beſonders mit Rückſicht auf die Srage der Gegen» 
flrömung in der Straße von Gibraltar, zu welchem Zwecke die von Wolla⸗ 
fton angeftellte befannte Analyfe mitgetheilt wird, indem danach ein unterer 
Gegenftrom vorhanden fein fol. Entfchieven dürfte aber viefe Streitfrage 
bamit noch nicht fein, indem für die gegentheilige Annahme wohl beachtens⸗ 

2) Diefe Gegenven wurden in vem Jahre 1821 von den Gebrübern Beechen, 
bie Smyth dahin geführt hatte, unterfucht und In dem Werke: Proceedings of the 


expedition to explore the northern coast of Africa from Tripolis eastward in 1821 
— 1822. London 1824. 4., ausführlich befchrieben. 








W. H. Smyth: The Mediterranean. 249 


werihe Beobachtungen ſprechen. Daß in dieſer Meerenge eine verſchieden⸗ 
artige Strömung, jedoch nur neben einander, ſtattfindet, kann nicht geleug⸗ 
net werden, weil in der Mitte der eigentlichen Straße von Gibraltar und 
durch die ganze Laͤnge derſelben nach Hoff's Darſtellung der Strom immer 
fort aus dem Ocean gegen Oſten in das Mittelmeer hineingeht. Dieſer Oſt⸗ 
ſttom, der ſich zu beiden Seiten, da wo bie Straße am engſten iſt, ungefähr 
drei Viertel einer geographifchen Meile von jeder Küfte entfernt hält, alſo 
felbft wenigftens eine halbe Meile breit ift, ftrömt unabläffig in gleicher Rich⸗ 
tung fort. Nichtd verändert ihn over hält ihn auf, weber ver Oſtwind, noch 
bie Ebbe des Oceans. Seine Schnelligkeit ift am flärkften pa, wo bie Straße 
am engften ift. Zwifchen ven beiden (Nord- und Süd⸗) Grenzen dieſes be⸗ 
fländigen Oftftromes — feinen Waflerufern könnte man fagen — und ben 
Küften ift der Lauf der Strömung veränverlich, und richtet fich in Hinficht 
auf die Zeit, wie Ebbe und Fluth, nach dem Zunehmen und Abnehmen des 
Monded. Es findet dort auch noch eine andere merfwürbige und bis jetzt 
nicht genügend erflärte Erfcheinung flatt. Zmifchen ven beiden eben gebachten 
Grenzlinien auf jeder Seite des befländigen Oſtſtromes nämlich und jeder 
Küfte, ſowohl der fpanifchen, wie ver afritanifchen, giebt es, ungefähr eine 
Diertelmeile von dem Lande und feinen Spigen entfernt, eine andere Grenz⸗ 
linie, innerhalb welcher — d. i. zwifchen ihr und dem Lande — die Stroͤ⸗ 
mung in Hinſicht auf diejenige, welche mit Ebbe und Fluth zugleich zwiſchen 
der Grenze des Oſtſtromes und eben diefer mittleren Grenzlinie flattfinpet, 
eine berjelben grabe entgegengefeßte Richtung nimmt. Es läuft aljo zwifchen 
diefer mittleren Grenzlinie und der Küfte die Strömung währen des Stei⸗ 
gend des Oceans (feiner Fluth) weitwärts, und während des Fallens (feiner 
Ebbe) oſtwaͤrts. Diefe Bewegungen des Meeres zu beiden Seiten des Oſt⸗ 
firomes, welche ihren Grund vielleicht in ver Geftalt ver Küften ober gar des 
Meeresbodens haben, fcheinen, fo wie die Sache ſich zeigt, einander aufzuhe⸗ 
ben oder ſich das Gleichgewicht zu halten. Auf vie Beſtaͤndigkeit des Oſtſtro⸗ 
mes haben fie Eeinen Einfluß, und auf das Mittelmeer wirken fle gar nicht, 
denn alle Hier erwähnten Erfcheinungen finden blos in der Straße felbft, 
weſtlich von Gibraltar und Ceuta flatt, folglich außerhalb des mittelländi- 
jchen Meeres °). 

In Bezug auf die Größe des Mittelmeeres wird bemerft (©. 139), vaß 
fich die Länge deſſelben von 6° weſtl. bis 36° öfll.L. von Greenw. erſtreckt, 
und daß die Breite zwifchen 30° und 36° nörbl. Br. liegt, ferner daß man 
von Gibraltar bis zum Außerften Oſtpunkt an ver ſyriſchen Küfte 2000 engl. 
Meilen rechnen kann, envlich daß die Breite von Norden nach Süben zwifchen 
80 und 500 Seemeilen wechſelt und der Küftenumfang, mit Einjchluß bes 
Schwarzen Meeres, 4500 Seemeilen erreicht. Die Blächenangaben über bie 
einzelnen Meereötheile find folgende: das Weſtbaſſin (von der Straße von 


2) ©. Hoff, Geſchichte ver Veränderungen der Erdoberflaͤche Th. T, ©. 155. 
16* 


244 Neuere Kiteratur: 


Gibraltar bis zu einer Linie, welche pad Cap Bon mit dem Karo vi Meffin 
verbindet) 325,272 engl. AM., das abriatifche Meer 52,819 engl. AM., vi 
levantiſche See 518,755, der Archipelagus 75,291, dad Marmora- Mer 4,644, 
das ſchwarze Meer 159,431 und dad Azow’fche Meer 13,075; im Ganzen 
alfo 1,149,287 engl. AM. Bon dieſen Größenverhältniffen wird zu ven in 
das Mittelmeer fich ergießennen Strömen und Blüffen übergegangen und bai 
diefer Gelegenheit das mittellänpifche Flußſyſtem nach einer Ueberſichtstafel 
von Berghaus mitgetheilt. Eine gewiß intereflante, aber eben fo ſchwer zu 
Idfenvde Frage, betreffend ven Zufluß der Waflermaffe und die Abnahme vurd 
Verdunſtung, fowie die beiverfeitige Außgleichung, wird daran gefnüpft. — 
In dem $. 4 dieſes Hauptabfchnitted wird ein auf die Schifffahrt des Meere 
höchſt einflußreicher Gegenſtand behandelt, die Strömungen im Mittelmeer, 
auf ven Bingewiefen zu haben, wir uns begnügen wollen. Der $.5 hanklı 
von Ebbe und Fluth, wie ſie an ven verfchienenften Theilen des Wittelmend 
beobachtet wurden. Endlich fchließt dieſen Abfchnitt ver $. 6 mit der Ichtine 
Iogie dieſes Meeresbeckens; eine intereffante Nomenclatur der vorzüglihim 
Fifcharten, wie der Schaalihiere und Mollusken, in Iateinifcher, ſicilianiſcher 
und englifcher Sprache ift Hinzugefügt. 

Der dritte Hauptabfchnitt umfaßt Wind, Wetter und atmofphäri: 
{he Phänomene, alfo die das Leben beherrſchenden Einflüffe ver Meteoro 
Iogie, wie fich viefe in fchreddenerregenver Weile noch täglich an den Kiflm 
der Krim zeigen. Daß bier die ſpeciellſte Kenntnig dieſer mächtigften und cin 
flußreichſten Verhältniffe, welche das Gelingen over Scheitern ber größten wit 
der Heinften Unternehmen bedingen, eine abfolute und unumgängliche Borverung 
it, wird unbedingt von theoretifcher, wie von praftifcher Seite eingeräumt 
werben. Der Verfaſſer berichtet zunächft über die Mittel feiner Beobadıtun 
gen, indem zur Zeit feiner Forſchungen in Mittelmeere ver Zuftand man 
her meteorologifchen Inftrumente noch ver fpäter erzielten Vollkommenhei 
entbehrte, andere Inftrumente aber noch gar nicht im Gebrauche fich vorfar- 
den. Die höchften und niebrigften Barometer« und Thermometerftände, for 
die Mafle des Nieverfchlags werden von Gibraltar, Marfeille, Sardinien, Rom, 
Sicilien, Malta, Cephalonia, Conftantinopel, Alerandria, Tripoli und Adi 
angegeben und auf die Umgeftaltung ver Temperatur hingewieſen, welde im 
Berlaufe großer Zeiträume an biefen Meereögeftanen fich erwiefen haben, in 
dem nach den Zeugniffen der alten Schriftfteller in vielen Gegenden hier ein 
viel firengeres Klima, als gegenwärtig, geherrfcht haben fol. Mit den Bir 
terungsverhältniffen fleht die Dispofition zu Krankheiten in naher Verbindung 
Während das Mittelmeer im Allgemeinen ein fehr geſundes Klima befist, fehlt 
demjelben auch die Schattenfeite an ver Malaria nicht, deren fehr nachteilig 
Einflüffe auf militairifche Unternehmungen an verfchienenen Beifpielen nad 
gewiejen werben. 


Was die auf dem Mittelmeere vorkommenden Winde betrifft, fo fe 








W.H.Smyth: The Mediterranean. 245 


bamit bie Breitenlage, fowie vie Befchaffenheit ver Geſtadelaͤnder in ber 
engften Berbindung. Im Webruar, März und April berrfcht der Südoſt⸗ 
und Sübweft- Wind vor, doch ändert fich dies nach den verfchiebenen Locali⸗ 
täten immer noch bedeutend und namentlich, je näher man den Küften kommt. 
Eine große Mannigfaltigkeit herrſcht in letzter Beziehung und wird nicht fel- 
tm der Schifffahrt fehr Hinverlich, wie z. B. der Solano an ven Sübfpigen 
Spaniens und ver Scirocco, ein Süboflwind, von den alten, wie von ben 
modernen Schiffern gleich gefürchtet find. Lieber vie Anzeichen nes entflchen- 
den Seiroceo’8, fowie über feine Wirkungen berichtet der Verfaſſer etwas aus⸗ 
führlicher. Andere Winde, wie ver Siffanto, ein heftiger Sübweflwind im adria⸗ 
tifchen Meere, und die Bora mit ihren Wirkungen fchließen fih daran. Im 
gleicher Weife werben bie atmofphärifchen und meteorologifchen Erfcheinungen 
in ben Öftlichen Gewäfjern des Mittelmeeres erwähnt und gefchilvert; fo bie 
zuweilen bort vorkommenden Wirbelminde oder Typhone, Waflerbofen und 
Woltenbrüche, dad Elm= euer und andere eleftrifche Erfcheinungen. Bei dem 
öflichen Griechenland find es die eteſiſchen Winde, welche, wie zu alter Zeit, 
fo auch für die Gegenwart das Interefle ver Schifffahrer in hoben Anfpruch 
nehmen; eine ähnliche Bewandtniß Hat e8 mit ven fogenannten Monfunen 
ver Levante, die aus Norboft und Nordweſt während der Sommerzeit anhals 
tmb wehen. Auch ſaͤmmtlichen im Alterthume gebräuchlichen Bezeichnungen 
ber verfchiedenen Winde widmet der Verfaſſer eine forgfame Betrachtung. — 
Ueber das ſchwarze Meer und die vom Winde und Wetter auf bemfelben 
berrührenden Gefahren ift Admiral Smyth durchaus entgegengefeßter Anflcht, 
als die Alten, welche jelbft dem Nanıen Pontus Euxinus nody ihr Mißtrauen 
begeigten in den Worten: „quem tenet Euxini mendax cognomine littus.* 
Die neuere Schifffahrt Hat dies alles geänbert; mag aud) dann und wann ein 
bichterer Nebel auf diefem Meere ven griechifchen Schiffer in Sorge verfeßen, 
fo find doch flarfe Stürme fehr felten, und wenn fle eintreten, halten fie ge⸗ 
wöhnlich nicht über 12 Stunden in ihrer Heftigfeit an. Während des Som⸗ 
merd walten die Nordwinde vor, und die Südwinde im Beginn des Herbſtes 
oder Brühlings. General Monteith hat dem Abmiral die intereflante Thatfache 
mitgetheilt, daß zu Kalla und Poti an der Oſtküſte des ſchwarzen Meeres 
eine fteife Kühle faft ununterbrochen aus Welten wehe und ein Steigen ber 
Gewäfler an ven Küften von Mingrelien entlang bie auf A Fuß bervorbringe, 
was zugleich vie Urfache fei, daß die dortigen Küftenflüffe nicht felten über ihre 
Ufer träten und die anliegenden Tiefebenen überſchwemmten. Die fonfligen, in 
viefem Abfchnitte behandelten Gegenftände find, um aus der reichen Zahl nur 
einige anzubenten, die Erfcheinung der Mirage, der Fata Morgana, dann aber 
beionders die Nebel, welche in ven verfchievenften Theilen des Mittelmeeres 
unter mannigfach zufammenmwirfenden Umftänven vorkommen, wie in den Syr⸗ 
ten, an den Küften Siciliens, um Majorka, namentlidy aber im Pontus Euxi⸗ 
nus. Auch der Sciroccoftaub und die mikroskopiſche Unterſuchung deſſelben 


246 Neuere Literatur: 


durch Herrn Brof. Ehrenberg gehört Hierher, ſowie die Erdrierung der ver⸗ 
unglüdten Erpebition Kaifer Karls V. nach den Küflen von Algerien. Den 
legten Paragraphen viefes Abfchnittes endlich füllt eine Erörterung hinſichtlich 
der eletrifchen Telegraphen. 

Wenn wir nun fchließlich noch einige Bemerkungen Binzufügen vürfen, 
fo verbient wohl darauf hingewieſen zu werben, daß eine in's Einzelne gehend 
und die verfchienenen nautifchen Verhaͤltniſſe des ſchwarzen Meeres umfaſſen⸗ 
dere Darſtellung ſich zu ven ſonſtigen Vorzügen dieſes Werkes gerade nicht 
zählen laßt, was mit Nüdficht auf die Zeit feines Entſtehens und bie da⸗ 
mals verfolgten Zwecke der Engländer leicht zu erklären ifl. Von Sebaflopol 
war damals faum noch die Rede, und eine englifch-franzöfliche Kriegäfahrt 
in den Pontus Eurinus gehörte jedenfalls in das Gebiet der unglaubliden 
Dinge. Seitdem Hat ſich die Weltlage fo bedeutend verändert, daß gerade 
dieſes Meer der Gegenſtand der allgemeinften Aufmerffamteit und bamit zu 
glei der umfaftennften Linterfuchungen geworden iſt. Die geographiide 
Wiſſenſchaft hat von dieſen Friegerifchen Ereigniffen der Gegenwart einen nit 
unbeträchtlichen Zumach8 neu gefundener ober gründlich geprüfter Thatſachen 
zu erwarten. Was das ſchwarze Meer betrifft, auf welchem ver November: 
fturm des vorigen Jahres eine fo allgemeine Verwüftung unter ven Flotten 
der Alliirten anrichtete, fo hat man von feinen Eigenthüimlichfeiten bereits jett 
fo viel erforfcht, um den eben erwähnten Sturm als eine Seltenheit bezeich⸗ 
nen zu Tonnen. Seit Beginn viefes Jahrhunderts weiß man nur von bin 
ſolchen Stürmen im ſchwarzen Meere. Der erfte wüthete am 17. November 


1801, ver zweite gleichfalls am 17. November 1818, der dritte im Jahre 


1839 und ver vierte envlich am 14. November v. 3., welcher zugleid alt 
einer ber beftigften betrachtet wird. Erſt feit dem Aufenthalte der vereinigten 
Flotten im ſchwarzen Meere ift es Aufgabe ver Seemänner geworben, ein 
Heihe von Beobachtungen und Ihatfachen zu fammeln, melche jet ſchon hin 








reichen, ohne Uebertreibung ald Nefultat binzuftellen, daß das ſchwarze Rn | 


zwei große Eigenfchaften für die Schifffahrt beſitzt: es ift im Allgemeinen 
tief *) und gefund. An der Einfahrt in den Bosporus ift es 40 Faden tid 
und bis nach Sebaftopol beträgt die Tiefe nirgends unter 60 Baden, aber 
auch 100 bis 150. An vielen Stellen erreicht man mit der Sonde Feine 
rund. Mit Ausnahme einiger befannten und bezeichneten Küftenpunfte iR 


2) Straton, ein im Alterthum berühmter phyfifcher Geograph, nannte irrize 
Weiſe das ſchwarze Meer ein wenig tiefes ( Kal Apayurara ut eivaı ra nepi 10 
Dlovzor, Strabo Ed. II. Cas. 50) im Gegenfape des Fretifchen, ficilifchen und ſardini 
fhen Meeres, eine Anficht, womit Ariftoteles übereinfiimmt (Meteorologica. Ed. Becker 
1, 354), dem zufolge nur die Macotis (das Heutige afow’fche Meer) eine mod gerik 
gere Tiefe Hatte. Zu den allerflachfien Stellen des fchwarzen Meeres zählte man Im 
Alterthume die an der Weſtküſte des Meeres und unfern der Mündung ber Dont 
an den bier flachen Geſtaden des Gontinents gelegenen, unter dem Namen ber Sit- 
the befannten Ganbbänfe (Irr76n). Gtraton bei Strabo a. a. D. 50. 


W.H.Smyth: The Mediterranean. 247 


das ſchwarze Meer ohne gefährliche Stellen, Klippen, Belfen, welche Uebel⸗ 
flände in der Oftfee und zumal im finnischen Meerbufen vorberrfchenn find. 
Während des Sommers und ber günftigen Frühlings⸗ und Herbſtzeit ift bie 
Oberfläche des Meeres ruhig, der Simmel rein, die Luft warm, fo daß man 
fih nah dem blauen Wafler des Meerbufens von Neapel oder ver Rhede 
von Palermo verfegt glaubt. Die Gefahren für die Schifffahrt, welche pas 
ſchwarze Meer varbietet, bat es mit allen von Länvern rings umfchlofienen 
Meeren gemein. Einige befondere Schwierigkeiten hängen mit feiner Natur, 
jeiner geographifchen Geftaltung und jener der es umgebenven Länder zufams 
men, aber dieſe Gefahren und Schwierigkeiten find in feiner Sahreszeit fir 
gut conftruirte Dampfichiffe unüberwindlih. Das ſchwarze Meer erhält bes 
fanntlich zahlreiche und mächtige Zuflüffe, vie längs feiner Küften örtliche 
Strömungen veranlaflen, die in Verbindung mit gewiffen Winden Unglücks⸗ 
fälle verurfachen können, wenn man fie nicht forgfältig beachtet. Die Haupt⸗ 
Rrömung nimmt bie Nichtung gegen den Bosporus, bringt in die Därbanellen, 
indem fie vorzüglich an ber europäifchen Küfte fich fortmälzt, und miſcht ihre 
Gewäfler mit venen des Archipelagus, in welchem fle ungefähr 35 Seemeilen 
von Eingange der Meerenge verſchwindet. Diefe Strömung, bie am Beginn 
des Bosporus bei ſtillem Wetter anverthalb Knoten beträgt, fleigt bisweilen 
durch flarfe Brifen auf 34, ja felbft 4 Knoten, wie dies aus einer Reihe 
von Beobachtungen fich ergiebt, welche burch ven franzöflichen Kriegspampfer 
„Napoleon“ angeftellt worden find. Wenn man aus dem fchmargen Meere 
fommt, ift die Einfahrt in ven Bosporus oft ſchwierig und gefahrvoll; fie ift 
an feiner fchmalften Stelle kaum eine Seemeile breit und bildet in gewifler 
Entfernung einen fchroffen Ausjchnitt, deſſen Geftalt ver mehrerer anderen 
nahen Küftenftellen ähnlich ift, fo daß man fle leicht mit einander verwechſeln 
kann. Iſt die Brife ſtark und weht fie von ber offenen See ber, fo geben 
die Sahrzeuge, welche eine falfche Richtung einfchlagen, unfehlbar zu Grunte. 
Die Nebel bilden auch eine der großen Schwierigkeiten dieſes Meeres; fle 
vermehren die Möglichkeit eines Zufammenftoßes, und ba fie in gewiflen Zei⸗ 
ten laͤngs der Küfte fehr vicht find, laſſen fie dieſe felbft nicht erfennen und 
verhindern fo die Landung. Die Gebirge, die ed umgeben, bewirken zahlreiche 
Luftfirömungen. Diefem ntmofphärifchen Umflande muß man vie Heftigfeit 
der Winde und ihr oftmaliges Umfchlagen in ver Richtung zufchreiben. Trotz 
aller dieſer Hinverniffe, die nicht wegzuleugnen find, wird das ſchwarze Meer 
wiederum ein für die europäifche Schifffahrt geöffneteres Meer werben, als es 
feit vielen Sahren der Ball war, und damit zugleich die welthiftorifche Bedeu⸗ 
tung des Mittelmeeres, das erſt wieder ald Verbindungsglied der Eulturvöls 
fer Aſtens und Europa's feit wenigen Jahrzehnten in fein altes Hecht einges 
treten ift, ihre vollfommene Würbigung zurüderhalten. 
A. Autenberg unv Gumprecht. 


248 Neuere Literatur: W. H. Smyth: The Mediterranean. 


Zufap. 


Smyth's Unterfuchungsgefhichte des Mittelmeeres erwähnt auffallender Weife 
eine überaus wichtige, im Sahre 1720 veröffentlichte Arbeit des großen franzoͤſiſchen 
Kartographen Guill. Deliele, woburd bie Dimenfionen und die Darſtellung auf 
bes Mittelmeeres auf den Karten einer gründlichen Unterfuchung unterworfen wur⸗ 
den, gar nicht, fo daß es zweckmäßig erfcheint, aus dem Memoir diefes Verfaſſers 
(Determination g&ographique de la situation et de l'Etendue des differentes parties 
du globe in der Histoire de l’Academie. Annee 1720. ©. 365 — 385) Einiges zu 
Vervollſtaͤndigung Hier anzufchließgen. Derfelbe wurbe zu feiner Arbeit durch den 
damaligen Herzog von Drleand, Negenten des Reiche, veranlaßt, ber ihm aufgegeben 
Hatte, für den Gebrauch des unmündigen Königs Ludwig XV. eine allgemeine Karte 
der Welt anzufertigen. Der berühmte Kartograph fand hierbei nöthig, die zahlreichen 
Bortolane unter einander und mit den vorhandenen aftronomifchen Beſtimmungen zu 
vergleichen. Dekimmngen der leßten Art gab es damals noch fen wenige, ja 
für einige Theile der Mittelmeerländer, 3. B. für die Oftfüften Spaniens, die nord⸗ 
afrikanischen Küften von Algier bis Gibraltar fehlten fie fogar ganz, wie der Ber: 
faſſer ausbrüdlich bemerkte. Was von der Art etwa 50 Jahre früher befannt mar, 
Hatte der auch von ihm mit gerechtem Lobe erwähnte Zefuit Pater I. B. Riccioli 
in feinem großen Werke: Geographiae et hydrographiae reformatae nuper recogni- 
tae et auctae libri duodecim. Venetüs 1672 (&. 388—409) zufammengeftellt, doch 
da es Riccioli's Zweck nicht war, in Details einzugehen, fo blieb es Delislks 
Aufgabe, die vielen anderweitig vorhandenen Data aufzufuchen, zuſanmenzuſtellen 
kritiſch zu prüfen und für die Kartographie der Erde nupbar zu machen. In Be 
zug auf bas Mittelmeer benußte verfelbe befonders zwei Portolane, die von Jar 
ques Colomb und Berfeulen, wobei er fand, daß die darin angegebenen Diſtan 
zen viel befiee mit Chazelles und Feuillées Pofttionen, als mit den gewöhnliden 
Karten des Mittelmeeres ſtimmten. So ergaben ihm bie PBortolane für Malte 
Entfernung von Alexandria 283 Lieues ober, den Grab in biefen Breiten = 20 
Lieues gerechnet, 15° 58’, was von Ohazelles nur um wenige Minuten abweicht, 
aber 6— 7° weniger, als die Karten zeigten, ausmachte. Bon Tripoli bis Gibral: 
tar wichen die gewöhnlichen Karten gar um 7 auf 26 Breitengrabe ab, ebenſo 
war bie Entfernung der Ränder bes Golfs von Lyon um 3° ober 75 Lieues Heiner 
zu machen, endlich die von Malta nah Tripolt von den 110 Lieues der Karten auf 
63 Lienes zu reduciren (S. 368). Die Länge des ganzen Mittelmeeres vermadte 
Delisle jept erſt, da noch Miccioli Feine Beftimmung des öftlichen Punktes im Mittel 
meexe, d.h. von Alerandreite (Scanderun) befaß, auf 41° 30’ d. h. auf 860 Lients 
zu beflimmen, während man bis dahin Immer 1160 Lienes oder 300 Lienes zu viel 
angenommen hatte (a. a. O. 368). 





Misceſlſen. 


Die bedeutendſten Waſſerfaͤlle und Stromſchnellen in den 


Vereinigten Staaten und in Canada. 


American, Snake River, Oregon . 


Amonoofud, Fluß gleichen Namens, New =-Sampfbire . 


Auftin Stream, ⸗ ⸗ 
Au Sable, ⸗ ⸗ ⸗ 
Baker's, Fluß Hudſon, New⸗Nork. 


Bellow's, Fluß Connecticut, New⸗Hampfhite und Vermont 
Berlin, Fluß Androscoggin, New⸗Hampfſhire 


Maine . 


New: Dort 


Brazos, Fluß gleichen Namens, Terad . 


Galumet, Fluß Ottawa, Ganada . 
Carp Niver, Michigan . . - 
Carthago, Fluß Genefee, New -Mork 
Cascades, Columbia, Oregon . 
Caiskill oder Katershil, New⸗Nork 
Chats, Fluß Ottawa, Canada 


Chattahoochee, Fluß gleichen Namens, Georgia 
Ehaudiere, Flug Ottawa, Weſt⸗Canada 
Ehaubiere, Fluß gleichen Namens, Oft» Canada . 


Ehicontimi, ⸗ ⸗ ⸗ 
Clifton, Fluß Little Miami, Ohio 
Cohoes, Fluß Mohawk, New⸗Nork 


Columbia, Fluß gleichen Namens, Oregen 


Dead River, Michigan . 
Des Moined, Iowa . 


Dover, New „Bampfbire und Maine 


Fall Ereek, New⸗Nork. 
Fiſching, Fluß Snake, Oregon 


‘ 


% 


+ 


« 


“ 


Flume, Abzweigung Pemigewaflet, De - Game 


Geneſee oder High, New⸗Nork 
Sm Ellis, New Hampihire . 
Glen's, Fluß Hudſon, New» Dorf 
Great, Fluß Miſſouri, Nebraska. 
Hadley's, Fluß Hudſon, New⸗Nork 
High, Black River, New-Yorl . 


‘ 


Hooſick, Fluß gleichen Namens, New «Dort 
Houfatonic, Fluß gleichen Namens, Connecticut . 


‘ 


9. 3. Com. ter. . 


Engl. Fuß Höhe 


250 Miscellen: 


Engl. Fuß Hök 
Kanawha, Virginia . . . ... ? 
Lewifton, Flug Androscoggin, Maine .. .100 
Little, Fluß Mohawk, New⸗Mork. 42 
Lodi oder Silverthread, New⸗Vork... ... . 38 
Lorette, Canada... ... 50 
Luzerne, Fluß Hudſon, New· Hort ... ö 25 
Martin's, Fluß Albany, H. B. Com. ir. . . 2 2 2.2.20 
Minnehaha oder Laughing Waur, Minneſota- ... ... 46 


Montmorench, Canada... .... 200 
Montreal⸗Fluß, Canada... m 
Mountain, oder Kakabaka, 9. 2. Com. Ter.. ... — 
Niagara: 


Horſe Shoe, News Dort und Canad1680 

American, Nw-Dort .» 2 2 2 2 2 ern — 164 
Norrivgewol, Maien.290 
Baflaic, New⸗Jerſheee..70 
Portage, Fluß Genefee, Newm-Dort . - 2 2 2 0 220. 100 
Potomac, Virginienn. nn. %6 
PBufambio, Canada - © 2 > 2 2 er . 100 
Michelin, Canad... 74 


Mideau, Canad.344 
Rumfordrdddd..75 
St, Anne, Banata . . » rm 


St. Anthony, Fluß miſſiſſippi, minncon ..18 
St. Croix, Minneſota... er rm 
St. John's, New- Brunswid - - 2 2 2 2 2 nenn. 18 
St. Lawrence: 
Galogs, NewsDork und Canada -. . . 2 2 2 2 0. 7 
Rapid Plat, News Dorf und Gandta . . 2 2.2.2... 2 


Long Sault, ⸗ ⸗ ⸗ .. 468 

Coteau, 

Cedars, Canada. 83 

Cascade, 

La Chine, Canada.. ... 44 
Ste. Marie, Michigan und Ganada . || 
Saco, oder Great, Maine. . . ... .772 
Shawanagenne, Fluß St. Maurice, Canada een en. 200 
Sheyboygan, Wisconfin . . m 


Shelburne, Deerfielo » Fluß, Raffcnfe ei nenn 70 
Shenandoah, Virginien. . . . .. rm 
Silver Cascade, New Hampſhire Ir re 








Topographiiche Karte von New⸗Jerſey. 251 


Engl. Fuß Höße 
Taghcanick, New Dorf. . . ..200 
Tallulah und Stromſchnellen, Georgia . ren. 350 


Ticonderoga, New = Dorf: 
Ober⸗ sr 2 2 2 82. 2.7100 


| 311€ > SE 30 
Zinton, New⸗Jerſehh... 300 
Torkoa, Georgia - » > 2 2 0 ren ee nn. 186 
Trenton, New» Dorf: 

High.... 100 

Sherman . ssssss. 40 

Conrad'.'issßs. 8290 

Upper . . nee 20 
Milberforce, Fluß Hood, 8. 2. Com. er. >22 2 22%. 1460 
Williamette, Oregn . . . | 


Winooski, Barmont . » > > 2 nr nr m 
Dantic, Sonnetticut . . » — 


Vorſtehende Zufammenflelung enthält bie vorzügficften Waſſerfau⸗, welche 
in den Vereinigten Staaten und Canada bekannt und der Beachtung eines Rei⸗ 
ſenden werth ſind. Das Verzeichniß wird einen Theil eines Werkes ausmachen, 
welches unter dem Titel: „Quellen und Wafferfälle Amerika's“ erſcheinen fol. 
(The Geographical and Commercial Gazette. No. 1. Januar 1855.) 

Gumprecht. 


Topographiſche Karte von New-Serfey. 


Lieut. Viele ift eben mit der Ausführung einer topographifchen Karte 
dieſes Staatd beichäftigt, welche dad genauefte und vetaillirtefte Bild deſſelben 
gewähren fol, indem fie nicht allein eine genaue Darftellung jenes Berges, 
Hügeld und Stromes, jede Weges und Pfades, fonvern auch jeder Farm 
und jedes Haufes enthalten wird, worauf dann wieber die Fünftigen Eifen- 
bahnen und allgemeinen Verbeſſerungen zu gründen wären. Die Karte wirb 
nach denſelben Principien, wie bie Küftenaufnahme der Vereinigten Staaten, 
angefertigt. Eine folche genaue topographifche Erforfchung, wie die erwähnte, 
ift aber nöthig, um ven geographifchen Charafter des Staates darzuftellen; 
bei ver berühmten Aufnahme des Staates von New»Morf beging man ben 
großen Fehler, daß auf diefe Gegenftände nicht genügende forgfältige Aufe 
merkſamkeit verwandt wurde. Deshalb fehlte bier eine Baſis, worauf Die 
Ergebniffe der mannigfachen naturwiffenfchaftlichen Unterfuchungen ſich Hät- 
ten genau barftellen Iafien. (The Geographical and Commercial Gazette. 
No. 1. Januar. New York 1855.) Gumprecht. 


— — — — 


Neu erfchienene geographifche Werke, Auffäbe, Karten und 
Pläne. 


1) Selbſtſtaͤndig erfchienene Werke und Auffähe. 


Blackie (W. G.), Imperial Gazeteer; or general dictionary of geography, physi- 
cal, political, statistical and descriptive. With views, maps and plans. VoL Il. 
33 ( Blackie). 2220 S. 8. (2L.7S. 6 d.). Beide Bände 4450 S. (4 L. 
15 S. ' 

The Journal of the Roy. Geographical Society. Vol. XXIV. London (Murray) 
1854. 484 S. 8. 

Charton (E.), Voyageurs anciens and modernes, ou choix des relations des voya 
ges les plus interessants et les plus instructifs depuis le V* sitele avant J&sus- 
Christ jusqu’au X1X=® sitcle. Avec biographies, notes et indications icono- 
graphiques. T. II. Paris 1855. 440 8. 8. 

Shaw (N.), Geographical list of places with two names. — Journ. of the Geo- 
graph. Soc. XXIV. 1854. p. 318. 

Hoffmann (W.), Encyclopädie der Erd⸗, Bölker: und Staatenkunde. 1.—5. fir. 
Leipzig (Arnold) 1854. 55. 4. (à 4 Ser.) 


Mitiheilungen aus I. Perthes' geographifcher Anflalt über wichtige neue Erforfhue 


gen auf dem Gefammtigebiete ber Geographie, von A. PBetermann. Gel 
(Perthes) 1855. Heft 3—5. gr. 4. (& z Thlr.) 

Zimmermann (WB. F. A.), Der Erpball nnd feine Naturwunder. 28. Lief. Berlin 
(Sempel) 1855. gr. 8. (4 Thlr.) — Daſſelbe. 3. Aufl. 12. Lief. gr. 8. (4 Thie) 

Betermann (9), Die hydrographiſchen Arbeiten der britifchen Admiralitaͤt im Jahre 
1853. — Petermann, Mittheilungen III, S. 71— 84. 

Reichard's Paffagier anf der Reife in Deutfchland und der Schweiz ıc. Deutiä 
re a 16. Aufl. Berlin (Herbig) 1855. 8. (Deutſch 3 Thk., framil. 
34 T. 

Plantamour, Sur la determination des hauteurs par le baromètre. — Bibl, uni. 
de Gentve. XXVII. 1855. p. 177. 

Hecquard, Declinaison magnetique dans la mer Adriatique. — Bull. de la So. 
de G£ogr. IV=* Ser. IX. 1855. p. 92. 

Say (H.), Memoire sur l’&migration europeenne au XIX=® siecle (suite et fin). - 
Compte rendu de PAcad. d. Sciences. III=* Ser. T. XI. 1855. p. 79. 

Kletke, i 
1855. Bis jept 15 Lieff. (a Thlr.) 

Veber ruſſiſche Enideckungsreiſen nach dem noͤrdlichen Aſien und nordweſtlichen Amt: 
rifa. — Grman, Arch. f. wiffenfchaftl. Kunde Rußlands. XIV. 1855. ©. 212. 


a) Europa. 


Die enropäifchen Eismeere. — Petermann's Mittgeilungen U, ©. 54 — 55. 

v. Bofe (H.), Repertorium ver Bevölferung und ber Organifation des bentichen Zell; 
und Handelsvereins. Riga (v. Bötticher) 1855. 8. (3 Thlr.) 

Be lelagrundes und feiner Schönheiten. Pirna (Diller a. Sohn) 1855. 
16. (z r. 

Chaix, Summary of the last census of Switzerland. — Journ. of the Geograph- 
Soc. XXIV. 1854. p. 313. 

Cheever (G. B.), WVanderings of a pilgrim in the shadow of Mount Blanc and 
the Jungfrau Alp. New edit. London (Blackwood) 1855. 367 S. 8. (78. 
6 

Nocl (B. W.), Notes of a tour in the valleys of Piedmont, in the summer of 
1854. London (Nisbet) 1855. 175 8. 8. (28S.6.d.) 


lexander v. Humboldt's Reifen in Amerika und Aften. Berlin (Haſſelbeipch 


Neu erfchienene geographifche Werke, Auffäbe, Karten und Pläne. 258 


Du Pays (A. J.), Itineraire descriptif, historique et artistique de l’Italie. Paris 
(L. (An) 1855. CVII u. 672 S. Mit 22 Karten und Plänen. 12. (11 Fr. 


Giorgini (C.), Sui fiumi nei tronchi sassosi e sull’ Arno nel piano di Firenze 
discorso. Firenre 1854. 280 S. Mit 2 Taff. gr. 8. 

Fayet, Essai sur la statistigue du d#partement du Pas-de-Calais, — Compte 
Rendu de l’Acad. d. Sciences. III Ser. XI. ‚p- 273. 

Start (K. B.), Stäpteleben, Kunft und Altertfum in Frankreich. Iena (Brommann) 
1855. Xlln. 620 ©. 8. Mit 7 lith. Grunde. (3 Thlr) 

Die noͤrdliche Brodlinie in Großbritannien und der Bodenertrag Schottlands. — Pe: 
termann’s Mittheilungen II, S. 54. 

Statistisch jaarboekje voor het Koningrijk der Nederlanden. Vierde j jaargang. Uit- 
gegeven door het Depart. van Binnenlandsche Zaken. ’s Gravenhage (van 
Weelden en Mingelen) 1854. 536 8. 8. 

Narrative of the cruise of the Yacht „Maria“ among the Faroe Islands in the 
summer of 1854. London (Longman) 1858. 8. (21 S.) 

Forbes (I. D.), Die Sletier und Schneefelder —8 — Petermann's Mit⸗ 
theilungen III, ©. 62 —-7 

Brandes (H. Kò, Ausflug rn bie Pyrenäen und Grfteigung des Montperbu im 
Sommer 1854. Lemgo (Meyer) 1855. 8. (10 Sgr 

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j wifenjäeft, Kan Kunde Ruplande. XIV. 1855. S. 273 und Betermann’s Mitthei⸗ 
ungen 

Beule (F.), Hrndes su sur gr Päoponnäse. Paris (Didot) 1855. (10 Fr.) 

Un mois à Constantinople. — Bibl. univ. de Gendve. Avril 1855. p. 409. 

Jochmus, Notes on a journey into the Balkan, or Mount Haemus: in 1847. — 
Journ. of the Geograph. Soc. XXIV. 1854. p. 36. 


b) Afien. 

Wlangal, ‚ Sitten der Kirgifen. — Archiv f. wiftenfchaftl. Kunde Rußlande. XIV. 
1855. 98. 

Der Handel der Tſchuktſchen mit den Ruſſen und ven Infelbewohnern bes nörblichen 
Oceans. — ebend. XIV. 1855. ©. 202. 

Baer, Ueber die Arbeiten der Rusbifcien Expedition im Laufe des Jahres 1853. — 
eben. XIV. 1855. ©. 312. 

Parkes (H.), Report on the Russian Caravan Trade with China. — Journ. of 
the Geograph. Soc. XXIV. 1854. p. 306. 

de Saulcy, La Syrie et la Palestine.e Examen critique de l’ouvrage de M. Van 
de Velde. — ker de l’Orient. 1855. p. 278. 

Barges, Les Samaritains de Naplouse, episode d’un pelerinage dans les heux saints. 
Paris 1855. 8. 

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Journ. of the Geograph. Soc. XXIV. 1854. p. 1. 

Weallin, Narrative of a journey from Cairo to Medina and Mecca, by Suez, 
Arabä, Tawils, al-Jauf, Jubbe, Häil, and Nejd, in 1845. — ibid. XXIV. 


1854. p. 115. 
Burton, Journey to Medina, with route from Yambu. — ibid. XXIV. 1854. 
p. 208. 


Haines, Notice on the variation of the Magnefic Needle at Aden. — ibid. XXIV. 
1854. p. 225. 

Buist, On the physical ‚geography of the Red Sea. — ibid. XXIV. 1854. p. 227. 

Langlois (V.), Voyage : à Sis, capıtale de ’Armenie au moyen äge. — Nour. Journ. 
Asiat. V=* Ser. V. 1855. p. 257. 

Sreenougb (8. B.), Meber pie Geologie von Border» Indien. — Petermann's Mits 
theilungen I, S. 23 — 

Die Grforferung des Slmafaya durch die Gebrüder Schlagintweit. — ebend. V, ©. 142 


254 | W. Koner: 


Les regions de "Himalaya occidental. Trad. de l’anglais. — Nouv. Annal. d. Voy. 
41855. II. 

Berghaus (6, Beographifche Beichreibung des Pandſchab oder Fünfftromlander. 
_ Betermann's Mittheilungen 11, ©. 29— 41. 

Sykes (3.). Ueber die Befchaffenheit und bie Völfer des Gebiets von Kobat. — 
‚ebend. V, ©. 126— 128. 

Butler (J.),-Travels and adventures ın the province of Assam during a residence 
of fourteen years. London (Smith & E.) 13855. 268 S. With illustr. 8. (125.) 

Tickell, Extracts from a journal up the Koladyn River, Aracan, in 1851. — 

. Journ. of the Geograph. Soc. XXIV. 1854. p. 86. 

“ Bijdrage tot de Kennis der Zuid- wester-eilanden ? Niederl. Indien). — Tindschr. 

voor Nederlandsch Indie. 1855. p. 225. 

De Karimon-eilanden. — ibid. 1855. p- 238. 


ce) Nfrifa, 


Dinome&, Coup d’oeil rapide sur les informations obtenues depuis la fin du 
XVII“ siöcle au sujet de l’interieur de l’Afrique septentrionale, comparees 
avec les decouvertes faites jusqu’ä ce jour dans la meme region etc. (Fin). 
— Nouv. Annal. des Voyages. 1855. ige 

Brugſch (H.), naanberung nad) ben — in Aegypten. Berlin (Dünmn; 
ler) 1855 (9 Sgr.) 

Gooley, Notice ef a Caravan journey from the East to the West Coast of Africa. 

- — Journ. of the Geograph. Soc. XXIV. 1854. p. 266. 

—, Extracts from the lettres of an Hungarian Traveller in Central Africa. — ibid. 
AXIV. 1854. p. 271. 

PBetermann (9.), Edie Expedition nach Gentral: Afrika. I. Dr. Barihs Reiſe ven 

Kuka nah Timbuktu. — Petermaun's Mittheilungen I, S. 3—14. I. Dr. 
Barth's Nüdreife von Timbuktu nach Kano. — ebd. III, &. 85—89. III. Barth 
Sorihungen in Libthafo und ven öftlich daran gelegenen Ländern. — ebenb. IV, 


Voret, araiasion to Central Africa. — Journ. ofthe Geograph. Soc. XXIV. 1854. 


FIR ir of: a letter from Dr. Barth to Dr. Beke, ante Tımbuctu Sept. 7th 185. 
ıth routes in Central Africa. — ibid. p- 28 
Petermann (N), Die neueften Forfchungen in Sir Afrika: Der Rdamiſet und 
ver Liambey⸗Fluß. — Petermann's Mittheilungen II, S. 41 — 54 
Livingston, Explorations into the Interior of South Africa. — Journ. of the 
Geograph. Soc. XXIV. 1854. p. 291. 
Baines, The Limpopo, its origin, course, and tributaries. — ibid. XXIV. 1854. 
288. 


P- 

Peuchgaric, Exploration d’une partie de la cöte du Gabon, sous le rappori 
commercial. — Revue de POrient. 1855. p. 297. 

Pharaon, D’Alger à Lar'ouat. 2=* article. — Revue de POrient. 1855. p. 302. 


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M’Clure, Discovery of the North- West Passage. — Journ. of the Geogr. Soc. 
xxiv. 1854. p. 240. 

Der Winter in den arftifchen Regionen. — Betermann’s Mittheilungen IH, S. ON. 

Die Entvedungen in dem arkifihen Archipel der Barry: Infeln be zum "Jahre 1855. 
— ebend. IV, ©. 98— 119 

Kane, The United States Grinnell Expedition etc. recenfirt in ber North American 
Review. 1855. April. p. 307. 

Nint A ), ), Die Vegetation von Nord: Grönland. — Betermann’s Mittheilungen II), 


Die —— bes neueſten Genfus ber vereinigten Staaten von Nord⸗Amerila 
1850. — ebend. V, S. 129— 141. 





- 


Neu erfchienene geographiſche Werke, Auffäpe, Karten und Pläne. 255 


Die Reife nach Amerika und das Leben in dem Bereinigten Staaten. Bon Franuco 
vom Rhein. Branffurt a. M. (Brönner) 1855. 12. (4 Thle.) 

Bax ver NY Tea and the Americans, London (Routledge) 1856. 244°8, 
12. . 
Everest (R.), Journey through the United States and part of Canada. London 
(Chapman) 1855. 1788. 8. (5 S.) 
Lyell (Ch.), First travels in North America, Canada, and Nova Scotia; with geo- 
logical observations. 2d edit. London (Murray) 1855. 2 vols. 8. (12S) 
-, 128) visit to North America. 3d edit. London (Murray) 1855. 763 8. 8. 
Robertson (J.), A few months in America. Remarks on some of its industrial 
and commercial interests. Manchester (Longman) 1855. 230 8. 8. (5 S.) 
Boyaton (C.B.) and Mason (S. B.), A journey through Kansas, with sketches 
of Nebraska; describing the country, soil, climate, mineral, manufacturing, and 
the other resources, — the results of a tour made ın the autumn of 1854. 
With map. Cincinati 1855. 216 8. 12. (3S.6.d.) 

Bilde 2), Die Deutſchen in Amerifa. — Deutſche Wierteljahrsfchrift 1855. II. 


. 189. 

Sur Pexploration de la vallee du grand lac Sale, par le Capt. Stansbury. — Nourv. 
Annal. d. Voy. 1855. II. p. 117. ' 

Comment eut lieu la decouverte de l’or en Californie. — ibid. 1855. II. p. 118. 

Yartlett (3. Rufiel), Sur Thier⸗ Geographie von Teras, Neu: Mexico, Salifornien. 
— Determann's Mittheilungen V, ©. 122 — 126. 

Douglas (J.), Report of a Canoe Expedition along the cast coast of Vancouver 
Island. — Journ. of the Geograph. Soc. XXIV. 1854. p. 245. 

Ludewig, De l’histoire des aborigenes du Mexique. — Bullet. de la Soc. de 
Geogr. IV* Ser. IX. 1855. p. 6. 

Official report of the Proceedings of the Exploring Party under Commander J. C. 
Prevost, of H. M. S. Virago, sent to cross the Isthmus of Darien. — Journ. 
of the Geograph. Soc. XXIV. 1854. p. 249. 

L’ile Saint- Eustache. — Nour. Annal. d. Voyag. 1855. II. p. 114. 

Smith (J. H.), Observations on the territory of Burica, in the province of Chi- 
riqui, Isthmus of Panama. — Journ. of the Geograph. Soc. XXIV. 1854. 


. 256. 

Lioyd (J. A.), Report of a journey across the Andes, between Chochabamba and 
Chimore, of the Westward of the Traders Route, with remarks on the pro- 
posed communication between Bolivia and the Atlantic, viä the Amazon. — 
ıbid. XXIV. 1854. p. 259. 


De£couverte de nouvelles mines d’or au Bre&sil pr&s de Saint-Louis de Maranham. 
— Nouv. Annal. d. Voyag. 1855. II, p. 112. 

Avenir commercial du fleuve des Amazons. — ibid. 1855. II. p. 109. 

Mackenna (B. V.), Le Chili consider€ sous le rapport de son agriculture et de 
P’&migration europ6enne. Paris 1855. 12. 


e) Auftralien. 


Archer (W.H.), The statistical register of Victoria from the foundation of the 
Colony; with an astronomical Calendar for 1855. Melbourne (Ferres) 1854. 


4478. 8. 


2) Karten und Pläne. 


Handtke, Poſt⸗, Reiſe- und Gifenbahns Karte von Dentichland, der Schweiz ıc 
eue Ausg. für 1855. Slogan (Flemming). Imp. Sol. (15 Thlr.) 
Kunſch (H.), Eiſenbahn⸗Karte von Mittel» Europa. Neue Ausg. Glogan (Flem⸗ 
ming). Imp. Bol. (12 Ggr.) 
—, Boft:, Reife: und Sifenbahn Karte von Deutfchland, der Schweiz ıc. Neue Ausg. 
für 1855. Blogan (Flemming). Imp. Bol. In gr. 8.-Garton. (4 Thlr.) 


256 MW. Koner: Neu erfihlenene geographifche Werke, Auffäke x. 


Neberfichtsfarte ſaͤmmtlicher Cifenbahnen und Poſtſtraßen von Mittel: Europa. Na: 
beburg (Kägelmann). Fol. (4 Thlr.) 

Reymann (8. D.) und v. Desfeld (G. W.), Topographifche Special: Karte vor 
Dentichland und dem angrenzenden Staaten. Nene Ausg. 112.—116. Lief. Glo⸗ 
gau (Flemming) 1855. Fol. (a F Thlr.) | 

v. Stülpnagel (F.), Schul-Wandkarte von Dentichland nach politifcher Einteilung. 
Golor. 9 BL. gr. Fol. Gotha (Perthes). (14 Thlr.) 

Family Atlas of modern geography; with index. London (Collins) 1855. 4. (21 $.) 

Bünger (W.), Geoplaſtiſche Karte der Schweiz. Gyporelief in qu. Bol. Leipzig 
(Hinrihe). In Bappkaften. (3 Thlr.) 

Schlagintweit (A. u. H.), Relief des Monte Roſa und feiner Umgebungen Mi 
— Leipzig (Barth). gr. Bol. (24 Thlr.) 

— , Relief ver ppe der Zugſpitze und des Wetierfieines in den bayerſchen Alpen 
Mit Erläuterungsblait. Leipzig (Barth). gr. Kol. (20 Thlr.) 

—, Epreuves de cartes geographiques produites par la photographie d’apres les re- 
liefs du Monte Rosa et de la Zugspitze. Leipzig (Barth) 1855. 4. (4 Thlr.) 


Sunte (D.), Bericht über die Schlagintweit'ſchen Reliefe des Monte Rofa ine 


Schweiz und der Gruppe ber Zugſpitze und bes Wetterfteines im den bayeriicen 
Boralpen. Leipzig (Barth) 1855. 8. (44 Sgr.) 

Carte de la France protestante, dressce par Ch. Read et editee par Grassart 
Paris 1855. Vergl. Bull. de la Soc. de Ge&ogr. IV®* Ser. IX. 1855. p. 102. 

v. S Hat r ze el (F.), Karte von der Moldau und Beflarabien. Gotha ). 

0 er. 

Blender (R.), Karte von Süd⸗ oder Neu: Rußland, der Nachbarftaaten uns im 
Küften am Schwarzen Meere. Nah I. J. N. Huot u. F. Le Play. Bredlar 
(Kern) 1855. Imp. Fol. (4 Thlr.) 

Hunt (F. W.), The Pantological system of history: a Panoramic view of ik 
origin and progress of nations and states. Part J. Historical Adlas of tbe Ame- 
rican States. New York 1855. Fol. 

v. Sydow (E.), Wand⸗Atlas. Nr. 5 und 6: Norb-Amerifa und Süd⸗EAmerila 
3. Se yo Bl. Gotha (Perthes). gr. Fol. (14 Thlr., auf Leinw. und in Nappe 
23 Thle. 

Philippi, Carte del Desierto de Atacama. 1 Bl. 

Myionnet-Dupuy (A.), Union des deux oceans Allantiques et Pacifiques, par 
le transit ouvert & travers la r£publique de Nicaragua, carte detaillde des ang 
departements avec indication des principaux trac&s du canal interoceanique ap- 
prouv& par le gouvernement de Nicaragua. Paris 1855. 1 feuille. 


3) Meteorologie. 


Drew (J3.), Practical Meteorology. London (van Voorst) 1855. 291 S. (5 8.) 
Quetelet, Sur l’extension qu’a prisc, en Allemagne, l’observation des phenamin: 

periodiques. — Bull. de l’Acad. Roy. de Bruxelles. XXI. 1855. p. 216. 
Kämtz, Sur differentes questions me£teorologiques. — ibid. p. 219. 
Quetelet, Sur l’hiver de 1854 a 1855. — ıbid. p- 225. 


Grabay, Temperature observee à Louvain, pendant les mois de janvier et de 


fevrier 1855. — ibid. p. 227. 
—, Note sur quelques hivers remarquables par le froid du mois de fewer. - 
ibid. p. 229. 
—, Temperature centigrade, observee ä Namur, pendant les mois de janvier et& 
f&wrier 1865. — ibid. p. 228. 
W. Koner. 











VII. 
Fortſetzung der Nachrichten über die wiſſenſchaftliche 
Keife Der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 


Bericht an Se. Majeftät ven König Friedrich Wilhelm IV. ') 


Wir haben länger, als wir follten, verfaunt, Ew. Majeftät einen 
Bericht über den Fortgang unferer Reife vorzulegen, aber wir haben 
in der That gefürchtet, daB das, was wir über unfere Reife und un- 
fere Beobachtungen von Calcutta bis in den Himalaya zu berichten 
hätten, nicht neu und interefjant genug wäre, um im Geringften ber 
Aufmerffamfeit Ew. Maieftät würdig zu fein. 

Mein Bruder Robert und ich verließen Balcutta nach einem kur⸗ 
zen Aufenthalte am 25. März; wir beabfichtigten anfangs, nach Khat- 
mandu und Nepal zu gehen; wir wurden jedoch in PBatna benachrichs 
tigt, daß Joeng Bahadur, der erfte Minifter und factifch der Herr- 
[her von Nepal, ſich mit orientalifhem Mißtrauen unferem Plane, von 
Khatmandu in Das Innere zu gehen, widerfeße; wir hielten es baher 
für befier, weiter nach Welten in den englifchen Theil des Himalaya 
zu gehen. Wir gingen über Benares, Allahabad und Foettigoerh nach 
Nainy Tal, einer Station in den Vorbergen ded Himalaya, was wir 
Ende April erreichten. Sehr überrafchend ift der Eintritt aus den 
Ebenen in den Himalaya. Mit einem Male feheint ſich Alles zu ver- 
ändern, die Temperatur, die Vegetation, das Gefälle der Fluͤſſe; es ift 


2) Der Redaction mitgetheilt auf Befehl Sr. Majeſtaͤt durch Herrn Alerander 
v. Humboldt den 2. September 1855. 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 17 


258 Die wifjenfchaftliche Reife 


ein prachtvoller greller Contraft. Während man des Morgens am 
Fuße des Gebirged in Kaladungi im leichten inbifchen Anzuge jelhfl 
unter der Bunfa über Hite Hagt, hatten wir Abends nach einem leich— 
ten Regenfchauer in Nainy Tal (circa 6300 engl. Fuß uͤber dem Meere) 
Gelegenheit, an einem warmen Kaminfeuer phyfikalifche Betrachtungen 
über den Einfluß der Höhe auf die Abnahme der Temperatur anyı: 
fielen. Was den Vorbergen des Himalaya im Gegenfage zu den 
Alpen einen eigenthümlichen Reiz verleiht, ift die Weppigfeit und Man 
nigfaltigfeit der Vegetation. Schöne reichbelaubte Eichen, baumartige 
Rhododendra, mit großen rothen Blüthen bebedt, gedeihen überall auj 
den höchften Theilen der Vorfetten. Wir hatten Gelegenheit, die auf 
ren Ketten des Himalaya von Nainy Tal aus in verfchiedenen Rid- 
tungen zu unterfuchen, und von zwei hohen Punkten aus, vom Chin 
nür und Loeria Kanta bei 8700 und 8500 engl. Fuß, auf melden 
wir mehrere Tage verweilten, genoflen wir einen herrlichen Weberblid 


über einen großen Theil des Himalaya in Kamaon und Chanel | 


Das wundervolle Panorama der fchneebededten Gipfel des Himalırı 
vom Api in Nepal über Nanda-Khat, NandasDevi, Trifful, bis über 
die Badrinath= und JamnutrisGipfel hinaus, laßt fih an Schönheit 


und Interefie mit nichts in den Alpen vergleichen. Wir beeilten und, 


in die Nähe dieſer majeftätifchen Bergfetten zu gelangen. 

Am 16. und 20. Mai verließen wir Nainy Tal, um auf zwei 
verſchiedenen Wegen nah Milum zu gehen. Robert ging mit dem 
größeren Theile des Gcpädes über Almora, Bägefur und Ghirgaun 
nah Munfchari, einer großen Gemeinde im Gorithale, in welcher die 
nöthigen Vorbereitungen zur Lieferung von Proviant u. f. w. nad) ten 
höheren Theilen des Gebirges gemacht werden mußten. Ich ſelbſt ging 
über Bägefur das Soerchuthal aufwärts nah Käthi, dem legten Ms 
nen Dorfe im Pindurthale. Wir hatten in Nainy Tal gehört, da 
einmal vor 25 Jahren ein Commiſſioner von Kemaon, Trail, dir 
über die Gletfcher aus dem Pindurthale in das Gorithal gelangt fü: 
er litt damals viel vom grellen Schneelichte, war einige Tage fen 
blind, und die Eingeborenen behaupten, ex fei erft wieder geſund gt 


worden, nachdem er dem Tempel der Nanda-Devi in Almora ein an 


ſehnliches Gefchent gemacht. Das Factum ift, daß er furz nach feine 
Ruͤckkehr einen Streit zwifchen den Brahminen diefes Tempels un 


der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 259 


zwiſchen dem Fiskus über den Beſitz einiger Grundftüde zu enticheiden 
hatte, und Daß er zu Gunften der Brahminen und des Tempels das 
Urtheil füllte. Als ich mich in der Nähe befand, fpracdh ich mit den 
Leuten über den Weg, welchen Traill genommen hätte, und zu meinem 
großen Vergnügen fah ich bald, daß die Leute unter dem Berfprechen 
guter Bezahlung und eines reichen Opfers für die Nanda-Devi bereit 
waren, mit mir den Weg zu verfuchen. Ein alter Mann, der einzige 
von den 100 Leuten, die Traill begleitet hatten, welcher noch am Les 
ben war, wurde ald Hauptwegweiſer mitgenommen. Um die Furcht 
der Leute vor dem Erblinden durch den Schnee zu ngrfcheuchen, gab 
ih Jedem ein Stüd grüner Gaze, wovon ich mir einen Vorrath in 
Almora verfchafft Hatte. Am 28. Mai verließ ich Kathi, von 30 der 
Fraftigften Leute aus dem DanpursDiftricte begleitet. Am 29. Abende 
famen wir nad Pinduri, einer fhönen grünen Alpe am Fuße des 
von prachtvollen hohen Selfenwänden und firnbededten Gipfeln umges 
benen Pindur⸗Gletſchers. Hier wurden A Ziegen für die Nanda-Devi 
gekauft; überdicd hatten wir von Kathi Reis, Kleines füßed Badwerf 
u. ſ. w. für das, Opfer auf der Paßhoͤhe mitgebracht. Der Aberglaube 
der Leute und ihre große Furcht vor der Nanda⸗Devi waren jebt faft 
das einzige, was mich für das Gelingen des Unternehmens beforgt 
machte. Am ZOften gingen wir über den Pindur⸗-Gletſcher aufwärts, 
und nahmen unfer Nachtlager auf einem Bergabhange über dem rech⸗ 
ten Ufer des Gletfchers, Schem Koerik genannt, über der Grenze alles 
Holz- und Strauchwuchſes. Ich hatte einen wunderſchönen Weberblid 
über den Pindur⸗-Gletſcher und über einen Theil des malerifchen Pin⸗ 
dur⸗Thales; alle fernen Gegenftinde waren ſchon Mittags in einen 
dirfen grauen Dunft gehüllt; dieſer dicke Höhenrauch herricht Nachmit⸗ 
tags immer im Himalaya während ber heißen Jahreszeit; es find bie 
mit Staub beladenen Dünfte aus der erhigten Ganges⸗Ebene, die 
durch den Südwind in das Gebirge getrieben werden. Abends lagen 
fchwere Gewitterwolfen im tiefen Pindur- Thale, einige Blige wurden 
ſichtbar; wir felbft blieben oben conflant außer dem Bereiche der Wols 
fen. Abends, als ich die Karte des Gletſchers und der umgebenden 
Berge entwarf, erzählten mir die Leute bei jedem neuen Berge, nad) 
deſſen Namen ich fragte, feine Beziehungen zur großen Legende ber 
KandasDevi. Die Nanda-Devi bildet den Mittelpunkt des Gebirges 
17 * 


260 Die wifienfchaftliche Reiſe 


von Pinduri bis über Milum hinaus; die Benennungen vieler ver 
höchften Gipfel fnüpfen fich an die Thaten der Göttin (Devi — Göttin), 
und die Bhutias in Milum verehren Feine Gottheit, als dieſe. Wir 
hatten hier und fpäter in Milum Gelegenheit, die Legende der Rande: 
Devi und ihre Beziehungen zur Gebirgsbenennung ziemlich volftändig 
zu erfahren, und ich glaube, es wird wenige gleich anziehende und 
reichhaltige Gebirgslegenvden geben. Dan ift befonders überrafcht durch 
die Treuferzigfeit und den feften Glauben, womit die Legende erzählt 
wird, während man in Europa in ähnlichen allen gewohnt ift, den 
Erzähler felbft -über die Leichtgläubigfeit feiner Voreltern lächeln zu 
fehen. 

Die Nacht war etwas unangenehm, da ich und meine Leute ge 
zwungen waren, in der feuchten Atmofphäre ohne Zelt oder irgend an 
deren Schuß im Freien zu fchlafen. Es wäre in der That ohne große 
Lebensgefahr für die armen Leute nicht möglich geivefen, fehweres Ge⸗ 
päck, wie Zelte u. f. w., über die fteilen felfigen Abhänge binaufzutre 
gen; ich Hatte daher faft all mein Gepäd mit den Bebienten auf einen 
großen Umwege über Namik nach Munfchari und Milum gefandt. 

Am 31. Mai brachen wir um halb 2 Uhr Morgens auf; ich war 
leider genöthigt, A Leute zurüdzulaffen, welche während der Nacht feht 
unmohl geworden waren und zurüdzufehren verlangten. Die kalte Nacht 
hatte den Echnee hart und feſt gemacht, und wir fliegen langfam aktı 
ftetig empor. Wir erreichten den Gipfel des Paſſes um 8 Uhr Wer 
gend. Nur das letzte Anfteigen zur Paßhöhe über fteile eifige Schnee— 
rinnen, wo wir Hunderte von Stufen mit der Art hauen mußten, 
war etwas erfchöpfend für Leute, welche bereits durch einen langen 
Weg und eine fchlechte Nacht etwas ermüdet waren. Nachdem it 
kurze Zeit auf dem Pafje gewefen war, wurde ich plößlich dadurch er 
fhredt, daß drei meiner Fräftigften Leute in vafcher Folge von epilep 
tifhen Zufaͤllen befalfen wurden; fie warfen fich in den Schnee nice, 
verbrehten die Augen, ſchlugen mit Händen und Füßen um fi un 
waren offenbar ganz von Sinnen. Alle meine Leute begannen zu uw | 
fen: „Nanda Devi aya, Nanda Devi ayal“ (die Nanda-Deri ll 
in fie gefahren). Ich war in der That erfchredt, da ich fuͤrchten 
mußte, daß biefer Unfinn weiter um fich greifen önnte; ich nahm de 
her zwei Brahminen, die ich bei mir hatte, bei Seite, fagte ihnen, dab 








der Gebrüber Schlagintweit in Indien. 261 


dies reiner Unfinn fei, daß ich der NandasDevi Alles gegeben hätte, 
was fie irgend gefordert, und daß diefer unangenehme Auftritt nur 
bie Folge ihrer dummen Redensarten während des Weges fei, wo fie 
an jeder etwas fchwierigen Stelle die RandasDevi anriefen und Vers 
beugungen und Salems ohne Ende machten. Ich befahl ihnen unter 
Androhung firenger Strafe in Almora, die Leute fogleich zu beruhigen, 
was fie durch lange Gebete und durch Auflegen von Schnee auf den 
Kopf bewerfftelligten, wobei das letztere ficher das wirkfamfte war. 

Ich verweilte eine Stunde auf dem Paſſe, um meine Beobachtuns 
gen mit dem Barometer und einem Kleinen Theopoliten anzuftellen, dann 
brachen wir auf. Der Paß führt noch nicht über den Hauptfamm der 
Schneefette, fondern nur auf die ausgebehnten Firnfelder, welche dem 
Pindur-Gletfcher feinen Urfprung geben; man kann denſelben nicht 
erreichen, indem man den PindursGletfcher entlang aufwärts geht, da 
derfelbe weiter oben in unzugängliche Eisnadeln zerborften if. Wir 
hatten faft zwei Stunden lang über dieſe ausgevehnten Firnfelder zu 
gehen, ehe wir den zweiten Paß erreichten, welcher hinab in das Loans 
Thal führt. Hier begannen wir die Wirkung der Sonne und des 
Schneeglanzed zu fühlen; meine Leute lagen fortwährend im Schnee 
umber, und ich hatte große Mühe, fie vorwärts zu treiben. Das Ther- 
mometer, welches am Paß 0° ftand, flieg Hier in der Sonne auf 17 
und 19° @elf., was und hier oben eine drüdende Hitze ſchien. Um 
11 Uhr erreichten wir den zweiten Paß, wo wir enblih bie fteilen 
felfigen Abhänge des Nanda-DevisBipfeld und der Milum- und 
DarmasBerge erblidten. Hier wurde geopfert, indem man die Ziegen, 
in A Theile getheilt, nach den verfchievenen Himmelögegenden jchleus 
derte und das übrige auf Steinen geſchmackvoll auffchichtete. Ich felbft 
war hinter einen Felſen verſteckt, da ich heilig verfprechen mußte, nicht 
hinzubliden. Während ded Weges vom erften zu dem zweiten Paſſe 
hatten wir beftändig die hohen Gipfel der Schneefette vor uns; Ich 
war im Stande, von verſchiedenen Punkten aus Winfel zu meffen, 
und hoffe, daß meine Beobachtungen vielleicht nicht ganz ohne Nutzen 
für die Orographie und Geologie dieſes Theiles des Himalaya fein 
werden. Wir blieben 1} Stunden auf dem zweiten Paſſe, welcher nur 
ganz wenig niedriger, ald der erfte, iſt; dann fliegen wir über fteile 
Schneewände zum Loan- Gletfcher hinab. 


262 Die wiffenfchaftliche Reife 


Nachdem ich mich öfters zum Zwecke meiner Beobachtungen auj; 
gehalten hatte, erreichten wir Abends 5 Uhr NaffapanpattisKoerit 
(Koerif = Alpe), wo wir unter dem Schuge einiger überhängenden 
Felſen vortrefflich fchliefen. Den nächften Tag gingen wir nad Mar: 
toli, und am 2. Juni hatte ich das Vergnügen, meinen Bruder Re 
bert in Milum zu begrüßen, wo er bereitd zwei Tage früher einge 
troffen war. Wir bedauerten jest fehr, nicht gemeinfchaftlich dieſen 
Weg gegangen zu fein, aber als wir Nainy Taf verließen, war es 
fehr unmahrfcheinlich, daß bei dem vielen neuen Schnee der Weg mög 
lich fein würde, und wir glaubten ficher, daß ich den großen Umweg 
über Namif zu machen haben würde Wir Fönnen feine abfoluten 
Höhen für die Päffe geben, da wir die correfponbirenden Barometer: 
Beobachtungen aus den Stationen in Nainy Tal und Agra noch nidt 
erhalten Fonnten; nad einer annähernden Berechnung glauben wit, 
daß die Höhe des Pafles 17,950 engl. Fuß betragen wird. 

Wir blieben einige Tage in Milum, um unfere Karten und Zeich 
nungen auszuarbeiten, die Inftrumente aufzuftellen und um unferen 
Pflanzenſammlern u. f. w. die nöthigen Inftructionen zu geben, dann 
gingen wir beide an ven Fuß eines Gletfchers oberhalb Pachu, um 
die Gruppe der NandasDevi im engeren Sinne, welche gerade übe 
dem Gletſcher emporfteigt), näher zu unterfuchen. Wir hatten zwei 
Tage vorher 7 Leute vorausgefandt, um die Berge zu beiden Eeiten 
des Heinen Gletſchers näher zu befehen, und am 10. Juni gelang es 
und, einen Heinen @ipfel auf dem öftlich von der Nanda⸗Devi aus 
laufenden Kamme zu erreichen. Wir hatten hier einen fehr ausge 
dehnten Ueberblick über einen großen Iheil der Himalaya> Ketten von 
Darma und Dfchohär (Iawahir der Karten). Die Höhe des Gipfeli 
iſt nahezu gleich jenen des Pindur-Paſſes, circa 17,900 engl. Fuß, 
aber da es fein Paß, fondern ein ganz freier von fteilen Abhängen 
umgebener Gipfel war, fo bot er noch eine viel befiere Gelegenheit für 
unfere Winfelmeffungen dar, als der Pindur-Paß. Wir verliehen 
unfer Lager um A Uhr Morgens, und nach beftändigem Anfteigen übe 
delfen und über Schneeabhänge erreichten wir um halb 14 Uhr den 
Gipfel. Wir fanden keine befonderen Schwierigfeiten; es wäre faum 
der Mühe werth, diejenigen zu erwähnen, welche von einem ſolchen 
Unternehmen ungertrennlich find. Wir waren von 13 Bhutias beglei— 














der Gebrüder Schlagintiweit in Indien. | 283 


tet, die unfere Inftrumente und einige Lebensmittel trugen. Der 
Gipfel war fehr fchmal; wir fanden jedoch etwas unterhalb defielben 
einen kleinen geſchuͤtzten Platz, wo ſich unfere Bhutias hinfehten, um 
fih zu wärmen, während wir felbft auf dem Gipfel mit unferen Be 
obachtungen befchäftigt waren. Wir verweilten von halb 11 bis 3 Uhr 
Nachmittags auf dem Gipfel, die Temperatur war 2 bis 5° Celſ. 
Einige unjerer Leute klagten über heftiged Kopfweh, wir felbft fühlten 
es nur ganz wenig und es verlor fich fogleich im Hinabgehen. Der 
Hinabweg war raſch und angenehm; nachdem wir die gefährlichen und 
jerklüfteten Stellen des Schnee's paflirt hatten, glitten wir mit großer 
Schnelligkeit über die Schneehalden hinab; um halb 6 Uhr erreichten 
wir den Fuß des Berges, von wo mir langfam zu unferen Lager 
zurüdwanderten. Wir verweilten noch zwei Tage, um die trigonomes 
triſche Meijung der Nandas Devi zu vervolifländigen, und fehrten dann 
nah Milum zurüf, wo unfer Gehülfe Daniel, ein junger Oſtindier 
von guter Schulbildung, fehr gute correfpondirende barometrifche und 
nieteorologifche Beobachtungen angeftellt hatte. 

Wir verweilten in Milum bis zum 16. Juni, mit magnetifchen 
Beobachtungen und photographifchen Verſuchen befchäftigt. Unſer photo- 
graphifcher Apparat brachte unter den Bhutias einen wirklich wunder- 
vollen Eindrud hervor. Wir waren im Stande, verſchiedene Photos 
graphien von guten Typen dieſer Menfchenrage zu fammeln Wir 
wagen e8, zwei biefer Verſuche Em. Majeftüt vorzulegen, und werben 
im Simlah Gelegenheit finden, von unferen negativen Eolloviumbildern 
pofitive Abdrüde zu nehmen und werden die Ehre haben, unferem Bes 
richte dann einige dieſer Abdruͤcke beizulegen. 

Am 16. Juni verließen wir abermals Milum, um den großen 
Milun:Gletfcher zu unterfuchen, welcher ganz nahe bei Milum felbft 
endet. Es ift der größte ©letfcher, welchen wir bis jetzt gefehen haben, 
2 bis 24 deutfche Meilen lang, 1000 Meter breit, an Ausdehnung 
mit feinem &letfcher in den Alpen vergleichbar. Am 18ten verlegten 
wir unfer Lager auf den Rata Daf over Rothberg, einen kleinen ifo 
litten Selfenfamm, welcher inmitten der Firns und Eismaffen des Mi: 
{um s Gletfcherd emporragt. Wir hatten von hier einen ausgezeichneten 
Ueberblicd über den ganzen oberen Theil des Milum⸗Gletſchers und 
über die Bergzüge, welche die Firnmeere umgeben. Die Süpfeite des 


264 Die wiffenfchaftliche Meife 


Gipfels, auf welchem wir unfer Kleines jchwarzes Bhutia⸗Zelt aufge 
fhlagen hatten, war eben von Schnee frei geworden; auf der Nord 
feite waren noch dicke Lagen von Winterfchnee aufgehäuft. Die Höhe 
des Punktes betrug ungefähr 15,500 Parifer Zuß; wir befanden uns 
weit über der Grenze der höchften Sträucher, und da durch die ſteile 
enge Selsfchlucht, über welche ber einzig mögliche Weg heraufführte, 
nur ganz leichte Ladungen heraufgetragen werben konnten, fo hatten 
wir den erften Tag einen fühlbaren Mangel an Brennmaterial. Den 
heiteren Abend benugten wir, um mit dem Fernrohre den fehr zerflüf: 
teten Gletſcher zu unterfuchen, und wo möglich einen Weg durch das 
Labyrinth der Spalten nach den höheren Thellen des Gebirges aufjr 
finden. Unfere 16 Bhutiad erklärten es für unmöglich, irgend weiter 
vorzubringen; fie gehen gut auf Kelfen, aber fie fürchten Schnee und 
Eis und befonders die Gletfcherfpalten. Am 19ten vor Tageögrauen 
verließen wir unfer Kleines Lager; mit feften Seilen verbunden, welde 
den Muth der Bhutias wefentlich erhöhten, wanderten wir über bie 
zerfpaltenen Gletſcher aufwärts. 

Nach einigen Stunden famen wir an die ſchwierigſte Stelle, einen 
etwa 1000 Zuß hohen, fehr fteilen Abfturz des Firnmeeres; Eine 
von und ging, am Seile gehalten, voran, um den Weg zu bahnen 
und bie Fefligfeit des frifchen Winterfchnee’8 zu beiden Seiten der 
großen Firnfpalten zu prüfen. Unfere 12 Leute folgten mit fumme 
Refignation unferen Tritten; fie hatten fich längft jedes Urtheiles über 
den einzufchlagenden Weg begeben. Nach vielen vergeblichen Verſuchen 
gelang es uns, den oberen Theil des Abfalles zu erreichen. Wir glaub 
ten jegt dem Ziele unferer Wanderung, einem ſchwarzen Felſenkamme, 
welcher das Firnmeer des Milum⸗Gletſchers im Norden begrenzt, ziem⸗ 
lich nahe zu fein; aber das allmählig anfteigende Firnfeld ſchien ſich, 
wie dies häufig der Fall iſt, mit jevem Schritte zu vergrößern. Dre 
lange Stunden wanderten wir langjam vorwärts. 

Der Einfluß der Höhe und der Ermüdung machte fich jegt in 
fehr verfchievener Weife bei den Leuten bemerfbar. Wir jelbft fühlten 
nicht daß leifefte Kopfweh, indem wir uns bereit allmählig ganz at 
climatifirt hatten. Um uns gegen die Wirkung der fenfrechten ind 
ſchen Sonne zu fchügen, die man, wenn und nicht Alles täufcht, hier 
oben auf den Schneefeldern ganz anders, als in den Alpen, fühlt, 


— — ———— —— — 


der Gehrüber Schlagintweit in Indien. 265 


hatten wir wieder unfere dicken indifchen Hüte aus leichtem Baum: 
mark hervorgeholt, bie einen vortrefflichen Schub gewährten. Einige 
unferer Leute, die ſich durch geiftige Getränfe zu ftärfen fuchten, Flags 
ten über heftige Kopffchmerzgen. Aber wir Alle fühlten eine eigenthüm- 
lihe Ermattung, die theild den Anftrengungen des Weges, theils dem 
Einfluſſe der verbünnten Luft zuzufchreiben war. 

Endlich um 1 Uhr erreichten wir ben oberflen Theil des Firn⸗ 
meeres, am Buße des Felſenkammes, wo auf dem Schnee einige Zeit 
geruht und das Barometer aufgeftellt wurde; wir befanden ung gerade 
unter dem halben Drude der Atmofphäre; Barometerftand 380 Milli» 
meter. Wir waren, mit Milum verglichen, ungefähr 18,000 Bar. oder 
19,100 engl. Fuß hoch. Bon einem Paar unferer Leute begleitet, fies 
gen wir noch auf den Felfenfamm, der fich nördlich von uns befand. 
Das Barometer mitzunehmen zeigte fich bei der allgemeinen Ermüdung 
und der GSteilheit der Felfen ganz unmöglid. Die Höhe war ficher 
500 bis 600 Fuß über dem Aufftelungspunfte des Barometers; wir 
haben fpäter dieſe Höhe eben fo wie jene einiger Gipfel in der Um⸗ 
gebung trigonometrifch gemefjen. Oben wurde und eine fchöne Aus» 
ficht auf die tibetanifchen Bergzüge zu Theil; Girthi lag unmittelbar 
zu unferen Füßen. Während von Süden her, wie gewöhnlich des 
Nachmittags, ſchwere Wolfen heraufzogen, war in Tibet Flarer blauer 
Himmel. Unſere Leute mahnten dringend zur NRüdfehr; nach halb 
A Uhr brachen wir auf. Raſch eilten wir über jene Stellen hinweg, 
wo wir jeßt, nachdem die Sonne den Schnee erweicht hatte, Rawinen- 
gefahr befürchten mußten; um halb 6 Uhr erreichten wir bereits ben 
Fuß des fteilen zerflüfteten Abfturzes, und legten nun ermübet den 
Meft des Weges langfam zurüd. Nach Einbruch der Nacht um halb 
9 Uhr trafen wir auf unferem Lager in Rata Daf ein, wo bie zurüd; 
gebliebenen Leute ängftlich unferer Ruͤckkehr geharrt Hatten, 

Am nächften Morgen fanden wir unfer Zelt und den Boden mit 
frifchem Schnee bevedt, den jedoch die Sonne bald wieder entfernte. 
Wir blieben noch den ganzen Tag, um unfere Beobachtungen zu ver- 
volftändigen, aber Abends nöthigte und der Mangel an Brennholz 
und das Bebürfnig nach Waſſer, da und das rauhe Schneewaſſer all- 
mählig ganz ungenießbar wurde, zur Rüdfehr. Spät Abends erreich- 
ten wir bei Badelfchein unfere Zelte, die nebſt unferen Dienern auf 


266 Die wiflenfchaftliche Reiſe 


einem Heinen Rafenplate am linfen Ufer des Milum⸗Gletſchers zurüd: 
gelaſſen waren. 

Die Bhutiad zeigten fi) über das Gelingen unfered Unterneh: 
mens höchft erfreut; abergläubifch in hohem Grade find fie jetzt zu der 
Ueberzeugung gelangt, daß wir einen ganz fpeciellen Glüdsftern be: 
figen müßten, und wir werben des Morgens von Leuten wahrhaft be 
lagert, die unferer glüdbringenden Vermittelung in irgend einer Ange 
legenheit, beſonders in ihren Speculationen im tibetanifchen Getreide: 
und Borarhandel, bedürfen. Da das Gelingen unferer tibetanifchen 
Reife ganz von den guten Dienften und der Anhänglichfeit der Bhus 
tias abhängt, fo müflen wir und natürlich liebensiwürbig machen und 
den fümmtlichen Anliegen Gehör fchenfen und Alles fo glüdlih als 
möglich fchlichten. 

Die Gebirge in den Umgebungen des Milum-Gletſchers, welche 
wir in der legten Zeit unterfuchten, find in geologifcher Beziehung fehr 
intereffant. Auf die eryftallinifchen Schiefer der Eentralzone des His 
malaya folgen bier fehr verfteinerungsreiche ferimentäre Schichten der 
filurischen Yormation. Wir waren fo glüdli, anf unferem Lager in 
Kata Dak, fowie auf dem höchften Punkte, den wir erreichten, zahl 
reiche ſiluriſche Verfteinerungen von fohöner Erhaltung zu finden; ba 
das Gebirge hier faft ganz von Begetation entblößt ift, fo hatten wir 
eine fehr gute Gelegenheit zur Aufnahme von geologifchen Profilen, 
welche den Uebergang von den cryftallinifchen Sciefern in die feti- 
mentären Schichten zeigen. Wir fonnten uns hier beftimmt überzeugen, 
daß das, was in den eryftallinifchen Schiefern a8 Schichtung er: 
fcheint, nur Schieferung ift, welche fich in gleicher Weife in Die je: 
dimentären Schichten fortfeßt, wo man alfo 1) die Schieferung, 2) die 
davon ganz verfchiedene wahre Schichtung oft in fehr complicirten 
Berhältniffen vor fich hat. 

Bon der malerifchen Schönheit des Himalaya find wir im höch— 
ften Grade befriedigt; in der centralen Zone mit den Gletſchern ift 
bie Gebirgsgeftaltung vollftändig, wie in den Alpen, aber alle Ber 
hältniffe find weit großartiger. Das obere Pindurthal, die prachtvolle 
Thalſchlucht oberhalb Munſchari, und Das Gebirge zwifchen Pinduri 
und Milum laſſen fih an Großartigfeit und Schönheit nur mit den 
ſchönſten Iheilen der berner und favoyifchen Alpen vergleichen; dad 











der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 267 


große Milumthal felbft if, wie alle Ahnlichen Hochthäler, da es völlig 
über der Grenze der Baumvegetation liegt, etwas monoton; es hat 
Achnlichkeit mit dem Engadinthale in Graubündten von dem Maloja- 
paffe bis zur Finſtermuͤnz; aber die Höhe der Thaffohle und der Berges 
züge ift hier ungefähr doppelt fo groß, als im Engadin. Wir haben 
verfucht, eine Reihe von Zeichnungen und Aquarellffizgen biefer herr- 
lichen Gebirgsfcenen zu entwerfen, und werben ed wagen, von Agra 
aus im Herbfte Ew. Majeftät einige diefer unvollfommenen Skizzen 
vorzulegen, deren große Fehler Ew. Majeftät leider nur zu rafch ent- 
decken werben. 

Die legten Tage waren wir in Milum mit dem Verpacken und 
Verfenden unferer geologifchen, botanifchen und zoologifchen Samm- 
lungen befchäftigt, die mit Huülfe von drei Pflanzenfammlern und zwei 
Schikars (Jägern) reichhaltiger geworden waren, als wir anfang ges 
hofft Hatten, da wir felbft nur fo wenig Muße zu rein naturhiftori- 
ihen Sammlungen haben. 

An ungefähr drei Jagen werden wir und von hier über Uta 
Dhura und Laptel nach Tibet wenden. Wir gehen Beide allein, nur 
von 10, fämmtlich wohlbewaffneten Bhutias begleitet. Wir felbft has 
ben uns ganz als Bhutiad verkleidet und tragen lange Röcke aus 
weißer Schafiwolle, Beinkleid und Kappe find aus demfelben Stoffe; 
unfer Gepäd, nur aus Lebensmitteln und einigen guten Inftrumenten 
beftehend, wird auf 15 fihwarzen, langhaarigen Chubus (Dſchuͤbus) 
transportirt. Das übrige Gepäd und unfere fümmtlichen Leute gehen 
nach Badrinath, um dort unfere Ankunft zu erwarten. Wir werben 
verfuchen, wenn ed irgend möglich ift, zum Manfarauer See und den 
heiligen Seen von Tibet zu gehen und, von dort in Tibet weitlich 
gehend, über den Mana⸗Paß nach Badrinath zu gelangen. Ein Um- 
ftand, der gerade dieſes Jahr unfere Reife erfchwert und das Gelin- 
gen fehr unficher macht, ift der Krieg zwifchen den Nepalefen und Ti- 
betanern. Joeng Bahapur hat aus einem ziemlich unbegreiflichen 
Grunde die Tibetaner angegriffen und Taclacot genommen; die Tis 
betaner ſollen nach zuverläfiigen Nachrichten Verftärfung aus Laffa er- 
halten Haben, und es fcheint fih da oben um ein, fo viel man bie 
jegt weiß, ganz werthlofed Beſitzthum ein ganz regelmäßiger Kleiner 
Krieg zu entwideln. Die Leute hier in Milum politifiren und fpioni- 


268 Die wiffenfchaftliche Reife 


ren auf daß lebhaftefte, da fie als Handelsleute ſehr durch dieſe Un⸗ 
ruhen leiden. Wir felbit haben vor drei Wochen einen Kundjchafter 
ausgefandt, der und berichtete, daß der Weg zu den Seen biß jegt 
ganz frei feiz wie es fich fpäter verhalten wird, muß uns ber Augen: 
fchein lehren. 

Wir erfreuen und Beide feit unferer Ankunft in Indien der beften 
Gefunbheit; unfer Lager ift jedoch hier oben ein wahres Hofpital und 
die Hälfte unferer Leute iſt beftändig unter den Händen eines ärztlis 
chen Gehülfen oder „ſchwarzen Doctor”, wie er in Indien Heißt, wel: 
hen und der fehr liebendwürbige Gouverneur der Nordweſt⸗Provin⸗ 
zen, Mr. Eolvin, in Rainy Tal mitgegeben hatte. 

Bon unjerem Bruder Hermann haben wir Feine jehr neuen Nach⸗ 
richten erhalten; er befindet fih in Sithim im öftlihen Himalaya, 
mehr als 800 engl. Meilen von uns entfernt, und unfere Mittheilun: 
gen durch das unwegſame Gebirge find natürlid etwas langfam und 
unzuverläffig. Hermann befand ſich vor A Wochen auf dem Phoellut- 
Gipfel, an der Grenze zwifchen Nepal und Sifhim, circa 12,000 Fuß 
über dem Meere, von wo er eine ausgedehnte Meberficht des öftlichen 
Himalaya hatte. 

Geftatten Ew. Majeftät den Ausdrud des unterthänigften, tiefs 
gefühlten Danfes für Ew. Majeſtaͤt Allerhöchfte Gnade, welche es und 
allein möglich machte, unfere Unterfuchungen in einem Lande fortzu- 
feben, welches an Großartigfeit der Natur und an wiflenfchaftlichen 
Intereſſe unfere Erwartungen bei weitem übertrifft. Wie fehr fürchten 
wir, daß die Refultate unferer Arbeiten die Erwartungen Ew. Maje— 
ftät nur in fehr geringem Grade befriedigen werben. 

Wir erfterben in unterthänigfter Ehrerbietung 

Ew. Majeftät 
treugehorfamfte 
Milum, in Chobär, den 28. Juni 
1855. Adolph Schlagintweit. 
Robert Schlagintweit. 


der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 269 


Erlänterung zweier an Se, Majeftät den König gefandten 
Photographien. 


Die beiden Photographien der Bhutias wurden in Milum ge— 
macht. Der Anzug dieſer Leute iſt ganz aus weißer Wolle gefertigt, 
welche die Männer und Kinder ſpinnen. Er beſteht aus einem Bein⸗ 
Kleide, einem langen Rode, faft ganz nach indiſchem Schnitte, und einer 
leichten, oben etwas fpig zulaufenden Muͤtze. Die Erwachfenen tragen 
häufig eine flarfe, weiße Leibbinde, die Kinder felten. Diefe haben 
große filberne Ringe um den Hals und zuweilen an den Händen. 

Die Beichäftigung der Bhutiad iſt vorzugsweife Handel; viele 
derfelben find wohlhabende Leute; fie bringen Getreide, Zuder u. f. w. 
auf Schafen nach Tibet und führen Salz, Borar, Salpeter u. f. w. 
in ähnlicher Weiſe herüber. Die Dörfer, in welchen die Bhutias woh- 
nen, gleichen weit mehr europäifchen, als indischen Dörfern. 

Der Race nach ſtehen die Bhutiad in der Mitte zwifchen den 
Bewohnern Hindoftans und jenen von Tibet; von den Bewohnern 
der Ebene unterfcheiven fie ſich durch größeren, Fräftigeren Körperbau, 
vollere, rundere Formen und flärfere Musculatur; aber es fehlt ihnen 
die mongolifche Phyſiognomie, welche bei den Zibetanern in ſolchem 
Grade vorhanden ift, daß man fte fogleih von den Bhutiad unter: 
fcheiden kann. 


IX. 


Vergleichende Weberficht der Ergebniffe des Berg 
baues, Hütten- und Salinenbetriebes im preußifchen 
Staate in den Jahren 1823, 33, 43, 53'). 


Nach gedruckten amtlichen Quellen zufammengeftellt. 


I. Ergebniffe des Bergbaues. 


| 13 1 1833 | 1888 
| 
i 








1853 
























Tonnen Tonnen Tonnen Tonnen 
1) Steinfchlen . 5,822,720 8,254,311 14,1683,4341 | 28,688,165 
im I. 1825: 
2) Braunfohlen ?) . 1,342,449 | 2,142,528 | 4,122,849 | 12,200,68: 
im 5. 1837: 
3) Gifenerze . | — 679,874 914,044 1,496,516 
Eentner Centner Centner 
4) Zinkerze — 995,300 1,871,906 | 3,246,660 
5) Bleierze ı 498,879 421,600 324,645 
6) Kupfererze _ — 647,925 | 1,254,247 
7) Kobalterze | _ _ 1,6293 229 
8) Nidelerze. . . .. — — — 910 
9) Arſenikerze — — 9,648 9,091 
10) Antimonerze . ' — 2,8434 1,785 285 
11) Manganerze . — — 2476 9,500 
| Tonnen 
12) Bitriolerze — — 12,781 97,915 
u. 15,350 Gtn Tonnen 
13) Alaunerze . | — — 128,921 168,500 
Gentner Gentner 
14) Graphit — — 6,572 1,122 
im I. 1840: 
15) Asphalt . — — 652 _ 
16) Ylußfpath . — — — 9,581 
| | ( 50,038 Reis, 
17) Dachſchiefer — — — 6311 Fudet, 


——— — 





2) Mitgetheilt von dem Königl. Bekeine Regierungsratbe und Brofeffer Henn 
Schubarth. G. 
2) 1825 und 1833 ſehr unzuverläffig. 


Vergleichende Ueberficht des preuß. Berg«, Hütten» und Salinenbetriebes. 271 


Bemerfungen zu I. 

1) Was die Steinfohlen- Gewinnung in der preußifchen Mons 
archie betrifft, fo findet fie in folgenden Haupt⸗Bergdiſtricten ftatt: 
a) im fchlefifchen, b) im fachfifch-thüringifchen, c) im weftphälifchen 
und d) im rheinifchen. Es find gefördert worden Tonnen, zu A preuß. 
Scheffeln, im 
Haupt⸗ Bergdiſtricte: 1823. 1833. 1843. 1858. 1823 gegen 
a) ſchleſiſchen 2,744,359 2,424,024 4,797,298 10,093,921 1:3,678 
b) fächfifcy-thüring. 61,838) 77,762 80,522 _ 182,036 1:2,9437 


c) weflphälifchen 1,708,203 3,807,553} 5,3972,927 10,933,241 1:6,400 
d) rheinifchen 1,308,3194 1,944,972 3,892,694 7,478,967 1:5,716 


Summe 5,822,720 8,254,3114 14,168,441 28,688,165 1:4,926 

Das Alter des niederfchlefifchen Steinfohlen»Bergbaues läßt 
fich nicht mit Zuverläffigfeit angeben. Erft feit 1776 ift es möglich 
geworden, dad aus den dortigen Gruben gewonnene Quantum mit 
Zuverläffigfeit auszumitteln;. e8 betrug in jenem Jahre 368,630 Scheffel 
oder 92,1574 Tonnen. Weit jüngeren Urfprungs ift der Steinfohlens 
Bergbau m Oberfchlefien. Die erften Berfuche wurden vor etwa 
80 Jahren dafelbft gemacht. Es betrug im Jahre 1776 das daſelbſt 
gewonnene Quantum Steinfohlen nur 4296 Scheffel = 1074 Tonnen. 

Die Steinfohlen-Niederlage im Saalfreife (Wettin, Löbejühn) 
ift von geringer Bedeutung. Die Nachrichten reichen bis zum Jahre 
1701. Bon diefem Jahre an bis einfchlieglich 1815 find 23,771,093 
Scheffel oder 5,942,773 Tonnen gewonnen worden, alfo durchfchnitt- 
lich jährlih 206,705 Scheffel = 51,4264 Tonnen. 

Sm weftphälifchen Haupt-Bergdiftricte Hat in der Graffchaft 
Markt fchon feit 1739 Steinfohlenförderung flattgefunden, allein erſt 
feit 1787 konnte bie Größe derfelben richtig ausgemittelt werden. Bon 
1787 bis Ende 1815 betrug biefelbe 94,129,462 Scheffel, alfo im 
Durchfihnitte jährlich 3,361,7664 Scheffel oder 840,AA13 Tonnen. — 
Im Effen-Werdenfchen, mo der Bergbau auf Steinfohlen ungleich älter 
ift, Eonnten frühere Nachweifungen, als bis zu 1803, nicht erhalten 
werden. Bon 1803 bis einfchließlich 1815 betrug Die geförderte Menge 
29,767,770 Scheffel, alfo jährlich im Durchfchnitte 2,480,6475 Schefr 
fel oder 620,1613 Tonnen. — Im Tedlenburg »Lingenfhen kann erft 
von 1747 ab eine Berechnung aufgeftellt werden, obgleich auch Hier 


272 E. L. Schubarth: 


ſchon früher Steinkohlen gefördert wurden. Von 1747 bis mit 1815 
betrug die Fördermenge 7,648,884 Scheffel, jährlih im Durchfchnitte 
110,853 % Scheffel oder 27,713 Tonnen. 

Was zuleht den Steinfohlen- Bergbau in der Rheinprovinz 
betrifft, fo findet er ftatt: im Saarbrüdenfchen, an ber Inde, an ber 
Worm (Aachen, Efchweiler). Die Größe der Gewinnung ift erft fat 
1816 angegeben, in welcher Zeit die Gruben, welche auf jenen Rie 
derlagen bauen, der preußifchen Monarchie einverleibt worden find. 
Frühere Nachrichten waren nicht zu erhalten. Im Jahre 1816 bes 
trug das Quantum der geförderten Steinfohlen 5,069,407 Scheffel 
oder 1,267,351% Tonnen. 

Bei dem Steinfohlen»Bergbau waren befchäftigt 1843 22,888, 
1853 42,087 Mann. Zu diefer Zahl treten noch einige Taufend Ar- 
beiter Hinzu, die bei Schurfarbeiten auf Steinfohlen und bei der Ab» 
teufung von Schächten befchäftigt find. Durch den Aufſchwung bes 
Steinfohlen-Bergbaues ift in vielen Revieren ein Mangel an Arbeis 
teen fehr fühlbar geworden und mahnt derfelbe dringend, mit der Ber: 
wendung der Menfchenkräfte durch Benugung der von der Mechanik 
dargebotenen Verbeſſerungen fparfam umzugehen. Der Werth der ge- 
förderten Kohlen betrug 1843 am Vrfprungsorte 5,307,661 Thaler, 
1853 Dagegen 10,274,472 Thaler. 

Oberfchlefifche Steinfohlen fanden Abfag bis nad Magdeburg und 
Wittenberge, auf der anderen Seite bis über Wien hinaus, theild auch 
nad) Salizien. Einen ganz außerordentlichen Aufſchwung hat die Stein- 
fohlenförderung in Weftphalen genommen; in den Bergamts-Bezirfen 
Bodum und Efien ift diefer Zweig des Bergbaues gegen frühere Jahre 
in hohem Flor. Großen Einfluß darauf haben die Anlage der @öln- 
Mindener Eifenbahn und der Zweigbahnen, die Errichtung zahlreicher 
neuer Hochöfen und Puddelwerke, fowie die Anlage von Fabriken in ber 
Nähe der Bahn geäußert. Den Gruben in der Saargegend ift durch 
Anlage der Pfälzer Ludwigsbahn und der Metz⸗Forbacher Bahn ein 
bedeutend vermehrter Abſatz erwachfen. 

2) Braunfohlen»Bergbau. In der officiellen Zufammen- 
ftellung der Bergmwerks- Production von 1823 ift des Braunfohlen- 
Bergbaues nicht Erwähnung gethan. Derjelbe bat fih erſt in ter 
neueften Zeit außerordentlich gehoben, namentlich in der Provinz Sachs 





Bergleichenne Ueberficht de preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 273 


fen und aud in der Marf Brandenburg, wozu die Anlage vieler Runkel⸗ 
rübenzuder-Sgbrifen in erftem Landestheile ganz befonders beigetra- 
gen Bat. 

Es find gefördert worden Tonnen zu A preuß. Scheffeln im 


Haupt=Bergbiftricte: 1825. 1833. 1843. 1853. 1825 gegen 
1853. 

a) brandenb. = preuß. — — 158,207 1,224,956 — 

b) ſchleſiſcher 10,000 ') — 19,061 416,628 1:4,166 

c) ſãchſiſch⸗ thuͤring. 589,875 1,278,986 2,701,415 9,430,660 1:15,9886 

d) rheinifcher 742,574 863,6423 1,244,166 1,128,443 1:1,519 


Bei dem Braunfohlen- Bergbau waren befchäftigt 1843 3513, 
1853 8010 Arbeiter. Geldwerth der geförderten Kohlen am Urfprungs- 
orte 1843 434,186 Thle, 1853 dagegen 1,607,728 Thlr. Haupts 
förderungen von Braunfohlen fanden ftatt in runder Summe: im Res 
gierungsbezirke Merfeburg 5,900,000, Magdeburg 3,500,000, Cöln 
1,800,000, Frankfurt 789,000, Liegnit 290,000 Tonnen. 

3) Eifenerze. Meber die Förderung der Eifenerze fehlen für 
die früheren Jahre die Angaben; erft in der Zufammenftelung der 
Bergbauproduction von 1837 kommt eine ſolche vor. Es find gefür- 
dert worden Tonnen: 


Haupt :Bergpiftrict: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. 
a) brandenburg-preußifher 5,273 7,704 8,084 1:1,533 
b) fchlefifcher 157,541 433,534 563,730 1:3,578 
ec) fähfiich -thüringifcher 27,264 36,233 51,963 1:1,905 
d) weitphälifcher 53,709 42,143 146,320 1:2,724 
e) rheiniſcher 436,087 394,430 726,410?) 1:1,668 
find 679,874 914,044 1,496,516 1:2,201 


Die Eifenerze beftanden aus: Brauneifens und Thoneifenftein, 
Miefenerz, Rotheifen-, Spatheifen-, Magneteifenftein und thonigem 
Sphärofiberit. 

Bei dem Eifenftein- Bergbau waren befchäftigt 1837 7738, 1843 
6845, 1853 10,037 Mann. Geldwerth am Urjprungsorte 1837 
481,504 Thle., 1843 540,325 Thlr, 1853 965,995 Thlr. 

A) Zinkerze. Früher wurde nur Galmei, erſt fpüter auch Blende 
gefördert. Blende wird namentlich im Siegenfchen, aud im Dürener 


1) Diefe Zahl ift ganz unzuverläffig. 
3) Hierbei 6,226 Tonnen im Fürſtenthum Sigmaringen. 
Zeitfchr. f. allg. Erdkunde. Bo. V. 18 


274 €. 2. Schubartb: 


und Saarbrüdener Bergamts-Reviere gewonnen. Das Yörberunge- 
Quantum betrug im Jahre 1853 143,793 Eentner, welche in ber 
Gefammtjumme der in biefem Jahre geförderten Zinferze mit inbe- 
griffen find. 

Es wurden gefördert Gentner: 


Haupt» Bergpiftict: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. 
a) fchlefifcher 951,994 1,065,876 2,967,821 1:3,117 
b) weftphälifher 3,891 7,027 19,835 1:5,097 
c) rheinifcher 39,415 199,003 259,004 1:6,571 
find 995,300 1,871,906 3,246,660 1:3,362 


Bei dem Zinferzs Bergbau waren befchäftigt 1837 2027, 1853 
dagegen 6459 Arbeiter. Geldwerth am Urfprungsorte 1837 388,394 
Thlr., 1853 1,704,983 Thlr. Die ftärkfte Förderung an Galmei in 
Oberfchlefien hatten die Gruben: Therefia 579,600 Eentner, Maria 
508,223 Etn., Scharley 449,660 Etn. 

5) Bleierze. Bleierz- Bergbau findet ftatt: in Oberfchlefien bei 
Tarnowig (nebenbei in den Galmeigruben bortiger Gegend), im Eic- 
genfchen, in der Eifel, am Buße des Harzes in der Herrfchaft Etol; 
berg, bei Bochum im Steinfohlengebirge, bei Homberg im Bergamts- 
bezirfe Eſſen, im Bezirke des Fürftl. Wied’fchen Bergamts, im Berg: 
amtsbezirfe Saarbrüden. Die beveutendfte Förderung fand in lebter 
Zeit ftatt im Dürener Bezirke, häuptfächlich auf dem Bleiberge bei 
Kommern, fodann im Siegener Bezirke. 

Die Dleierzförderung betrug Tonnen im 


Haupt» Bergbiftricte: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853 
a) fchlefifchen 24,826 22,151 15,242 1:0,654 
b) rheinifchen 474,053 399,177 309,057 1:0,630 
c) fächftichen — 272 190 — 
d) weſtphaͤliſchen — — 156 — 
find 498,870 421,600 324,645 1:0,650 


Es hat die Bleterzförderung hinfichtlih der Gewichtsmenge beveu: 
tend ab-, Dagegen, was den Reichthum der geförderten Erze an Blei 
(und Silber) betrifft, außerorbentlich zugenommen. (Vergl. weiter 
unten die Angabe über Blei» und Silbergewinnung). 

Bei dem BleisBergbau waren befchäftigt 1837 1888, 1843 2110, 
1853 aber 5462 Arbeiter. Der Geldwerth betrug am Urfprungsorte 
1837 404,623, 1843 307,005 1853 903,779 Thaler. 


Vergleichende Ueberficht des preuß. Berge, Hütten» und Salinenbetriebee. 275 


6) Rupfererze. Die Hauptförderung derſelben findet ftatt in 
der Graffchaft Mannsfeld und dem angrenzenden Thüringen (Sangers 
haufen). Das geförderte Erz ift Kupferfchiefer, welcher außer Kupfer 
auch Silber (Nidel, Blei ıc.) enthält. Der Bergbau im Manngfelbis 
fhen bejchäftigte im Jahre 1853 3007 Arbeiter. Rächft der vorge 
nannten Förderung wird auch im Siegenfchen ein nicht unbeträchtlichee 
Quantum an Kupfererzen, beftehend in Kupferfied und filberhaltendem 
Sahlerze, gewonnen. Bei Stadtberge in Weftphalen wird Kiefelfchiefer, 
welcher Heine Mengen fohlenfaures Kupferoryohydrat führt und nur 
Durch die naſſe Ausziehung mittelft Schwefelfäure, nicht durch Schmel⸗ 
zung, zu gute gemacht werden fann, gewonnen. Kupfererze werben 
ferner gewonnen in Niederfchlefien bei Kupferberg, wo man in den letz⸗ 
ten Jahren angefangen hat, den faft zum Erliegen gelommenen Berg- 
bau wieder neu aufzunehmen; im Kammsdorfer Reviere (einer Enclave 
in den thüringifchen Fürftenthümern); bei Plettenberg und Meinerzha- 
gen (Kupferkies); im Fürſtenthum Wied; im Bergamtöbezirfe Düren 
(Sanpdftein mit fein eingefprengtem Malachit und Kupferlafur); im 
Bezirke von Saarbrüden (Kupferfies), namentlidh bei St. Goar. 


Gefördert wurden Gentner im 


Haupt: Bergdiftricte: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. 
a) fchlefiichen 2,381 2,418 2,852 1:1,197 

b) fähffchethüring. 531,466 u. 50 Tonnen 570,265') 967,860 1:1,821 

c) wetpbälifchen — — 517 — 

d) rheiniſchen 46,617 ?) 75,242°) 283,018*) 1:6,071 


find 578,083 m. 50 Tonnen 647,925 1,254,297°° 1:2,169 

Bei dem Kupfer-Bergbau waren bejchäftigt 1837 2537, 1843 
2805, 1853 A450 Arbeiter. Der Geldwerth betrug am Urjprungsorte 
1837 43,900, 1843 271,689, 1853 615,420 Thaler. 

7) Kobalterze finden fich vornehmlich im Siegenfchen, auch, 
wiewohl nur wenige, im Kammsodorfer Reviere; früher wurden auch 
in Schlefien bei Friedeberg am Fuße des Iſerkamms dergleichen geför: 
dert, welche Förderung aber in neuerer Zeit eingeftellt worden iſt. 





1) Ginfchlieglih 109 Centner Fahlerze. 
3) Ginfchlieglih 3230 Centner Bahlerze. 
3) Sinfchlieplih 5763 Centner Bahlerze. 
2) Binfchließlich 5643 Bentner Bahlerze. 
18* 


276 E. 2. Schubartß: 


Es wurden gewonnen Geniner im 
Haupt⸗ Bergbiftricte: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. 


a) fchlefiichen 45 | — — 

b) ſaͤchſiſch⸗thüringiſchen 411 4 _ — 

e) rheiniſchen 871 1628 229 1:0,262 
find 1327 16204 229 1:0,172 


8) Nidelerze findet man im Sangerhaufer Kupferfchiefer- Re 
viere, welche dafelbft auf den Sprungflüften einbrechen; auch im Sie 
genfchen find in neuerer Zeit, wenn auch nur fehr ſparſam vorkom⸗ 
mend, ſolche Erze gewonnen worden. Die Gewinnung betrug (auf: 
bereitetes Erz): 

1853 im fächflfch »thüringifchen Haupt =» Bergpiftricte oo Gentner, 
s» rheiniſchen ⸗ ⸗ 
A 

9) Arfeniferze brechen in Schlefien zu Reichenftein (goldfüh— 
rend, vergl. unter II, 26), zu Altenberg und Rothenzechau; es if 
Arfenifalfies und Mißpidel. Es wurden gefördert Eentner: 

im fihlefifchen Hanpt-Bergdiſtricte 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. 
10,190 9648 9091 1:0,892 

10) Antimonerze (Schwefelantimon) werden gefördert: bei 
Wolfsberg in der Grafſchaft Stolberg-Roßla am Fuße des Harzes, 
in WVeftphalen bei Arensberg; früher auch bei Nuttlar und bei Brüd 
auf dem linken Ufer der Ahr. Die Körberungen Haben ſich innmer mehr 
vermindert; fie betrugen Eentner: 

Haupt Bergbiftrit: 1833. 1843. 1853. 1833 gegen 1853. 


a) fächfifh=thüringifcher 21134 1593 33 1:0,015 
b) rheinifcher 7293 192 252 1: 0,345 
find 28434 1785 285 1:0,100. 


11) Manganerze (Braunftein) brechen auf der Eifel, das 
Meifte liefert die Grube bei Arloff; ferner im Saarbrüdenfchen bei 
Wadern (2 Gruben) von bejonverer Güte; im Siegenfchen wurde 
früher aud) Braunftein gewonnen. Die Fördermenge betrug im Gan⸗ 
zen 1837 5632, 1843 2476, 1853 9500 Eentner; 1837 gegen 
1853 1:1,686. 

12) Bitriolerze, Schwefelfies, Bitriolfies, Torf mit Bitriol- 
fies durchdrungen; letztes Vorkommen namentlich zu Schmelzdorf bei 
Neiffe und zu Kamnig bei Münfterberg in Schlefien, wo man ven 





Bergleichenbe Lieberficht des preuß. Berg», Hütten- und Salinenbetriebes. 277 


Bitriol enthaltenden Torf nad Rattgefundener Oxydation auslaugt und 
legtern dann ald Brennmaterial benust. Geförbert wurden Gentner im 
Haupt = Bergpiftricte: 1837. 1843. 1853. 

a) fehlefifchen 4,345 u. 34,222 Tonn. 68,596 n. 9,500 Tonn. 56,980 


b) fächfifch-thüringfchen 1,176 u. 5,426 = 7,385 u. 3,281 = 13,058 
c) weftphälifchen — — 2,950 
d) rheinischen — 1,369 24,927 


find 5,521 n. 39,648 Tonn. 15,350 u. 12,781 Tonn. 97,915 
13) Alaunerze, beitehend in Alaunerde zu Freienwalde, Gleis 
pen, Schermeifel, Musfau, Schwenfal; in Alaun liefernden Braun- 
kohlen zu Bornftent bei Eisleben, am Buße des Siebengebirges an der 
Haardt bei Bonn, im Fürftenthume Wied; in Mlaunthon zu Friesdorf 
bei Bonn; in Alaunfchiefer bei Limburg a. d. Lenne und bei Eppen- 
haufen bei Hagen. Die Förderung ergab im 


Hanpt: Bergbiftride: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 
Tonnen Tonnen Tonnen 1853. 
a) preußifch=brandenburg. 8,016 34,794 54,169 1:6,757 
b) ſchlefiſchen — — 25,000 — 
c) ſachfiſch⸗thüringiſchen 26,43 55,967 51,854 1:1,899 
d) weftppäfifchen 8,440 9,098 18,395 1:2,178 
e) rheiniſchen 25,205 29,062 19,092 !) — 
find 68,591 128,921 168,500 1:2,467 


14) Graphit ift erft in neuerer Zeit und zwar aus 2 Gruben, 
bei Sadrau unweit Münfterberg und zu Altbiebersborf bei Reinerz in 
Schlefien, gefördert worden. Letzte ift erfi im Jahre 1853 in Betrieb 
gefeßt worden. Zuerft im Jahre 1843 wird unter den geförderten 
Mineralien auch Graphit aufgeführt. Es wurden gewonnen 1843 
6572, 1853 1122 Eentner. 

15) Asphalt gehört auch zu den erft im neuerer Zeit aufges 
fundenen und verfuchsweife geförderten Mincralftoffen; er wird zuerſt 
im Sahre 1839 mit 250 Centnern aufgeführt, im Regierungsbezirke 
Münfter bei Evesfeld vorfommend. 1840 betrug die Foͤrderſumme 652, 
1842 103 Gentner; feit diefer Zeit wird er nicht mehr aufgeführt. 

16) Flußſpath wird zu Rottleberode in der Grafſchaft Stol- 
bergsRoßla für den Betrieb der Kupferrohhütten des Mannsfeldes ges 


1) Diefe Zahl it deshalb fo Hein, weil die Alaun liefernden Braunfohlen zum 
größeren Theile mit unter der Summe ver geförberten Braunkohlen enthalten find. 


278 E. 8. Schubartb: 


brochen. Die Gewinnung betrug bafelbft 1843 87,400, 1853 9,587 
Gentner. 


I. Ergebnifle des Süttenbetriebes. 





1823 1833 1843 1853 
Gentner | Gentuer | Gentner | Gentae 

1) Robeifen . . 1,524,463/3,483,224 
2) Rehfaflefen x 791,970 |4,179859) "125/901| 141,438 
3) Gußwaaren vom Hohofen ab ’). . — — 314,119 475,270 
4) Desgl. durch Umſchmelzen von Roheifen _ — 390 2871,033, 687 
5) Schmiedeeiſen, — gepuddelt (ein: 

ſchließl. ee ahnfchienen) . 1 593,474| 808,05311,711,791}4,062,547 
6) Schwarzbleh . . — 42,2801 151, 400 423,912 
7) Weißblech, verzinnt, verbleit ( vie Ans 

gaben für 1823 und 1833 find ganz 

unvollftändig) . . — — 39,164| 56,386 
8) Giſendraht (besgl.) . — — 141,664! 294,572 
9) Rohſtahl, auch Pndbelftahl, Gementfahl 44,198] 59,465) 107,730) 146,048 


10) Gußſtahl (die Angaben für 1823 nnd 








1833 find ganz unvollländig) . . — — 1 900 55,651 
11) Raffinirter Stahl Reicht), (esgl.) _ — _ 45,768 
12) ginf in Barren, Platten . . 150,625 | 135,462] 360,472] 693,446 
13 :» mBechn -. 22.22. —- _ 17,603| 135,232 
14) Zinfweiß . ren — — — 14,052 
15) Blei (Kaufblei) . .| 23,311| 10,960) 20,591| 128,538 
16) = gewaht . — — 1,870 2,878 
17) Bleiglätte (Ranfglätte) 12,947 8,482 19,373, 15,254 
18) Kupfer (Baarfupfer) 14,032| 15,073] 20,272) 33,202 
10) Der wanren, ‚grobe — — 16,080: 28,025 
Meffing 13,560 17,028] 32,660| 38,917 
Ride... . — — 90 179 
22) Arſenikalien 1,553 3,014 3,757 2,859 
23) Antimon (Reguus u u. Ant. radum) — — 1,304 108 
24) Smalte . .1 2 2,431 | ? 2,820 7,227 3,232 
Marf Mart Mark Mart 
25) Silber . ee 16, 943| 20,3754| 30,152| 45,134 
BU | _ _ 19 
| Gentner | Eentuer | Eentner | Gentner 
27) Aloun . ı 43,037 38,528) 52,059 70,551 
im 3.1824 
28) Kupfervitriol . 1,728 1,424 3,143 4,399 
29) Eifenvitricl . . 21,900 | 24,005| 28,283} 44,475 
30) B®emifchter Vitrioi 3,784 3,804 5,542 2,469 
im 3.1823 
31) Schwefel 883 752 593 761 


Bemerkungen zu II. 
1) und 2) Wie aus den vorftehend mitgetheilten Productions 
zahlen ſich hergiebt, hat die Erzeugung von Roheiſen und Rohftadl: 


ı) Ef feit 1837 find 3) und 4) getrennt angegeben. 





Vergleichende Meberficht des preuß. Berg, Hütten- und Salinenbetriebes. 279 


eifen zufanmengenommen von 1823 fich im Jahre 1853 mehr als 
vervierfadt, fie ıft in der That 4,576 größer, als vor 30 
Sahren. Die Ziffern für die einzelnen HauptsBergpiftricte ergeben 
ih) aus Nachſtehendem: 


Haupt = Bergbifltict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1828 gegen 
Centner Centner Centner  Gentner 1853 


a) brandenburg⸗preußiſcher 15,887 7,160 — — — 


b) ſchlefiſcher 341,877 518,194 733,801 1,315,590 1:3,848 
c) faͤchſiſch⸗thüringiſcher 22,942 22,171 33,848 58,271 1:2,539 
d) weftphälifcher 1,756 2,555 25,815 485,165 1:276,3 
e) theinifcher 409,508 629,779 856,900 1,713,196') 1:4,183 


find 791,970 1,179,859 1,660,364 3,624,662 1:4,576 


Was die Erzeugung des Rohſtahleiſens anlangt, fo findet 
biefe faft nur im rheinifchen Haupt-Bergbiftricte, und zwar im Sie 
genſchen ftatt, früher auch, aber nur zu einem fehr geringen Antheile, 
im fchlefifhen. Die Zunahme der Roheifenergeugung in dem Bezirke 
des weftphälifhen Haupt Bergdiftricted ift ganz außerorbentlich, eine 
Folge der in neuefter Zeit aufgefundenen reichen Gijenerz- (black- 
band) und Kohlenlager daſelbſt. Es find die Hohöfen an ber Eifen- 
bahn, wie Bilze aus der Erde, herporgefchoffen. Aber nicht allein in 
Weftphalen, fondern auch in der Rheinprovinz und in Oberfchlefien ift 
ein fehr reges Fortfchreiten darin bemerkbar geworden, fo daß ein 
brüdender Mangel an Menfchenhänvden für den Gruben» und Hütten: 
betrieb ein bisher nicht zu bewältigen gewefenes Hemmniß für das ener- 
gifchere Borwärtsfchreiten abgiebt. Es konnen nicht Kohlen genug ge⸗ 
fördert werden, um den durch die Hohöfen und Puddelwerke, durch 
die Eifenbahnen und gewerblichen Anlagen hervorgerufenen großartigen 
Bedarf zu deden. 

Die beftehenden Eifenhütten, welche Roheiſen erzeugen, find theils 
Staats⸗, theild Privatwerfe. Zu den erften gehören: 

Die Eifengießerei bei Gleiwitz mit 2 Kofshohöfen; Königshütte 
mit urfprünglich A, durch Die befchloffene und in Ausführung gebrachte 
Erweiterung ded Werks Fünftig mit 8 Koföhohöfen; Malapane mit 
1 Hohofen auf Holzfohlenbetrieb; desgleichen auf der Kreuzburger 
Hütte, fammtli in Oberfchlefien. Wondollek (Regierungsbezirt Gum- 


1) Einfhließlih 30,917 Centner im Fürſtenthum Hohenzollern : Sigmaringen. 


280 E. 2%, Schubarth: 


binnen) 1 Hofzfohlenhohofen; Torgelow (Regbez. Stettin) 1 desgl; 
Peitz (Regbzk. Frankfurt) 1 desgl.; Vietz (Regbzk. Frankfurt) 1 desgl; 
Sayn (Regbzf. Coblenz) 1 Kokshohofen. Summa 13 Hohöfen. 

Zu den Privawerken gehören: in Oberſchleſien 61 Holzkohlen⸗ 
und 18 Kokshohoöfen, mit einer Production im J. 1853 von 1,267,270 
Ein., darunter 39,287. Etn. Gußwaaren. In Niederfchlefien: a) Re 
gierungsbezirt Breslau 2 Holzfohlenöfen, b) Regierungsbezirk Liegnig 
20 Hohöfen, die fämmtlih Hofzfohlen verwenden. In der Provinz 
Brandenburg außer den oben angeführten Staatswerfen 3 Holzlohlen- 
öfen, welche aber 1853 Falt lagen. In der Provinz Sachfen 14 Hob- 
und Blaudfen, letzte im Kreife Suhl, meift auf Holzfohlenbetrieb ein- 
richtet. In Weftphalen 12 Hohöfen, 6 mit Holzfohlen, 3 mit Koks, 
3 mit einem Gemenge von beiden betrieben. Bon dem Roheifen, wel⸗ 
ches dieſe Hochöfen lieferten, fallen 64,7 pCt. auf Kofs, 17,2 pCt. 
auf das Gemenge von Koks und Holzfohle, 18,1 pCt. auf Holzkohle. 
Außer den 12 in Betrieb geweſenen Hohöfen lagen 1853 noch 3 an- 
dere Falt. Erbaut wurden A neue Defen von dem Hörber Bergwerks⸗ 
und Hüttenvereine, und 2 andere find noch beabfichtigt. Ein zweites 
Hüttenwerf mit A Defen ift im Herbft 1853 bei Hattingen zu bauen 
begonnen worden; ferner von der Phoͤnix⸗Geſellſchaft mehrere Hohöfen 
an der Steele-Vohminkler Eifenbahn; bei Duisburg A Hohöfen, meh- 
vere bei Ruhrort. Hiernach geht die weitphäliiche Eifenerzeugung einem 
ganz außerorventlichen Aufichwunge entgegen, welcher in den vortreff: 
lichen, reichhaltigen Steinfohlenflözen, in den theild fchon früher befann- 
ten, theild neu aufgefchloffenen Eifenerzlagerflätten, in der Nähe Dreier 
fchiffbaren Flüffe, des Rheins, der Ruhr und der Lippe, in zahleeichen 
Kunftftraßen und dem in fortwährender Erweiterung begriffenen Nebe 
in einander greifender Eifenbahnen eine fichere Grundlage hat. 

In dem rheinifchen HauptsBergpiftricte befinden fich a) im Sie 
genfchen 46 Hohöfen, welche 76,2 pCt. des erblafenen Roheiſens bei 
Holzkohlen, 20,5 pCt. bei Koks, 3,3 pEt. bei einem Gemenge beider 
lieferten. b) Im Dürener Bezirke 23 Hohöfen, von denen 22 mit 
Holzkohlen betrieben wurden. c) Im Saarbrüder Bezirke 16 Ho 
öfen, welche bei Kofs 63,3 pCt., bei Holzkohlen 13,7 pCt, bei einem 
Gemenge beider 24 pEt. der Gefammtmenge des erblafenen Roheiſens 
lieferten. 





Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten» und Salinenbetriebes. 281 


In dem Hohenzollermfchen Lande haben 2 Holzlohlenöfen in Be 
trieb geftanden. | 

Was die Erzeugung von Rohftahleifen betrifft, fo fand dies 
felbe ausfchließlich auf 9 Hohöfen ftatt, wovon 7 im Siegenfchen, 1 
auf Saynerhütte, 1 in Oberfchlefien belegen find. 

Bei der gefammten Roheifenerzeugung waren befchäftigt: 1837 
3000, 1843 2722, 1853 6960 Arbeiter. Der Geldwerth der Bros 
duction am Urfprungsorte betrug: 1837 2,662,951, 1843 2,772,286, 
1853 aber 6,592,190 Thaler. 

3) Was die Erzeugung von Gußwaaren direct aus den 
Erzen (vom Hohofen) anlangt, fo haben wir flatt der Angabe von 
1823 die von 1824 deshalb gewählt, weil vie Production von dem 
ſaͤchſiſch⸗ thüringifchen Haupt sBergpiftricte nicht angegeben und die vom 
rheinifchen mit unter „Roheifen” begriffen war. Auch in Diefem Zweige 
hüttenmännifcher Thätigfeit ift ein beveutender Kortfchritt zu erfennen. 

Was die einzelnen Haupt» Bergpiftricte betrifft, fo ſtellte fich die 
Production folgendermaßen: 


Haupt sBergbiftrict: 1837. 1843. 1853. _ 1837 gegen 1853. 
Gentner Centner Gentner 

a) brandenburg-prenßifcher 16,566 23,056 16,740 1:1,010 
b) fchlefifcher 67,381 32,490 132,905 1:1,974 
c) ſaͤchfiſch⸗thüringiſcher 2,892 38,245 47,601 1:16,46 
d) mweftphältfcher 98,040 82,792 118,064 1:1,204 
e) theinifcher 152,590 136,536 159,960’) 1:1,047 

find 337,469 814,119 475,270 1:1,408 


A) Erft feit 1837 Hat eine Trennung der Gußwaaren direct 
vom Hohofen und der Durch Umfchmelzen von Roheifen gewonne: 
nen burchgreifend fattgefunden, weshalb wir hier dieſes Jahr berüd- 
fichtigen. 


Haupt⸗Bergdiſtrict: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. 
Gentnee Centner Centner 


a) brandenburg⸗preußiſcher 42,195 121,690 393.978 1:9,337 


b) ſchlefiſcher 32,257 148,424 157,390 1:4,8729 
c) ſachfiſch⸗thuͤringiſcher 31,464 4,850 54,948 1:1,746 
d) wefphälifcer 15491 42,417 180,090 1:10,334 
e) rheiniſcher 12,623 72,906 267,283 1:21,182 


find 134,030 390,287 1,033,687 1:7,712 


») Ginfchließlich 4824 Gentuer im Fürſtenthum Hohenzollern Sigmaringen. 


282 €. 8. Schubartb: 


Außer den Eifengießereien auf Staatöwerken, welche unmittelbar 
mit dem Betriebe von Hohöfen verbunden find und welche in dem 
Vorftehenden erwähnt wurden, verdient die Königl. Eifengießerei zu 
Berlin genannt zu werden, welche 2 Eupol= und A Flammoöfen befikt, 
ferner die Eifengießereien von Borfig, Wöhlert, Egells, Schwarzfopf, 
Freund u. a. m. daſelbſt. Es wurden in den Privatwerken Berlins, 
deren 1853 13 in Thätigfeit waren, 12 Flamm⸗, 22 Cupol⸗ und 21 
Ziegelöfen betrieben, welche zufammen 207,685 Centner Gußwaaren 
lieferten und 3009 Arbeiter befchäftigten. Rechnet man zu dem vor 
ſtehenden Quantum die Summe der von der Königl. Eifengießerei er: 
zeugten Eifengußwaaren hinzu, fo erhält man eine Gewichtsgroͤße von 
231,685 Gentnern, d. i. reichlich 4 der im ganzen Staate dur Um 
ſchmelzen von Roheifen erzielten Gußwaaren Production. 

5) Schmiedeeifen. Daffelde wurde, wie nachftehende Ueber: 
ficht ergiedt, in folgender Progreſſion erzeugt. 


Haupt» Bergbiftrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 
Gentner Centner Centner Centuer 1853. 

a) brandenburg: preußifcher 29,489 50,904 107,862 296,253 1:9,130 
b) fchlefifcher 207,011 335,730 547,139 1,005,993 1:4,859 
c) fächfifch-türingifher 32,291 39,697 36,524 35,217  1:1,090 
d) weftphälifcher 2,805 11,578 280,815 898,226 1:320,2 
e) rheiniſcher 321,878 370,144 739,451 1,853,858 1:5,759 
find 593,474 808,053 1,711,791 4,062,547 1:6,865 


Die Zahl der bei den Frifchfeuern und Puddelwerken beſchaͤftig⸗ 
ten Arbeiter betrug: 1837 4529, 1843 5710, 1853 17,038. Te 
Geldwerth der Erzeugnifie am Urfprungsorte 1837 5,656,608, 18% 
7,829,955, 1853 17,751,839 Thaler. 

Auf den Staatswerfen waren 1853 40 Frifchfeuer, 7 Puddel⸗ 
öfen, 9 Schweißöfen, 5 Walzwerfe, 2 Dampfhämmer ıc. in Thätigfeit 
In den Privatwerken fanden im Gebrauch: im brandenburgspreufi 
hen Haupt» Bergpiftriete 136 Friſch-, Red» und Zainfeuer, 13 Put 
del⸗, 17 Schweißöfen, 7 Dampfhämmer. Darunter das Puddelweri 
von Borfig zu Moabit bei Berlin mit 13 Puddel⸗, 13 Schweißöfen, 
7 Dampfhämmern, 12 Baar Walzen ıc., 10 Dampfmafchinen. In 
Schlefien 272 Frifchfeuer, 70 Puddel-, 34 Schweißöfen, 21 Wal; 
werfe; im füchfifchsthütringifchen Diſtricte 42 Friſch- und Loöͤſchfeuer, 





Vergleichende Weberficht bed preuß. Berg⸗, Hütten- und Salınenbetriebes. 283 


A Puddel⸗, 3 Schweißöfen; im weftphälifchen Diftricte 184 Frifchfeuer, 
139 Puddel⸗, 96 Schweißöfen, 30 Wärme- und Glühöfen, 11 Dampfs 
haͤmmer, 8 Luppenquetfchen, 25 Walzwerfe. In dem genannten Die 
ſtricte befinden fich folgende große Werke: die Hermanndhütte zu Hörbe 
mit 14 Dampfmafchinen, 1607 Arbeitern, 50 Puddeloͤfen; die Hütte 
zu Oberhaufen mit 23 Puddelöfen, 12 Dampfmafchinen. Im rheini« 
chen Diftriete: a) im Siegenfchen 68 Pudpelöfen, 80 Frifch- und 
Redfeuer; b) im Dürener Bezirfe 43 Frifchfeuer, 110 Puddel⸗- und 
42 Schweißöfen; in demfelben find die größten Werfe: das zu Efch- 
weiler Aue mit 33 Puddeloöfen, ferner bei Ejchweiler mit 16, Eber: 
bardshammer mit 12, Pümpchen mit 11, die Quint mit 16 PBubdel- 
ofen; c) im Saarbrüdner Bezirfe 31 Friſch- und Nedfeuer, 15 Pud- 
belöfen; d) in dem Hohenzollernfchen Lande A Frifchfeuer. 

Summirt man diefe Zahlen, fo ftellen fich die im Jahre 1853 
in Betrieb geweſenen Feuer und Defen alfo: Frifch, Reds und Yein- 
eifenfeuer 832, Puddeloͤfen A26, Schweiß» und Glühofen 231, Walz: 
werfe 55. 

6) Die Fabrikation des Schwarzblechs war in den Jahren 
1833, 1843, 1853 die nachftehend verzeichnete: 


Haupt: Bergbiftrict: 1833. 1843. 1853. 1833 gegen 1853. 
Gentuer Gentner Gentner 
a) brandenburg spreußifcher 7,388 11,480 64,722 1:8,759 
b) ſchlefiſcher ‚a8 19,052 34,525 1:4,898 
c) fächfifch-thüringifhr 6,974 8,655 5,506 1:0,789 
d) weſtphaͤliſcher — 33,515 143,011 — 
e) rheiniſcher 20,869 78,694 176,148 1:8,440 
find 42,280 151,406 423,912 1:10,026 


Unter diejenigen Werke, welche beveutende Mengen Schwarzblech 
liefern, gehören: das Werk von Borfig in Moabit bei Berlin, es er- 
zeugte 1853 40,800 Centner; das Werk zu Hörde in Weftphalen, 
welches 45,796, das in Oberhaufen, welches 51,569, und das Werk 
zu Dillingen (Regbzk. Trier), welches 51,807 Eentner Schwarzblech er- 
zeugte. 

Die Zahl der in den Schwarzblechhütten im Jahre 1853 be: 
fchäftigten Arbeiter betrug 790 und der Geldwerth am Urfprungsorte 
2,662,052 Thaler. 


284 E. L. Schubarth: 


7) Weißblech, d. h. verzinntes, auch verbleites Eiſenblech, iſt 
nur in 2 oder 3 Diſtricten dargeſtellt worden. Aeltere Nachweiſungen 
fehlen; erſt ſeit 1842 iſt die Erzeugung von Weißblech beſonders auf: 
gezeichnet worden. Wir Eönnen daher nur 1843 und 1853 mit ein⸗ 
ander vergleichen. 


HanptsBergbiftrict: 1843. 1869. 1843 gegen 1853. 
Centner Centner 
a) weſtphaͤliſcher 15,135 10,325 1:0,68 
b) rheinifcher 24,029 46,061 1:1,91 
find 39,164 56,386 1:1,439 


Geldwerth am Urfprungsorte 1853 663,297 Thaler. Die Haupt: 
werfe für die Darftellung von Weißblech find: das Dillinger, welches 
25,161, und das zu NeusDege bei Limburg, welches 10,325 Eeniner 
darftellte. 

8) Die Erzeugung von Eifendraht Hat in der lebten Zeit 
außerordentlich zugenommen, was feinen Grund in der Berwendung 
bed Drahtes zu den Telegraphenleitungen Bat; die Ausvehnung biefer 
nüglichen Anftalten ift e8 aber nicht allein, fondern vornehmlich die 
Vermehrung der Drabtleitungen auf einzelnen Streden, welche den 
Verbrauch, alfo die Erzeugung, des Drahtes fo bedeutend gefteigert 
bat. E8 wurden erzeugt im 


Haupt sBergbiftricte: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. 
Gentner Ceutner  Gentuer 


a) fchlefifchen 54 350 6,200 1:114,8 

b) fächfifch= thäring. _ 1,272 500 — 

c) weſtphaͤliſchen 62,780 114,950 196,500 1:3,13 

d) rheiniſchen 2,727 25,092 91,372 1:33,5 
find 65,561 141,664 294,572 1:4,493 


In den Drahthütten waren 1853 befchäftigt 1412 Arbeiter. Gelr- 
werth des erzeugten Drahtes 1,837,194 Thaler. 

Die weftphälifchen Drakthütten liegen in der Graffhaft Marf, 
zu Hamm, Menden, Bochum, Altena, Nahmer. Der märkifchen Draht: 
hütten find 42 mit 569 Drahtzügen; im Siegenfchen find 36 Werte 
mit 135 Zügen. | 

9) An Rohſtahl, ordinären Cementſtahl, Puddelſtahl — eine 
Stahlforte, welche erft feit wenigen Jahren gefertigt wird — wurden 
erzeugt im 


Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berge, Hütten und Salinenbeiriebes, 285 


Haupt = Berghiftricte: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 
Gentner Centner Centner Centner 1853. 


a) brandenburg⸗preußiſchen — — 882 2280 — 

b) ſchleſiſchen 665 1,251 130 6,452 1:9,70 

c) fächfifch= thüringiſchen 4,038 2,802 6,812 4,817 1:1,19 

d) weftphälifchen — — 37862 77,647 — 

e) rheiniſchen 38,425 53,214 62,044 54,852 1:1,42 
find‘ 43,128 57,267 . 107,730 146,048 1:3,386 


Die Stahlerzeugung in Weftphalen findet auf 41 Rohftahlhäms 
mern und 5 Gementftahlwerfen flatt, die meift in der Umgegend von 
Hagen liegen; fie beſitzen 52 Feuer und 10 Cementiröfen; eine Firma 
P. Harkort u. Co. proburirte allein 4091 Eentner Roh» und 8182 
Gementftahl. Im Siegenfhhen waren 39 Feuer im Gange. Puddel⸗ 
ſtahl wurde in Oberfchlefin 5022, auf der Hasper Hütte in Weft- 
phalen in A Defen 20,981, zu Limburg a. d. Lenne 5000, zu Alten: 
hagen 1250, zu Rohe bei Müfen 2446, auf dem Ründerother Werke 
(Rheinprovinz) 4871, auf 2 anderen Werfen 3960 Gentner erzeugt. 
Die ganze Summe ded erzeugten Puddelſtahls betrug 1853 57,055 
Eentner mit einem Werthe von 271,617 Ihalern. Die Gewichtsmenge 
des bei Holzkohlen erzeugten Stahls verhält fich zu der bei Steinfoh- 
lenbrand gefertigten wie 54,8 zu 45,2. — Im Sahre 1853 waren 
in den Rohftahlhütten 383 Arbeiter befchäftigt, und der Gefammtwerth 
betrug 800,814 Thaler. 

10) Was den Gußſtahl betrifft, fo find frühere Nachrichten 
theild ganz mangelnd, theild völlig ungenau. Auch die Angaben für 
das Jahr 1853 find ohne Zweifel bedeutend unter der Wirklichkeit. 
Sm Negierungsbezirf Potsdam find 2 Werke, das Karlswerk bei Neu- 
ſtadt⸗ Eberswalde und das zu Liepe, Kreid Angermünde. Der Hauptfig 
der Gußftahlfabrifation ift in Weftphalen in der Fabrik von Br. Krupp 
bei Eſſen, welche mehr, ald die Hälfte des im Jahre 1853 im preußi- 
fchen. Staate erzeugten Gußſtahls lieferte. In diefer Anftalt wurden 
31,364 Eentner Stahl erzeugt und in Stangen, zu Eifenbahnmwagen- 
und Locomotivachfen, zu Wellen für Dampfmafchinen, zu Wagenfedern 
und Mafchinentheilen aller Art verarbeitet. Die Fabrik befchäftigte 
327 Arbeiter; fie wurde 1810 begründet und mit 2 Arbeitern betrie- 
ben, hat fich aber fo emporgehoben, daß fie einen, man kann fagen, 
europäifchen Ruf erlangt dat, namentlich durch die Production großer 


286 €. 2. Schubartb: 


Gußftüde bis zu 10,000 Pfr. Gewicht! Eine neuere Fabrik ift die 
von Meyer und Kühne bei Bochum, weldhe an 300 Arbeiter bat. 
Außerdem giebt ed noch Werke zu Dortmund, Witten, Hagen und 
Goffontaine bei Saarbrüden. — Gefammtwerth des erzeugten Guß- 
ftahl8 600,332 Thaler; WArbeiterperfonal 861. 

11) Raffinirter (NRed-) Stahl wurde früher in den Liften 
nicht genau nad) dem Gewicht: ausgeſchieden, weshalb wir nur allein 
vom Jahre 1853 reden können. Die Erzeugung betrug in Oberſchle⸗ 
fin A020, in Weftphalen 32,061, in der Rheinprovinz 9687, zufam- 
men 45,768 Gentner, mit einem Geldwerthe von 417,883 Thalern; 
Arbeiterzahl 318. 

Zum Schluß der Mittheilungen über Eifen wollen wir noch über 
den Berbraucd an Roheifen im J. 1853 einen Ueberfchlag machen. 


An Gußwaaren wurben aus den Erzen riengt -. -. ». . 0. 475,270 Gtn. 
Sur Darſtellung von 1,033,687 Ein. Gußwaaren ans Robeifen wur: 
den, wenn zu 90 Gin. verfelben 100 Ctn. Roheiſen nöthig find, 


Vu en 1,148,541 
Zur Erzeugung von 100 Etn. Stabeifen gehören vurchſchnittlich 135 
Ctn. Roheiſen, alfo zu 4,026,547 Ein . . . 2: 2 20. 5,484,438 


Don dem zur Blechfabrifation verwendeten Materiale ift ein Theil 
fhon in obigem Stabeifen enthalten; der Roheiſenbetrag für 


den übrigen Theil kann gefhäßt werden nf . -. . ».. 640,000 
Für die Bereitung von 201,698 Etn. Stahl it, da auf 70 Gin. 
100 Etn. Verbrauch gerechnet werden können, anzufeßen . . 288,141 : 
find 8,036,390 Gta. 
Erzeugt wurden 1853 an Roheiſen..34483,224 Gtn. 
⸗ ⸗ ⸗EGußwaaren47858,270 = 
⸗ ⸗ ⸗Rohſtahleiſen 141,438 ⸗ 
. 4,099,932 


Mithin wurde mehr verbraucht als erzeugt eine Summe von 3,936,458 Gin. 

Bon diefem Mehrbedarf wurde bei weitem das Meifte aus Eng- 
land und Belgien, alfo aus dem Auslande, eingeführt, nur ein Feiner 
Theil wurde älteren Vorräthen entnommen und durch Umjchmelzen von 
altem Gußeifen gededt. Ohne Zweifel wird, bei dem mächtigen Auf- 
ſchwunge, den die NRoheifenerzgeugung in neuefter Zeit entfaltet hat, der 
fehlende Bedarf bald gededt werben. 

12 bis 14) Zinfhüttenbetrieb. Im Jahre 1853 waren 
47 Zinfhütten im Gange mit einer Production von 693,446 Eentn. 
Rohzink. Wie rafch die Production fich zu dieſer Höhe emporge 














Vergleichende Ueberficht de8 preuß. Berg, Hütten» und Salinenbetriebes. 287 
ſchwungen bat, geht aus nachfolgender Zufammenftellung hervor. Es 
wurden gewonnen im 


Haupt: Bergdiſtricte: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 1853. 
Gentner Centner Centner  Gentner 


a) fchleflichen 147,799 134,473 323,641 583,368 1: 3,811 
b) wefiphälifchen 1,818 989 1,870 55,533 1:30,54 
c) rheinifchen 1,008 — 34,961 74,545 1:73,95 

find? 150,625 135,462 360,472 693,446 1:4,603 


Im Jahre 1853 waren in den Zinfhütten befchäftigt 4406 Ars 
beiter; der Werth des erzeugten Zinks betrug 4,028,904 Thaler. Kein 
europäifches Land hat eine folche Production an Zinf! — In OÖber- 
jchlefien waren in Al Hütten 625 Oefen in Thätigfeit, in deren Muf- 
feln geröjteter Galmei verhüttet wurde. In Weftphalen wirb in ber 
Grüne bei Iſerlohn Galmei in 2 Luütticher Defen zu je 50 Röhren 
verhüttet, auf der Hütte zu Borbed Blende ſowohl in fehlefifchen, als 
Luͤtticher Oefen, auf der Hütte zu Eppinghofen fowohl Blende, ale 
Galmei. Ebenfo verhüttet man auch zu Linz am Rhein, zu Bergifch- 
Gladbach, zu Stolberg und Efchweiler Blende, auf legteren Werfen 
aber auch Galmei. 

Zinfblech wurde auf dem Kupferhbammer bei Neuftapt: Ebers- 
walde, zu Seblige bei Malapane, auf dem Rybniferhammer bei Rybnif 
in Oberfchleften, ferner zu Oblau, zu Kattowitz und Gleiwis, zu Schneib- 
haufen im Kreife Düren und an anderen Orten dargeftellt, und zwar 
zu Neuſtadt 3157, in Schlefien 125,175, im Kreife Düren 6900 Etn. 
Gefammtwerth 1,112,615 Thaler. 

Zinfweiß wurde erzeugt: in Oberfchlefien 1402, in Weftphalen 
in der Hütte zu Eppinghofen 12,650 Gtn., in Summa 14,052 Ctn. 
mit einem Gelowerthe von 175,268 Thalern. 

Auch Kadmium ift feit länger als zwei Jahrzehnten in Ober: 
ichlefien, zuerft allein auf der Königl. Lydognia⸗Zinkhuͤtte, fpäter auch 
auf einigen Brivathütten Dargeftellt worden. Auf erfter Hütte im Jahre 
1853 133 Pf. A 3 Thlr. das Pfund. 

15) und 16) Bleihüttenbetrieb findet flatt in OÖberfchlefien 
auf der Frieprichshütte bei Tarnowig, im Siegenſchen auf 11 Werfen, 
im Bezirfe von Düren in 13 Werfen, im Saarbrüder Bezirfe auf 
1 Werfe, in Summe auf 26 Hüttenwerfen. Die Broduction betrug im 


288 €. 8. Schubartb: 
Haupt s Bergbiftricte: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 


Centner Centner Centner Centner 1853. 
a) ſchleſiſchen 9,387 783 2,550 9,991 1:1,064 
b) ſachſiſch⸗ thũring. — — — 404 _ 
c) theinifchen 13,923 10,177 18,041 118,443 1:8,507 


find 23,310 10,860 20,591 128,838 1:5,527 
Der Gelbwerth betrug 1853 897,472 Thaler, Die Zahl der in 
den Hütten befchäftigten Arbeiter 635. (Im Dürener Bergamtöbgjirke 
wird die Battinfon’fche Kryftallifationsmethode zur Scheidung des fh. 
reichen vom filberarmen Blei angewendet.) 


Bleiglätte wurde erzeugt: 


Haupt⸗Bergdiſtrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 1853. 
Centner Centner Centner Centner 
a) fchlefifcher 10,194 5,355 8,027 6,075 1:0,595 
b) rheinifcher 2,753 3128 10,746 9,179 1:3,334 
find 12,947 8,483 19,373 15,254 1:1,255 


Die Menge der Kaufglätte richtet ſich nach dem Preife des Bleies, 
je nachdem es vortheilhafter erfcheint, die Glätte zu verfrifchen und als 
MWeichblei oder auch unmittelbar ald Glätte in den Handel zu bringen. 
Das Werkblei auf der Friedrichshuͤtte enthielt im Centner ducchfänitt 
lih 56,9 Gran = 3,1611 Loth Silber, auf der Hütte zu Lohe bei 
Müfen enthielt dafjelbe 73 Loth Silber im Gentner. 

18) Kupfer wird gewonnen: 1) in Schlefien zu Rudelſtadt bei 
Kupferberg. Die Hütte ift fehr alt und genügt nur für einen ſchwa⸗ 
chen Betrieb. Auf verfelben wurden die bei den dortigen Berfuht 
bauen gewonnenen filberhaltigen Blei- und Kupfererze verſchmolzen 
2) Im Mannsfeld und Thüringen (Sangerhaufen). Hier befinten 
fih 5 Rohhütten, weldye den Kupferfchiefer auf Rohftein verjchmeln, 
mit 8 Groß- und 12 Kleinöfen, welche theils mit heißer, theils mit 
falter Luft betrieben werben. Der reichere Rohftein wird ohne weite: 
Vorbereitung der Entfilberung übertwiefen, wogegen ber ärmere ırf 
noch einer Goncentrationdarbeit unterworfen wird. (Erſter hat 51 3 
56,5 Pf. Kupfer und 44 bis 94 Lot) Silber im Cenmer; ber burd 
die Goncentrationsarbeit erhaltene Spurftein enthält 69 bis 77 Mi 
Kupfer und 13 bis 145 Loth Silber im Centner.) 3) Zu Kamm 
dorf, einer Enclave der thüringifchen Staaten, werden reine, teils 
auch filberhaltende Kupfererze geſchmolzen. A) Am Harze bei Steb— 











Vergleichende Ueberficht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 289 


berg. 5) Im Siegenſchen. 6) Zu Stabtberge in Weftphalen. 7) Am 
Rheine zu Bendorf und St. Goar. 

Ueberfichtliche Zufammenftellung der Kupfergeiwinnung des preußi⸗ 
{hen Staats: 


HauptsBergbiftrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 1853. 
Gentuer Centner Centner Gentner 
a) fchlefifcher 277 421 324 140 1:0,505 
b) fähfifch-thüringifch. 11,977 13,946 18,235 25,415 1:2,122 
c) weftphälifcher — — — 1,000) — 
d) rheiniſcher 1,778 706 1,713 6,647 1:3,738 
find 14,032 15,073 20,272 33,202 1:2,366 


Beſchäftigt waren in fämmtlihen Kupferhütten im Jahre 1853 
1010 Arbeiter. Der Geldwert des Gaarfupferd am Urfprungsorte 
betrug 1,089,777 Thaler. 

19) Grobe Kupferwaaren, auf Kupferhämmern bargeftellt, 
wurden geliefert: 


Haupt: Bergpiftrict: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. 
Centner Gentner Centner 
a) brandenburgspreußifcher 8,325 8,632 15,120 1:1,816 
b) fchlefifcher 3,244 2,451 1,824 1:0,562 
c) fächfifch-thüringifcher 3,550 3,750 6,329 1:1,783 
d) weftphälifcher 1,029 1,247 3,935 1:3,824 
e) rheinifcher — — 820 .— 
find 16,148 16,080 28,028 1:1,735 


Der Werth der erzeugten Waaren betrug 1853 1,192,069 Tha⸗ 
ler; beichäftigt wurden A32 Arbeiter. 

20) Meffing wird auf dem Königl. Meſſingwerke Hegermühle 
bei Reuftabt- Eberöwalbe, in Berlin von Heckmann, im Regierungsbes 
zirfe Arnsberg in 47 einzelnen Werfen, im Regierungsbezirfe Aachen 
zu Stolberg in 7 Werfen erzeugt. Die Production betrug: 


Haupt: Bergbiftrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 
Centner Gentner Centner Gentner 1853. 

a) brandenburg⸗preußiſcher 2,721 3,867 5,887 12,283 1:4,514 
b) ſchlefiſcher 240 432 240 — — 

c) weſiphaͤliſcher 891 1,037 18,054 16,077 1:18,04 

d) rbeizifcher 9,708 11,692 8,479 10,557 1:1,087 

find 13,560 17,028 32,660 38,917 1:2,825 


-1) Die Kupfergewinnung im wefphälifchen Diftricte if durch Verſchmelzen nafs 


ſau'ſcher Erze entftanden. 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. V 


290 E. L. Schubarth: 


Die Zahl der beſchäftigten Arbeiter betrug 1411, der Werth des 
gefertigten Meſſings 1,479,564 Thaler. 

21) Auf der Sangerhäufer Kupferhütte wird feit 1843 Nidel: 
fpeife gewonnen Cebenfo zu Kamsborf im Regierungsbezirke Erfurt) 
und zwar 1843 in Summa 90, 1853 179 Centner im Werthe von 
13,425 Ihalern, wobei zu bemerfen, daß auch in Iferlohn Ridelfpeiie 
gewonnen wird; wie viel ift nicht befamnt. 


22) Arſenikerze brechen, wie vorn unter I, 9 nachgemieen 
worden ift, in Schlefien; dafelbft befinden ſich auch 3 Hütten, zu Rei 
chenftein, Altenberg und Rothenzechau. Es werden weißes, gelbes 
(auch rothes) Arſenikglas und Arfenikfublimat dargefellt. 


Die Production betrug: 
1823. 1833. 1843. 1863. 1823 gegen 
Gentner Centner Centner Gentner 1853. 


Weißes Arfenifglas 1,205 2,7914 


Gelbes ⸗ 326 165 
Rothes ⸗ — _ in Summa: 
Arfenikfublimat 22 57; 


— — 


ſind 1,553 3,014 3,757 2,859 121,809 


Außerdem wird noch auf den Blaufarbenwerken ewwas Arſenil 
mehl gewonnen und dafelbft verbraucht. 


23) Antimon wird fowohl als rohes Spießglang, Antimonium 
crudum, ald auch im metallifchen Zuftande als Regulus Antimoni, 
gewonnen. 1837 zu Wolfsberg am Harz 526 Eentner des erferen, 
und zu Altena (Regierungsbezixt Arnsberg) Begulus 375 Eentner. — 
1843 an erflem Orte 704, an lettem 600. — 1853 8 Centner um 
erften und 100 Centner am lebten Orte. 


2A) Smalte (blaue Farbe) wird jest nur noch in 3 Werfen 
bargeftellt, zu Hafferode bei Wernigerode, zu Heidthaufen und Ki 
Steele, beide in Weftphalen. Fruͤher wurde auch in Querbach ım 
Buße des Ifergebirges Smalte dargeflellt. Die Broduction hat be 
deutend abgenommen, namentlich durch die ſtarke Concurrenz mit Mitte 
marin. 

Es wurden probucitt: 





Vergleichende Ueberficht des preuß. Berg, Hütten- und Salinenbetriebed. 291 


Haupt = Bergbiftriet: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 1853. 
Gentner Gentner Gentner Centner 


a) fchlefifcher 524 340 _ — 
b) ſaͤchfiſch⸗ thũringiſcher 1,667 1,551 965 292 
c) weſtphaͤliſcher 240 — 6,762 2,940 
d) rheinifcher — 929 — — 


find 2431 2,820 7,727 3,232 1:1,329 

Geldwerth 1853 48,617 Thaler. 

25) Silber wird theild aus filberhaltenden Bleiglanzen, theils 
aus dergleichen Kupferergen (Fahlerzen, wie im Siegenfchen), theils 
aus dem Silbergehalte der Kupferfchiefer gewonnen, in Schlefien, im 
Mannsfeld,, zu Kamsdorf, im Siegenfchen, im Dürener Bezirfe aus 
den Bleierzen der Eifel (Bleiberg zu Kommern), im Saarbrüdener 
Bezirfe (zu St. Goar). 

Die Gewinnung an Silber betrug: 

Haupt: Bergpiftrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 


Mark Mark Marf Darf 1853, 
a) fchlefifcher 1,2203 80% 1,52 3,443 1:2,820 
b) ſaͤchfiſch⸗ thüringiſcher 12,646 15,753, 20,965 27,655 1:2,186 
c) theinifcher 3,0762 3,7724 7,535 14,036 1:4,562 


find 16,9434. 20,3754 30,152 45,134 1:2669 

Gefammtwerth des im Jahre 1853 gewonnenen Silberd 619,464 
Thaler. 

26) Die Reichenfteiner Arfenifalkiefe enthalten Gold. In frühe: 
ren Jahrhunderten wurde daſelbſt Gold gewonnen und Dufaten ges 
prägt, welche man nur noch in Münzfammlungen findet. Seit 230 
Fahren hat die Goldgewinnung aufgehört, indem im Gentner aufbe- 
veiteten Erzes nur 4 Quentchen Gold enthalten war, wodurch bei ges 
fteigerten Löhnen und Preiſe des Brennmateriald die Ausfcheidungs, 
foften nicht gededt wurden. Der Goldgehalt blieb demnach in ven 
Arfenifabbränden, dem Rüdftande von der Arfenifgewinnung, enthalten. 
Frühere, in ven Jahren 1816— 1819 angeftellte Verfuche, das Gold 
durch den Schmelzprozeß zu gewinnen, lieferten ein in pecuniärer Be⸗ 
ziehung fehr unvortheilhaftes Refultat, bis es gelang, mittelſt Chlors 
gas den Goldgehalt aufzulöfen und aus der Löfung zu füllen. Die 
KRüdftände enthalten 4 bie 4 Loth Gold im Bentner. — 1850 begann 
die Goldgewinnung, und es wurden in biefem Jahre 5 Mark 15 Loth, 
1851 20 M. 12 8., 1852 16 M., 1853 18 M. E% gewonnen. 

19 * 


292 €. 2. Schubarth: 


27) Alaun wird zu Freienwalde, Schermeifel, Gleißen, zu Mus- 
fau aus Alaunerde, in den chemifchen Fabriken zu Oranienburg und 
Köpnif aus Thon dargeftelt. In der Provinz Sachſen zu Schwenfal 
(bei Düben), zu Bornftebt bei Eisleben. In Weftphalen wird auf 2 
Werfen Alaunfciefer, in der Rheinprovinz zu Püschen, Oberfaflel, 
Spich, Kreuzfich Braunkohle, ferner Alaunthon zu Friesdorf auf Alaun 
verhüttet. Im ganzen Lande arbeiteten 1853 15 Alaunhütten. Die 
Production belief fih auf: 

Haupt » Bergbiftrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 
Centner Centner Gentner Centuer 1853. 
a) brandenburg⸗preußiſcher 5,850 6,513 5,515 15,616 1:2,67 


b) ſchlefiſcher 740 814 6,242 65,100 1:6,89 

c) fächfifcher 2,601 2,568 8,572 8,020 1:3,08 

a) weiphälifcher 4,114 — 545 900 _ 

e) theinifcher 3,732 21,283 31,185 40,915 1:10,96 
find 13,037 38,528 52,059 70,551 1:51 


In fammtlichen Hütten waren 1853 befchäftigt 334 Arbeiter; der 
Geldwerth des Alauns betrug 286,210 Thaler. 

28) bis 30) Was die Erzeugung der Bitriole anlangt, fo 
ſtellte fich diefelbe, mie folgt: 









1824 1833 


Gifen- —* Gem. Eiſen⸗ Bea Gem .I Eifen: |Kupf.' Gen. 
Vitr. [Bite. | Vite.| Vitr. Vitr. Bite.| Vitr. | Vite. | Vin. 


Centner Gentuer 


Haupt⸗Bergdiſtrict: 
Centner 







































a) brandenburg⸗preußiſch. — — — — — 254| 7361,00 
b) ſchlefiſcher 11,9791 1552,481116,8420 62] 6581 7,836 81388 
c) fächfifegsthüringifcher | 2,66711,313| —| 2,911] 89411,354| 2,6281,660 205 
d) rheinifcher 7,254| 26011,323| 5,252 468|1,792]17,665| 6763,950 


find [21,900|1,728]3,784124,005]1,424[3,804128,283[3,14315,542 






1863 


Eifen: | Kupf. | Gem. 
Bir. | Bitr. | Vite. 


Bentner 


1824 gegen 1853. 





Hanpt » Bergbiftrict: 







Gifen: | Gem. 
Vitriol | Vitriol | Ritriel 



























a) brandenburg = preußifcher 3,056 | 4,280 | 916 
hr NE an dä 10,781 119 | 1,192 
c * rin — J — 
d) rheiniſcher s 











Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg⸗, Hütten= und Salinenbetriebes. 293 


Gefammtwertä der erzeugten Bitriole im Jahre 1853: a) Eifen- 
pitriol 47,614 Thaler, b) Kupfervitriol 61,317 Thaler, c) gemifchter 
Vitriol 8,938 Thaler. Gefammtfumme 117,860 Thaler. 

31) Die Gewinnung von Schwefel aus Schwefelfies findet nur 
in Schlefien auf dem Morgenfterner Schwefel- und Vitriol⸗Werke zu 
Rohnau ftatt. Sie ift nicht von Bedeutung. Geldwerth der im Jahre 
1853 gewonnenen 761 Centner 3425 Thaler. Aus den Abbränden 
wird Eifenvitriol erzeugt. 

32) In den Jahren 1838 und 1839 wurde aus Zinnobererz, 
welches in der Nheinprovinz, nahe der Grenze der bairifchen Rhein- 
pfalz, gefördert worden war, eine kleine Bartie Queckſilber von einer 
Privatgefellfchaft gewonnen, welche Production aber fehr bald zum Er- 
liegen fam. Sie betrug 1838 292, 1839 nur 135, im Ganzen alfo 
427 Pfund. 


I. Ergebuifle des Salinenbetriebes. 


Der preußifche Staat hat 22 Salinen, theils dem Fiskus, theils 
Gewerkſchaften oder Brivatperfonen angehörend. Die Production an 
weißem, gelbem und ſchwarzem Salz betrug in Laften (u 4000 Bd.) 
nachitehende Summen: 

Haupt⸗ Bergbiftrit: 1823. 1833. 1843. 1858. 1823 gegen 


a) branvenburg-preußifcher 1,310 1,636 1,958 41,789 , 1:1,365 
b) fächfifch-thüringifcher 31,263 34,668 36,193 43,522 1:1,392 


c) weftphälifcher 5,585 6,493 8,647 10,562 1:1,891 
d) rheinifcher 2,785 3,380 3,846 65,605 1:2,012 
find 40,943 46,177 50,644 61,478 1:1,501 


Geldwerth am Urfprungsorte 1853 1,438,011 Thaler. Das Ars 
beiterperfonal betrug 2465 Mann, die Zahl der Familienglieder 5350. 

Salinen befinden fich in folgenden Regierungsbezirfen (Sternchen 
bei den Ortsnamen bezeichnen Staatswerfe): In Pommern (Regbzk. 
Eöslin) Colberg*; (Regbzk. Stralfund) Greifswald. In Sachſen 
( Regbzk. Magdeburg) Schoͤnebeck*, Staßfurt*; (Regbzk. Merſeburg) 
Halle* (eine Staats- und eine Privatſaline), Duͤrrenberg“, Köfen*, 
Artern*, Teudig, Kötfchau. In Weftphalen (Regbzk. Minden) Neu 


294 €. 8. Schubarth: 


ſalzwerk*, Salzkotten; (Regbzk. Münfter) Gottesgabe; (Regbzk Arne: 
berg) Koͤnigsborn*, Saſſendorf, Werl und Wefternfotten* (A Sali⸗ 
nen, theild Staats⸗, theild Privatwerk). In der Rheinprovinz (Regbil 
Eoblenz) Kreuznach, Münfter am Stein*. Die Hauptproburtion if 
su Schönebed 16,480 Laften = 599,273 Centner; fodann Arten 
9538 Laften, Dürrenberg 8287 Laften. 


1) Allgemeine Heberficht der Bergmerfe, des Geldwerths 
ber Förderung, der Anzahl der Arbeiter und ihrer Fani— 
lienglieder im Jahre 1853. 


























Zahl Werth Sahl | Zahl 
Mineralien der Berg- Menge ‚ der Broduetion|der Arbei⸗ der Fami: 
werfe | der Production ter _|liengliever 
Thaler 

41) Steinfohlen....| 376 28, 688, 165 Tonn.| 10,214,474 | 42,087 | 77,796 

2) Braunfohlen ..| 384 1|12,200,687 = 4,607,728 8,010 | 11,826 

3) Eiſenerze ....997 1,496,576 ⸗ 965,535 | 10,037 | 21,558 

4) Sinfege..... 86 | 3,246,660 @tn.| 1,704,983 | 6,459 | 10,156 

5) DBleierge.. .. . 148 324,645 = 3,779 5,462 8,965 

6) Kupferege ...| 74 | 1,254,247 » 615,420 | 4,450 | 6,933 

7) Robalterze..... . 3 229 > 7,570. 128 382 

8) Nidelerze .. . .| unter ⸗ 4,120 | unter desgl 

3) und 6 3)u.6) 

9) Arſenikerze 2 9,091 = 2,424 39 73 
10) Antimonerze 3 285 = 827 12 28 
41) Manganerze 2 9,500 = 8,360 66 14 
12) Vitriolerze 15 97,915 = 0,885 114 251 
13) Alaunerze 8 168,500 Tonn. 14,107 176 49 
14) Srapbit..... 2 1,122 Ctn. 560 15 4 
15) Flußſpath 3 9,587 Tonn. 2,206 52 134 

50,038 Reis 
16) Dachfchiefer.....| 164 | 6,311 Fuder 83,246 | 1,076 | 2,232 
15,516 DEuß 
| 2267 _ | 16,147,221 | 78,183 [1ay0tt 


Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg⸗, Hütten» und Salinenbetriebes, 295 


2) Allgemeine Ueberficht der Hüttenwerle, des Werths 
ihrer Broducte, der Anzahl der Arbeiter und Familien 
glieder derfelben im Jahre 1853. 


Nach den Provinzen georbnet. 















' Anzahl Wert gahl Zahl 
Regierungs⸗ ver ei ah ihrer Fami⸗ 
Provinz begict Hütten der Production |der Arbeiter lienglieber 
|y@t. pCt. pCt. Ip@t. 
Preußen Königsberg 18] 1,4| 476,083] 1,01 7201 1,5] 1,184| 1,1 
Gumbinnen 7| 0,6 54,406) 0,1 94 0,2 245| 0,2 

Danzig 49| 3,81 390,298] 0,81 358 595 

Marienwerber | 9 55,416| 0,1 87 187 














































































Summe 976,203 2,0 
Bommern 293,925 1,3 
133,312 0,2 
Summe ‚1 427,237) 0,8) 642| 1,41 1,704| 1,5 
Brandenburg 1,9 4,001,902| 8,1| 4,278 11,128/10,0 
1,3)| 353,535] 0,8} 328 
Summe 41| 3,2 4,355,437} 8,9) 4,606 11,789|10,6 
Bofen Bofen 51 0,4| 118,984|0,25 
Bromberg 5 0,4 65,3990,15 
Summe 101 0,8| 184,383] 0,4| 236 423| 0,4 
Schleſien 699,161) 1,4| 337 671| 0,6 
2,9) 822,914 1,7| 1,611 3,412| 3,0 
22,878i20,5 
Summe 
Sachſen 0,9 1,4 
3,3) 1,472] 3,2 
0,5 7 
Summe | ” “ 2,329,331 2,616 "| 4,861| 4,3 
Meftphalen 'Münfter 7 0,6: 370,311 833] 1,8, 2,087 1,9 
Minden 9 0,7) 119,325 266| 0,5 657| 0,5 
' 7110,316)22,0| 26,528'23,8 





539 42,4112,150,575|24,7,11,415,24,3] 29,272|26,2 
56, 4,4| 1,083,482| 2,2) 1,214] 2,5 2,375| 2,1 


Summe 


NRheinprovinz Göln 














Düffelvorf 30, 2,3! 3,423,146| 7,0| 3,594] 7,6| 8,769] 7,9 

Goblenz 33| 2,6) 1,672,611) 3,5| 1,567 3,3] 3,237| 2,9 

Aachen 72! 5,7| 5,876,935|12,0| 5,184111,3| 12,033}10,8 

Trier 25| 1,9| 3,779,787| 7,7| 2,685| 5,6) 7,696] 6,9 

Summe | 216|16,9]15,835,961132,4114,244130,3] 34,110130,6 
Hohenzollern Sigmaringen 215,381) 0,4| 178j 0,4 3156| 0,3 











Hauptfumme | 1272| 100]49,132,410] 100]46,978| 100]111,649| 100 


296 Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Sütten« und Salinendetrichee. 


3) Geſammtwerth der Production bes Bergbaues, Hüt: 

ten» und GSalinenbetriebes; Gefammtzahl der durch den; 

jelben befhäftigten Arbeiter und deren Familienglieder 
im Jahre 1853. 


Werth der Production des Bergbaues. 16,147,221 Thaler, 
= = ⸗ ⸗Huůttenbetriebe498132410 
= s ⸗ s GSalinenbetriebes . . . 1,438,01 = 
Summe 66,717,642 Thaler. 
Zahl der Arbeiter: deren Yamilienglieber: 
Beim Bergbau 78,183 141,011 
s Süttenwefn 46,978 111,649 
= Salinenwefen 2,465 5,350 
Summe 127,626 258,010 


4) Nachweiſung der Dampfmafchinen auf den Berg: 
werfen im preußifchen Staate im Jahre 1852. 







Diſtrict 


foteh- [Mäfio-Tmehnhä-T ehe: ram 
fer |thäring. | Iifcher ſcher burg⸗pt. 



















A. Dampfkünſte. 


1) Beim Steinkohlenbergbau..46 2 70 28 _ 

2) s Braunfohlenbergban ...| — 56 — 1 3 

9) = Erzbergbau........ 10 3 1 17 _ 
B. Dampfgöpel. 

1) Beim, Steinfohlenbergbau. . . .| 37 — 72 31 _ 

2) = Bramnkohlenbergbaun .. | — 6 — _ _ 

3) = Gipberaban ........ _ 1 — 8 


C. Maſchinen zum Waſſerheben 
und Fördern. 


1) Deim Steinfohlenbergbau. ... . 5 1 14 8 _ 
2) = DBrauntohlenbergben . 1 3 — — — 
3) ⸗GErzbergbau........ — — — 4 _ 
D. Außerdem zu anderen Sweden 1 1 1 10 _ 





Summe 107 | 9 


In Summa 440 Dampfmafihinen. Die Anzahl der Pferbefräfte in den Maſchi⸗ 
nen ftellt fich alfo: Beim Gteinfohlenbergban 17,395; beim Braunkohlenbergban 1514; 
beim Erzbergbau 2576; Summe 21,485 ; und zwar: zum Waflerheben 16,922, zur 
Forderung 3371, zu beiden Sweden 1013, zur Fahrung 27, zur Förderung und Fab⸗ 
ung 62, zur Aufbereitung 90. Kohlenverbrauch der Keffel: 1,158,708 Tonn. Stein⸗ 
und 331,580 Tonn. Braunkohlen im Werthe zufammen von 406,372 Thalern. As 


lagefoften 7,009,884 Thaler. 
@. 8, Schubartb. 














Srieflide MittHeilungen. 


Schreiben des Königl. Großbritannifchen General⸗Conſuls 
Sir John Bowring an Herrn 3. Klenb. 


Bucht von Pecheli, an Borb des Nattles, ven 7. Nov. 1854. 


... Es dürfte Ihre geographifche Gefellfchaft intereffiren, zu erfahren, 
daß die Gefahren dieſes Meerbufens in dieſer Jahreszeit fehr übertrieben wur⸗ 
den. Der amerikanifche Minifter und ich find an der Mündung des Tien- 
tſin⸗ho (irrthümlich in den Karten Pei-ho genannt, obgleich Fein Chinefe 
biefen Namen Eennt) ') faft einen Monat lang gewefen, um ver Verband» 
lungen willen, die wir mit den Mandarinen zur Uebereinftiimmung unferer 
Handels = Einrichtungen mit tem gegenwärtigen Zuftande Ehina’s führen. Was 
wir audrichten können, ift noch ungewiß. — Wir hatten vie Abſicht, in bie 
Hauptftadt Beling zu gehen; dies Hätte in einer früheren Jahreszeit vieleicht 
ausgeführt werben fünnen, aber jet wird ver Fluß bald zufrieren, und wir 
müffen daher daran denken, und nach Süden zu wenden. Inveflen werben 
wir wahrfcheinlich noch die große Mauer befuchen, wovon ich Ihrer Gefell« 
Ihaft wo möglid einen Stein als Anerkennung des Intereffes, das fie an 
meinen Unternehmungen bemeifet, zu fenden Willens bin. 

Mir haben zufammen 5 Schiffe im Fluſſe und im Meerbufen. Die 
Amerifaner haben eine herrliche Dampffregatte, die „Bomwbatan”, von beinahe 
3000 Tonnen Laft, dad Dampfboot „Sohn Hancocth“ von ungefähr 600 T. 
und einen Schooner, den „Fennimore Cooper“, welcher mit meinen „Lorcha“ 
unfere Gefchäfte innerhalb ver Barre beforgt. Ich Fam im , Rattles“, einem 
Schraubenfchiffe von 900 Tonnen. Wir machten einen ganz leivlichen Auf- 
zug am Lande mit ungefähr 200 Seeſoldaten und Matrofen, mit unferen 
Mufifbanvden, Böten und Flaggen, und möglicher Weiſe war es zum erften 
Male, daß fo Etwas in der Nachbarfchaft ver Hauptflabt gefeben wurde. 
Wir famen nicht als Tributpflichtige, ſondern als die Geſandten der großen 


I) Bei der Stadt Tienstfin fließt der aus 4 bis 5 größeren Flüſſen oberhalb 
diefer Stadt gebildete Hauptſtrom zu feiner wahren Mündung im Golf von Be: 
tſchy⸗ li vorüber. Der nörblichfte jener großen Zuflüffe ift der Pei-ho oder Pe-ho, 
der von Beling herabkommt; diefer hat noch immer feinen Namen beibehalten. Nur 
der vereinte untere Flußlauf, an defien Mündung die Fregatte „Rattles“ flationixte, 
wirb gegenwärtig nach der anliegenden großen Handelsſtadt genannt fein. Biot’s Dict. 
1842, ©. 232 fchreibt fie Thien=tfin=fon, unter 39° 10’ nördl. Br. und 113° 53’ 
55" öfl 8, eine Stadt von erfiem Range in der Provinz Pe⸗tſchy⸗li, die aber zur 
Zeit der Ming» Dynaftie noch eine Stadt geringer Art war. Auf Biot's Karte iſt 
fie wohl irrig Thian=tfin gefchrieben, im Text Thienztfin, ganz fo wie fie Pater 
Martin a Martino in dem Atlas Sin. vom Jahre 1655 nad) feiner Gchreibweife 
Tien=cin eintrug. & Ritter. 


298 Briefliche Mittheilungen: 


weftlichen Nationen, um mit den Chinefen auf gleiche Bedingungen zu unter: 
handeln, und da wir Feine Unmürbigfeiten geduldet haben würben, fo wurden 
mir auch nicht aufgeforbert, und irgend einer zu unterwerfen. Nicht vap die 
Chinefen auch nur im Geringften weniger ftolz und mißtrauifch, nicht daß fe 
weniger geneigt zu Ausſchließungen und Austreibungen wären, aber fie haben 
einen Inftinkt, daß es nicht gerathen fei, mit und zu flreiten, und nachdem 
fie alle Anftrengungen erfchöpft Hatten, und fortzufchicden, und fie und durch⸗ 
aus unerbittlich fanden, ward ein Faiferlicher Commiffar herab gefantt, um 
und zu empfangen. Was vorging, ift natürlich diplomatiſch, und das Siegel 
der Verſchwiegenheit ift auf meinen Lippen. Doch zu feiner Zeit wird unfere 
Gefchichte erzählt werben, 

Es ift höchft angenehm, eine Stellung einzunehmen, wie fie uns unfer 
Breihanveld= Politik geftattet. Ich fordere nichts für England ausſchließlich, 
Alles, was ich erlange, wird für alle Handelsleute der Welt fein. Peine 
Meinung nach follte dad Benehmen unferer Negierung eines zuftimmenten 
Urtheild des menfchlichen Gefchlechtes fich erfreuen. Wir rüften koſtſpielige 
Erpeditionen aus, fenden theure Gefandtfchaften ab, und doch verlangen wir 
feine befonderen Privilegien, wir beftehen nicht, wie früher, auf irgent ein 
Monopol oder bejonvere Bevorzugung zum Bortbeile unferer Kaufleute un 
Babrifanten. Unzweifelhaft nehmen wir großen Antheil, ja den größten ge 
gen alle anderen Nationen, an dem Ertrage ves neuen Feldes, welches wir 
eröffnen; aber dies ift nur der Ball, weil Billigfeit des Preiſes und Getie— 
genbeit ver Waare die Grundlagen unſeres Ausfuhrhandeld werden, wie die 
Ausgedehntheit und Die Bequemlichkeit unferer Märkte, ver Reichthum, hie 
Bildung und der Unternehmungsgeift unferer Handelsleute große Zufuhren 
nach Großbritannien ziehen müjlen. — Der amerifanifche Handel mit Ehin 
ift wirflich ungeheuer, obgleich er hauptfächlich durch Credite auf London un 
Calcutta geführt wird; aber vie Amerikaner verdienen wohl den Erfolg, ten 
fie in diefen Meeren gefunden haben, und ich fehe auf ihre Wortfchritte ohne 
den leifeften Anflug von Eiferfucht over Beſorgniß. 

Der Aufſtand findet in dieſen nörblichen Provinzen, wo das Volk af 
Seite der Regierung iſt und die Tar-pingswang- Bewegung für eine heute 
Iuftige Unternehmung von NRäubern und Piraten hält, Eeinen Anhalt. Tie 
Nebellen waren indefien fomohl in Pecheli, als in Schantung eingedrungen, 
haben ſich aber nach großen Unfällen aus beiden Provinzen zurüdgeogen. 
Ich bezweifle fehr, daß die tatarifche Herrfchaft je wieder im ruhigen Belt 
eined großen Theiles von China gelangt, und wirklich fcheint mir zweifelhaft, 
daß fle noch lange zufammenhalten werde; aber was wir von den Aufflänti- 
Ichen fahen, ift noch weit weniger verfprechenn, weit weniger hoffnungsrell, 
als felbft vie Schlechtigfeit ver Mandſchu⸗Regierung. Weldy ein zeligidier 
Zug und Trug, welche Alte der peinlichiten Barbarei, welche eine Zerflörung 
von Eigenthum, welche Fehde gegen Aufklärung mit nicht weniger, fonbern 








Schreiben des Herrn General» Eonful Bowring an Herrn I. Klentz. 299 


mit noch größerem Haß und Berachtung der Fremden, ohne alle Sympathie 
von Seiten der angefehenen Stände in China. — Es iſt wahrlich eine ſchwere 
Stellung, in welcher fich die Vertreter der fremven Mächte (Tnatzpowers) ber 
finden. Ich glaube jedoch, die Eröffnung von China und felbft aller fich ab- 
fihließenden Nationen im fernen Oſten wird der unvermeibliche Erfolg ver 
Begebenheiten fein. — Ich Hoffe, vor Ende des Jahres Hinab nach Bangkok 
zu gelangen, um mit dem Könige von Siam mein Heil zu verfuchen, und, 
wenn Leben und Geſundheit mir erhalten werven, beabfichtige ich, mit ver 
britifchen Flotte nächftes Jahr nach Japan zu geben, fobald es der Monfun 
geftattet, vielleicht auch nach Corea, dem ausfchlieglichften aller ausichließlichen 
Reiche. — Der ruſſiſche Krieg war ein Hinderniß dieſes Jahr, da wir bie 
chineftfchen Gewaͤſſer von allen ruffifchen Kriegöfchiffen fäubern mußten. Sie 
flohen jedoch nach allen Winden, und es ift die Frage, ob die Bucht von 
Ochotzk oder Kamtfchatfa oder daß nörbliche Amerika ihr Zufluchtsort if. 
Leber Japan fagt ein Bericht, der mir fo eben zu Hänven fommt: 
Der Anblid bei der Annäherung ift außerorbentlich ſchön. Die Berge 
im Innern find hoch und auf den Süpabhängen mit Bäumen bedeckt, aber 
der Hohe Pflanzenwuchs Hört fogleich auf, ſobald man den Gipfel erreicht, 
denn bie ganze Nordfeite Hat feine Bäume, ſondern ift mit niebrigem Grün 
bedeckt, dad eine ganz eigenthümliche Erjcheinung varbietet, indem die Nord⸗ 
winde es fo regelmäßig geftußt haben, als ob es von Menjchenhänden ges 
ſchehen wäre. Der Kamm ift mit einer Reihe von Baumfpigen befegt, deren 
Wurzeln auf der Sübfeite geſchützt find, und vie ven Borften auf dem Rücken 
einer Hyaͤne gleichen. Je mehr man fich dem Lande nähert, deſto mehr ent- 
faltet e8 feine Schönheiten. Das Land, wellenförmig und zum Theil fehr 
hoch, ift mit Grün bedeckt und bis zu den Spiten ver Berge bebaut. Die 
Luft ift Herrlich, ar und vurchfichtig, gerade das Gegentheil von ver feuch- 
ten gelblichen und windigen Atmofphäre in China. Die Wärme ift auch auf 
70° (21 R.) gelunfen, was uns fehr angenehn fühl erfchien. Nachdem 
wir unfere Ankunft und unfere Abficht, in den Hafen einzulaufen, vem Gou⸗ 
verneur angezeigt hatten, liefen wir ein. Die Einfahrt ift ungemein anmuthig, 
da fie von einigen malerifchen Infeln bevedt ift, und befeßt mit zahlreichen 
Gefchüße, in Batterien aufgeftelt, aber augenfcheinlich von Leuten, vie Feine 
Idee von Befeftigungsfunft haben. Das Fort am Eingange hat 22 ausge⸗ 
zeichnet hübfche Ordonnanzſtücke aufgepflanzt. Wir gingen in geringer Ent» 
fernung von der Oeffnung des inneren Hafend vor Anker, vor deſſen Ein- 
gang eine Reihe großer, mit Ankertauen verbunbener Boote gezogen war. 
Sobald wir Anker geworfen hatten, fandte ber Admiral feine Depefchen nach 
Jeddo. Nachdem wir nun eine Woche Bier gewefen, erlaubte man uns, auf 
einer Kleinen Infel von etwa 2 Acres Größe, mit Bäumen und Bambus be- 
deckt, zu landen, jedoch unter ganz außerorventlichen Beichränkungen; es wur« 
ven Wachtbonte rund umber aufgeftellt, um jede Verbindung mit der Küfle 


300 Briefliche Mittheilungen: 


abzufchneiden; auch follten wir kein Feuer anzlınden, Teine Bäume fällen oder 
Selen beroegen und jeden Mann bei Sonnenuntergang emifernen. — Die 
Japaneſen find Flein von Statur und haben einen geiftreichen Ausdrud, dabei 
find fle reinlich, ſowohl auf ihrem Xeibe, als in ihren Böten. Bon ihem 
Häufern habe ich nichts gefehen. Alle Iapanefen find bewaffnet, die höheren 
Nanges niit zwei Schwertern. Ihre Kleivung befteht aus einem Anzuge von 
Grastuch over Flor und feidenen meiten Beinfleivern; fie tragen Schuhe mit 
GSrasfohlen und Riemen über ven Miß, ver zwifchen ver großen und zeri- 
ten Zehe durchgeht. Sie jehen beſſer aus, als die Chinefen, auf vie fie mit 
Verachtung berabfehen. Da man von ven Ruſſen fprach, fagten fie, ſie hiel⸗ 
ten nicht viel von ihnen, fle feien ſchmutziger als die Chinefen. Diefe dürn 
jährlich A Djunken und vie Holländer 2 Schiffe fenven, ber einzige audrir 
tige Handel der Japaneſen. 

Da es verabredet war, daß der Admiral vorige Woche dem Gouvernun 
die Aufwartung machen follte, fo warb er am Landungsplatze von den ange: 
febenften Offizieren des Platzes empfangen, die ihn in das Haus bed Befehle: 
habers führten. Die Straße oder vielmehr die Reihe Stufen war zu beiten 
Seiten mit Truppen befeßt, eine elende Schaar, bie ihre Luntenfchlöffer mi 
rother Boy bedeckt hatten, weil ed nicht für angemeſſen gehalten wurde, Siabl 
dem Auge eined Freundes zu zeigen; ja wir hatten große Mühe, eimge zu 
überreven, und ihre Schwerter zu zeigen, welche fehr fchön geftählte Waffen 
zu fein fchienen. — Der Admiral ward fehr freundlich vom Gouverneur empfan⸗ 
gen, bie begleitenven Offiziere wurben vorgeftellt und ein Mahl von Süßiz⸗ 
feiten und Kuchen aufgetragen. Nach dem Eſſen begann der Anmiral jr 
Unterhandlungen, welche zwar Iangfam, aber befriedigend vor fich gingen. 
Ein Vertrag wurde aufgefeßt und bei einer zweiten Unterredung mit tem 
Gouverneur unterzeichnet. Den genauen Inhalt fenne ich micht, doch geht ıt 
dahin, daß und dieſelben Privilegien zugeftanden wurden, die anderen Rats 
nen zu irgend einer Zeit ertheilt waren, daß ferner eine gewiffe Anzahl Hin 
und geöffnet werben, und daß bie Muffen Feine Hülfe von den Japaneſen m 
halten. Der Gouverneur verlangte eine Kifte der Offiziere ver Flotille, inden 
er bemerkte, daß es der Wille des Kaifers fei, daß ein jeder nach feinem 
Range ein Gefchent bekomme; als vie Gefchenfe aber ankamen, beftanden je 
nur in Gefchirr von geringem Porzellan. Das für den Admiral, melde 
vom Kaifer felbft Fam, war jenoch prächtig und befland in einem ladırım 
Cabinetsſtuck im beften Gefchmad, mit Perlmutter ausgelegt, zwei fehr ſcho⸗ 
nen Borzelanvafen mit erhabener Arbeit, mit Schüffeln und anderen paſſen⸗ 
den Dingen, ferner in einigen ſeidenen Stoffen, Iadirten Käftchen und zwei 
Heinen Hunden, eine Art Wachtelhunde, vie, wie ich glaube, für vie Königin 
beftimmt find. — Nachdem ver Vertrag unterzeichnet war, blieben wir ned 
einige Tage, während welcher Zeit die Papiere überfegt wurden. Die Jan 
nefen druͤckten ihr Bedauern über unfere Abreife aus und ſchienen ſehr zu 


Schreiben des Herren General⸗Conſul Bowring an Seren 3. Klentz. 301 


wünfchen, daß Handelsverbindungen zwifchen den beiden Landern eröffnet wer⸗ 
den möchten. 

Die Lage von Japan, auch durch das Klima und den Boden begünfligt, 
macht die Japanefen zum großen Theil unabhängig von anderen Laͤndern, und 
ta Dier Alles durch Vergleich gemeflen werden muß, und man nur die eigene 
japanifche Welt Eennt, fo berechnen vie Japaneſen den Gran des Glüdes und 
Wohlſtandes auch nur nach dem eigenen um fte herum, zumal da fle von 
europäifchen Genüffen nichtö gefoftet haben, als vie Eleinen Proben, die ihnen 
die Hollänpifchen Schiffe zuführten. 


ltiscellen. 


Die Bolgaren-Colonien in Beffarabien. 
Ein Bruchſtück ans einer noch ungebrudten Reife '). 


Um die Mitte ded vorigen Jahrhunderts begann der Strom jener gro= 
Ben, einer Völkerwanderung gleichenden Auswanderung, der fo viele in dama⸗ 
liger Zeit mit dem türfifchen Joche unzufriedene Familien meiſt flamifcher 
Völkerflämme, die dem griechifchen Culte Hulbigten, aus ven ver Pforte ges 
hörigen Donauländern, ver Dobrudſcha, Moldau, Walachei und Serbien, fo= 
wie aus den inneren Rändern der Balfan« Halbinfel, aus Bulgarien, Rume⸗ 
lien, Macevonien und Albanien in vie damals Neus Serbien genannten Grenz« 
länder Rußlands Kinüberfpühlte. 

Die Bortheile, welche die Kaiferin Eliſabeth und ihre Nachfolger auf 
dem Throne denjenigen zufagten, bie fich in ven damals noch völlig wüften und 
unwirthbaren Grenzgebieten des ruffifchen Laͤndercoloſſes, über welche hinaus 
das damals noch erft aufftrebenve Zaarenreich feine Grenzen mit der Zeit vor- 
zufchieben beabfichtigte, anfievelten oder gar unmittelbar fich ven ruffifchen 
Provinzen einverleibten, lockten von allen heilen des o8manifchen Meiches 
Goloniften herbei, und die mit ven Türken glüdlich geführten Kriege in ven 
Jahren 1787 His 1791, 1806 His 1812 und 1828 bis 1829 fteigerte die 
Zahl diefer trandbanubifchen Ueberſiedler zu einer fehr bedeutenden Höhe ?). 


2) Nach einer am „% September 1853 in der Kaiſerl. ruffifchen Academie der 
Wiſſenſchaften durch ven Academiker P. v. Köppen gehaltenen DBorlefung. . A. 
2) Die zwiſchen 1801 und 1806 nach Rußland gekommenen Bolgaren waren in 
den Gub. Eherfon und Taurien untergebracht worden, wo fie 9 Nieberlaffungen, im 
erſten nämlih 6 (Klein: und Groß=Bufalyf, Ternoͤwka, Kubaͤnka, Parfäny und Ka: 
tarfbina), im letzien 3 (Kifchlan, Cokikrim und. Balta⸗Tſchokrak) gründeten. v. K. 


302 Miscellen: 


Als der um die Statiftif der neuruffifchen Provinzen fehr verdiene 
Statiftifer Skal'kowskij im Jahre 1848 zn Odeſſa feine fchäßenswerthe Schrift 
über die Bolgaren» Eolonien („Bolgarskija Kolonii w Bessarabii i Nowo- 
rossiiskom kraje; statistitscheskoj otscherk Apollona Skal’kowskago‘) 
herausgab, eine Schrift, welche ver um die geſammte ruſſiſche Statiftik hoch⸗ 
verdiente Akademiker, Wirkliche Stantörath Peter v. Köppen, bei feiner jüngt 
erfolgten Anwefenheit in Beflarabien aus archivalifchen Quellen an Ort un 
Stelle zu prüfen und als zuverläffig zu befinden Gelegenheit Hatte, exiſtitten 
um dad Jahr 1821 in ven fänmtlichen beifarabifchen fogenannten Bolgaren 
Eolonien bereits 7735 oloniftens Familien mit 20,714 männlichen un 
17,312 weiblichen Glievern, alfo überhaupt 38,023 bolgariſche Anſiedler. Ti: 
Vertheilung über die einzelnen Diftricte war folgende. Es beftanben: 


















Bewohner 
äufe tin | "Ti 
Sänfer | Bamili männliche | weibliche ſbeid Geſdl 
Im prutfchen Bezirke... | 1,220 1,462 3,626 3,255 | 6,881 
Im kagul'ſchen Bezirke .. 906 1,076 2,778 2,521 | 5,29 
Im ismael’ichen Bezirke . 2,082 2,599 6,922 5,744 | 12,666 
Im budfchaffchen Bezirke . | 2,078 2,898 7,385 5,792 | 13,17 











Im Ganzen | 6,286 | 7,735 | 20,711 | 17,312 | 38,023 


Noch nicht 30 Jahre fpäter, nämlich am 1. September 1850, um je 
Zeit, ald v. Köppen feine ftatiftifchen Sammlungen in Beflarabien anſtelli 
hatte ſich die Goloniftenzahl bereitd auf 

85,461 Seelen beiverlei Gefchlechtd 
gehoben, wovon 44,115 dem männlichen, 41,346 dem weiblichen Gefhlehr 
angehörten, jo daß die Zahl der Männer und Knaben zu der ber Frauen um 
Mädchen fich wie 
100: 99,72 

verhält. Denn ver in den Jahren 1828 und 1829 in den Donaulintm 
geführte Krieg Hatte abermals eine große Zahl bolgarifcher Familien (man 
giebt ihre Zahl zu 3900 an, wie Herr v. Köppen hörte) zur Ausmwanberm 
bewogen. Mehr als 3000 Familien fanden jedoch nicht ihr Heil in Bella 
bien, ſondern fahen ſich durch Hunger und Peft gendthigt, wieder in im 
Heimath zurüdzufehren '). 

Die Eoloniften waren über 83 fogenannte Bolgaren = Colonien vertbiilt: 
wir fagen fogenannte, weil nicht nur die früheren Bewohner der Gegenten 
wo ſich vie heutigen Bolgaren - Anflevlungen befinven, feine Bolgaren warn, 
fondern weil auch andere Meberfievler orthodoxen Glaubens mit den Belge 
ren in Rußland einmanderten, wie Griechen, Arnauten, Walachen u. a. m. 
ja ſelbſt Auffen, deren Vorfahren ihren DBaterlande untreu geworden warm 


') Auswanderungen von Bolgaren haben befauntlich wieder im ber meuejlen Zer 
ftattgefunden. 














Die Bolgaren»Golonien in Beffarabien. 303 


und bie nun ber ihnen wider Wiffen und Willen vorenthaltenen Heimath wie 
der zueilten. 

Da. Seren v. Köppen in ethnographiſcher Beziehung fehr daran lag, 
genaue Detaild über vie Stammverfchievenheiten zu erhalten, vie fich inners 
Halb ver gedachten Bolgaren»Eolonien geltend machen, fo veranlaßte er ven 
Bezirksaͤlteſten des ismail'ſchen Kreifes, Stephan Semenowitſch Panow, ver 
ſelbſt ein geborener Bolgar iſt und an der Verwaltung ver Colonien Theil 
nimmt, in dieſer Hinſicht genaue Unterſuchungen anzuſtellen. Dieſen zufolge 
ſtellt ſich die Nationalität unter den 85,461 Coloniſten in folgender Weiſe 
heraus. Es gab: 

maͤnnlichen | weiblichen beiderlei 





Geſchlechts Geſchlechts Geſchlechts 
Bolgaren ...: 2220. 33,908 33,637 69,525 
Bolgarifhe Zigeuner... . 29 27 56 
Moldaner oder Walachen ’) 6,619 6,186. 12,860 
Kleinuflen........ 732 708 1,440 
Arnauten ?) ....... 686 642 1,328 
Griechen ..- 222 2.. 141 166 307 


Im Ganzen wie oben | 44,115 | 41,346 | 85,461 


Dies giebt, in Procenten ausgevrüdt: 81,353 p&t. Bolgaren, 

0,066 pE&t. bolgar. Zigeuner, 
14,983 p&t. Walachen, 
1,685 p&t. Kleinruffen, 
1,554 pCt. Arnauten, 

und 0,359 pCt. Griechen. 

Die Bolgaren bilden demnach ven bei weitem ver Zahl nach vorwiegen- 
ven Theil der Bevölkerung in diefen Colonien, und dieſem Umftande ift es zu» 
zufchreiben, daß man die fänmtlichen Colonien nach ihnen benannt hat. Sie 
unterfcheiden ſich der Sprache nach in ſolche Bolgaren, die bolgarifch, und in 
folche, vie türfifch reden, während man Hinfichtlich der fchriftlichen Documen- 
tation der Rede fogar breierlei Schriftzeichen bei ihnen in Gebrauch findet. 

Die Holgarifch redenden Bolgaren ftanımen aus Macevonien und Rume⸗ 
lien ber und heißen in Befjarabim Tschernyje Bolgary d. i. fchwarze Bol» 
garen, die türfifch fprechenden Hatten ihre Wohnfige früher in der Dobrud⸗ 
fcha und in ber Gegend von Barna und find in Beflarabien unter ven Nas 
men Gagausy (Tarayssı), Sagaufen, wie fie fich auch felbft benennen, be⸗ 
kannt. Dieſe legten wanderten 1807 bis 1812 in Befjarabien ein, vie ſchwar⸗ 
zen Bolgaren zum Theil gleichzeitig mit ihnen (wie die Macevonier), zum 
Theil aber erft im Jahre 1830 und fpäter (mie die Rumelier). Die meiften 


3) Ganze Dörfer finden fih im Gebiete der Bolgaren=Colonien, die gar nicht 
von Bolgaren ſelbſt, fondern von Walachen, die hier Moldauer genannt werben, und 
von Klein: Rufen bewohnt find. v. K. 

2) Die Arnauten ſtammen aus Dewho, weſtlich von Kama, her. v. K. 


304 Miscellen: 


Bolgaren reven mehrere, oft 3 bis A Sprachen; außer dem Bolgariſchen 
noch türkifch, walahifch und nun auch ruſſiſch, mitunter fogar griechiſch. 

Hinſichts der Schrift bedienen fich die Ankommlinge aus Macedonien ver 
flawifchen Schriftzeichen, die gemwefenen Rumelier dagegen ver griechifchen; die 
Schriftzeichen der türkifch redenden Gagauſen endlich find waladhifche ’). 

Was die Unterfchiede ver Tracht betrifft — welche ebenfo wie die Sprache 
und die Schrift nicht immer die Nationalität entſcheidet, — fo treten bie früs 
beren Bewohner Rumeliens zumeift in türfifchen Coftlim auf, vie früher 
Bewohner Macevoniend dagegen gewöhnlich in der bolgarifchen Kleidung. 

Unter den 69,525 oben verzeichneten Bolgaren giebt ed uͤberhaupt 12,056 
d. i. 17,341 p&t. Macebonier, 18,816 d. i. 27,064 p&t. Rumelier und 17,129 
d. i. 24,637 p@t. Mifchlinge, bei denen fich der macedoniſche oder rumeliſche 
Urfprung nicht Hat feftftellen lafien. Im Ganzen find alfo 48,001 ot 
69,042 pCt. ſchwarze Bolgaren vorhanden, während es 21,424 d. i. 30,858 
p&t. Gagauſen giebt. 

Die Zahl der Holgarifch redenden Macebonier und MRumelier verhält fd 
biernach zu der der türfifch fprechenden Gagauſen, wie 100: 44,81. 

Wären die ald Mifchlinge bezeichneten 17,129 Individuen zu gleichen 
Theilen dem macebonifchen und rumelifchen Stamme angehörig, fo könnte man 

20,620 Macebonier, d. h. 42,957 pCt. 
und 27,381 NRumelier, d. h. 57,043 pCt. 
innerhalb ver fchwarz= bolgarifchen Bevölferung annehmen, 

Die 83 beſſarabiſchen Bolgaren-Eolonien ftehen feit dem Jahre 1819 
nebft den taurifchen und cherfoneflfchen Bolgaren⸗Colonien unter ver von 
Kaifer Aleranvder für die fremden Anſtedler in Süd-Rußland errichteten fe: 
fonderen Euratel und vertheilen fich über Beffarabien in folgender Walt: 

1) Der ismailfche Bezirk Hat 16 verfelben mit 25,106 Individuen bei 
derlei Gefchlechts. Diefe beftehen aus: 


Individuen | 
——— — — 7— — 
männl. Gefchl.| weibl. Befchl. |beiverl. Gndl 
2285 bolgarifchen Samilien mit . . 11,188 10,507 21,695 
254 walachifchen Familien mit. . 1,042 938 1,978 
27 kleinruſſiſchen Familien mit . 128 117 245 
119 arnautiichen Familien mit... 661 636 1,097 
5 griechifchen Familien mit .. 19 16 35 
und 6 Zigeuner: Familien mit ... 29 27 56 
zufammen aus 2696 Bamilien mit .! 12,967 12,139 | 25,106 


2) Den Gebrauch verfchievener Schriftzeichen bei einem und bemfelben Ball 
finden wir auch bei anderen flawifchen Stämmen, wie bei ven Serben, wo bie ſlarc 
niſchen ober altflawifchen Lettern neben ven lateiniſchen Schriftzeichen in Branch fm: 
besgleichen bei den Albanefen (Arnauten und Schkipetaren), von benen ein Theil, I 
Geghiven, fich der Tateinifchen, ein anderer, die Tosfiden, der griechifchen Au be⸗ 


dienen. 











Die Bolgaren- Eolonien in Beffarabien. 905 


An Areal befigen viefe Colonien 127,004 Deffiatin 1,402 Quadrat⸗ 
Sfafhen brauchbares Land und 1,964 Defil. 1,207 O.⸗Sſaſh. unbrauchba⸗ 
res Land !). 

Die Eolonien find mufterhaft eingerichtet und befigen größtentheils eine fehr 
wohlhabende und zahlreiche Bendlferung ?), welche bie ver meiſten Städte der 
Umgegend an Frequenz weit hinter ſich laͤßt. So zählt vie in dieſem Bezirk 
gelegene wichtigfte aller Bolgaren»Eolonien Bol’grap, an ber Mundung des 
Jalpuch⸗Fluſſes, der in den See gleichen Namens fällt, ein Ort, ver als 
Eolonie feit dem Jahre 1819 beſteht, die bedeutende Bevölkerung von 8,214 
Seelen, worunter fih 8,053 Bolgaren, 78 Walachen, 11 Kleinruflen, 37 Ar⸗ 
nauten und 35 Griechen befinden, die zufammen 22,521 Deffj. brauchbares 
und 224 Defii. 618 Q.⸗Sſaſh. unbrauchbares Land befitn. 

Andere volfreiche Eolonien in dieſem Bezirke find: 

Taraklija, an ver Steppenfchlucht dieſes Namens, feit 1819 als Eolonie 
beſtehend, mit 2067 Einwohnern und 9752 Deſſj. brauchbaren Landes; 

Zatarfoptfchät, feit 1812, an der Schlucht dieſes Namens und dem in 
den Salpuch fließenden Bache Taraflija, mit 1421 Einwohnern und 
7681 Deſſi. brauchbaren Landes; 

Kubei, feit 1819, an der Steppenſchlucht Sſarlyk, mit 1361 Einwohnern 
und 8280 Defij. brauchbaren Lande; 

Zafh-Bunär, feit 1819, an der Schlucht gleichen Namens, mit 1211 Ein- 
wohnern und 8280 Defii. brauchbaren Landes; 

Karakurt, feit 1820, am Sſarlyk, der in ven See Jalpuch fließt, mit 1191 
Einw. und 9120 Defij. brauchbaren Landes; 

Tfhifhme-waruit, feit 1819, am See Jalpuch, zwifchen Ismail und 
Bol’grad, mit 1184 Einw. und 7860 Deffj. brauchbaren Landes; 
Tſchijſchija, auch Grabina genannt, am Katlabug- Fluffe, mit 1167 Einw. 

und 7800 Defil. brauchbaren Landes; 

MWaiffal, feit 1830, am Urfprunge ver Steppenfchlucht Tafch-Bundr, mit 
1160 Einw. (morunter die oben vermerkten 56 Zigeuner) und 7722 
Defii. 1402 O.Sfajh. brauchbaren Landes, und 

Babel over Babeli, feit 1819, am linken Ufer des See's Jalpuch, mit 1183 
Einw. und 8263 Deſſj. brauchbaren Rande. 


1) Gine Deffjatina, weldye 2,400 Quadrat⸗Sſaſhen oder Quadrat⸗Faden ent: 
hält, it = 2,941000 livländifche Roofftelfen, = 3,19550 Arpeus de Paris, = 1,09250 
Heftaren, = 2, 69972 engl. Ncres, = 4,27890 preuß. Morgen. N. 

2) Sn den erfien 8 Jahren ber ruffifchen Herrichaft in Beflarabien, alſo von 
1812 bis 1820, hatten es dieſe bolgariſchen Auswanderer nicht beſonders, ja ihr Loos 
war gegen ihr früheres fogar noch verfchlechtert, indem auf Anfuchen molbauifcher und 
walachifcher in Beſſarabien begüterter Bojaren die bolgarifchen Cinwanderer, die ſich 
auf deren Boden niebergelafien hatten, an die Schelle gebunden, alſo Leibeigene wer: 
foliten. Dies Hat ſich jedoch geändert, und es giebt jetzt in Beſſarabien ſaſt feine Leib⸗ 
eigenen mehr, mit Ausnahme einiger Ruſſen, die mit ihren Herren dahin kamen, und 
einigen Tauſend Zigeunern. v. K. 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Br. V. 20 


806 Piscellen: 


Nur 6 Golonien haben unter 1000 Einwohner, nämlich: 
Nomwotrojän, feit 1819, am Ratlabug . - 984 
Tabak, gegründet 1830, am linken Ufer des Jalpuch⸗ &luffes . 2.9 
Dolukioj, feit 1819, am See Katlabug, bei feiner Mündung in die 

Dorau 2 2 a 2 2 2 + 909 
Dermensbere, feit 1830, am Urfprung ver Steppenfchlucdht Siaf- 

tian, zwifchen den Seen Jalpuch und Katiabug ee. 799 
Kajraklija, ſeit 1819 . . . .» . ne. 8 
Erdek⸗burnu, feit 1819, am See Ratlabug er. . 668 


2) Der Eagulo=prut’fche Bezirk Bat 19 Colonien mit 17,875 Jntivi- 
duen beiverlei Geſchlechts. Diefe beftehen aus: 
Individnen 
Pu ER U u. 
männl. Geſchl. weibl. Geſchl. beiderl. Geld. 










1068 bolgarifchen Familien mit . 4,626 4,199 8,725 
1280 walachiſchen Familien mit . .) 4,502 4,242 8,744 
11 Fleinenffifchen Yamilien mit . 64 54 118 
4 arnautiſchen Familien mit. . 21 50 






und 34 griechifcgen Familien mit .. 
zuſammen aus 2397 Bamilien mit . | 9,225 


An Areal befigen dieſe 19 Colonien 97,302 Deſſjatin 1704 Q.⸗Sſa⸗ 
ſhen brauchbares und A902 Deflj. 873 O.⸗Sſaſh. unbrauchbares Land. 

Die größte dieſer Colonien ift Wolkanéſcht, als Colonie ſeit 1819 - 
beftehenn, am Kagul- Fluffe, mit 22834 Einwohnern (morunter 1623 Bolqa⸗ 
ren, 417 Walachen, 61 Kleinruffen, 414 Arnauten und 142 Griehen). Sie 
beftgt über 11,994 Deffiat. brauchbares Land. 

Die volkreichſten Colonien nach Wolfanefcht find: 
Tſchiſchm⸗Kioj, ald Eolonie feit 1819 beſtehend, rechts, in einiger Ent: 

fernung vom Kagul⸗Fluſſe, reich an Quellen, nach denen es auch ſeinen 

Namen führt, mit 1510 Einw. und 8164 Deſſj. brauchbaren Landes; 
Karagätſch, ald Eolonie feit 1819, zur Tinten des See's Kagul, mit 1381 

Einw. und 6120 Deſſj. brauchbaren Landes; 

Sflobopfeia ober Sſlobodſeja Mare, ein alter moldau'ſcher Ort am 
Prut, als Colonie feit 1819, mit 1181 Einw. und 7637 Deffj. brauch⸗ 
baren Landes; 

Kurtfchi, als Colonie feit 1819, am rechten Ufer des See's Jalpuch, ge 
genüber Bol’grad, mit 1074 Einm. und 6090 Defij. brauchb. Lande: 

Hadſhi-Abdullaà, feit 1819, am KagulsFluffe, mir 1005 Einw. um 
6402 Defij. brauchbaren Landes. 

Alle anderen Colonien haben unter 1000 Bewohner, nämlich: 
Sfatunsw, auch Ieni- Kiof genannt, am Ende des Sees halpuch. 
Inpuzita, am rechten Ufer des See's Jalpuch 
Frikazej, am rechten Ufer des See's Kagul....9886 











Die Bolgaren» Bolonien in Beflarabien. 807 


Bolboka, zur Mechten des Jalpuch .. 886 
Etulija, an der Mündung des Fluſſes Ragul in den Se gl. Nam, 778 
Kolibaſch, am Balatfch, einem Nebenfluffe des Brut ... 738 
Barta, am rechten Ufer des See's Illu - - - 2 2 2 2. 6% 
Dihurfhulefhti, am linken Ufer nes Brut - - 2 2 2 2.687 
Kartal, an ver Donau. . . a  ;) 7 | 
Anadolka, neben ver Stabt Reni oo... .. ... 
Waleni, am Prut . . . Ey}: 
Brinfa, auch Brindſa, am Brut oo... .. .. 
Kißliza, am linken Ufer des Pru... . 867 


3) Der nieder⸗ budſchaker Bezirk Hat 28 Kolonien (ver Zahl nach vie 
meiften) mit 20,611 Individuen beiderlei Geſchlechts. Diefe beftchen aus: 


Individuen 














2384 bolgarifchen Yamilien mit . | 
58 Fleinruffifchen Yamilien mit . 


zufammen ans 2442 Samilien mit. | 10,615 | 9,996 


Andere Völkerfchaften kommen bier nicht vor. An Areal beflgen dieſe 
28 Golonien 165,155 Deſſj. 297 O.⸗Sſaſhen brauchbares und 2401 Defll. 
262 O.⸗Sſaſhen unbrauchbares Land. 

Die größte der Eolonien ift Pandaklija over Fundukly, feit 1830 be⸗ 
ſte hend, an ver Steppenfchlucht Kafan- Kuba, welche am Katlabug zur Lin» 
fen deilelben mündet, mit 1046 Einw. und 4980 Deſſj. brauchbaren Landes. 

Es giebt außerdem nur noch eine Golonie in dieſem Kreife, welche eine 
Einwohnerzahl von mehr ald 1000 Seelen enthält, nämlih Schikirli⸗Ki⸗ 
taj, feit 1819, zur Linken des See's Katlabug, mit 1042 Einwohnern und 
7380 Defij. brauchbaren Landes. 

Alle übrigen Colonien Haben einen Einwohnerfland von unter 1000 
Selen, nämlich: 

Dimitrijewa, an der Steppenfchluht Wale-Bafhi . - . 970 
Starostrojan, von den Bolgaren gewöhnlich Minitſchewa gran, 

am oberen Ende des Sees Ki . . - . «940 
Haffan»Batyr, am Fleinen Katlabug . . . 919 
Sfeli-Oglu, am Fluſſe Taſchlyk, der fih in ben See Kitaf ergiefit 914 
Fontino⸗Dſinilor, an der Steppenfchlucht seele), am Wege von 






Akjermann nach Iamaill . - er... 898 
Del’fhiler, an ver Steppenfchlucht — een. 889 
Demlet-Agatich, am Bach Ai-Aga . -. een. 87 
Zfferli, am Fluß AurgyfhrRitl. - - > > en nn a. 807 
Tſchumlekioj, am Fleinen Kurgyſh.. 2870 
Jeni-kioj, zur Linken vom See Kitaſjſſ. 86 


20? 


308 Miscellen: 


Banowa, am großen Katlabug . . een Th 
Burgupdfbi, an der Steppenfchlucht Drakui ........ 769 
Kulewtſcha, am Fluſſe Adſhi⸗Der. . 758 
Dül’men, auh Gülümen, an der Steppe Hajtoluj, die im 
Fluſſe Kurgyſh ausläauft . . || 
Kod- Kitaj, am Fluſſe Kurgufh-Ritaf . ... . . 7172 
Kamtſchik, am linken Ufer des Fluſſes Sfaräta . . . ....6 
Kuparan, zur Linken des Heinen Kurgyſh.. 022020. 666 
Goͤliza, am rechten Ufer des Eleinen Katlabug . . . . .. 650 
Sſatalyk⸗Hadſhi, am rechten Ufer des kleinen Sata 2.68 
Sapdunajewa, am Flüßchen KurgyfhsKitnf . . . - . .. 61d 
Glawan, an linken Ufer des Flüßchens Ali-Aga . . . . 606 
Iwanowa, am Kurgyſh-Fluſſe, gegenüber dem Auegange der Steps 
venfchlucht Wale-Pearfhi . . 5% 


Tropoklo, zur Nechten der Mündung ver Sfaräta” in ben See Kundut 48 
Nowo⸗Karagaätſch, am Flüßchen Mahal, wilchee in den m Sie 


Schahan fließt. . . | 
Nowopokrowka, am Fluͤßchen Jenikioj en. 
Eskipolos, zur Rechten des Sees Kundul . . . 2 2... 


Endlich A) der ober⸗budſchaker Bezirk befigt 20 Eolonien mit 21,86) 
Individuen beiverlei Gefchlechts. Diefe beſtehen aus: 






Individnen 
männl. Geſchl. ſ weibl. Befchl. beiderl. Sid! 

2208 bolgarifchen Banilien mit . 9,785 9,123 18,908 
291 walachiſchen Familien mit. . 4,075 1,008 2,083 
97 Heinruffifchen Familien mit . 334 329 663 

31 arnantifchen Familien mit. . 98 85 181 

5 griechifchen Bamilien mit .. 18 16 4 
zufammen aus 2722 Gamilien mit . | 11,308 | 10,561 | 21,869 


An Areal beflgen dieſe 20 Colonien 137,810 Defij. 755 O.⸗Sſaſha 
brauchbares und 3067 Defii- 1823 Q.-Sfafhen unbrauchbares Bund. | 
Der volkreichſte Ort ift Komrat, welcher als Colonie feit 1819 m | 
flirt und am rechten Ufer des Jalpuchfluffes Tiegt. Er zählt 4160 Barı- 
ner (mworunter 3323 Bolgaren, 607 Walachen, 33 Kleinruffen, 164 Amar 
ten und 33 Griechen) nnd befikt 20,100 Deſſj. brauchbaren Landes. 
Die bevölfertiten Eolonien nächft Komrat find: | 
Kirffow, von den Bolgaren auch Bafch=Fiof genannt, am rechten Ufer te 
Fluſſes Ialpuch, beſtehend feit 1830, mit 1668 Einwohnern und 810 
Deſſj. brauchbaren Landes; 
Kafajaklija, als Golonie feit 1819, gegründet 1812 an ben Steppen⸗ 
fhluchten Karas Türmen und Kara⸗Tſchokrak, die in den Fluß kun 
auslaufen, mit 1334 Einw. und 8702 Defij. brauchbaren Lande; 











Die Bolgaren-Eolonien in Beflarabien. 309 


Kongäs', als Eolonie feit 1819, gegründet im Jahre 1811 am rechten Ufer 
bed Jalpuch, mit 1314 Einw. und 6540 Defif. brauchbaren Landes; 

Wali-Perfbi, ald Eolonie feit 1819, an der Steppenſchlucht gleichen Nas 
mens, die zum Fluſſe Kurgyſh⸗Kitaj ausläuft, mit 1310 Einw. und 
7590 Deflj. brauchbaren Landes; 

Disginſché, ald Eolonie feit 1819, gegründet 1812 an ver gleichnamigen 
Schlucht, mit 1286 Einw. und 9120 Deffi. brauchbaren Landes; 
Twardiza, feit 1830, am oberen Theile der Steppenfchlucht Kurgyſh⸗Ki⸗ 

taj, mit 1242 Einw. und 7208 Deffj. brauchbaren Landes; 
fhadyr-Lunga, ald Golonie feit 1819, an ver Lunga, mit 1208 Ein- 

wohnern und 7680 Deffj. brauchbaren Landes; 

Baurtſchi, als Eolonie feit 1819, gegründet im Jahre 1812 an der Step» 
penſchlucht KarasTürfmen, mit 1029 Einw. und 6420 Deſſj. brauche 
baren Landes. 

11 Eolonien in diefem Bezirke zählen unter 1000 iwehuer, naͤmlich: 
Kirjutne, am linken Ufer des Flüßchens danguza .. . . 995 
Zamajf, am rechten Ufer der Lunguza . . ern. 90 
Beih-alma, am linken Ufer des Salpuchfluffes . ee... 93 
Tſchok⸗majdan, an ver Stppnfhluht . - 2 2 2 0... 708 
Bedgiod oder Befh=gd8, am Fluſſe Zunge . . . ... 
Awdarma, am Anfang der Schlucht gleichen Namens, die dem Bette 

a ne 
Dajdar, an der Lunguza . . 579 
Kiriet=- Lunga, an der Surppenſchlucht Kiriet, "bie zum Fluſſe Aunga 

auslaͤuft 2 2 2. .. 562 
Ferapontijewka, am rechten Ufer der Lunguza. 2. « 536 
Bafhhfalija, an ver Schlucht alelchen Namens, die in die Lunguza 

luft . . 446 
Dfholtat, rechts von der Bunga an der in n diefelße nändenden Schlucht 

DſholtͤůͤcͤͤſcC.4338 

Faſſen wir dieſe Zahlen zufammen, fo befinden ſich in ſaͤmmtlichen 83 
Bolgaren⸗Colonien Beflarabieng: 

8031 Bolgaren» Familien °) mit 69,525 Individuen beiderlei Gefchlechts, 


1825 Walachen- Bamilien mit 12,805 ⸗ ⸗ = 
193 Kleinzufien» Familien mit 1,440 ⸗ ⸗ = 
154 Arnauten »Bamilien mit 1,328 ⸗ ⸗ ⸗ 
und 44 Griechen⸗Familien mit 307 ⸗ = ⸗ 


zufammen alſo 10,247 Coloniſten⸗VFamilien mit 85,461 Individuen maͤnn⸗ 
lichen und weiblichen Geſchlechts. 


ihite 2 Cinſchließlich der 6 bolgariſchen Zigeuner-Familien, welche 56 Ind vlduen 
za 


810 Miscellen: 


Mit Hinzurechnung des ven Kirchen überwiefenen Landes beirdgt tus 
Sefammts Areal des zu dieſen Eolonien gehörigen Landes 598,693 Deffjatinm 
oder 1148,79 geogr. D,s Meilen, fo daß in den Bolgaren- Anflenlungn auf 
jede Quadratmeile 719 Bewohner, und auf jede männliche Seele im Durch⸗ 
ſchnitte 13,57 Defljatinen Land zu rechnen ſind, mworunter 11,86 Deiljatinm 
Eulturfähigen Bodens fich befinden. 

J. Altmann, 


Anthracitkohle in China. 


In ver Sigung des Chinazweiges der Königlichen aflatifchen Geſellſchaf 
am 21. März d. $. berichtete Dr. Macgowan über eine von ihm neuerliht 
nach den Boheabergen in ver chineflfchen Provinz Fühkeen (Fühkin) behuf 
Unterfuchung der dort in der Nahe des Neun Drachenflufies (Nine Dragon 
river) gelegenen Kohlenlager unternommenen Reife. Er Hatte die Kohle von da 
Natur ver Anthracitkoßle und ftellenmweife ver beften amerifanifchen Anthracitfofl 
im Werthe ganz gleich gefunden, doch werbe, wie er erfuhr, bis jetzt nur wei 
davon gewonnen, da nur ein geringer Begehr danach fei, ver fid jedoch IM 
Vergrößerung der chinefifchen Dampffchifffahrt außerorbentlich fleigern müſt 
zumal dad Product Teicht nach dem Meere verführt werben könne. Sept folk 
die Tonne davon zu Amoy 44 Dollar. Deshalb empfahl auch Macgoman rn 
möglichft genaue Unterfuchung ber Ausdehnung ver Lager diefer Kohle, di 
von den Chineſen bisher nur zum Kalkbrennen benußt wird, da bie vallga 
Eifenhütten noch Fein fo flarfes Gebläfe beiten, um ihre Erze mit Antprant 
Eohle verfehmelzen zu können. Der in ver Sigung anmwefende M. Hırar 
erfannte in ben Pflanzenabbrüden ded Leiten im Liegenden ver Kohle (Ur 
der Clay) Abprüde eben folder Stigmarien, wie fle die entfprecheuben Shit 
ten der englifchen und norbamerifanifchen Kohlenformation führen. In Ve 
zug auf Macgowan's Korfchungen berichtete noch der DBorfigende, ©it John 
Bowring: es fei ihm ein officielles Schreiben des Gouverneurs bon Fühln 
mit einer Beſchwerde darüber zugegangen, daß neugierige Fremde in had Keh— 
Ienrevier und zwar über die für Excurſionen durch die Verträge angeti 
fene Grenze hinaus eingebrungen wären, unb baf ber Gouverneur bedhil 
bei ihm auf Beflrafung ober wenigftens auf einen Verweis dieſer Neugktt 
gen angetragen habe, eine Anzeige, die in der Verſammlung große Heiterkeit 
erregte (Overland China Mail. Hongkong, 10. Juni 1855). 

| Gumprecht. 





Das letzte große Erpbeben in Japan. 811 


Das lebte große Erdbeben in Japan. 


Die dad eich Japan bildende Infelkette Tiegt in einer ungeheuren Strei- 
fungslinie vulfanifcher Thätigkeit, welche im Süpen mit den Vulkanen auf 
Jaya, Sumbava und ven Molnden, vielleicht ſogar ſchon mit dem Krater auf 
der Infel St. Paul over Amſterdam beginnt, durch die Marianen, Bhilippi- 
nen und die Lutſchugruppe fortfeßt, in den japanifchen Inſeln durch zahl: 
reiche Vulkane, Thermalquellen und Schwefelablagerungen ſich Eund giebt und 
endlich nörblich von Japan burch die Kurilm bis zu den großen Bulfanen 
auf Kamtſchatka zu verfolgen ik. Mit viefem faſt ven ganzen Oftrand Aſiens 
begleitenden Zuge vulfanifcher Punkte laͤßt ſich nur noch ein einziger auf 
Erden in Bezug auf Ränge, gemeinfchaftliche Richtung von Shoen nach Nor» 
den und Intenfität feiner Erfcheinungen vergleichen, nämlich der, welcher bei 
nahe auf dem ganzen Weſtrande des amerifanifchen Eontinentd vom Gap 
Horn bis zur Halbinfel Unalafchla fortläuft. Sieht man noch, wie bie 
vulfanifche Thätigkeit von Unalaſchka aus in ven Vulkanen ver Aleuten- 
Infelreibe nach Welten zu fortfeßt und endlich mit ven Bulfanen ver Beh⸗ 
rings⸗ und Kupfer» Infel an die Vulkane von Kamtſchatka fich anfchließt, fo 
ſcheint e8 in ver That, ald wäre das ungeheure Becken des flillen Ocean 
von drei Seiten durch einen ununterbrochenen Zug vulkanifcher Phänomene 
umfchloffen, und man vürfte wohl nicht irren, mit 3. R. Forſter und Steffens 
den Boden dieſes Dceans felbft als die Dede eines einzigen großen fubmarinen 
vulfanifchen Heerdes anzufehen, vefien Rauchfänge die offenen Kratere der zer- 
freuten Fleinen SüofeesInfeln bilden. In dem meftlichen Afte ded angeveuteten 
großartigen vulfanifchen Gebietes erfcheint nun, wie erwähnt, bie unterirbifche 
Thatigkeit auf den Japanifchen Infeln durch eine große Zahl mächtiger Vulkane 
(Leop. v. Buch führte im I. 1825 14 allein mit Namen auf; Phyftkalifche 
Befchreibung der canarifchen Infeln S. 319— 382), von Thermalquellen, 
Schwefelablagerungen und Erdbeben vertreten, und nicht mit Unrecht fagte 
ſchon ber eben genannte Naturforfcher, daß Japan, wie Duito, Java, Gilolo 
und Lucon, ein Hauptſitz vulfanifcher Wirkungen fei. Beſonders ift von den In⸗ 
feln dieſes Reiches die nörbliche und größte derfelben, Jeſſo, reich an Vulkanen, 
faft alle aber find fo häufigen Erdbeben audgefegt, daß nach dem Ausfpruch des 
Jeſuiten Charlevoir (Histoire et descript. gener. du Japon. Paris 1736. 
J, 11), fein anderes Rand befannt fei, welches fo viele Erdbeben habe; durch 
vie Häufigkeit derfelben wäre die Bevölferung aber fo daran gewöhnt, daß fle 
nicht Darauf achte, wenn auch die Phänonene mitunter von ber größten Heftig- 
feit feien, daß ganze Städte umgemworfen und vie Ginwohner unter den Trum⸗ 
mern begraben würden. So wurde 3.8. im I. 1703 nach Charlevoir bie 
auf der größten Infel Nipon oder Niphon gelegene Hauptſtadt des Meiches 
und Meflvenz des Beherrfchers, Jeddo, durch ein gemwaltiges Erdbeben zerftört, 
fo daß 200,000 Menfchen dadurch zu Grunde gingen (a. a. O. ©. 12), 


312 Miscellen: 


Kämpfer’, Thalberg's, Tſitſing's, v. Siebold's und der neueren Seefahrer An: 
gaben flimmen in der Hinficht mit Charlevoix vollkommen überein. Das am 13. 
December des vorigen und im Januar dieſes Jahres auf Niphon flattgefundene 
große Erpbeben ift nun ein neuer Beweis, wie wenig in ver oftaflatifchen Zow 
die Intenfltät der vulkaniſchen Thätigkeit in neuerer Zeit abgenommen bat, wenn 
gleich, wie ein Bericht ausdrucklich erwähnt, bie japanifchen Vulkane währen 
des angegebenen Ereigniffe gerade Feine beſonderen Phänomene kund gaben, 
wogegen in ben amerikanischen Afte die Beobachtungen in Mexico (Pieſchel 
in der Zeitfchrift TV, 380— 381) und Peru übereinflinmenn eine Abnahme 
der vulfanifchen Thaͤtigkeit zu erweifen fcheinen. Ueber das legte große Eid⸗ 
beben in Japan geben zwei Nummern, die vom 8. und 17. März d. I. ver u 
Schanghai in Ehina erfcheinenden englifchen Zeitung The North China He 
rald umftändlichen Bericht. Ihr Inhalt wird durch ein Schreiben des für 
die naturhiftorifche Kenntnig des öftlichen China fo firebfamen Dr. 3. Nur 
gowan (Zeitfchrift I, 233) aus Macao vom 13. April an Gern A. v. Hum⸗ 
boldt vollkommen beftätigt. Die im Folgenden uns geftattete Mittheilung 
beider Berichte verdankt die Zeitfchrift ver Güte des Herrn v. Humbolbt. In 
biefen Berichten ift beſonders ein ſtattgefundenes Ereigniß von hohem Intrrefl, 
nämlich die in Folge des Erdbebens dauernd eingetretene beträchtliche He⸗ 
bung des Erdbodens, weil dadurch die Hebungstheorie der neueren Geognoſten 
mit einer neuen Stüße bereichert und ein Seitenſtück zu ben bei bem großem 
Erdbeben an der chilenifchen Küfte im Jahre 1822 flattgefundenen Hebungen, 
an deren Michtigfeit man anfänglich fo vielfach zweifelte, erlangt wird. Da} 
in den Jahren 1795 und 1814 bei Unalaſchka flattgefundene Emportretm 
Heiner Infeln aus dem Meeresgrunve kann endlich auch als eine Erſcheinung 
derſelben Art gelten, Gumprecht. 


1. 


Auszug aus einem Schreiben eines nordamerikaniſchen Ser 
Dffiziers am Bord des Dampfers „Powhatan“ in der Nuͤn— 
bung des Dans«tzefiang, vom 2. März 1855 °). 


„Bir fegelten am lebten Donnerflag (vor einer Woche) von Sims 
und Hofften in 5 Tagen Ueberfahrt in Schanghai eintreffen zu Fönnen; abet 
wir hatten kaum den Hafen von Simoda verlaffen, fo überfiel und ein hefü⸗ 
ger Sturmwind, der einen großen Aufwand von Kohlen nöthig machte, um 
ihm Wiverftand zu leiſten. Nachdem ſich dieſer Sturm gelegt hatte, erhed 
fih ein zweiter viel laͤnger anhaltenver, und endlich nach einer Paufe trat 
fogar ein dritter ein, ver noch heftiger war, als bie beiven erſten zuſammenge⸗ 


’) Der Commandeur des Dampfers war mit ber Auswechfelung beö zwiſ hen 
den Vereinigten Staaten und Japan abgeſchloſſenen Tractats beauftragt; die Aut 
wechjelung erfolgte am 21. Februar. 








Das letzte große Erdbeben in Japan. 313 


nommen, fo daß fih dad Schiff Faum noch flott erhalten Eonnte. Niemals 
babe ich je zuvor auf der See etwas Aehnliches wahrgenommen. 

Die Infel Niphon, auf welcher Simoda liegt *), erlitt am 23. December 
1854 ein furchtbares Erdbeben. Die Stadt Obofara, eine ver größten bed 
japanifchen Reiches, wurde völlig vermüftet. Jeddo Litt viel, aber noch mehr 
furz darauf durch einen großen Brand. Die Stadt Simoda war bei unferer 
Ankunft zu einer völligen Wüftenei geworben. Nach dem Erdſtoße erhob fich 
dad Meer und überflrömte die ganze Stadt; dann ftrömte es in einer Tiefe 
von 6 Fuß, den ganzen Boden bedeckend, eben fo gewaltiam zurüd zum Deere 
und riß Häufer, Brüden, Tempel und Alles mit fi} fort. Fünfmal wäh- 
rend bed Tages wiederholte fich dieſes fürchterliche Fluthen und verwanbelte 
die ganze Gegend weit und breit in eine Einoͤde. Die größten im Hafen lies 
genden Djunken wurven über die höchfte Waflermarfe, 1 bis 2 Meilen weit 
auf daB trodene Land verjebt. Zum Glück Eonnten noch viele der Stabtbes 
wohner fich bei anbringenver Fluth auf die nahe liegenden Berge retten, aber 
über 200 verloren durch Ertrinken ihr Reben. Die ruſſiſche Sregatte „ Diana“ 
mit 50 Kanonen, unter dem Viceadmiral PButiatin, der fich felbft am Bord 
befand, war im Hafen von Simoda noch mit der Ausfertigung des von ver 
ruffifchen Negierung mit der japanischen abgefchloffenen Tractates befchäftigt. 
Unmittelbar nach dem erften Erpbebenftoß Fam die Waflermafle des Hafens 
in folche Convulſionen, Fluthungen und Wirbel, daß in Zeit yon 30 Minus 
ten bie Fregatte 43 Mal völlig um fich felbfi herumgedreht wurde, und daß 
fih ihre Taue und Ketten in Knoten verwidelten. Die Bewegung war fo 
reißend ſchnell, daß fich Feiner der Schiffsmannſchaft auf ven Beinen erhalten 
konnte, und daß Alle in Taumel und Schwindel geriethen. 

Nach den Zurücdweichen ver Fluth blieb die Bregatte, welche gewöhn⸗ 
Lich 21 Fuß tief in das Wafler ging, bei 8 Fuß Waſſertiefe ſtehen. Als vie 
Fluth wieder heranftrömte, flieg fie zwar 30 Fuß über ihre gemöhnliche Höhe, 
aber als viefelbe nochmald zurüdwich, blieben ver Fregatte nur noch 4 Buß 
Waſſer übrig, fo daß man vie Ankerhafen über dem Wafler hervorragen fa. 
So gewaltig war die Hebung des Bodens in der Bai, daß die Vregatte, ob- 
wohl nur 4 Fuß im Wafler ſtehend, doch von ihren Ankern Ioögeriffen und 
fortgetrieben wurbe, Die Offiziere des Schiffed dachten jeden Augenblid, es 
werbe fich der Boden der Bai ſelbſt als ein Feuerſchlund öffnen und fie ver- 
Schlingen. Als das Schiff wieber flottirte, ſah man den losgerifſenen Kiel 
und dad Steuerruber neben dem Schiffe ſchwimmen, welches fich fogleich mit 
Waſſer fühlte. Noch fuchte man daſſelbe durch allerlei Hilfsmittel flott zu 
erhalten, und zog ed am folgenden Tage, nachdem dad Meer ruhig geworben 
war, in ein tiefered Waller der Bai. Zwar fühlte man noch einige Stöße, 
viefelben brachten jedoch keinen weiteren Schaben. 


3) Weber Simoda ſ. Zeitfchrift II, 500— 501; IV, 231, 235 u. f. w. 


314 Miöcellen: 


Weil der Hafen von Simoda zur Reparatur des Schiffes untauglich 
war, bugfirte man daſſelbe mit 100 vorgefpannten japanifchen Booten in 
eine andere, 7 Meilen davon entfernte Bai. Als aber bier ein Sturm die 
Bregatte überfiel, fanf fle ganz unter Wafler; das Leben ver Mannjchaft und 
der Offiziere wurde zwar in den japanifchen Booten gerettet, aber nichts 
von der Ladung des Schiffes, fo daß die Mannfchaft nur das, was fie auf 
dem Leibe trug, mit an das Land brachte. Nur das Leben eines einzigen 
Matrofen, ver feinen Tod zwifchen zwei Kanonen, zwilchen welchen er einge 
Flenımt war, fand, ging dabei verloren.“ 


2. 
Auszug aus dem Logbuche der Bregatte „ Diana”. 


„Ohne jedes vorbergegangene Anzeichen fpürte man ven erſten Erdbeben⸗ 
ſtoß 4 nach 9 Uhr auf dem Verdeck des Schiffes und in der Kajüte fehr 
beftig; er hielt 2 bis 3 Minuten an. Um 10 Uhr rollte eine große Woge 
in die Bai, in welcher die Sregatte vor Anfer lag, und in wenigen Minuten 
lag die ganze Stadt mit Käufern und Tempeln im Wafler; die vielem vor 
Anker liegenden Schiffe ſah man nach allen Richtungen hinfluthen, an einander 
ftoßen und in Folge des Stoßes in Trümmer fallen und finfen. Nur 5 Ri: 
nuten fpäter beobachtete man, wie dad ganze Seewafler der Bai ſich eiporhob 
und Fochte, gleich ald wenn es durch tauſend Quellen emporgetrieben würbe, 
indem ed mit Schlamm, Lehm, Stroh und anderem Material aller Art ges 
mengt war, dann wie ed mit furchtbarer Gewalt zurüditrömte und Stadt und 
Land und alle Schiffe vollends vernichtete. Unfere Mannfchaft mußte die 
Kanonenlöcher ſichern, da das Waſſer mit Balken, Dächern und Trümmern 
aller Art umberwogte. Die Fregatte riß fih + auf 11 Uhr von ihrem Anfer 
108. Sofort wurde der zweite Anker berabgelafien, dennoch fam das Schiff 
in eine wirbelnde Bewegung, und es wurde gezwungen, feine Stelle zu 
verlaffen, ald das Wafler mit größerer Geſchwindigkeit, als zuvor, herbeifam. 
Die ganze Stadt war ein einziger Schauplatz ver Verwüſtung, von etwa 
1000 SHäufern fanden nur 17 noch aufrecht. Dicke Dunftwolfen Tagerten 
um diefe Zeit auf der Stadt, und die Luft war erfüllt mit Schwefeldünften. 
Das plögliche Steigen und Ballen des Waſſers in der engen Bai gab zur 
Bildung zahlreicher Wirbel Veranlaffung, wodurch die Sregatte in eine fo 
drehende Bewegung kam, daß am Bord Alles fchwinnlich murde. Um 10! 
Uhr wurde durch die furdhtbaren Wirbelftrömungen eine Djunfe gegen die 
Fregaite gefchleudert und verfanf fogleich in Splitter; nur zwei Mann, denen 
man Stride guwarf, Fonnten gerettet werben, die übrigen fanden, in die Ka⸗ 
jüte zufammengevrängt, den Tod. Nun wurde die Fregatte felbft im Wirbel 
mit fortgeriffen, doch erhielt ſie ſich während der Ad maligen Umbrehung fern 
von den umliegenden Klippen, an welchen fie fonft, angefchleuvert, zertrümmert 
worden wäre. Aber bie erlittenen Stöße hatten die Kanonen von ihrer Stelle 











Das letzte große Erdbeben in Japan. 315 


gerüdt, einen Mann zerqueticht und andere verwundet. Bis zur Mittagd- 
ſtunde hörte Das Steigen und Ballen des Waſſers in der Bai nicht auf, fo 
daß die Höhe veflelben von weniger ald 8 bis 40 Fuß wechſelte. Gegen 
2 Uhr wiederholten fi die Emporhebungen des Seebodens fo ſtark, daß bie 
Fregatte dadurch mehrmals auf die Seite gelegt wurbe, und man bei einer 
Tiefe von nur 4 Buß die Anker zu fehen bekam. Nun erft berubigte fich 
das Meer; die Fregatte brauchte vier volle Stunden, um fich aus den Vers 
fchlingungen ihrer Taue und Anferkeiten beraudzuminden. Die Bai war voll 
Ruinen. 

Am 13. Januar konnte man erſt die Erlaubniß vom japaniſchen Gou⸗ 
vernement erhalten, in eine andere Bai zur Reparatur überzuſchiffen. 100 
Djunken wurden vom Gouvernement beorbert, der Fregatte beizuftchen. Glück⸗ 
licher Welle waren bie Kranken und Verwundeten fammt ver Mannfchaft in 
den Booten, ald die Japaneſen, durch eine Eleine weißliche Wolke vor einem 
herannahenden Sturme gewarnt, bie Taue abjchnitten und nad) dem Lande 
davoneilten. Hätten ſie länger verweilt, fo wäre Alles vom Sturme vernich- 
tet worden. Die Fregatte verfant unmittelbar darauf in die Meerestiefe. 

Die Umgebung der Bai zeigte überall Spuren häufiger Erdbeben! Es 
fhien mir, als müſſe ein untermeerifcher Feuer⸗Canal, der mit dem Vulcan 
der Infel Ohoſima in directer Verbindung fteht, unter Der Bai von Simoda 
weggehen und biefe Bewegungen in der Richtung von Suͤdweſten nad) Nord⸗ 
often, wie fie Hier vorberrfchenn fein follen, veranlafien. In allen Schichten 
der umliegenden Felſen fleht man Schwefelmafien abgefebt. 

Aber auch die ganze Infel Niphon Titt von vemfelben Erdbeben. In 
Jeddo ſelbſt wurden mehrere Häufer niebergemorfen. Zu Ranagawa, wo ber 
erfte Handeldtractat der Japaneſen mit den Vereinsſtaaten von Norpamerifa 
am 31. März 1854 in 12 Artikeln abgefchloflen wurbe, war eine ganze 
Mauer umgeworfen. In Oſaka litt man durch Erpbeben und Feuersbrunſt 
zugleich; ganze Felsmaſſen ftürzten herab und zerfehmetterten Hänfer mit ih⸗ 
ren Bewohnern. Die Stadt Stmoba, welche für den Hauptmarkt der Ame⸗ 
tifaner im Tractat beflimmt war, wird nicht leicht wieder zu einem Marktorte 
ſich eignen, fowie die anliegende Bai eine fo völlig veränderte Bodenlage er- 
halten hat, daß auch fie fchwerlich den Bedürfniſſen amerifanifcher Schifffahrt 
wird entfprechen Tonnen. Man wirb deshalb zu neuen Tractaten fchreiten 
müſſen.“ 

Die Despotie des japaniſchen Gouverneurs der Stadt Simoda, fügt der 
Meferent Mir. Lobſchied feinem Berichte über das Erdbeben Hinzu, vermehrte 
noch das Leiden der unglüdlichen Bewohner des Ortes, indem er ihnen, die 
in ihren Lumpen kaum das Leben gerettet Hatten, bei Tobeöftrafe verbot, vor 
Ablauf von drei Tagen auch nur das Geringfte aus den Trümmern ihrer 
Wohnungen zu berühren und zu retten. Da es fehr Falt und naß war, irr⸗ 
ten dieſe Armen fo lange in Nadtheit, Hunger und Froſt umher, bis ihnen 


316 Miscellen: 


endlich nach 3 Tagen und 3 Nächten erlaubt wurde, dad etwa noch Vorhan⸗ 
dene aus ihren zertrümmerten Wohnftätten zu holen. Doch follen nach fpä= 
teren officielen Angaben nur 90 Menfchen bei dem Erbbeben in Simoba ihr 
Leben verloren haben. 

Dr. Macgowan fügt dieſen Berichten in einem Schreiben an Herrn 
v. Humboldt die Bemerkung hinzu, daß feit 70 Jahren Kein gleich heftiges 
Erdbeben in viefen Gegenden gefpürt worden fei, und zugleich daß auffallen- 
der Weife auch Feiner ver vielen japanifchen Bulfane dabei einen Ausbruch ge= 


zeigt Habe. C. Ritter. 


Borftehende Nachrichten über das Erdbeben in Japan erhalten noch durch 
einige Notizen in einer fpäter durch pie Glite des Herrn A. v. Humboldt ung zu⸗ 
gegangenen Nummer ver fchon erwähnten Hongkong⸗Zeitung Overland China 
Mail vom 10. Juni einige Ergänzungen. Diefelben finden fich in einem Ber 
richte Dr. Macgowan's, welchen verfelbe am Tage zuvor in ver Sikung ber 
aftatifchen Geſellſchaft zu Hongkong gelefen und urfprünglidh für Herrn von 
Humboldt beftimmt Hatte. Der Verfaſſer bemerkte in feinem Vortrage, daß 
bie Phänomene des Erdbebens große Aehnlichkeit mit denen des großen am 
1. November 1755 zu Liffabon flattgefundenen gehabt Hätten, indem daſſelbe 
gleichfalls von einer Erhebung ver Binnenwaſſer zu Chihkiang in China und 
von einem außerorventlichen Zurüdweichen und darauf folgenden Steigen des 
Meeres an den Bonin⸗Inſeln begleitet gewefen fei, gerade wie man zur Zeit 
ver lifjaboner Erverfchütterung die Erhebung fchottifcher See'n und ein wunder» 
bares Steigen des Meermaflerd bei Madeira beobachtete. Ebenſo Hätte im 
3. 1854 das Steigen und Sinken einer sulfanifchen Infel bei Formoſa nebft 
Staubfällen im Bereiche der chineftfchen See flattgefunden, doch fei es nicht 
ficher, ob dieſe Phänomene vulfanifcher oder organifcher Natur geweien wäs 
ren, enblih babe man eine hohe Temperatur der Strömungen bei Formoſa 
bemerkt, jowie auch bie bei ven Chineſen unter dem Namen ber „weißen 
Haare” bekannte und in ihrem Lande ven Erdbeben öfters folgende und 
durch den Contact entweichender Dämpfe und fchwefelicher Säure (emission 
of vapours and sulphuric acid) mit atmofphärifcher Luft angeblich gebildete 
Erjcheinung damals nicht fehlte. 


Gumprecht. 











Barth’ Rückkehr nach Europa und Vogel’d Arbeiten in Central⸗Afrika. 317 


Barth's Rückkehr nah Europa und Vogel’8 Arbeiten im 
nördlichen Gentral- Afrika. 


Seit dem 7. December v. 3., wo Dr. Vogel einem nah Ghadãmes 
gehenden Courier einige mit Bleiſtift gefchriebene Zeilen mitgab, um Kunde 
von feinem und Barth's Befinden nach Europa gelangen zu Iafien (Beitfchr. 
IV, 407), Hatte e8 und an jever Nachricht über das Schickſal diefer Reiſenden 
gefehlt und, wenn nicht in der Zwifchenzeit in Tripolitanien der Aufftand ges 
gen die türkifche Herrſchaft ausgebrochen wäre, welcher eine Unterbrechung 
der Communication erflärlich machte, fo hätte in ver That das lange Aus⸗ 
bleiben jeder Mittbeilung von Seiten ver beiden Korfcher Raum zu Beſorg⸗ 
niffen geben Fünnen. Solche Befürchtungen find nun glücklicher Weife ganz» 
lich befeitigt, indem in ven legten Tagen Barth glüdlich und mohlbehalten 
in Europa angelangt if. Am 8, September, Morgens 11 Uhr, traf der 
treffliche Reiſende zu Marfeille ein, und fo dürften nun zur aufrichtigen 
Breube aller Derer in der ganzen civilifirten Welt, vie feinen großartigen Unter» 
nehmungen 54 Jahre hindurch mit Spannung gefolgt find, die Worte wahr 
werben, mit denen ich die Skizze feines Lebens und Wirkens beſchloß ( Zeit- 
fehrift IV, 89), als ſich vie Nachricht von feinem Tode unter Umſtaͤnden 
verbreitet hatte, die kaum an ihrer Wahrheit Zweifel Iafien Eonnten, obgleich 
eben dieſe Umftände fi ohne Ausnahme fpäter in ver erfreulichften Weife 
als irrthümlich erwiefen. Bei unferes Forſchers raftlofer Thaͤtigkeit laͤßt 
fih wohl mit Grund erwarten, daß, fobald nur feine Geſundheit ihm 
die Arbeit erlaubt, wir nicht ange auf eine Kenntniß der Ausbeute feiner 
Unterfuchungen werden zu warten haben. Nur drei Tage fpäter, fihon am 
11. September, ging bei Seren A. Petermann ein von Barth noch auf ver 
Nüdreife zu Murzuf am 20. Juli d. 3. gefchriebener Brief ein, veflen Ver⸗ 
dffentlichung wir Herrn Petermann verbanfen, und der auch von Vogel's 
Wohlbefinden und feinen Urbeiten die wünfchenswertbefte Kunde bringt. Das 
nach war biefer Neifende im Süden von Bornu bis zu der noch von keinem 
Europäer biöher betretenen großen Fellanſtadt Jacoba (Vacöba), deren Nas 
men man bisher häufig, aber irrig, der Landſchaft Bofchi (Geographie von 
Afrika S. 299— 300), wovon Jaröba nur die Hauptflabt bilder, beigelegt 
hatte, vorgedrungen und Hatte deren genauere Lage beflimnt. Bon da gebachte 
derfelbe feinen Weg durch Adamãua bis Tibati und Baja fortzufegen, zwei Orts 
fchaften, die Barth} zuerft erkundet hatte, und die fich auf Herrn Betermann’s 
großen Karte von Eentral= Afrika zwifchen dem 6. und 7. Grabe noͤrdl. Breite 
und zugleich zwifchen dem oberen Benué und deſſen von Suͤden kommendem 
großen Zufluffe, vem Faro, niedergelegt finven, in Adamãua den Hohen Berg 
Alantifa zu befleigen und enblich ſich norböftlich wendend von da aus zu 
verfuchen, nach dem großen Heiche Naval (Warai oder Sala [Dar Sala]) 


318 Miöcellen: 


zu gelangen. Gelingt viefer Zug, fo wird dadurch einer ber intereflanteflen 
Theile des centralm Nord⸗Afrika's aufgefchloffen, intem der füblidh von 
Adamãua's Hauptſtadt Dola gelegene Alantika, über vefien Eriftenz Barth 
gleichfalls vie erſte Kunde gab, eine fehr bedeutende Höhe erreicht, welche 
Barth auf etwa 8— 10,000 Fuß ſchaͤtzt. Barth, der den Alantifa von Yola 
aus gefehen haben muß, berichtet, daß man ihm denſelben als vulfaniich 
gefchilvert Habe, und daß warme Quellen an ihm beſtimmt zu Tage träten 
(Berl. Monatöberichte, N. 3. IX, 359). Vogel's Beltimmung der Lage von 
Sacöba weicht nun von den bisher angenommenen nicht fehr beveutenb ab. 
Während nämlich Denham's Karte viefelbe im 3. 1826 genau in den 10° nörtl. 
Br. und in 10° 15’ öfll. &. Gr. verfehte, fand fie Vogel in 10° 17’ 30” 
ndrdl. Br. und in 9° 28’ 0” öftl. 2. von Greenw. Aus der und gewordenen 
Nachricht fcheint endlich noch hervorzugehen, wie Herr Petermann ſchließlich 
bemerkt, daß Vogel feine Rückkehr nach Europa aufgefchoben hat und daß 
er zunächft, wie anfänglich fchon von ihm beabſichtigt war, verfuchen will, 
bie öftlich vom Tſad gelegenen Lanpfchaften zum Schauplage feiner Iharig- 
feit zu machen. Gelingt ihm dies, fo dürfte er vielleicht Gelegenheit finden, 
mit der aller 2 Jahre von Uabai nach Benghazi, ver befannten Scehanbele- 
ſtadt in der alten Eyrenaica, gehenden fehr großen Karavane einen ficherern 
Rückweg einzufchlagen, als ven gefährlichen von Uavai ofhrärtd über Dar 
Fur nad) Kordofan, und fo unfere Kunde des centralen Nord - Afrifa mit ver 
Kenntnif des wichtigen Landes des Tibbovolkes zu vermehren. Diefe Wahl 
würbe in ver That einen glüdlichen Erfolg verfprechen, weil die Karavane von 
Uadã nad) Benghazi unter dem fpeciellen Schupe des Beherrfcherd von Hapai 
fteht, und weil fich dieſer Fürſt felbft in fleter Hanvelöverbindung mit den zu 
Benghazi wohnenden europäifchen Kaufleuten befindet, e8 ihm alfo nur von 
Intereffe fein kann, einem Europäer ein fichereö Geleit bis an die Küfte zu ver- 
fchaffen. Auch ſcheint ver tripolitanifche Aufſtand fich nicht bi zur Cyrenaica 
verbreitet zu Haben, fo daß auch in der Hinficht unfer Forſcher Feine Hinder⸗ 
niffe finden bürfte, feine Heimreiſe glüdlich zu vollenden. 


Gumprecht. 


Das Bergſyſtem des Staates New-York. 


Nach feiner natürlichen Gintheilung und Topographie von Brof. F. Emmons '). 


Den Staat Nem= Dorf durchziehen zwei große Thäler; das erfle um 
längfte iſt das des Hudſonoͤſtromes, welches fich, genau genommen, durch tie 


') Aus der Geograplical and commercial Gazette. New York. No. 1. Jı- 
nuar 18505. 








Das Vergſyſtem des Staates Neav- Dorf. 319 


ganze Länge ded Staates von Norden nach Süden erfiredit und bie Vertie⸗ 
fung einfchließt, worin der Champlainfee liegt. Daflelbe wäre deshalb eigent- 
lich das vereinigte Hubfon= und Champlain=- Thal zu nennen. Das zweite 
it Das Thal des Mohamffluffes, welches im Often oder eigentlich mehr noch 
im Norden des mittleren Theils jenes erften Thales endet, und von dem man 
annehmen kann, daß es fich weftlich nach dem Thal der großen See'n und durch 
die Bertiefung, welche den See Oneida und ven Fluß Oswego enthält, hin⸗ 
zieht. Der Staat New⸗Nork zerfällt alfo durch dieſe beiden großen Thäler 
feiner natürlichen Eintheilung nach in rei Abtheilungen von ungleicher Größe, 
eine öftliche, nörbliche und ſüdliche. 

Die öftlihe Abtheilung ift ein langer, fchmaler, von dem Hochlande 
der Graffchaft Butnam bis zur Spite des Champlain⸗See's geftrediter Gür- 
tel, deſſen weftliche Ränder die Grenzen von Eonnerticut, Maſſachuſets und 
Bermont bilden, und der von dieſen Raͤndern ziemlich regelmäßig gegen den 
Hudfon abfällt, aber ver Länge nach von langen fchmalen Thälern durchzo⸗ 
gen wird, deren Streichungslinie im Wefentlichen nach Norden und zwar 
parallel der Hauptkette der grümen Berge von Bermont geht. Diefe Abthei⸗ 
lung enthält den weſtlichen Abhang der an ven dftlichen Raͤndern der Graf⸗ 
ſchaft Columbia gelegenen Taghbkanice Berge, welche die Waſſerſcheide zwis 
fchen den weſtlich in den Hudſon fich ergießenden und ven ſüdlich in den 
Long Island⸗Sund mündenden, endlich auch der im Süden dieſer Inſel bis 
zur Stadt New⸗York vorkommenden Gewäffer bilden. 

Die nördliche Abtheilung oder der nörblich vom Mohawk gelegene 
Theil des Staates enthält einen Verein von Bildungen, die von denen am 
weſtlichen Abhange ver Taghkanicherge ganz verfchieden find, indeſſen wird Die 
Darftellung fehr vereinfacht, wenn man fich diefen Theil von New⸗Mork als von 
einem einzigen großen Zuge von Bergen und Hochländern (highlands) durch⸗ 
zogen denft. Es würde ver Zug dann bei Little⸗Falls im Thale des Mohawk 
beginnen, fi in einer nordoͤſtlichen Richtung durch dad Land Hindurch bis 
Zrembleaus Boint in ver Nähe von Port Kent, Graffchaft Efier am Cham⸗ 
plain= See, verfolgen laffen und als eine einzige große Erhebung gelten Fön 
nen, wovon ein Theil bis zu der böchften Höhe in ver Nachbarfchaft von 
Mount March anfleigt. Der Abfall ginge Demnach nach den großen, viefen 
Theil ded Staated begrenzenden Thälern bin. Freilich genau genommen: ift 
dieſe Auffaffung nicht ganz richtig, indem fich mehrere parallel laufende 
Bergreihen, wenn man auf einige zwifchenliegende Felshöcker Fein beſonderes 
Gewicht legt, unterfcheiden laſſen. Die einzelnen Bergreihen wollen wir num 
befchreiben, indem wir mit ven öftlichften beginnen. 

Die erfte Reihe iſt als eine folche zu betrachten, bie fich in ber Graf⸗ 
[haft Saratoga erhebt; ihr Anfang liegt Bier in ver Nähe von Wilton und 
wenige Meilen nörblich vom Bade Saratoga, worauf fe einen norböftlichen 
Weg Durch die den George See vom EChamplain» See trennende Landzunge 


320 Miscellen: 


verfolgt und zulegt an dem Seeufer fünlich von Ticonderoga bei Mount Te: 
fiance endet. Raub und fteil wird ſie erfl, wenn ver Hudſon in der Nach⸗ 
barſchaft von Morenu fte durchbrochen Hat. Wo file zwifchen ven beiden 
See'n eingefchloffen ift, flürzt fle nach beiden Seiten fleil in die Tiefe, und das 
Terrain nimmt einen rauhen und unebenen Charakter an. Sie führt den 
Namen der Palmertown⸗Reihe; ver zwifchen beiden See'n gelegene Theil ver: 
felben Heißt jenoch zuweilen Blad- Mountains oder die Tongues Mountains. 

Die zweite Reihe erhebt fich in dem norböftlichen Theile der Grafſchaft 
Montgomerry und folgt einer mit der erften parallelen Richtung, indem fie 
durch die Grafichaften Saratoga und Warren, dem weftlichen Ufer des See's 
George entlang, fortfeßt; bei Ticonderoga endet fie. Ihre Breite beträgt un⸗ 
gefähr 6 engl. Meilen, ihre Länge nicht viel weniger, ald 60. Der franzö- 
fifche Berg Liegt zwiſchen beiden Bergreihen und ift ungefähr 6 engl. Meilm 
lang. Gewöhnlich führt dieſe zweite Kette den Namen Kavaberofferas, zu- 
weilen beißt fie aber auch die der grünen oder Rucernefelnberge; fie wirb in 
der Nichtung der Graffchaften Warren und Saratoga durch den Hudion 
durchbrochen, und zwingt den Fluß Sacandaga, um ihren Zuß herum eine 
norböftliche Nichtung einzufchlagen und fich bei Hadley mit dem Hudſon etwa 
5 oder 6 Meilen oberhalb des romantifchen Waſſerfalls gleichen Namens zu 
vereinigen. 


Die dritte Reihe erhebt ſich in Mayſteld oder doch in dem nörblich von 


Johnston gelegenen Theile des Landes und zieht ſich durch den öftlichen 
Theil von Hope, Athol, Chefter und Schroon, worauf fie am Champlain⸗ 
See in der Nähe von Eromn» Point und Port Henry endet. Cranes Moun⸗ 
tain in Athol und Pharaoh in Schroon bilden bemerkenswerthe Höhen in 
derſelben. 

Die vierte Reihe ſteigt aus dem Mohawkthale in der Nähe oder zu Balatine 
ſelbſt auf und verfolgt eine mit der vorhergehenden gleiche Richtung; ſie ziekt 


durch den weftlichen Theil von Hope oder zwifchen Hope und dem See Plea⸗ | 
fant, ferner durch den meftlichen Theil von Schroon und Moriah und endet 


endlich an dem See bei Willdborough. Es ift dies ein hoher und iniponi⸗ 
render Höhenzug, deſſen höchfter Theil ſich weftlich von Pondsville in ver Starı 


Moriah befindet '). Dix's Pit erhebt fich etwas weiter ndrblih und län 
ſich am beften von Johnſon's am Elearpond aus erbliden; er bildet die Höchite 


Spite ded Zuges überhaupt. 

Der fünfte und bedeutendſte Höhenzug nörklich vom Mohawk kann zer 
Elinton» Zug genannt werben, der fchon als bei Little Falls beginnend und ber 
Trembleaus Point endend erwähnt wurde. Wo verfelbe feine größte Höbe 


erreicht, finden fich viele hohe, in bemerfenswerthe, wie Abirontadl-Grurr: 


1) Its most celerated portion is to the west of Pondsville ın the town ı 
Moriab, fagt Emmons woͤrtlich. 





Das Bergfuften im Staate New Dorf. 921 


genannte Berggruppe zufammentretende Pics. Die Elintonreibe ift die wirk⸗ 
liche Waſſerſcheide dieſes Theils des Staates; fle trennt die Waffer des Hubs 
fons, d. 5. die füblich in das atlantifche Meer fliegenden, von denen, welche 
nörblich in den Lorenzgolf fich ergießen. 

Weſtlich von der Clintonfette befindet ſich noch eine weniger deutliche, 
weniger in ihrem Zuge regelmäßige und weniger vollfommen bezeichnete Berg⸗ 
reihe, die fich befonverd in ihren fünlichen und mittleren Theilen längs dem 
weftlichen oder St. Lorenz» Abhang Hinzieht und deren nörblicher Theil fich 
durch vereinzelte Pics oder Berggruppen außzeichnet. Sie endet einige Mei⸗ 
Ien nörblich von der canadiſchen Reihe und bildet ven närblichen Abhang bes 
Landes; zu ihr gehören vie Hügel von Ellenburgh und Chateaugay. Nörd- 
Iich folgt ſodann die Ebene Nieder⸗Canada's, und man erblidt von ihrem 
Abfalle vollkommen viefe ebene und durchaus flache Gegend zwifchen dem His 
chelieu⸗ und St. Lorenzfirome. Die Hauptberge des nörblichen Theiles biejes 
Zuges find Mount Seward in der Grafſchaft Franklin und Lyon Mountain 
in der Grafſchaft Glinton. Der erfigenannte Berg ift ver hoͤchſte Theil einer 
deutlichen Berggruppe, welche, wenn man ven Long Lake binabfährt, fehr bes 
deutend bervortritt. Der fürliche Theil viefer wichtigen Bergkette zeichnet ſich 
Dagegen durch ein Querthal aus, worin jich die Bultonfee'n» Kette befindet, 
und welches ein bequemes Terrain für einen Weg von dem Thal des ſchwar⸗ 
zen Fluſſes nach dem Tafellanne von Racket und Long Lakes und von hier 
weiter nach dem Hudſonfluß oder dem Champlainfee darbietet. 

Gehen wir dann zu der ſüdlichen Abtheilung des Staates zwifchen dem 
Dntariofee und PBennfylvanien über und Taffen vie Fleinen Unregelmäßigfeiten, 
ſowie wellenförmige Erhebungen ver Oberfläche unbeachtet, fo koͤnnen wir bad 
ganze Territorium zwifchen dem See und der Grenze ded Staats als allmaͤh⸗ 
lig anſteigend betrachten, bid e8 dad Marimum feiner Höhe in dem fünlichften 
Theile der Graffchaften erreicht. Won einer wirklichen, viefe Abtheilung des 
Staates vurchziehenden Bergkette können wir aber Hier nicht fpreihen, indem 
Die Vertiefungen der Oberfläche des Terrains allein durch vie Zerftörung ber 
weichen und leicht zerftörbaren Schieferletten und Sandfteine entſtanden find, 
oder mit anderen Worten, die Thäler, worin dieſe zahlreichen Seen Tiegen 
und durch welche der Fluß feinen Lauf nimmt, find Eroflonsthäler, deren 
Mehrzahl fich nach Norden dffnet. Die öftlichen und weſtlichen Wege, d. h. 
diejenigen, welche quer auf vie Thäler flogen, find hiernach bergig, oft fteil 
und verleihen ver Landſchaft ven Charakter eines Gebirgslandes. 

Wenden wir uns zulekt dem füböftlichen Abfchnitte dieſes Theiles des 
Staated zu, fo finden wir den Character feiner Terrainverhältniffe wieder ſehr 
verfchienen von dem im Weſten, indem wir Hier deutlich drei Bergzüge untere 
fcheiven Tönnen: 1) die Hochlänver der Graffchaften Orange und Putnam, 
2) den Shawangunf mit einer regelmäßigen Kette, ebenfalls einer norböfllis 
hen Richtung folgend und das Thal von Rondout begrenzend, envlich 3) bie 

Zeitiche. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 21 


322 Miscellen: 


Catskills, deren Richtung nach Nordweſt oder nach dem Thale des Mohanf 
geht, und deren Fortiegung die Grafichaften Albany und Schoharie berührt. 
In dieſer Verlängerung treten vie Helverberg» Berge auf, vie, ald ein Gans 
368 betrachtet, einen der intereflanteften topographifchen Umriſſe des Staates 
bilden ). 

Aus diefem, wenngleich Eurzen und noch unvollftändigen Berichte ergiebt 
ſich alfo, daß drei verfchievene Bergfpfteme den Staat New» Dorf durchſchnei⸗ 
den, nämlich: 1) das norböftliche in Nord⸗, wie in Süd-New-Morf, 2) das 
Nordſyſtem im öftlichen Nem»Mork und 3) dad nordweſtliche Syſtem ober 
das der Catskillberge. Diefen Bergſyſtemen ift jedoch bis jeßt noch nicht wie 
verbiente Aufmerffankeit zu Theil geworben, und es ift deshalb nicht möglich, 
über dieſen intereflanten Gegenftann mit völliger Beſtimmtheit zu fprechen. 
Dad Weſen des nörblichen und norböftlichen Syftemd wird wenig in Zweifel 
gezogen; aber felbft wenn man bie Richtung ber Catskillberge oder die des 
norbweftlicden Syſtems im Allgemeinen auffaßt, ift unfered Erachtens nad; 
gleichfall8 wenig Grund vorhanden, unfere Auffailung zu bezweifeln. Der 
Gegenfland erfordert noch weitere Unterfuchungen; es ift ein Feld voll in- 
tereffanter Phänomene, worin biöher Wenige im Lande geforfcht Haben. 


Höhe der verfchiedenen Berge in dem Staate New» Mor. 
a) Noͤrdliche Abtheilung: Eneldni 


Mount March ?) over „Tahawus“, Gruppe von Adirondack, Graf⸗ 
haft Er. > en nen. 5467 
ı) Die Helberberge find im der Geognofie Nord-Amerika's durch die großen 


Mafien von Steinfohlen berühmt geworben, die in ihnen auftreten. Sir Charles Lyell 
hat ihnen cine befondere Aufmerkſamkeit gewidmet. ®. 


2) Mount Marcy, der König diefer Wildniß, thront über den ihn umgebenten 


Höhen mit einer wunberfchönen Kuppe oder von einer Seite vielmehr mit einer kei- 
nahe fharfen Spike. Da er über alle feine Umgebungen auffleigt und mit feinem charak⸗ 


teriftifchen Wefen zu beveutender Höhe ſich erhebt, fo iſt es unmöglich, die Nichtigkeit 


des ihm von den Indianern in ihrer Fräftigen und fchönen Bezeichnungsweife gegebe⸗ 
nen Namens zu verfennen. Diefe nannten ihn nämlich den himmelanftrebenden Berz 





vTawahus⸗ — „den Wolfenfpalter«. Seine Höhe über dem höchſten Stande des 


Meeres bei der Fluth beträgt 5467 engl. Buß. Bine andere Höhe Mount Me. In⸗ 
tyre, von welcher man annimmt, daß fie etwas niedriger, als der Mount Marcy if, 
übertrifft dieſen vielleicht noch an erhabener Majeftät und zeigt eine gleichmäßigere, 
maffige und compacte Structure. Der Dial Mountain, Me. Martin, Calden und an: 
bere ungemefiene Pics von fcheinbar gleicher, wenn nicht gar noch hebentenberer Höhe 
treten ebenfalls im dieſer Gruppe auf und ertheilen der Landſchaft den Stempel alpi⸗ 
nifcher Großartigkeit. 

Bine Hohe, unter dem Namen Keene Mountains befannte Kette bietet einen 


eigenthümlichen Anblid dar; fie erfcheint finfter, zerllüſtet und drohende. Der White- 
face Monntain, in dem majeftätifchen indianifchen Dialect „Wahopartenie genannt, 


von 4855 Fuß Höhe, ſteht entfernt von ben anderen Gruppen unb bildet die mert: 
liche Spitze bes hohen, die Stadt Nord» Elba einfafienden Berggürtele. Diefer Bir 
bildet durch feine bewunbernswerthen Berhältniffe, wie vergleichen felten vorfonmen, 





Das Bergiuftem im Gtaate New «Dorf. 828 


Erngl. Fuß 
Mount Dec. Intyre, Gruppe von Adirondack, Grafſchaft Efir . . 5183 
Mount Me. Martin, = = - - =. . ..5000 
Dial Mountain, ⸗ ⸗ ⸗ ⸗ =»... 490 
Whiteface Mountain » = ⸗ ⸗ =» 0... 4855 


Mount Seward, Graflchaft Sranfin - > 2 2 2 2 22.224600 
Mount Emmons, Graffchaft Hamilton . -. - 2 2 4500 
Erane Mountain, Graffchaft Warın -. - > 2 2 2 2 2°. 8000 
Mount yon, Grafſchaft Clinton . . . 2 2: 2 2 2 2 vv 
Mount Pharaoh, Srafichaft Eier - - - : 2 2 2 — 
Bald Mountain, Srafihaft Ar - - - : 2 2 2 2 m 
Mount Deftance, Grafſchaft Wafhingten . -  : 2 2 2 2 2 


b) Güdliche Abtheilung: 
Round Top, Cattskillberge, Graffchaft Greene - - - 2 2 2. 3804 
High Veak, . . 22 nn. 8718 
Pine Orchard, ⸗ ⸗ .... 43000 
Shawangunk, Grafſchaft Sullivan. 2 220.2. 1866 
Helderberg, Grafſchaft Mbanm - - 2 2 2 2 2 — 


c) Oeſtliche Mbtheilung: 


Taghkanic, Graffchaft Columbia - - - > > 2 2 2 
News Beacon, Highlands, Graffhaft Putnam . . 2 2. . 1685 


Butter HIN, ⸗ ⸗ Orange. 2 2 20.0.1520 
Erow’d Neft, ⸗ Orange. 2 0 2 1400 
Sugar Loaf, ⸗ ⸗ Putnam. 1300 


Fiſhkill oder Matteawan '), Highlands, Grafſchaft Dutcheß. — 
Breakneck Hill oder Upper Anthony's Noſe, Grafſchaft BPutnam . 1187 
Anthony's Noſe, niedriger Eingang in die Hochlande, Grafſchaft 

Putnam ¶ ® L ‘ “ v ‘ 0 0 0 0 ® ® “ ‘ 0 0 [ } 1128 
feine Tahle Kuppe, feine vereinzelte Stellung und fein Emporragen über die Umges 
bungen ein wunderfchönes, weit fichtbares Wahrzeichen in einem teiten Sorigont. 

Die allgemeine Stimme ift nicht geneigt, denen beizuflimmen, welche bie einges 
borenen Benennungen der natürlichen großartigen Bildungen des Kontinents verlös 
fchen möchten, um ihnen andere von politifch hochftehenden und in ihrem Privatcha- 
rakter hoͤchſt achtbaren Männern entlehnte zum geben, indem bie alten indianiſchen Na⸗ 
men fich durch Kraft, Wohlllang, Schönheit und Beziehung auszeichnen. Die Namen, 
welche vie Ureinwohner den natürlichen Derhältnifien ihres Landes gaben, werben fos 
gar bald die einzigen Grinnerungen an ihre eigene Griftenz fein. Siehe »Phyfifalifche 
Geographie ver Grafſchaft Efier von W. C. Watfon« in den Transactions of the New 
York State Agricnltural Society for 1852. Emmons. — (Ueber das neuere Beftres 
ben der Gelehrten Nord: Amerikas, die alten indianifchen geographifchen Namen wie⸗ 
der in Gebrauch zu bringen, f. Kohl in diefer Zeitfchrift IV, 505.) 

2) Diefer Name wird den „Highlands“ von den Gingeborenen gegeben, indem 
fie damit die Landfchaft „Good Fur" meinen. 

Gumprecht. 


21* 


BRA Miscellen: 


Der Eishandel in Nord⸗Amerika. 


Es find gerade jetzt 50 Jahre, daß ein intelligenter Kaufmann zu Bas 
fton, Namend Tudor, auf ven Gevanfen kam, das Eis auch in Nord Amrrife 
zum Handelsgegenſtande zu machen und bie Landftriche wärmerer Zonen da⸗ 
mit zu verforgen. Zwanzig Jahre dauerte es, ehe Tubor mit feinen Plinm 
Gluͤck Hatte, bis es demfelben enblich gelang, vie fühlicheren Theile der Bars 
einigten Staaten und Weftinvien mit Eid zu verforgen und ein vortheilhaftes 
Gefchäft damit zu betreiben. Als viefe Unternehmungen geminnreich wurke, 
folgten große Handlungshäuſer in Maffachufet3 und zu News Mork Tudor! 
Beifpiele, und jetzt hat der Eishandel in den Vereinigten Staaten eine folde 
Bebeutung gewonnen, daß das darin angelegte Capital zu 6 Millionen Dil: 
lars veranfchlagt wird, und daß 9000 Perfonen in ver Zeit, wo ber Hantel 
Arbeitökräfte verlangt, davon ihre Eriftenz haben, ja man jchäßt ven Wah 
des in einem Jahre in den Handel gebrachten Eiſes gerade eben fo had, wo 
nicht höher, als den einer Meisernte im Staat Georgien. Noch ift Boll 
der Hauptfig des amerifanifchen Eishandels, indem von hier aus dad meiſt 
Eis erportirt wird, und 2—3000 Menfchen bei dieſem Hanvel befchäftigt fin. 
Biel unbebeutenver ift der zu New⸗Nork, von wo aus nur wenig Ei6 aus 
geführt wird, indem das meifte, welches in den Handel kommt, zur innerm 
Eonfumption beftimmt if. Welchen Umfang der Eishandel Boftons jekt 
überhaupt erlangt bat, ergiebt fih daraus, daß im letzt verflofienen Winter 
300,000 Tons Eis Hier allein einmagazinirt wurben. (New York Daiy 
Times und daraus in ven Ionboner Times vom 8. Sept. 1855), Xi 
der fletd zunehmenden Eisconfumtion in ven warmen und heißen Zonen, wo 
man daB unfchägbare Product innmer mehr würdigen lernt, und ver ſteigen⸗ 
den Bebeutung dieſes Erport3 für die Vereinigten Staaten muß man ſich ia 
der That wundern, daß andere nörbliche Laͤnder, namentlich vie britiſchen Be 
figungen Nord⸗Amerika's und Norwegen, noch nicht daran gedacht haben, in 
diefem gewinnreichen Handel mit Bofton, New⸗Nork u. f. w. zu concumiten. 
Wirklich ift erſt in der neueften Zeit anderwaͤrts ein Verfuch gemacht worden 
und den weftlichen Nord» Amerikanern dadurch eine Goncurrenz erwachſen. 
Nach einer Mittheilung in der zu ©. Francisco erfcheinenden Zeitung Altz 
California (londoner Times vom 10. September) Haben nämlich californiſche 
Gapitaliften unter dem Namen „rufftfch = amerifanifche Handelscompagnie 
eine Geſellſchaft gebilvet, Die nicht allein ven ſchon fehr bedeutend geworbenm 
Verkehr zwifchen ven ruſſiſchen Beflgungen in Norb- Amerika und Galifornin 
zu beben beabflchtigt, fondern auch beſonders den Eiserport von dort aul 
nach den wärmeren Zonen im Großen zu betreiben vorhat. Schon jeht 
äußern die Operationen ver Compagnie ihren Einfluß bis tief in das Binnen 
land, und man fürchtet in ven öfllichen Seeplaͤtzen ver Vereinigten Staat 
gar fehr, daß die Eisausfuhr aus Sitka nicht allein dem Eishandel aus den 





— 





Der Verkehr auf dem Iſthmus von Panama. 325 


weſtlichen Staaten nach Galifornien und Weit- Amerika hindernd in ven Weg 

treten wird, fondern daß felbft Oſtindien, einer der Hauptabſatzpunkte für 

Boſton, Tünftig von dort aus mit Eis verſorgt werden bürfte. 
Gumprecht. 


Der Verkehr auf dem Iſthmus von Panama. 


Die ſeit Jahrhunderten unabläffig verkündete Bedeutung ber Landenge 
von Panama für die kunftige Entwickelung des Welthandels ſcheint ſich, ſeit⸗ 
dem die Eiſenbahn durch den Iſthmus im Beginn dieſes Jahres vollendet dem 
Verkehr übergeben werden konnte, bereits zu beſtaͤtigen. Namentlich Hatte 
Herr v. Humboldt ſchon vor 30 Jahren in ſehr eindringlichen und umfaſſen⸗ 
den Erörterungen (Voyage dans l’Amerique &quinoctiale. 4. Paris 1825. 
II, ©. 144—145) auf ven großen Gewinn an Zeit hingewieſen, ver Per⸗ 
fonen und Waaren zu Theil wernen müßte, ſobald ein Weg über den Iſth⸗ 
mus von Panama ftatt der Iangen und hoͤchſt befchwerlichen Meife um bie 
Spite von Süb-Amerifa gewählt werben Tönnte. Der neuefte Bericht des 
DbersIngenieurd der Panama» Eifenbahn (Londoner Times vom 8. Gep⸗ 
tember 1855) beftätigt nun dieſe Erdrterungen vollſtaͤndig und letzte werben 
mit der wachfenden Bedeutung Galiforniend, der Eröffnung Japans für den 
Welthandel, ver Zunahme rufftfcher Nieverlaffungen im Amürlande und in 
Nord» Amerika, endlich mit der größeren Zugänglichkeit China's für Europäer 
noch immer mehr ihre Beflätigung erhalten. Schon jett beginnen Reiſende 
und Waaren viefen etwa um vie Hälfte Türzeren Weg nach Californien, 
Quito und Peru einzufchlagen, indem Perſonen für die Reiſe von New⸗ 
Dort nah Eallao, dem Hafen von Lima jet nur noch 42 Tage, nah ©. 
Francisco in Californien aber nur 57 Tage flatt der früheren reſp. 88 und 
108 Tage Hevürfen. Als im Jahre 1853 erft 23 engl. Meilen der Panama⸗ 
Eifenbahn fertig waren, benugten dieſelbe ſchon 32,111 Perfonen, um über 
den Iſthmus zu gelangen; im Jahre 1854, wo auch erfi 34 Meilen ver Bahn 
vollendet waren, geſchah daſſelbe mit 30,108 Perfonen. Der Ober Inges 
nieur glaubt, daß im Jahre 1855 wenigftens 40,000 Perfonen viefen Weg 
wählen werben, und in der That ift diefe Annahme nach Lage ver Verhält⸗ 


niffe keineswegs unwahrſcheinlich. 
Gumprecht. 


826 Miscellen: 


Der Guano und feine Hauptfundorte. 


Die immer größer werdende Beveutung, zu welcher jich ver Guano, jenes 
Jahrhunderte und Sahrtaufende hindurch als werthlos betrachtete Material 
der oreanifchen Infeln und Klippen, in ver kurzen Jahresreibe feit feiner Ent- 
deckung aufgefhwungen bat, macht venfelben zu einem ver näheren Betrach⸗ 
tung böchft würvdigen Stoffe. Wir theilen deshalb vie neueflen Angaben 
aus zwei ſchwediſchen Werken über die in dieſer Zeitjchrift Bo. II, ©. 496 
— 497 erwähnte Weltumfegelung auf der Fönigl. ſchwediſchen Fregatte Eu⸗ 
genie aus den Federn des Botaniferd der Erpebition Dr. J. N. Anderfion, 
Docenten an der Univerfität Upfala, und des Premierlieutenants C. Skog⸗ 
man, Aftronomen und Siftoriographen der Expedition, mit, und fügen den 
Hauptinhalt ver intereffanten Daten hinzu, welche ver Dr. 8. 3. Element, 
als von einem frieflfchen Schiffer, vem Gapitain des Klipperd „ver Golofinber 
von Liverpool” entlehnt, veröffentlichte. Die Fregatte Eugenie kehrte 1853 
nach ihrer Heimath Karlöfrona zurüd; das Iehtgenannte Fahrzeug bejuchte im 
vergangenen Sabre auf der Rückreiſe von Melbourne nach Europa auf meh⸗ 
rere Monate die Chinchas⸗Inſeln. 

Es erfcheint der Guano in Form einer mehr oder weniger compacten 
Maſſe, doch meiſtentheils in Geftalt eines gröblichen Pulverd von weißlicher, 
gelblicher, braͤunlicher ober röthlicher Farbe im europäifchen Handel Seine 
Anwendung ald Dungmaterial beruht hauptfächlicy auf dem Schalt an phos⸗ 
phorfauren Salzen, der natürlich ſehr verfchieben ift, je nachdem er mit mehr 
Thon oder Sand gemifcht erſcheint. Aus viefem Grunde ifl auch eine ziem- 
lich große Verfchievenheit in dem von ver Guanomaſſe repräfentirten Kapitals 
wertbe bemerkbar. Bon den drei Hauptforten, welche auf dem Marfte er- 
feinen, iſt ver afrifanifche Guano bei weitem der fchlechtefle. Seine Fund⸗ 
orte find Ichaboe und bie Klippen ver Saldanha⸗Bai an der Weſtküſte 
Afrikas, im Norben des Caps der guten Hoffnung, unter dem 32. Grabe 
füplicher Breite und dem 36. Grabe weftlicher Ränge von Ferro. Den Grund 
zu ber geringeren Büte des afrifanifchen Products glaubt man in der Elimas 
tiſchen Berfchiedenheit der Fundorte erfannt zu haben. Der Einfluß ver 
Waͤrme und bed Lichts ändert nämlich den vorzugämeife wertvollen Beſtand⸗ 
theil des Guano, die Harnfäure, in Oralfäure um, und deshalb ift die Iektere 
mehr, jene aber weniger in dem Saldanha⸗Guano vorhanden, da Die beider⸗ 
feitigen Einflüffe der Sonne dort bei weitem gewaltiger wirfen, als an tem 
amerifanifchen Küften, namentlich ver glücklichen von Peru, wo der Gimme, 
oft mit Wollen bedeckt, ein Schugmittel gegen die fengenden Strahlen ber 
tropifchen Sonne ift. 

Unter den beiden amerifanifchen Guanoſorten fteht der patagonifche aus ähn- 
lien Oründen, nänılich wegen feines geringeren Gehalts an Ammoniaffalzen, be 
beutend hinter dem peruanifchen zurüd. Seine Bunborte find die Infeln und 


Der Guano und feine Hauptfunborte. 927 


Klippen der Spiringsbucht, fowie der Desvelos⸗ oder Watchmannobucht, im 
Norben des Cap ve lad Virginas, vor der öftlichen Einfahrt in ven Magal- 
haens⸗Sund, unter dem 53. Grave fühl, Breite. Der Anblick des mit Guano 
bedeckten Landes ift Hier, wie überall, ein durchaus trüber und abfloßenver, 
denn es ift eben ein charakteriftiiches Zeichen, daß dieſes vie befruchtenve 
Kraft der Natur bei richtiger Verwendung fo erhöhenve, noch unenträthfelte 
Product der Gegend, welche es bebert, ven Anfchein dven Todes und unbe» 
flegbarer Unfruchtbarkeit verleiht. 

Die Küften der Guano⸗Inſeln und Klippen find Hier ziemlich hoch und 
ſtürzen fich ſteil in das Meer hinab; den Strand bedeckt ein hin und wieder 
wallartig aufgethürmtes Geroͤll von Steinen. Auf den Infeln felbft erheben 
fi in weichen Formen ziemlich flach gemölbte Hügel zu ver Höhe von ein 
paar Hundert Fußen; einer oder der andere nimmt etwas beflimmtere und 
fühnere Formen an und fleigt, nach dem Augenfcheine beurtheilt, wohl faft 
zu 1000 Fuß Höhe auf. So weit das Auge zu reichen vermag, ift nirgends 
ein Baum zu erbliden, nur einzeln ſtehendes niedriges Buſchwerk flicht durch 
feine dunklere Faͤrbung gegen das gelblich braune, wie verborrt erfcheinende 
Ausſehen des Bodens ab. Schaaren von Seevögeln umfchwirren bie Infeln 
und vorliegenden Klippen, und Pinguinen plätfchern und tauchen zu Taufen» 
den in der brandenden See. Es Hat ven Anfchein, als ob das ſchon allein 
durch dad Vorkommen des Guano hinreichend charafterifirte Klima für viele 
Seevögel eine gewiſſe Anziehung habe, ohne daß vie nievere ober höhere Tem⸗ 
peratur eine Beziehung dazu beſitze, denn in gleich großer und unberechnen« 
barer Menge ſieht man fie bier unter dem kalten 53., wie in Afrifa und an 
der Küfte von Peru unter dem gemäßigteren 32. und dem heißen 14. und 
8. Grade der Breite. Die gänzliche Abwefenheit von Megen, woraus bie 
Unfruchtbarkeit als nothwendige Folge hervorgeht, ſcheint hierbei die erfte Eli» 
matifche Beringung zur Guanobildung zu fein, weil anders bie im Wafler 
auflöslichen Salze von vemfelben verzehrt und forigefpült werden würben. 
Dieſer Umſtand ift glaublicher Weife mehr ver Grund, daß jene Vogelexcre⸗ 
mente, die bekanntlich auf ven fehottifchen Klippen gefammelt und zur Düns 
gung des ſterilen Bodens benußt werben, nicht zu wahren Guanolagern wur. 
den, als der Mangel eined Jahrhunderte langen ungeftörten Dafeind. Gleiche 
Berhältnifie, aber in noch höherem Grabe, rauben der Maſſe dieſes Stoffes 
auf ven hohen Felſen ver Loffoden, der norwegifchen Küfte und dem weſtli⸗ 
chen Hochlande Groͤnlands allen Werth, indem die gewaltige Macht des arfti« 
fchen Winters durch feine feuchte Schneedecke vie belebende Kraft deſſelben 
gänzlich ertoͤdtet. 

Trotz ber geringeren Güte wurde doch in der letzten Zeit viel Guano aus 
Batagonien geholt, va feheinbar, oder vielmehr de facto, wenn auch nicht 
de jure, die hieſigen Lager noch nicht in ven Beſitz eines Staates übergegan« 
gen waren, und baher ald Eigenthum Niemandes und dadurch eben Jeder⸗ 


828 Miscellen: 


mannd betrachte wurben. Ein genägfamer und inpuftriellee Sohn GBrün- 
Erins hat das Elend feiner Heimath mit der Dede der Buanoinfel vertaufcht, 
fih in jämmerlicden Hütten auf verfelben etablirt, einige Arbeiter zeitweiſe 
gedungen, und beforgt nun mit biefen die Belaftung ver Fracht holenden 
Bahrzeuge gegen die Abgabe von 1 Pfund Sterling für vie Tonne. Wie Hat 
er jedoch feine Anſprüche fo weit erhoben, für ven Befiker des Lager zu 
gelten, oder gar eine Stellung unter ven fouverainen Landesvätern ber neuen 
Welt einzunehmen. Dagegen bat ein englifcher Kauffahrer- Bapitain im 
Sahre 1845 den Verſuch gemacht, dad Buanoland in feinen over Englandé 
Beſitz zu Bringen, indem er ed ſich durch allerlei Mittel von einem indianifchen 
Caziken abtreten ließ. Die Megierung von Buenoſs⸗Ayres, wie man weiß, 
damald ohnehin nicht die Freundin Großbritanniens, betrachtete von jeher 
ganz Patagonien ald zu ihrem Staatögebiete gehörig, und dad Feuerland 
wiederum als eine Provinz Patagoniensd, und erhob deshalb Anfprüdye auf 
einen Erfag für ven bereits verfchifften Guano. In feiner Botfchaft an vie 
Kammern ver Deputirten, unter dem Datum bed 27. December 1848, führte 
Noſas Klage varüber, daß englifche Unterthanen, in Yolge ver liſtig gemon- 
nenen Abtretung eines nicht dazu berechtigten Inbianerhäuptlings, fich in ben 
Beilg des erwähnten Umkreiſes gefeßt und dadurch bie territoriale Integrität 
der argentinifchen Republik gefränft Hätten. Die Angelegenheit blieb aber 
deshalb doch auf dem alten Fuße beftehen, und ber Aufenthalt des Flüchtlinge 
in London wird wohl nichts zur Erledigung der Beſchwerden des Dictatord 
beitragen, ba bie argentinifche Republik vorläufig noch um näher liegende 
Dinge, als vie fern gelegenen Buanoflippen, ſich zu befümmern bat. 

Bor der Infel liegt eine Bucht, welche den Brachifchiffen guten Anker⸗ 
grund bei mäßiger Tiefe und feſtem Lehmboden bietet; fie ift zwar eben ſo⸗ 
wohl den oͤſtlichen, als ganz befonbers den norböftlichen Winden offen, aber 
eineötheild wehen viefelben, namentlich zur Sommerzeit, felten hart und an= 
haltend, und anverntheild wird der Seegang durch dichte Maſſen von Tang, 
die außerhalb der See wachfen, in feiner Kraft fehr gebrochen. Für Die Be⸗ 
fagungen ver Fracht ſuchenden Schiffe ift der Hieflge Aufenthalt ein trüber, 
denn außer der Fifcherei und Jagd auf die Menge der Seebögel, auf vie 
ziemlich Häufig vorfommenten Phoken und anderen Flofienfüßlern und das 
wenige Kleine Wilbpret bietet bie nahe gelegene patagonifche Küfte weder Zeit- 
vertreib, noch andere Hülfäquellen, ale höchftens etwas niedriges Buſchwerk 
zum Brennmaterial dar. 

Der in den peruanifchen Fundſtätten vorkommende Guano ift in zwei 
wefentlich verfchiedene Arten zu fondern, in den Angamos-Guano unb den 
gewöhnlichen Guano. Der erfte ift aus ven noch verhältnifmäßig frijchen 
Ererementen gebildet und bebedt nur in dünner Schicht die Felfen und Riffe 
und jene unberührten Ouanolager, die noch jetzt den Vögeln zum Aufenthalte 
dienen. Er wird mühfam mit ver Hand gefanmelt, ift, wie e8 fich von felbft 


Der Guano und feine Hauptfunborte. 829 


verficht, in nur geringer Menge vorhanden und kommt daher fo gut, als gar 
nicht zur Verſendung. Kaum mehr, als eine Schiffsladung fol biäher nach 
Europa gelangt fein, und es ift berfelbe alfo Teines Falls als ein Handels⸗ 
artifel auf unferen Märkten zu erwähnen. Die Peruaner, welche ibn im 
Lande felbft zur Düngung verwenden, Toben ihn jehr und fchreiben ihm mehr 
befsuchtenbe Kraft, als dem gewöhnlichen trodenen Guano, zu. Diefer lebte 
ift auf den meiften Infelgruppen an ver Küfte von Peru vertheilt und in fo 
ungeheuren Maflen zu finden, daß in ihm ein reicher Erfa für vie fpärlicher 
werdende Goldausbeute der perunnifchen Minen — ein fünamerikanifched Sprüch⸗ 
wort fagt: eine Kupfermine ift ein ficherer, eine Silbermine ein 
mögliher Gewinn, doch eine Bolpmine ein gewifier Verluſt, — 
die jedenfalls durch Falifornifches und auftralifches Gold in ver Quantität weit 
überflügelt wurbe, geboten ift, und zwar ohne die Ausficht einer möglichen 
Grfhöpfung, fo lange diefelben Flimatifchen DVerhältmiffe herrſchend bleiben, 
und weife Vorficht die den Dung erzeugenden Bögelarten fchont und hegt. 
die Negion, in der fich viefe Klippen und Infeln befinden, reicht ungefähr 
vom 14. bis 8. Grade fühl, Breite und vom 59. big 65. Grade weſtl. Länge. 
Drei Hauptgruppen find Bierbei zu unterfcheiben. Die erfte find die dem Aequa⸗ 
tor zunächft befinnlichen Infeln Lobos de Terra und Lobos de Afuero ?), 
jübwärts von Punta Aguja liegend und nicht zu verwechjeln mit ven Lobos⸗ 
Infeln, die ſüdlicher, Dicht unterhalb Pahta, zu finden find. Sie find haupt⸗ 
fählih berühmt durch ven Fürzlich entſtandenen Zwift zwifchen ben vereinig⸗ 
ten Staaten von Nord» Amerika und ver Republik Peru in Folge der ſtrei⸗ 
tigen Berechtigung des Guanobodens. Die zweite Gruppe, vie bis jeht am 
meiften beſucht wird und ihres ungeheuren Vorraths halber vie michtigfte ift, 
ift die der Ehinchad=Infeln, und die dritte bilden enblich bie unfern von ihr, 
wenig mehr nach Südweſt gelegenen Klippen, woburch bie Infel San Gallan 
umgeben wird. Beide Gruppen gehören zu der Pisko⸗Bucht, welche ihren 
Namen von der Stadt Pisko erhält, vie in einem durch Fünflliche Bewäfferung 
fruchtbar gemachten Felsthale der peruanifchen Küfte erbaut ifl, und durch Die 
große Quantität Branntwein, die fe jährlich erzeugt und mit gutem Abſatz un⸗ 
ter der einfachen Bezeichnung Pioko über die ganze Weſtküſte Amerika's ver- 
breitet, zu einer ziemlich bedeutenden Wichtigfeit gelangt ift ?). 

Die Infel San Gallan (auch) Sangallan gefchrieben) muß durch ihre 
feltfame Bildung die ganze Aufmerffamfeit derer erregen, welche fie zum erften 
Male fehen, namentlich die der von Süpen Kommenden. Sie erhebt ſich zu 
1160 Zuß Höhe, und zwar in fchroffen Bergen mit meiftentheild Tpigigen 


2) Ihre Lage wurde zu 6° 34’ fühl. Br. und 809 45’ weil. 2. von Greenw. 
beſtimmt. G. 

2) Der zu Pisko in großer Menge gewonnene Wein iſt nach den durch den vers 
ftorbenen Prof. Meyen nach Europa gebrachten Proben ein fehr feuriges, aber zugleich 
fehr wohlſchmeckendes Product, ähnlich dem fpanifchen und portugiefiichen Weinen. ©. 


830 Miscellen: 


und zackigen Gipfeln, dem Kennzeichen ihres Granitgeſteins. Die einzelnen 
Abhaͤnge find fteil und voller tief eingeriffener Spalten und Schluchten. Da⸗ 
bei gewährt vie ganze Infel ein Bild ver Außerften Linfruchtbarfeit; Teine 
Spur von Vegetation iſt weder auf ihr felbft, noch auf ver fichtbaren nahe 
dahinterliegenden Küfte des Feſtlandes zu entdecken; jedes Grün's beraubt fpielt 
Alles in einer Färbung, die zwifchen Braun und Grau wechfelt, nur bier und 
dort weiß glänzend, wie wunderlich zufammengewehte Sanphügel. Die Menge 
Heiner Klippen, welche fie umgeben und vie faft alle, wenigftens fo weit fie 
dem Bereich der höchfigehenden Wellen entrüdt find, mit Guano dicht bebedt 
ericheinen, Haben vie mannigfachften @eftalten. Ginige find hoch und fchmal, 
andere flach, wieder andere thurmartig aufragend, oder in fo regelmäßiger 
Borm gewölbt, daß fie faft einem Werke ver menfchlichen Kunft gleichen. Der 
Fels ift von der mit unermüdlicher Macht wirkenden Brandung in hohem 
Grade audgewafchen, fo daß viele Grotten und Höhlen entflanden find, wo⸗ 
von einige den Booten Durchgänge durch die Klippen geftatten und Pforten 
und Thoren ähnlich find, was fich Hei den Chinchas⸗ und Lobos⸗Inſeln 
wienerholt und ein charafteriftifcher Zug für alle Klippen dieſer Küfte zu fein 
ſcheint. 

Die Chincyad- Gruppe ’) liegt unweit ver von San Gallan und beſteht 
der Zahl nach aus drei Infeln, auf denen Guano lagert, einer vierten unbe⸗ 
deckten, und mehreren Heinen Klippen, welche nicht in Berechnung gezogen 
werben können. Die bebeutenofte ift Die ver ganzen Gruppe ven Kamen 
leihende Infel Chinchas, die norböftlichfte der drei; die andern beiden beißen 
Ballefta und Iöla Blanca, welche letztere die fünlichfte und bisher noch un= 
berührt if. Alle drei feheinen niebriger zu fein, als vie eben befchriebenen 
San Sallan-Infeln, und find von zötherer Farbe, faft einem abgebrannten 
Haidelande gleichend. Ihre Geſtade erheben ſich Hin und wieder zu fleilen 
Bergen, die aber vermöge der Bormation ihrer Felsart, eined porphyrartigen 
Gneis, fanfter auffleigen und weniger Steilbeit beflgen, die mannigfache Zer= 
glievderung in Grotten und die häufig vorkommenden Thor⸗ und Hößlenbil- 
dungen verleihen ihnen aber dennoch oft ven Charakter groteöfer Felspartien. 
Auch zum Ocean Hinab fchrägt ſich ver Abhang meift nur allmählig, doch 
finden ſich auch ausnahmsweiſe Stellen, wo der Strand von Felſen berührt 
wird, die fteil wie die Mauern fin. Alle vrei Infeln, bie ſelbſtredend, weie 
San Gallan, öde und Fahl und ohne Grashalm find, Tönnen von einem 
töftigen Bußgänger in nicht viel mehr als einer halben Stunde umgangen 
werben. 


2) Ueber die Chinchas-Inſeln und ihren Ouano giebt ein Auffap in dem An- 
nales maritimes et coluniales 1844 genauere Kunde. G. 


(Schluß ſolgt.) 
u. v. Ekel. 


—rr— — — — 











Die neueften Erfteigungen ver höchſten Alpengipfel. 331 


Die neueſten Erfteigungen der höchften Alpengipfel. 


Als der hochberühmte Alpenforfchere Horace Benevict de Sauffure vie 
Herausgabe feines Reiſewerkes begann, hielt er felbft nach dem Urtheile aller 
Gebirgsbewohner in der Nähe des Montblanc, namentlich derer in und um 
Chamouny, den Gipfel des Berges für unerfteiglih (Voyage dans les Al- 
pes $. 1102) und erft während ver Veröffentlichung des Werkes gelang es 
befanntlih im Auguft des Jahres 1786 dem Dr. med. Pactard und dem 
fpäter fo oft genannten Alpenführer I. Balmat, ven Montblanc zu erfleigen, 
nachdem bi8 zum Jahre 1785 viele vergebliche Verſuche gemacht waren, von 
denen Sauffure Kunde gab. Sauſſure's eigene Erfleigung des Montblanc 
erfolgte erfi im Jahre 1787; aber fie war von vielen Gefahren begleitet, vie 
auch Denen nie fehlten, welche nach jenem das Wageſtück wiederholten. Bis 
in bie Ießten Jahre war man deshalb weit entfernt, zu ahnen, daß eine Unter⸗ 
nehmung der Art fogar zu einer DBergnügungspartie werden koͤnnte, wie fte 
es wirklich jeßt zu werben feheint, nachdem man einen verhältnigmäßig fo bes 
quemen Weg nach dem Gipfel des Montblanc gefunden bat, daß felbft Da⸗ 
men das Unternehmen in ver fjüngften Zeit glüdlich vollendet haben. Die 
neueften Erfteigungen de8 Montblanc und Monte Roſa im verfloffenen Som⸗ 
mer Iehrten namentlich, daß vergleichen in überaus kurzer Zeit und mit ver 
Unterflüägung nur eined einzigen ober hoͤchſtens weniger Bührer gefahrlos 
ausgeführt werden können. So beburfte der 17 jährige britifche Jüngling 
Kyrle Alfred Chapman, der eben erſt die Schule von Eton verlaffen, im Aus 
guft dieſes Jahres nur zweier Tage, um von Chamouny aus ben Gipfel des 
Montblanc zu erreichen und nach Chamouny glüdlich zurüdzufehren, indem 
er am 16. Auguft Morgend von dem genannten Orte auöging, die folgende 
Nacht auf der bekannten Station Brandes Mulets zubrachte, von hier aus 
am 17. Morgens 2 Uhr aufbrach, um 9 Uhr 20 Min. auf dem Gipfel an- 
langte und venfelben nach nur 4 Stunde Aufenthalt verließ. Um 12 Uhr 
45 Min. war Chapman wieder an den Grandes Muletd und um 5 Uhr 30 
Min. zu Chamouny. Faſt unmittelbar darauf, noch im Auguft, beftieg der⸗ 
felbe kühne Jüngling in Begleitung gar nur eines einzigen Führers auch ven 
Gipfel des Monte Rofa (Londoner Times vom 8. September 1855). 


Gumprecht. 


Situng der Berliner Gefellichaft für Erdkunde 
am 7. Juli 1855. 


Herr v. Carnall legte mit Bezug auf feinen in ver Junis Sigung ge⸗ 
haltenen Vortrag über den Steinkohlen- Bergbau in der preußifchen Monar⸗ 
chie eine gezeichnete Karte von ven weftphälifchen Kohlenbezirken und eine in 
Farbendruck ausgeführte geognoftifche Karte von dem faarbrüder Steinkohlen- 
Bergbau vor; die legte gehört zum nächiten Hefte der Beitfchrift für Berg-, 
Hütten» und Salinenwefen, in welchen eine Darftellung jenes Bergbaues ges 
liefert wird. Hierauf folgte ein längerer Vortrag veflelben über ven Braun» 
Eohlen» Bergbau, eingeleitet mit allgemeinen Bemerkungen über Vorkom⸗ 
men, Lagerung, Verbreitung, Befchaffenheit und Anwendung der Braunfohlen. 
Der Mebner gab die einzelnen Gegenden an, wo man in Preußen Bram- 
kohlen aufgefchlofien und in Angriff genommen bat und bemerkte, daß man 
die Verbreitung viefer Lagerftätten auf eine Fläche von weit mehr, als 100 
Duabrats Meilen berechnen konne, worin die Braunfohle bis jegt wirklich 
und bauwürdig aufgefunden worden fei, daß fich vie Ragerftätten aber noch 
viel weiter auöbehnten, indem ver Zufammenhang nur durch aufliegentes 
Schutt⸗ und Sandland verdeckt wäre. Daran Enüpften fi) Angaben über 
die Aufnahme und Entwidelung dieſes Bergbaued in ven betreffenden Landes⸗ 
theilen, wobei hervorgehoben wurde, daß die Gewinnung an Braunkohle nur 
in folchen Gegenden im großartigen Mapftabe möglich fei, in denen es ent⸗ 
meber ganz an Steinfohlen fehle, oder wo biejelben nicht billig genug zu ge= 
winnen over beranzubringen feien; außerdem dürften die Verbrauchsſtätten 
von den Gewinnungspunften nicht entfernt liegen, und e3 müßten große Quan⸗ 
titäten gewonnen werben fönnen, weil fonft bei dem geringen Wertbe des 
Produktes die Gewinn» und Förberkoften zu Hoch kaͤmen. Solche günfligen 
Verhaͤltniſſe faͤnden ſich beſonders in dem Bergamts⸗Bezirke Halberftabt, wo 
die Rübenzuckerfabriken viel Braunkohlen verbrauchen, ferner auf einzelnen 
Punkten im Bergamts⸗Bezirke Eisleben, während ver dortige Privat- Braun: 
Tohlen» Bergbau im Beſitz der Oberflächen« Eigenthümer meiftend nur gerin- 
gen Ertrag gebe. In dem Bergamtsbezirke Rüdersdorf fein es beſonders 
die Gruben bei Rauen und Petersdorf, welche durch ven Abſatz nach Berlin 
(zu Waſſer) ſtark förberten, nächft viefen die Gruben bei Frankfurt. Sa 
Schleſien lägen die wichtigfien Gruben in ber Nähe von Grünberg. Am 
Rhein würden unweit Bonn Braunfohlen geförbert, die man hauptfächlich zur 
Alaunfabrifation verwende; auf der linken Otheinfeite Liege zwifchen Brühl und 
Düren eine Anzahl von Braunfohlengruben, die aber meiftend nur für ben 
Hausbrand färvderten. — Die Braunfohlenförberung des ganzen Landes, welche 
vor 18 Jahren nur 14 Mil. Tonnen betrug, fei im 3. 1854 auf 12 Ml. 





Sigungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 838 


Tonnen gekommen, die man auf 363 Gruben mit 8104 Arbeitern gewonnen 
babe. Nach den einzelnen Bergamtsbezirken waren e8: 


a) im Bergamtäbezirke Ruͤdersdorf 1,544,157 Tonnen oder 12,3 pCt. 


b) ⸗ ⸗ Waldenburg 487, 492 = =» 83 ⸗ 

co » ⸗ Halberſtadt 3,376,425 = 743, 

d) ⸗ ⸗ Eisleben 5,986,938 ⸗ 

e) = ⸗ Siegen (Bonn) 397,744 = | 83 » 

f) ⸗ * Düren 709,924 ⸗ 
Summe 12,502,680 Tonnen, 100 pCt. 


Für Rechnung des Staates wurden 7 Gruben betrieben, 6 für ven Be⸗ 
darf der Salinen und 1 für cumulativen Debit, fämmtlich in ver Provinz 
Sachſen; ihre Förberung betrug 1854 977,135 Tonnen, alfo 7,8 pCt. des 
obigen Quantums. Die durchfchnittlichen Werfaufspreife auf ven Gruben 
feien feit längerer Zeit ziemlich gleich geblieben; im Mittel etwas unter ober 
über A Sgr. für vie Tonne. Danach hätte die Tehtjährige Foͤrderung einen 
Werth von überhaupt 1,665,622 Thalern gehabt. Davon möge der Rein⸗ 
ertrag der Gruben etwas mehr als 10 pCt. oder ungefähr 200,000 Thaler 
betragen haben. Im Einzelnen wären aber die Breife, ſowie die Erträge fehr 
verſchieden. — In Betreff der ferneren Entwidelung des Braunkohlen⸗Berg⸗ 
baues bemerkte der Vortragende, daß viefelbe im Wefentlichften von venfelben 
Verhaͤltnifſen abhänge, welche ven bisherigen Auffchwung herbeigeführt haben, 
namentlih von der Zunahme der jeßigen Verbrauchaftätten und von dem 
Steigen ver Holzpreife, wodurch fich die Debitökreife immer mehr erweiterten; 
e8 fei aber auch darauf zu rechnen, daß die Braunfohlen noch zu manchen 
anderen Zwecken Anwendung finden würben, wie 3. B. zu ber Bereitung Yon 
Mineralöl und Paraffin, vie bereitö in einer Fabrik bei Beul (Bonn gegen 
über) flattfände. Die big jeßt aufgefchlofienen Braunkohlenfelder Tönnten 
ſelbſt eine vielfach flärkere Körberung, als bie jehige, auf Jahrtauſende decken. 
Das Iehtjährige Förverquantum babe ein Volumen von 88,907,954 Kubik- 
fuß, was einen Würfel von 446 Fuß Seite gebe. Ein chlindriſches Map 
von der Grundfläche des Hiefigen Belle⸗Alliance⸗Platzes würde, um das 
Quantum zu faflen, eine Höhe von 314 Fuß Haben müflen. — Stein» 
und Braunfohlen zufammengefaßt, hatte man im Jahre 1854 eine 
Förderung von 46,558,954 Tonnen, ober im Gewichte (zu refp. 4 und 24 
Eentner die Tonne) von 167,481,796 Eentner. Im Taufenden Jahre würbe 
biefelbe auf etwa 200 Mil. Eentner kommen. Der Werth der Iehtjährigen 
Börderungen habe auf nen Gruben 15,575,534 Thaler betragen, wovon circa 
30 p&t. ober rund gerechnet 44 Mil. Thaler als Heinertrag ver Gruben 
aufgebracht fein dürften. — Nach ven Erfahrungen auf den Salinen, bemerkte 
der Redner, bepürfe man 44 Tonnen Steinktohlen over 134 Tonnen Braun« 
Fohlen, um daſſelbe zu erlangen, was die Verbrennung von 1 Klafter Kiefer- 


834 Sigungäbericht ver Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 


holz leifte; danach repräfentirt obiged Kohlenquantum (1854) ein Aequiva⸗ 
Ient von 84 Mill. Klaftern Holz. Nehme man nun ferner an, daß im gro 
Gen Durchfchnitt 1 Morgen Waldgrund jährlih 4 Klafter Holz Tiefere, fo 
berechne fich für obige Klafterzgahl eine Walpfläche von 254 Mil. Morgen 
oder 1147,5 Meilen, alfo weit mehr, ald die ganze Walbfläche des preußi⸗ 
fchen Staates von etwa 18 Mill, Morgen over 8I0 Meilen. — Zur Ber- 
gleichung der Förderung in Preußen mit derjenigen anderer Länder gab ber 
Bortragende an, daß der gegenwärtige Stand ber Stein- und Braunkohlen⸗ 
Förderung auf der ganzen Erde einer Jahresproduction von etwa 2000 Mill. 
Gentnern entfpredje, davon fämen auf: 


Großbritannien . . 1,000,000,000 Eentner over 50,0 pCt. 
Nord AUmerifa .. 250,000,000 = = 125 =» 
Preußen ..... 200,000,000 


= : 100 = 
Belgien...... 170,000,000 = 8,5 » 
Frankreich..... 170,000, 000 ⸗ ⸗88 = 
Oeſterreich... 60,000,000 = 3,0 ⸗ 
Spanien ..... 50,000,000 = „25 = 
fonftige Länder ... 100,000,000 = :» 50 ⸗ 


Summe 2,000,000,000 Eentner, 100 pCt. 


Diefe Hätten nach den Verkauföpreifen auf ven Gruben einen Werth von mehr 
als 200 Mi. Thalern, oder mit einem Zufchlage von 50 p&t. ald Trans⸗ 
portkoften an den Verbrauchsftätten, von über 300 Mill. Thalern, was weit 
mehr fei, als ver Werth alles Goldes und Silbers, welches jegt alljährlich 
auf ver ganzen Erde gewonnen were. Mechne man von den Berfauföwerthe 
auf ven Gruben nur 25 p&t. Meinertrag, fo wuͤrden jährlich bei der Kohlen⸗ 
förderung 50 Mil. Thaler Ausbeute gebaut, eine Summe, die bei ten 
edlen Metallen weder direct noch invirect gewonnen werde. An Arbeitera 
wären auf den Koblengruben der ganzen Erde nahe an 600,000 befchäftigt 
und mit den Frauen und Kindern feien es nahe an 14 Mil, Perfonen, welche 
dabei ihren Lebensunterhalt faͤnden. Danach berechne ſich im großen Durch⸗ 
ſchnitte für je 1 Arbeiter ein Propuctenwerth von jährlich 833 Thlr. und 
80 bis 90 Thlr. Reinertrag. AS von Koblengebirgen eingenommene Flaͤ⸗ 
chen wären auf der ganzen Erbe minbeftens 8000 Meilen anzunehmen, 
alfo etwa 4 p&t. der ganzen Feſtland⸗ und Infelfläche. Mechne man num 
auch nur 48 Fuß („45 Meile) als durchfchnittliche Stärke ver abzubauenden 
Kohlenlager, fo ergäben fih 16 Kubikmeilen feſter Koblenflögmafle; da um 
obige 2000 Mill. Centner — 26663 Kubiffuß Flögmalfe find, fo gemüge 
der Aushieb von 1 Kubifmeile, um die jegige Körberung auf mehr als 5000 
Sabre zu befchaffen, 16 Kubitmeilen alfo für circa 80,000 Jahre. Berechn⸗ 
man für diefe 16 Kubifmeilen in der früher angenommenen Weife das Aequi⸗ 
valent im Holzwuchſe, fo fände man, daß hierzu die ganze Erboberfläck 


Situngäbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 835 


einfchließlich ver Meereßflächen mit einem 134jährigen Walde bes 
verft fein müßte. Zum Schluffe fam ver Hebner noch eimmal auf Preußen 
zurück und wies nach, daß der Reichthum feiner Kohlengebirge hinreiche, um bie 
Börberung aller Länder auf mehr ald 1000 Jahre zu liefern; er äußerte, daß 
Preußens Bewohner deshalb ebenfo, wie die Engländer, ihre Steinfohlen „our 
black gold“ nennen dürften. — Herr Peters hielt hierauf einen Vortrag über 
eine im 3. 1831 von Tete auf ver Küfle von Mozambique nach Loanda in 
Angola unternommene und von ben Major Monteiro und Capt. Gamito ges 
führte Erpebition, welche in einem von Gamito im Jahre 1854 zu Liffabon 
berauögegebenen portugiefifchen Werke befchrieben worben iſt. Die Erpevition 
ift ſowohl für bie Kenntniß bed Landes als der daſelbſt lebenden Negerftämnte 
von Wichtigkeit und gab dem Bortragenden Beranlaflung, vie durch biefelbe 
gewonnenen Reſultate, namentlich in Bezug auf die afrikanifche Thierwelt, 
ber Gefellichaft vorzulegen. — Herr Ehrenberg theilte mit, daß von Herrn 
Hermann Schlagintweit ein Brief vom 25. April d. I. aus Darbfchiling ein» 
gelaufen fei, in welchem verfelbe melbet, daß er einen ausführlichen Bericht 
über feine bisherige Reiſe an Se. Majeſtaͤt den König habe abgehen laffen, 
und daß er und feine Brüder fich einer glücklichen Thätigfeit zu erfreuen 
hätten. (Der Bericht befindet fich bereits in diefem Bande S. 148 — 172 
abgevrudt). — Herr Kiepert Iegte eine von ihm neu entworfene Karte des 
ſüdlichen Afrika vor, auf welcher er die Nefultate ver neueften, in jenen Erd» 
theile unternommenen Reifen zufammengeftellt Hatte. Zu diefen Mefultaten 
it insbeſondere zu zählen, daß wir jeht bereitd eine aftronomifch geflcherte 
Route quer durch Afrika beflgen. Der befannte Reiſende Livingſton iſt aber, 
wie der Vortragende erwähnte, von ©. Paolo de Loanda wieder aufgebro⸗ 
chen, um quer durch ven Erdtheil nach der Oftküfle vorzubringen. Schließ⸗ 
Ih gab ver Vortragende eine Ueberficht über die Kartographie Afrika's für 
die legten drei Jahrhunderte, wobei fich als Nefultat feiner Unterfuchungen 
unter Anderem die Thatfache herausftellte, daß vie viel bezweifelten Angaben 
des franzöftfchen Meifenden Douville, wenn fie mit Kritik benutt würden, 
nicht ganz werthlos wären, weil verfelbe feine Erfindungen von vorgegebenen 
Reifen in Länder, die er felbft niemals gefehen bat, auf gewiffe Daten por⸗ 
tugieftfcher Karten aus dem vorigen Jahrhundert, welche von ihm in Ben⸗ 
guela erworben fein mochten, bafirte. (©. hier ©. 208). — Der durch feine 
Reifen in Afrifa befannte Herr Werne Hatte einen Plan zu einer militairis 
[hen Erpebition behufs der Erforfcehung des Sudans an ven Vorfland ein« 
geſchickt. Berner war ein Brief von Herrn Prof. Goͤppert in Breslau mit 
der Anzeige eingelaufen, daß ver vielerfahrene Reiſende Herr Lothar Vecker 
ſich anfchiet, wieder nach Auftralien zu gehen, und bereit ift, wifjenfchaftliche 
Beftelungen und Aufträge dahin mitzunehmen. — Un Geſchenken für vie 
Bibliothek der Gefelfchaft waren eingegangen: 1) The Journal of the Royal 
Geographical Society. Vol. XXIV. 1854. London. Geſchenk ver genanns 


3368 Sigungsbericht her Berliner geographiſchen Gefellfchaft. 


ten Geſellſchaft. 2) Die neun erfien Sahrgänge deſſelben Journals. 9 Bde. 
1831 — 1839. Geſchenk eines ungenannten GBefellfichaftämitglieved. 3) Por⸗ 
tugal und feine Eolonien im Jahre 1854, vom Königl. preuß. GeneralsEon- 
ful Seren 3. v. Minutoli, Bd. 1 und 2, Stuttgart und Augsburg 1855. 
Geſchenk des Verfaſſers. A) Compte rendu des Operations de la com- 
mission institude par M. le Ministre de la Guerre pour &talonner les 
rtgles qui ont ét employees & la mesure des bases geodesiques belges. 
Bruxelles 1855. 1 Vol 4. Uebergeben durch Herrn Generalmajor Baer. 
5) Befteigung des Vulkans Tambora auf ver Infel Sumbawa und Schilde⸗ 
zung der Eruption veflelben im Sabre 1855, von Heinrich Zollinger. Mit 
2 Karten. Winterthur 1855. 1 Bol. 4. 6) Genlogifche Weberfichtöfarte 
der Schweiz von 2. Stuber und A. Efcher v. d. Linth. Winterthur. Beides 
Geſchenke des Herrn I. M. Ziegler. 7) Mitteilungen aus J. :Berthed’ geo- 
graph. Inſtitut über wichtige neue Erforfchungen auf dem Gefanımtgebiete 
der Geographie von Dr. A. Petermann. 4, Heft. Gotha 1855. Mit einer 
Karte ver Parry⸗Inſeln. Von dem Heren Verleger. 8) The Zoologist, a 
popular monthly magazine of natural history. No. CL. London. Erſtes 
Heft. 9) Eine Abhandlung: On the food of certain Gregarious Fishes 
by R. Knox. 1855. 10) Zeitſchrift für allgemeine Erdkunde, herausgege⸗ 
ben von Dr. 3. E. Gumprecht. IV. Band, 6. Heft. Berlin 1855. Bon 
dem Verleger Herrn D. Heime. 11) Beiträge zur Gefchichte und Geo⸗ 
graphie des Sudan, in arabifchen Manuferipten Timbuctuer Autoren, zumal 
des Annaliften Ahmed Baba, eingefandt aus Timbuctu von Dr. H. Barth. 
Nach dem Arabifchen bearbeitet von C. Ralfs. Eingeſandt durch Herm 
Prof. Fleiſcher und den Bearbeiter. Ginige andere Schriften wurben zur An- 
fit vorgelegt, deögl. war durch Herrn I. v. Minutoli ein ſchoͤnes und gro 
es Melief des Pie von Teneriffa aufgeſtellt. 











X. 
Der Dangti;’ Kiang '). 





Bis auf den heutigen Tag find ungeachtet aller Forſchungen 
fundiger und ausdauernder Reifenden die Innerften Gegenden von 
Gentrals Afien fo unbefannt geblieben, daß unter ben verfchiebenen 
Geographen Feine Uebereinftimmung darüber herrfcht, welche kleineren 
Ströme die eigentlichen Quellſtroͤme des Yangtſz' Kiang oder des blauen 
Fluſſes ausmachen. Dean vermuthet jedoch, daß in einer und ber 
felben Gegend und zwar auf einem nicht fehr ausgedehnten Raume 
ſowohl der Brahmaputra und der Meifon, als auch der Dangtf 
Kiang ihre Quellen haben, und daß in nicht fehr großer Entfernung 
in denfelben hochgelegenen Gegenden fi auch die Quellen anderer 
großer Ströme, des Salmin und des Hwangho oder gelben Fluſſes, 
befinden. 

Der Hwangho, der Heinfte der beiden großen Ströme in China, 
durchfließt auf feinem Laufe bis zum gelben Meere einen Raum von 
2500 Meilen, von feinen Quellen an gerechnet, welche unter dem 35. 
Grade nörbl. Breite und 20. Grade weftl. Länge von Peling liegen. 

Faſt unter demfelben Breitengrade, wie wenigſtens chineftfche Geo, 
graphen behaupten, und ungefähr 425 Meilen weftlich von den Quellen 
des gelben Fluffes, ift der Urfprung des Yangtſz' Kiang, ded Sohnes 


2) Meiftentheils liegt ein Auffap im Shanghai Almanac for 1855 zu Grunde, 
B. — Das Waſſerſyſtem des Stromes nach den bis zum Jahre 1834 reichenden 
Dnellen hat Herr C. Ritter in feiner Erdkunde, Aſien Bd. 111, S. 650 — 692 ge: 
ſchildert. G. 
Beitfchr. f. allg. Erdkunde. Bo. V. 22 


338 K. L. Biernapfi: 


des Oceans, zu ſuchen. Anfangs fließt er ſuͤdwaͤrts, dann wenbet er. 
fich nach Norden und burchftrömt ein vorzugsweiſe ebenes Land unter 
dem Ramen Muru Uffu, d. 5. gewundene Gewäſſer, wie diefer Rame 
auch auf unferen Karten verzeichnet zu fein pflegt. Schon bier im 
Beginn feines Oberlaufes auf einem noch fehr hochgelegenen Terrain, 
hat der Strom eine bedeutende Größe, denn hier war ed, wo jenfeits 
der Gebirge Bayen Khara der befannte neuefte Reifende, der tömifche 
Priefter Huc, eine Heerde wilder Ochfen antraf, welche bei dem Ber: 
ſuche, über den Fluß zu fegen, eingefroren und fo umgefommen waren. 

Nachdem die Muru Uſſu diefe höchften Regionen verlaffen und 
das weite Gebiet der Kofo Nor durchſtroͤmt haben, wenden fie fi 
füdlich und treten in die große Provinz Setſchuen ein unfern des 32. 
Grades nördlicher Breite und etwa einen halben Grab von der Grenz 
Iinie entfernt, welche das Kofo Ror von dem öftlichen Tibet feheibet. 
Nicht weit von diefem Punkte, ein wenig gegen Norden, nimmt ber 
Fluß den Namen Pulutfu Ho ober Plutfu an. Reißenden Laufes 
firömt er von hier über 7 bis 8 Breitengrade hin ganz nahe jener 
mächtigen Bergreihe, welche die Grenze zwiſchen Tibet und der Pro 
vinz Setfchuen bildet. 

Zwiſchen dem 28. und 29. Grade nördlicher Breite und zwifchen 
dem 17. und 18. Grade öftlicher Länge von Peling durchfchneidet er 
die Nordgrenze der Provinz Yünnan und wird hier Kinfcha Ho oder 
Goldſandfluß genannt. Diefen Namen erhält er, während er fi zwei 
oder drei Grade weiter nad) Süden wendet, dann eine rüdläufige Be 
wegung machend, burchftrömt er wieder die Provinz Setfchuen. So— 
bald er den Diſtrict Hoh Tſchau erreicht hat, wird er nicht andere, 
als ausschließlich der „große Fluß“, Ta Kiang genannt, ein Rame, 
den er gewöhnlich im Munde des Volkes bis zu feiner Mündung in 
den Ocean beibehält. 

Mit Recht Hat man biefen mächtigen, majeftättichen Strom ten 
„Gürtel von China” genannt. Es iſt wirklich ein prächtiger Gürtel, 
der fämmtliche mittlere Provinzen des großen Reiches, welche zwiſchen 
Tibet, dem Koko Nor im Welten und dem flillen Dcean im Oſten lie 
gen, mit einander verbindet und gleichfam umfchlungen Bält. Eein: 
ganze Länge, alle feine zahllofen Windungen mitgerechnet, beträgt ge 
wiß nicht weniger, wahrfcheinlich aber noch mehr, ald 3000 Meilen. 





Der NYangtſ;' Kiang. 839 


Und wenn man feine Rebenflüffe, die zahltofen, an feinen Ufern gele⸗ 
genen Stäbte, den fruchtbaren Boden und die mannigfaltigen Erzeug- 
niſſe feiner Geſtade, dazu noch die in den Thälern, Ebenen und hügelis 
gen Landſchaften, welche er durchfließt, angeſiedelte Bevölkerung in Ber 
trat nimmt, fo hat diefer Sohn des Oceans gewiß nicht feines 
Bleihen auf Erden. Mitfammt feinen zahlreichen Zuflüfien und ber 
Menge von Kanälen, welche diefe unter einander verbinden, bildet er 
ein Reh von Waſſerſtraßen innerhalb der 18 Provinzen Ehina’s, wie 
nirgend8 auf dem Erdboden ein Ähnliches weder an Ausbehnung und 
Umfang, noch an Lebhaftigfeit des Verkehrs, anzutreffen it Daher 
hat der große Strom auch eine außerordentlihe Wichtigkeit für den 
Binnenverfehr, für den Handel und den Austaufch der Erzeugniffe im 
Norden und im Süden von China. Er ift die Hauptarterie des com⸗ 
merciellen Lebens im Reich der Mitte, und die feinem Gebiete angehös 
rigen größeren und kleineren Fluͤſſe und Kanäle bilden gleichfam das 
übrige Geäder, durch welches alles Handels⸗ und Verkehrsleben hin⸗ 
durchſtrömt. Selbft gleicht er einem mächtigen See, der die bewuns 
dernswürdige Weisheit des Schöpfers in feinen durchſichtigen Wogen 
abfpiegelt. " 

Während feines Oberlaufes bis zu der Stelle in der Provinz 
Setfehuen, wo er fich nörblich wendet, nimmt ber Yangtfz’ Kiang eine 
vorherrfchend fübliche Richtung; in feinem Mittel» und Unterlaufe das 
gegen ſtrömt er vorwiegend gen Often, anfangs nad Rorboften ges 
wendet. In den Provinzen Yünnan und Kmeitfchau find feine fübli- 
hen Zuflüffe zahlreich, aber nicht groß. Der vornehmfte unter diefen 
entfpringt in jener langen, Nanling d.h. fühliche Felſen genannten 
Bergfette, welche die Scheidewand zwiſchen den fühlichften und mittles 
ren Provinzen bildet und von deren Abhängen gegen Süden der Perl 
fluß in öftlicher Richtung nach Canton hinabflrömt. Sein Rame ift 
Wu Kiang d. h. fehwarzer Fluß; er durchfließt die Provinz Kweit⸗ 
ſchau in nördlicher Richtung, erhält eine Menge kleinerer Zuflüffe, bie 
gleichfalls an den Abhängen des Nanling entfpringen und mündet bei 
der Stadt Beitfchau in Setfchuen in den großen Fluß. 

Die nördlichen Zuflüffe dagegen find eben fo zahlreich und einige 
größer als die füdlichen. Sie liegen fümmtlich in der Provinz Set⸗ 
ichuen, welche ihren Namen „Bier Stromland“ wahrfcheinlich von den 

22* 


340 K. L. Blernatzki: 


vier Hauptſtroͤmen hat, durch welche ſie vorzugsweiſe bewäſſert wird. 
Dieſe find der Kinſcha, der Yalung, der Min und der Kia— 
ling; einige Geographen nennen flatt des Kinfcha den Wuliang ale 
den erften der vier vornehmften Ströme. Die Quellgebiete dieſer vier 
Flüffe liegen über die Norbgrenze von Setſchuen hinaus; fie fließen 
fämmtlich parallel neben einander von Norden nad Süden und erhal: 
ten von der Ofts, wie von ber Weftfeite eine beträchtliche Waſſermenge 
durch zahlreiche Nebenflüffe zugeführt, ehe fie in den Yangtſz' Kiang 
münden. Huc, der diefe Gegenden im Winter bereifte, fagt von bie 
fen prächtigen Strömen, daß ihre Wogen durch enge Thäler und über 
hohe Felſen Hinabrollten und große Maſſen Eis mit fich führten. 

Der am weiteften weftlich gelegene ift ver Wuliang ho d. h. ent: 
lofer Fluß. Ihm zunächkt fließt der Ya lung, deffen Lauf mehr als 
taufend Meilen lang ift, und der auf dem Gebirge Bayen Khara ent 
fpringt. Der dann folgende Min ift 700 bis 800 Meilen lang und 
bewäffert die mittleren Landſchaften von Setſchuen; feine Quellen lie: 
gen gleichfalls an den Abhängen des Bayen Khara. Der Kialing, 
von den vier Fluͤſſen der öftlichite, Hat eine Länge von wenigftend 800 
Meilen; er entfpringt im Süden der Provinz Kanfu am Kofo Nor 
und nimmt eine Menge Nebenflüfle auf, ehe er bei der Stadt Tſchung⸗ 
fing in den Yangtſz' Kiang mündet. Jeder diefer vier Flüffe iſt ſchon 
für fih allein ein bedeutender Strom, der, je mehr er fich dem großen 
Fluſſe nähert, an Breite und Waflermenge zunimmt. 

Bis beinahe zur Oſtgrenze von Setfchuen verfolgt der Yangtiz 
Kiang eine norböflliche Richtung, dann aber wendet er fih bald nad 
feinem Eintritte in die Provinz Hupi in weit gefehwungenem Bogen 
füblih. Hier erhält er aus mehreren Heineren Blüffen und mehreren 
Landfeen beveutende Zuftrömungen. Der größte feiner Nebenflüffe hier 
it der Han, welcher ehemals dem berühmteften Herrfcherhaufe Ehina’s 
feinen Ramen gab. Er entfpringt am Gebirge Peling in der Brovin; 
Schenfi, und zugleich wird berfelbe hier, wie von Hunan her, durch zahl 
reiche Zuflüffe verftärkt; bei der Stadt Hanyang, der gegenüber am 
rechten Ufer des Yangtſz' Kiang die Stadt Wutfchang auf 31° 34’ 50" 
nördl. Br. und 114° 13’ 30” öftl. 2. liegt, ergießt er ſich in den gro 
pen Fluß. Innerhalb des nach Süden gewölbten Bogens des Ießteren 
liegt eine Anzahl größerer und Heinerer Randfeen, die nach allen Seiten 











Der Dangtfz’ Kiang. 341 


hin durch Waſſerſtraßen mit dem Han und dem Dangtf;’ Kiang vers 
bunden finv. 

Der Rame Hupi bedeutet die nördlichen, Hunan die füdlichen Seen; 
beide Provinzen liegen nämlich am linfen und am rechten Geſtade des 
großen Fluſſes. An der äußeren Woͤlbung ded Bogens, den berfelbe 
hier befchreibt, liegt das große Reſervoir der Gewäfler von Hunan, 
der größte See in China, Tungting hu. Er nimmt einen Raum 
von 300 Meilen ein, und fein Umfang beträgt mehr, ald 250 Meilen. 
Nachdem der Sohn des Oceans in einiger Entfernung an dieſem mäch 
tigen Binnenfee vorübergeftrömt ift, wendet er fich plöglich nach Süpen, 
gleichfam um die Schäße des Tungting in fi aufzunehmen, deſſen 
Gewaͤſſer fih unweit der Stadt Yotſchau auf 29° 24’ nörbl, Breite 
mit den feinigen vermifchen. Er fließt alsdann in norböftlicher Richtung 
weiter, worauf er fich bei Hanyang und Wutfchang noch einmal wieder 
nach Süden wendet und fich an der Wölbung biefed zweiten Bogen, 
unfern einer Heinen ummauerten Stadt Hufau, d.h. Mündung des 
Landſee's, mit den Gewaͤſſern des weit und breit berühmten Poyang⸗ 
See's vereinigt. Hier war ed, wo im Jahre 1816 die bekannte 
Anıbaffade des Lord Armherft auf ihrer Rüdreife von Peking, die fie 
auf dem großen Kanal und über Ranking zurüdgelegt hatte, die 
Fahrt über diefen See antrat. Nachdem fie denfelben von Norden 
nach Süden durchkreuzt hatte, fuhr fie in ihren Booten auf einem 
feiner vornehmften Zuflüffe weiter, bis fie den Nanling oder Meiling, 
300 Meilen von Canton, erreihte. Der Poyang⸗See erhält fein 
Waſſer aud dem Kan Kiang und deifen Nebenflüffen in der Provinz 
Kiangfi, und gleich dem Tungting fchüttet er feinen gefammten Waſſer⸗ 
reichthum in den Yangtſz' Kiang. 

Vom Süden her ergießt fih nur ein einziger namhafter Fluß in 
den Dangtiz’ Kiang, der Tfing Kiang nämlid, d. h. der klare 
Strom, welcher aus der Provinz Kweitfchau fommt und noch inner- 
halb Setfhuen in den Yangtſz' Kiang mündet. Derfelbe bewäffert 
eine außerordentlich fehöne und fruchtbare Gegend zwifchen dem 30. 
und 31. Grade nördl. Breite und verdient mit Recht feinen Namen 
wegen feiner durchfichtigen Fluthen. 

Unterhalb Hufau, wo der Unterlauf des großen Fluſſes feinen An- 
fang nimmt, wendet diefer fih nad) Norboften, und während er dann 


| 


342 8. 2. Biernapfi: 


die Provinz Nganhwui durchfirömt, wird er immer tiefer und breiter, 
und von beiden Seiten her entladen Zuflüffe ihre Gewäfler in feine 
majeftätifch dahinrollenden Wogen. Ein KReifender, der vor wenigen 
Sahren diefe Gegend befuchte, fagt: „Die Landſchaft, welche Hier die 
fchönfte Abwechfelung von Berg und Thal darftellt, im fernen Hinter 
grumde eine Reihe fehr Hoher Gebirge, war ungemein anziehend; fie 
bat ein Klima, das von feiner anderen Gegend in der Welt an Lich 
lichkeit übertroffen wird, und nur in wenigen Gegenden ift das Klima 
eben fo fchön.” Die norbamerifanifchen Marines Offiziere, welche im 
vorigen Jahre den Strom befuhren, beftätigten die Wahrheit dieſer 
Schilderung. 

Nachdem der Fluß an Nanking vorübergeftrömt iſt, wendet erh 
in der Provinz Kiangfu ſüdwärts. Nahe bei Kwatfchau und Tſchin⸗ 
flang ein wenig weſtlich von diefen beiden Städten, wird er von dem 
großen Kanal durchfchnitten, der bei ven Ehinefen Yun bo, d. h. Trans⸗ 
portfluß heißt. Bekanntlich findet auf diefer Fünftlich angelegten, groß 
artigen Waſſerſtraße alljährlich der Transport des Reis flatt, mit 
welchem die fruchtbaren Südprovinzen Die weniger ergiebigen Rordpro⸗ 
vinzen und namentlich die Faiferliche Reſidenz Peling verforgen. Ueberall 
nimmt hier der Yangtiz’ Kiang Nebenflüffe auf, welche bald fchmaler, 
bald breiter find, alle aber dazu beitragen, daß der Hauptſtrom mehr 
und mehr fich erweitert, bis ex in einer Breite von 6 Meilen fich in’s 
gelbe Meer ergießt. 

Die Mündung, in welche gewöhnlich die von der See herfommen- 
den Schiffe einfahren, liegt 31° 9’ 3” nördl. Br. und 122° 15’ 4° 
öftl. Länge von Greenwich, während der Hafen von Schanghai am 
Hwangpu 31° 15’ A1” nördl. Breite und 121° 20’ 6” öſtl. Länge 
belegen ift. 

Diefer kurze Meberblid über den Yangtſz' Kiang und die mit ibm 
verbundenen Ströme zeigt, welcher trefflichen Waflerverbindung fich ter 
Binnenhandel China's erfreut. Aber auch für den überfeeifchen Han- 
del iR der Strom von größter Bedeutung. Der 18 Zuß tief gehent: 
nordamerifanifche Dampfer „Susquehannah” (8 Kanonen) ſtieß auf 
fein einziges Hinderniß bis Nanfing, und noch darüber hinaus bie 
Wuhu; an manchen Stellen fand das 8 Faden lange Senfblei keinen 
Grund. Ob über furz oder lang die Ehinefen Dampffchiffe zu bauen 


„ Der Yangtiz‘ Kiang. 343 


und zu benugen anfangen, iſt gleichgültig; der Verkehr des Meiches mit 
dem Abendlande ift im fleten Zunehmen und es kann nicht lange währen, 
daß auch den Secfchiffen fremder Nationen die Einfahrt in den Yangıfz’ 
Kiang eröffnet werden wird. Die gegenwärtigen Unruhen in China 
fönnen biefen Zeitpunft noch über Gebühr hinaus verfchieben, aber Die 
Chinefen find durch und durch ein handeltreibendes Voll. Unabhängig 
von der politifchen Stellung ihres Baterlandes zu anderen Ländern 
bricht der Verkehr ſich unabläfiig neue Bahnen, die ungeheure Bevöls 
kerung bedarf nothivendig zu ihrer Eriftenz eines ſtets fich erweitern⸗ 
den Handelsverkehrs. Der fortbauernde Bürgerkrieg erſchwert zwar 
hier und dort den Austaufch der Probucte; fobald aber dieſer Drud 
entfernt fein wird, beginnt ohne Zweifel eine neue Hera für den Han- 
del, und der Yangtſz' Kiang mit feinen zahlreichen Nebenflüfien wird 
bie Hauptverfehröfteaße des Reiches der Mitte bilven. 

In der That Kat diefer Sohn des Dreans nicht feines Gleichen 
auf Erden. Der Amazonenftrom mag durch feine Mündung eine noch 
größere Waflermenge in’d Meer ergießen, der Mifitffippi auf feinem 
Laufe von der Quelle bis zur Mündung ein größeres Terrain durch⸗ 
fihneiden, beide tragen vielleicht auf ihren Wogen eine größere Mans 
nigfaltigfeit von Erzeugniffen aus den an ihren Ufern gelegenen Land⸗ 
ftrichen; Die Menge der Producte, die auf dem Yangtiz’ Kiang verfchifft 
wird, ſteht dagegen ganz einzig da. Wären jene weftlichen Gegenden 
China's, die derfelbe durchſtroͤmt, hinlänglich befannt und durchforſcht 
und fennte man mit einiger Zuverläffigfeit und Genauigfeit die Bodenbe⸗ 
Ihaffenheit der Provinz Setfcehuen, man würde dort, aller Wahrfcheins 
lichkeit nach, die ergiebigften Mineralgegenden der Erde finden. 

Aber wie groß auch immer die Menge von Producten fein mag, 
welche jene Gegenden erzeugen, es ift Died Doch nur ein Geringes im 
Vergleich mit der zahllofen Bevölferung, die an den Geftaben des 
Yangtfz’ Kiang wohnt. In diefer Hinfiht erfcheint das Miſſiſſippi⸗ 
Ihal wie eine unangebaute Einöde und das des Amazonenftromes wie 
eine einfame Wüftenei. Nur die Anfievelungen der Menfchen verleihen 
einem Strome feinen Werth und feine Bedeutung, und in diefer Be- 
siehung hält Fein anderer Strom der Erde einen Vergleich aus mit 
dem Sohne ded Ocean. 

Wollte Jemand fih die Mühe geben und bie Lage fänmtlicher 





344 K. 2. Biernagki: _ 


bedeutenden Handelsftädte im Innern von China erforfchen, er würde 
finden, daß in den wichtigften Provinzen des Reiches die bei weitem 
größte Mehrzahl derfelben duch Waflerftraßen mit einander in Ber 
bindung ftehen. Diele Hunderte diefer Städte find faſt nur durch 
bie Fahrzeuge der Eingeborenen, welche auf dem Yangtſz' Kiang und 
feinen NRebenflüffen bins und herfahren, zugaͤnglich. Wir werden einige 
derſelben hier anführen. 

Zunächft nennen wir die Stadt Schanghai, deren geographiſche 
Länge bereits angegeben ift, am linken Ufer bed Hwangpu, etwa 12 
Meilen von feiner Bereinigung mit dem Yangtſz' Kiang. Diefe Bereini- 
gung findet 50 Meilen nordweſtlich von der Gützlaff⸗Inſel ftatt, welche 
Denen, die in das Innere von China zu Wafler vorbringen mollen, 
gleichfam als Wegweifer dient. Es ift noch nicht fehr lange her, daß 
Schanghai nur ein unbebeutender Ort war, namentlich ein Schlupf: 
winfel für Seeräuber von Korea und Japan. Gegenwärtig iſt ed ans 
ders. Schanghai ift, wenn nicht der erfte, fo doch ein dem erften völlig 
gleicher Seehafen ded chinefifchen Reiches, deſſen Wichtigfeit, je mehr 
Ehina den Fremden fich eröffnet, von Jahr zu Jahr zunehmen wird. 
Hierher müflen die Erzeugniffe der fremden Nationen gebracht werben, 
welche in Die mittleren, in die weftliden und in bie nörblichen SBro- 
vinzen eingeführt zu werden beftimmt find; hierher müfjen gleicherweiſe 
wenigftend drei Viertheile von allen Producten des Reiches der Mitte 
gebracht werben, welche nach fremden überfeeifchen Häfen ausgeführt 
werden follen. Für Ein» und Ausfuhr giebt es feinen geeigneteren 
Ort in ganz Ehina, und wenn die Zeit fommt, wo man auch in bie 
fem Lande Eifenbahnen bauen wird, — und vielleicht ift fie nicht mehr 
fern, da die breiten Ebenen von Kiangnan und das weite Thal des 
Jangtſz' Kiang fich befonders dazu eignen, — fo wird Schanghai ben 
großen Gentralpunft abgeben, von wo die reich beladenen Züge in's 
Innere des Reiches abgehen, und wohin fie von Dorther ebenfalls mit 
reichen Ladungen zurüdfehren. 

Sutſchau und Hangtſchau, das Paradies von Ehina, zivei 
überaus gewerbreiche Städte, liegen gleichfalls im Flußgebiete des 
Yangtiz’ Kiang, die erftere 31° 23° 25” nördl. Br. und 120° 25’ 25” 
öftl. Länge, die zweite 30% 20’ 20” nörbl. Br. und 120° 7’ 34” öfll. 
Länge. Namentlich findet hier ſtarke Seidenmanufactur und fleißiger 














Der Dangtiz‘ Kiang. 345 


Theeanbau ftatt, und auch für dieſe beiden Artikel bildet Schanghai 
ben angemeflenften Ausfuhrplap. 

Mährend des Krieges zwifchen Ehina und England in den Jah 
ren 1841 und 1842 waren alle bewaffneten Unternehmungen gegen 
China fo lange erfolglos, als noch Tſchinkiangfu nicht erobert wor⸗ 
ben war. Schon der Name diefer unterhalb Nanfing, unmittelbar am 
Yangtſz' Kiang gelegenen Stadt zeugt von ihrer militairifchen Wich- 
tigfeit, er bedeutet: Wächterftation am Fluſſe. Nachdem fie von ven 
britifhen Truppen befeßt worden war, fand Sir Henry Pottinger bie 
Minifter Sr. kaiſerl. Majeftät bereit, feinen Eröffnungen ein geneigtes 
Ohr zu leihen und feine Wünfche Hinfichtlich der Abfchließung eines 
Friedens» und Handelövertrages zu erfüllen. Auch im gegenwärtigen 
Bürgerfriege hat fich die Bedeutſamkeit dieſes Platzes abermals bewährt. 
Es zeugt von ber großen taftiichen Kunde der fogenannten Infurgen- 
ten, daß fie, fobald als möglich, Diefen Ort befegten, von dem aus fie 
alle Communication auf dem Yangtſz' Kiang und dem großen Kanal 
auf’8 Genaueſte beauffichtigen konnen. Wer Tſchinkiangfu zu behaup- 
ten vermag, dem ift auch der Befit von Ranking, Wuhu und anderen, 
am großen Fluſſe gelegenen Städte geſichert. Tſchinkiangfu ift das 
große Eingangsthor in das Innere von Oft-Afien, ebenfo wie dahin 
der Yangtſz' Kiang die Einfahrt zu Wafler ermöglicht. 

Die Chineſen haben von Alters her ihre Städte fo angelegt, daß 
fie mit Fahrzeugen zugänglich find; faft jede nur einigermaßen beveus 
tende Stadt ift von Kanälen durdhfchnitten oder umgeben und fteht 
duch folche oder durch einen fchiffbaren Fluß mit der nächitgelegenen 
Etadt in Verbindung Man hat in China Feine Landkarten; foviel 
aber aus den geographijchen und topographifchen Schriften zu erfehen 
it, fo find die Gewäffer in Kiangnan fammtlich für tiefer gehende 
Sahrzeuge ſchiffbar, und zwifchen dem Yangtfz’ Klang und dem vorhin 
angeführten großen Binnenfee fann die Kommunifation nicht ſchwierig 
fein. Einige chineſiſche Schriftfteller fprechen fogar von einer Waffer- 
verbindung zwifchen dem Yangtſz' Kiang und dem gelben Fluſſe im 
Innern des Reiches, allein es ift doch bis jegt nicht mit Sicherheit 
feftzuftellen, ob eine folche wirklich vorhanden ift, und wenn fie es fein 
follte, ob fie zu jeder Jahreszeit für größere Schiffe brauchbar ift. 
Denn, foviel und befannt, ift der Stand der Gewäfler keineswegs ein 


346 8. L. Biernatzki: 


regelmaͤßiger, ſelbſt die Ebbe und Fluth aͤußern ſich noch weit in ven 
Yangtſ;' Kiang und feine Zuflüffe hinauf, weshalb es nicht gewiß 
ift, ob größere Kahrzeuge nach allen wichtigen Handelsplägen, die im 
Gebiet des großen Fluſſes liegen, gelangen koͤnnen. 

Die Diftrietshauptftäbte in der Provinz Kiangfu, zu Venen 
chinefifche Segelboote fahren, find Ifungfiangfu, Taitſangfu, Sut⸗ 
fhaufu, Tſchangtſchaufu, Tſchinkiangfu und Kiangninfu (32° A0' 40” 
nördl, Br. und 118° 47’ öoſtl. L.) an dem füdlichen Ufer des Yanatiz 
Klang; Yangtfhaufu (32° 26’ 32” nordl. Br. und 119° 24’ 43" 
öftl. L) am nördlichen; und an beiden Ufern beffelben liegen eine Menge 
Ortichaften zweiten Ranges, wie Kiangyinhien u. a. m. 

Als der amerikanische Minifterrefident im vorigen Jahre einen 
Ausflug nah Ranking und Wuhu machte, entvedte man mehrere Ka: 
näle, welche in den Strom mündeten und jelbft für Dampffchiffe fahr 
bar zu fein fohienen. Nicht fern von Tfchinfiangfu fah man eine Flo⸗ 
tile von mehreren Hundert Booten, welche aus einem Kanal vom 
Korden her in den Fluß einfegelte, der, wie es hieß, dieſen mit dem 
Salzflufie verband. An vielen anderen Orten, auch an folden, die 
vom Yangtfr’ Kiang entfernt lagen, fah man eine Menge größerer 
Schiffe vor Anker liegen. Dies war 3. B. bei Taitfangfu der Fall, 
welches ehemals, und vielleicht auch noch jebt, eine bedeutende Han; 
delsſtadt war. 

In der Provinz Nganhwui find folgende Städte entweder un; 
mittelbar am Yangtſz' Kiang oder an einer mit ihm in VBerbinbung 
ftehenden Waflerftraße gelegen und deshalb für chinefifche Fahrzeuge 
zuganglih; am rechten Ufer: Taipingfu 31° 56’ 57” nörbl. Br. unt 
117° 21° 50” öftl. &, Wuhuhien 31° 27’ nördl. Br. und 118° 21' 
öſtl. L, Tunglinghien 31° A’ nördl. Br. und 117° 50’ öſtl. L, Tſchi 
tihaufu 31° 56’ 57" nördl. Br. und 117° 27' A” oft. L, Tungliu- 
hien 30° 22’ nörbl. Br. und 116° 54’ öfll. 2.; dagegen am linfen 
Ufer: Hotſchau 31° AA’ nördl. Br. und 118° 20’ öſtl. L., Rganfinyru 
30° 37' 10” nördf. Br. und 117° 4’ 13" öftl. 2, außer anderen von 
geringerer Wichtigkeit. Alle diefe Städte liegen in einer ausgedehnten 
Landfchaft, deren Haupterzeugniß, der Thee, nach allen Welttheilen 
ausgeführt wird, und treiben unter einander einen lebhaften Handel 

Der Binnenfee Tſchau oder Tfchau hu (hu heißt Wafler, Se 





Der Dangtiz' Kiang. 947 


wird durch einen Kanal, der leicht befahrbar ift, mit dem Yangtiz 
Kiang in Verbindung gefebt und vermittelt den Zugang zu der Dis 

ſtrictshauptſtadt Lutfchaufu 31° 56’ 57” nörbl. Br. und 117° 15’ 
20" öftL. Länge. 

Saͤmmtliche Hauptfläbte ber Provinz Kiangſi, 14 an der Zahl, 
find für chinefifche Bahrzeuge auf dem großen Fluffe felbft oder auf 
feinen Zuflüffen erreichbar; der Yangtſz' Kiang durchſtrömt diefe Pro- 
vinz in einem 80 Meilen langen Laufe. Unter dieſen Stäbten find 
die vornehmften: Nantſchangfu 28° 37' 12” nörbl. Br. und 115° 48’ 
17° Hl. 2, Jautſchaufu 28° 57° 20” mörbl. Br. und 116° 44’ 8" 
of. 2, Nankangfu 29° 31’ A2” nördl. Br. und 115° 54' 23” oſtl. &, 
Kinfiangfu 20° 54’ nörbl. Br. und 116° 4’ 30” öft. 2, Linkiangfu 
27° 57° 36” nördl. Br. und 115° 27’ öftl. 2, Kantfchaufu 25° 52’ 
48” nörbl. Br. und 114° A7' 6” öfll. L, und Nannganfu 25° 30’ 

nördl. Br. und 101° A5’ öftl. Laͤnge. 

Von der zuletzt genannten Stadt an erftredt ſich die Schifffahrt 
mit chineſiſchen Booten füdwärts bis auf 300 Meilen nad) dem Po⸗ 
yang⸗See. Kantfchaufu liegt ganz im Süden der Provinz Kiangfi 
und fchien, wie der Reiſende Davis behauptet, jede andere Stadt, vie 
er in China gefehen, an Umfang zu übertreffen. 

Die Städte Nantfchangfu, Kiufiangfu und einige andere in ber 
Provinz Kiangft find häufiger während der lebten Jahre erwähnt wor- 
den, weil fie unter den erften fich befanden, die unter dem Joche des 
Bürgerfrieges, der in Kiangfi ausbrach, feufzten. Nur die Waſſer⸗ 
firaßen, welche fie mit einander und den benachbarten Ortfchaften ver- 
binden, machten den fohnellen Truppentransport möglich, dem nament- 
lih die Infurgenten ihre vafchen, zum Theil unblutigen Erfolge ver: 
dankten. Diefe Städte werden auch wahrfcheinlich die erften fein, melche 
fih von dem Drude, der auf ihnen gelaftet hat, wieder erholen. 

In der Provinz Hupi bilden die drei Städte Wutſchang, 
Hanyang und Hanfau einen einzigen großen Verfehrsplag. Kaum 
ein anderer Ort in China ift Hinfichtlich der Vollsmenge und der Leb⸗ 
haftigfeit des Handeld mit diefem zu vergleichen; nur London und 
Jeddo, die Hauptſtadt von Japan, bieten ein ähnliches Bild. Hanfau 
ift eigentlich nur eine Vorſtadt der beiden anderen, aber unter dem 
Namen Hankau verfiehen die Hanbelsleute gemeiniglich alle drei Stäbte 


348 K. 8. Biernatzki: 


zuſammen. Sie liegen 600 Meilen oberhalb der Mündung des Yangiiz’ 
Kiang, der hier eine franzöftfche Meile breit it. Am 12. Jan. 1853 
wurden fie von den Inſurgenten erobert, die, Faiferlichen Berichten zu- 
folge, durch Anlegung einer Mine an der Weftfeite, deren Sprengung 
zur rechten Zeit gelang, fih zu Herren der Stabt machten und Deren 
Befagung verjagten. Noch manche andere Diftrictöhauptftädte in Hupi 
haben eine Wafferverbindung mit dem NYangtiſz' Kiang, 3. B. Ngan⸗ 
Iuhfu 31° 21’ nördl. Br. und 112° 31’ 58” öfl. 2, Siangyangfu 
32° 6’ nörbl. Br. und 113° 5’ 16” öſtl. L, Kingtfchaufu 30° 26’ AO” 
nördl. Br. und 112° 4’ 50" öfll. L, Itſchangfu 30° 49' nörbl. Br. und 
111° 10’ 20” öftl. 2. und Schinanfu 30° 15’ 56" nörbl. Br. und 
109° 25’ 55” Hfll. Länge. 

In Hunan find die Mehrzahl der Diftrietöhauptftädte, fowie der 
weniger anfehnlichen Handelsftädte gleichfalld mit dem Yangtſz' Kiang 
verbunden. Bon den 16 der erftlen Art entbehren etwa 5 oder 6, 
und von den 67 geringeren Städten nur etwa eben fo viele dieſer 
vortheilhaften Lage. Yohtſchaufu 29° 24’ nördl. Br. und 112° 54’ 
25" öftl. 2. und Tſchangſchafu 28° 12’ nörbl. Br. und 112° 6’ 57" 
öſtl. 8, find Hier vornehmlich namhaft zu machen. Erftere Stadt fiel 
fhon am 13. December 1852 den Infurgenten in die Hände, nachdem 
die in der Stadt garnifonirenden Truppen, wie der Faiferliche Bericht 
ſelbſt eingefteht, bereit am Tage vorher davon gegangen waren. An 
Tſchangſchafu dagegen marfchirten die Infurgenten vorüber, ohne e8 an- 
zugreifen; nach dem Falle von Yohtſchaufu Fonnte es überhaupt nicht 
länger von ben Faiferlihen Truppen gehalten werden, die angeblich dort 
in einer Stärfe von 3000 Mann, Freiwilligen aus der Provinz os 
kien, fanden. 

Die Provinz Setſchuen zählt feine einzige Stadt von einiger 
Bedeutung, welche nicht im Gebiet des Yangtſz' Kiang und feiner oben- 
genannten vier Zuflüffe läge; e8 würde aber zu weit führen, auch nur 
die bedeutendften namhaft zu machen. Es herrſcht hier dieſelbe Leich: 
tigfeit des Waflerverfehrs, wie in den öfllichen Provinzen des Reiche, 
worüber die im vorigen Jahre bereits in zweiter Auflage erfchienene 
Reife des Pater Huc (lempire chinois) nähere Auskunft giebt. 

Wir haben nur eine Skizze dieſes mächtigen Stromes und feines 
Landgebietes den Lefern vorlegen wollen; das vorhandene Material 


Der Dangtiz’ Kiang. 349 


würbe allerdings noch eine detalllirtere Darftellung zulafien, aber aus 
dieſen Umriffen ergiebt fich zur Genüge, welch eine Pulsader commer- 
ciellen Lebens diefer Strom ift, deffen Ufer noch überdies größtentheils 
überall dem Auge die herrlichften Landſchaften vorftellen. Nachdem 
auch Japan, wenigftens theilweife, dem Verkehr mit dem Abendlande 
eröffnet worden, rüdt der Zeitpunkt immer näher, wo die chinefifche 
Regierung, wenn auch ohne Waffengewalt, gezwungen werben wird, 
bie legten Schranken felbft nieberzureißen, durch welche fie ihr herrli- 
hed Land von dem Verkehr mit den übrigen Kationen ausfcheibet. 
Dann werden in furzer Zeit die MWogen des Yangtfz’ Kiang, zumal 
wenn erft Das Fahrwaſſer genau fondirt und mit Tonnen und Bojen 
verfehen fein wird, wozu jet die Amerikaner ernftlich Anftalt machen, 
eine Handelöflotille auf ihrem Rüden tragen, die an Größe, an Reich⸗ 
thum der Ladungen, und, wie wir wenigftend meinen, auch an Zahl 
der einzelnen Schiffe von feiner anderen irgend eined Stromes der 
Welt übertroffen werben wird. Denn China's Producten-Reichthum 
it unerfchöpflich und alle Welttheile begehren denfelben, — die Blume 
der Mitte ift das Land der Zukunft! 


8. 2. Viernatzki. 


XI. 
Die neueſten ruſſiſchen Erwerbungen im Amuͤrlande. 


— — — 


Als im Beginn des 17. Jahrhunderts die Ruſſen bis in die öſt⸗ 
tichften Theile Sibiriend vorgedrungen waren, brachten tomsfifche Kos 
fafen in den Jahren 1636 — 1639 vom Wljafluffe Her die erfte Kunde 
von der Eriftenz eines ſehr großen Stromes in der Mandfchurei 
(Müller in feinen Sammlungen ruffifcher Gefchichten. St. Betersburg 
1736. 11, 292), welcher bei den Chinefen den Namen des Heslong- 
fiang führt und bei den Ruſſen fofort den des Amür erhielt. Bald dar 
auf (im Jahre 1647) wurden durch zwei Unternehmungen Wege aus 
dem Jakuͤtenlande bis zu diefem Strome gefunden, aber befonders war 
e8 der Koſakenoffizier Waſilei Pojarkoff, welcher den größten Theil des 
Laufed des Amtır bis zu defien Mündung in den Dcean aus eigener 
Anfchauung kennen lernte. Derfelbe drang nämlich im Jahre 1643 
mit einem Haufen jogenannter Promuiſchleniks, d. 5. Abenteurer, 
die im 16. und 17. Jahrhundert in der Entvedungsgeichichte Sibi- 
riend ungefähr doffelbe waren, was heute die Pioneerd im Innern 
Nord Amerifa’s, von der neubegründeten Stadt Jafütsf in Die Man- 
pfehurei in der Hoffnung ein, Silbererze zu finden, die angeblich am 
Uras (Urka⸗) Fluſſe gegraben ‚wurden, indem er anfänglich die Lena 
abwärts bis zu der Einmündung des Aldanfluffes (Zeitfchr. IV, 484) 
in diefelbe 30g und hierauf dem Laufe dieſes Fluſſes A Wochen lang, 
fowie dem mehrerer anderen Flüſſe aufwärts folgte, bis er endlich das 
große Orenzgebirge zwifchen dem damaligen Gebiete der Jafüten und 
der Mandfchuren, den Jablonoi Chrebet oder Stanowoi ( Zeitfchr. IV, 
A486 — 487) erreichte. Zwei Wochen bedurfte Pojarfoff in dem Ge 





Die neueften ruſſiſchen Erwerbungen im Amürlanve, 351 


birge, um den Wolok (Trageplag) zwifchen der Nujemfa, einem noch 
zu dem Gebiete der Lena gehörenden Yluffe, und der Briända, einem 
anderen bereit auf dem Sübdabhange des Gebirged entfpringenden 
Flüßchen, das fih in die Seia (Tichikirasula der Mandſchu's oder 
Dſchi der Tungufen; Fiſcher, fibirifche Gefchichten II, 780), einen bes 
deutenden Zuſtrom des Amtır, ergießt, zu überfchreiten. Auf der Seia 
fchiffte fih Pojarfoff mit feiner Mannfchaft ein, und indem er dieſen 
Strom bis zu feiner Vereinigung mit dem Amür und dann den Lauf 
des letzten felbft bis zu der Ausmündung in das Weltmeer befuhr, fo 
wurde gleich in den nächften Jahren nach der erften Entdeckung eine 
fo volftändige Kenntniß des Amuͤr erworben, wie die Entdeckungsge⸗ 
fehichte der Riefenftröme der Erde Fein Beifpiel einer umfaflenderen Er: 
forfchung in fo kurzer Zeit aufzumweifen hat. Pojarkoff fand zwar Feine 
Silbererze, dagegen aber erwarb er mit feinen Gefährten eine ſolche 
Zülle des koſtbarſten Pelzwerkes, daß fchon im Jahre 1650 der Kos 
fafenanführer Jerofei Chabaroff mit einem Haufen Promtifchlenits zu 
demfelben Zwede nach dem Amtırlande aufbrach, wo er eine Linie bes 
feftigtee Bolten am Strome und an den oberen Zuflüffen, namentlich 
darunter ven Poſten Jakſa, das in der fpäteren Gefchichte diefer Ges 
genden fo oft genannte Albafinsk, anlegte und einen großen Theil der 
Mandichurei der ruffifchen Krone unterwarf. Chabaroff gelangte je⸗ 
doch nicht felbit bis zur Mündung des Amuͤr, wohl aber war dies 
mit einem feiner Unteranführer, dem Koſaken Nagiba im Jahre 1651 
der Fall (Müller a. a. DO. II, 323 — 329). Pojarkoff's und Nagiba’s 
Befahrungen des faft ganzen Amuͤr waren übrigens die einzigen von 
Europäern oder wenigftend von deren Nachkommen in Sibirien auöges 
führten Unternehmungen der Art, bie wir fennen, indem bis in bie 
neuefle Zeit niemals wieder eine folche beendet werben fonnte. Aus 
dem Angeführten ift ſchon erfichtlih, daß Pojarkoff nicht allein den 
Ruhm hat, den man ihm zuweilen zugefchrieben, den Amtr bis zu ſei⸗ 
ner Mündung befahren zu haben, indem Nagiba mit ihm viefe Ehre 
theilt. Erſt in neuerer Zeit wurde wieder ein ſolches Unternehmen ver- 
fucht, das aber leider im Entftehen eine Unterbrechung erlitt. Der fran- 
zöſiſche Lazariften-Mifftonar P. de la Bruniere befchloß nämlich nach 
einem von ihm am 5. April 1846 an den Ufern des Ufuri (Ufuli der 
Ghinefen) gefchriebenen Briefe (Excursion en Mandschourie en 1845 


352 Gumpredht: 


in den Nouv. Annales des voyages 1848, IV, 82 — 115) ben 
Amuͤr bis zu feiner Ausmündung zu befahren,‘ indefien machten Mör- 
derhände unmittelbar darauf dem Plane ein Ende, indem de la Bru- 
niere in dem am Amür gelegenen Dorfe Hon⸗Tong von den Einge: 
borenen, einem langhaarigen Menfchenfchlage, ermorbet wurde (Bericht 
des Lazariften B. Venault ebendort 1852, II, 216 — 217). 

Häufige Fehden der ruffifhen Einvringlinge mit den Eingebore 
nen, die von fenen in ihrem Hauptnahrungszweige, der Jagd der Pelz⸗ 
thiere, beeinträchtigt wurden und noch manche andere Bebrüdungen zu 
erleiden hatten, folgten unmittelbar Chabaroff’s weitfchichtigen Eroberun⸗ 
gen, welche in Bezug auf das Glück, das fie begleitete, manche Aehn⸗ 
lichfeit mit Cortez', Pizarro’s, Alvarado’8 und der ſpaniſchen Abenteu- 
rer Unternehmungen in Amerika hatten und gleich den Thaten ber 
Spanier allein durch das Mebergewicht des Feuergewehrs über Die un 
vollfommenen Waffen der Eingeborenen ermöglicht wurden. Durch bie 
Kriegszüge der Kofafen wurde zugleich Die erfte freilich fehr unvoll- 
fommene Kenntniß ded Amürlandes erlangt. Den Berichten der Ruſ⸗ 
fen folgten bis jet nur noch die faft eben fo dürftigen Nachrichten in 
den chinefifchen geographifchen Werfen und in den lebten Jahren einige 
nicht minder magere Berichte frangöfifcher Lazariften, der einzigen Eu⸗ 
ropäer, denen ed in neuerer Zeit gelungen ift, in das Innere des 
Amtrlandes einzubringen, namentlich die Mittheilungen der Mifftonare 
de la Bruniere und Venault. Nach Aaron Haight Palmer's Werf 
(Memoir geographical, political and commercial on the present 
state, productive ressources and capabilities for commerce of 
Siberia, Mantschuria and the Asiatic Islands of the Northern Pa- 
cifice Ocean and the importance of opening commercial inter- 
course with those countries etc. Reports 30. Congress. I. Sess. 
No. 80. Washington 1848) fol zwar der frühere apoftolifche Vicar für 
Korea und die Lutſchu⸗Inſeln Dr. Ferr&ol in den Annales de l’Asso- 
ciation de la Propagation de la Foi Maiheft 1846 eine ausführliche 
Befchreibung des Amürlandes geliefert haben; indeſſen ift diefe Angabe 
irrig, indem weder ber ebengenannte, noch bie früheren over fpäteren Jahr⸗ 
gänge einen dergleichen Bericht Yerr&ols enthalten. Was bis zum Jahre 
1834 über das Amürland befannt war, hat Herr C. Ritter mit gewohnter 








Die neueſten rufflfchen Erwerbungen im Anrürlande. 358 


ſicheret Hand zu einer umfaffenden Darftelung diefer Gegenden in 
feiner Erdkunde benugt (Afien II, 430 — 490, 612 — 622). 

Ungeachtet der Fehden mit den Eingeborenen blieben die Ruffen faft 
40 Jahre hindurch im ungeflörten Beſitze des Amuͤr und des nörbliches 
ren Theiles der Mandſchurei, da die Manpfchu feldft erſt kurz vorher 
(im 3. 1644) das chinefifche Reich zerftört hatten und noch gu ſehr 
mit der Conſolidirung ihrer Macht in dem ungeheuren Bereiche ihrer 
Eroberungen bejhäftigt waren, als daß fie den ruffifchen Eroberungen 
im Heimathlande die nöthige Aufmerfjamfeit hätten fchenfen können. 
Erft im Jahre 1689 fandte der Kaifer Kangshi, einer der ausgezeich⸗ 
netſten Regenten, bie China je befefien hat, eine ftarfe Militairmacht 
nad) dem Amuͤr, welcher die Ruffen nicht wiberftehen fonnten und bie 
deren Niederlaffungen zerftörte. Dadurch gelangte das ganze Amuͤrland 
wieder in den Befig der Manpfchuherrfcher in China. In dem unmittel- 
bar darauf am 7. September 1689 zu Nertſchinsk zwoifchen China und 
Rußland abgeſchloſſenen Frieden, wobei die Jeſuiten P. Gerbillon und 
Pereira als Dolmetfcher der chinefifchen Bevollmächtigten thätig waren, 
ließen fich die ruſſiſchen Gefandten durch eine flarfe chinefifche Flotte 
auf dem Amür und durch ein Landungsheer von 10,000 Mann, das 
Nertſchinsk und ganz Transbaifalien bedrohte, einfchüchtern und traten 
alle Befigungen Rußlands in der Mandfchurei nebft dem Amurlaufe 
ab, indem in dem Tractat feftgeftellt wurbe, daß im Often und Norbs 
often von Nertſchinsk die Grenze beider Staaten durch den von Nor⸗ 
den her in die Schilfa fließenden Goritza bach oder nach einer anderen 
Auslegung noch weiter im Often durch den gleichnamigen Gorigafluß, 
welcher in dem aus der Bereinigung der Scilfa und des Argun ents 
flandenen Amür endet, gebilvet werben follte, und daß weiter von der 
Gorika an die Grenze beider Reiche bis zu dem Drean der Waifer- 
fheide auf dem Stanowoi zu folgen habe. Ein zweiter am 14. Juni 
1728 zu St. Petersburg gefchloffener Vertrag änderte in dem Wort⸗ 
laute des Nertichindfer Vergleiches nichts, aber fo öde und unbekannt 
it das Land in dieſen Gegenden, daß, wie früher erwähnt (Zeitfchrift 
IV, 492), Middendorff's Forſchungen noch im 3. 1845 zu der unerwar- 
teten Entdeckung führen fonnten, daß nad) beiden Verträgen und den 
von den Chinefen ſelbſt geſetzten Grenzpfählen und Landmarfen ein uns 

Zeitſchr. f. allg. Erbfunde. Bd. V. 23 





854 Oumpreät: 


geheurer Strich von nicht weniger, als 50,000 Werſt unzweifelhaft 
zu Rußland gehört, der aber bisher gar nicht von den fibirifchen Bes 
hörven beachtet worden war. Die völlige Aufgabe des Amuͤrlandes war 
aber nicht der größte Rachtheil von den beiden Verträgen, ein viel bebeu: 
tenderer entfland für Rußland dadurch, daß durch feinen Paragraphen 
den Rufen die Befahrung des Amür bis zu feinem Austritte in Das 
Weltmeer vorbehalten worden war. Die Chinefen benusten den Fehler, 
fchloffen fofort die Ruſſen von der Benugung des Stromes und feiner 
großen fchiffbaren Zuflüfe aus und Hinderten dadurch faſt 200 Jahre 
das Aufblühen des üblichen Sibiriens auf das empfinplichfte, indem 
ohne dieſes Hinderniß nicht allein Nertſchinek und ganz Transbaikalien 
eine Wafferverbindung mit der ganzen Mandſchurei und dem Ocean 
gehabt Hätten, fondern auch eine ſolche mit Leichtigkeit aus dem In; 
nern Sibiriens fich hätte herftellen laſſen ( Zeitfchrift IV, 428). Denn 
nach den Angaben eines neueren englifchen Reifenden Mr. Cotrell ließe 
fi von der Schilka bis zu dem großen, in den Baifalfee fallenden Ee- 
lengaflufje ohne bedeutende Koften eine fchiffbare Waſſerſtraße herftellen, 
da die wenigen Stromfchnellen und Wafferfülle in den fonft fahrba- 
baren und theilweife, wie Die Ingoda, der Schilfa, theilmeife aber auch, 
wie der Khiljof, der Selenga zugehenden lüften, ohne große Mühe 
und Koften zu entfernen wären (Cotrell bei Palmer ©. 42). Erfol⸗ 
gen diefe Stromregulirungen, fo vermödhte man mittelft der Angära 
und des Irtiſch, alfo aus dem Herzen Sibiriens, in Booten bis zu 
dem Weltmeere im Often zu gelangen, während andererſeits die Fluß 
fchifffahrt auf den großen Zuftrömen ded Amür, dem Songhari oder 
Songhu (dem Schingal der Rufien, dem Kuantong der Chinefen) und 
dem Ufüri (Ufuli) oder Ufürs Ula die Mandfchurei in allen Richtun⸗ 
gen den Ruſſen eröffnen würde. Der Songhari, ber ſich unter dem 
49. Grade nörbl. Breite mit dem Amuͤr vereinigt, ift nämlich ein Fluß 
von fo gewaltiger Größe und Tiefe, daß die Ehinefen venfelben für 
den wahren oberen Lauf des Amür halten, und durchzieht die weftliche 
und befonders die ſuͤdweſtliche Mandfchurei, und auch der Ufüri, deſſen 
Quellengebiet in den Gebirgen nahe dem japanifchen Meere liegt, if 
nach dem Berichte eincs der wenigen Europüer, die ihn aus eigener 
Anſchauung fennen lernten, des ſchon genannten de la Brunidre, ein 
eben fo großer und tiefer Fluß als der Songhari; er vereinigt fich 





Die neueften ruſſiſchen Erwerbungen im Amürlande. 855 


nach einem langen nörblich gerichteten Laufe etwa unter dem A9. Grabe 
nördlicher Breite mit dem Amuͤr und bemwäflert den ganzen füblicheren 
Theil der Mandfchurei. Unter diefen Umftänden war es feit faft zwei 
Jahrhunderten das eifrigfte Beftreben der Ruſſen in Sibirien, wieder 
in den Beflg des Amuͤr zu gelangen oder von den Chinefen wenig» 
ftens die ungehinderte Befahrung deffelben bis zu feiner Ausmündung 
in den Drean zu erlangen, indefien glüdte dies nicht, da foldhen Wüns 
fhen die befannte mißtrauifche Politif der Chinefen ſtets hindernd im 
Wege ftand, bis erft die neueren politifchen Verhältniffe Ehina’s auch 
für diefe Gegenden eine Umgeftaltung erlitten. Schon vor einigen 
Jahren hatten fich zwar die Ruſſen beftrebt, ohne förmliche Einwillis 
gung der chineftfchen Regierung auf der nördlichen Seite des Amuͤr 
feften $uß zu faflen, wobei fie von der jegigen Verödung des Landes 
und der Außerften Dünne der Bevölferung unterflügt wurden (Zeit 
fhrift IV, 492), ja fie beabfichtigten nach Venault's Bericht fchon 
im Jahre 1850, eine Stadt zu Poulo anzulegen (Nouv. Annales des 
Voyages 1852, IV, 223), aber erſt vor Kurzem find ihnen von ber 
hinefifchen Regierung fo umfaflende Eonceffionen gemacht wurden, daß 
fie Alles erreichten, was fie fo lange und oft vergeblich erftrebt Hatten. 
Nah einem im Frühlinge dieſes Jahres zu Irkaͤtsk gefchriebenen und 
im Jufi durch Die peteräburger Zeitfchrift Die norbifche Biene mit- 
getheilten Briefe hat nämlich der jegige Beherrſcher des himmliſchen 
Reiches ven Ruſſen nicht allen die volle freie Befahrung des Gros 
Ben Stromes!) geftattet, fondern auch denfelben freiwillig den gans 
zen an deſſen Mündung gelegenen Theil der Mandfchurei abgetreten, 
eine Gonceffion, Die Seitens der Chineſen fein bedeutendes Opfer war, 
da, wie die chinefifchen Beamten ben ruſſiſchen erklärten, der Fluß ihnen 
von gar feinem Nuten war. Mit Recht begrüßt das Jakutöfer Schrei- 
ben diefe Erwerbungen als ein Ereigniß von unfchägbarem Werthe für 
die Zufunft Sibiriens und meint wohl nicht ohne Grund, Daß die Por 
litik der Chinefen daran feinen geringen Theil habe, indem bie legten 
nach den faft 200 Sahre beftandenen freundfchaftlichen Verhältniffen mit 
Rußland die Hoffnung hegten, im alle eines Krieges mit einer euros 


I) Der Name Amür odes Tamur foll michts anderes, ale Großer Fluß, be 
teuten (PBallmer a. a. O. 34). 
23”? 





856 Sumpredt: 


päifchen Macht von jenem Reiche Beiftand zu erlangen. Wie treiflid 
überhaupt der Amuͤr für die Steigerung des Verkehrs in dieſen Ge 
genden, ja für das ganze Aufblühen Sibiriend geeignet ift, haben be 
reits Die neueften Erfahrungen erwiefen, indem rufftfche Dampfer von ge: 
ringer Kraft von der fchilfinafifchen Fabrik ) bis an den Drean in 14 
Tagen zu fahren vermögen ?) und da ferner die Erfahrung gelehrt Bat, 
daß man von nun nicht mehr genöthig fein wird, das zur Perper 
viantirung Kamtfchatfa’8 und der ruffifchen Befigungen in Nord⸗Ame 
rika beflimmte Mehl auf dem 6000 Werft langen befchwerlichen Land. 
wege von Jakuͤtsk nach Ochotsk zu fenden, fondern Daß man aus den 
transbalkalifchen Landftrichen das Mehl den Amür abwärts bis wu 
defien Mündung zu verführen vermag. Welche Erfparnifie dadurd 
für die Krone und die ruffifch-amerifanifche Compagnie fich ergeben, 
erweift die Thatfache, daß das Pfund Mehl in Kamtfchatka für 15 
Kopeken Silber verfäuflich fein wird, während man Daffelbe bei erſchwer⸗ 
ten Zufuhren hier oft mit 10 — 15 Rubel in Affignaten, ja im Jahr 
1847 nach Pallmer's Angabe (a. a. DO. 15) fogar mit 28 Papier: 
rubeln bezahlen mußte. Freilich möchten folche Veränderungen bie Statt 
Jakuͤtsk, die wefentlich durch den MWaarentransport nad und ren 
Kamtfchatfa und Nord⸗Amerika ihre Bedeutung erhielt (Zeitfhr. I, 
448) auf das empfinvlichite berühren, indem auch die Theetransporte 
aus China Fünftig den naturgemäßen Waſſerweg nach Sibirien air 
fehlagen werben, jo daß Jakuͤtsk kaum noch etwas anderes, als te 
Stapelplab für die in den Waldregionen der Tungufen und Jafut 
gewonnenen Pelzwaaren bleiben dürfte. Aber abgefehen davon, vu 
das Amurland in der Zufunft zu einem wichtigen Tranfitland fid c 
heben wird, bietet deffen Erwerbung Rußland noch andere wichtige Ber: 
theile dar, indem es nicht allein ein eben fo reiches Gebiet an Pi; 
thieren, wie das öftliche Sibirien If, fondern auch in feinen Erzen un 
feinem überaus trefflichen Boden dauernvere Vortheile verfprict. Ti 


2) Das ift wohl die große Schilfifche zu Neriſchinsk gehörende Siberſchwel 
hütte (Georgi, Bemerkungen auf einer Reife im ‚ruffifchen Reiche I, 332, 334). 

2) Der Amir hat nämlich, wie fchon Müller Im Jahre 1741 wußte, wer 
Klippen, noch Waflerfälle, und fogar eine fo anfehnliche Tiefe, daß auch mittelmähir 
Seefahrzeuge von europälfcher Banart ohne Noth darauf fortfommen fin 
(Müller in Büſching's Magazin für die nene Hiftorie und Geographie IV, 507) 

















Die neueften ruffifchen Erwerbungen im Amuͤrlande. 357 


Mandſchurei ward zwar damals weſentlich nur von nomadifchen einge: 
borenen Pelzjägern durchftreift, die einen Theil ihrer Erträge als Tribut 
abliefern mußten, und allein in den füblichen Regionen fanden fich anges 
fiebelte chinefifche Verbannte, da die chinefifche Verwaltung dieſes Land, 
ganz ebenſo als Verbannungsort, wie die ruffifche Regierung Sibirien, 
benugt, indefien ſcheint es nicht, daß die Verbannten Hierher, wie bie 
ruſſiſchen nach Sibirien (Zeitfchrift IV, A30), Elemente der Eivilifation 
gebracht Haben, da wenigflend de la Brunieres, Venault's und des 
apoftolifchen Vicars Verolles Berichte nichts davon erwähnen.‘ Den⸗ 
noch fcheint die Mandfchurei für die Errichtung fefter Riederlaffungen 
ganz geeignet zu fein, indem ſchon die erften ruffifchen Streifpartien 
und Eroberer in der Nähe des Amar felbft und feiner Zuflüffe Ader- 
bau vorfanden. So traf Pojarkoff denfelben bei den an der Seia 
wohnenden Dasüuren, nicht minder war dies mit Chabaroff der Fall, 
und endlid wußte fogar ein zur linterfuchung des Amuͤrlandes von 
Neriſchinsk aus mit einem Kofakentrupp abgefertigter Offizier, der 
Dojarenfohn Ignatei Milowanoff, nicht genug die Güte des dortigen 
Aderlandes hervorzuheben (Müller bei Büfching II, 496), indem auch 
er an der Seia und dem Amuͤr den Boden an vielen Stellen culti- 
virt fand; ja felbft den Gebrauch der Silo's ſah Chabaroff bei den 
Eingeborenen (Müller in feiner Sammlung ruffifher Geſchichten U, 
311). Deshalb füeten fchon deffen Leute Korn (S. 312), und Cha⸗ 
baroff's Nachfolger, der von der rujlifchen Regierung eingeſetzte Statt- 
halter des Amurlandes Sinowiew, wollte gleichfalls im Jahre 1652, 
daß Aderbau hier betrieben würde (S. 337), ja der ruſſiſche Hiſto⸗ 
rifer Sifcher fand fich nach den ihm vorliegenden Berichten fogar zu 
der Aeußerung veranlagt, daß man fich Feine bequemere und fruchts 
barere Gegend für den Aderbau wiünfchen fönne (Sibiriſche Geſchich⸗ 
ten I, 807). Diefe günftige Befchaffenheit des Amuͤrlandes im Vers 
gleiche mit Sibirien machte einen folchen Eindruck, daß die Sibirier 
damals die neuen Eroberungen, ganz wie die AnglosAmerifaner vor 
einigen Sahren Californien, als ein neues Canaan und als ein fibi- 
riihes Paradies anfahen, und daß ſich ein allgemeiner Schwindel 
der dünnen Benölferung Sibiriend bemächtigte, die fi nun immer 
mehr nach dem Süpden Hin zerftreute (Müller Sammlung II, 337). 
Da endlich Eifenerze zwifchen dem Amur und dem Selindaflufle vor⸗ 


358 Qumpredt: 


fommen, bie, wie es frheint, noch heute nicht von den Eingeborenen 
benußt werben, alfo Quellen des Gedeihens in biefem Theile der 
Manpfchurei reichlich vorhanden waren, fo ſchlug ſchon Chabaroff das von 
den Amüur und der Seia gebildete Zweiltromland zur Anlegung eine 
Stadt vor, ein Blan, der nicht zur Ausführung fam und unter dm 
obwaltenden Umftänven zwei Jahrhunderte hindurch ruhen mußte, bis 
er erſt in ber neueflen Zeit nebft anderen Plänen des intelligenin 
Ehabaroff aufgenommen werben konnte. Schon im Yrüßlinge die 
Jahres fandte nämlich die ruſſiſche Regierung einige Bauernfamilien 
aus dem Srkütsfer Bezirke den Amuͤr abwärts mit der Weifung, fe 
fort Aeder anzulegen und dieſe zu bebauen, damit die Eoloniften ſche 
im Herbfte ihr eigened Korn und Gemüfe hätten. 300 Werſte von 
der Mündung des Amtr wird eine Bezirfsftabt mit einer Feſtung ar 
gelegt werben, der Berwaltungsbezixf von Kamtſchatka Hört nad den 
- irfütöfer Berichte wahrfcheinlich ganz auf, worauf der neuefle Abzug 
der ruffifchen Befagung und der ruffifchen Behörben aus Kamtidatla 
hinbeutet, und ein neuer im Amuͤrlande tritt an deſſen Stelle Eben 
falls im Frühlinge begab fi der Generals Gouvernene des öflihen 
Sibiriend nad dem acquirirten Gebiet, um die nöthigen Maßregen 
zur Regulirung der Verhältniffe und namentlich zur Feſtſtellung ve 
Grenzen mit den dhinefifhen Behörden zu treffen. Gleichzeitig gingen 
ununterbrochene Züge von Feftungsartillerie, Kanonenkugeln, Bons, 
eifernen Laffeten, Anfern und Dampfmafchinen durch Srfütsf, die fe 
fort über den Baikal weiter gefchafft wurden, fo daß alle Maßregeln dr 
ruſſiſchen Regierung darauf hinweifen, daß fie das Amuͤrland umfafen 
zu benugen beabfichtigt. Dadurch erflärt es fich zugleich vollkommen, 
daß nach den neueften Berichten aus jenen fernen Gegenden bie Amır 
mündung durch flarfe Forts mit einer Befagung von angeblich 8- 
10,000 Mann gefichert ift, aber es fcheint nicht richtig, daß ber dluß 
bei feinem Eintritte in ben Ocean nur 13 Fuß Waffertiefe hat, indem 
die ben vereinigten Flotten in Kamtfchatfa entgangenen ruffifchen Kriege⸗ 
fahrzeuge, darunter zwei große Fregatten, die Amürmündung pa! 
und in dem Strome ſelbſt Schuß gefunden haben. 

Unter den Elementen für das fünftige Aufblühen des Amurlar 
des dürfte namentlich auch der ungemeine Fiſchreichthum ber grohn 
Ströme feine geringe Stelle einnehmen, indem die Flüffe nad del 











Die neueften ruſſiſchen Srwerbungen im Amuͤrlande. 359 


Bruniere nit allein von befannten Fifchen, wie Lachſen, Lachsforellen, 
Stören, Haufen (Bjeluga) von 20— 25 Fuß Lunge, Hechten, Wel⸗ 
fen, welche lehte erft wieder im Onon, einem Quellſtrome der Schilke, 
ſich finden, nachdem fie in ganz Sibirien vom Ural an fehlen (Ritter’s 
Erdkunde, Aften II, 281), wimmeln, fondern auch zahlreiche andere 
unbefannte und werthvolle große Fiſche befiten. Dazu gehört 3.8. der 
Iluam it von 1000 bis 2000 Pfund Schwere, der ein fehr weißes, fehr 
delicates knorpliges Fleiſch Hat und deſſen eigentliche Knorpel fogar für Das 
Beſte an dem ganzen Thiere gehalten werden, weshalb andy die chine- 
fiichen Beamten fie für die Tafel des Kaifers fammeln müflen; ferner 
der Tamara von 10 — 15 Pfund Gewicht, der aus dem Meere in bie 
Flüſſe auffleigt. Die Amvohner des Amtır find übrigens ſehr gefchidte 
Fiſcher, und befonders die Tungufen am unteren Amuͤr ſchießen bie 
Fiſche mit Armbrüften, fobald fie deren Rüdenfloffen aus dem Waſſer 
auftauchen fehen. Selbft ein Pflanzenproduct der ſuͤdlichen Mambfchurei 
dürfte für den fünftigen Handel der Ruflen mit China von Bedeutung 
werben. Es ift dies der bei den Chineſen fo Hoch berüfmte Ginfeng, 
die tubereulofe Wurzel von Panax Ginseng, einer Araliacee, deren 
erfie genauere Befchreibung und Zeichnung wir fchon vor fait 150 
Jahren dem Jeſuiten P Jartour verbanften (Lettres ödifiantes des 
Missions. Paris 1713. X, 160—172), und die in neuerer Zeit wieder 
durch Nees von Eſenbeck wifienichaftlich unterfucht und im Supplement 
feines zu Düflelvorf erfchienenen Werkes über Arzeneigewächfe Tafel 112 
abgebildet wurde. Weber die Heilfräfte diefer merkwürdigen Pflanze, 
deren Vorkommen im öftlihen Alien fih auf Korea (I. M. Callery 
in der Revue de l'Orient 1844, V, 277) und auf die fübliche, an 
Korea anſtoßende Mandſchurei in der Nähe des Uſuri zu befhränfen 
ſcheint '), find die Berichteritatter befanntlich fehr verfchiebener Anficht. 
Während die Chinefen den Ginfeng in allen Förperlichen Uebeln für 
eine Banacee halten, die Schwindfüchtige nach Verluſt ihrer halben 
Zunge Heilen fol, Greifen angeblih das erlofchene Jugendfeuer 
wiebergiebt, die Wirkung von Giften im Körper völlig zerftört und 
ähnliche Wunderfräfte ausübt (Gallery 277), haben fich neuere euro⸗ 

1) Sonderbarer Weife ſagt der franzöftjche Gonful Gallery, der freilich nicht in 


Korea ſelbſt war, daß der Ginfeng hier auf waldfreien (decouvertes) Bergen wächſt, 
wogegen de la Bruniere venfelben am Ufuri gerade in Bergwälbern gedeihen laͤßt. 


360 Bumpredt: 


päifche Forſcher in der Hinftcht ziemlich ungläubig gezeigt *). Die Chir 
nefen nennen in ihrer Vorliebe für ven Ginfeng denfelben nad Jar 
tour auch wohl Orhota d.h. König der Pflanzen, während das 
Wort Ginfeng nicht das Leben der Menfchen in Bezug auf die 
angeblichen Heilfräfte der Pflanze, fondern in Bezug auf die eigen 
thümliche formelle Geftaltung der Wurzel Tebender Menſch bedeuten 
fol (Eallery 278). Nach dem Werth, den die Ehinefen dem Ginjeng 
beilegen, find die Breife in deren Lande natürlich fehr Koch und nammt- 
lich Eremplare des wahren Ginfeng von Korea werden noch immer mit 
Golde aufgewogen, fo daß die Wurzel den lohnendften Theil des Han 
dels von Korea mit China bildet. Die Eremplare aus der Mandſchurei 

haben aber fogar einen erftaunlich hohen Werth, wenn es wahr il, 
wie P. Verolles berichtet, daß man 50,000 Francd für das Blunt 
bezahlt, wogegen der foreanifche Ginfeng jet nur noch 200 France 
im Handel gilt (Nouv. Annales des voyages 1852, IV, 223)?) 
Mit Recht führt darum der Ginfeng der Manpfchurei, wie de la Bu 
niere verfihert (a. a. O. IV, 107), den Ramen des Schabes des 
Landes. Bei fo enormen Preifen und der wenigen Wirkfamfeit des 
durch Eultur gezogenen Ginfeng nad) Angabe der Chinefen darf man 
fi auch nicht wundern, daß der canadifche Ginfeng, die Wurzel eine 
dem mandfchurifchen Ginfeng nachſtehenden Panarart, troß ihres viel 
geringeren Werthes zwei Drittel von dem Conſum biefes Probucts in 
China bildet. (Callery 277). Was endlich noch die Heilkräfte des Gin 
feng betrifft, fo ift e8 gegen die europäifchen Zweifler allerdings von De 
deutung, daß die älteren und neueren franzöfifchen Geiftlichen in China 
diefelde gar nicht für eine Chimäre erachten. Schon Jartour erflirt 
den Binfeng aus eigenen Beobachtungen für ein treffliches tonis 
fches Mittel (a. a. DO. 162 — 164) und übereinftiimmend damit fügte 
de la Bruniere, er halte denfelben nach eigener Erfahrung für dad 
befte tonifche Mittel bei Magenfchiwäche, wo der Ginfeng noch wirk, 


2) Der berühmte franzöfifche Botaniker Richard fagt z. B. im feiner Botangu 
medicale, daß der Ginſeng ſich durch 100 andere unendlich wohlfeilere europäiit 
Pflanzen erſetzen lafle. 

2) Nach de Ia Bruniere bringt eine Wurzel von Fingersdicke dem finter in 
Mandfchurien einen Gewinn von 800 — 1000 Taels (a.a. D. IV, 1085). Der Teti 
it 614 preuß. Gilbergrofchen gleich. 








Die neueften rufflfchen Eriverbungen im Amürlande. 361 


wenn feldft die Ehina ihre Dienfte verfage (a. a. ©. 106), freilich wäre 
nur die wilde Pflanze gut. Wie dem auch fei, fo dürften die Auffen, 
wenn fie fih des Handeld von Süd⸗Mandſchurien bemächtigen, was 
nicht lange ausbleiben wird, in dieſem Producte einen werthvollen Erport- 
artifel nach China erlangen. Bisher geftattete Die Regierung nur etwa 
10 chineſiſchen Kaufleuten gegen Erlegung von 100 Taels und mehr 
und gegen Eriheilung von Päflen den Eintritt in die Mandſchurei, 
fowie die Befahrung des Sunghari und Ufuri, um Ginfeng zu faus 
fen, jo daß der Höchft einträglicde Handel damit das Monopol weni 
ger Begüinftigten war. Außer diefem Product und dem Tribut von 
Pelzwaaren brachte dad ganze Amurland China nichts ein, woge⸗ 
gen die Unterhaltung einer beträchtlichen Flotte auf den fchiffbaren 
Strömen, einer Militairmacht und der Beamten große Koften verurs 
ſachte. So muß man alfo ganz der von Herrn E. Ritter in richtiger 
Erfenntniß der Verhältniffe fehon im Jahre 1834 ausgefprochenen An- 
fit (Erdkunde, Aſien II, 437) beiftimmen, welche wörtlich aljo laus 
tete: „Den Ehinejen bringt der Amuͤr, in deſſen Hauptbefig fie nach 
jeinem mittleren und unteren Laufe find, gar keinen befonderen Vor⸗ 
theit, doch fchließt die bewaffnete Macht, die fie auf ihm Halten, jeden 
Anderen von deſſen Befite aud. Den Rufen allein würde eine Schiffs 
fahrt auf ihm zu einer höchft bequemen und erwünfchten Communicas 
tion ihres fibirifchen Binnenlandes mit den transmarinen Colonifatios 
nen und dem Handel im Nord ded Oſt⸗Oceans verhelfen Tonnen.“ 
Außer dem Amtr Hat in neuefter Zeit noch ein interefjanter Punkt 
der im Süden von Sibirien gelegenen dinefifchen Landſchaſten die Auf- 
merffamfeit auf fich gezogen. Nach dem bekannten Werfe des alten 
tatarifchen Hiftorifers Abulghaſt Bajandur Khan wußte man nämlich, 
daß Dſchingis Khan unfern der heutigen rufftfchen Grenze in dem zur 
Mongolei gehörenden Bezirfe Blun Juldyk oder Delun Boldaf, welcher 
unweit des See's Efes Aral und an dem fchon genannten Ononfluffe 
liegen follte, geboren war. Weber die Geburtöftelle ftellte neuerlichſt 
ein junger zum Chriftentfum übergegangener und in Kaſan auf Staats⸗ 
often ausgebifveter Buräte, Namens Dſchordſchi Banfaroff, nach feiner 
Rückkehr zu Irkuͤtsk, wo er ald Regierungsdolmeticher angeftellt if, in 
einer‘ Abhandlung Unterfuchungen an, nachdem er fchon vorher zu St. 
Petersburg eine im dortigen Mufeum der Kaif. Academie der Wiffen- 


862 Neuere Literatur: 


fchaften darauf bezügliche berühmte Tafel gezeichnet und erläutert Batıe. 
Um hierüber in das Klare zu fommen, veranlaßte der fibirifche Zweig 
der ruflifhen geographifchen Geſellſchaft einen in Nertſchinsk angefie- 
velten Kaufmann, der felbft ein heidniſcher Buräate war, die Ufer des 
Onon zu unterfuchen. Wirklich fand derſelbe auf der rechten Seite 
des Onon, 7 Werft oberhalb des See's, einen Landſtrich, der noch 
heute Delun Bolduk heißt. Leider erkrankte der Kaufmann auf der 
Rücklehr und ftarb bald darauf zu Nertichinsf, fo daß von den Ev 
gebniffen feiner Reiſe wenig befannt werben dürfte. 


Gumprecht. 


Jteuere Literatur. 


Die Terrainaufnahne rationed aus der Lehmann'ſchen Theorie der Ter⸗ 
raindarſtellung entwidelt von Hermann v. Schintling, Oberſt⸗ 
lieutenant und Director des topographifchen Bureau's des Fönigl. 
baierifchen General= Duartiermeifter- Stabes. Mit einer lithographir⸗ 
ten Tafel. München 1855 °). 


Die Methode, Berge und Inebenheiten des Bodens durch fenfrechte Be 
leuchtung anfchaulich varzuftellen, Bat nach und nach über alle anderen Ma: 
nieren der Bergzeichnung ben Sieg davon getragen und iſt gegenwärtig all» 
gemein eingeführt. Ihr Erfinper war ver Eurfächfifche Lieutenant Lehmann. 
Die Zeit der Erfindung fällt in dad Jahr 1797, obgleich feine Schrift über 
die Theorie des Situationdzeichnens erft 1802 erfchien. 

Die erften Proben, welche Lehmann in feiner Manier lieferte, übertrafen 
an Wahrheit und an Gefälligkeit im Ausdruck alle früheren Leiftungen. Sein 
fcharfer Blick im Auffaffen der Formen und eine wohlgeübte Hand verlichen 
feinen Zeichnungen neben der Treue noch einen fo hoben Fünftlerifchen Werth, 
daß fie bisher nirgends übertroffen wurden. Es war ibm gelungen, vie bild⸗ 
liche Darftellung ber Berge von einer meift princeiplofen Arbeit auf mark: 
matifche Grundlagen zurücdzuführen und die Technik verfelben zu einer Kunit 
u erheben; eine natürliche Bolge davon war aber auch, daß nicht Jeder jie 





2) Mitgetgeilt von dem Königl. Generalmajor und Dirigenten ber trigondnieti: 
ſchen Aufnahmen, Herrn Baeyer. G. 











H. v. Schintling: Die Terrainaufnahme. 363 


ausüben fonnte, denn ed gehörten außer Fleiß und Anftrengung auch natlır- 
liche Anlagen dazu. Diejer Umſtand verfchaffte ihm Widerfacher; man fand 
feine Methode zu fchwierig und es tauchten von verfchienenen Seiten Bere 
beſſerungs⸗ Borfchläge, bequemere Methoden auf, die ſich namentlich bei Die 
lettanten leicht Eingang verfchafften, es fanden ſich aber auch unter Sach⸗ 
kennern und Praktifeen warne Verteidiger. Zu biefen gehörte bei ung ber 
Duartiermeifter- Lieutenant v. Hauch, derjelbe, welcher nad) ven Kreibeltöfrier 
gen als General und Chef des Ingenieur-Eorp& allgemein befannt war und 
zulegt als Kriegsminifter geftorben if. Die Veranlaffung dazu war folgenbe. 
Als im Jahre 1803 die Lehmann’fche Methode bei unferen Militairfchulen 
eingeführt werden follte, hatte ver preußifche Artillerie» Lieutenant Schienert 
eine verbeflerte, nach ihm benannte Methode in Vorſchlag gebracht, die darin 
beſtand, daß er an die Stelle der Lehmann’fchen Bergſtriche Signaturen 
(gerade, punftirte, gekrummte und gefreuzte Striche) fette, alles Uebrige aber 
nach Lehmann ließ. Der damalge General» Quartiermeifter ver Armee, Ger 
neral v. Geuſau, hatte den Lieutenant v. Rauch mit einer Begutachtung vie 
ſes Vorſchlages gegenüber ver Lehmann'ſchen Methode beauftragt und es 


fcheint, daß in Folge dieſes Gutachtens die Lehmann’sche Methode definitiv bei * 


und eingeführt wurbe. Es wird nicht ohne Interefle fein, einige Stellen dar⸗ 
aus anzuführen, weil fie einen Vergleich zwifchen ver damaligen und jeßigen 
Auffaffung ver Sache geftatten. 

Nachdem der Berichterftatter vie wiffenfchaftliche Grunvlage der Lehmann⸗ 
fchen Methode Far und bünbig erörtert, bie treue und dem Uuge gefällige 
Darftelung der Formen hervorgeboben Hat, fährt er fort: 

„Die Gegner diefer Methode fagen, daß dazu 

1) ein größerer Zeitaufwand, 

2) mehr Mühe und Anftrengung der Augen, 

3) ein verhälmißmäßig fehr großer Maßftab, 

A) mehr Aufmerffamkeit beim Copiren der Zeichnungen gehören; 

5) fein deutliches Brouillon beim Aufnehmen geführt werden Fönne, und 
6) die Berg⸗Gradation ſchwer zu beurtheilen ſei. 

Alle dieſe Einwürfe find jedoch nur äußerft relativ und zeigen mehr von 
der Unkunde und der wenigen Mühe, welche man fi bis jeßt gegeben Bat, 
die Lehmann’iche Methode gründlich zu flubiren und ſich darin zu routiniren, 
als daß folche dieſer Methove zum reellen Vorwurf gereichen Tönnten. 

Micht allein das Beiſpiel des Lieutenantd Lehmann und das aller feiner 
Eleven und Zöglinge ſelbſt, welche an feinem mufterhaft vortrefflichen Unter- 
richt Antheil nahmen '), fondern auch anderer Perfonen, deren es bereits 
einige in der preußifchen Armee giebt, beweift hinlaͤnglich, daß weder das Er- 
lernen, noch das Ausüben feiner Methode mit fo großen Schwierigkeiten, ale 


— 





+) Lehmann war Lehrer am Cadetten⸗Corps in Dresden. B. 


364 Neuere Literatur: 


man wohl glaubt, verbunden if. Keiner, am wenigſten ver Lieutenant 
Lehmann, hat bei der fteten Ausübung dieſer Methode feine Augen verickt 
u. f. w.“ 

In Bezug auf die Schienert'ſche Methode heißt es an einer andern Stelle 
des Berichtß: 

„Es kann wohl unmöglich gegründet fein, daß ein nach dieſer Methode 
gut gezeichneter Plan in kürzerer Zeit, ald nach der Lehmannfchen Manier 
vollendet werben könne, indem ed doch wohl ausgemacht ift, daß man ge 
ſchwinder und leichter einfdrmig grade Striche, als punktirte und bald vünne 
bald vicdere und wiederum quer durchzogene Striche verfertigen kann. Uebri⸗ 
gend macht diefe Bezeichnungdart dem Auge einen fremdartigen unangenehm 
Eindrud. Man fehe nur die Schienert'fche Aufnahme ver Gegend um Freien 
walde an, um fih zu überzeugen, daß viele Darftellung nicht eine bildliche, 
fondern eine Darftelung vurch Zeichen oder Charaktere fei, welche man wil- 
kürlich auf fehr mannigfaltige Art verändern Eönnte. 

Bei der Lehmann'ſchen Methode ift ficher ein gewiſſer Aufwand von Zeit 
und Mühe nothwenvig, fie läßt dann aber auch nichts mehr zu wäünſchen 
übrig. Es wird dabei hauptfächlih auf eine durch Erfahrung begründete 
Kenntmiß der Theorie des Terraind überhaupt, auf Ueberblick des Garen, 
auf ein richtiged Augenmaß, eine Ieferliche Zeichnung und auf eine gemijle 
Fertigkeit, ein charakteriftifches Bild einer Gegend nad) gewiffen GHauptzügen 
zu entwerfen, anfommen. Zu jeder Sache, die man bis zu einem gewiſſen 
Grade von Fertigkeit bringen will, gehört Stubium, viel Uebung, Geduld, 
Fleiß, Zeit und Genie.“ 

Zum Schluffe Heißt es: 

„Eifer für die gute Sache, verbunden mit einer anfänglichen Anftrengung, 
um ſich Moutine in biefen neuen Syfteme zu verfchaffen, Hintanfegung der 
Verbeilerungsfucht und Vergeffenheit aller mangelhaften alten, durch das Her⸗ 
fommen nur allein geheiligten Methoden würde hinreichend fein, um binnen 
furzer Zeit große und auffallenvde Kortfchritte zum allgemeinen Nutzen un 
Frommen in diefem gewiß wichtigen Zweige ver militairiſchen Wiſſenſchaften 
zu thun.” 

Diefer 4 Bogen lange Bericht ift mit feltener Klarheit gefchrieben une 
zeigt einen jo ficheren praftifchen Blick auf dem Gebiet der Terrain» Hui 
faffung und Darftelung, daß er noch jeßt ald eine grünpliche Abwehr gegen 
MNeuerungsfucht und fogenannte verbefierte Methoden dienen Fann; denn ter 
Gedanke, bequemere Methoren für vie bilvliche Darftellung der Berge zu er 
finden, ift noch Feineswegs aufgegeben und obgleich er bie jetzt ſtets miplun 
gen, fo bringt er doch von Zeit zu Zeit immer wieder neue Borfchläge, oder 
alte unter einem neuen Gewande zum Borfchein, ruft aber auch auf's Neue 
gewichtige Vertheidiger der Lehmann'ſchen Methode auf. 

Das oben angeführte Werk verdankt viefem Umſtande feine Entſtehung. 








$. v. Schintling: Die Terrainaufnahme. 365 


und vielleicht auch zum Theil feine fo gründliche und klare Darftellung; es 
ift eine danfendwerthe Bereicherung ver Literatur über biefen Gegenſtand. Der 
Berfaffer behanvelt feine Aufgabe rein wiffenfchaftlich, man erkennt aber überall 
ven erfahrenen Praftifer heraus, der über jene Schwierigkeit felbft nachge- 
dacht und ed verſtanden hat, fie zu überwinden; er geht veshalb auch keinem 
Ginwande gegen die Kehmann’fche Methode aus dem Wege und erörtert mit 
großer Unparteilichkeit die flreitigen Punkte. Das Buch ift in A Nbfchnitte 
getheilt: 

Der 1. Abfchnitt — Theorie der Terrainzeichnung, conſtrue⸗ 
tive Orundlage derfelben — Handelt von der Projertion ver Berg⸗ 
flächen, den Horizontalen, Neigungslinien u. f. w. 

Der 2. Abfchnitt — Betrachtungen über die Anwendung der 
conftructiven Geſetze auf die Terraindarftellung und über bie 
Modificationen, welche hierbei eingetreten find — giebt eine kri⸗ 
tifche Beleuchtung der verfchienenen Methoden und Manieren der Bergzeichnung 
und wägt ihre Bortheile und Nachtheile gegen einanver ab. 

Der 3. Abſchnitt — Sehlergrenzen für die Aufnahme und Dar- 
ftellung des Terrains — iſt neu in den Lehrbüchern der Bergaufnahme 
und Bergzeichnung und verbient von Jedem, der fich nicht über den Grad 
der Bennigfeit feiner Arbeiten täufchen will, eine grümbliche Beachtung. 

Der A. Abſchnitt — die Aufnahme des Terrains — behandelt die 
praftifchen Berfahrungsweifen und ift beſonders reich an nüßlichen Regeln 
und Winfen, die aus einer vieljährigen Erfahrung hervorgegangen find; fie 
werben jedem Anfänger fehr willfommen fein und ihm über manche Schwie⸗ 
rigfeit und Unftcherheit hinweghelfen. 

Diefe wenigen Bemerkungen dürften genügen, um das Buch für Lehrer 
und Schüler nüßlich und empfehlenswerth erfcheinen zu Taffen; ich kann dies 
ſelben aber nicht abbrechen, ohne zugleich auf eine andere Erſcheinung auf 
diefen Gebiete aufmerffam zu machen: es ift dies die praftifche Schule des 
Situationgzeichnend mit befonderer Berückſichtigung der Terraindarftellung nach 
Mopellen von C. Ph. Neutze. Caſſel 1854. 

Beide Werke ftehen fo in Verbindung zu einander, daß das erfle ge- 
wiffermaßen ven theoretifchen Theil zu dem zweiten bilbet. Die Modelle des 
Herrn Neuße find treue Nachbildungen der Natur und die fauber ausgeführ- 
ten Zeichnungen beruhen auf genauen und forgfältigen Aufnahmen. 


Baeyer. 


tiscellen. 


Allgemeine Weberficht der Beröffentlichungen aus der admi- 
niftrativen Statiftit der verfchiedenen Staaten. 


Bei Zufammenftellung ver nachfolgenden Ueberſicht Hatte der Verfaſſer 
zweierlei im Auge, einmal vie Darlegung der abminiftrativ = ftatififchen Ein- 
richtungen in ben verfchievenen Staaten und dann ven rein praftifcgen Zwed— 
denjenigen, welche fich mit flatiflifchen Fragen befchäftigen, einen Quellen⸗ 
anzeiger der abminiftrativen Statiſtik zu liefern. In beiden Beziehungen glaubte 
der Verfaſſer einem Bepürfniffe zu begegnen. An Darftelungen ver Lage brr 
ofſiciellen Statiftif einzelner Staaten fehlt e8 allerdings nicht, der erfle flati- 
ſtiſche Congreß Hat hierin wichtige Mittheilungen zur allgemeinen Kenntnih 
gebracht, ebenfo find in Bezug auf den Nachweid der Quellen officieller Sta 
tiftit Arbeiten vorhanden, in deren gewiſſenhafter Sorgfalt der Verfaſſer ein 
Vorbild erbliden mußte, wie in Fallati's Auffägen in ber Leitfchrift für 
Staatswiſſenſchaft. Eine vollftändige Sammlung ver Art fehlt jedoch Eis 
jest, Hier ift die Vollſtaͤndigkeit wenigſtens verfucht worden, und gerade die 
Fülle des Materials, welches dem Berfaffer namentlich in ben reichen Samm- 
Iungen des Eönigl. flatiftifchen Bureau's zu benugen geftattet war, hat den⸗ 
felben zu ſolchem Verſuche angetrieben. In der Art der Beiprechung bat ſich 
der Verfaſſer lediglich durch Das praktifche Beduͤrfniß leiten laſſen; Abwei⸗ 
Hungen in der Auswahl des Anzuführennen wurden hierbei ſchon dadurch 
bedingt, daß fich vie anminiftrative Statiftit in den einzelnen Staaten in gan, 
verfchiedenen Stadien der Entwidelung befindet; der Verfafler ift nur fo weit 
zurück gegangen, ald ber Zweck einer nicht hiſtoriſchen, ſondern „ftatiftifchen‘ 
Ueberficht erforderte, überhaupt bat er es für feine Pflicht gehalten, tie ganze 
Darftelung fo kurz zu faflen, als «8 fich irgend mit dem Gegenſtande ver⸗ 
einigen ließ. 


L Der deutfche Bund im Allgemeinen, die Hanfeftäpte un? 
Medlenburg insbefondere. 

- Eine adıniniftrative Statiftif des deutſchen Bundes giebt es noch nicht: 
die Beichaffung ter zu Bundeszwecken erforberten Data war ben einzelnen 
Staaten tıberlaffen und beruhte nicht auf gleichmäßigen Aufnahmen. Im 
Januar 1847 wurde auf Reden's Betrieb der Verein für deutfche Stanilif 
zu Berlin gegründet, die Zeitfchrift dieſes Vereins erfchien in dieſem und ven 
folgenden Jahre und brachte flatiftifche Arbeiten über Deutfchlanns Vevölle— 
rungsverhältniffe, Schulen, Rhederei, Militair, Erebitinftitute, Verſicherunge⸗ 
weien, Weinbau, Borften und Handel; feit Reden's Abgang nach Frankfun 


Ueberjicht der Veröffentlichungen aus der adminiftrativen Statiftif, 367 


hatte der Verein nur noch unter dem Namen des Berliner Zweigvereins eine 
furze Exiftenz. Im beutfchen Parlamente brachte Hildebrandt zuerit die Bes 
arbeitung ber deutfchen Statiftit in Anregung, Neven richtete ein flatiftifches 
Bureau beim volkswirthſchaftlichen Ausfchufle ein, ald deſſen Arbeiten meh⸗ 
rere Beilagen zu den Parlamentsverhandlungen, namentlich vie vergleichenve 
Zufammenftelung der Einfuhrzölle nach Defterreih, dem Bollverein, dem 
Steuerverein und Schleöwig= Holflein (mit Bemerkungen über Schiffahrt 
und Kandel), vie vergleichende Darftellung ver Gemwerbegefeßgebung der ein« 
zelnen Staaten und eine ftatiftifche Zuſanmienſtellung des deutſchen Poſtwe⸗ 
ſens erfchienen find. Die Neichögewalt zog behufs Feſtſtellung ver Matriku⸗ 
larbeiträge von fämmtlichen Staaten Nachrichten über den Stand der Bevöl⸗ 
ferung feit 1818 ein, auf Grund deren im Brübjahr 1849 vie proviforifche 
Benölferungdmatrikel angelegt wurde. Auf Antrag des Parlaments (zuerſt 
von Schubert beantragt) unternahm ed das Neichöminifterium, eine allgemeine 
deutfche Volkszählung auszuführen, es kam jedoch viefe eben fo wenig, wie 
vie beabfichtigte Errichtung eines ftatiftifchen Reichsbureau's zu Stande (Hanſ⸗ 
ſen's Gutachten über vie Volkszählung iſt in Rau's Archiv abgedruckt). Zum 
Zwecke verfelben Hatte dad Reichsminiſterium (durch Ausfchreiben des Unter⸗ 
ſtaats⸗ Secretaͤrs Fallati) von den einzelnen Staaten Nachrichten über die 
beſtehenden ſtatiſtiſchen Einrichtungen und vie Aufnahmen über Stand und 
Bewegung der Bevölferung insbeſondere eingezogen; Feine Antwort hatte dafs 
felbe von Baiern, den Heflen, Limburg, Schaumburg, Bernburg, Gotha, 
Altenburg und Rudolſtadt, Feine Auskunft von Oeſterreich, Braunfchweig, 
Weimar und Rranffurt erhalten. Außerven Hatte das Handelsminiſterium 
des Reiches durch Anfrage bei den einzelnen Staaten die flatiflifchen Data 
über die deutfche Flupfchifffahrt in den Jahren 1843 bis 1847 gefammelt. — 
Bei dem Verwaltungsrathe ver beutfchen: Union wurde die gleichmäßige Er⸗ 
hebung ftatiftifcher Data in den verbundenen Staaten von preußifcher Seite 
in Antrag gebracht; es Hatte dies die Folge, daß namentlich in mehreren Fleis 
neren Staaten die Foͤrderung der apminiftrativen Statiftit in Angriff genom⸗ 
men wurbe. Auf die Herſtellung einer deutſchen Statiſtik wirft jegt in ven 
ihr vorzugsweife übertragenen Gebieten die Privattbätigfeit bin, wobei befon« 
ders das Hühnerfche Inftitut zu erwähnen ift, indem Hühner in feinem Jahr⸗ 
buche Zufammenftellungen ver deutfchen Schifffahrt, Auswanderung, Banken, 
Sparfaffen und des Verſicherungöoweſens giebt. Die Statifiif der beutjchen 
Eifenbahnen wird alljährlich von dem Bureau des Vereins der Eifenbahn- 
Verwaltungen herausgegeben. 

Da von den anderen deutſchen Staaten theils unter IL. (Zollverein), IH. 
(Defterreich), V. (Nienerlanve) und VII. (Dänemark und die Herzogthümer) 
die Rede fein wird, Liechtenftein aber füglich übergangen werben kann, fo 
bleibt Hier nur die adminiſtrative Statiftif der Hanfeflänte und Medlenburgs 
zur Beſprechung übrig. 


368 Midcellen: 


In Hamburg befteht feit 1847 Hei der Commerzdeputation das banbeld- 
ftatiftifche Bureau, welches vie fehr ausführlichen tabellarifchen Leberfichten 
des hamburgiſchen Handels herausgiebt; die erſte verfelben erfchien für bie 
Sabre 1845 bis 1848 im Jahre 1850, ſeitdem find fle jährlich erfchienen, 
Voran gingen venfelben Soetbeer’8 Arbeiten über den Hamburger Handel 
feit 1836 in breijährigen Berioden; überhaupt aber fanden fich in Hamburg, 
wie in ben anderen Kanfefläbten, auch früher fchon allgemeine Zuſammen⸗ 
ftellungen über Handel, Rhederei und Schiffahrt. Zur flatiflifchen Bearba- 
tung ver übrigen Verwaltungszmüge iſt dadurch ein Schritt gefchehen, daß 
die Senatsmitgliever beauftragt worden find, von 1849 ab über bie ihnen 
untergeorbneten Zweige ber Berwaltung flatiftifche Jahresberichte zu erflatten. 
Der Umfang der flatiftifchen Erhebungen ift erfichtlich aus ber Statiftif um 
Topographie der Stadt Hamburg und ihres Gebiets von Neddermeyer (vor: 
mals in der flatiflifchen Section des Hiftorifchen Vereins zu Hamburg); ft 
bezieht fih auf die Jahre 1826 bis 1842, Sehr unvollkommen find noch 
jegt die Zahlungen, fogenannten Uimfchreibungen, dagegen werden bie Tabellm 
der Geburten, Trauungen, Sterbefälle (Bewegung des Eivilftanded) genau 
gearbeitet, weitere flatiftifche Aufftelungen betreffen 3. B. die Tabellen ver 
Mechtöpflege, der Gefängnifle, der Markt⸗, Sicherheitd- und Feuerpolizei, 
ferner die Kranfenbäufer, Wohlthätigkeitsanftalten und vie Geldinſtitute. Im 
Herbft 1853 Hat ſich ein Verein für hamburgiſche Statiftif gebilbet, vieler 
hat im vorigen Jahre Das erfte Heft der Beiträge zur Statiſtik Hamburg 
herausgegeben, welches ven Stand ver Bevölkerung, die Bewegung bes Eitil- 


ſtandes, die Ertheilung des Bürgerrechts, die Armenanftalten, die Eonfumtien 


accifepflichtiger Gegenftände und ven Staatshaushalt im Wefentlichen feit 1821 
in einer Anzahl überfichtlicher Tabellen darſtellt. Auch die von Aſher herauns⸗ 
gegebene Criminalſtatiſtik beruht auf amtlichen Quellen. 

In Lübe Hat die Bearbeitung der Statiftif mit Behrend's Werk (voll⸗ 
endet 1839), an welchen verfchiedene dortige Beamte mit thätig waren, ke: 
gonnen. Im Jahre 1841 hat fich ein Ausfchuß ber Geſellſchaft zur Belör- 
derung gemeinnügiger Thätigkeit zu Luͤbeck als Verein für Lübedifche Sta 
tiſtik conftituirt; derſelbe hat die Statiftif der Stabt und ihres befonterm 
und gemeinfamen Gebiets feit 1840 bearbeitet; feit 1848 hat er einen halt 
offiziellen Charakter erhalten. Die von ihm herausgegebenen Tabellen be⸗ 
treffen Meteorologie, Waflerftand, Areal, die Ergebniffe ver fünfjährigen Bolt 
zählungen und die Bewegung ber Bevölferung, das Land nach Culturarien. 
Gebaͤude, Viehſtand, Unterricht, Conſumtion, Marktpreife, Befteuerung, Sci 


fahrt und Seeverficherung. Die erften 54 Tabellen (bis 1850) find un | 


dem Titel der Arbeiten ded Vereins für lübeckiſche Statiftit zufammen erſchie⸗ 
nen, die Tabellen 55 bis 74 umfaflen die drei folgenden Jahre. Außerden 


find an flatiflifchen Arbeiten Tübedifcher Behörden die Finanzüberſichten, tie | 


Tabellen der Einfuhr und Schiffahrt für 1834 big 1843 von ver Jolldepu⸗ 





Ueberſicht der Berdffentlihungen aus ber abminiftrativen Statifiif. 869 


tation und der Bericht” ver Armenbeputation über die Wohlthätigfeitsanftalten 
in den Sahren 1833 bis 1839 herausgegeben worden. 

In Bremen ift im Jahre 1847 nach dem Mufter des hamburgiſchen 
Bureau’d eine handelsſtatiſtiſche Behoͤrde eingefeht worden, welche für 1848 
einige allgemeinere Tabellen, dann zuerft für 1849 und alljährlich je im’ fol- 
genden Jahre vie tabellarifchen Ueberfichten des bremifchen Handels, welche 
zugleich Schiffahrt und Handelsmarine enthalten, Herausgegeben Bat. Vor⸗ 
ber waren als die reichhaltigfte Quelle über den bremifchen Handel die von 
den dortigen Maflern aufgeftellten Nüdblide über ven Handel von Bremen 
anzufehen. Außerdem werben in Bremen vie Eonfumtiondliften, die Zuſam⸗ 
menſtellungen ver Geburten, Trauungen, Sterbefälle, der Verleihung des Bürs 
gerrecht3 und ver Auswanderungen veröffentlicht; Volkszaͤhlungen finden in 
Bremen nicht regelmäßig ftatt, fondern nur in außerorbentlichen Faͤllen, fo 
1823 und 1842, 

Die Statiftif der beiden Großherzogthümer Medlenburg ift regelmäßig 
in betreffenden Staatöfalenvern mitgetheilt, insbeſondere Die Statiftif ver Taus 
fen, Zrauungen, Sterbefälle, die jeveömal im November aufgenonmene Bes 
oölferungßlifte, ver Blächeninhalt der Güter, die Gewerbeliften, und die Ta⸗ 
bellen der Verficherungsanftalten und Sparfaffen. In Medlenburg- Schwerin 
if 1851 ein flatiftifched Bureau unter dem dortigen Gefamnıtminifterium er» 
zichtet worden, es iſt mit Bearbeitung ver Topographie, Meteorologie, Bevöl⸗ 
Terung, des Beſitzſtandes, der Erwerböverhältniffe, ver gerichtlichen, Polizei⸗, 
" Kirchen, Schule, Armen⸗ und Finanzftatiftit beauftragt. Als Organ veffel- 
ben dient dad Archiv für mecklenburgiſche Landeskunde, in welchen dad Bus 
reau bis jetzt Aufſaͤtze über Volkszahl, Viehſtand, Irrenanftalten, Kornauss 
fuhr und Meteorologie veröffentlicht Hat; aus anderen Quellen theilt das 
Archiv die ftatiftifchen Nachrichten über Auswanderung, Schiffahrt, Waaren⸗ 
verkehr und Getreivepreife mit, In Medlenburg- Strelig find die ftatiftifchen 
Aufnahmen feit 1850 ermeitert worden, die Cenſus werden nach ausführlichen 
Zormularen, angehend Gebäude, Bevölkerung, Viehſtand, aufgenommen; außer⸗ 
dem werben über die Strafgefangenen ftatiftifche Tabellen geführt. 


ID. Die Staaten des deutfchen Zollverein®. 


Seit der Errichtung des Zollvereins, d. 5. feit 1834, wurden bei dem 
Gentralbureau deſſelben Nachweiſungen ver Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr auf 
geftellt, feit 1836 erfchienen die Eommercialnachweifungen, mit der Zeit auf 
20 Hefte erweitert, anfangs lithographirt, dann als Manufeript gedruckt; fie 
enthalten Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr, Niederlagen und Verkehr auf inlän- 
Difchen und mit inländifchen Waaren auf ausländifchen Meſſen. Die 6 all⸗ 
gemeineren Hefte erfchienen zugleich im Buchhandel unter dem Titel: Stati⸗ 
flifche Ueberfichten über Waarenverfehr und Zollertrag im deutſchen Zolle 
verein; der erfte Band verfelben bezog ſich auf das Jahr 1842 und bis 1834 

Beitfchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 24 


870 Miscellen: 


zurücd, der nenefte, auf 1853 bezüigliche, ift in dieſem Jahre erfchienen. An- 
gehängt find vie proviforifchen Abrechnungen über die Zolleinnahmen unt 
gegenwärtig auch Lieberfichten der Bevölkerung. Außerdem werben jetzt Zu⸗ 
fammenftellungen des Waarenein«, aus⸗ und durchgangs auf den Grenzfireden 
des Auslandes und nach den einzelnen Sauptämtern heraudgegeben, wovon 
die erfte im Jahre 1850 für 1848 erfchien. In den Veberfichten der Bevol⸗ 
kerung der Vereindftaaten find nur wenige Kategorien unterfchieen, auch dieſe 
wurden erft mit der Zeit von den verfchienenen Staaten angegeben. Bon 
Anhalt» Edthen z. B. wurde 1843 nur die Gefammtbevölferung angezeigt, 
1846 Fam daſelbſt die Zählung überhaupt nicht zu Stande; für mehrere 
Theile von Vereinslaͤndern fehlte auch bei den fpäteren Zählungen nody die 
Angabe der Bamilienzahl und die Unterfcheivung von Alter und Geſchlecht. 
MWeiter werben bei dem Centralbureau aufgeftelt die definitiven Abrechnungen 
über die Einnahmen (dies gefchieht erft nach mehreren Sahren), die Ueber⸗ 
fihten der zur Verzollung gekommenen wichtigeren Gegenftände verglichen mit 
dem Borjahre, und die Ueberfichten des Rübenverbrauchs bei der Zuckerfa⸗ 
brifation mit den entfprechenden Abrechnungen über die NHübenzuderftener. 
Am Schluffe des Jahres 1846 jollte im Zollverein eine Gewerbetabelle nach 
theilweife übereinftimmend feftgeftelten Bormularen aufgenommen werden; im 
Fürſtenthum Lippe und Amt Homburg Fam diefelbe überhaupt nicht zu Stande, 
in Frankfurt und Braunfchweig nur die Babrifentabelle und zwar in letzterem 
auch dieſe fehr unvollfommen, in ſechs Fleineren Staaten wurbe bie Hand⸗ 
werfertabelle nach anderen Principien aufgenommen. Die angegebenen ſtati⸗ 
ſtiſchen Materialien find bearbeitet in Dieterici's flatiftifchen Ueberſichten der 
wichtigften Gegenſtaͤnde des Verkehrs und Verbrauchs im veutfchen Zollverein, 
wovon der erfte Band 1938 erfchien; eine Ueberſicht der Gewerbetabellen ift 
in den Mittheilungen des hieſigen ftatiflifchen Bureau’s gegeben worden. — 
Während im Zollverein feit Ende 1834 die Zählungen alle drei Jahre flatt- 
gefunden haben, wurben biefelben in dem ehemaligen Steuerverein feit Bitte 
1836 alle drei Jahre ausgeführt, und zwar bier nach fehr übereinſtimmenden 
Bormular, jedoch nach anteren Grunvfägen, ald in den Zollvereinsflaaten; 
auch find daſelbſt fatiftifche Meberfichten der Einfuhr, Ausfuhr und Durdy 
fuhr aufgeflelt worben, wovon biefenigen für die Jahre 1844 bis 1848 in 
den Beiträgen zur Statiflif des Königreih8 Hannover abgedrudt find; im 
Steuerverein, wie im Zollverein, ift nur die Quantität, nicht der Werth ver 
Waaren ermittelt. — Als ſtatiſtiſche Aufftelungen, welche mehreren Zoll⸗ 
vereindftaaten gemeinfam find, find namentlich die Tabellen der Conſumtion 
vefp. Production von Bier, Branntwein, Wein und Tabad zu bezeichnen, über 
welche die Abrechnungen im preußijchen Finanzminiſterium feftgeftellt werben, 
und die flatiftifchen Jahresberichte über vie Rheinfchiffahrt, welche die Rhein⸗ 
ſchiffahrts⸗Commiſſion regelmäßig herausgiebt. 

Die preußifche adminiftrative Statiſtik iſt principiel in dem flatiflifchen 








Ueberficht der Veröffentlichungen aus der adminiftrativen Statifiil. 371 


Bureau zu Berlin centralifirt; von den Verhältniffen des Iegteren handelt ein 
Artikel in den Mittheilungen dieſes Bureau's, Jahrgang 1851. Daffelbe 
wurde im Jahre 1810 errichtet, fland anfangs unter dem Minifterium bes 
Innern, feit 1812 unter dem Staatdfanzler, dann unter dem Gefammtminie 
fterium, von 1824 bis 1834 unter dem Miniſterium ded Innern, bis 1844 
unter dem Gelammtminifterium, von da bis 1848 unter dem Handelsamt, 
und fteht feitvem unter dem Minifterium des Innern. Die Thätigkeit des 
Bureau’8 begann mit der Einfchränfung der vorher fehr umfangreichen ta⸗ 
bellarifchen Aufnahmen. Die jegige Einrichtung der Tabellen vatirt im We⸗ 
fentlichen vom Jahre 1822, ſeitdem wurde nur die Bevölferungätabelle (der 
Geburten, Trauungen und Sterbefälle) jährlih, Die anderen Tabellen aber 
alle drei Jahre aufgenommen (zulegt im December 1852); einzelne Erweis 
terungen haben in mehreren Tabellenformularen zu verfchievenen Zeiten flatt- 
gefunden, vie erheblichite Erweiterung hat die Gewerbetabelle durch die Ein» 
richtung der Fabrikentabelle erfahren; auch find einzelne Kleinere Tabellen⸗ 
formulare überhaupt erft fpäter eingeführt worven. In Betreff der Volks⸗ 
zählungen fällt vie bedeutendſte materielle Berbeflerung in das Jahr 1840. 
Im Jahre 1848 ift bei dem flatiftifchen Bureau das meteorologifche Inftitut 
eingerichtet worden und 1854 wurde dem Bureau die Herausgabe des Staats⸗ 
talenver8 übertragen. Bon den Arbeiten des ſtatiſtiſchen Bureau's find früher 
unter dem Namen der Directoren erjchienen: vom Staatsraih Hoffmann: 
Meberficht der Bodenfläche und ver Benölferung des preußifchen Staats im 
Sabre 1817 (erfihienen 1818); Beiträge zur Statiftil des preußifchen Staats 
(1821); Ueberficht der Bopenfläche, der Bevölkerung und bes Viehſtandes des 
preuß. Staats im Jahre 1831 (erfchienen 1833); die Bevölkerung des preuß. 
Staats 1837 in ſtaatswirthſchaftlicher, gewerblicher und fittlicher Beziehung 
(erfchienen 1839); Darftellung der Geburtd-, Che» und Sterblichkeitsver⸗ 
bältniffe im preuß. Staate 1820 bis 1834 (erfdhienen 1843); Geburten, 
Trauungen und Sterbefälle zu Berlin 1816 bi6 1841 und bie Wirkungen 
der Cholera im preuß. Staate 1831 (in der mebicinifchen Zeitfchrift 1833); 
dann von Dieterici: Statiftifche Tabelle ded preuß. Staats 1843 (erfchienen 
41845); vie Bevölkerung des preuß. Staats 1846 (erfchienen 1848) und ber 
Volkswohlſtand im preuß. Staate, enthaltend eine vergleichende Darftelung 
der Verhältniffe ver Production, Induftrie, ded Verkehrs und Verbrauch bes 
fonders in den Jahren 1806, 1831 und 1843 (erfchienen 1846). Seit dem 
April 1848 find die Mittheilungen des flatiftifchen Bureau's, monatlich zwei 
Hefte, herausgegeben worven; fte enthalten ſowohl Darftellungen, welche ſich 
an die regelmäßigen ftatiftifchen Tabellen »- Aufnahmen anfchliegen, ald Artikel 
tiber verfchiedene Gegenftände, welche außerhalb des eigentlichen Tabellenwerkes 
ftehen, wie Wahlftatiftil, Budget der arbeitenven Klaflen, Kaufwerth von Laͤn⸗ 
verein, Lebensmittelpreife u. f. w., und außerdem Meberfichten der ſtaatswirth⸗ 
fchaftlichen Literatur. Die Herausgabe der Tabellen und amtlichen Nachrich- 
24 * 





372 Miscellen: 


ten für den preußifchen Staat ift 1849 auf Staatskoſten unternommen tor: 
den; von dieſen enthalten Theil 1, 2, 5 und 6 das eigentliche Tabellenwerf, 
nämlich Theil 1 (1851 erfchienen) vie flatiftifche Tabelle der Einwohner, Ge 
baͤude und des Viehſtandes nach der Aufnahme von 1849 (auch Tabellen ter 
MWohnpläge, Ein- und Auswanderung, Judentabelle); Theil 2 vie Beril: 
ferungdtabelle (Geburten, Trauungen, Sterbefälle), die Kirchen und Schul: 
und die Sanitätötabelle von demſelben Jahre; Theil 5 die Hanpwerfertabelk, 
fowie die ländlichen Befigverhältniffe, und Theil 6, welcher gegenwärtig m 
fcheint, die Fabrikentabelle, vie beiden Iehteren nach ven Aufnahmen ven 
1849 und 1852. Theil 3 enthält die meteorologifchen Tabellen, Theil 4 ww 
Nefultate der Verwaltung; Hier finden fich u. N. flatiftifch dargeſtellt une 
dem Finanzminifterium die Tabellen ver Steuererhebung, ver Ausmünzung x, 
unter dem SHandelöminifterium Poſt⸗ und Eiſenbahnverkehr, Serfchiffaht, 
Wafferbauten, Berg⸗ und Hüttenwerke und Salinen, unter dem Miniſteriun 
des Innern Armenweſen, Strafanftalten, Sparkaffen, landſchaftliche Ereit: 
inftitute, Communalfinanzen, unter dem Kriegsminifterium ver Armecbefant, 
unter dem Gultusminifterium SIrrenanftalten, gemifchte Ehen, höherer Unter: 
richt, unter dem Juftizminifterium die Civil» und Griminalrecktöpflege WU 
Nachtrag zum erften Theile ift die Ueberſicht des Klächenraums und ver Gin 
wohnerzahl des preuß. Staats nach der Aufnahme von 1852 erſchienen. die 
von den Directoren bed flatiflifchen Bureau's der Academie der Wiſſenſchafin 
vorgelegten Abhandlungen, namentlich die Abhandlungen von Dieteric Abe 


Verhältniffe der Bewegung ver Bevölkerung, gehören gleichfalls zu ven Ber: | 


ten aus der preußifchen abminiftrativen Statiflif. 

Die felbftändige ftatiftifche Bearbeitung der Gegenſtaͤnde ihres Reſſonn 
burch die verfchienenen Eentralftellen ift in Preußen nicht ausgeſchloſſen. & 
hat das Handelminifterium feit 1847 dad Handelsarchiv heraudgegeben, wel 
ches neben der Sammlung der auf Handel und Schiffahrt bezügliden Gr 
fege auch flatiftifche Mittheilungen über den Zuſtand und bie Entwidelm 
des Handels und der Inpuftrie enthält, namentlich die Berichte der Hantelk 
fammern und Kaufmannfchaften; fo theilt die eitfchrift für Berge, Hütten 
und Salinenwefen im preuß. Staate bie Statiftit der Production ded Bay 
werks⸗, Steinbruch⸗, Hütten» und Salinenbetriebes mit; auch vom Juſtz⸗ 
minifterium wurden eine Zeit lang flatiftifche Sahresberichte über die Ju: 
verwaltung herausgegeben, und werben jegt ftatiftifche Meberfichten im Japrbuit 
dieſes Miniſteriums mitgetheilt; vie Vorlagen des Finanzminiſteriums an dr 
Kammern können wenigftens theilmeife als ftatiftifche Zuſammenſtellungen br 
zeichnet werben, auß dem Reſſort des Eultusminifteriums find Dietericis Nach 
richten über die Univerfitäten im preuß. Staate (erfchienen 1836) zu nenn 
eine Darftelung der Agriculturftatiftit unternahm v. Lengerke in den von 
Landesdkonomie⸗ Collegium herausgegebenen Annalen der Landwirthſchaft; Di 
Statiſtik des auswärtigen Handels vor der Bildung des Jollvereind if ü 











Ueberſicht der DVerdffentlichungen aus ver abminiftrativen Statiftif. 373 


Ferber's Beiträgen zur Kenntniß der gewerblichen und commerciellen Zuſtaͤnde 
Preußens und in dem erflen Bande von Dieterici's ftatiftifchen Ueberfichten 
des Verkehrs und Verbrauchs aus amtlichen Quellen mitgeteilt worden. 

Was die preußifche Provinzialftatiftif angeht, fo find auf Veranlaffung 
und mit Unterflägung ber Regierung Beichreibungen ver meiſten Regierungs⸗ 
bezirfe ſchon um das Jahr 1820 Herausgegeben, viele verfelben auch neuer- 
dings überarbeitet worben; zum größeren Theile find: dies nur Ortſchaftsver⸗ 
zeichniffe, nur wenige geben eine eigentlich flatiftifche Darftelung ver Bezirke, 
wie Viebahn's Statiflif und Topographie des Regierungsbezirks Düffelvorf 
(erichienen 1836), Hermes und Weigelt's Megierungsbezirt Magveburg, No⸗ 
back's Regierungsbezirk Erfurt, Baͤrſch's Megierungdbezirt Trier; die gegen- 
wärtig erfcheinende geographifch=hiftorifch » flatiftifche Befchreibung der Mark 
Brandenburg von Berghaus ift gleichfal8 Hierher zu zählen. Das neuervinge 
bei dem Polizeipraͤſidium zu Berlin organifirte flatiftifche Amt Hat feit 1853 
ftatiftifche Jahresberichte über die zur polizeilichen Cognition kommenden Ver⸗ 
haltniſſe Herauögegeben; für längere Berioven haben verfchienene Zweige ber 
Statiſtik von Berlin in den von ben fläbtifchen Behörden erflatteten Verwal⸗ 
tungsberichten ausführliche Darftellung erhalten, die beiden lebten erfchienen 
1842 und 1853. — Der ftatiflifche Verein der Provinz Bommern, 1846 zu 
Stettin gefliftet, giebt Beiträge zur Kunde Pommerns heraus; vie in denſel⸗ 
ben abgedruckten over beſonders erfchienenen Abhandlungen betreffen theild vie 
Statiftit der ganzen Provinz (Auszüge aus den ftatiflifchen Tabellen, Aus» 
wanberung, Seebäber, Tabacksbau, Ehaufjen), theild ven Regierungsbezirk 
Stettin (Verbrechen, Armenpflege), theild einzelne Kreife (die Infeln, Handel 
und Schiffahrt von Stettin). Weiter befteht in Preußen Eeine ftatiftifche Ge⸗ 
fellfchaft, doch zählen einzelne andere Vereine, wie vie ſchleſiſche Geſellſchaft 
fürr vaterlaͤndiſche Cultur, 1847 zu Breölau geftiftet, und vie oberlaufißifche 
Geſellſchaft der Wifienfchaften zu Goͤrlitz, die Statiftif mit zu ben Gegen- 
fländen ihrer Thätigkeit. — Die ftatiflifchen Aufnahmen in den Hohenzollern» 
fchen Fürſtenthumern wurden in ven bortigen Verorbnungsblättern mitgetheilt, 
eine kurze ftatiflifche Ueberſicht des Fürſtenthums Sigmaringen enthielt das 
dortige Staatohandbuch von 1844, auch werden die als Manuſcript gedruck⸗ 
ten minifteriellen Verwaltungsberichte dieſes Fürſtenthums für die Jahre 1841 
bis 1846 als flatiflifche Documente bezeichnet. Von der Statiftil des Fürften- 
thums Neuenburg ift unter IV. (Schweiz) die Rede. 

Im Königreich Baiern murbe fchon 1809 für die jährlichen Verwal⸗ 
tungsberichte die. Aufnahme zahlreicher flatiflifcher Tabellen vorgefchrieben; 
fpäter wurden viefelben beſchraͤnkt und feit 1825 die Verwaltungsberichte nur 
noch alle drei Jahre erforvert; ein ftatiftifches Bureau fol zuerft im Jahre 
1813 errichtet worden fein. Die völige Umgeſtaltung ver bairifchen admini⸗ 
ftrativen Statiſtik fand 1832 unter dem Minifterium Wallerftein flatt; im 
Minifterium des Innern wurde eine Abtbeilung zur Bearbeitung ber Jahres» 


374 Miscellen: 


berichte organifirt und das Tabellenweſen anders eingerichtet, auch bie Bil 
dung ftatiflifcher Kreisbureau's vorgefhrieben. Die Refultate der Aufnahmen 
von 1832 follen drei Jahre fpäter lithographirt erfchienen fein; im Uebrigen 
befinden fich vie Mittheilungen aus der apminiftrativen Statiſtik dieſer Zat 
in den Beilagen zu ven Stänveverhandlungen, hier namentlich die minifterichen 
Berichte von 1837, welche die Bodentheilung nad) Eulturarten, bie VBrobuctier, 
ven Viehſtand, die Eonfumtion, Gewerbe, Gemeinbe« und Stiftungshaushalt 
und die Armenpflege betreffen. Seit 1839 fteht das flatiftifche Bureau (ges 
genwärtig im Minifteriun bed Handels und der Öffentlichen Arbeiten) umter 


v. Herrmann’ Direction, die Aufnahmen — in 37 Tabellen, bezüglich au 


alle Zweige der Verwaltung — find durch die Inftruction von 1889 geregelt. 


Die Veröffentlihung der ftatiftifchen Tabellen Hat exit 1850 begonnen (vor 


ber Mittheilung einiger Tabellen in Stantöfalender von 1844); fie ericheinen 
unter dem Titel: Beiträge zur Statiſtik des Königreich Baiern, fat ohne 
Text; die drei bis jegt erfchienenen Lieferungen enthalten den Flächeninhalt, 
MWohnpläge, Gebäude, die Nefultate der Volkszaͤhlungen (für 1840 auch nad 
Civilſtand, Confefflon, Beichäftigung) und vie Gewerbetabelle von 1846; tie 
Geburten, Trauungen und Sterbefälle von 1825 bis 1851 (fie finb von 
Herrmann außerven in einer afademifchen Rede behandelt worden), die Ein- 
und Auswanderung feit 1835, ferner die Militairconfcription feit 1822, 
Impfungen feit 1832, die Eriminalrechtöpflege und die Leiftungen der Sicher: 
Beitöpolizei feit 1835 (ftatiftifche Berichte über die Reſultate der Strafrechtöpflege 
waren ſchon vorher theils gedruckt, theild lithographirt erfchienen). Im der io 
eben erfchienenen vierten Lieferung ift Die Statiflil der Strafanftalten yon 1833 
bis 1848 und die Bevölkerung nach den Zählungsergebniflen von 1852 dargeftellt. 

Im Königreiche Sachen lag die Bearbeitung der adminiſtrativen Sta 
tiſtik bis zum Jahre 1850 in den Händen des flatiflifchen Vereins. Derfelke 
war im Jahre 1831 gegründet worben, zwei Jahre fpäter wurde ihm ta} 
Recht der Benußung der amtlichen Quellen zugeftanden und im Jahre 1836 
die Anfertigung der Bevolkerungs⸗, Viehſtands⸗⸗, Kirchen⸗ und Schul» und 
der Prozeßtabellen übertragen. Unter dem Gentralvereine waren Zweigper⸗ 
eine thätig. In den von vemfelben herausgegebenen Mittheilungen bes flati- 
ftifchen Bereins für das Königreich Sachen wurben die verfchienenften Gegen 
ftände wie Klima, Topographie, Bevölkerung (feit 1813), Kirchen und Scn- 
Ien, Medicinalſtatiſtik, Militär (Urmeeleiftungen und Eonfeription), Rechtöpfiex. 
Bergbau, Ernterefultate, Eonfumtion, Brennereien, Brauereien, Marktverkebr, 
Vreiſe, Berficherungen und Rofalftatiftit behandelt. Daneben Hatte ber Berem 
ein Ortfchaftöverzeichniß herausgegeben, auch rebigirte derſelbe das Staat 
handbuch, in welchem eine kurze ftatiflifche Ueberficht voranging. Im Jahre 
1842 erlitt der Verein eine Umgeftaltung, welche auf feine Thätigfeit nich 
förderlich wirfte, er erhielt einen ganz offlciellen Eharalter und wurde anf 
ſchließlich aus höheren Staatöbeamten zufammengefekt; feitbem erfchienen nei 
noch 4 Hefte ver Mitteilungen (Kieferung 15 bis 18), welche die Zählunge: 





Ueberficht der Veröffentlichungen aus ber abminiftrativen Statiftif. 375 


rejultate von 1840, 43 und 46 und die Gewerbetabelle enthielten. Außer- 
dem fanden jedoch ſtatiſtiſche Veröffentlichungen feitend einzelner Behoͤrden flatt; 
dahin gehören vie Statiflif der Berg- und Hüttenwerke im Jahrbuch des Ober- 
Bergamts, bie ftatiftifchen Zufammenftellungen (aus dem Minifteriun des Innern) 
der Baumwollfpinnereien und Dampfmafchinen, welche im polytechnifchen Gen- 
tralblatt abgebruct wurden, und bie der Sparfaflen, ver Bodennugung nach 
Gulturarten, der Exrnterefultate, des Steuerwertho der Ländereien, ber land⸗ 
wirtbfchaftlichen Nebengewerbe, des Getreidehandels, melche in ver Zeitfchrift 
des Ianbwirthfchaftlichen Hauptvereind des Königr. Sachfen mitgetheilt wor⸗ 
den find. — Das im Jahre 1850 im Minifterium des Innern errichtete ſta⸗ 
tiſtiſche Bureau iſt unmittelbar in die Stelle des Vereins getreten, die Mittel 
deſſelben find ſehr beveutend; von dem größeren Werke, welches das Bureau 
herausgiebt: flatiflifche Mittheilungen aus dem Königreiche Sachſen, find drei 
Bände erfchienen, welche die Zählungstabelle (nach Haushaltungen, Givilftand 
und Alter, Confeſſton und Nationalität, auch Taubftumme u. f. w., und Ge⸗ 
bäube), dann die Tabellen ver Bewegung ver Bevölkerung (Geburten, Sterbe- 
fälle, Trauungen, Scheivungen und Umzüge) und die Bevölferung nach Be⸗ 
rufs- und Erwerbsflaflen enthalten; fie find von vielen vergleichenden Zu⸗ 
fammenftelungen in Bezug auf Flimatiiche und topographifche Verhältnifie 
und von ausführlichem Terte begleitet. Von dem Sahrbuche der Statiſtik und 
Staatöwirthichaft, welches das Bureau herausgiebt, ift 1853 der erſte Theil 
erfchienen; er umfaßt die Territorials und Bevoͤlkerungsſtatiſtik, u. U. auch 
Gonfumtion, Bildung und Unterricht, Verbrechen und bie Statiſtik der land» 
wiribfchaftlichen Production; die Zahlen berußen auf ven Aufnahmen ber 
Jahre 1850 bis 1852. Eine Meberficht der Thätigkeit der Sicherheitspolizei 
ift beſonders herausgegeben worden. Seit dem laufenden Jahre giebt das ſta⸗ 
tiftifche Bureau auch eine Zeitfchrift heraus, deren erfte Hefte Die Statiſtik der 
Städte und Aemter, die kirchliche Statiflif, Betreidepreife und die Münzpräs 
gung behandeln. Unter dem eigenen Namen des Directors des flat. Bureau's 
Engel ift eine aus den amtlichen Aufnahmen entwickelte Abhandlung über die 
Branntweindrennerei im Königreich Sachen erfchienen. 

Im Königreich Hannover fehlte bis zum Sabre 1848 eine flatiftifche 
Centralſtelle. Das in ben verichievenen Berwaltungszweigen auflommende 
ſtatiſtiſche Material blieb bei ven Landdroſteien und Nachrichten daraus gingen 
in vie Jahresberichte verjelben an das Winifterium des Innern über; dem 
entjprechend gaben vie Berichte der Juſtizkanzleien an das Juſtizminiſterium 
die flatiftifchen Data ihres Refſorts. Das ftatiftifche Material wurde in den 
einzelnen Landestheilen mehr ober weniger vollftännig gefammelt und verar⸗ 
Heitet; befondere Aufmerkfamfeit wurbe in ven Jahren 1831 und 1832 in 
Berbindung mit ven Katafterarbeiten der Agrarftatiftif zugewendet. Dad zweite 
Heft der unter dem Titel: Zur Statiſtik des Koͤnigreichs Hannover, heraus» 
gegebenen Arbeiten bes feit 1848 unter vem Befammtminifterium eingerichteten 
und unter Abeken's Direction geſtandenen ftatiftifchen Bureau's enthält den Bes 


376 Midcellen: 


fland und die Vertheilung des Grundeigenthums in ven Jahren 1831, 1832 
und den Grundbeſtand, die Steuerkraft und Beudlferung im Jahre 1848 
(auch ven Viehftand, Branbverficherung, Sparkafien und landliche Beſitzver⸗ 
bältniffe); das britte Heft derfelben enthält bie Refultate ver Gemeinheitöthei- 
lungen und Verkopplungen feit 1832 und die Geburten, Trauungen und Sterbe- 
fälle in ven Jahren 1848 bis 1852. Die Mefultate der feit 1833 regelmäßig 
ausgeführten Zählungen theilte der Staatskalender mit; die Aufnahmen er- 
ftreckten fich auf Unterfcheivungen nach Alter, Civilftand, Confeſſton und Ge- 
werbe; außerdem finden ſich 3.3. feit längerer Zeit Schiffahrtstabellen aus 
amtlichen Aufnahmen. Ringklib's Darftelung ver neuen Gintheilung bes 
Königreichd Hannover (Blächeninhalt und Volkszahl) ift aus den Materialien 
des ftatiftifchen Bureau's gearbeitet. Statiflifche Mittheilungen enthält auch 
das Organ des Ianbwirthichaftlichen Gentralvereind des Königr. Hannover. 
Im Königreich Würtemberg war 1817 die Bearbeitung der Statiſtik 
dem Eollegium für die Stantöcontrole übertragen worben; im Jahre 1820 
wurde das topographifch = flatiftifche Bureau errichtet; ed wurde dem Finanz⸗ 
minifterium untergeorbnet und unter Memminger’3 Leitung geftellt. Mit dies 
fen Bureau wurde 1822 der Verein für Vaterlandskunde verbunden, eine 
Art flatiftifcher Commiſſion, welche die Arbeiten des Bureau's unterflüken 
follte. Eine Erweiterung der Mittel und der Wirffamfeit des Bureau's fand 
feit 1834 flatt und es wurde demfelben vie Redaction des Staatshanbbuche 
übertragen. Nach Memminger'd Tode uübernahm vaflelbe vie Herausgabe von 
defien flatiftifch=topographifcher Befchreibung von Würtemberg, feßte auch die 
ftatiftifch »topographifchen Befchreibungen ver würtembergifchen Oberämter fort, 
von denen feit 1824 die erfien 14 unter Memminger's Namen erfchienen 
waren und feitvem bis 1854 19 weitere Lieferungen erfchienen find. Im Jahre 
1850 wurde auf kurze Zeit die Statiftif dem Bureau abgenommen und dem 
Steuercollegium übertragen, dann wurde dad frühere Verhältniß hergeſtellt 
Die eigentlich flatiftifchen Arbeiten de8 Bureau's enthalten die Würtembergi- 
ſchen Jahrbücher für Gefchichte, Geographie, Statiftif und Topographie, deren 
Herausgabe Memninger im Jahre 1818, das Bureau 1839 begann. In die 
fen wird der Bevoͤlkerungsſtand nach den würtembergifchen Landeszählungen 
(der ortdangehdrigen Bevölkerung nach Alter, Eivilftand, Confeſſion ıc.) und 
nach den Zollvereinszählungen (der ortsanweſenden Bevölkerung), die Bewe⸗ 
gung der Bevölkerung, vie Zählungen des Viehſtandes und die Gewerbeta⸗ 
bellen (zuleßt für 1852), die Ergebniffe der Weinlefe, ver Markwerkehr, Preiſe 
und Witterungsverhältniffe mitgetheilt. Außerdem theilt dieſe Zeitfchrift auf 
amtlichen Quellen beruhende ftatiftifche Privatarbeiten mit, wie die Statiſtik 
der Bopentheilung nach Eulturarten aus den Ergebniffen ver Lanbeövermeffung, 
die Statiftif des Ackerbaues und der Obftcultur, der Feuersbrünſte ꝛc. An 
felbftänbigen Arbeiten ftatiftifchen Inhalts ſeitens der einzelnen Miniſterien 
ſind die theilweife im Buchhandel erfchlenenen Berichte des Finanzminifteriums 








Ueberficht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiftil. 977 


und vie im Juſtizminiſterium zufammengeftellten Reſultate der Rechtspflege 
bervorzubeben. 

Im Großherzogthum Baden wurde im Jahre 1836 eine flatiflifche Com⸗ 
milfton aus höheren Staatsbeamten errichtet; feit 1837 nimmt das Großher⸗ 
zogthum an den Zollvereindaufnahmen Theil. Statiflifhe Veröffentlichungen 
find von den verſchiedenen Deinifterien audgegangen, vom Minifterium des 
Iuneen bisher nur in geringem Maße; hierher gehören pas Ortſchaftsverzeich⸗ 
niß aus dem Jahre 1845, die Mittheilungen über Bevdlferungsftand, Wohn 
pläge, Schulen 3. im Staatskalender u. a. Seit 1853 ift in dieſem Mini⸗ 
flerium ein flatiftifches Bureau errichtet worden, welches zunächfi die Samm⸗ 
fung von Materialien für die Moralflatiftit in Angriff genommen bat. Vom 
badiſchen Juftigminifterium ift zuerft die Statiftil der Griminalrechtspflege im 
3.1829 (erfchienen 1831) herausgegeben worden, dann regelmäßig die der weites 
ren Sabre, zulebt für 1847 (erfchienen 1849); ſie enthielt auch bie gerichtliche 
Polizei, Unglüädefälle, Steuerfapitalien, Bewegung bed Civilſtandes; flatiflifche 
Meberfichten der Givilrechtöpflege wurben anfänglich im Negierungdblatte mite 
getheilt, für 1840 bis 1843 find fle in einem befonderen Werke erfchienen. 
Vom babifchen Finanzminifterium ift im Jahre 1851 ımter dem Titel: Amt- 
liche Beiträge zur Finanzſtatiſtik des Großherzogthums Vaden, eine ſyſtema⸗ 
tiſche ſtatiſtiſche Darſtellung der verſchiedenen Zweige der Finanzverwaltung 
dieſes Staates feit 1831 in Verbindung mit ber Territorial⸗ Vevölkerungs⸗ 
und Gewerbeſtatiſtik (Tebtere nach den Aufnahmen von 1849) herausgegeben 
veorden. Aeltere ftatiftifche Arbeiten dieſes Minifteriums behandelten ven Flä- 
heninhalt nach Bulturarten (von 1830), die Gewerbeſtatiſtik (nach der Auf⸗ 
nahme von 1843) und die Steuertopographie (1844). Vom bapifchen Kriegs⸗ 
minifterium iſt eine ftatiftifch »topograpbifche Tabelle des Großherzogthums und 
eine Statiftit des Kranfheitäzuftanded der Armee in ben Jahren 1833 bis 
1842 herausgegeben worden. 

Im Großherzogthum Heffen ift die Organifation der Statiftit durch Er⸗ 
richtung eines flatiflifchen Bureau's feit drei Jahren im Werke; officielle ſta⸗ 
tiftifche Werke find daſelbſt noch nicht herausgegeben, auch enthält das Staats⸗ 
handbuch nur wenig flatiftifche Data... Schr ihätig jedoch für die Landesſta⸗ 
tiſtik iſt der im Jahre 1845 gefliftete Verein für Erdkunde und vermwanbte 
Wiffenfchaften zu Darmftabt. In dem erften Hefte der von vemfelben heraus⸗ 
gegebenen Beiträge zur Landes⸗, Volle» und Staatskunde des Großherzog⸗ 
thums (erfchienen 1850) find ftatiftifche Abhandlungen über die Bevoͤllerungs⸗ 
verhältmiffe (von Ewald und Schmidt), Klächeninhalt, Klima, Wohnungen, 
Geſundheitszuſtand, Landwirthſchaft sc. enthalten; ein zweites Heft ift 1853 
berausgefommen. 

Die im Kurfürftenthum Heflen vor etwa 10 Jahren errichtete ſtatiſtiſche 
Commiſſtion begann ihre Thätigfeit mit Ausarbeitung und Einführung von 
Formularen für die flatiflifchen Aufnahmen in den verfchiedenen Bermaltungd- 


378 Miscellen: 


zweigen; von ihren Arbeiten ift inbirect einiges zur Veröffentlichung gelangt, 
infofern in den von dem vormaligen wiflenfchaftlichen Mitgliede verfelben, 
Hildebrandt, beraudgegebenen ftatiftifchen Mittheilungen über die volkäwirth- 
fehaftlichen Zuftände Kurhefiens die Bodentheilung nach Eulturarten, vie Agri⸗ 
eultur und Mineralproduction, ver Gebäubemerth, die Gewerbes, Verbrauchs⸗ 
Bevölkerungs⸗ und Steuerflatiftit nach den offlciellen Materialien bebanvelt 
find. Don ftatiftifchen Arbeiten einzelner Behörven ift vie von dem Staatd- 
procurator aufgeftellte Uieberficht der Strafrechtöpflege im Jahre 1849 zu er- 
wähnen; ftatiftifche Nachrichten über vie Geſundheitsverhaͤltniſſe follen fe 
langer Zeit bei dem Dbermedicinalcollegium geſammelt worven fein; ver kur⸗ 
heſſiſche Staatsfalenver enthält eine Art Ortfchaftöverzeihnif. Der Deren 
für heſſiſche Befchichte und Landeskunde zu Caſſel zählt vie Statiftil zu den 
Gegenftänven feiner Thätigkeit. 

Das Großherzogthum Luxemburg iſt in der nieverländiichen Statiſtik bis 
1830, in der belgifchen bis 1839 inbegriffen, außerdem erſchien in Diefer Zeit 
das Ortfchaftöverzeichniß in dem Verwaltungsmemorial von 1821. Der erfte 
Iuremburgifche Provinzialvermaltungsbericht ift 1833 erfchienen, die Zollver- 
einsaufnahmen traten feit 1843 ein. Die Hauptquelle ver Iuremburgiichen 
Statiftif find die Jahresberichte de Generals Apminiftratord des Innern des 
Großherzogthums (Expose de la situation du Grandd. de Luxembourg 
sous le Rapport administratif commercıel et industriel), welche u. A. die 
ZTerritorialftatiftit nach @ulturarten, die Bewegung der Bevölkerung, vie Sta- 
tiſtik der Juſtiz⸗ und Sicherheitöpolizei, des Unterrichts, der Staatd- und 
Gommunalfinanzen enthalten. Auch pie Berichte der Iuremburgifchen Handels⸗ 
kammer enthalten flatiftifches Material. 

Aus ver Statiftil des Großherzogthums Oldenburg werden amtliche Ta⸗ 
bellen und Nachrichten feit längerer Zeit im Staatöfalenvder mitgetheilt; fie 
betreffen den lächeninhalt, ven Stand und die Bewegung der Bendlferung 
(erftere nad) den Steuervereins⸗, Zollvereins⸗ und den ven holſteiniſchen ent: 
ſprechenden, im Fürftenthum Lübeck ftattfinnenden Zählungen, lettere nach den 
Kirchenbüchern), Ortichaften, Gebäube, Communalfinangen, Sparfaflen, fowie 
jegt die Schiffahrt (der Umfang ded.Materiald in der Bevölkerungsftatiktif 
ift auch aus Steenken's Werfe erfichtlih); außerdem werben Prozeftabellen 
aufgeftelt. Im Anfange viefed Jahres ift unter dem Miniftlerium des Innern 
ein ftatiftifched Bureau (Vorſtand Berker) errichtet morben. 

Bon den ftatiflifchen Aufnahmen im Herzogthum Braunſchweig ift Eini- 
ges in der unter dem Titel: Statiftifch -topographifche® Handbuch des Herzog- 
thums Braunfchmweig, veröffentlichten Privatarbeit mitgetheilt (Bevölferung, 
Geburten, Sterbefälle, Trauungen, Häufer, Viehſtand, Steuerfapitelien im 
Grundbeflg). Seit 1850 iſt die Organifation der adminiftrativen Statiftif 
mit Einführung von Formularen in den verfchienenen Berwaltungszweigen in 
Angriff genommen, und neuerbings unter dem Staatöminifterium ein ſtatiſti⸗ 








Ueberficht der Verdffentlichungen aus der abminiftrativen Statiſtik. 379 


ſches Bureau errichtet worden (Director Rhamm), von beflen Arbeiten pas 
Bremer Handelsblatt Einiged (betreffend Zählungsrefultate, Bewegung ber 
Bevölkerung einfchließlich Auswanderung, Sparkaflen, Strafrechtäpflege) mit- 
getheilt Hat. 

Das Staatshandbuch des Herzogthums Naffau giebt den Flächeninbalt - 
nach Eulturarten, die Ortfchaften, Gebäude, Bevölkerung, Gewerbtreibende, 
Diehftand, Zorften, Steuern. Berner werben amtlich zufammengeftellt die Auf⸗ 
nahmen über die Bewegung des Eivilftanded und des Wohnſitzes, vie Berg- 
und Hüttenprobuction, die Ernterefultate, der Weinbau, die Verbrechen und 
die Sicherheitöpolizei, fowie auch vie Domainenverwaltung und Armenpflege. 

In den thüringifchen Vereinsſtaaten befteht noch nirgends ein flatiftifches 
Bureau, doch wird die Errichtung eined folchen im Großherzogthum Sachien- 
Weimar beabfichtigt und findet fchon fett eine flatiftifche Bearbeitung ver 
Materialien im Minifterium des Innern flatt; das weimarifche Staatshand⸗ 
buch enthält ven Wlächeninhalt nach Eulturarten, Wohnpläte, Bevölkerung, 
Unterricht, landwirthſchaftliche Production und gewerbliche Verhaͤltniſſe; ander⸗ 
weitige Mittheilungen aus ven Arbeiten dieſes Miniſteriums (namentlich die 
Bewegung des Civilſtandes, Auswanderung und Sicherbeitöpolizei betreffend) 
finden fi im Bremer Handelsblatt. Cine Ueberficht ver ftariftifchen Auf⸗ 
nahmen im Herzogthum Sacjfen « Meiningen giebt Brückner's Landeskunde des 
Herzogthums Meiningen, welche namentlich Zufammenftelungen ver Volks⸗ 
zahl, ver Gebäude und des Viehſtandes, der Bewegung der Bevölkerung, die 
Kirchen, Schul» und Sanitätstabelle, die Tabelle ver Strafanftalten und fla- 
tiftifche Nachrichten über Finanzen, Münze, Bergbau, Korftcultur und gemein 
nüßige Anftalten mittbeilt; über einzelne diefer Gegenſtaͤnde (Ortfchaften, Zaͤh⸗ 
Iungörefultate ıc.) giebt auch das meiningifche Staatshandbuch Auskunft. Das 
Staatshandbuch des Herzogthums Eoburg- Gotha enthält nur ein Ortſchafts⸗ 
verzeichniß; anderweitig mitgetheilt finden fich die Aufnahmen über vie Be- 
völferung nad) ihren verfchiedenen Beziehungen und bie Bewegung des Civil⸗ 
ſtandes. Es ift im Herzogthum C.⸗Gotha in den letzten Jahren bie Verbeſſe⸗ 
zung der flatiftifchen Bormulare für die Aufnahmen in ven verfchievenen Ver⸗ 
waltungszweigen in Angriff genommen worden. Das herzoglich altenburgifche 
Staatshandbuch theilt Bevoͤlkerungsſtand, Gebäude, Ortſchaften und Landes: 
eintbeilung mit, auch werben daſelbſt Tabellen ver Geburten, Sterbefälle und 
Trauungen feit längerer Zeit zufammengeftelt. Mittheilungen aus der fchwarz- 
burgifchen adminiſtrativen Statiftif (namentlich die Zählungerefultate und vie 
Bewegung des Civilſtandes betreffend) fommen in die Megierungsblätter. Ver⸗ 
öffentlihungen aus ver abminiftrativen Statiftil der BürftentHümer Neuß fchei- 
nen zu fehlen, doch ift den Vernehmen nach wenigftend in Greiz feit mehre- 
ren Jahren die Einführung und Reviſion flatiftifcher Aufnahmen in den ein⸗ 
zelnen Berwaltungäzweigen im Werke. 

In den Staatshandbüchern der Herzogthümer Anhalt wird der Stand 


380 Miscellen: 


der Bevölkerung, ver Viehſtand und ber Flächeninhalt angegeben; im Herzog. 
thum Deffau- Köthen ift die Organifation der Verwaltungsftatiftif durch Ein- 
führung mehrerer Tabellenformulare feit drei Jahren unternommen worden. 

Was endlich die weftlichen kleinen Staaten des Zollvereind betrifft, to 
finden im Fürſtenthum Waldeck Aufnahmen über Stand und Bewegung ver 
Bendlferung, Getreivepreife, Befteuerung, Armenweſen, Mechtöpflege und Ge⸗ 
fängnifle flatt; über den Umfang der Specialftatiftif der Zürftenthumer Lippe 
und Schaumburg und des Landgrafthums Heflen- Homburg waren feine An⸗ 
gaben zu finden. Fuͤr die Statiſtik der Stadt Branffurt und ihres Gebietes 
ift der dafelbft im Jahre 1836 gegründete geographifche Verein thätig. Dies 
fer Hat in ven Jahren 1839 bis 1841 drei Hefte Mittheilungen über phyſiſche, 
geographifche und flatiflifche Verbältniffe Herausgegeben (betreffend Bevälfe- 
zung, Areal, Waflerfland, Klima, Preife, Verkehr, Schulen ıc.) und ſeitdem 
in der Frankfurter gemeinnütigen Chronik verfchievene Artikel ähnlichen In- 
halts publicirt; im Jahre 1848 bat das flatiflifche Comitoͤ deſſelben unter 
dem Titel: Zur Statiftit Frankfurts, eine Arbeit von Meibinger, betreffend 
Stand und Bewegung der Bevölkerung, Gebäude, Gonfumtion, Gewerbe und 
Armenpflege, auf amtlichen Ermittelungen berubend, herausgegeben. Im vori⸗ 
gen Jahre Hat fich der Verein reorganifirt und die Bezeichnung Berein für 
Geographie und Statiftit angenommen. 


II. DOefterreich einfchlieplih Ungarns und der Lombardie. 


Im Jahre 1828 wurde bei der öfterreichifchen Generals Mechnungss Dis 
zection ein flatiftifche® Bureau errichtet und mit der Bearbeitung ver Stati⸗ 
ftiE der Bevölkerung, des Ackerbaues, Unterrichtd, Elerus und der Finanzen 
beauftragt; die Arbeiten vefjelben wurden litbographirt ven Behoͤrden mitge- 
teilt; Becher Bat viefelben zu feinen in ven Jahren 1841 und 1846 erfdhie 
nenen Schriften über den Stand ver Bevölkerung (1834 bis 1840) und vie 
Bewegung ver Bevölkerung (1819 bis 1833) benugt. Die Errichtung der 
Direction ber abminiftrativen Statiftit fällt in bas Jahr 1840, v. Gzörnig 
wurde Director derfelben; im Jahre 1848 wurbe fie dem neugebilveten Gans 
belöminifterium untergeorbnet. Die zunächft von ihr aufgeftellten Tabellen 
fir 1841 beſchräͤnkten fi auf einzelne Verwaltungdzweige, vom folgenden 
Jahre ab bearbeitete fte Die gefammte abminiftrative Statiftif, wobei fie ſich 
überdies nicht auf die amtlichen Erhebungen befchränfte, fondern die freie Aus- 
funft der Privaten zur Bereicherung des Materiald mit berbeizog. Die Ta 
feln zur Statiſtik der öfterreichiichen Monarchie kamen für 1842 zuerfi im 
Sabre 1846 unter der Bezeichnung fünfzehnter Jahrgang heraus, fie fine 
inzwifchen erft bis zum Jahrgang 21, vem Jahre 1848, fortgefchritien. Sie 
geben neben umfaflendem Tert eine Anzahl Tabellen fowohl für das ganze 
Neich, ald für die einzelnen Kronlänver; die Tabellen betreffen Klächeninhalt, 











Ueberficht der Beröffentlichungen aus ber adminiſtrativen Statiflif. 381 


Wohnorte, Gebäude, Bevölkerung (nach Givilftand, Meligion, Heimatsverhält- 
niß), Geburten, Sterbefälle, Trauungen, UnterrichtSanftalten, Gewerbebetrieb, 
productive Bodenfläche, landwirthſchaftliche Production, Viehſtand, Bergbau 
und Xerarialfabrifen, Baummwollfpinnereien, Sanitäts- und Wohlthaͤtigkeits⸗ 
anftalten, Eifenbahnen, Straßen⸗ und Waflerbauten, Handel und Schiffahrt, 
@ivils nnd Griminalrechtöpflege, Strafanftalten, vie Bank, Sparkaflen, Ber» 
fiherungs- und Berforgungsanftalten und Marktpreife, in viefer Bollftän- 
digkeit für die deutſch⸗ſlawiſchen und italienifchen Provinzen, fowie größten 
theils für die Militärgrenze; vom folgenden Jahrgange an Tamen die Tas 
bellen ver Finanzverwaltung (hier auch die Steuertabellen und die der Staats⸗ 
Schuld und ver Münze) und vie bed Berwaltungsperfonald Binzu. Am voll⸗ 
ftänbigften find die Tabellen für die Stadt Wien, fie betreffen 3. B. auch 
Todesurſachen, Confumtion, Meteorologie. Fuͤr die ungarifchen Kronländer 
treten größtentheild Schägungen an bie Stelle ver auf Zählung und Berech⸗ 
nung ruhenden Angaben; mit einiger Genauigkeit if nur die Statiftil des 
Bergbaues, der Baumwollipinnereien, des Elerus und ver höheren Lehranſtal⸗ 
ten, für Siebenbürgen auch die des PBrivatunterrichtd, ver Sanitätdanftalten, 
der Gewerbetreibenden und der Bewegung bed Eivilfianded ermittelt. Die 
Bolfszählungen finden in den deutfch»flawifchen Kronlänvern alle drei Sabre 
flatt, in den italienifchen Ländern, fowie in Tyrol, Trieft und Dalmatien wird 
der Stand ver Bevolkerung jährlich fehtgeftelt. In den ungarifchen Kron« 
ländern ift bie erfte allgemeine Zählung erft im Jahre 1851 vollenvet wor» 
den (die Erhebungen beziehen fih auf Civilſtand, Religion und Nationalität, 
zugleich fand eine Aufnahme des Viehſtandes flatt); früher waren in Ungarn 
grundſaͤtzlich beftimmte Kategorien der Bevölferung von ven Zählungen aus» 
gefchlofien, die Kenntniß der Volkszahl ergab fich annaͤhernd aus den Tirchlis 
chen Schematismen, deren legterfchienener (Universalis Schematismus ecele- 
siasticus Cleri romano- et graecolatini) fid) auf die Jahre 1842 und 1843 
bezog; fie wurden von Fenyes in der 1843 erfihlenenen Statiflif von Ungarn 
benugt. — Nähft den Tafeln zur Statiflif der öfterreichifchen Monarchie 
wird in einem zweiten fpecieleren Werke die Statiftit des auswärtigen Han⸗ 
dels bearbeitet; die Ausweife über ven Handel von Defterreich erfchienen zu⸗ 
erft für dad Jahr 1840 mit Ueberfichtötafeln bis 1831 zurück; fle erfcheinen 
jährlich, die Ießterfchienenen betreffen ven Handel im Jahre 1851. Sie ent⸗ 
hielten bie Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr des äfterreichifchen und — fo lange 
derfelbe getrennt befland — des ungarifchen Zollverbanves und die Handels⸗ 
tabellen für Dalmatien. Noch weiter zurück gehen bie öfterreichifchen Handels⸗ 
tabellen in Becher’8 1841 erfchienenem Werke, welches ebenfo, wie die Tpätes 
ren Arbeiten vefielben über diefen Gegenfland, aus dem amtlich gefammelten 
Material gearbeitet war. Deflerreichifche Schiffahrtstabellen finden fich in einer 
italienifhen Ausgabe (Navigazione nei Porti austriachi e Navigazione 
austriaca al estero, 1850). — Die Direstion der adminiſtrativen Statiſtik 


"382 Miscellen: 


Hat drittens in den Jahren 1850 und 1851 Mittheilungen über Handel, Ges 
werbe und Verkehrsmittel herausgegeben, welche feit 1852 unter den Namen 
Mittheilungen aus bem Gebiete der Statiftit von derſelben fortgefegt worden 
find; in diefen werden die Weberfichtstafeln der Statiſtik der dfterreichifchen 
Monarchie fchneller mitgetheilt, als in dem vorermähnten größeren Werke, 
außerdem bringen fie die Statiftit einzelner Kronlaͤnder ( Bukowina, Woimos 
dina), ferner Sperialftatiftifen (der Zuderpropuction, der Dampfmaſchinen, 
der Lehranflalten der ganzen Monarchie, und andere für einzelne Kronlänver), 
auch Auffäge über auswärtige Handelöverhältniffe nach Berichten ver Eonfuln. 
Die Auftria, feit 1849 Organ des Handelöminifteriums, enthält zahlreiche ſta⸗ 
tiftifche Artikel, hierunter Auszuge aus den Berichten der Handelskammern, 
von welchen auch viele (namentlich die ver Handelskammern zu Brünn, Prag, 
Neichenberg, Pilſen, Olmüb, Troppau, Klagenfurt, Laibach, Gräß, Leoben, Linz, 
Pavia, Eremona, Brescia, Bergamo, Trevifo, Sondrio, Krakau, Kronitadt, 
Agram und der fünf ungarifchen Diftrietöhauptorte) im Buchhandel erfchienen 
find. Eine balbofflcielle Bearbeitung einiger wichtigen ftatiftifchen Materien giebt 
Hain’d Handbuch des Öfterreich. Kaiferftants vom 3.1852. — Die Bearbeitung ber 
öfterreichifchen Provinzialftatiftik ift überwiegend der Privatihätigkeit überlaffen; 
dieſe hat fich am fruchtbarften Hinfichtlich der italienifchen und böhmischen Kron⸗ 
länder gezeigt: mit Benutzung der amtlichen Materialien arbeitete Quadri feine 
Statistica delle Provincie venete; neuerbings hat die Rechnungskammer für 
Dalmatien einen Prospetto generale sulla Popolazione, Bestiame e Mezzi 
di Trasporto (zu Ende 1849) herausgegeben. An ftatiftifchen Geſellſchaften 
find zwei zu erwähnen, vie 1846 in Mailand gegrünvete Accademia fisico- 
medico-statistica ımd die mährifch = fchleftfche Geſellſchaft des Aderbaues und 
der Landeskunde, von welcher die Schriften der Hiftorifch= ftatiftifchen Sertion 
fortvauernd berausfommen. 


IV. Die Schweiz. 

Die Volkszählungen in den Eantonen der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft 
werden von der Bundeöbehörbe veranlagt und ziemlich gleichzeitig in ven eins 
zelnen Cantonen ausgeführt. Die Mefultate der 1836 angeordneten Aufnahme 
find lithographirt erfchienen; volftändiger war die Zählung von 1850, bei 
derfelben wurde die Heimath, Eonfefflon und Sprache (auch theilmeife das 
Alter) der Bevölkerung unterfihieven; vie Aufnahmen find im eidgendſſiſchen 
Megierungdbepartement des Innern bearbeitet und in den Jahren 1851 bis 
1854 beraudgegeben worden; in dem zweiten Bande find Auswanderungs⸗ 
Miliz, Wähler und Finanztabellen beigefügt. Für die fortvauernde Kemnt« 
niß des Bevölkerungoſtandes find 1851 durd) gemeinfame Beftimmungen für 
die Aufnahmen über die Bewegung ver Bevölkerung Vorkehrungen getroffen. 
Die Herausgabe von Hanveldtabellen kann, feit das Zollweſen Bundesſache 
geworben iſt (1850), als bevorſtehend betrachtet werden. Statiftifches Mas 








Ueberficht der Beröffentlihungen aus der abminiftrativen Statiftif. 393 


terial über den auswärtigen Handel ver Schweiz aus früheren Jahren finvet 
ſich namentlich in den Bericht der eidgenöſſtſchen Experten⸗Commiſſion vom 
Jahre 1844 und in Gonzenbach's Werken. 

Die hauptfächliche Duelle der adminiftrativen Statiftif der einzelnen Can⸗ 
tone find die Verwaltungsberichte der Cantonalbehoͤrden; ver Umfang des in 
denfelben vorhandenen Materials Tat ſich aus Franſcini's Statiftif der Schweiz 
erfehen. Umfang und Werth vefjelben ift nach ven einzelnen Gantonen ſehr 
verfchienen; hervorgehoben werben die Verwaltungsberichte der Cantone Bafel, 
St. Ballen (Amtsberichte des Fleinen Raths) nnd Zürich (aus letzterem Can⸗ 
ton werben aufgeführt vie Iahreöberichte über das Medicinalweſen und vie 
über vie Armenpflege; die Volkszählung vafelbft ift durch Meyer von Kno⸗ 
nau, den Mitarbeiter an dem biftorifch = geographifch = flatiftifchen Gemaͤlde der 
Schweiz, in einer befonveren Abhandlung erörtert worden). Im Canton Bern 
ift feit längerer Zeit die Errichtung eines ſtatiſtiſchen Bureau's beabfichtigt 
worden. Im Canton Genf haben die Statiſtik der Sterblichkeit und die der 
Juſtiz beſondere Pflege gefunden, vie Tableaux des Operations des Tribu- 
naux de Geneve find zuerft für 1829 bis 1834, feit 1844 jährlich erfchie- 
nen, das Annuaire de la Mortalitö genevoise hat M. d'Eſpine im Auf⸗ 
trage des Geſundheitsrathes feit 1842 herausgegeben, die Mefultate ver Sterb⸗ 
lichkeit in ven Jahren 1838 bis 1845 Hat verfelbe in einer befonderen No- 
tice statistique behandelt. Was die Statiftit des Fürftenthums Neuenburg 
betrifft, fo find vie Mefultate ver Aufnahmen ver Bevälferung, Gebäude und 
des Viehſtandes, ver Geburten, Sterbefälle, Trauungen, und der Gewerbes 
treibenden früher in der amtlichen preußifchen Statiftit mitgetheilt worden. 

IR Wocckh. 
(Bortfebung folgt.) 


Das Klima und die Bodenbefchaffenheit Algeriens, 


Dr. Bertherand hat fo eben ein ausführliches Werk über vie Heilkunde 
und Gefunpheitöpflege ver Araber unter dem Titel: Medecine et hygiene 
des Arabes, Paris 1855, veröffentlicht, in welchem jich auch manche noch 
unbefannte Mittheilungen über die Elimatifchen Verhältniffe und bie Bodenbe⸗ 
fchaffenheit Ulgeriens vorfinden, die wir hier zufammenftellen. 

Das Klima Algeriend gehört zu den warmen, die Temperatur beläuft 
fi auf 20° bis 25° €. — Bon der Meeresfüfte erhebt ſich das Land all« 
mahlig anfteigend durch zahlreiche Thaͤler und Bergketten ungefähr in einer 
Ausdehnung von 80 Kilometer. Kalk⸗ und Sanpftein herrfchen vor; in Folge 
Der geringen Permenabilität des Bodens wird faſt alles Waller ven Bächen und 


384 Miscellen: 


Flüſſen der Ebene zugeführt und dadurch fehlt ed auch Den an ven Abhän- 
gen ver Berge gelegenen Dörfern nie an Waſſer. Auf einer nur wenig ge 
neigten Bläche gelangt man auf Plateau’8 von einer mittleren Höhe von 1200 
bis 1400 Meter von Kalkftein. Die angeflellten Hoͤhenmeſſungen haben fol- 
gendes Reſultat ergeben: 
Der See Fezzara (bei Bona) und einige Punkte der Ebene von Bona lie⸗ 
gen im Niveau des Meeresſpiegels, 
die Ebene der Metivja zwiſchen Har⸗ 
rach und Khemid ........ 13 NMeter über dem Meeresſpiegel, 
die Ebene der Metivja beim befefligten 


11) 2 ER 6 3 = s = 
die Ebene der Deetivja bei Bou⸗Farik 4 - - = = 
der Sebkha (Salzfee) von DOran... 60 -» - » ’ 
die Ebene ver Metivjä zu Beni-Merd 148 - - = . 
die Ehene von Ifer (im Norden von 

Tlemcen) ... . . 250 = = = = 
die Ebene ber HacjemeWeris "(bei Mas⸗ 

cra)............... 350— 
die Ebene der Haractas..... 800 = . 5 . 
die Ebene der Medjana....... 1000 = = = - 
der Diebel Darab . .... 2.2... 1160 = . - „ 
der Nif in Nſer a EEE 1534 = ⸗ ⸗ ⸗ 
der Sidi⸗ Reiſſ Pa 1678 = PN Pr P} 
der Diebels Afroun . . .. 2.2... 1900 =» - s ⸗ 
der Jurjura.............. 2100— ⸗ 
der Diebel-Melia ..... 1 MR “om - 
die Uurdd oo 0 20er een 2663 - - . . 
der Duanferid. . 2er 0000. 3500 =» - = = 


Diefe Bergwand fchüpt die Wohnungen der fih am Meere ausdehnen⸗ 
den Ebene gegen die häufig wehenven heftigen Sübwinde. Die Seitemmwänte 
diefer Plateau's find reich an verfchiebenen Mineralien; der Boden fcheint an 
vielen Stellen vulfanifch zu fein, wie fich wohl aus der großen Anzahl heißer 
Duellen annehmen läßt. Die großen Salzfeen liegen nach Renou nicht Höher, 
ald 500 Meter. 

Mehrere Stellen der Sahara Liegen unter dem Meeresfpiegel, fo 3.8. 
ver Theil bei Moahaier nach Duborq 70 Meter tiefer, als ver Meeredfpiegel 
Im Frühjahr 1853 war diefed fandige Terrain ſtark mit Salz und Salpem 
imprägnirt. Bei El-Aghouät feheint der Sand reich an Eifenoryd zu jein, 
wodurch, die Erphaufen, aus denen die Mauern ver Käufer gebildet werden, 
eine außerorbentliche Härte erlangen. 

Bon den Städten, welche mitten zwifchen der eingeborenen Bevölkerung 
liegen, erhalten wir folgenne Höhenbeftimmungen: 








Das Klima und die Bopenbsfchaffenheit Algeriens. 885 


Diidjelli.......... 15 Meter über dem Meeresſpiegel, 
Eherchell Par EEE . 20 ⸗ = > = 
Algier . 2-22 20.. . 20 = : 5» . 
a) am einigen Buntten 16 » W 
Bou- darit an andern .... 47 » W 
Oran.......... ..... 50 ⸗ De - 
Pisfra rl... 75 = ⸗ 2 2 
Moſtaghanem........... 114 ⸗ 
Coléah ——4— 001 01 — 01 0 00% 150 8 3 = = 
Mascara........... .. 200 = W 
Blidah ae .. 254 = = > = 
Sivibels AbbEd ... ...... 400 = » 5 ⸗ 
Milah ..... a .. 478 = ⸗ ⸗ ⸗ 
Bougia ... 670 = ⸗ ⸗ ⸗ 
Conſtantine...... ri. 720 = =. - 
€ Aghouät Pa 750 » = ⸗ 2 
Milianah . a a En 1000 = ⸗ ⸗ = 
Medeah............. 1100 = =» , 


Im erften Augenblide fett und die fortwährenne Brifche ver Vegetation 
in Erflaunen. Eine ziemlich große Anzahl von Wäldern und Gehölzen (die 
auf eine Million Hectaren gefchäßt werben) find durch die Araber für vie 
häuslichen nnd Nahrungsbenürfniffe nutzbar gemacht worden; da die Wals 
dungen jedoch im Allgemeinen fehr Licht find, fo gewähren fle Keinen hin⸗ 
teichenden Schuß gegen die heißen Sonnenftrahlen, und daher gehören Hier 
die erpptogamifchen Gewaͤchſe zu den Seltenbeiten. Die geringe Walbcultur 
Algeriens fcheint eine natürliche Bolge des Clima's zu fein; Hardy fucht naͤm⸗ 
lich die Urfache in dem nachtheiligen Einfluffe der beiden von entgegengefeßten 
Seiten wehenden Winde und in der ungleichen Bertheilung des Megend. „In 
Bolge der Iange anhaltennen hohen Temperatur erreichen manche Pflanzen, 
z. B. der Fenchel und Schierling, eine ungeheure Größe. Die Cedern von 
Teniefsel- Had haben einen Umfang von 5 bis 7 Meter und eine Höhe von 
18 His 25 Meter. 

Das Barometer bietet ziemlich beveutende Schwankungen dar, fo war 5.2. 
zu Oran (v. 1841 bis 1853) der beobachtete hoͤchſte Stand 778,60 Millimeter, 

der nieprigfte Stand 736,70 ⸗ 
zu Moſtaghanem (von 1850 bis 1853) der Höchfle Stand 768,70 
der nierigfte Stand 736 
zu Diiell . ©2222 220 der höchfle Stand . 772 
ber niebrigfte Stand 755 
zu Bisfra (von 1846 bis 1849) . . der höchfle Stand . 766 
der niebrigite Stand 749 
Dad Barometer zeigt auch für denſelben Ort eine Schmanfung im Laufe 
Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Br. V. 25 


% % “ % W “u 


386 Möcellen:: 


des Jahres, die aber um fo unbedeutender wirb, je mehr man ſich dem Sie 
nähert. So betrug biefelbe: 

in Algier im Jahre 1832 zwifchen 750,25 und 771,15 Millimeter, 

im Sabre 1834 - 748,20 und 770,36 = 
in Bisfra im Jahre 1846 - 752,20 und 758,80 ⸗ 
im Sabre 18347 = 753,00 und 756,50 ⸗ 

Im Allgemeinen ſteigt das Barometer ſtark bei Nord⸗ und Südweſt⸗ 
wind, wenig bei Sud⸗ und Oſtwind, und fällt ſchnell beim Eintritt de 
Süudoſt⸗ und Nordoſtwindes. Der mittlere Barometerfland beträgt für Als 
gerien 757,90 Millimeter. 

Die Hige ift verfchieden, je nach ver Höhe des Ortes. Das Marimum 
der täglichen Temperatur varüirt nach der Senkung ber Bodenflaͤche, im All⸗ 
gemeinen nimmt es gegen das Meeresufer Hin zu. 

Zu Sidi bel Abbes findet der hoͤchſte Thermometerſtand zwifchen 2 und 
8 Uhr ftatt, 

zu Algier um 11 Uhr, 

zu Milianah um 2 Uhr, 

zu Medeah um 12 Uhr, 

zu Tlemcen gegen 1 Uhr, 

zu Blivah um 11 Uhr, 

zu Biskra um 14 Uhr. 

Befanntlich beträgt vie mittlere Jahreötemperatur in Tunis 20°,30 € - 
In Algerien haben die Beobachtungen an verfchievenen Orten folgende Re 
fultate ergeben: 


zu Setif 10° J zu Sidi⸗bel⸗Abboͤs 170,50 C., 
zu Medeah 13° E zu Tlemcen 18°,04 C., 

„au Milianah 16° € zu Bougia 18°,20 C., 

" zu Mascara 16° 6 zu Bona 20° C., 

zu Gonftantine 17° C., zu Algier 21° C., 

zu Teniet⸗el⸗Hud 17°,18 C., zu Moftaghanem 22°,71 €, 
‚u Oran 17°,50 C., zu Biskra 22,27 C. 


Theilt man das Jahr in zwei Jahredzeiten, Sommer und Winter, jo er- 
halt man für dieſe folgende mittlere Temperaturen: 
im Winter: im Sommer '): 


zu Algier... .. ... 16°,40 26° ‚80 
zu Sivieel-Ubbe8 ... 9— 10° 26— 27° 
zu Eoleah ....... 10—15° 30 —36° 
am noͤrdlichen Abhange 

des Berges Sahel. . 15° | 28° 


) Die mittleren Temperaturen des Sommers und Winters find den Tempera; 
turen der 3 heißeften und 3 Fälteften Monate entnommen. 





Das Klima und die Bopnenbefchaffenheit Algeriensd. 987 


im Winter: im Sommer: 


zu Mabkcara .... 6° 30° 

zu Zlemen..... 8° 12 28° 26 

zu Bißfra ..... 9—10° 47° 

zu Tenietsels Sb . 9° 46 26°,37 

zu Dran....... 10—15°,5 18— 23° ,75 
zu Diibjeli .... 10° 30 — 35° 
zu Moftaghanm. . 14— 15° 27 — 30° €. 


Am Dieereögeftade fleigt dad Thermometer im Sommer von 26° bis 
auf 33°, zu Algier bis auf 40° und 50°, aber die Seewinbe milvern bie 
Hitze bedeutend und führen feuchte Nächte und Thau herbei. — In Tlemcen 
war ber niebrigfte jährliche Thermometerftand — 5° bis — 6°, und der höchfte 
40° bis 41°. — Auf den hohen Plateau's find die weiten tiefen Keffel 
durch die fehr hoben Bergwaͤnde vor den herrſchenden Süd» oder Nordwin⸗ 
den gefchüßt, daher fällt die große Hitze und flarfe Kälte beſonders in dieſen 
tiefen Thaͤlern läftig, weil die Winde die Temperatur nicht zu mildern ver- 
mögen. 

Auch die Temperatur in den Nächten bedarf ver Beachtung; fo bat Dr. 
Fourqueron in der Ebene der Metivja dad Thermometer nie bis auf den 
Gefrierpunft fallen fehen, fonvern fand eine mittlere Temperatur von 4° 
bis 8° C. Zu Bidkra waren im Sommer niemald weniger, als 35° gegen 
Mitternacht. — Die Differenz zwifchen ver Temperatur am Tage und in ber 
Nacht iſt im Allgemeinen jehr verfchieven, im Suͤden aber ſtets beträchtlicher. 
Zu Vordj bei Sada (jürli von Biskra), wo Bertherand mehrere Male 
in ber Woche ein Detachement ver Fremdenlegion infpicirte, fand er oft einen 
Unterſchied von 17° zwiſchen ver Temperatur um 9 Uhr Abends und 5 Uhr 
Morgens. 

Der hoͤchſte Thermometerſtand tritt nicht überall in demſelben Monate 
ein, fo in Bona, Oran und Algier im Auguſt, zu Hammam⸗Mescoutin, Sidi⸗ 
el⸗Abbos, Moſtaghanem, Teniet⸗el⸗Haud im Juli, zu Tlemcen, Biokra und 
Blidah im Juni. 

December und Januar find die Fälteften Monate. 

Die an verfchienenen Orten beobachteten Extreme der Temperatur verbie- 
nen ebenfalls eine befondere Beachtung. Sp war 
der niebrigfte Thermometerftand in Bona 80, ver höchfte -+42° (im Jahre 

1838 


' 
= ⸗ ⸗ in Algier +4°,85, der hochſte + 450, 
= ⸗ - in Tlemcen 0°, ber böchfte +-34°, 
= ⸗ ⸗ in der Ebene von Tlemecen +1°, ver hoͤchſte 
+39 ,50, 
= . . in der Ebene der Metinja +1*, ver höchfte 


4470 (im Jahre 1839), 
25* 


388 Miscellen: 


der niebrigfte Thermometerfland am Geſtade ver Provinz Oran + 1°, ver 
böchfte + 36°, 
in Setif -+4°,50, der höchfle 38*, 


⸗ ⸗ ⸗ in Medeah +2°, der höchfte 36°, 

s ⸗ ⸗ in Milianah Oe, der höchſte 42° (im J. 
1842), 

⸗ ⸗ ⸗ in Conſtantine 0°, der höchſte 4 400, 

⸗ ⸗ ⸗ in Mascara 2°, der höchſte +58*,50 (im 
Jahre 1849), 

. ⸗ ⸗ in Blidah +-7°, der hoͤchſte 4390,50, 

⸗ ⸗ ⸗ in Biskra +1°, der höchſte 52° (im Jahre 
1844), 

. - ⸗ in Coleah +10°, ver hoͤchſte 36°, 

P ⸗ ⸗ zu Hammam-Mescoutin — 1°, der hoͤchſte 
+40° (im Jahre 1844), 

⸗ ⸗ in Oran —50,25, der hödhfte -+56*,25, 

⸗ ⸗ ⸗ in Sidi⸗el⸗Abboͤs 45°, der hoͤchſte 410, 

. in Batna +3°, der hoͤchſte 39° Cim J 
1850), 

⸗ ⸗ ⸗ in Orleansville +3*, ver hoͤchſte zwiſchen 


+-45* und 50° G. 

Im Allgemeinen fcheint ſich die Temperatur auf ven hoben Plateaus 
durch beträchtliche Differenzen auszuzeichnen. Nach Aime ſchwankt dad Ther⸗ 
mometer im Süben an einem und vemfelben Tage zwifchen 22° und 44°, 
und nad) Bournel follen die Wechſel an einem Tage ſich zwilchen 6° um 
38° belaufen (Differenz 27°). Es giebt Orte, wo die mittleren Werthe ter 
Marina im Auguft bis auf 40° fliegen und die ver Minima in demſelben 
Monate nur 25° beirugen. — In einem Bivouaf fand Dr. Berrier am 22. 
Mai 1840 um 6 Uhr Morgens den Nachtthau auf dem Mafen um das Zelı 
herum gefroren; vie Temperatur der Luft betrug +2°, 5 Stunden fpäter 
zeigte das Thermometer im Schatten 25°, und 3 Stunden darauf +314*. 
Am 4. Juni ftand dad Thermometer im Lager von Ain=-Turd, öſtlich von 
Setif, um 1 Uhr Nachmittags auf 34°, an ver Oberfläche des Borens ın 
der Sonne auf 58°; nach einem Gewitter mit Hagel fiel ed um 12°. 

Wegen diefed fchroffen und beftänvigen Temperaturmechfels ift die wolle 
Kleidung der Eingeborenen ein unumgängliches Erforverniß. 

Der Winter tritt in der Sahara weit firenger auf, ald an ber Meeret⸗ 
füfte °); Schnee und Froſt kommen häufig vor; ebenfo an allen Stelle. 


») Weber die Strenge des Klima's in der algerifchen Sahara machten zwei fran 
zöflfche Militaircolonien unter den Generalen Renaud und Cavaignac im Jahre 1847 
Erfahrungen, die für viefelben Teicht fehr böfe Folgen hätte haben können, indem is 
einer Nacht des Monats April das Thermometer bis auf — 1° herabfanf und tıc 


Das Klima und die Bonenbefchaffenheit Algeriens. 889 


wo die Waͤrmeausſtrahlung durch die Haren Nächte begünfligt wird. So 
fanf am 2, Juni 1850 mitten in ven Waldungen der oberen Plateau's bei 
Tlemcen in ver Nacht das Thermometer auf —A°. Während der Erpebition 
im März 1853, in der Umgegend von Tuggurt, waren die Nächte Außerft 
frisch (dad Thermometer fill auf — 3°), während bei Tage oft eine Hitze 
von 52° im Schatten Herrichte. 

Die Araber Halten die letzten 20 Tage des November und bie erften 20 
des December für vie kälteſten des Jahres und bie letzten 20 des Mai und 
vie erfien 20 des Juni für die Beißeften. 

Wenn die Megenzeit im Allgemeinen lange vauert, fo pflegt auch bie 
Hitze fehr Tange anzubalten, ober einen um fo höheren Grab zu erreichen; 
daher zeigt fich bei ven Eingeborenen die Haut fo empfindlich gegen Tempe⸗ 
raturmwechfel, und eine ganz natürliche Folge davon ift ihre Eintheilung des 
Jahres in zwei große Abfchnitte: Sommer und Winter. 

Die Entwidelung der Electricität muß in Algerien um fo flärfer von 
Statten geben, da fle unter dem Einfluffe einer hohen und bedeutendem Wechjel 
unterworfenen Temperatur, durch die fortwährennen Veränderungen in ber 
Beuchtigfeit ver Luft begünfligt wird. Gewitter fommen im Allgemeinen häufig 
im Frühjahr, zumal in ver Ebene, vor; im Süden in Herbfl; am Meereds 
geitade zeigen fie fich weit ſeltener. Erpbeben gehören nicht zu den Selten« 
beiten; Blivah wurde mehrere Male zerftört; im Jahre 1847 fanden Häufige 
Erfchütterungen in Sherſhell ftatt; gewöhnlich treten fie gegen Ende des 
Sommers auf. In Algier fand ein bedeutendes Erdbeben am 11. April 1853 
und zu Medeah, Orleansville, Algier, Milianah u. f. w. am 23. November 
teilelben Jahres ftatt. 

Hagel fällt Häufig, befonderd an ver Küſte. Im Mai 1848 fielen zu 
Teniet⸗ el⸗Had Stücke, weldhe 15 Grammes wogen. 

Der Schnee, der an der Küfte felten ift, zeigt fich häufiger auf pen Pla« 
teau’3 und in den Städten im Innern des Landes und fällt in gewillen Ges 
genden mehrere Monate Hinter einander (zu Setif vom November bis Ende 
Februar) und Hleibt oft 14 Tage liegen. In Dran fihneit es ungefähr nur 
einmal im Jahre; in Batna fällt der Schnee in ungeheuren Maſſen. Am 
23. März 1853 Iag er in Eonftantine 15 bis 16 ZoN Hoch; in Biskra Hat 
man nur einmal, am 3. Februar 1844, Eis gefeben; in demſelben Monate 
fchneite es, der Schnee fchmolz aber, ehe er zu Boden flel. Die hohen Berge 
Algeriens, wie der Djurfura, bleiben faft das ganze Jahr hindurch mit Schnee 
bedeckt. 


palmenreiche Landſchaft, gleich als laͤge ſie in Sibirien, mit einer dicken weißen Schnee⸗ 
maſſe, die im Lauf des Tages wieder verfchwand, überdeckt wurde. Freilich befand 
man fich damals in 2500 Fuß Höhe über dem Meeresfpiegel. (J. F. Jacquot, Ex- 
pedition du General Cavaignac dans le Sahara Algerien en Avril et Mai 1847. 8 
Parıs, 97; Revuc de deux mondcs 1849. IV, 519.) G. 


890 Miscellen: 


Sehr oft ward ein plötzlich eintretender Froſt ben franzoͤſiſchen Truppen 
verderbenbringend. Auf dem Rüdzuge von Bou⸗Thaleb im Jahre 1846 fa 
men mehr als 500 Iofale Erfrierungen vor; bei der Erpebition nach Con⸗ 
Rantine, im October 1836, Kitten mehr ald 100 Dann an erfrorenen Süßen, 
Händen und Lippen, und im nächftfolgennen Jahre gingen eine große Zahl 
von Wunden in Gefchwüre über. Bemerfenöwerth if, vaß im Sabre 1836 
das Thermometer nicht bis auf den GBefrierpunft fiel, ſondern in ver Nackt, 
wo der Schnee fiel, einen halben Grab über dem Nullyunft ſtand, und im 
Sabre 1837 fogar auf -+2°,50. Der Boden, auf dem die Soldaten lager: 
ten, war aber bedeutend Fälter und entzog mithin dem Körper fortwaͤhrend 
Wärme Dr. Gandilhon bat nachgewiefen, daß in Algerien vie Keuchtigfei, 
durch mäßigen Wind und Kälte unterftüßt, hinreicht, um ein Erfrieren der 
Zehen zu bewirken. 

Was die Winde anbelangt, fo weht der Nordwind vom Meere ber, 
am Tage, wenn die Temperatur ven böchften Grad erreicht, und am bäufig- 
fien in den heißeften Monaten; er laßt fich bis auf den hohen Plateau's 
wahrnehmen. Der Scirocco (Sübweflwind), ver auß den bürren Ebenen 
des Soudan kommt, ift troden; ein plögliches Sinken des Barometers ver- 
räth fein Nahen; er Hält oft nur einige Stunden, oft aber auch 3 Tage ar: 
das Hygrometer fällt dann oft 15 bis 20° in einer Sekunde. 

Im Süden fällt wenig Regen (in Biskra bisweilen im Februar oder 
März), aber nicht fo felten, ald man mwähnt, denn Renou hat in der Sa⸗ 
bara Eis und Negen beobachtet. An der Küfte und auf den Plateau's mer- 
den die Regen in Hinſicht auf die Geſundheit dadurch nachtheilig, daß fie Die 
Ehenen in Sümpfe verwandeln. Sehr oft regnet e8 vom Mai bis October 
gar nicht; im October beginnt die Negenzeit, der Megen wird im November 
und December ftärfer, läßt im Januar und Februar wieder nach, nimmt aber 
von neuem im März und April zu. Dean bat die Beobachtung gemacht, Taf 
e8 in ver Provinz Gonftantine weit mehr, ald in der Provinz Algier, une in 
diefer weit mehr, als in der Provinz Oran regnet. In der erfieren fällt ter 
Megen im Sommer, was in der zweiten ſich fehr felten ereignet. Wenn vie 
Aloe frühzeitig blüht, fo fehen die Araber dies für ein Zeichen vieles Regent 
und zahlreicher Krankheiten an. 

Die afrikanifche Luft enthält, obwohl fle wegen der im Allgemeinen hoben 
Zemperatur verhältniimäßig troden ift, doch eine ziemlich beträchtliche Menge 
Waſſerdampf, der ſich an den Fälteren Gipfeln der Berge nieverfchlägt. 

In Tlemcen betrug dad Minimum des Hygrometerd 10° im Suni 1849, 
dad Marimum 85° im Jahre 1849; in Algier betrug dad Minimum te 
Hygrometers 16° im Juni 1849, pad Marimum 80°. 

In Eonftantine flelen im Jahre 1838 1 Meter 210 Millimeter Regen, 

⸗Biskra .» : » 18450 ⸗ 102 ⸗ 

W— » 5 e. 18460 - 150 « (6 Regentage) 





Das Klima und die Bodenbefchaffenheit Algeriens. 391 


in Biöfra fielen im Jahre 1847 0 Meter 125 Millimet. Regen (8 Regentage), 
18390 » 562 . 


⸗ Algier ⸗ = 
⸗ =» ss s 18400 - 49% ⸗ ⸗ 
— — =» =» — 18410 - 714 ⸗ ⸗ 
Pe ss: = 18420 - 89 ⸗ ⸗ 
in Bora = = = 41841 418 ⸗ ⸗ 
⸗ Ora⸗ —⸗ 183410 344 ⸗ ⸗ 
⸗ = s 3 1842 0 s 585 s = 
in cherchell = s s 18410 = 669 ⸗ ⸗ 


Der mittlere Stand des Hygrometers für ganz Algerien würde ſich auf 
45° bis 50° belaufen. 

Die Slüffe Algeriens, die im Sommer faft ausgetrocknet find, ſchwellen 
zur Megenzeit ungeheuer an und ergießen ihre tofenden Waller in Die Ebes 
nen, die baburch in Suümpfe umgewandelt werden, welche um fo verderblicher 
wirken, weil der Boden aus Thon und Mergel beſteht. Daher fchreibt fich 
dad ungefunde Klima Bona’d, der Metivja und an den Mündungen der Flüffe. 
Man [hät die Sumpfgegenden Ulgeriens auf 40,000 Hectaren, d. 5. ein 
Taufendtheil der ganzen Oberfläche. 

Es giebt eine große Anzahl von Salzſeen, von denen einige nie ver- 
flegen (wie der von Fezzara), andere im Sommer austrodnen (fo die großen 
Seen in Dran, auf ven Plateau's von Eonftantine). 

In den Dafen findet man einige Meter unter der Oberfläche Wafler. 
In der Sahara giebt es unteririfche Quellen, von ven Arabern bahar thät 
el ard (dad Meer unter der Erde) genannt. So enthält das Wafler in 
Biskra, wo es nach einem langen Laufe durch die Ebene ankommt, viel Koch- 
falz, und bewirkt daher faft anhaltende Durchfälle. Die Ufer dieſer Fleinen 
Bäche find ganz weiß gefärbt durch die ſich in Folge der Verbunftung bil- 
denden Nieverfchläge von Sal. An mehreren Stellen findet man ſolches 
Waſſer von fchlechter Befchaffenheit. — Das Zlußmaffer enthält aber nicht 
allein eine große Menge organifcher und unorganifcher Stoffe, die es mit ſich 
führt, fondern auch eine beveutende Quantität Alaun. Marſeilhan leitet bie 
abführennde Wirfung des Waflers bei Oran, die fich bei Neuangefommenen 
zeigt, von dem Gehalte an Natron= und Magneflafalzen her. 

Der Ingenieur Fournel halt fich nach den fehr intereifanten Unterfuchuns 
gen, die er im Jahre 1846 in ver Sahara angeftelt hat und die fich auf die 
Neigung ded Bodens gegen Süden, die allgemeine Senfung ver Sahara von 
Oſt nach Weſt und vie Porofität des Bodens flüßen, der in den oberen aus 
feftem Kalkftein beftehenden Schichten Mergel eingefchaltet enthält, zu der An⸗ 
nahme berechtigt, daß die Bohrung arteflfcher Brunnen in der Wüfte fehr 
leicht gelingen werde. 

Aus der Unveränderlichkeit der Temperatur gewiffer Quellen Tapt ſich 
erflären, weshalb fle Heiß oder kalt fcheinen, je nach der Jahreszeit; fo giebt 


392 Miscellen: 


es in Milah eine Quelle, deren Waſſer im Winter warm und im Sommer 
kühl iſt. Ebenſo fand Bertherand bei den Beni⸗Sliem eine ergiebige Quelle, 
Aun el Arba, die, während ber Hitze ſehr erfriſchend, im December warm war, 
und bei den Amraouas, zu Ain el Mizab, if eine von Ruinen umſchloſſene 
Duelle, deren Temperatur im Juli ziemlich nieprig, dagegen während ver Res 
genzeit fehr Hoch if. Carette berichtet über die Wafler in Kabylien, daß bei 
den BenisSliman, in ver Nähe ver drei Dörfer der DOuled⸗Tizi, eine Quelle 
fih befinve, deren Wafler während des ganzen Jahres in hohem Grade erfris 
fchend fei und vie deshalb die Ealte Quelle (Tala Somta) genannt wirt. 
Zuweilen werden Wetten gemacht, hinter einander und ohne Unterbrechung 
fieben auf nem Grunde befinpliche Gegenſtaͤnde herauszuholen; es ift ſchwer, 
ver Kälte wegen, dies auszuführen; nach dem vierten ober fünften Eintauchen 
ift die Hand erfroren. 

Algerien ift fehr reich an heißen Quellen, die bie Araber hammam 
(von hamm, erwärmen) nennen. Unbekannt mit ven Wirkungen der Bine: 
ralwaſſer im Allgemeinen, ihren Eigenfchaften, Indikationen und Contrain⸗ 
bifationen je nach der Gonftitution in den Kranfheiten, gebrauchen fle dieſel⸗ 
ben nie innerlich, fondern nur zum Baden. Bis jegt hat man 15 Schwefel», 
8 Stahl» und 43 alkalifche Falte, laue und heiße Quellen entdeckt °). 


Helfft. 


— — — —— — — 


Triſtan d'Acunha. 


Die unter dieſem Namen bekannte, im ſüdlichen atlantiſchen Ocean, weſt⸗ 
lich von Afrika gelegene Inſelgruppe war bisher ihrer Lage nach nicht genau 
beſtimmt. Nach einer 1811 an Bord des „Nereus“ gemachten Beobachtung 
lag der Waſſerfall auf der vornehmſten Inſel der Gruppe auf 12° 3’ fl. 
Länge; nach einer zwei Jahre fpäter an Bord der „Semiramid” gemachten 
Beobachtung befindet fich verfelbe in 11° 57’ 45”, eine wiederholte Beobach⸗ 
tung am Borb deffelben Schiffes ergab 12° 7’ und im Mittel 12° 2’ an. 
Zänge. Andere Unterfnchungen beftimmten die Länge zwifchen 11° 44’ und 
11° 50’. Neuerdings bat Eapt. Potter folgenden vom Bord des „Architect“ 
Hongkong den 29. März d. I, datirten Brief an L'loyds Agenten auf Hong⸗ 
Tong über die Lage ver Infelgruppe gefchrieben: „Gentlemen! Ich erlaube mir 


I) Ueber vie Mineralquellen Algeriens Habe ich die bis zum Jahre 1851 be⸗ 
kannt gewefenen Nachrichten in meinem Auffage: Die. Mineralquellen auf dem Feñ⸗ 
lande von Afrika, befonders in Bezug auf ihre geognoflifchen Verhältniſſe, in Karitens 
Archiv für Mineralogie, Geognoſie ıc. 1861, Bd. XXIV, ©. 71— 280 und in bem 
befonderen Abdrucke diefer Schrift: Berlin 1851, ©. 145 — 181, 191 un. ſ. w. zus 
fammengeftellt. G. 


Ueber einige Baftarbverhältniffe der in Amerika lebenden Menfchenraffen. 393 


Sie zu benachrichtigen, daß die Infel Triftan d'Acunha im füblichen atlanti⸗ 
ſchen Ocean auf den meiften Karten circa AO engl. Meilen zu welt öftlich 
angegeben if. Purdy's Karte von 1854 zeigt fie auf 12° 20’ weftlich von 
Greenwich, veffelben Karte von 1850 auf 13°. Ich fand die Iehte Angabe 
mittelft zwei guter Chronometer richtig, ober doch beinahe richtig. Horsburgh 
und Raper fcheinen gleichfalls im Irrthum zu fein; und da die Infel auf ver 
direkten Route der zweifchen Auftralien und China fegelnden Schiffe liegt, fo 
ift e8 wünfchenswerth, daß ihre wahre Lage allgemein bekannt werde.“ — 
Dennoch wird diefe Angabe des Capt. Potter in Zweifel gezogen, weil ver» 
felbe feine Beobachtungen nur während einer flüchtigen Vorüberfahrt anges 
ftelt hat und die Derlination der Magnetnadel in jener Gegend, wegen ber 
Nähe des Südpols, befländig variirt. 
K. 2. Biernagfi. 


— — — — — —— 


Ueber einige Baftardverhältniffe der in Amerika lebenden 
Menfchenraffen. 


Menn man die in Amerika lebenden Menfchenraffen und ihre Mifchungs- 
verbältnifle verfolgt, fo möchte ed Einem auf Augenblidde vorkommen, als 
wenn Amerika beftimmt wäre, den Boden abzugeben, auf welchem das Men 
fchengefchlecht aus ver erfplitterung von Arten oder Abarten zu ver Einheit, 
aud welcher es angeblich Hervorgegangen ift, zurüdfehren ſolle. Diefer Ges 
danfe erweift ſich aber als irrig, wenn man erwägt, daß die Natur, während 
fle die Vermischung von verfchienenen Zweigen deſſelben Stammes durch Leib» 
liche und geiftige Vorzüge der Kinver belohnt, vie Vermifchung verfchiedener 
Naffen — wenn auch vielleicht nicht immer, fo doch Öfterd — durch eine 
fhwächlihe und ven Eltern unebenbürtige Nachkommenſchaft beftraft. 

Als ich vor Kurzem in eine Unterfuchung über das unanfhaltfame Hin- 
fterben der rothen Raſſe Nord⸗Amerika's und das gleichzeitige Fortbeftehen 
derfelben Naffe in Süd» Amerifa einging, gelangte ich zu dem Reſultat, daß 
dieſe Erfcheinung aus zwei Urfachen zu erflären fei. Die eine befteht darin, 
daß ver angelfächfifche Stamın Nord» Amerifa’d mit feiner Givilifation un« 
aufbaltfam gegen Werften vorbringt, die Indianer auf immer engere Raͤume 
befchräntt und ihnen fo auf mannigfaltige Weife die Mittel entzieht, welche 
ihnen zur Erhaltung ihres Lebens unentbehrlich find, während der romanifche 
Stamn Süd⸗Amerika's fich nur fehr Iangfam ausbreitet und daher bis jet 
auf feine rothen Nachbarn nicht den zerftörenden Einfluß ausübt, wie ver 
erfte. Die zweite Urfache ift darin zu finden, daß die Angelſachſen Nord⸗ 
Amerika's mit den Rothhaͤuten fehr felten eheliche Verbindungen eingeben, 


394 " Miscellen: 


während die Romanen Süd=Amerika’8 vergleichen Verbindungen fehr Häufig 
fließen und dadurch bie ohne dieſe Stüße auch hier Dem Untergange über 
furz oder lang geweihete rothe Raſſe erhalten. In Nord» Amerika find näm- 
lich vergleichen Berbindungen fo felten, daß in den vier Völfergruppen, beren 
ftatiftifche Verhältniffe durch Beſchluß des Congrefied vom 3. März 1847 
feftgeftellt wurben, ich unter einer Zahl von 34,700 Seelen noch nicht 200 
Weiße befanden '). Dagegen ift die Vermifchung ver beiden Raſſen da, wo 
Romanen wohnen, fo gewoͤhnlich, daß v. Tſchudy in Peru, die durch Ver⸗ 
bindung der Weißen oder Rothen mit Negern erzeugten Baſtarde binzuges 
rechnet, überhaupt 23 mit Namen belegte Kreuzungen kennt, und daß in mans 
then Gegenden von Paraguay und Ehile reines europäifched Blut faum noch 
anzutreffen ift 2). Hierbei darf nicht unermwähnt bleiben, daß auch an einer 
Stelle Süd» Amerika’ die rothe Raſſe mit haſtigen Schritten dem Untergange 
entgegeneilt; dies ift aber gerade die einzige, wo bis jetzt die angelfächjifche 
Raſſe ſich feftgefegt bat, nämlich das britiſche Guiana. Dies haben Robert 
und Nichard Schomburgh ſchon vor einigen Jahren zu allgemeiner Kenntniß 
gebracht ?). 

Indem ich dieſe Verhältniffe im Einzelnen verfolgte, fonnte ich mich des 
Gedankens nicht erwehren, daß zwifchen ven Nomanen und den rothen Men⸗ 
fchen eine phyſiſche Wahlverwanbtfchaft beftehe, die zwiſchen ven Angeljachien 
und den Mothen nicht wahrzunehmen ift. Eine ſolche Wahlverwandiſchaft 
bürfte zwar fchon als erwiefen anzufehen fein, wenn man erwägt, mit welcher 
Reichtigkeit fich der Romane bei feinen gefchlechtlichen Verbindungen über ven 
Unterſchied der Raſſe Hinmwegfett, und wie der Angelſachſe dagegen folche Ver: 
bindungen zurüdweifl. Cine merkwürdige, mwiewohl nur indirekte Stüße er- 
hielt dieſer Gedanke noch durch eine Beobachtung des Dr. Nott in Nord⸗ 
Amerika, welche, wenn man an ihrer Richtigkeit nicht zweifeln darf, unwider⸗ 
leglich darthut, daß zwifchen ven Nomanen und ven Negern eine folche leib- 
liche Wahlverwandtfchaft in ver That befteht, wie fle bier zwifchen ven Reo- 
manen und den Nothhäuten bis jetzt nur vermuthet wird. Dr. Nott bemerfte 
nämlich in ven atlantifchen Staaten Nord⸗Amerika's, daß die Mulatten im 
Allgemeinen viel fchwächlichere Menfchen wären, als ihre Vorfahren, fowohl 
auf Seiten der Weißen, ald der Schwarzen. Er machte dieſe Beobachtungen 
bereits in einer im Jahre 1842 in Amerika herausgegebenen Schrift bekannt 


und ſtellte in verfelben namentlich die Behauptung auf, daß von allen Klajien 


bes menschlichen Geſchlechts die Mulatten vie kürzeſte Lebensdauer Haben; Taf 


fie weniger fähig find, Strapazen und Anftrengungen zu ertragen, als tie 


1) Schoalcraft, Historical and statistical information of the Indian Tribes, 1, 
im Anbang. W. 

2) Zeitſchrift IT, 28. G. 

2) Monatsbericht der Berl. Geſellſchaft für Erdkunde 1845 11, 11. 2, ©. 111: 
11, 3 u.4, S. 104 und Jahrgang 1844 1, 3 u 4, ©. 108. m. 














Ueber eirnige Baftarbverbältniffe der in Amerika lebenden Menfchenraffen. 395 


Schwarzen oder die Weißen; daß die Mulattinnen befonberd zart umb einer 
Menge von chroniſchen Krankheiten unterworfen find; daß fle wenig Kinder 
und nicht felten unzeitig gebären, daß fle fehlechte Ammen find, und daß ihre 
Kinder gewöhnlich jung flerben; daß, wenn Mulatten unter einander Heiras 
ihen, fie weniger fruchtbar find, als wenn fle ſich mit Individuen ihrer eltern« 
lichen Stämme vermählen u. f. w. 

Diefer Anftcht find ſeitdem dieſſeits und jenfeitd des atlantifchen Meeres 
mehrere Gelehrte beigetreten. Erſt neuerlichft bat Dr. Jeſſen ) nachgewiefen, 
bag bei Menfchen, Thieren und Pflanzen die Kortpflanzungsfähigfeit der Bas 
flarde in gleichem Maße unvolltommen fei, und ber von Jeſſen angeführte 
Oberſt Smith fol in feiner Naturgefchichte ved Menfchen ?) bezweifeln, daß 
es auch nur eine Mulattenfamilie, aus irgend einem Stamme entflanven, 
irgendwo unter den Tropen gebe, weldye Durch vier Generationen fich fortge 
pflanzt hätte. Da ich in das eben genannte Werk bis jegt Feine Einficht habe 
erlangen können, fo find mir die vom Öberflen Smith für feine Behauptung 
etwa beigebrachten Beweife ebenfall8 unbekannt; «8 fcheint jepoch, daß nament⸗ 
ih in Bezug auf die Bewohner Merico’8 und Süd» Amerifa’s eine gleich um⸗ 
fafiende und gründliche Unterfuchung vorhergehen muß, ehe das, was Oberft 
Smith fich zu erweifen bemüht, als eine fichere Errungenfchaft betrachtet wer⸗ 
den darf, Schließlich fei bier nur bemerkt, daß auch am Cap und in Auſtra⸗ 
lien angeblich Erfahrungen gemacht werben, welche die eben befprochene An⸗ 
ſicht unterftügen; die Nachkommen der Hottentotten und ver Europäer follen 
in dem einen Erbtheile eben fo wenig zur Kortpflanzung geeignet fein, als vie 
Abkommlinge der Auftralneger und der Weißen in dem anderen. 

Ganz im Wiverfpruch mit den oben mitgetheilten Erfahrungen traf Dr. 
Nott fpäterhin in Mobile, New» Orleand und Penfacola viele Beifpiele von 
langem Leben unter den Mulatten an, nicht minder einzelne Beifpiele, wo 
ihre unter einander geichloffenen Heirathen von einem reichen Kinverfegen be⸗ 
gleitet waren. Als er nun nad) dem Grunde diejed thatfächlichen Unterfchies 
des zwiſchen den Mulatten der atlantifchen und denen der Golf» Staaten 
forfchte, fo führte ihn vie Beobachtung auf den Gedanken, daß jener Unter» 
ſchied aus dem verfchievenen Charafter der in diefen Ländergebieten wohnenven 
kaukaſiſchen Stämme hervorgehe. In ven atlantifchen Staaten ift nämlich die 
Bevölkerung germanifch und celtifh, wogegen in ven Golf» Staaten Ameri- 
ka's das Blut franzöfifcher, italienifcher, fpanifcher, portugiefifcher und ande⸗ 
rer dunfelhäutiger Stämme das Mebergewicht Bat. Solche Raſſen geben, 
wenn fle in Amerifa mit den eingeführten Negern gefreuzt werden, gewöhn«- 
lich einem flärferen und daher fruchtbarerem Stamme den Urfprung, als bie 
weißhäutigen Raſſen und namentlich die Angelfachfen, wenn fie mit Negerin- 


2) Weber die Lebensvaner der Gewächle. Breslau und Bonn 1855. ©. 37. 
2) Smith, Natural history of man. ©. 119. W. 


396 Miscellen: 


nen Umgang haben. Daß aber die mulattifche Nachlommenfchaft der Letztern 
(Angelfachfen), wenn überhaupt, nur wenig fruchtbar fei und eine angeborene 
Neigung zum Auöfterben zeige, ift jeßt in den Sclavenftaaten Amerika's un« 
ter denjenigen, welche darüber Beobachtungen anftellen, eine allgemein ver⸗ 
breitete Anſicht. 

Der Gedanke, daß diefe über vie Mulatten Amerifa’3 gefammelten Er⸗ 
fahrungen Nehnliches Hinfichtlich der Meftigen vermuthen Iaffe, Tiegt ſehr nahe, 
und es ift daher wohl zu erwarten, daß vie ethnologiſche Geſellſchaft in New⸗ 
Dorf, melde durch das ihr zu Gebote ftehende Material einen glänzenden 
Borzug vor jeder ähnlichen Geſellſchaft Europa's genießt, recht bald ihre Auf⸗ 
merkſamkeit auf viefe Verhältmiffe richten werde. 

Walter. 


Nachrichten über die Expedition des Dr. Kane nach den Ge— 
genden jenfeit des Smithjundes 1853 — 1855. 


Die glückliche Wieveranfunft de8 Dr. Kane — der befanntlich mit ver 
Brigantine Advance am 31. Mai 1853 aus dem Hafen von New⸗-NPYork ab» 
gefegelt war, um in den unbefannten Gegenden jenfeit der Baffing-Bai und 
des Smithſundes nach Sir John Franklin und feinen Gefährten zu forfchen, 
und über deflen Verbleib feit Juli 1853 alle Nachrichten fehlten ), — if 
ein in 0 bobem Grabe überraſchendes und von allen Seiten mit ter erreg- 
teften Theilnahme begrüßte® Creigniß in der ©efchichte ver Testen arftifchen 
Erpebitionen, daß wir gern Veranlaffung nehmen, vie verfchievenen bis jeßt 
an und gelangten Mittheilungen über ven Verlauf und die Refultate dieſer Erx⸗ 
pedition den Leſern unferer Zeitfchrift darzubieten. Es liegt in der Natur ver 
Sache, daß unfere Nachrichten, als vie erften und frifcheften Ergiegungen ber 
Heimgefebrten aus der Fülle ihrer Erlebniffe, Beobachtungen und Erinnerungen, 
weder auf Volftänpigfeit, noch jelbft auf Genauigkeit im Einzelnen Anſpruch 
machen Fünnen. Allein dad Bild, welches fle vor und aufrollen, hat doch ſchon 
als foldhe einen hoͤchſt bezeichnungsvollen Inhalt, ganz abgefehen davon, daß 
ed auch ein eigentbümliched Intereffe gewährt, dem Zuge der Mittbeilungen 
über ein fo bedeutendes Unternehmen gleichfam auf den Fuße zu folgen. 

Die Mannfchaft ded Dr. Kane beftand aus folgenden 17 Mitglietern: 
I Wan Wilfon, Segelmeifter, im Dienft ver Flotte ver Vereinigten Staa⸗ 
ten, gemwiffermaßen erfter Lieutenant der Erpebition; neben ihm Henry Brooke, 


') Bergl. das diesjährige Iuli= Heft diefer Zeitſchrift Bd. V, S. 39 fi. und be 
—5* die von Ritter Bd. IH, S. 74 — 77 (Juli⸗Heft 1854) mitgetheilten Nach⸗ 
richten. 











Die Erpevition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 —55. 397 


James Mac Geary, Amos Bronſell als Offiziere; Dr. 3. I. Hayes, Arzt 
und Naturforfcher, Auguſtus Sontag, Aſtronom; Boufall, Daguerreotypift °); 
Henry Goodfellow, Gehülfsdaguerreotypiſt; William Morton, Proviantmei- 
fter; Peter Shepard, Koch; Chriftian Ohlſen, Schiffszimmermeifter; außer- 
dem 6 Seeleute. 

Unterwegs Hatten die Reiſenden ſich noch auf die möglichft zweckmaͤßige 
Weiſe zu verproviantiren gefucht. Sie nahmen zu St. Johns in Neufundland 
Borräthe an frifchem Rind» und Kammelfleifch ein, welchem ſie behufs bei- 
ferer Aufbewahrung bie Knochen auslöſten (moiled). Sowohl hier, als auch 
an ber grönlänbifchen Küſte wurden außerdem Hunde und Belzwaaren ein- 
gehandelt. Auf ver weiteren Fahrt kamen ihnen die an den Küften und auf 
ven Injeln der David- Straße und Baffind-Bai in außerorbentlicher Menge 
vorgefundenen Eier der dort in zahllojen Schwärmen vorhandenen Vögel zu 
Staiten. 

Die Reiſe nahm anfangs einen außerorventlich glüdlichen Fortgang. Am 
5. Auguft anferte die Brigantine bereitd an der Grenze des im Jahre 1852 von 
Gapt. Inglefield erfundeten Gebietd am Gap Hatherton. Hier follte ver ges 
troffenen Verabredung zufolge der Bericht über den bisherigen Verlauf ber 
Bahrt und kurze Auskunft über die etwaigen letzten, angeſichts der geheimniß- 
vollen Regionen im höheren Norden gefaßten Entwürfe oder Beichlüffe nieber- 
gelegt werben. Dr. Kane zog es jedoch vor, bie emporragende Kuppe ver 
vorgelagerten Fleinen Infel Littleton für dieſen Zweck zu benußen, indem er 
den Fundort durch Errichtung einer weithin fichtbaren Flaggenſtange be= 
zeichnete. 

Mit viefem Punkte — in der Nähe des Cap Alerander, — an welchem 
Gapt. Inglefield am 26. Auguft 1852 eine unverfennbare Strömung ber 
Fluthen nach Norden Hin beobachtet und beim Anbli des bis in unabfeh- 
bare Fernen eiöfreien Meereöfpiegeld feine Ueberzeugung von der vorhandenen 
offenen Bolarfee gefchöpft, jedoch bei einem plößlich hereinbrechenden heftigen 
Nordwinde ſchon am folgenden Tage, zumal in Nüdficht der fpäten Jahres⸗ 
zeit fich zur Nüdfahrt entfchloffen hatte, — mit diefem Punkte bejchritt Dr. 
Kane am 6. Auguft 1853 (in einem der arkftifchen Schifffahrt freilich ungleich 
weniger günftigen Jahre) wie auf einmal die Gegend der wildeften Schred- 
niffe der polaren Natur. In furchtbaren Maflen durchwogte das Treibeis 
den Sund und ſchob fich zu „Barrifaden” bis 60 Fuß Höhe aufeinander. 
Bei einem mit unglaublicher Kühnbeit unternommenen Verſuch, dieſe einerjeitd 


1) Obgleich uns fünf verfchiedene DVerzeichniffe dieſes Perfonals vorliegen, find 
wir doch nicht im Stande, für die richtige Schreibart der Namen aufzufommen; ja 
es ift nicht unmöglich, daß diefer Daguerreotypift »Boufall» mit dem vorher genannten 
Dffizier »Bronfell« identiſch iſt. Die Nachläffigfeit, mit welcher die Zeitungsberichte 
in diefer Beziehung abgefaßt und redigirt find, gränzt oft an's Unglaubliche. In dem 
Berzeichnifie de New York weekly Herald vom 17. October ward 3.3. ein Henry 
Goo kfellow ale Gchülfsraftronom«“ der Grpedition nambaft gemacht! 





398 Miöcellen: 


Gefahr, andererſeits aber Stillſtand und Miflingen des Vorhabens drohende 
Zone zu durchſchneiden, wäre das Fleine Fahrzeug fat von ben Eismaſſen 
eingeffemmt und ver freien Bercegung beraubt, wenn nicht erprüdt worben. 
Zuletzt erfannte Dr. Kane ald einzigen Ausweg den Verfuch dicht an der Küfle 
binzufteuern, wo bie gewaltigen Brandungen des Fluthwechſels (welcher letz⸗ 
tere ſich Hier auf 12—16 Fuß belief) eine wenn auch nur fehr ungewifle Mög- 
lichkeit des weiteren Vordringens zu eröffnen fchienen. Uber dieß war ein 
äußerft bedenkliches Wagniß, welches jeden Augenblid zur Zertrümmerung 
des Schiffes ausfchlagen konnte. Um bei einem Unfalle viefer Art ven Zus 
ſtand der Außerften Hülfsloſigkeit abzuwenden, Tieß Kane, che ex ſich weiter 
hinauswagte, an jener Stelle in einer weiten Bucht (im Breitengrave 78,26) 
das Fleine eiferne Mettungsboot Brancid mit angemeſſenen Vorräthen zurüd. 

Und nun begann die Mannfchaft von Neuem dem Küftenranve entlang 
den Kampf mit dem arftifchen Element, um mit ihrer „Advance“ einen mög⸗ 
lichſt meiten Kortfchritt zu erringen und fich eine Baſis zu ferneren Erfor- 
fhungen gegen ven Nordpol Hin zu fichern. Aber welch ein Kampf! Es 
war das größte Gluͤck, daß das Fahrzeug eine ungewöhnliche Stärke und 
Haltbarkeit bewährte und im Ganzen unverfehrt blieb, obgleich es zur Zeit 
der Ebbe auf den Cismaſſen firanvete und bei der eintretenden Yluth von 
dem tofenden Gewaͤſſer und den umbertreibennen Maſſen bin und ber gemor- 
fen wurde. Zweimal fam es durch pad AUnprängen ver Eisblöde dahin, daß 
die DuersBalfen faft fenkrecht zu ftehen fchienen. Ein anderes Mal fehlte wenig, 
daß das Schiff von einem in Folge äußerer Erfchütterungen auöbrechennen 
Beuer zerftört wäre. Dennoch wurden bie Anftrengungen in ver fleten Hoff- 
nung auf enbliches befleres Gelingen faft einen Monat hindurch fortgefeßt. 
Jedoch der Erfolg verfagte; fie rüdten zmar von Tag zu Tag um ein geringes 
weiter, allein ſie waren noch nicht volle 5 deutfche Meilen vorwärts gefommeen, 
als fie (im Breitengrade 78,44) zu Anfang des September eine feftgefchloffene 
Eisdecke vor ſich ſahen, welche keinen Gedanken eined Durchdringens auffommen 
lieg. Nicht ohne Schwierigkeit gelang ed, in ver Tiefe einer Bucht (, Renſ⸗ 
felaer= oder Renaſelger⸗Bai“ genannt), an welcher fle bereit vorübergefah- 
ren waren, eine verhaͤltnißmaͤßig fichere Winterzuflucht zu erreichen. 

Hier richteten fie mit freudig dankbaren Gefühlen nach fo vielen über- 
flandenen Schredniffen dad Schiff am 10. September 1853 zum Winterlager 
ein. Sie waren jegt an dem Punkte angelangt, der ihnen als Ausgangs⸗ 
punft zu weiteren Reifen nach Norben bin beichieven war. Für ben Mefl 
bes Sahres blieb ihnen nicht? zu thun übrig, als ein Depöt von Lebensmit⸗ 
teln nach einem möglichft entfernten Punkte nordwärts binaufzufchaffen, um 
von dort aus im kommenden Jahre die Nachfuchungen und Auskundſchaftun⸗ 
gen nach Franklin und feinen Gefährten ausführen zu können. ine weſent⸗ 
liche Erleichterung dieſer Aufgabe waren die zur Beipannung der Schlitten 
mitgenommenen Hunde, mit welchen. bisweilen 50, ja 60 engl. Meilen in 
einem Tage zurücdgelegt fein follen. Dagegen war es ein immer wiederkeh⸗ 











Die Erpebition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 — 55. 399 


rendes Hemmniß, daß die mit fchroffen Eisflüften und unüberfteiglichen Höhen- 
bildungen verfperrte Gegend oft unerhört weite Umwege und ben peinlichften 
Aufenthalt verurfachte. Dennoch gelang e8, dieſes Depot in norb = nord ⸗bſt⸗ 
licher Richtung jenfeit des 80. Breitengrades anzulegen, nachdem (mit Einrech« 
nung der durch die Terrainfchwierigfeiten bedingten Zickzacklinien) eine Weg⸗ 
ſtrecke von etwa 400 engliſchen Meilen zurüdgelegt war. Die merkwürbigfte 
Entdeckung auf dieſer erſten Excurſion war ein ungeheurer Bletfcher, veffen 
Anblid die Reiſenden an dem norbweftlichen Küftengebiete Gronlands aufs 
Zebhaftefte überrafchte und an deſſen Fuße fle noch 50 englifche Meilen nord» 
waͤrts vorgebrungen waren, inmitten einer Landſchaft, deren Debe, wie fie fa« 
gen, jede Beſchreibung überbietet. 

In dem langen arktifchen Winter 1853 — 54 Haben vie Reiſenden vie 
Strenge des polaren Klima ?) weit über ihre fchlimmften Erwartungen Hin» 
aus zu empfinden gehabt; davon zeugen nicht nur ihre Schilderungen und 
Beobachtungen, fondern auch die furchtbaren Einwirkungen auf das Beſinden 
und den Geſundheitozuſtand. Zunaͤchſt flellte fich bei dem eintretenden Win⸗ 
ter die Krankheit des Scorbut ein, jedoch nur in mäßigem Grabe, fo daß fie 
unter ber gefchichten und umflchtigen Behandlung des Arztes Dr. Hayes für 
den erften Winter ohne fchlimme Folgen blieb. Allein ein anderes bösartige» 
tes Uebel, welches Bei arktifchen Reiſenden fonft nicht hervorgetreten iſt, war 
ein durch die Strenge ver Kälte herbeigeführter Starrframpf in den Kinnla⸗ 
den. Diefe Zufälle troßten den vereinten Bemühungen des Dr. Kane und 
des Dr. Hayes; fie Haben unter der Mannfchaft zwei Opfer geforvert. Bon 
den 60 Hunden, auf deren Nüplichkeit zur Beförberung der Schlittenercurfios 
nen fo wefentlich gerechnet worden war, flarben nicht weniger ald 57 an ber 
entfeglichen Plage. Der Verluſt viefer treuen Thiere ift in der Bolgezeit nur 
zu flarf gefühlt worden; ihm fchreiben die VBerichterflatter eines guten Theils 
mit zu, daß die fpäteren Forſchungen nicht vollftänniger gelungen find. 

Das Leben im Winterlager am Bord des Schiffeß geftaltete ſich währenn 
diefer Tangen Winternacht zu einer beftinmten wohlthuenden Regelmäßigkeit, 
Die für den Dienft des Schiffes erforverlichen Arbeiten und Gefchäfte wurden 
ohne Schwierigkeiten beforgt; überall herrſchte Orbnung und das glüdklichfte 
Einverftändniß unter den Mitglienen. Sowohl der Anführer der Eleinen 


2) Dem Heren Prof. Dove verdanken wir hierüber folgende auihentifche Mit 
theilung: 

"Die Angabe, daß das Queckfilber 4 Monate hindurch gefroren blieb, wärbe 
allerdings darauf deuten, daß der Winter hier ver firengfte war, von welchem man 
Beobachtungen befitzt Die mittlere Jahreswärme 5,2 Bahrenheit = — 11,91 R. if 
aber nicht die niedrigfte, wie Dr. Kane glaubt. Es ift nämlich: 

Boothia⸗ Aſſiſtance⸗ Melville⸗ Mercy⸗ Pr. Wales: Wolftenholms 


Felix Bai Inſel Bai Straße Sund 
Hinter — 26,54 — 26,10 — 26,86 — 27,67 — 28,09 — 26,90 
Saht —1258 —1265 —1367 — 1430 —13,74  — 123,20 


alfo die Jahreswärme aller diefer Stationen niebriger.“ 





400 Miecellen: 


Schaar, als auch die übrigen Offiziere waren unermüblich in ver Wartung 
ihrer Obliegenheiten. Die ganze Mannfchaft war, fo lange die Seuche noch 
nicht ihre fchredlichen Wirkungen übte, augenfcheinlich zufrieden und froß. 
Das Schiff war durch die angewandte Umſicht reichlich mit Vorräthen und 
Lebensmitteln ausgeftattet, fo daß eine beilfame Wannigfaltigkeit und ver 
nöthige Wechjel bei ven vargereichten Speifen nicht fehlte. Mit dem Schlage 
fieben erhoben fich vie Männer von ihrem Lager; fpäteflens um +8 Uhr war 
Alles auf den Füßen. Um 8 Uhr wurde das Frühmahl eingenommen. Dann 
ging ed an bie zur orbnungdmäßigen in- Stand» Erhaltung und Reinigung 
des Schiffed gebotenen Tagesgeſchaͤfte. So weit dad Wetter es geflatiete, 
wurden um ber Uebung der Kräfte und der Befunnheitöpflege willen Fleine 
Schlittenausflüge oder fonft Wanderungen in den nächften Umgebungen tes 
Schiffes angeftellt. Umi 2 Uhr verfünbigte der Schall der Glocke vie Stunde 
des Mittagsmahles, und von jebt ab gaben ſich alle dem gejellichaftlichen 
Berkehr bin. Ein Berichterflatter jagt: „fe hatten nun nichts mehr zu thun, 
als zu leſen, fich mit einanver zu unterhalten, zu ſchwatzen, zu ladjen, fo weit 
es etwas zu lachen gab, fi warm zu Halten und guter Dinge zu fein.“ 
Später wurde noch eine gemeinfchaftliche Mahlzeit gehalten; um 9 oter 10 
Uhr Abends herrſchte bereitd? auf dem Schiffe die tieffle Ruhe und Stile. 
Alle Lichter waren erlofchen. Nur pas obere Ded, auf welchem ver Schiffd- 
wachtpoften flationirt war, blieb fpärlich erhellt. 

Bei diefer Einrichtung des Lebend und der Thätigfeiten und unter ven 
Umgeftaltungen berfelben, welche durch die oben erwähnten Unfälle bebingt 
waren, ſchwanden vie 120 fonnenlofen Tage ver arktifchen Winternacht nad 
und nach dahin. Am 24. Sebruar 1854 wurde das Wiebererfcheinen des 
„Tagesgeſtirns“ mit neuem Muthe, mit Freude und Hoffnung begrüßt; es 
war das Signal zur energifchen Wieneraufnahme des Werkes zur Aufjuchung 
der verfchollenen Mannfchaften des Erebus und Terror. Inmitten eine noch 
gänzlich unerforfchten Gebietd war vie Aufgabe, der die Fleine Schaar fi 
unterziehen mußte, fo umfaffend, daß ein Aufbruch in möglichft früher Jah⸗ 
reszeit unerläßlich erfchien: denn hierbei war e8 ein ſchwer empfundener Schlag, 
dag von der beträchtlichen Anzahl von Hunden, welche Kane zum Beſpannen 
der Schlitten in Neufundland und Grönland angefauft Hatte, nur 3 oder 4 
am Leben geblieben waren. Abgeſehen von ven unbefchreiblichen Beichwer: 
den, welche dad Ziehen ver mit den Bebarf für Reife und Raſt beladenen 
Schlitten mit ſich brachte, erforverte dieſer Transport nunmehr einen alk 
vorhergehende Berechnung weit überfchreitenden Zeitaufwand. 

Unter diefen Umftänden mußte der Verſuch gewagt werden, fchon im 
Monat März, in welchem bei dauernden Vorberrichen eined überaus firengen 
Wetters die Tageslänge auf 12 Stunden kam, die Kunbfchaftsreife zu be 
ginnen. Diefes Unternehmen mißlang jedoch gänzlih. Die Männer wurten 
durch die Unebenheiten des Terrains, beſonders aber durch maſſenhafte Gid- 


Die Expedition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 — 55. 401 


blöde und Eisſchichten, welche allenthalben ven Weg verfperrten, vergeftalt 
gehemmt, ermübet und aufgerieben, daß fie fich mit fchmerzlicher Reſignation 
zur Rückkehr entfchließen mußten, ald fie kaum erſt AO engl. Meilen (in 
grader Richtung?) vom Schiffe entfernt waren. Aber auch jeßt ſchon Fam 
diefer ihnen von ber fleigennen Noth abgezwungene Entſchluß zu fpät. Das 
Erfcheinen des Dr. Kane, der durch drei der Männer, — die einzigen, welche 
noch im Stande waren, den Weg zu machen — in aller nur möglichen Eile 
vom Schiff Herbeigerufen wurde, vermochte eine Reihe von fchmeren Leiden 
und Berluften nicht mehr abzuwenden. Einer ber Männer (der Matrofe 
Baker) erlag dem Kinnbadenframpf in Folge der furchtbaren Kälte; ein an= 
derer (der Koch Shepard) flarb an den Folgen der nothwendig befundenen 
Amputation feiner erfrorenen Zehen. Zwei andere Männer, die fich einer 
ähnlichen Operation unterwerfen mußten, beſtanden viefelbe glüdlich. 

Eine zweite Auskundſchaftsreiſe wurde im folgenden Monate (April) uns 
ter Anführung des Dr. Kane unternommen. Sie beſtand aus zwei Schlitten, 
von welchen ver eine mit den noch am Leben erhaltenen Hunden befpannt 
war, ber andere von Wännern gezogen wurde. Es war ein hartes Mißge- 
fi, daß Dr. Kane unterwegd von einem beftigen Fieber niedergeworfen 
wurbe. Nach acht Tagen fah man die Partie in nievergefchlagener Stimmung 
zum Schiff zurückkehren. 

Im Mai gelang es einer anderen Abtheilung unter Anführung des Dr. 
Hayes vie Weftfelte des Smithfundes zu erreichen und auf 80 engl. Meilen 
von dem Stanborte des Schiffes vorzubringen. Allein bald geſellte fich zu 
der Plage der Schneeblinvheit, bei der aͤußerſten Hülfslofigkeit ver Lanpfchaft 
in jener Jahreszeit, ein Mangel an Lebensmitteln; Dr. Hayes kehrte nach 
12 Tagen zum Schiffe zurüd, nachdem er mit Hülfe des Hundegeſpanns, 
deſſen einzige8 Butter während vieler Zeit aus einem alten Stiefel und einem 
abgetragenen Esquimaur⸗Beinkleide beſtand, eine Wegſtrecke von ungefähr 
350 Meilen zurückgelegt hatte. 

Schon feit dem Monat März war die Mannfchaft mit Esquimaux, deren 
nächfte Anftevlung nur etwa 70 Meilen entfernt lag, in Verkehr getreten 1). 
Diefe Gelegenheit wurbe benußt, um einen ber Eingeborenen zur Theilnahme 
an der nunmehr nicht länger aufzufchiebenden großen Ausfahrt in norpöftlis 
cher Nichtung zu gewinnen. Diefelbe wurde hauptſaächlich erft im Monat 
Juni audgeführt; fle dauerte Bid zum 12. Juli und bildet den eigentlichen 
Gipfelpunkt aller Unternehmungen. Leider find indeß die bis jetzt dargebote⸗ 


3) Die nörblihfie bisher befannte Csquimaur-Niederlaſſung war bie vom Gapf. 
Ingleſield 1852 im Süden des Walfifch- Sundes entvedte. Die von Kane's Manns 
fchaften befuchten Esquimaux⸗Wohnſtätten lagen offenbar viel höher hinauf. Es 
find auch hierüber erſt noch genauere Nachrichten abzuwarten. In früheren Jahrhun⸗ 
derten müſſen fih die Anfleblungen dieſer Gingeborenen viel weiter nach Norben ers 
ſtreckt Haben, als heutigen Tages. Capt. Belcher fand bekanntlich im Jahre 1853 eine 
folche verlafiene Wohnflätte oben am Northumberland- Sunt. 


Zeitſchr. f. allg. Erbfunde. Br. V. 26 


402 Miöcellen: 


nen Nachrichten darüber — te beſtehen theils in dem offiziellen Bericht oder 
vielmehr in dem erfien mit augenfcheinlicher Flüchtigkeit Hingeworfenen Be 
zichtöentwurf des Dr. Kane, theild in Mittheilungen von Morton, you Hayes, 
Boufal und Sontag und von einem Seemann ber Expebition — noch ich 
lückenhaft und felbft von inneren Widerfprüchen nicht ganz frei geblieben. 
Die Retultate find im Ganzen folgende: 
Der öflliche Rand des Smith⸗Sundes ift feiner ganzen Ausdehnung 


nach ausgekundſchaftet und aufgenommen. Es Bat ſich ergeben, daß biefer 


/ 


Sund im Nordoſten in einen großen Golf — ven Peabody⸗Golf — aus⸗ 
läuft, deſſen Längenburchmefier auf 110 engl. Meilen gefchägt wird. 

Das Gebiet von Grönland, über deſſen Ausnehnung bis dahin Die ver⸗ 
ſchiedenſten Anſichten besrfchten, — indem vie fpeculative Geographie bald 
einerfeit3 eine gängliche Zerfplitterung feiner Landmaſſen vom Walfiſchſund 
ab, bald andererfeits feine Erſtreckung His zum Nordpol zu behaupten fuchte 
— iſt bis zu feiner Norbweitfpige hin beftimmt. Es if beobachtet, daß bie 
Küfte von dort beinahe rein oftmärts fich umbiegt, mit einem Winkel von 
17° nad) Norven bin, An viefer Stelle aber haͤngt das Gebiet Grönland 
durch einen umfangreichen und hoͤchſt merkwürdigen Gletjcher, der, wie wir 
fahen, bereitd auf der zum Nieverlegen von Lebensmitteln im Herbſt 1853 
unternommenen Reiſe entdeckt war, mit den an ver Weſtſeite ned Smithiun- 
des ſich nordwaͤrts hinaufziehenden Lanpgebieten zuſammen. 

Dieſer Gletſcher, deſſen Anfangspunkt auf den 60. Grab weſtl. Länge 
angegeben wird, hat die Einbildungskraft der Entdecker und Berichterſtatter 
auf das Lebhafteſte beſchaͤftigt. Sonderbarer Weiſe betrachten ſie Grönland 
als der „Alten Welt” zugehörig und ſehen das gegenüber liegende Laudge⸗ 
biet des Smithſundes ald „Continent der neuen Welt“ an. Verſunken im 
diefe Anfchauung erfcheint ihnen eine folche Eisverbindung der alten und neuen 
Welt durch eine fo großartig impofante Bildung der arktifchen Natur als ein 
Phänomen von eigenthümlic, bezeichnungsvollem und romantifchem Intereſſe. 
Den coloffalen Gletſcher, — wohl der größte, ven je pad Auge eines Seefah⸗ 
rers gejehen — der mit einer Höhe von 500 Zuß in dad Meer abfällt, ver, 
wie fte hinzufügen, auf alle Zeiten eine unpafiirbare Barriere, fpätere Erfun- 
dungsreiſen befchränfen wird, bezeichnen fie als das einzige Hinverniß der Iu= 
fularität Groͤnlands, als die einzige Schranke zwifchen Grönland und dem 
atlantifchen Meere (37). Ihm fchreibt Kane vie wilde Zerriffenheit, Die ewige 
Sroft- und Winternatur im Smithfund zu; von ihm leitet ex die dort in jo 
großer Zahl umtreibenden Eißberge und das firenge Klima jener unwirthli- 
hen Landſchaften ab. Der Landbildung, auf melcher diefer Bletfcher ruht, 
gab Dr. Kane ven Namen „‚Wafbington- Land“. 

Wie dem Allen auch fei, ver Fuß dieſes Gletſchers wurde jegt auf SO Meilen 
weit verfolgt. Der Weg z0g fich über wilde Abhänge dahin; es wird — im 
New York Daily Times 12. Oct. und engl. Times 27, Oct. — erzählt, daß die 








Die Erpedition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 —55. 408 


Reifenden (wie viele ihrer an dieſer Stelle geweſen, if nicht erwähnt) trog 
aller Schwierigfeit an herabſtürzenden Gisfchichten den Fuß des Gletſchers bis 
zum Meere (wie wir meinen, bis zu jenem eiöfreien Polarmeere) verfolgt 
haben, indem ſie bie offenen Stellen des Kanals mit faft unglaublicher Kühn- 
beit auf Eisflarden vurchflößten! — Bei weiterem Vordringen ergab fich naͤm⸗ 
lich die beveutungsvolle Entvedung, daß der oben erwähnte Peabody⸗Golf, 
in defien Beden der Smith⸗Sund nörblich ausläuft, mit dem Breitengrabe 
80,12 ſich zu einem großen Kanal — ven Kennedy⸗Chaunel — verengt, ver 
zulegt wieberum nach Norden zu in eine eiöfreie, offene Bolar«- See 
ausmlündet. 

Ungeachtet der mannigfaltigen Combinationen und Vermuthungen und 
aller vorbergehenven Berichte über ähnliche Entvedungen wird das Vorhan⸗ 
denfein eined offenen Meered in fo hoben Breiten den Meiſten im höchften 
Grade überrafchenn erfcheinen. Wir begnügen und, die Ausſprüche der ver⸗ 
fchiedenen Berichterftatter darüber zufammenzuftellen. Die Darftelung in 
Kane's jeigem offlcielen Report ’) Iautet wie folgt: 

„Diejer Canal breitet fi nordwaͤrts zu einer offenen und eisfreien Flaͤche aus, 
die von animalifchem Leben erfüllt ift und ganz die Kennzeichen einer offenen Polar: 
See darbietet. Ein Waflerfpiegel von 3000 (engl.) Duabratmeilen wurde von vers 
fchiebenen bochgelegenen Punkten ans frei vom Gife und mit einem in gleicher Weife 
freien noͤrdlichen Horizont erblidt Während eines 52 Stunden dauernd anhaltenden 
Nordwindes wurde Tein Treibeis auf diefer Fläche erblidt. Nicht ohne Schmerz bes 
richte ich dem Departement (d. 5. der Apmiralität der Vereinigten Staaten), daß es 
unmöglich gemwefen ift, dieſes Wafler zum befahren. Bin mit feften Eismafien erfüllter 
Zwifchenraum von „ein hundert fünf und zwanzig Meilen“, noch dazu fo uneben, daß 
feine Boote über denfelben hinweg transportirt werben fünnen, trennt diefe offene See 
von dem nächften auf dem Waflerwege erreichbaren Punkte weiter fürlih .... Ges 
gen Norden Hin in dem Breitengrabe 81,17 wurden die Ufer des (von dem Peabody⸗ 
Golf zu diefer Polar See führenden) Kanals abichüffig und felbft für Schlitten nicht 
mehr paſſirbar. William Morton (Proviantmeifter der Expedition), der mit einem 
Gsquimaur und einem feinen Hundegeſpann an biefe Stelle gelangt war, verfolgte 
zu Fuß weiter viefe Richtung, bis ein mauerartig emporragendes Borgebirge, an wels 
chem eine gewaltige Strömung brandete, feinem Fortſchreiten abfolut ein Ziel febte. 
An den weitlihen Küften diefer See hatte ich die Spuren der muthvollen Märtyrer, 
um derenwillen dieſe Grpedition andgerüftet wurde, zu finden gehofft. Die gewicht: 
vollen Srmittelungen des Dr. Rae, die mir erft jet befannt geworben find, befunden, 
daß diefe Auskundſchaftungen lediglich ein geographifches Interefie gehabt haben wür: 
den. Wenn ich den Zufland meiner Mannſchaft gewifienhaft in Betracht ziehe, fo 
erfenne ih mit Wahrfcheinlichfeit eine Bügung der Vorſehung darin, daß mein Ver⸗ 
fu, mid dorthin einzufchiffen, mißlungen if. Das nach Norden und Weflen zu von 
diefer offenen See befpülte Land ift bis zum Breitengrade 82°,30 und bis zum Län- 
gengrade 76° aufgenommen (charted); unter allen bis jetzt entdeckten Landbildungen 
liegt diefe vem Pole am nächſten. Sie trägt den Namen Brinnell- Land.“ 


Ein zweiter unter den Namen dreier anderer Mitglieder der Expedition, 
Dr. Hayes, Boufal und Sontag, veröffentlichter Bericht fagt: 

3) New York weekly Herald 17. Oct. p. 326. — Es mag noch bemerft_werben, 
daß The Times in der Nummer vom 26. Octbr. ein freilich nur Inrzes, aus Godhavn 


vom 12. Septbr. datirtes Schreiben von Dr. Kane an Geo. Peabody in London ent: 
halten, in welchem viefe offene Polar «See mit großer Bedeutung hervortritt. 


26 * 


404 Miscellen: 


„Im Innern der Bucht (nämlich der Peaboby⸗Bai) erhebt ſich jener Gletſcher 
An diefem Punkte wurde ein Canal entvedt, der direct norbwärts lief. Die Abthei⸗ 
Iung reifete längs dem Rande, bis fie auf offenes Wafler ſtieß. Diefe offene Fläche 
war ganz frei von Eis und mit animaliſchem Leben, mit Geflügel, Fiſchen, Walroß 
und Seehunden erfüllt. Gin zwei Tage lang anhaltender Norbwind brachte fein Gis 
herab, zum Beweiſe, daß eine große offene See vorhanden war; aber ob es bie große 
Bolars See tft oder nicht, bleibt zweifelhaft. Nach der Meinung des Dr. Kane ift 
bie erope Polar: See, weldge niemals zufriert...“ (New York Herald vom 17. 
* Schober. 


Noch wunderbarer Elingt vie Erzählung eines „ Seemanns“ ver Advance, 
der die ganze Entdeckung ber Schlittenreife unter Kane im Herbſt 1853 zu- 


ſchreibt: 

"Der Schlittenzug ging mit einer Caravane von 60 Coquimanur⸗ und Labrador⸗ 
Hunden über Schnee und Eis 60 engl. Meilen bes Tags in einer großartig erbabe: 
nen Natur, durch die wilvefle, nur von dem Gehen! der arktifchen Winde durchtonte 
Ginöve. Das Thermometer hatte einige Tage hindurch (ehe die Reifenden zu dem offe⸗ 
nen Polarmeer kamen) eine allmaͤhliche Steigerung der Temperatur gezeigt, bis es 
zuleht an den Nullpunkt fam; an ven Gefladen diefer „nörblichen See“ zeigte es eine 
noch viel höhere Temperatur. Sowohl das Gewäfler, als andy der umliegende Erd⸗ 
boden zeigte 40° bis 45° (3,5 bis 5,8 Reaum.). Bine Art Gras und zähes See⸗ 
kraut wuchs an den Ufern, und eine große Anzahl grasfrefiender und anderer Thiere 
und Bögel, bisher den Naturforichern ımbefannt, gingen anf ihre Nahrung aus und 
ftreiften umber in furchtlofer Unbefümmertheit. Die Relief (d. 5. „Releafe», im wel: 
ger ein Theil ver Maunfchaft Kane's nad) News Dorf zurüdfehrte) hat einen leben⸗ 
digen Bogel mitgebracht, der in einiger Beziehung dem SilbersSecheher gleicht. Ders 
felbe wurbe jung am Ufer gefangen, vollſtändig gezähmt und fcheint glüdlich im feiner 
neuen Umgebung.“ (New York Daily Times 12. Oct. und wahrfcheinlih daraus ab⸗ 
georuc in den engl. Times 27. Oct. Unverfennbar find biefe am erſten Tage uch 

Er Räckkehr veröffentlichten Notizen mit unkritiſcher Haſt zuſammenge⸗ 
rafft. 

Nachdem die Mannſchaften zurückgekehrt waren, harrte Kane im Sommer 
1854 dem Aufbrechen des Eiſes, welches ſein Schiff umſchloſſen hielt, ent⸗ 
gegen. Allein es erging ihm, wie dem Capt. M'Clure in ven Jahren 1852 
und 1853 in der Mercy⸗Bai; er harrte vergebens. Indem er zulekt feiner 
Täufchung inne ward, war die Jahreszeit ſchon zu weit vorgerüdt, ald daß 
ein Verſuch, vie daͤniſchen Nieverlaffungen in Grönland zu erreihen, noch 
hätte unternommen werben koͤnnen. Gleichwohl war die Verlegenheit groß. 
Es fehlte an Brennmaterial; felbft Die Vorräthe an Lebensmitteln waren, 
wenn auch an fich reichlich genug, gleichwohl nicht geeignet, die zur Abwehr 
des Scorbut erforderlihe Diät und Abwechfelung zu gewähren. 

In diefer peinvollen Lage Fam Kane auf ven Gedanken, einen Verſuch 
zu wagen, ob es ihm vielleicht gelingen möchte, entweder die Beechey= Iufel, 
wo feines Wiſſens eine Abtheilung des Belcher'ſchen Geſchwaders flationirt 
war, zu erreichen, ober im Lancafterfund ein englifches Schiff anzutreffen. Gr 
brach mit 5 DBegleitern auf und nahm ein Fleined Walfiſchboot mit in ver 
Goffnung, weiter fünlich ein offenes Wafler zu finden. Sie famen in ver 
hat bis zum Jones⸗-Sunde, allein hier trat ihnen die unter dem Namen des 
„Mitteleifes" bekannte Mafienformation der Davisſtraße und ber Baffinsbai 








Die Erpebition des Dr. Kane jenjeit des Smithfunves 1853 —55. 405 


hemmenb in ben Weg; nirgends war eine offene Fahrſtraße zu gewinnen. 
Die weite Strecke zu Fuß zurüdzulegen, war bei dem Mangel an Unterhalt 
für die dazu erforverliche Tange Zeit unmöglich, Daher blieb zuletzt nichts 
übrig, ald unter peinvollen Beſchwerden und unter den aufreibenpften Ent⸗ 
behrungen den Rückweg zu dem Schiffe zu fuchen. 

Die gehegten Beforgniffe vor dem zweiten Winter gingen nur zu fehr in 
Erfüllung. Zunächft machte fi) der Mangel an Material zur Erheizung des 
zum Winterlager eingerichteten Schiffsraums fehr Bitter fühlbar. Die Kohlen⸗ 
borräthe waren im Laufe des vorhergehenden Winterd nahezu erfchöpft; man 
mußte jetzt dazu fchreiten, alles nur irgend entbehrliche Holz auf dem Schiffe 
als Brennholz zu benugen. Aber auch die war eine keineswegs hinreichende 
Auskunft, obgleich nach und nach die Sparten, die Dielen des Fußbodens, 
die innere Bekleidung fogar der Cabinen, bis auf die, welche fle als gemein- 
schaftliche Wohnung eingerichtet Hatten, als Geismaterial verwenbet war. Die 
Nothwendigkeit, ganz nach der Weife der Edquimaur zu Ieben, durch Moos⸗ 
waͤlle vie Kälte abzuwehren und fl} von rohem Seehund⸗ und Bärenfleifch zu 
nähren, brachte Kranfheit und Siechthum über die ganze Mannfchaft. Der 
Scorbut griff unwiderſtehlich um fich; einmal kam es dahin, daß nur noch 
einer ber Gefährten (der Daguerreotppift Boufal) außer Kane fich aufrecht 
zu erhalten und mit ihm vie Krankenpflege und die Tageögefchäfte ver Rein⸗ 
erbaltung des Schiffes zu beforgen im Stande war. 

In dieſen Bebrängniffen brachte ver Verkehr mit den Esquimaur, welche 
das Schiff Hefuchten und Fleiſch zum Eintaufch gegen allerlei Waaren dar- 
boten, einige Erleichterung, bis das MWiedererfcheinen ver Sonne und die mit 
der milderen Srühlingöluft gegebene Möglichkeit ver Bewegung im Freien das 
Wohlbefinden der Mannfchaft beförverte. 

Dr. Kane konnte nicht darüber in Zweifel fein, daß ed unter diefen Um⸗ 
fländen vie nächfte Aufgabe war, feine Mannfchaft, fobald es vie Jahreszeit 
geftattete, fühmwärtd nach einem Punkte zurüdzuführen, von welchem aus fte 
Die Heimath wieder erreichen konnten. Er Hätte nicht daran denken Fünnen, 
fich ver Gefahr auszuſetzen, einen vritten Winter in den arktifchen Gegenven 
zu verbringen. Bon der Brigantine, welche, feit dem Herbſt 1853 unbemeg- 
Lich vom Eife umfchloffen, ven Reiſenden zur Wohnftätte und bei der Nüd- 
kehr von ihren Kundfchaftsreifen zur Zuflucht und gleichfam zur zeitweiligen 
Heimath geworden war, fcheint faft nur der Rumpf erhalten zu fein. Sie 
war unwieberbringlich ven arktifchen Elementen verfallen. Die Ankunft einer Ret⸗ 
tung8= Expedition zu erwarten, erfihien um fo mißlicher, ald der Smithſund 
im Jahre 1854 bis auf 90 Meilen fühmärts des Winterlagerd mit flarren 
Eis maſſen bedeckt, mithin für die Schifffahrt unzugänglich geblieben war. 

Weiter Tonnte Dr. Kane kaum noch darüber zweifelhaft fein, wohin er 
fich mit den Seinen zunächft wenden follte, um das Vaterland wieder zu er⸗ 
reichen. Im legten Spätfommer hatte er noch erfahren, welchen Schwierig. 





406 Miscellen: 


feiten und Hemmungen der Weg zur Beechey=Infel unterlag; ja er Tonnte 
nichts weniger als darüber gewiß fein, ob Die im Jahre 1852 von dem Bel- 
cher’fchen Geſchwader zur Stüte weiterer Nachforfchungen im hohen Norden 
daſelbſt angelegte Station überhaupt noch fortbeftand. Offenbar blieb ihm 
jegt Teine Wahl, als zunächft nach ven daͤniſchen Nieverlaffungen an ver Weſt⸗ 
füfte Groͤnlands hinabzugehen. Am 17. Mai verließ er mit der Mammfchaft 
das Schiff, um tiefen letzten Ausweg der Rettung zu verfuchen. 

Die Organifation dieſer Reiſe erforverte die hoͤchſte Umſicht und eine 
außerorventliche Meflgnation. Die Eleine Schaar ging den größten Bährlid- 
Zeiten entgegen. Abgeſehen von ven Borräthen an Zalg, Pemmikan und zer 
tiebenem Brot, welche fie mit fich führte, war fie darauf angemiefen, auf 
der erften Strecke des Weges mit ihren Slinten fi) den nothwendigen Unter⸗ 
Halt zu verfchaffen. Die beiden Hunde, welche noch am Leben waren, wur⸗ 
den zur Beipannung eines Schlitiend angewandt, auf welchem man vier Kranfe 
mitnahm. Einer der leßteren, der Schiffözimmermeifter Oblfen, ein Wann von 
32 Jahren, der eine außerorventliche Tüchtigfeit und vie treuefle Gingebung 
für den fchönen Zweck der Erpetition bewährt hatte, flarb unterwegs zur 
tiefften Trauer des Dr. Kane, ver ihn fehr liebte und von den Lippen des 
Sterbenven vie letzte Beftellung an feine Kamilie empfing. Sein Leichnam 
wurde auf der Littleton= Infel, unmeit ded Cap Alerander, beigefekt. Brit 
ftilem Schmerz mußte fih Dr. Kane entichließen, vie eingefammelten natur- 
Biftorifchen Gegenftände zurüdzulaften, va man alle Mühe hatte, außer ven 
erfrankten Mitgliedern die nothwendigſten Erforberniffe fortzufchaffen; man 
mußte fich begnügen, die fchriftlichen Aufzeichnungen mit ſich zu nehmen. 
Selbft ihre Kleidung beichränfte fi auf das Nothdürftigſte, und auch vie 
feine Bücherfammlung, welche die Offiziere mit fich genommen hatten, mußte 
zurückbleiben. 

Die erſte Strecke des Weges war die ſchwierigſte. Mehr als einen Mo⸗ 
nat lang mußten die Seefahrer über die Eis- und Schneemüften ſich ihre 
Bahn fuchen, um eine directe Entfernung von 81 engl. Meilen zu erreichen. 

Am 21. Juni beftiegen fle in ver Nähe des Cap Alexander zum erſten 
Male — unter preifachem Freudenruf auf glückliche Rückkehr nach der Heimath! 
— bie Fleinen Boote, deren fie drei mit fich führten, vie ihnen biöher bei 
der nächtlichen Raft zum Obdach gedient hatten. Anfangs wurde die Fahrt 
durch die Eisbildungen, über welche fie die Fahrzeuge hinweg tragen mußten, 
vielfältig unterbrochen. Am Cap Dorf, bei den früheren Franklin- Expedi⸗ 
tionen oftmal8 genannt, nahmen fte eine Furze Haft, un Depefchen einzugra- 
ben. Hier benugten fte ein Boot, deſſen fle nunmehr entbehren konnten, als 
Brennholz, und errichteten eine Slaggenflange, um den Ort ver niebergelegten 
Depeichen den in der Melville- Bai vorüberfegelnden Schiffen anzuzeigen. 

Am 6. Auguft Famen fie, ohne weiteren Unfall, im Hafen von Uper- 
navif an, nachdem fie auf einer Wegſtrecke von ungefähr 1300 engl. Meilen 














Die Erpebition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 —55. 407 


84 Tage dem Wetter der arktifchen Bone unausgeſetzt preiögegeben waren, 
Ungeachtet der harten Kämpfe und ber taufenbfachen Gefahren war ihr Zus 
ſtand wohlbehalten und felbft verhältmigmäßig Fräftig; wenigftens erholten fie 
ſich unter der gaflfreundlichen Pflege in der dortigen daͤniſchen Nieverlafiung 
überrafchend fchnell von ven überflanvenen Anſtrengungen und Entbehrungen. 
Dennoch nahm Dr. Kane Anftand, mit feinen Männern die Meife zu den füb- 
lichen pänifchen Eolonien an der Disfobucht zu unternehmen; vielmehr z0g 
er vor, bie Ankunft des dänifchen Handelsſchiffes abzuwarten, welches regels 
mäßig gegen den Anfang bed Monats September zu Upernavik eintrifft. Dies 
fer Entfchluß veranlaßte einen Aufenthalt von mehr als einem Monate, da 
das Schiff Marianne aus Kopenhagen faft zwei Wochen zur Erlevigung ber 
Geſchaͤfte des Ausladens der mitgebrachten Güter und bed Ginladend ver 
MRüdfracht im Hafen verweilte. Erſt gegen die Mitte des Monats September 
gelangten fle nach Godhavn auf der Disko « Infel. 

Oft hatten fie früher unter ver Laſt ihrer Bebrängniffe ver Ausſicht ge= 
dacht, daß eine aus den Vereinigten Staaten entfandte Rettungd» Erpebition 
ihnen begegnen werde. Jetzt ſchien dieſe Hoffnung aufgegeben und fie waren 
bereits zu dem Entſchluß gekommen, über England nach Amerika zurüdzu- 
kehren. Es ift unerflärlich, vaß fie während des langen Aufenthaltö zu Uper- 
navik auch nicht die geringfte Kunde von ber Bahrt des Lieut. Hartftein er⸗ 
Halten zu haben fcheinen, obgleich verfelbe auf feinem Wege zum Smithfunde 
daſelbſt angelegt hatte, um Winterfleiver und Pelzwaaren für vie erwartete 
Lieberwinterung in ven Polargegenven einzufaufen. Defto lebhafter war ihre 
Freude, ald am 13. September, am Tage vor dem Antritt ver beabfichtigten 
Ueberfahrt nach England plößlich vie beiden Fahrzeuge Arctic und Meleafe 
vor der Disko⸗Inſel erfchienen, um fie unverweilt gerabed Weges ihrer Sei- 
math wiederzugeben. 


In einem früheren Ariikel dieſer Zeitfchrift ') wurde bereits erzählt, daß 
Zient. Hartflein feit dem Anfange des Monats Juni aus dem Hafen von New⸗ 
Dort zur Rettung ded Dr. Kane und feiner Gefährten abgefegelt war. Bald 
nach der Abfahrt traten dieſer Exrpebition auffallende Anzeichen ver außer⸗ 
orbentlichen Strenge des legten Winter8 in ven Bolargegenven entgegen. Schon 
am Ende der zweiten Woche fließen die Bahrzeuge nicht blos auf Eiäherge, 
ſondern fogar auf große Eisfelder; ja fle trugen durch den Zufammenftoß 
mit Eisblocken ungefähr im 53° nörbl. Br. einige, wiewohl nur unerhebliche 
Beſchaͤdigungen davon. Un ver grönläntifchen Küfte zeigte ſich ungemöhn« 
Lich viel Schnee. In der Davisſtraße machten fih Walfiſche und norbifche 
Waffernögel in auffallend großer Menge bemerklich. Es wird erzählt, daß 
zwei ihrer Offiziere, die an dad Land gefliegen waren, um fogenannte gröns 


— 





— — 


1) Bergl. Inli-Heft Br. V, S. 44 fi. 


408 Miscellen: 


Iänbifchen Enten zu erlegen, dieſe in fo dichten Schwärmen antrafen, daß fie 
nach 6 Stunden deren bis zum Gewicht von 1200 Pfund an Bord brach⸗ 
ten, obgleich nur ein Drittheil des erlegten Geflügeld aufgelefen war. Auf 
pen Höhen der Umgegend von Upernavif erblidte die Mannfchaft, fo weit 
das Auge reichte, nichts ala Eis; vie gehegten Hoffnungen auf das Gelingen 
ihres Unternehmens wurben immer tiefer berabgeflimmt, als ſie gewahr wur⸗ 
den, wie bei den dortigen Anfteblern, die in ihnen anfangs vie muthvollen 
Mannfchaften ver Advance zu erfennen meinten, faft alle Ausſicht auf deren 
Rettung geſchwunden fchien. 

Auf der Weiterfahrt fpäheten fie unermüdlich nach den Gefuchten umber. 
Mie es gekommen ift, daß fie dieſelben dennoch verfehlt haben, ift bis jetzt 
noch nicht aufgehellt. Die Kraft des Dampfes kam ihnen bei dem Vordrin⸗ 
gen nach dem Smithfunde vortrefflich zu Statten; fle erreichten den Breiten» 
grad 78,30. Kein früherer Seefahrer, mit alleiniger Ausnahme des Dr. Kane, 
war Hier fo hoch hinaufgekommen. Es gereichte ihnen zur größten Befriedi⸗ 
gung, daß fie nicht bloß an jenen Gefladen Spuren von den Mannfchaften 
der Advance (Zeltflangen, Segeltuch- Stüde u. vergl.) vorfanden, fonbern 
auch von den Eingebörenen, die jogar die Namen zu nennen wußten, die bes 
flinmteften Nachrichten über ihre zwei Monate zuvor angetretene Rückfahrt 
einzogen. Lieut. Hartftein Tam bierauf, wie es ſcheint durch die Annahme, 
daß er fie bei ver fteten Tageshelle des arktifchen Sommers faum hätte ver- 
fehlen fünnen, wenn ſie ſich nach Upernavik gewandt hätten, zu dem Entfchluß, 
zunächit auf der Beechey⸗Inſel nach dem Dr. Kane und feinen Gefährten zu 
fuchen. Dies lag um fo näher, da ihm dadurch zugleich Gelegenheit geboten 
wurde, dem Wunfche der Lady Franklin gemäß das von ihr überſandte Denf- 
mal für bie tiefbetrauerten Mannfchaften des Erebus und Terror an ver 
Stätte des erften Winterlagers verfelben aufzuftellen. Unter mannigfachen 
Hemmungen gelang es ihm zuleßt, glüdlich in ven Lancafterfund einzulaufen. 
Allein in diefem Weereögebiete, welches Capt. Inglefielo in ven drei vorher» 
gehenden Jahren bei feinen jedesmaligen Sommerfahrten nad) ver Beechey⸗ 
Infel ohne befondere Schwierigkeiten durchkreuzt Hatte, war im Sahre 1855 
fein Vorbringen möglih. Bei Apmiraliiy=Inlet war die Meereöftraße des 
Lancafter- Sundes in ihrer ganzen Breite von einer dichten unüberwinblichen 
Eismafje überdeckt. Alle Ausfichten auf Erreichung des erftrebten Zieled muß⸗ 
ten aufgegeben werben. Es läßt fich denken, wie ſchwer es dieſen Seefahrern 
geworden fein muß, auf vie Erfüllung einer im Namen ber evelften Pietär 
unter den ergreifenpften Umftänden ihnen anvertrauten und fo gern von ihnen 
übernommenen Miſſion zu verzichten. Gleichwohl mußten fie fich entichließen, vie 
zum Gedaͤchtniß Franklind und feiner Gefährten befiimmte Warmartafel an 
ber grönlänbifchen Küfte zurüdzulafien. — Lieut. Hartflein wandte ſich zu- 
nächft nach der Ponds⸗ und Poſſeſſion⸗Bai, indem er vermuthete, daß Dr. 
Kane mit feinen Gefährten hierher verfchlagen fein möchte, und gelangte erfl. 





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Die Erpebition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 —55. 409 


nachdem er noch 14 Monat in viefen Meeresiheilen gefreuzt Hatte, nach ver 
Disfo=Injel, wo er endlich das Glüd Hatte, feine Lanpsleute aufzunehmen. 

Ueberbliden wir ſchließlich die Ergebniffe der Expedition unter Dr. Kane, 
fo drängen ſich zunächft folgende Bemerkungen auf: 

1) Es ift faum zu erwähnen, daß der Hauptzweck des Unternehmens ') 
gänzlich verfehlt wurbe, daß für jene im Spätherbft 1854 durch amerifanifche 
Zeitungen verbreiteten ®erüchte über die Auffindung der Leichname Franklins 
und feiner Gefährten fich auch nicht ver geringfte Anhaltspunkt ergeben Hat. 
Der Entwurf des Dr. Kane fällt in eine Zeit, in welcher man die Vermißten 
Lediglich in dem Hohen Polarnorven fuchen zu müflen und bei ven Nachfor« 
ſchungen nicht nörblich genug gehen zu Eönnen waͤhnte. Bei den damals mit 
ſo gejpanntem Interefie und mit erregter Vorliebe gehegten Ideen einer offe⸗ 
nen Polar- See, eined milderen Klima’8 und einer belebteren Schöpfung in 
jenen bis dahin noch in unerreichten Fernen angefchauten hochnörblichen Ges 
genden ift das Verlangen, immer noch Troft für die Angehörigen und Freunde 
der Bermißten und aufreizende Motive zu neuen Ausrüftungen zu finden, ges 
wiß nicht ohne Einwirkung geblieben. Wenigftens Haben bie troftlofen Er⸗ 
mittelungen des Dr. Mae über das Schickſal und das endliche Verkommen 
der Bermißten jene Bermuthungen wie mit Falter Hand ihrer belebenden Mo⸗ 
mente entfleivet und biefelben ſichtlich herabgedrückt. Es muß einen unbe» 
fchreiblichen Einprud auf den Dr. Kane gemacht Haben, ald ihm bei feiner 
Rückkehr plöglich die Nachrichten von ven erheblichen geographifchen Ent⸗ 
derungen, welche während ver beiven Jahre feiner Abweſenheit an das Licht 
getreten waren (er hatte bis dahin von der endlich entdeckten norpweftlichen 
Durchfahrt und ver Ankunft M'Clure's in der Mercy⸗Bai nicht die entfern- 
tefte Ahnung gehabt), wie auf einen Zauberfchlag entgegenftrömten, und da⸗ 
neben die verhängnißvolle Kunde des Dr. Rae den furchtbarften Aufſchluß 
des Iangjährigen Geheimniſſes eröffnete. 

2) In Bezug auf die wiflenfchaftlichen Ergebniſſe läßt fich auf das bis 
jeßt vorliegende Material fein Urtheil begründen. Es ift uns nicht gelungen, 
aud dem offiziellen Bericht de8 Dr. Kane und den verfchienenartigen anber« 
weiten Mittheilungen ein klares geographifches Bild über die neuen Entdeckun⸗ 
gen zu gewinnen ?). Bei den Angaben über vie „offene Polarſee“ fehlen vie 
authentifchen Nachrichten. Das einzige Mitglied der Erpebition, von welchem 
wir ganz gewiß erfahren, daß er von einer Felskuppe herab auf den eiöfreien 
Meeresſpiegel mit erhelltem Horizont in der Berne Hingefchaut, ift der Pro⸗ 


1) In den uns vorliegenden Berichten wird u. N. erzählt, daß die Erpedition 
ein Denkmal mit ſich führte, welches an der Stelle des Berbleibens ober des Unter: 
gangs der Vermißten aufgeftellt werden follte. 

2) Im New York Herald wird bereits eine im Landkarten Verlage von Diſtur⸗ 
nell vorbereitete Karte der arktiichen Gegenden angekündigt, welche „bie Stelle der zu⸗ 
rüdgelafienen Advance und noch ambere interefiante Localitäten, welche bis jept auf 
feiner arktiſchen Karte zu finden find“, zur Darftellung bringen foll. 





410 Miscelen: 


viantmeifter Morton; und es ift fonverbar, daß dieſer Reiſende in den Mitthei⸗ 
ungen, welche New York Daily Times 12. Oct. (engl. Times 27. Oct.) von ihm 
giebt, über eine folche auferorventliche Entdeckung ganz ſchweigt. Daher find 
ſowohl über die geographifchen, als über die naturmwifjenfchaftlichen Ermitte⸗ 
lungen vor Allem erft nähere Nachrichten abzuwarten. 

Gewiß ift e8 ein bevauerlicher Verluft, daß die eingefammelten naturge- 
fchichtlichen Specimina auf der Brigantine zurüdgelaffen wurven, welche ven 
Plünderungen ver Esquimaur und der unaudbleiblich ſchnellen Zerftörung 
durch die arktifchen Elemente preisgegeben blieb. Dagegen find außer ven 
Inflrumenten auch die entworfenen Zeichnungen '), Berichte und Documente 
von den Reiſenden mitgebracht, und wir vürfen mit Zuverficht eben jo lehr⸗ 
reichen, als intereffanten Mittbeilungen entgegen fehen. Selbſt vie währen: 
der finfteren Wintertage zur Belebung und Aufmunterung der Geſellſchaft be⸗ 
gründete, jedoch nur in 7 bis 8 Nummern fortgefehte handſchriftliche Wochen⸗ 
Beitung „The Iceblink* — fie führte das Motto: „In tenebris servare 
fidem“ — wird einer Eünftigen Publikation vorbehalten. 

3) Uber ſelbſt rein äußerlich betrachtet, wird ſowohl vie Fühne Tahrt 
der Advance, als auch der Muth und die Energie, welche vie Fleine Mann⸗ 
fchafı bewährt Hat, in der Gefchichte der arktifchen Tinternehmungen unver- 
geßlich fein. Nicht ohne ein gewiſſes nationales Seldfigefühl erwähnen nord⸗ 
amerifanifche Zeitungen, daß ihre Schiffe in neuefler Zeit dem Sübpol, wie 
dem Nordpol nahe gewefen find. Mit Recht Eönnen fie rühmen, daß nie 
mals zuvor Seefahrer in fo Hohen Breiten überreintert haben, ald Dr. Kanı 
und feine Gefährten, und daß bie von ihnen bis zum Breitengrave 82,30 er⸗ 
blickte und chartographifch gezeichnete Landbildung dem Nordpol näher Liegt, 
als irgend ein andere bis jet entvedted Land. Mit lebendiger Theilnahme 
verfegen wir und in die Scenen des freudigen Jubels dieſer Ruckkehr, deren 
Eindruck durch gleichzeitig verbreitete trübe Nachrichten noch außerorbentlich 
gehoben wurbe ?). 

Eine empfindliche Taufchung begegnete denjenigen, welche vie Hoffnung 
faffen und felbft ausfprechen Eonnten, Kane werde durch den Wellington Ra- 
nal zurüdfehren und die im Eife zurückgelaſſenen Schiffe ver letzten großen 
englifchen Erpebition mit fich führen. Sie mußten jebt erfahren, daß auch 


— — — —— 


’) Es verdient angeführt zu werden, daß alle Verſuche, den mitgenommenen 
daguerreotypiſchen Apparat zu benutzen, gaͤnzlich mißlangen. Man ſchob es auf vie 
Eigenthümlichkeit der arktiſchen Atmoſphäre, daß feine Abſpiegelung der dort vorhan⸗ 
denen Gegenſtaͤnde erzielt werden konnte. 

2) Die zu Boſton erſcheinende Zeitung »Daily Evening Traveller« vom 11. Oct 
1855 brachte die Meldung: ein eben angelonmenes Fifcherboot fei im 42° 50’ wördl. 
Br. und 64° 40’ weſtl. &. von dent Dampfboot Arctic angefprocden, welches deu Leid: 
nam des Dr. Kane an Bord habe. — Es war ein glüdliches Sutreffen, daß Dr. Kam 
an bemfelben Tage (11. October) im Hafen von New:Dorf aws Land flieg, um 
alle feine Sreunde durch ein gefundes und Fraftvolles Ausfehen überrafchte. 














Die Erpevition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 —55. 411 


Kane genöthigt geweien war, feine Advance im Eife fledden zu Taflen; ja noch 
mehr, daß er fich im Herbſt 1854 unter Fährlichfeiten vergeblich bemüht 
Hatte, jene englifche Expebition zu erreichen, um von ihr Hülfe und Mettung 
zu erbitten. 


Ueber ven Anführer diefer zweiten ameritanifchen Erpebition fügen wir 
mit Benugung einiger im New York Herald gegebenen Mittheilungen fols 
gende Notizen bei: 

Elifha Kent Kane, am 3. Februar 1822 zu Philadelphia geboren, 
widmete ſich zuerft dem Studium der Medicin, erlangte nach einem 7 jährigen 
Beſuch ver Pennsylvania medical University zu Philadelphia im I. 1843 
den afavemifchen Doctorgrad, und begleitete bierauf in der Eigenfchaft des 
Arztes die erfte von den Vereinigten Staaten nach China abgeorbnete Ge⸗ 
fandifchaft. Zum größten Mißbehagen fcheiterten feine Pläne, in das Innere 
Diefed geheimnigvollen Landes vorzubringen. Er fuchte fich zu entfchäpigen, 
indem er feine Müdkreife auf eine größere Ausbehnung und Mannigfaltigkeit 
anlegte. Zunaͤchſt wandte er fich nach ven Philippinen, wo ihm feine Kühn- 
heit die Außerfte Gefahr brachte, indem er nicht davon abzubringen war, ſich in 
ven Krater des Taal Hinabzulaffen, und dadurch die höchſte Wuth fanatifcher 
Priefter und ver Eingeborenen erregte, welche ihn als Schänver des mit hei- 
liger Scheu betrachteten Bulfand zu ergreifen fuchten. Don bier ging Kane 
über Eeylon und Oftindien unter „mehrfachen Ausflügen in dad Innere heim» 
wärtde. Bald nachher finden wir ihn auf den Sandwich⸗Inſeln mit einem 
preußifchen Baron von Loẽ in gefahrvolle Eonflicte mit den Eingeboren kom⸗ 
men, deren Folgen dem Ießteren das Leben gefoftet haben. Ein Jahr fpäter 
ging Kane nach Aegypten, verfolgte ven Lauf des Nils bis Nubien, verlebte 
eine Saifon unter antiquarifchen Nachforfchungen, durchwanderte auf der Hein: 
reife Griechenland, und Fam nach Philadelphia zurüd, als eben die Verwicke⸗ 
Iungen mit Mexico im Ausbruch begriffen waren. Indem feine Bemühungen, 
in einer entfprechenden Stellung an dem mericanifchen Feldzuge Theil zu neh» 
nen, erfolglos blieben, wandte er fich nach der weftafrifanifchen Küfte, kehrte 
des folgenden Jahres mit einen neuen Reichthum von Entdeckungen und Er⸗ 
fahrungen zurüd (er bat u. X. den Sclavenmarft von Wydah befucht), und 
. erlangte von dem Präfldenten Polk nachträglich noch eine Miſſion nach Neu⸗ 
Merico, die feinem faft abenteuerlichen Streben einen neuen Spielraum ges 
währte, den er auch in eigenthümlicher Weife ausgebeutet bat. 

Zulegt haben vie Branklin- Erpebitionen der Thatenluft dieſes merkwür⸗ 
digen Mannes ein großartiges Feld ver Arbeit, aber auch einen um fo höhe- 
ren Aufſchwung gegeben. Als vie erfte amerifanifche Erpebition im Mai 1850 
plöglich zur Ausführung reifte, kam er aus einer Entfernung von 1300 engl. 
Meilen Landwegs in 74 Tagen faft im Augenblide der Abfahrt herbei, um 
aus den warmen Bädern des mericanifchen Golf unmittelbar nach dem Eis- 





412 Miscellen: 


meer zu fegeln. — Seine Thaten und Derbienfte auf dem Felde ver Nach⸗ 
fuchungen haben ihm in feinem I4ften Lebensjahre einen bleibenden Ruhm 
geficher. Wir erfahren, daß er gegenwärtig mit philantropifchen Plänen für 
die Edquimaur, mit welchen er im Smitbfunde in Verbindung Fam, befchäf- 
tigt und von dem Gedanken ergriffen ift, ihrer traurigen Eriftenz in jenen 
unwirtblichen Eiswüften durch Verpflanzung in fürlichere Gegenden ein Ziel 
zu feßen. Dr. C. Braude®. 


Die Provinz Ehiloe in Chile. 


Der füpliche Theil der Republik Chile ift ein in Europa noch fo unbe⸗ 
fannter Theil von Süd» Amerifa, daß wir den nachflehenden, von dem Gou- 
verneur der Provinz Chiloe im vorigen Jahre an ven Minifter des Innern 
abgeftatteten Verwaltungsbericht als ein Höchft werthvolles Document zur 
Vermehrung unferer Kenntniß der neueren Zuftände jener fernen Gegenden 
anfehen müflen. Für Deutfchland bat derſelbe noch ein fpecielles Interefle 
dadurch, daß die Provinz megen ihres überaus trefflichen, gleichförmigen Kli- 
ma's und wegen der reichen, von ver Natur gebotenen Hülföquellen von vie 
len Deutfchen, namentlich aus Kurs Heffen, zur Anftevelung gewählt worten 
ifl. Dies gefchah beſonders am Fluſſe Manquihue. Nach allen neuen Nach 
richten, die wir über die Nieverlaffungen erhalten haben, befinden fich deren 
Bewohner im beiten Gebeihen und nehmen fo rafch zu, daß fidy Bier bald, 
wie unter ähnlichen Verhältniffen im ſüdlichen Brafllien, eine compacte deutſche 
Bevölkerung vorfinden wird. Auch die Ruhe, deren fich der Staat ausnahms⸗ 
weife von den übrigen ehemals fpanifchen Provinzen feit einer langen Reife 
von Jahren erfreut, und die verfländige Sorgfalt der Regierung tragen wirf: 
fam zu dem Aufblühen des Landes ') und fpeciel der Provinz bei, welde 
fich Die deutfchen Auswanderer zu ihrer Heimath ermwählt Haben. Der bier 
vorgelegte umfaſſende und auf das grünblichfte in alle Zweige feiner Verwal⸗ 
tung einpringende Bericht des Gouverneurs ift ein neues erfreuliches Zeichen, 


2) Die neuelten, durch bie Times vom 7. September d. I. ans Chile mitge: 
theilten Nachrichten geben hiervon bie überzeugenpften Beweiſe, indem der Handel in 
dem Jahre 1854 um nicht weniger, ald 33 pCt. zugenommen hatte. Bei einer Be⸗ 
völferung von wenig mehr als 1 Million, betrugen nämlich nach ven letzten officiellen, 
das Jahr 1854 betreffenden Befanntmachungen die Binfuhren 17,422,299, die Ans: 
fuhren 13,778,416 Dollars. Andy in dem Tonnengehalt der Schiffe zeigte ſich viele 
Vermehrung, indem berfelbe im Jahre 1854 fih um 17,523 Tonnen höher, als im 
Jahre 1853 ftellte; aber das Wichtigfte war der Umſtand, daß die meiſten ein: and 
ausgegangenen Schiffe Chile felbft angehörten. In den Anfchlägen für das nächſte 
Jahr find große Summen für öffentlide Berbefferungen und das Schulweſen ausge: 
worfen, fowie auch der Plan zu einer Depofiten= und Disconto: Banf dem Eongreiie 
eben zur Beratung vorgelegt werden follte. 





Die Provinz Chiloe in Chile. 413 


mit welchem Ernſt vie öffentlichen Angelegenheiten in Chile betrieben werben. 
Leider ift uns derſelbe nicht vollfländig zugegangen, ba bie Nummer 25 ber 
zu Santiago erjcheinenden chilenischen Zeitung El Araucano vom 2. Januar 
1855 nur den Anfang des Berichts enthält und die Fortſetzung verfpricht, 
welche wir aber bisher nicht erhalten haben, fo daß wir felbft den Namen 
des trefflichen Gouverneurs der Provinz nicht kennen. Die Mitteilung der 
eben erwähnten Nummer verpanfen wir dem Königlichen General⸗Conſul in 
Ehile Herrn v. Guͤlich, die Meberfegung Herrn Bastide Bierfelbft, ver durch 
einen vieljährigen Aufenthalt in Süd» Amerika, namentlich in Brafllien, genau 
mit defien Verhältnifien befannt iſt. Leider Fonnten einige Ausbrüde, nament⸗ 
lich naturhiftorifche, nicht überjeßt werden, da fich Feine Aufklärung über die⸗ 

felben finden lieg und fle wahrfcheinlich nur in Chile felbft üblich find. 

Gumprecht. 

Ancud, den 10. Mai 1854 

Herr Miniſter! 

Nach vollendeter Bereifung dieſer Provinz ſtatte ich hiermit E. ꝛc. einen 
Bericht über deren gegenwärtige Zuſtände hinſichtlich aller Verwaltungszweige 
ab, den ich mit denjenigen Bemerkungen begleite, welche die Beachtung der 
hoben Regierung verdienen duͤrften. 

Mit obigem Datum ift e8 ein volles Jahr, feit ich mich an der Spike 
diefer Provinz befinve, ſtets von dem lebhaften Wunfche bejeelt, etwas zu 
Frommen verjelben leiften und dadurch dem Seitens Sr. Exc. des Herrn 
Präftventen auf mich gefeßten Vertrauen entfprechen zu konnen. Gelingt mir 
dieſes, fo werbe ich mich auf's reichlichfte entfchänigt Halten für all den Ver⸗ 
druß und dad Mebelwollen, worunter ein Staatsmann zu leiden pflegt, ver 
bei feiner Verwaltung nur das Geſetz zu handhaben und in Erfüllung feiner 
Pflichten jeder Nebenrüdficht fremd zu bleiben fi vornimmt und das Ziel 
im Auge bat, Mißbräuche audzurotten und ven eine gejunde Verwaltung läh- 
menden Uebelſtaͤnden abzuhelfen. 

Schwerlich bietet fich in irgend einem Theile der Republik der leitenden 
Behörde ein weiteres Feld, ald in Chiloe, für den Weg des Fortſchrittes und 
zur Einführung von Berbefferungen dar; ſchwerlich aber giebt ed auch eine 
Bevöolkerung, der ed, wie biefer, an allen Mitteln gebricht, fich zu regen, und 
bei der man fo mit jeglicher Schwierigkeit zu kaͤmpfen hätte, um irgend welche 
Maßregel des öffentlichen Intereſſes purchzuführen, fo einfach) und gewöhnlich 
fie auch fei, indem man aus deren Mitte wenig ober gar Feine Hülfe dazu zu 

gewinnen vermag. Dadurch kommt man in die Nothwendigfeit, für jedes 
Erforderniß fih an die Duelle, an vie Freigebigkeit ver hohen Megierung zu 
wenden: und unterließe man folches, jo würden bier vie Uebelſtaͤnde fich ver⸗ 
ewigen, und dort die Vermuthung gegen den Beamten entfiehen, als tappe er 
in denſelben herum, ohne fich für die Mittel zu ihrer Befeitigung zu ent⸗ 
cheiben. 


414 Miscellen: 


Die Zeit laͤßt zwar ſehr auf ſich warten, bis dieſe Provinz in eigener 
Kraft zum Fortſchreiten und Emporblühen gelangt, doch verwirkt ſie darum 
noch nicht ihren Anfpsuch, daß vie hohe Regierung fortfahre, ihr mit Theil⸗ 
nahme und Nachorud vie Hülfe zu fpenden, veren fie bevarf, um fich aus 
ihrer Niedrigkeit emporzuheben und ven Plaß einzunehmen, zu dem fie beru- 
fen ift durch ihr weites Gebiet, durch ihre reichen und unerfchöpflichen Berge, 
durch ihre fchönen und ruhigen See» Kanäle, fowie noch durch mancherlei 
Güter, mit denen die Natur ihren Boden befchenfte, und die mit ſtummer 
Berebfamfeit auf eine Zeit binweifen, in welcher der Chiloe⸗Archipel ein 
völlig anderes Land fein wird, als er jetzt if. 


Grenzen und politifhe Eintheilung; Zahl und Verbreitung 
der Einwohner. 


Die Provinz Chiloe bildet, von dem Magelhans⸗Lande ab, den jühlich- 
fen Theil der Republik Chili und erſtreckt fich, gemeiner Meinung nach, von 
der Mündung ded Rio Bueno unter 40° 10’ füpl. Breite bis zur Halbinſel 
der drei Berge unter 46° 38’ füpl. Breite und vom Meer ab bid an bie 
Anden=Cordilleren. Ihre Begränzungen find: in Norden vie Provinz Bal- 
divia und dad Gebiet Manquihue (Ljankihuh), im Süden vie Magelhans⸗ 
Nieverlaffung, im Often die Anden⸗Cordillere, im Weſten das flille Meer. 

Sie wird in folgende zehn Departements eingetheilt: 

Ancud, mit der gleichnamigen Hauptſtadt des Departements, wie der gans 
zen Provinz, die gegen 7077 Einwohner zählt, in einer Auspehnung 
von 9 bis 10 Leguas in die Länge und 3 bis 4 in die Breite. Sie 
grenzt gegen Norden an die Meerenge von Tſchacao, gegen Süpen an 
das Departement Gaftro, gegen Oſten an dad Depart. Tfchacao, gegen 
Weiten an das flile Meer. Die Hauptſiadt mit ihren Vorftäpten ent 
halt A000 Seelen. Das Departement wird in 3 Kreije und 14 Be 
zirfe unterabgetheilt; je fünf ver letzteren fommen auf den erften, wie 
ben zweiten der Kreife, ver dritte hat vier Bezirke. Diefe wie jene wer: 
den durch ihre Ordnungszifſer unterfchienen und wirb ver Ortöname 
Dinzugefügt: ein Brauch, ver bei allen folgenden Departements beibe⸗ 
halten ift. | 

Chacao. Bevölkerung: 2994 Seelen. Ausdehnung: 8 Leguas in bie 
Länge, 3 bis 4 in die Breite. Grenzen: gegen Norben vie Meerenge 
gleichen Namens; gegen Often der Golf von Ancud; gegen Süden vos 
Depart. Dalcahue, gegen Weften das von Ancud. Der gleidimamige 
Hauptort dieſes Departements zählt 312 Seelen. Eintheilung in 2 
Kreife und 9 Bezirke, und gehören vazu die Infeln Gaucague und 
Lacao. 

Dalcahue. Einwohnerzahl: 5764. Ausdehnung: 8 Leguas in die Länge 
und etwa 2 in die Breite. Grenzen: gegen Norden das Departement 








Die Provinz Chiloe in Chile. 415 


Chacao, gegen Suͤden und Wellen das Depart. Gaftro, gegen Often 
der Golf von Ancud und der Banal Quinchao (fpr. Kintſchau). Be: 
völferung der gleichnamigen Hauptitabt: 1290 Seelen. Eintbeilung des 
Departements: 3 Kreife und 11 Bezirke, einfchlieglih 9 bewohnter In⸗ 
fein, vie Chauques genannt. 

Caſtro. Einwohnerzahl: 10,562 Seelen. Auspehnung: 4 bis 5 Leguas 
in die Länge, Breite ebenfo. Grenzen: gegen Norben bie Departements 
Ancud und Dalcahue, gegen Süben dad von Chonchi, gegen Often der 
Ganal von Lemni, gegen Welten der Ocean. Der Hauptort Caſtro 
zahlt 1114 Einw. Eingetheilt in 3 Kreife und 10 Bezirke. 

Chondi, das umfangreiche Departement der Provinz, enthält eine Be⸗ 
völferung von 6236 Seelen und mißt menigflend 20 Leguas in vie 
Zange und 8 ober 10 in die Breite. Seine Grenzen find gegen Nor: 
den Dad Departement Caſtro, gegen Süben der Golf von Guaitécas, 
gegen Often der Canal von Duindyao, und gegen Weften ver Ocean. 
Der Hauptort gleiches Namend zählt 700 Seelen. Es wird in 2 
Kreife und 21 Bezirfe eingetbeilt, und an feinem ſüdlichſten Theile ges 
hören einige Heine Infeln vazu. 

Lemui. Diefes Departement wurde aus ber Infel gleiches Namens und 
drei anderen Infeln, Chelin, Quegui (ſpr. Keguby) und Imeleb gebil- 
det, wovon bie Ießtere jehr Flein und nur von 3 oder 4 Familien bes 
wohnt iſt. Zufammen enthalten fle über 6 Geviertleguag, und grenzen 
gegen Norven mit vem Canal gleiches Namens, im Süden an den Golf 
von Actue, im Öften an den Canal von Duenac, im Weften an ven 
von Quinched. Die Gefammtbevölferung beläuft fich auf 6851 Per⸗ 
fonen, wovon auf die Hauptſtadt gleiched Namens 887 fommen; das 
Departement ift in 2 Kreife und 9 Bezirke eingetheilt. | 

Achao ift gleichfalls aus drei Infeln, Namend Quinchao, Linlin und Lis 
nua, zufammengefeßt, welche im Ganzen eine Ausdehnung von 12 Les 
guas haben, Sie grenzen gegen Norden an den Canal von Achao, 
gegen Süden und Often an den von Duenac, und gegen Welten an 
die Durchfahrt von Dalcahue. Das Departement wird in 3 Kreife und 
15 Bezirke getheilt, von deren Gefammtbevölferung von 7027 Einwoh- 
nern dem Hauptort Achao 413 zukommen. 

Duenac. Befteht aus den Infeln Duenac, Menlin, Caguachi, Tac, Apino, 
Alao, Chanlinee und noch einer fehr Fleinen, nur 2 ober 3 Häufer ent« 
haltenden, Namens Teuquelin. Grenzen: gegen Norden ver Canal glei⸗ 
ched Namens, gegen Süden ber Golf von Actué, gegen Oſten der von 
Ancud, und gegen Welten ver Canal von Quinchao. Das Departes 
ment ift in 2 Kreife und 8 Bezirke getheilt, die von 3509 Einwohnern 
bevölkert find, von denen 1225 auf ven Hauptort ober vielmehr vie 
ganze Inſel Quenac kommen. Blächeninhalt fämmtlicher Infeln zu⸗ 
fanmen: 5 bis 6 Quadratleguas. 





416 Miscellen: 


Calbuco. Dan kann ſagen, daß dies Departement für ſich allein einen 
Archipelagus bildet durch die vielen Inſeln, aus denen es zuſammenge⸗ 
ſetzt iſt. Nachdem aus einem Theile ſeines Gebietes die Colonie Llan⸗ 
quihue gebildet worden, iſt es auf einen Theil des Feſtlandes nebſt fol⸗ 
genden Inſeln reducirt worden: Anlao, Tabon, Chidhuapi, Polugur, 
Quenu, das Fort oder Calbuco, Guar, San Joſé, Jentil, Lagartija 
und Quenllin. Das Departenent grenzt gegen Norden mit dem Ge⸗ 
biet von Llanquihue, gegen Suden mit dem Golf von Ancud, gegen 
Oſten mit dem von Reloncavi, und gegen Weſten mit dem Departement 
Carelmapu. Es theilt ſich in A Kreife und 20 Bezirke und zählt 8182 
Bewohner, von denen auf den Hauptort, das Fort von Calbuto ge 
nannt, 411 kommen. 

Carelmapu iſt das einzige Departement, das auf dem feſten Lande liegt. 
Seine Grenzen find: gegen Norden ver Rio Bueno und der Maipue, 
der es von der Provinz Valdivia trennt, gegen Süben vie Meerenge 
von Chacao, gegen Often dad Gebiet von Llanquihue und gegen Be 
fien der Ocean. Den Blächeninhalt rechnet man auf 200 Quadrat⸗ 
leguas. Es zerfällt in 3 Kreife und 16 Bezirke, die eine Bevölkerung 
von 3023 Einwohnern enthalten, von denen 240 dem Hauptorte Ca: 
relmapu zufallen. 

Zu größerer Deutlichkeit bemerke ich, daß die Departements Ancub, Cha⸗ 
cao, Dalcabue, Caſtro und Chonchi auf dem großen Eilande Tiegen, das tie 
Spanier Ehiloe nannten, ferner daß ſaͤmmtliche Einwohnerzahlen ter im 
April dieſes Jahres veranftalteten Zählung entnommen find, und daß die hir 
nicht mit Namen aufgeführten Infeln, vie zur Zahl von 84 fehlen, aus te 
nen den Geographen nach der Archipelaguß befteht, fanımtlich unbewohnt find. 


Ueberſicht der Kreife, Bezirke und Einwohnerzahlen jedes 


Departements. 
Departement: Kreife: Bezirke: Zahl per Bewohner: 
Ancud 3 14 7,077 
Chacao 2 9 2,994 
Dalcafue 3 11 5,764 
Caſtro 3 10 10,562 
Chondi 2 21 6,236 
Lemui 2 9 6,851 
Achao 3 15 7,027 
Duenac 2 8 3,509 
Calbuco 4 20 8,182 
Garelmapıu 3 16 8,023 


zufammen 27 133 61,225. 





Die Provinz Chiloe in Chile. 417 


Hinfichtlich ver bezüglichen Flächeninhalte Habe ich aus meinen Unterſu⸗ 
ungen die Ueberzeugung gewonnen, daß eine größere Zahl von Kreifen und 
Bezirken gebilvet werben müflen, namentlich in ven Departements von Chonchi, 
Chacao, Lemui, Achao und Quenac, damit die Öffentliche und vornehmlich die 
Gerichtöverwaltung einen rafcheren Gang gewinne, und behalte mir vor, Ew. 
ıc hierüber einen befonderen Vorſchlag einzureichen. 
\ 


) Klima. 


F Obzwar das Klima ein ziemlich fenchtes ift, fo iſt es doch ohne Wider⸗ 
ſpruch gefund und von epivemifchen Krankheiten frei; weder Froſt noch Hike 
machen fich mit Intenfltät fühlbar, und die Jahreszeiten folgen auf einander 
obnetwahrnehmbaren Einfluß auf die Geſundheit, und obgleich die ausgeſpro⸗ 
henfiin der Sommer und der Winter find, fo gehen doch auch bie anderen 
Jahreßzeiten nicht unmerklich vorüber, wie Leute es gern glauben machen 
wolleg, bie entweder Chiloe abgemeigt find, oder es, fei es mit Vorurtheil, 
fei ed unter dem trüben Einprude der Regenzeit oder ftürmifcher Tage befucht 
haben, die allerdings auf Berfonen, die aus dem Norven der Republik, vollends 
auf fehr Karze Zeit, kommen, einen imponirenden Eindruck machen Fönnen. 
Wenn nicht an den heiterften Tagen und jelbft zur Sommerzeit, wo e8 einen 
fchöneren und bezaubernveren Simmelöftrich geben Tann, dennoch häufige Platz⸗ 
regen und beftige Winde einträten, und man unter beiden nur zu einer bes 
flimmten Zeit zu leiden Hätte, jo würben die Einwohner von Ehiloe fein ans 
deres Klima zu beneiden haben. 

Schnee kommt fo felten und in fo geringer Menge vor, daß er im Aus 
genblid des Kallens ſchon verſchwindet, und nur im Juli und Auguft erfcheint 
zuweilen bei Gewittern ein feiner Hagel. 

Ueber die Geſundheit dieſes Klima's macht einer der hieſigen Aerzte, ver 
die ganze Provinz burchreifet ift, folgende Bemerkungen: „Im Allgemeinen 
läßt fich fagen, daß in Chiloe gar Feine fationäre Epidemien, noch folche von 
einem eigenthümlichen Charakter erifliten: e8 giebt nur bie, welche ver Men⸗ 
ſchennatur überhaupt eigen find, und wenn fie jeweilig ein beunruhigenves 
Anfehen annehmen, fo liegt dad an dem Mangel an Mitteln, zu denen meis 
ſtens die Leute ihre Zuflucht nehmen können, ſowie an ven Vorurtheilen, durch 
die fie fich nicht felten bis zur Gefaͤhrdung ihres eigenen Lebens treiben Tafien; 
wenn fie in ven Tränfen, die ihnen die Machis (Duadfalber) bereiten, eine 
fichere Kur ihrer Krankheiten zu gewinnen glauben, fo erhalten fle vielmehr 
ein Gift, dad, wenn es fie nicht bisweilen gar zu Tode bringt, ihnen doch 
häufig Schmerzen und Leiden zuführt, die ſie früher gar nicht Hatten. Die 
zumeift vorkommenden Krankheiten find: Bruſtbeſchwerden, Rheumatismen, 
Aſthma, Skropheln und Lungenfucht, bei dem nievrigen Volke auch Syphilis. 
Schlechte Nahrungsmittel, übler Zuſtand der Wohnungen, befchwerliches Ars 
beiten, Näffe, geringe Bedeckung mit Kleidern, Mangel an Arzneimitteln, und 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. V. 27 








418 Miscellen: 


mehr als alles der Mangel orbentlicher Geſundheitopfloge in jeder Beziehung, 
find meiner Anficht nach vie Hauptanlaͤſſe der Krankheiten in dieſer Provinz. 


Städte. 


Es giebt deren nur vier: Ancud, Galbuco, Caſtro und Maullin. 

Die erfte zählt ungefähr 1000 Häufer, mit Geſchmack gebaut und ge⸗ 
bührend gereibet, um ihren Straßen und Plaͤtzen fo weit als möglid, An 
fehen und Geräumigfeit zu geben. Iſt auch diefe Stadt nicht unter ven erien, 
fo Tann fie doch eben fo wenig zu ven letzten gerechnet werben: fie wa: in 
den Jahren 1844 und 1847 durch verheerenne Beugröbrünfte, deren Nad- 
wehen fie noch empfindet, Heimgefucht worden. Wenn aber auch fo tra ige 
Kataftrophen natürli einen Nüdgang und Verfall der Geſchaͤfte nad, ſich 
ziehen, fo ift doch der Eifer der Einwohner im Allgemeinen, fowie die inter 
Rügung der hohen Regierung der Mittellofigkeit Einzelner zu Gülfe gekogmen, 
und ob man gleich noch zur Zeit einzelne dachloſe Bebäupe flieht, vie z1 ab 
gebrannten Gehöften gehören, fo ift doch nach allgemeiner Meinung vie Liadi 
Ancud größer und namentlich ſchoͤner und geſchmackvoller, jowie xt bau 
bafter gebauten Häufern daraus hervorgegangen. 


Die zweite Stadt, Calbuco, zum Departement gleiches Namen gehang 


bat vor 8 Monaten ebenfall8 die Wirkung des ſchrecklichen Elementes zu er⸗ 


fahren gehabt, doch find fchon viele ihrer eingeäfcherten Häufer wieder au 


gebaut, und man bat die tröftliche Hoffnung, daß nach 1 bis 2 Jahren ſich 


jeve Spur des Unglücks verwijcht haben wird. Im gegenwärtigen Auge: | 


blick zählt viefe Stadt 100 bis 150 Häufer. 
Hoͤchſt befremblich ift, daß die Erbauer dieſer Stadt nicht Lieber ven Dirt, 
la Vega genannt, dazu außerfehen Hatten, ein Pla, der weit geeigneter zur 


Herftelung einer geregelten Stadt geweſen wäre und nicht eine ſchoͤne, 6 biß 


8 Quadras von der Seefüfte ab fich erſtreckende Ebene fern liegen gelaflen 
hätte. Es giebt nichts an dieſem Orte, was dem genannten Zwecke ungimſtig 
erfcheinen Eönnte, und fowohl deshalb, ald wegen der geringen Entlegenheit 
der jebigen Stabt fleht «8 zu Hoffen, daß in wenig Jahren dort ein Häule- 
verein entitehen werde, der envlich zum Hauptort würbe, 

Die dritte Stadt, Caſtro, würde die fchönfte ver Provinz fowohl, ald 





unter vielen andern bes gefanmten Staate8 fein, wenn ihre Straßen ſich nidt 


faft verövet zeigten. Nächft den Gebäuden, die die vier Eden des Marktylaget 


von dem Klächeninhalt einer Quadrat⸗Quadra bilden — eines Platzes, vr 
in Allem ver auögevehnten und malerifchen Ebene entfpricht, im welder die 


Stadt liegt, — find ihre fo geraven, ald geräumigen Strafen nur mit ſeht 
wenig Haͤuſern befeßt, die, mit geringem Geſchmack gebaut, von einander turh 


wenig anfländige Zäune getrennt werben, welche, bei Ermangelung der Haͤn⸗ 


fer, wenigſtens auf ven erſten Aublick die genauen Bluchtrichtungen des Ortel 








Die Provinz Ehiloe in Eile. 419 


zeigen, in dem ſich alle Vorzüge vereinigen, die fldh zur Begründung einer 
geraden und volfreichen Stadt wünjchen laſſen. 

Ihre Bewohner, zum größten Theile dem Landbau fich widmend, und 
daher ohne genügenne Beweggründe, in ver Stadt zu wohnen, halten ſich 
eher auf ihren Landbeſttzungen auf, wo fie, in unmittelbarer Nähe ihrer Fel⸗ 
ver, beren Bebauung als ihrer Unterhaltaquelle obliegen, und deshalb geht 
es mit ber Stabtbenölferung rüdmärts, flatt vorwärts, wie ich beim aus 
meinen Ermittelungen ſehe, daß Caſtro in früheren Jahren eine größere Ein» 
wohnerzahl beſaß, ala Heut zu Tage. 

Die vierte Stabt ift Maullin (fpr. Masuljin). Sie liegt am Ufer des 
gleichnamigen Flufſes und gehört zum Departement Carelmapu, von welchem 
Flicken — wenn man felbft fo eine Anzahl von 15 ober 20 ſtrohgedeckter 
Hüften nennen kann — fle durch eine Ebene von 5 ober 6 Leguas getrennt 
ift, Die zum größeren Theile mit Sand bedeckt wird, welcher in ziemlich laͤſti⸗ 
ger Weiſe auch die anfloßenden Aecker ergreift. Dennoch iſt Maullin im Zu⸗ 
nehmen, und bat feinen Beruf dazu durch den fich erweiternnen Handel mit 
Holz, das aus den in unmittelbarer Nähe ftreichennen Eorbilleren geholt wird. 
Berglichen mit Carelmapu, welche, wie gejagt, ber Hauptort des Departe⸗ 
ments ift, zeigt ſich eine DVerfchlenenheit, wie ſchwarz und weiß, denn in die⸗ 
fem Orte befinbet fich blos die Pfarrfirche mit der oben bemerkten Häufer- 
zahl, in Maullin dagegen find mehr ala 60 Häufer, wohl gebaut und mit 
beſter und geräumigfter Lokalitaͤt. Rechnet man zu dieſen Bortheilen ven 
Umſtand, daß Maullin ziemlich den Mittelpunkt des Departements bildet, fo 
wird man begreifen, daß Hier die Hauptſtadt ded Departements fein muß. 
Henn ich dieſe Aenverung ver hohen Negierung in einer beſonderen Note 
vorzufchlagen mir vornehme, fo wüßte ich Feinen Umftand, welcher verfelben 
entgegenftehen pürfte, als etwa der Mangel eines Gebäudes zur Pfarrfirche; 
da nun aber dad Kirchengebäube, das fich bereits in Maullin befindet, ſelbſt 
größer if, ald die Pfarrkirche zu Garelmapu, fo dürfte nur dad Pfarramt 
dorthin verpflanzt werben, und e8 ftünde nicht zu beforgen, daß ver Ausfühs 
rung meines Vorſchlages ein ſonſtiges Hinderniß entgegenträte. 

Außer den genannten Orten giebt es Feine von Bedeutung, indem bie 
Bewohner von Ehiloe im Allgemeinen über dad ganze Gebiet zerſtreut leben, 
vorzugsweiſe aber ſich an ven Seefüften anſtedeln, wegen ber Bortheile und 
Bequemlichkeiten, die ihnen dieſe zum Transport ihrer Srüchte und Hölzer 
Darbieten. 


Induftrie. 
Ackerbau, Holzarbeit und Schiffbau bilden bis jegt die vornehmften In- 
puftriegweige dieſes Theils von Chile. Mit erſterem mache ich den Anfang. 
Man kann, ohne es zu arg zu machen, immer fagen, daß der Aderbau 
in Chiloe fich noch im Zuſtande ver Kindheit befindet, und indem er feinen 
27% 


420 Miscellen: 


Schritt vorwaͤrts gekommen iſt, ſo exiſtiren freilich noch die naͤmlichen Ge⸗ 
braͤuche, daſſelbe herkommliche Verfahren, ſowie dieſelben unvollkommenen Ges 
räthfchaften, wie in ven entfernteſten Zeiten. 

Wie unverlennbar auch der Tünftige Wohlſtand und Reichthum vieler 
Ortfihaften nur aus dem Landbau erwachlen Tann, fo find doch Die dazu er- 
forberlichen Kenntniffe ihren armen Bewohnern Höchft fremd geblieben, fo daß, 
wie gefagt, nach alter Weile immer noch flatt des Pfluges ver Gualato und 
die Lumas dienen müfjen: denn von ven Vortheilen und der leichten Hand⸗ 
habung des Pfluges dürften Außerft Wenige eine beutliche und richtige Vor⸗ 
ſtellung haben. Man kann nicht ohne Verwundern, ja nicht ohne wirfliches 
Mitleid fehen, wie ein Sohn Chiloe's mit eigenen Kräften vie Erde aufbricht 
und Schollen von 3 bis A Quarta's Breite und einer Tercia Dicke umlegt. 
Es if} dies eine der zu ihrer Feldbeſtellung gehörigen Arbeiten, vie nament- 
lich beim Xegen der Papas ’) vorkommt, und fo Hart, als gefährlich if. 
Denn nachdem das ganze Feld für die Papas mittelft des Gualato durch⸗ 
Iöchert worden, nehmen bie Leute die fogenannten Lumas zur Hand, bie 21 
Baras lang und 6 bis 8 Zoll dick find, ſetzen folche an die Bruft und geben 
ihnen mit verfelben einen heftigen Stoß, fo daß fie tief genug in den Boden 
einpringen, um Nafenjtüde von dem genannten Umfang abzureißen. Diele 
Geräthe führen die bemerkten Namen, weil eben fo die Holzarten heißen, aus 
denen fie gefertigt werben. 

Huch wenn fi mit mehr ald vollfommener Zuverläffigleit anmehmen 
laßt, daß der Boden zum Anbau von Hanf, Lein, Safer und allen Sorten 
von Gemüfen ſich eigne, fo befchränft fich doch der Aderbau von Chiloe bis 
jegt noch auf Weizen, Gerfle und Papas, und wird auch von erfigenannien 
Getreidearten eben nur fo viel probucirt, als höchftens zum eigenen Verbraud) 
der Bewohner ausreicht. Sechs bis acht Korn, und auch das nicht in jenem 
Boden, ift das höchfte, was erzielt wird, wenn das Jahr gut ift; aber was 
die Papas betrifft, fo wird doch zumeilen bi8 dad Doppelte gewonnen, je 
nachdem ber Boden iſt; denn da zumal eine anfehnliche Ausfuhr nicht flatis 
findet, fo reichen die Vorräthe immer zur Verſorgung ver einheimifchen, wie 
fremven Fahrzeuge Hin, die diefen Hafen befuchen. 

Die folgende Zufammenftelung weifet ven Ertrag ber vorjährigen Ern⸗ 
ten nach, welche nach allgemeiner Anftcht befier, als feit vielen früheren Jah⸗ 
ren, ausgefallen find. 


Departements. Weizen. Gerſte. Lein. Hafer. Papas. 
Fanegas. Fanegas. Fanegas. Fanegas. Fanegas. 


Ancud 2,564 40 — 25 18,250 
Chacao 2,288 17 6. 16 13269 
Garelmapı 3,471 — — — 23,811 

Latus 8,323 57 6 4 55,330 


1) Eine Art Wurzelfnollen. 








Die Provinz Chiloe in Chile. 421 


Departements. Weizen. Gerſte. Ren. Hafer. Papas. 
Banegad. Fanegas. Fanegas. Fanegas. Fanegas. 

Transport 8,323 57 6 4 55,330 
Galbuco 6,186 1,356 114 — 43,464 
Dalcahue 6,200 220 25 30 25,000 
Gaftro 18,150 470 18 80 51,800 
Chonchi 8,500 615 72 126 34,550 
Lemui 16,248 5,050 46 — 43,252 
Achao 9,646 522 19 227 57,080 
Dumac 2,174 872 22 — 12,250 
Insgeſammt 75,427 9,162 822 504 322,726 


Vergleicht man vorftehende Befammterträge mit denen ver 18507 Ernte, _ 
deren Angaben die Regiftratur dieſer Intendantur nachweift, fo ergiebt fich 
eine Zunahme von 14,974 Fanegas Weizen, 3363 San. Gerfte, 416 Ban. 
Hafer; dagegen eine Verminderung an Lein um 264 Fanegad und an Pa« 
pas um 25,527 Fanegas. 

Hinſichtlich der Zubereitung des Bodens ift noch zu bemerken, daß ber» 
felbe für vie Papas frifch mit Dung hergerichtet werben muß, daß aber dann 
der Weizen blos auf das Land geworfen wird, auf welchen die Ießte Ernte 
von jenen flattgefunden. 

Die Einfant für ven erften Jahreseinfchnitt gefchieht in Allgemeinen vom 
Auguft bis Ende des Septembers, und die Ernte dann im Mai; die Einfaat 
für den zweiten Jahreseinfchnitt aber beginnt am Ende des nämlichen Mo⸗ 
nat3 und endet im Laufe des Juni, worauf die Ernte in den folgenden März 
trifft. 

Die Kräftigung, die man dem Boden zu geben pflegt, beſteht in Vieh⸗ 
bünger, wobei man dem Wollenvich den Vorzug giebt; man fagt deshalb, 
e8 babe einer eine gute oder fehlechte Feldbeſtellung, je nach ver Zahl von 
Schafen, die er beflgt. — In der ganzen Provinz exiftiren folgende Thiere: 


Departements. Rindvieh. Schafe. Ziegen. Schweine. Reit⸗ und 

Laſtthiere. 
Ancud 875 2,654 267 390 415 
Ehacao 542 4,377 1,471 524 406 
Garelmapı 9,287 9,237 943 2,976 1,802 
Calbuco 1,339 10,081 1,043 2,293 466 
Dalcadue 960 8,000 500 1,600 400 
Gaftro 755 11,328 1,033 2,185 967 
Chonchi 2,394 16,680 948 1,229 622 
Lemui 323 13,033 604 2,156 540 
Achao 334 19,679 1,335 2,102 893 
Quenac 92 2,540 556 562 262 
Insgeſammt 16,901 97,609 8,700 16,017 6,773 


vw 


4 


422 Misgelien: 


In die Nichtigkeit diefer Angaben fehe ich jedoch ein ſtarkes Mißtrauen, 
dad mir durch die eingewurzelte Gewohnheit ver Landleute eingeflößt wird, 
ihre Befisthümer zu verleugnen, ohne felbft ihre Söhne auszunehmen, indem 
fle glauben, daß, wenn fie die Wahrheit fagen und daraus viele Befigthümer 
oder Familiengliever bervorgingen, man ihnen Steuern auflegen ober einen 
Sohn zum Dienft der Armee einziehen werde, gegen weldyen Beruf fie im 
Schreden gerathen. An folcher Verbeimlichung nun nicht zmeifelnd, trage ich 
fein Bedenken, jeder Gattung des Viehes noch ein Drittheil hinzuzufügen, 
und diefer Anficht find auch die Provinzialbehörven und fonftige Perfonen, 
durch deren Leitung ich in Beflß diefer Angaben gefommen bin. Deffen un 
geachtet muß man einräumen, daß das Rindvieh in Ehiloe nicht zur Verſor⸗ 
gung feiner Bevölkerung ausreicht und folglich die Nachbarprovinzg Balbivia 
noch dazu beiträgt. 

Es ift auffallend, daß die Lein ſaat nicht im Großen betrieben wird, und 
daß man nicht den beveutenden Gewinn nach feinem wahren Wertbe fehägt, 
ven man aus deren hohem Wuchfe ziehen kann; denn da dieſes Gewächs ve 
gen feines leichten Anbaued und überaus reichen Ertrages — unflreitig wer 
gen des feuchten Erdreichs — ganz vorzüglich für dieſes Clima paßt, fo würde 
daraus ein fehr einträglicher Induſtriezweig zu bilden fein. Man baut ven 
Zein vermalen blos deshalb an, um den Samen mit dem Weizen zu mengen 
und geröfteted Mehl zu machen. Indeß wird denn boch im Departement 
Chonchi auf beſondere Beftelung und nicht ohne viele Bitten und Verſpre⸗ 
ungen daraus ein Gewebe bereitet, das, dem europäifehen Damaft ähnlich, 
zu Mänteln verarbeitet wird. 

Hafer wird in dieſer Provinz erft feit wenig Jahren in fehr geringer 
Menge und nur von einer Fleinen Anzahl Lanvleuten gefäct. 

Hülfenfrüchte tragen alle fehr gut, man fäet deren aber gleichfalls in 
geringer Menge uud blos für den Verbrauch jener Familie in grünem Zu- 
ftande, oder höchftens für ven Vertrieb fehr beichränkter Ouantitäten nad 
dem Hafen von Ancud. Maid ift am wenigftens befannt. 

Der für die Bierbrauerei fo wichtige Hopfen, ſowie andere Frautartige 
Gewaͤchſe, die mit außerorbentlicher Fruchtbarkeit hier geveihen würden, fint 
bis jetzt unbelannt. 

Mur die Arbeit mit Holz iſt ein Gewerbszweig, ver dem Handel von 
Chiloe ein gewiſſes Leben und felbft die Hoffnung eines großen Auffchwunge 
giebt; ohne viefen würde der Handel ſchwach und bedeutungslos fein. 

Täglich waͤchſt die Zahl der Arme, die fich demfelben widmen, und es 
giebt Departements, Calbuco zum Beifpiel, in denen der Zug nach ven Cor⸗ 
dilleren zwei, ja drei Mal des Jahres ein wahres Gebot für deren Einreohner 
ifl, die ihre Wohnungen verlafien, die wenigen Feldarbeiten weiblichen Gänten 
übertragen, ihre Heinen Söhne aber mitnehmen, um aus ihren ſchwachen 
Kräften Gewinn zu ziehen, und vamit fie fich gewöhnen, die Berge zu er- 








Die Provinz Chiloe in Chile. 423 


flettern, und ohne Staunen und Furcht den Gefahren und Schwierigkeiten 
in's Auge zu fehen, vie es Eoflet, die Leber und Cypreſſe zu fällen, zu be= 
bauen und an bie Geflabe zu bringen. 

Ohne Zweifel ift die Arbeit mit Holz im der Provinz die allgemeinfte; 
«8 giebt jedoch Departements, in benen fie eine beſonders überwiegende ifl. 
In erfter Linie ſteht bier Calbuco, und es folgen Duenac, Garelmapu, Chonchi 
und Lemui; in dem Handel mit Cedernholz Liefert pad erſte vornehmlich ge» 
wöähnliche Bretter, das zweite dicke Bretter, dad dritte kleine Bohlen, das 
vierte Kernholz von Cyprefſſen und Bohlen von Ralral. 

Die Bewohner ver übrigen Departements, nämlich Chacao, Dalcahıe, 
Achao, Gaftro und Ancud, verbinden fich nicht fo zu gemeinfchaftlichen Leis 
flungen, wie die der andern borerwähnten, noch machen fie Züge nach ven 
Cordilleren; innerhalb ver Provinz aber bearbeiten fie mit Fleiß und Gewinn 
Bohlen und Bretter von Lorbeer, Hafelnuß, Muermo u. a. und fiefern Lu⸗ 
mas von 4 bis 8 Varas, Schwellen von 6 und 8 Varas ıc. und brauchen 
für die legten das Beil, für die andern die Säge. Der Gebrauch vieler Ge⸗ 
rätbfchaften ift jo allgemein, daß fle nicht Leicht In einer Familie fehlen, vie 
fi) mit Holzarbeit beichäftigt, und noch feltener iſt ed, daß fie einer nicht mit 
Bebenvigkeit und Geſchicklichkeit zu handhaben verſtehe. E& giebt jetzt ſelbſt 
15 bis 20 durch Waſſer getriebene Sägemühlen, die faft alle in ven letzten 
zwei Jahren bort gegründet worden find. Sie fägen, wenn dad Holz Fein 
hartes ift, bis 20 Bretter in der Stunde, und würden, wenn fie dad ganze 
Jahr im Gange fein könnten, beträchtliche Quantitaͤten Tiefern; allein in der 
guten Jahreszeit iſt oft nicht Wafler genug vorhanden, oder die Bohlen pafien 
nicht für die Einrichtung der Mafchine. 

Das Departement Baftro ift dasjenige, welches fich am wenigften mit 
Holzfällen befchäftigt; indeß ift große Wahrfcheinlichkeit vorbanven, daß, wenn 
ſüdlich des Gambao⸗VFluſſes ein Weg über einen bichtbewalbeten Berg, ber 
in weftlicher Richtung fich dem Auge zeigt, eröffnet würde, man dieſem Er» 
werbözweige fein Intereffe zuzuwenden anfangen und größeren Gewinn, ale 
aus irgend einem anderen, erzielen werde, indem biefer Berg einen Ueberfluß 
der evelften Holzarten, ald Cypreſſe, Alerce (fol eine Cederart fein), Ralral 
und Maniu, und zwar in größter Nähe, enthält. 

Bereits find eigens Unterfuchungen, ſowohl wegen des Vorhandenſeins 
jener Hölzer, ald der Möglichkeit der Anlegung eines Weges gemacht worben, 
die ein Höchft zufriedenſtellendes MNefultat geliefert Haben: ich gedenke mich 
daher bei dem Herannahen des Sommers ernftlich mit diefem Punkte bes 
öffentlichen Intereſſes zu beichäftigen. 

Die außerordentliche Nachfrage nach Hölzern in ven legten Jahren hat 
zur Kolge gehabt, daß diejenigen, welche damit Handel trieben, auf richtige 
Dimenflonen jedes Stuͤcks nicht fonderlich hielten, und natürlich wurden biefe 
auch von ven Arbeitern verringert, ſobald fie dad merkten, namentlich an ben 


424 Mistellen: 


Cederbrettern, fo daß manches derſelben zu aller Bearbeitung untauglich ward. 
Endlich iſt dieſer von den Handelsleuten ſelbſt geduldete Mißbrauch in ſeinem 
Beſtehen und feinen Folgen offenbar geworden, und ed iſt, wenn demſelben 
nicht abgeholfen wird, zu beforgen, daß ver Holzhandel von Chiloe feinem 
Untergange entgegengehe ober wenigſtens flationär bleibe. Bereits haben ſich 
die Ruͤgen und Reclamationen Seitend der Handelsleute anderer Plätze in 
fehr ungünftigen Ausprüden, vie ſchnell auf einander folgten, ausgefprochen, 
und würben enblich früher over fpäter eine gänzliche Entwerthung ver Ehiler- 
Hölzer herbeigeführt Haben. Bon viefer ernften Erwägung durchdrungen, umb 
befannt mit der einflimmigen Geneigtheit ver Theilnehmer viefes Handels, 
babe ich ihnen meine Bereitwilligfeit zu erkennen gegeben, zu einer entfprechen- 
den Ausführung der Maßregeln, die fie befchließen würven, um jenem Uebel 
Rande ein Ziel zu fegen, fo weit es meinerfeits thunlich fei, mitzuwirken, und 
dies bat fle fofort zu einer Zufammenkunft veranlaßt, in welcher fie den Bes 
ſchluß faßten, Feine Sorte Holz anzunehmen, welche nicht die vor dem Han⸗ 
velögericht feftgefeßten und in ver Acte jener Uebereinkunft angegebenen Di⸗ 
menflonen habe. Dieſes Document, durch die Intendantur an alle oberen 
und unteren Beamten in Girculation gefeßt, erreicht auch bereitö den gewünſch⸗ 
ten Zwed, und zwar ohne Benachtheiligung der Arbeiter, indem man viefen 
zu ertennen gegeben bat, daß es ihnen freiftehe, ven Preis ihrer Hölzer zu 
erhöhen oder nicht. Die geforverten Dimenfionen find überdies ſelbſt geringer, 
ale fie vor 4 oder 6 Jahren üblich war. 

Der folgende Tarif giebt die gewöhnlichen Holzpreife in der Provinz an: 

dad Hundert Peſos Reales 


Lumas, 8 Varas lang... . . das Hundert 50 
-» be. 2 2 2 2 2 2 2 es 25 


Bretter von Mare . 2 2 2 2 0 a ⸗ 6 2 
⸗geſaͤgte von Lorberr. ⸗ ⸗ 144 — 
⸗ ⸗von Maniu. ⸗ 18 — 
Madrinas (Kernholz) von Fopreft ⸗ ⸗ 25 — 
Bohlen von Cyyreſſe ⸗ ⸗ 12 4 
⸗ » Are . 2... ⸗ = 12 4 
⸗ ⸗Lorbeer.. ⸗ = 12 4 
⸗ ⸗Muermo. ..2 ⸗ 12 4 
kleine Balken von UÜere . . . . das Stud ii — 
—W ⸗Lorbeer ⸗ — 4 
⸗ ⸗ ⸗Cypreſſe...⸗ ⸗ 1 — 
⸗ ⸗ s Murm. ...» ⸗ — 4 
Guiones (Schwellen?) ⸗ ⸗ 6 2 
dicke Bretter von Aleree... ⸗ ⸗ 12 4 

. Maniu, von 8 Varas, ⸗ ⸗ 75 — 

⸗ ⸗ » Malral, von 3 bis 4 V.⸗ ⸗ 40 — 





Der Guano und feine Hauptfundorte. 425 


das Hundert Peſos Reales 

Ballen von Muermo, 8 Baras lang, ⸗ ⸗ 100 
» Gbale . . .. .. ⸗ 75 
Pfoſten von Alerce, von 8 Varas . dad Stück 3 
a s GSuprefle, von 4 Bars . =» ⸗ 1 
Ken ... .. . das Hundert 4 
Rinde, die Fanega (ira * Berliner Scheffel) — 


(Schluß folgt.) 


latlı 


Der Guano und feine Hauptfundorte, 
(Schluß.) 


Der Guano ſelbſt zeigt ſich in mächtigen Lagern übereinander gehäuft, 
und zwar fo, daß dort, wo er tiefer gebrochen wird, fich feine verfchienenen 
Schichten dem Auge deutlich bemerkbar machen, ba file in der Färbung von 
einander etwas verſchieden find und in mannigfachen Tönen zwifchen braun 
gelb und graugelb wechſeln. Die Maſſe deſſelben ift fehr troden und laͤßt 
ſich Teicht zerbrödeln und bei nur einigermaßen frifchem Winde wird fie als 
wirbelnder Staub weit über vie Infeln Hingetrieben, vie ganze Atmofphäre 
mit Qualm ſchwaͤngernd und oft ben Horizont völlig unflchtbar machend. 
Wenn auf dem Trandporte durch irgend welche Umflände die Ladung feucht 
wird, zeigt fe fich fihmierig und Elebrig und verbreitet einen dem @eruche 
eines unreinlichen Hühnerftalles ähnlichen Geſtank, was man fonft eigentlich 
nicht vom Guano fagen kann, — natürlich unbeſchadet Jedermanns Geſchmack, 
— obfchon er immer einen flarfen, beizenven, urindfen Geruch an fich hat. 
Es finden fich große Stüde Salmiak in vemfelben, und zwar von völliger 
glasartig durchſichtiger Barbloftgkeit, oder von grauer, gelber, faft ſchwarzer 
und oft glänzend weißer Farbe, in Kugel», Ei⸗ over phantaflifcher Geſtalt, 
und am häufigften in meblartiger Beimifchung in dem hellbraunen Stoff der 
unterften Schichten, die am meilten zerbrödelt find. Die Arbeiter fuchen be» 
gierig nach diefem werthvollen Salz und follen auf eigene Hand einen Fleinen 
Schmuggelhandel mit demfelben zu betreiben wiſſen. 

Wir find bisher in diefer Darftelung unbedingt der Annahme gefolgt, 
daß der Guano aus Ererementen von DBögeln beſtehe und gebrauchten fogar 
Dafür den Ausdruck Vogeldung. Es war died auch der bisher herrſchende 
Glaube, der jedoch Hier und dort Wiverfacher gefunden hat und jett bezwei⸗ 
felt und ſogar beftritten wird. In Peru felbft wird die Bogelbungtheorie 
gleichfalls von vielen Seiten verworfen und die Behauptung aufgeftellt, daß 
Der Angamos⸗Guano nie zu wahrem Guano werden Fönnte und den Namen 
daher eigentlich nicht verbiene, ſondern fälfchlich führe Ein merfwürbiger 


426 Miscellen: 


Umflaud iſt es allerdings, daß die vierte Inſel in ver Chinchas⸗Gruppe, die 
jetzt der Hauptaufenthalt der Vögel iſt, welche ven Guano erzeugen ſollen, 
keine Anſammlungen des Miſtes derſelben aufweiſt, obſchon ſie ſich viel über 
die von dem maͤchtigſten Wellenſchlage erreichbare Höhe erhebt. Die Moͤg⸗ 
Jichkeit, daß dieſe Vögel, gleich dem wilden Stamme ver Llama, der Gua⸗ 
nako's und Vicunna's beſtimmte Orte aufiuchten, um dort ihre Außsleerungen 
gemeinfchaftlich abzuſetzen °), ift Faum anzunehmen, ba der Aufmerkfamfeit, 
mit welcher viefelben jet beobachtet werden, wohl faum die Infeln und 
Klippen entgangen fein würven, welche den noch lebenden Befchlechtern zu 
diefem Zwecke dienten. Die Berfchiedenart ver Voͤgelarten an der perua- 
nifchen und patagonifchen Küfte möchte die Verſchiedenheit des Guano auch 
nicht völlig erklären, wie es von Anhängern ver erften Theorie gefchieht. 
Uebrigend gehören fie alle ver einen Orbnung ver Schwimmvögel an; auf 
den peruanifchen Infeln berrfcht die Familie ver Pelilane und in Patagonien 
die der Fettgaͤnſe vor. 

Die Wahrheit mag wohl, wie es fo häufig zwifchen zwei Anflchten ver 
Fall if, in der Mitte beiver Theorien liegen, denn aufmerkſame und verflan- 
dige Seeleute, welche den Guano in feinen Schichten an Ort und Gtelle 
faben, verfichern, den Hauptbeſtandtheil als verweſte oceanifche Subſtanzen 
erfannt zu haben, was leicht darin feine Exrflärung finden möchte, daß vie 
bortigen Vogelfamilien meiſt gejelfchaftlich und zwar in Schaaren, welche oft 
eine auch nur annäbernde Abfchätung verbieten, in einer Art- von gemteinfas 
men Nefte, das ſie durch gegenfeitig fich unterflügende Anſtrengung aus allerlei 
groben, vom Meere ausgeworfenen Pflanzenreflen erbauen, brüten und leben. 
Hierfür fpräche ferner, daß man oft auch ganze Vögel mit Haut und felbit 
Gefieder, ſowie einzelne Slügel, Beine und Gerippe verfelben im Buano fin 
det. In den oberen Schichten fieht man dieſe heile oft noch ziemlich un- 
verfehrt, während fie in ven unteren dagegen ganz zerbrödelt find. Da ſie 
leiver bei der Ieifeften Berührung auseinander fallen und zu Guano werden, 
erlaubt eine genaue Betrachtung ver Skelette, auch durch die Bergleichung 
der Anatomie, nicht die Beflimmung, weldyer Bogelfamilie diefe Nefler ange 
hören. Auch viele Seelömen, von denen ſowohl die Mütenrobbe, ald auch 
die gemähnte Ohrenrobbe dieſe Gegenden befuchen, finden ſich als Leichen und 
Gerippe in dem Guano. Auf der Infel Chinchas felbft ift eine Grotte, in 
welcher fie zu 40 und 50 auf einem Flecke dicht bei einander gefunden wur⸗ 
den. Den Angaben zufolge follen fich dieſe Ihiere an beflimmte Orte bege 
ben, fobald fle ein Gefühl ihres Herannahennen Todes haben. Dieje gewiß 
hoͤchſt merkwurdige Sitte fand Darvie gleichfald bei ven Guanako's in ven 
bier nahe liegenden Andesketten, und vielfach find Sterbepläße verfelben, fett 


+) Darvie fand dergleichen Düngerhaufen von 8 Fuß Durchmefler und mehr, 
die in den holzarmen Gegenden Patagoniens den Iudianeen ein koſtbares Breunma: 
terial abgeben. €. 








Der Guano und feine Hauptfundorte. 427 


in der Nähe des Meered over an Ylußufern, gefunden worden, bie dicht mit 
Steletten und Knochen bebedit waren, deren gute Erhaltung und völlige Un⸗ 
benagtheit die Bermuthung verbot, daß an foldhen Steffen das Lager ihre 
Beute zufammenfchleppender Maubtbiere geweſen fei. 

Der Vorrath an Guanomaſſe ift allerbingd ein ungeheurer, erreicht aber 
dennoch nicht die fabelhaft Elingenven Angaben, wie jie 3. ®. in Nopitzſch'o 
„Kaufmännifchen Berichten” S. 274 ober in Anverdjond „Weltumfegelung ” 
angegeben find. Derfelbe fagt, man babe berechnet, daß vie Infel, die eine 
Dberfläche von 8 engl. Quadratmeilen bat, auf ihrer Belfenmafie 495,616,000 
Kubik⸗MPard Buano zu Liegen babe, was, da jede Kubik⸗Mard ihrem Gewichte 
nach auf 4 englifche Eentner berechnet wernen muß, 1,982,464,010 Gentner 
oder 99,123,300 Tonnen giebt, woraus folgt, daß die Infel jährlich 50,000 
Tonnen 2000 Jahre lang liefern könnte. Die höchfte anzunehmenne Ausfuhr 
wären 500 Ladungen in einem Jahre; jede zu 200 Schiffö-Laften (2 Laſt find 
glei 5 Tonnen) berechnet, und fo würde biefer Vorrath der einzigen Inſel 
Chinchas erft in 200 Jahren erfchöpft fein, doch dürfte ſich in biefem Zeit 
raume auch wohl eine nicht unbedeutende Maſſe wieder gebilvet Haben. Ganz 
fo übermäßig hoch ift jedoch in Wahrheit ter Vorrath nicht, vielmehr ergab 
die von einer Depitation von Ingenieuren im Anftrage der Megierung unter» 
nommene Meſſung der Buanomafle für den Gefammtvorratb der drei Chin⸗ 
hass Infeln nachſtehendes Mefultat, welched vie peruanifche Geſandtſchaft zu 
London am 7. Februar 1854 veröffentlichte. Die Lager haben vurchfchnitt« 
lich ungefähr 60 Fuß Dicke und enthalten 12,376,100 Tonnen Guanoz dieſe 
Schägung zeigt aber Meflungstonnen an, welche erfahrungsmäßig nach Ges 
wichtötonnen ded Marktes berechnet eine Mehrheit von etwa ein Drittel erges 
ben, wonach 15,501,466 Tonnen Gewicht noch von diejer Infelgruppe zu 
verführen find; die anderen Lager follen erft noch gemeſſen werden. Der uns 
ermeßliche Geldwerth, ven dieſe Maſſe repräfentirt, if Leicht zu berechnen, 
wenn man weiß, daß die Tonne Buano gegenwärtig 9 Pfund Sterling in 
England gilt, wovon die Hälfte auf die Bracht gerechnet wird. 

Die reichfte ver Infeln ift Chinchas ſelbſt; an derfelben wird in biefem 
Augenblide an ver Nord⸗, fowie an der Sühfeite gleichzeitig geladen. Die 
Stelle, wo dad Brechen des Guano jetzt gefchieht, liegt nicht weit von dem 
bewohnten Theile ver Infel. Sie beſteht aus einem hoben und fleilen Hügel, 
auf deſſen Seiten jedem Arbeiter ein länglicher Haum von etwa zwei Ellen 
Breite angewiefen ift, der von dem feines Nachbars durch aufrechtflehenve 
maueräßnliche Guanofämme getrennt iſt. In viefem Raume fteht der Arbei⸗ 
ter und bricht oft unter großen Anflrengungen, ba der Guano in feinem Zu⸗ 
fammenbange fo hart ift, ala es nur Stein fein kann, mit Spighade und 
Spaten große Stüde los, die fobann zu dem Buße des Hügeld nieberroflen, 
wo fie gefleint und auf Schublarren ober in Säde gefüllt werben, um fie 
zu den Ladungsplägen zu führen. Died gefchieht in orventlichen feften, mit 


428 | Miscellen: 


eifernen Schienen verfehenen Wagen. An ven Klippen, wo bie Labungepläge 
befinplich find, Hat man Hohe Holzplanken in Form eines mit der Spige nad 
außen gemwenbeten Dreiecks errichtet; aus ber Spige wird der Guano in bie 
Schiffe Hinausgewälzt, und dieſe Arbeit, das eigentliche Verladen, iſt der wider⸗ 
wärtigfte Theil aller Befchäftigungen mit biefem Handelsartikel. Man ver 
fährt dabei folgendermaßen: 

Langt ein Schiff an, fo legt es fo nahe als möglich der Ladungsklippe 
an, wirft dort an einem beitimmten Flecke feinen Ballaft in ven Ocean und 
nimmt gleichzeitig dieſelbe Schwere an Guano ein, um das richtige Gewicht 
zu behalten und fich gegen das limfchlagen zu fichern. Diefe Laſt wird ihm 
“ auf der Infel gehörigen Prahmen zugeführt, ſodann geht es zurkd und nimmt 
die Anterftelle auf der Rhede ein, welche ihm orbnungsmäßig nach der Zeit 
feiner Ankunft zufdmmt, und erhält die Labetage zugemwiefen, welche oft bei 
großen Fahrzeugen eine preimonatliche Liegezeit erfordern, während Fleine Fahr⸗ 
zeuge nach einer Formel zwifchenpurch belaben werden. Die weitere Belaftung 
geſchieht auf zweierlei Arten, durch Boote, welche 40 bis 50 Tonnen Ladung 
Halten umd fie nach der Rhede binausbringen, oder mittelft einer näher zu 
befchreibenden Vorrichtung, „ver Schut (ehoot)* unter der Klippe ſelbſt. Die 
erftere Art foll den Borzug vor der zweiten haben, geringere Abgaben zu 
zahlen, was nur durch den Umſtand zu erklären fein wuͤrde, daß die Schifie 
dadurch gezwungen find, einen längeren Aufenthalt an ver Infel zu nehmen. 
Die Schut ift eine Tegelfürmig auslaufennde Röhre vom ftärfften Segeltudk, 
welche oben auf ver Klippe mit ſchweren eifernen Ketten befeftligt wird und 
bis Hinab in den Schifferaum führt. (Die jebige Ladeklippe Hat vie Höße, 
daß fie ungefähr mit ven Toppen der Bramflengen in einer Horigontalebene 
liegt). Undurchdringlicher Staub wirbelt in die Luft, wenn ber Guano durch 
die Schut raufcht, und alle Vorficht der Seeleute, welche fich währen des 
Ladens Mund, Ohren und Nafen mit Tüchern verbinden, und durch Aus- 
fpannen von Segeln nach der Klippenfeite zu das Einpringen des fohmusigen 
Stoffes in die Kaflıten zu verhindern fuchen, ift vergeblih, denn die Fahr⸗ 
zeuge nehmen fogleich ein ihre Fracht verrathendes graugelbes und höchſt un⸗ 
ſauberes Anfehen an. Die Infel befitt mehrere Schutd und kann mit jeder 
derfelben ein Bahrzeug von 400 Tonnen in weniger, ald zweimal 24 Sthm- 
den belaften, Eine in England beftellte und erwartete Mafchinerie foll vie 
felbe Laft Fünftig in 14 Stunven in ein Fahrzeug fchaffen können. 

Die Bemannungen der Schiffe dürfen die Infeln nicht betreten, da es zu 
wiederholten Malen vorgelommen ift, daß zwifchen ihnen und den auf den» 
ſelben ftationirten Arbeitern blutige Schlägereien ſtattfanden. Die Lebteren 
find theilmeife Verbrecher, welchen eiferne Fußſchellen und fchmere Ketten das 
Leben und vie ohnehin nicht Leichte Arbeit noch faurer machen, theils politis 
ſche Gefangene, vie bei ven fo gut wie alttäglichen Aufftänden Peru's gegen 
bie herrichenne Partei und Megierung eine befoldete over unbeſoldete Oppo⸗ 


Der Guano und feine Hauptfundorte. 429 


fition bildeten und durch Zufall mit ven dort an der Tagesordnung feienben 
Umflurzverfuchen fcheiterten, und envlich einer Anzahl Ehinefen, welche ihrer 
Behauptung zufolge zwar freiwillig hierher gekommen, — wie manche Stim⸗ 
men angeben, durch falſche Vorfpiegelungen verlodt, — aber, wenigftens aus 
dem Berlufte ihres volfsthümlichen Haarzopfes zu ſchließen, wegen ihres Vers 
Halten gegen das Geſetz und die Geſellſchaft unfreiwillig ihr Vaterland ver⸗ 
Iaflen mußten. Sie führen ein qualvolles und entjeßliches Leben, fchlinmer 
noch, als das der Gefangenen, deren 2008 es in der Megel if, nur A bis 5 
Jahre bei der Guanoarbeit zu bleiben, für die aber im jeder Hinficht beſſer 
geforgt ift, als für vie unglüdlichen ausgefloßenen Söhne des himmliſchen 
Reiches, deren trübe Schwermuth auch der elendeſte der hieſigen Verbrecher 
mit dem böhnenden Zuruf: „Chin! Ein!” noch neden zu Dürfen fich berech⸗ 
tigt glaubt. Wie Sclaven behandelt und Nachts in Höhlen unter ver Guano⸗ 
oberfläche eingefperrt, fuchen fe oft im Selbfimord das Mittel zur Befreiung 
von ihrem Elende, und flürgen ſich von ver Klippe hinab in's Meer, ober 
durch den Schut mit dem Guano auf das Schiff, wo dann ihre Leichen mit- 
unter erft bei der Auslabung entdeckt werben. Nichts Tann betrübenber fein, 
als der Anblick dieſer Menfchen. Im Geſicht und an den fänmmtlichen Glie⸗ 
dern von dem beißenden bräunlichen Staube bedeckt und mit zerriffenen Klei⸗ 
dern gewinnen ihre abſchreckenden Geſichtszuge, vie einem verbrecherifchen Reben 
und einem ſchuldbedeckten Gewiſſen entfprechen, einen grauenhaften und Ban« 
gigkeit erweckenden Ausdruck. 

Die Arbeitszeit währt von 3 Uhr Morgens bis 10 Uhr Vormittags, 
und von A Uhr Nachmittags bis 7 Uhr Abends; in verfelben ift jeder Ar⸗ 
beiter verpflichtet, täglich 90 Karren Buano zu brechen; was er über dieſes 
Maß liefert, wird ihm befonvers bezahlt, wodurch er fich einen Sparpfennig 
erwerben könnte, wenn er es nicht in ber Hegel verflünde, troß des Verbots, 
Spirituofa auf die Infeln einzuführen, durch Schmuggelhandel fich im „Bisto* 
den Duell des Vergeſſens feines Elendes zu verfchaffen. Der monatliche Ars 
beitslohn ift außer der fchlechten Koft und dem Wafler, welches die Handels» 
gejellfchaft, die ven Guano in Pacht Bat, befchaffen muß, 4 Piafter, oder, da 
der Piafler Suͤd⸗Amerika's 1 Thlr. 13 Sgr. zu gelten pflegt, täglich 5 Sil⸗ 
bergrofchen und 9 Pfennige. Da die Infel felbft kein friſches fühes Waſſer 
hat, ift jedem ankernden Schiffe vie ſehr verflännige Abgabe auferlegt, je 
nach feiner Größe einen Vorrath von Wafler auf der Infel abzuliefern, und 
zwar in dem PVerhältniß, vaß jene 100 bis 150 Tonnen Laſt eine Tonne 
Trinkwaſſer befchaffen müffen. 

Die Negierung von Peru bat ſelbſt mit ver Ausbeute des Guano nichts 
zu Schaffen, ſondern geftattet vielmehr dem Meiftbietenden, gegen eine im Vor⸗ 
aus zu entrichtende Summe, auf eine längere over kuͤrzere Zeit, gewöhnlich 
aber auf ein Jahr, die Verfchiffung Es Hat fich zu dieſem Zwecke eine 
Sandelögefellfchaft gebildet, die aus verfchienenen, meift englifchen, großen 


430 Mistellen: 


Handlungshaͤuſern in Lima und Callao beſteht. Die größte Verſendung geht 
nach England, und geſchieht immer auf Rechnung ber erwähnten Geſellſchaft, 
fo daß an Ort und Stelle kein Guano verkauft wird. Die Fahrzenge, welche 
ihn holen, müflen Lima oder Callao, und alle Pisko anlaufen, um dort zu 
Flariren, woher in manchem Jahre nahezu ein halbes Tauſend Yahrzeuge vie 
fen Fleinen Hafen befuchen. Um vie Souverainetätörechte der Republik aufs 
echt zu erhalten und die Inſeln unzweiveutig als peruanifches Staatteigen- 
thum zu bezeichnen, fowie um unter der Menge ber auweſenden Handelsfahr⸗ 
zeuge, vie alle Farben der bunteften Flaggenkarte aufweifen, die Ordnung zu 
fichern, it ein Orlogsſchooner bier flationirt und mit Vollmacht und Mitteln 
auögeftattet, ven Willen ver Megierung und das Geſetz zur Geltung zu bringen. 

Die Zahl ver beſtaͤndig auf ver Infel Berweilenven beträgt in ber Regel 
200 Köpfe. Ihre Anflelung, wenn man ven Aufenthalt vafelbfi fo nennen 
darf, liegt an dem nörblichften Punkte, bei einer fteil, wie eine Mauer, ab⸗ 
flürgenden Selfenwand, von welcher eine mit großer Mühe angelegte Treppe 
zum Strande binabführt. Die Wohnungen der Buchhalter ver Gefellfchaft 
und Aufjeher der Arbeiter find nothdurftig aus Brettern zufammengenagrlte 
Häufer, und vie Arbeiter felbft wohnen in einer Art Hütten von Bambus: 
ftöden und Mobrmatten, im Viereck ausgeführt und etwa A Ellen hoch, aber 
bald von größerem, bald von Fleinerem Umfange, und in verfchiebene innere 
Näume geheilt, vie jedoch ſtets fehr ſparſam bemefien find, nur ven Platz 
für die allernothwendigften Geräthichaften geftatten, bed gevielten Fußbodens 
entbehren, und fich im völligfien Naturzuftande befinden. Die Chineſen find, 
wie ſchon bemerkt, von den Peruanern getrennt und friften als Höhlenbewoh⸗ 
ner ihr trauriged Dafein. Noch weiter nörblicher, als viefe wüfte Aufent 
balteftätte ver Lebenden, befindet fich ver legte Ruheplatz der hier von ihren 
Banden Befreiten. Wohl ſchwerlich giebt «8 irgendwo einen fdhauerlicheren 
und abſchreckenderen Kirchhof, als viefen auf der Infel Chinchas. Da feine 
Erde vorhanden ift, fo bettet man die Leichen im Mül des Guano, größere 
Städen darauf zu formlofen Grabhügeln zufammenwälzend, die den ſchmud⸗ 
Iofen Grabmälern und Kreuzen Taum fo lange eine erhaltene Stüße fiat, 
als der darunter liegende Leib gebraucht, vie Auft mit entfeglichem Bermwefungd 
geruch zu erfüllen und im Guano ſelbſt zu Guano zu werben. 

So wenig Erheiterung auch für die Befehlshaber und Offiziere ber Fahr⸗ 
zeuge auf ber nackten Blur, ober, richtiger ausgedrückt, Yläche, wo fein Baum, 
fein Strauch, Fein Grashalm, nicht einmal ein wenig Moo8 aus bem roth: 
braunen Boden berborfprießt, wo der Zuß nur jeden Augenblict in Vertie⸗ 
fungen tritt, worin Zaufende von Vögeln haufen, varbietet, fo berrfcht doch 
viel Gefelligkeit unter der Menge der Gapitaine, welche gezwungen find, bier 
eine längere Liegezeit im Müſſiggange zu verbringen. Man flattet fich gegen 
feitig Befuche ab, unmanbelt die Injeln, an verem Rande fich hier und dort 
die Bergwaͤnde in's Meer Hinabfenfen, das unabläffig feine Brandung fchän- 





Der Guano und feine Hauptfunborte. 481 


mend baran bricht; befucht die Klippen, vie, freiftehenn außerhalb der Intel 
oft in hoͤchſt phantaflifchen Formen umherliegen und mitunter ſich nur als 
losgeriſſene große Stüde des den Guano tragenden Felſens ausweiſen, viels 
leicht durch die verzehrende Gewalt der beizenden Maſſe abgelöfl. Die Klippen- 
wände find felten glatt; große geräumige Grotten mit Durchgängen von einer 
zur andern, dem Bußgänger und zuweilen auch Booten zugänglich, ungeheure 
Klüfte und Hervorfpringenne Blöde geben ihnen ein gebrochenes, oft groß⸗ 
artiged und majeftätifches Anſehen. In jenem Schlupfloch figen Bögel zu 
Taufenden; bald find es große, zur Familie der Pelikane gehörenve räuberifche 
Tölpel (Sula fusca), bald ift e8 der Verfünder eines herrlichen Klima's und 
eines Oceans, auf welchem das Schiff tagelang in geraver Linie und ohne 
erhebliche Veränderung der Segelftelung feinem Ziele entgegeneilt, der ebenfo 
grazidfe und ſchoͤne, als vichterifch benannte Phaston oder Tropikvogel; dann 
in ungeheuren Schaaren Mövenarten, wie vorzugsweiſe der Scheerenfchnabel, 
tie Quebranta huessos oder der Beinbrecher, der von Patagonien aus auf 
feinen gierigen Jagbzügen den anderen Waſſervögeln bis Hierher folgt; und 
faum weniger zahlreich, ald die Möven, die Schwalbenfturmudgel. Sie alle 
bemühen fich in einem gemeinfchaftlichen Goncerte, ſitzend oder über ver Waffer- 
fläche flatternd, ihre Stimmen, die meift rauh und heiſer tönen, erflingen zu 
lafien. Seelöwen ſchwimmen oft in Schaaren umher und jagen nach ven 
Pferdemakrelen, vie bier vie Größe von ſtarken Schelffifchen erreichen, und 
werfen fie, wenn fle biefelben erreicht, fpielend, Hoch aus dem Waſſer, in ver 
Zuft danach fihnappend. In weifer Vorſicht verbot die Regierung von Peru 
daB Jagen und Erlegen ver Vögel und Serlöwen, um bie immerhin möglis 
hen Guanoerzeuger vor Störung ober gar Verfolgung und Ausrottung zu 
fihügen. Jever im Bereich ver Infel abgefeuerte Schuß zieht eine Strafe von 
5 Biaftern nach ſich. Der Befehlshaber des Schooners Hat aber das Recht, 
zur Bereicherung ver naturhiftorifchen Sammlungen die Erlaubniß zur Er⸗ 
Iegung einzelner Thiere mittelft Steinwärfen und durch Knittel zu geben. 

Der Zifchfang iſt Hingegen erlaubt und völlig frei, und durch die ein⸗ 
fache Manipulation ver Herablaffung großer Körbe in das Waſſer ziehen vie 
Matrofen Tauſende von Fleineren und größeren Fifchen aus den Wellen auf 
ihren Tifch. Auch Haye umfchwärmen Häufig die Fahrzeuge und bei Wind- 
ſtille fegen die Walen, welche dieſe Gegenden befuchen, um ihre Jungen zu 
gebären, das Meer in Heftige Bewegung, ihre dampfende Waflerfäule oft bis 
zu 15 Fuß Höhe ausfprigenn. Zahllofe Weichthiere und Kruftenthiere leben 
in den Tangarten, von denen die Klippen umgeben find, und wenn der Tod 
und die Reſte des Todes in finfterer Einfamfeit auf der Höhe ver Infeln 
tbronen, bewegt fih um und unter venfelben dad mannigfaltigfte Leben. 

Des herrlichen Klima's ift fchon gedacht worden; nie fällt Regen in die⸗ 
fen Gegenden, fchwerer Thau erfegt auf den nahen Küften Peru's nothdürf⸗ 
tig den befruchtenden Niederſchlag. Stürme und Orkane find eben fo unbe⸗ 


432 Miscellen: Der Guano und feine Hauptfundorte. 


kannt und immer fchönes Wetter macht ven Namen „flilles Meer“ zur voll⸗ 
fommenften Wahrheit für den hier ſanftwogenden Ocean, den die peruanifchen 
Küftenfahrer mit Bahrzeugen durchfurchen, deren Segel Feine Reffbännfel 
haben. 

Die Rhede zwifchen ven Infeln bat zwar eine etwas offene Lage, da aber 
die harten Winde bier nie vorfommen, liegt man in der größeften Sicherheit. 
Der Ankerplatz für vie großen Fahrzeuge ift an ver Norbfeite ver Infel Ehin- 
has, hat guten Grund und 15 bis 24 Faden Tiefe, vie fich auf Die Entfer⸗ 
nung von 1 bi8 14 engl. Meilen von der Küfte bis auf 30 Haben fleigert. 
Die Fahrzeuge, welche an ver Klippe an ver Schut liegen, pflegen des Nachts 
wegen einer flarfen Wogenfchwellung (Deining) zur größeren Sicherheit einige 
Faden weiter heraus zu legen. In den Monaten April und Mai iſt dieſe 
Deining am fchwerften, weshalb in dieſer Zeit wenig Bahrzeuge bier zu. fein 
pflegen, da bie Landſee dann fo ſtark gebt, daß fle zu heftig fchlingern (fchau- 
keln), um unter dee Schut laden zu Tönnen. In ben übrigen Monaten er⸗ 
reicht oft die Zahl ver verfammelten Schiffe die Höhe von 90 und 100, was 
dann den unzuverläffigen Matrofen Leichte Gelegenheit zur Defertion giebt, 
indem fle fich an Bord eines fegelfertigen Fahrzeuges verbergen, bis daſſelbe 
bei feiner Rüdfahrt wieder auf hoher See angelangt if. 

Ein Paar Uintiefen in ver Nähe ver Infeln find durch Bojen kenntlich 
gemacht. Fiß-Moy ließ von feinen Offizieren eine Speziallarte des Jahr⸗ 
waflerd aufnehmen, bie fehr gut fein fol; es fehlte aber auf verfelben die 
Angabe einer Fleinen felfigen Lintiefe, die nur durch wenige Fuß Waller be 
vet iſt. Sie liegt im Weſt⸗Süd⸗Weſten von Jsla Blanca, in geraber Linie 
zwifchen Balleſta's und San Gallan's öͤſtlichſten Vorgebirgen, ungefähr auf 
dem Drittel diefer Linie, von der erfleren Infel entfernt. Drei Bahrzeuge 
wurben das Opfer des Ueberſehens verfelben; das Ießte, im Jahre 1851, war 
ein peruaniſches Barkſchiff von 400 Laften, es lief auf und ging völlig ver⸗ 
Ioren. Diefer Unfall bewirkte die Anmeldung der Klippe bei ver Regierung, 
welche nun auch dieſe Untiefe mit einer Boje bezeichnen ließ, um fo vie Fahrt 
zu erleichtern und ficherer zu machen. 

u. v. Ekel. 





XI. 


Die Welfer in Augsburg ald Befiter von DVene- 
zuela und die von ihnen veranlaßten Expeditionen 
der Deutſchen dahin. 





Der Gegenftand, der in dem Folgenden abgehandelt wird, ift Fein 
ganz unbekannter, aber er hat das feltfame Schickſal gehabt, theils 
mangelhaft und unvollfiändig mitgetheilt zu fein, theild find die Namen 
fo entftellt worden, daß man über fie völlig zweifelhaft blieb, und erft 
dem verdienten Meufel verdanken wir ihre genaue und fichere Beftims 
mung. Leider aber ift der kurze Aufſatz, den er darüber mittheilte, fo 
wenig beachtet worben, daß man ihn faft vergefien nennen fann. Eine 
berichtigte und vervollftändigte Erzählung fehlt noch, und dennoch iſt 
die Begebenheit wichtig genug, um einer foldden werth zu fein. 

Als der große Entveder der neuen Welt, ChHriftoph Columbus, 
im Jahre 1498 feine dritte Reife angetreten hatte, waren Neider und 
Mißgünftige nur zu eifrig bemüht, ihn um ale Früchte feiner erfolg⸗ 
reihen Beftrebungen zu bringen. Einer der eifrigften war der Bifchof 
von Badajoz, ein für feine Zeit fehr mächtiger Mann, denn er bes 
forgte die Gefchäfte des Staatsrat) von Indien, und hatte vielfache 
Gelegenheit, ihm zu fchaden. Ein wagehalfiger Abenteurer, deſſen Unters 
nehmungsgeiſt durch die neuen Entdedungen gereizt wurde, und ber den 
Haß des Bifchofs gegen Eolumbus fannte, wandte fih an den Bifchof 
mit der Bitte, ihm zu erlauben, Schiffe auszurüften, um eine Ent 
dedung fortzufegen, welche nichts weiter al8 Muth und Ausdauer vers 
langte. Dem Bifchof war diefer Vorfchlag jehr willlommen; er nahm 
unferen Abenteurer, der ſich Alfonfo von Djeda nannte, mit offenen 

Beitfchr. f. allg. Erdkunde. Br. V. 


434 Ä 8. v. Klöden: 


Armen auf, denn er erkannte in ihm einen Dann, der vielleicht den 
Ruhm des Columbus verbunfeln, jedenfalls aber theilen würde. Er 
ertheilte die erbetene Exrlaubniß und lieferte dem Ojeda die Karten und 
Schriften des Columbus aus, allein von den Fatholifchen Königen unter: 
fchrieb Feiner die Erlaubniß, denn ihr Inhalt verlegte den Bertrag, den 
fie mit dem Admiral Columbus abgefchlofien hatten. 

Eine große Zahl von Spaniern und Ausländern fand ſich zu 
fammen, um durch neue Abenteuer ihr Glück zu machen. Ojeda trieb 
in Sevilla fo viel Geld auf, daß er vier Schiffe ausrüften fonnte. Zu 
feinem Ober» Steuermanne erwählte er den Biscayer Johann de la 
Coſa, einen erfahrenen muthigen Mann. Ein in der Echifffahrt und 
Geographie wohl geubter reicher Kaufmann aus Florenz, Amerigo 
Befpucei fhoß Geld zur Ausrüftung her, und entfchloß fich, Die Reiſe 
mitzumachen. Am 20. Mai 1499 ging die Flotte unter Segel. Schon 
am 27ſten Tage erreichte man Land und überzeugte fich bald, daß man 
fefted Land gefunden hatte. Ojeda befchloß, der Küfte zu folgen, um 
einen bequemen Hafen aufjufuchen, den er auch bald fand. Es fehlte 
nicht an Einwohnern, die fich friedlich zeigten, aber von Gold, nad 
dem man fo begierig fürchte, fand fich feine Spur. Ojeda verweilte hier 
27 Tage, verforgte ſich mit Lebensmitteln und fegelte an ber Küfte 
entlang weiter, bis er abermals auf einen Hafen traf, wo er zu feiner 
Verwunderung ein Dorf entdedte, welches wie Venedig gebaut war. 
Es fand nämlih im Waſſer auf Pfählen, die Häufer hingen mittel 
Zugbrüden zufammen, und es waren Ihrer 26. Ojeda nannte das Dorf 
Denezuela, das heißt Klein⸗Venedig, und noch jetzt führt der Ort ven 
Namen. Damit war die Küfte dieſes Landes entdedt, deſſen Ent 
dedungsgefchichte wir nicht weiter verfolgen, da eine andere Unterneh 
mung unfere Blide auf fich zieht. 

Seit der Entdedung von Venezuela waren 27 Jahre vergangen, 
EHriftoph Columbus war geftorben und Amerigo Veſpucci ohne fein 
Zuthun die Ehre zu Theil geworden, daß der ganze Welttheil nach ibm 
den Ramen empfing. Die Zahl der Entdeckungen hatte ſich ungemein ver- 
mehrt, ald die Küfle Benezuela’s von Neuem die Blide auf ſich 309. 

Der ungeregelte Zuftand der neu entvedten Länder, der große 
Ruf von den unermeßlichen Reichthümern derſelben und die geringe 
Wehrkraft ihrer Einwohner waren Lockmittel genug für ein ganzes Heer 





Die Welfer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ıc. 435 


von Abenteurern aller Nationen, welche auf Seeraub ausliefen und 
fich zunächft in den weftindifchen Infeln ftationirten. Bald erfchallten 
Klagen über Klagen wegen der entfehlichen Gewaltthaten dieſer gott 
vergefienen Menjchen. Sie fingen die Einwohner des Feſtlandes von 
Amerika, fchleppten fie al8 Sclaven fort, entwölferten alle Küften, und 
begingen die abfcheulichiten Näuberein. Man glaubte dem entgegen 
zu arbeiten, wenn man die Rieberlaffungen vermehrte, weil ınan hoffte, 
die Befehlshaber würden dann im Stande fein, den frechen Raubzügen 
Einhalt zu thun. Am meiften war die ganze Küfte von Venezuela dies 
fen Räubereien audgefeßt. Deshalb befam der Fönigliche Factor Jos 
bann von Ampuez Befehl, dort den Grund zu einer Stadt zu legen. 
Es war eine ſchwierige Aufgabe, denn er erhielt dazu nur 60 Mann, 
allein die Leute Hatten Muth und guten Willen. Sie landeten zu 
Venezuela und fanden den Ort noch, wie ihn Alfons von Ojeda vers 
(affen Batte. Das Land umher wurde von den Einwohnern Korlana 
genannt. Ein mächtiger Kazike, Manaure, herrſchte Dafelbft über fehr 
tapfere Indianer. Johann von Ampuez trug ihm ein Bündniß ar, 
und fand ihn dazu geneigt. Seht wurde nun die neue Stadt ange 
legt und erbaut. Man gab ihr den Namen Eoro, und war genöthigt, 
Brunnen anzulegen. Die Stabt hatte zwei Häfen. Das fehr ausge⸗ 
dehnte Land war hoͤchſt angenehm und bildete eine vortreffliche Pros 
vinz, in deren Mitte der große See Maracaibo einen der größten und 
prächtigften Meerbufen darſtellte. Es machte den Spaniern wenig 
Mühe, ſich in den Beſitz des fchönen Landes zu fegen, aber mitten in 
feinen Anftrengungen wurde Johann von Ampuez genöthigt, den Platz 
Ausländern zu überlaffen. 

Kaiſer Karl V. vermählte ſich nämlich im Jahre 1526 mit der portu- 
giefifchen Prinzeffin Ifabella, König Emanuel's Tochter. Um diefe und 
andere große Ausgaben zu beftreiten, war er genöthigt, bei den über: 
reichen augsburgifchen Kaufleuten, den Welfern, ein Anlehen zu machen. 
Auf ihren Borfchlag verglich er fich mit ihnen dahin, daß er ihnen für 
eine beftimmte Summe Geldes die ganze Landſchaft Venezuela im Jahre 
1528 als ein Erblehen überließ, denn das Land war ihnen als ein 
überaus goldreiches gerühmt worden. Die Bedingungen, unter weldyen 
fie es erhielten, find merkwürdig genug, um ihnen hier eine Stelle zu 


gönnen. 
28 * 


436 K. v. Klöden: 


Die Welfer follten das Land im Namen der Krone Caſtiliens 
vollends erobern und Alles einnehmen, was zwifchen dem Gap La Vela, 
wo fich die Statthalterfchaft St. Martha endigt, und dem Cap Maraca- 
pana liegt. Sie follten fich auch aller Infeln bemächtigen, die in dieſen 
Raume find, ausgenommen die Infeln Curacao, Oruba (jet Aruba) 
und Bonayre, die Ampuez zu behalten hatte, und in der ganzen Gtrede 
dieſes Landes zwei neue Wohnpläüge und drei Schanzen erbauen, endlich 
zu diefem Unternehmen wenigſtens 300 Dann anmerben. Sie follten 
50 deutfche Bergleute fchaffen und dieſelben in alle Provinzen verthei⸗ 
fen, in denen fih Spanier in Indien niedergelaffen hatten; alle dieſe 
Bedingungen waren innerhalb eined Jahres zu erfüllen. Der Kais 
fer verband fich feinerfeits, das Amt eines Alguazil-Majord und Ares 
lantaden unter den Welfern bei der Berfon und den Rachlommen des—⸗ 
jenigen erblih zu machen, den fie aus ihrer Familie dazu erwählen 
würden. Sie follten ferner A Prozent Gewinn von Allem haben, was 
man aus dem Lande ziehen würde, das fie eroberten; 400,000 Mara⸗ 
vedi's hatte der General und 200,000 Maravedi's der Lieutenant an 
Gehalt zu beziehen, dem fie das Unternehmen auftrugen. Sie follten 
befreit fein von dem Zolle für die Einfuhr aller Lebensmittel, die fie 
aus Spanien kommen laſſen würden. Sie erhielten 12 Quadratmeilen 
Land, das fie in ihrem Namen anbauen laffen fonnten. Pferde, Stu; 
ten und allerlei Vieh Fonnten fie aus den Inſeln des Windes nehmen, 
namlich aus den großen Antillen. Die Indianer durften fie zu Scla⸗ 
ven machen, wenn fie fich nicht gutwillig unterwürfen, und die fchon 
Gefangene waren, konnten fie taufen, dies jedoch nicht ohne Theilnahme 
der Mifftonarien und Föniglichen Beamten. Den Vierten von ihren 
Sclaven follten fie an die Föniglichen Gefälle bezahlen. Sechs Jahre 
lang follten fie eben das Recht haben, wie die Unterthanen der Krone 
Gaftilien, aus den Arfenälen von Sevilla alles das zu nehmen, was 
ihmen nöthig fein würde, ſich auszurüften. Endlich mußten fie ſich 
allen Verordnungen unterwerfen, welche die neu eroberten Länder be: 
trafen. Weil ſich aber auf allen Seiten große Unordnung eingefchlichen 
hatte, indem man Alles verhehlte, was man indgeheim an Gold oder 
foftbaren Waaren erhandelte, wodurch das Fünftel des Könige jeht 
vermindert wurbe, fo hatten die föniglichen Beamten die Macht, genauc 
Unterſuchungen anzuftellen, und der Aubitor zu St. Domingo erbielt 








Die Welfer in Augsburg ald Beſiher von Venezuela ıc. 437 


Befehl, zu verhindern, daß die Fahrzeuge der Infeln und anderen Län- 
der feiner Gerichtöbarfeit Handel auf der Küfte von Venezuela trieben. 
Diefer merkwürdige Contract giebt zu vielen Bemerfungen Ber 
anlaſſung; namentlich erfcheinen die vom Gewinne der Unternehmung 
verheißenen A Procent bei einem Wagniß, das fiete Lebensgefahr, uns 
ermeßliche Mühen und eine Menge von Menfchen erforderte, fo außer 
allem Verhaͤltniß, und felbft die Sclaven, die man erft einfangen, dann 
ernähren und bewachen mußte, boten in einem uncivilifirten Lande fo 
wenig Bortheile, daß diefe beinahe illuforifch erjcheinen. Indefien war 
in jenen Zeiten das Papier noch gebulbiger, als jebt, die Eontrolle im 
fernen Lande über alle Maßen Fäglih, und ein bewaffneter Haufe von 
mehr als 400 Europäern in Südamerifa allmächtig; ängftliche Ges 
wifienhaftigfeit incommodirte Niemanden, am wenigften die Conquiftas 
doren, und vor den Augen des Kaifers, in deffen Reichen die Sonne 
nicht unterging, war ed, wenn er nach Amerifa fah, nur zu oft Nacht. 
Die Welfer griffen nun ihre Unternehmung fräftig an. Ihnen 
galt ed natürlich vor Allem, ein gutes Gefchäft zu machen, und dem⸗ 
gemäß wählten fie ihre Leute, lauter Deutfche, und rüfteten fie beftens 
aus. 400 Fußknechte und 80 Reiter wurden angeworben, zum Haupts 
mann der ganzen Schaar wurde Ambrofius Alfinger ernannt, zu ſei⸗ 
nem Lieutenant Bartholomäus Sailer ), und zu Anfang ded Jahres 
1529 langten unfere Deutfchen wohlbehalten zu Coro oder Benezuela 
an. Sohann von Ampuez fah fich feiner Statthalterfchaft nicht ohne 
Verdruß beraubt und wurde auf die vorgedachten Infeln Curacao, 
Oruba und Bonayre bejchränft. Leider nahm er alle Wohlfahrt und 
alles Glüc mit, welche die Provinz bis dahin genofjen hatte, denn es 
begann nun eine traurige Zeit, in welcher fich die Brutalität in ihrer 
abfcheulichften Geftalt offenbart. Vor Allem ging man darauf aus, 
Gold zu befommen, und durch die verhaßteften Mittel, durch Peini⸗ 
gungen aller Art wurden die unglüdlihen Indianer gezwungen, es 
herbeizufchaffen Der Kazife Manaure wurde nicht beffer geachtet, als 
jeder andere Indianer. Man legte ihn auf die Folter, und er follte 


1) Mahrfcheinlich ein Verwandter des Johaun Seller ans Bamberg, für welchen 
Johann Schöner ans Nürnberg 1520 eine Erdkugel von 3 Fuß Durchmeſſer anferti⸗ 
gen mußte (Irving, Columbus X— XII, 400), vie noch jept in Nürnberg aufbes 
wahrt wird. 


438 8. v. Klöden: 


befennen, wo er fein Gold habe. Wahrfcheinlidh wäre er ein Opfer 
der fchredlichen Marter geworden, wenn es ihm nicht gelungen wäre, 
zu entfpringen und in bie Gebirge zu flüchten. Nun rüdte Alfınger 
nach dem See Maracaibo in das Land der Araguer, plünderte und 
morbete blutbürftig Alle, die fich ihm widerfegten, und verkaufte Tau- 
fende in die Sclaverei, um Gold zu erhalten. Zur Entfchuldigung 
dieſer Greuel wurde angeführt, die Araguer feien Menfchenfrefier, eine 
Beſchuldigung, deren Richtigfeit wir dahin geftellt fein laſſen müſſen 
Die Araguer waren Alfinger mit vielen Breudenbezeugungen, tanzend 
und mit reichen Gefchenfen an Gold entgegen gegangen, er aber ver- 
ſchonte Niemanden. Einen großen Haufen derſelben jagte er in ein 
Haus, wo er die Unglüdlichen in Stüde hauen ließ; eine Anzahl hatte 
ih auf das Dach des Haufes geflüchtet, er ließ das Haus anzünden 
und fie fämmtlich verbrennen. 

Nunmehr zog Alfinger mit feinem fchon ziemlich gefchmolzenen 
Trupp, der durch ftete Nachſendungen aus Europa faum in der ex 
forderlichen Stärfe zu erhalten war, zu den Bolabujern, weftlich vom 
Maracaibo. Das Volk war friedlich, befaß aber zu feinem Unglüde viel 
Gold. Da Alfinger’8 Truppe durch die härteflen Strapagen und tau⸗ 
jenderlei Mühfeligfeiten, forwie durch den verzweiflungsvollen Widerſtand 
der Indianer gar fehr abgenommen hatte, auch an Krankheiten litt, fo blieb 
er hier eine Zeit lang ftehen. Obfchon die Eingeborenen ihn fehr freund: 
lich bewirthet und reichlich befchenkt hatten, ließ er doch bei feinem Abzuge 
alle Männer, Frauen und Kinder, die er befommen fonnte, ergreifen, 
und in eine große mit einem hohen Stafetenwerfe umgebene Bucht ein- 
fperren. Hier mußten fie fo lange Hunger und Durft erleiden, bis cin 
Jeder ein großes Stüd Gold aufgebracht hatte. Wer es nicht Fonnte, 
mußte vor Hunger und Durft verfchmachten. 

Die Deutfchen zogen nun in das benachbarte Land der Alfohola: 
der, denen fie viel Gold mit der erfinnlichften Graufamfeit abzwangen, 
und alle ihre Wohnungen verbrannten, ja fie verwüfteten das ganze blut 
gedüngte Land von Tamalamefe bis an den Fluß Lebrixia und felbk 
bis in die Statthalterfchaft St. Martha hinein mit Feuer und Schwert, 
überall blutige Zußtapfen zurüdlaffend. Unglüdlicher Weife Hatte ſich 
ein Oerücht verbreitet, dem Alfinger und feine Truppen nur zu gern 
Glauben fhenkten. Im Innern von Südamerika, hieß es, weit von 








Die Welfer in Augsburg als Beſiher von Venezuela ıc. 439 


dem Meere entfernt, liege an einem See ein fo goldreiches Land, daß 
die Einwohner, die auch fehr civilifirt und kriegeriſch feien, nicht nur 
das Gold und das Silber flatt aller anderen Metalle gebrauchten, 
fondeen auch ihre Häufer damit deckten und ſich vollftändige Waffen⸗ 
rüftungen davon machten. Der Name dieſes Volkes fei Omegas, und 
feine fehr große, ſchoͤn gebaute und reiche Hauptftadt liege an dem 
vorgedachten See und umfafle den größten Theil der Einwohner bes 
Landes. 

Der Urfprung diefer weit verbreiteten Sage von dem Goldlande, 
von den Spaniern EI Dorado genannt, iſt unbefannt. Sie fol füb- 
amerilaniſchen Urfprungs fein, und es ift wohl möglich, daß die In⸗ 
bianer, welche Die große Goldgier der Europäer mit Erſtaunen kennen 
lernten, diefen das Mährchen aufbanden, um fie nach dem Innern dee 
Landes in unwirthbare, von den Küften weit entfernte Gegenden zu 
loden, wo fie von ihren Schiffen abgefchnitten waren und leichter den 
Untergang finden mußten. Wie dem aber auch fei, Alfingers Begierde 
war rege geworben, er wollte nach dem Golblande hin und fich des 
goldenen Haufes, das dafelbft vorhanden fein follte, bemächtigen. Er 
machte fih auf einen weiten Zug gefaßt und fing damit an, einen 
großen Vorrath von Lebensmitteln zu fammeln. Der Transport der⸗ 
felben machte ihm feine Schwierigkeit. Ex ließ eine große Menge Ins 
bianer zufammentreiben und fie in vderfelben Weife fefieln, wie man 
die Galeerenſclaven feflelt. Ein Jeder Hatte außer feiner Kette am 
Halfe noch eine Laft zu tragen, welche einem Maulefel zu ſchwer ges 
weien fein würde. Der größte Theil diefer Unglüdlichden kam vor 
Kummer und Entfräftung um. Sank einer von ihnen unter feiner 
Laft nieder, fo Hielt man fich nicht Damit auf, ihm die Kette vom Halfe 
zu nehmen. Man half fich auf fehnellere Weile und fchlug ihm den 
Kopf ad. ES ift entfeplich, wenn das Thier im Menfchen entfefjelt 
wird, und die Habfucht mit grimmigen Krallen feine Begierben ftachelt. 
Vergebens aber waren alle Anftrengungen Alfingers, das goldene Haus 
ließ ſich nicht erbliden. Er erfannte, daß er einem Schattenbilde nach- 
iage. Alfinger wurde bei vielen Gelegenheiten gefchlagen, und bie 
Hälfte von den Deutjchen, welche den vergifteten Pfeilen entgingen, 
ftarb ſchon nach wenigen Monaten an den übermäßigen Mühen und 
Befchwerden, fo daß, wenn die Welfer nicht fortwährend neue Refruten 











440 K. v. Klöden: 


nachgefchickt Hätten, ver ganze Haufen fchon längft vernichtet worben 
wäre. 

Drei Jahre hatte dieſe ſchaͤndliche Wirthſchaft bereitd gebauert, 
und noch war nicht daran gedacht worden, einen von den beiden Pläßen 
zu erbauen, wozu man fich doch anheifchig gemacht Hatte. Auch für 
die Belehrung der Indianer follte geforgt werden, und zu dem Ende 
war dem Zuge eine Anzahl Dominikaner zugefellt worden. Weil aber 
die Deutfchen ſich ſaͤmmtlich der neuen [utherifchen Lehre zugewendet 
hatten, fo fümmerten fie fi wenig um die Dominikaner, und biefe 
vermochten ohne ihre Unterflühung nichte. 

Ein neuer Zug, den Alfinger anführte, ging ſuͤdwaͤrts ein Hohes 
Gebirge hinauf, das die Europäer noch nicht betreten hatten. Sie 
fanden die Luft hier ſehr kalt und fließen zugleich auf eine Bölfer 
ſchaſt, welche fich fehr tapfer wehrte. Alfinger felber wurde gefährlich 
verwundet. Man brachte ihn zwar nad) Eoro, allein er ſtarb an bie- 
fer Verwundung im Sahre 1532. Nach feinem Tode fiel das Com⸗ 
mando an feinen Lieutenant Bartholomäus Sailer, doch konnte biefer 
ſich deſſelben nicht lange erfreuen, denn er folgte nach kurzer Zeit fer 
nem Vorgänger im Tode nach. 

Die Welfer fcheinen bei der Unternehmung nicht Die goldenen 
Früchte gefunden zu haben, welche fie fich verfprachen, denn fie ließen 
die Stellen der Befehlshaber mehrere Jahre unbefeht, und fchidten 
auch Feine neuen Truppenfendungen. Da die Provinz Venezuela faſt 
ganz vom Volke entblößt war, glaubte die Fönigliche Audiencia, fie 
müßte wenigftend unterdeflen einen Befehlshaber jo lange dazu emem 
nen, bi6 der SKaifer anderen Befehl überfenden würde. Ihre Wahl traf 
den Johann von Earvajal. Derfelbe erhielt ven Befehl, nach Coro zu 
gehen und fich die Wiederherftellung der dortigen Zuflände angelegen 
fein zu laffen. Niemand war dazu weniger geeignet als er, dagegen 
faum einer fähiger, das Gegentheil zu bewirken. Vielleicht hat es nie 
einen böferen Menſchen gegeben. Seine Ausfchweifungen machten for 
gar, Daß man die der Deutfchen vergaß, und von allen Seiten erhoben 
fih Taute Klagen über fein empörendes Verfahren. Carvajal's Grau. 
famfeit entvoͤllerte bie ganze Küfte von Venezuela, eine ber frucht- 
barften und volfreichfien der Erde. 

Endlich fandten die Welſer im Jahre 1534 wieder einen Statt 








Die Welfer in Augsburg ald Beſitzer von Venezuela ıc. 441 


halter nach Venezuela, den Johann Alemann, deſſen Stellung gegen 
den Johann von Garvajal, wie es fcheint, ganz unentfchieven blieb. 
Ehe ſich dies BVerhältniß vegelte, ſtarb Alemann nach furzer Zeit, und 
abermals mußten die Welfer an eine Beſetzung des Poftens denen. 

Sie wählten diesmal einen verfuchten beutfchen Kriegsmann, den 
Förg oder Georg von Speier, und gaben ihm den Nicolaus Federmann 
zur Hülfe und Begleitung mit. Georg von Speier wurde als Gou⸗ 
verneur nach Venezuela gefchidt, während Johann von Carvajal noch 
im alten Verhältniß geblieben zu fein fcheint, und in feinen Gewalt 
thätigfeiten fortfuhr. Es gefhah Died im Jahre 1535. Nicolaus Fer 
dermann ging fogleich an das Werk, bei dem Vorgebirge Bela eine 
Stadt zu erbauen, gab aber den Plan mannigfacher Hinderniffe wegen 
wieder auf. | 

Unterbefien hatte die Nachricht von dem berühmten Goldlande im 
Innern von Südamerifa auch unfere Deutfchen erreicht, und ihre Bes 
gierde lebhaft rege gemacht. Noch verwegener als die Spanier, tras 
fen fie alle Anftalten, fi dahin zu begeben und daſſelbe auszuplündern. 
Mit 400 Mann trat Joͤrg von Speier einen Raubzug in das Innere 
des Landes an, von dem und nur wenige Nachrichten erhalten find, 
obgleich er 5 Jahre lang dauerte, fich weit erftredte und an Abenteuern 
aller Art reich war; nur ein trauriger Reft von 80 Mann fehrte 
aus demfelben zurüd. Nicolaus Federmann hatte fih von Georg von 
Speier getrennt und beftand feine Abenteuer auf eigene Hand, denn 
feiner von ihnen wollte fich dem Andern unterorbnnen, und fo war des 
Haders zwifchen ihnen fein Ende. Wir bevauern, darüber ohne Rache 
richten zu fein. Zwar hat Federmann die Gefchichte feiner Reife drucken 
laffen, died Buch ift aber eine außerordentliche Seltenheit und, wie es 
fcheint, nur noch in einem einzigen Exemplare vorhanden, welches fich 
früher in der Klofterbibliothek zu den Mengen in Ulm befand und jebt 
wahrfcheinlich der Föniglichen Centralbibliothek in München angehört. 
Der Titel des Buches if: Indianifche Hiftoria; eine fchöne kurzwei⸗ 
lige Hiftoria Nicolaus Federmanns des Jüngern von Ulm erfter raife, 
fo er von Hifpania und Andalofia aus in Indias des Dreanifchen 
Mörs gethan hat, und was ihm allda begegnet bis auf fein Wieder⸗ 
kunft in Hifpanien, aufs kurzeſt befchrieben, ganz luſtig zu leſen. 1557. 
A. Am Ende fleht: Getrudt zu Hagenaw bey Siegmund Bund. Die 


442 8. v. Klöden: 


Beichreibung wurde nach Federmann's Tode von Hans Kifhaber ber: 
ausgegeben. Sie it 63 Blätter flarl. Da es mir nicht möglich ge: 
weien ift, das Buch zu benugen, fo kann ich von dem Inhalte nichte 
mittheilen. 

Da Georg von Speier den Welfern vielleicht nicht tüchtig genug 
erfchien, fo entfchloffen fie fich, die Sache dadurch zu fürbern und das 
berühmte Goldland El Dorado endlich enideden zu laflen, daß fie eine 
neue Expedition ausrüfteten und der noch abweienden zu Hüffe ſchid⸗ 
ten. Wie wichtig e8 fei, einen tüchtigen Befehlöhaber an die Spike 
zu ftellen, war ihnen deutlich geworden, und forgfältiger als früßer 
verfuhren fie diesmal in ihrer Wahl. Es gelang ihnen, den geiwünid- 
ten Mann für ihre Pläne zu gewinnen und mit ihm einig zu werben. 

Dies war der Faiferliche Kriegsobrifte Ritter Philipp von Hutten, 
Bruder bes Bifchofs Morig von Hutten zu Eichfledt. Er gehörte mit 
dem berühmten Ulrich von Hutten demfelben Gefchlechte an, aber wäh 
rend dieſer der Stedelberg’fchen Linie fich zuzählte, gehörte jener der 
Srantenberg’fchen an. Er wurde ald GouverneursLieutenant und Wis 
litairsCommandant von Venezuela nach Amerika gefandt, war alie 
dem Georg von Speier untergeordnet. Biederherzig, ritterlich, kühn 
und unerfchroden, ſcheint Ruhmbegierde und Luft an gefährlichen Aben- 
teuern ihn allein vermocht zu haben, den gefährlichen Boften zu über: 
nehmen. Wenngleich ein Sohn feiner harten Zeit, war er doch weni- 
ger goldgierig, graufam und hartherzig, als feine Vorgänger, und bie 
Abenteuer diefes edlen beutfchen Rittersmannes gewinnen für ung ba 
durch ein doppeltes Interefie. Iſt es doch, als ob das beutfche Her 
dem deutfchen leichter nachempfinden fünnte, was es in Sorge, Noth, 
Angft, Furcht, Hoffnung und Glüd bewegte, als irgend einem fremden. 

Im Jahre 1535 ging Philipp von Hutten mit 130 Mann nad 
Amerifa, und begab ſich nach Eoro, dem damaligen Hauptorte in ber 
Provinz Benezuela, — oder, wie fie Hutten nennt, Venefela, auch Be 
nezola, am Meere Oceano gelegen, — mo er mit Jörg von Speier 
ſich vereinigte, der gleich nachher feinen großen Zug antrat. Den Fe 
dermann fuchte er auf und wünfchte, ihn kennen zu lernen; er nennt 
ihn einen fehr geſchickten Gefellen, Fonnte aber nicht mit ihm zuſammen⸗ 
treffen. Unterdeſſen fpielte Carvajal feine angewaßte Rolle fort un 
ließ fih in feinem Gebahren nicht irre machen. Er hatte die Herr 


Die Welfer in Augsburg als Veſitzer von Venezuela sc. 4493 


ſchaft zwar rechtmäßig erhalten, feste fle aber als Uſurpator fort, und 
trieb e8 ärger denn je. 

Schon im Jahre 1532 war ein Bifchof für Coro ernannt, und 
1536 fchlug derjelbe wirflich feinen Sig dafelbft auf. Er hätte vor Allem 
die Pflicht gehabt, ſich der unglüdlichen Unterbrüdten anzunehmen, fich 
der brutalen Gewalt entgegen zu flellen, es nicht zu dulden, daß alle 
Pflichten der Menfchlichkeit mit Füßen getreten würden und der fchänd- 
lichſte Golbdurft aus dem Plündern und dem Menfchenverfauf eine 
Erwerböquelle machte. Leider aber fand er, wie Andere, dies ganz in 
der Ordnung, ja er beteiligte fich fogar bei dem Gewinn. 

Unfer Ritter Philipp von Hutten machte den ganzen gefahtvollen 
und überaus mühfeligen Zug des Georg von Speler mit, der nad) Süs 
den gerichtet war und den Zweck hatte, das Goldland, den großen See 
und das Volk der Omegas aufzufinden. Er war hierbei dem Georg 
von Speyer untergeordnet. Der Zug ging weit in das Land hinein 
und verbreitete viel Sammer und Elend. Man fchlug fich unabläffig 
mit den Indianern, war in dem wilden unwirthbaren Lande auf fleten 
Märfchen, naͤhrte fi) nur von wilden Früchten und dem fpärlichen 
Ertrage der Jagd, hatte mit Krankheiten und dem Ungemach der Wits 
terung zu Tampfen, beſonders während der langen Regenzeit, verlor 
viele Menfchen und gewann wenig Gold, denn das gepriefene Eido- 
rado, von dem alle Indianer Amerifa’s zu erzählen wußten, glich der 
Sage von der goldenen Zeitz alle Völker fprachen davon, aber Nies 
mand wußte, wann fie vorhanden geweſen fei. 

Mit dem unerfchrodenften Muthe, großer Tapferkeit und einer 
Beharrlichkeit, die eined befieren Zwedes und Erfolges werth gewefen 
wäre, hatten Georg von Speler, Ritter Philipp von Hutten und deren 
Leute die ungeheueriten Mühjeligfeiten, Befchwerlichkeiten und Gefahren 
vier Fahre lang ertragen, die A00 mitgenommenen Deutfchen waren big 
auf 80 gefchmolzen; da war man genöthigt, das Suchen nach dem 
Goldlande aufzugeben und nach Eoro zurüdzufehren. Im Jahre 1539 
famen fie mit ihrem Heinen Häuflein dort an; Jörg von Speier hatte 
feine Luſt, dies Leben fortzufegen, er veifete im nächften Jahre 1540 
nach St. Domingo, wo er bald nachher flarb. 

Runmehr war unfer Ritter der natürliche Nachfolger feines Vors 
gängers im Ober⸗Commando, ja er hätte nad) den ſtipulirten Bebin- 








444 K. v. Klöden: 


gungen den Titel und die Würde des Adelantado oder Statthalters 
erhalten müfjen. Statt deffen aber ernannte zu aller Erftaunen die 
Audienzia von St. Domingo den Bifchof von Eoro, Namens Baſtidas, 
zum Givil- Gouverneur von Benezuela und ließ dem Philipp von Huts 
ten nur die Würde eines Militair- Gouverneurs. Dies gefchah 1540. 

Unfer Bifchof glaubte den Antritt feiner Regierung Durch eine mög: 
lichft fchändliche und empörende Unternehmung bezeichnen zu müflen, weld«e 
gegen die unglüdlichen Indianer am Maracaibo s See veranftaltet wurbe. 
Ein geroiffer Pedro Limpias, von dem noch weiter die Rede fein wird, 
war der Befehlshaber derfelben, und die Beute, die man dadurch ge 
wann, befland in einer unbeträchtlihen Summe Goldes und in 500 
Indianern, die auf der Stelle ald Sclaven verkauft wurden. Sclaven⸗ 
händler hatten fich längs der ganzen Küfte etablirt. 

Ritter Philipp von Hutten feheint mit dem Gange der öffentlichen 
Angelegenheiten, feiner Lage und feinem Gewinne wenig zufrieden ges 
wefen zu fein. Im Sahre 1538 war er einmal nach Eoro zurüdges 
kehrt, aber alsdann mit Georg wieder weiter gezogen. Auf diefem Zuge 
führte er ein Tagebuch, das von 1538 bis 1541 reicht, und uns er 
halten if. Meufel, der es von dem Ritterhauptmann Karl Friedrich 
Reinhard von Gemmingen erhalten, hat daffelbe in feinem hiſtoriſch⸗ 
literarifchen Magazin Thl. IT, ©. 51 bis 117 abüruden laflen, unter 
dem Titel: Zeitung aus Indien. Es iſt freilich nur kurz und dürftig, 
denn es find Aufzeichnungen auf der Reife unter Gefahren und Rüben 
aller Art niedergefchrieben und wenig mehr enthaltend, als die ſehr 
vielfifbigen Namen ver inbifchen Berge, Flüſſe und Ortfchaften, auf 
welche er mit feinem Heerhaufen fließ, wahrfcheinlich wie er fie aus 
Sprechen hörte. In Form eines Briefes fchidte er dieſes Tagebuch 
am 20. October nach Deutfchland. Unter dem 16. Januar 1540 
fchreibt er: „Ich habe jest länger denn fünff Jahr im Land unnutzlich 
verzehrt." Diefe Aeußerung zeigt, Daß er mit den Erfolgen feines Thuns 
unzufrieden war. Wahrfcheinlich waren feine Dienfte ihrem Werthe 
nach weber genügend anerkannt, noch belohnt. Letzteres dürfte indeſſen 
nicht vom Geldgewinn zu verfiehen fein, denn er fagt an einer andes 
ren Stelle: „Weiß Gott, fein Geis Gelds bat mich bewegt, dieſe Reiſe 
zu thun!“ Schwerli konnte er übrigens mit der ihm angewiefenen 
Stellung zufrieden fein, denn der Biſchof Baſtidas, wie der Uſurpa⸗ 








Die Welfer in Augsburg als Befiger von Venezuela ıc. 445 


tor Carvajal, wenigftens eben fo mächtig ald er, arbeiteten ihm ent⸗ 
gegen. 

Indefien glaubte Philipp von Hutten feiner Pflicht ald Capitano 
generale gegen die Welfer Genüge leiften zu müflen, und trat 1541 
an die Spige eines neuen Zuges. Er hatte erfahren, daB Queſada 
von Santa Féͤ aus mit 250 Mann und einer Anzahl Reiter auf die 
Entdefung und Eroberung von El Dorado ausgegangen fei. Diefe 
Nachricht entflammte von Neuem feinen Unternehmungsgeift. Eine 
folde Expedition — ſchloß er ganz vernünftig — würde man nicht 
ausgefandt und gewifiermaßen preisgegeben haben, wenn man nicht 
ganz zuverläffige Nachrichten von der Eriftenz des gepriefenen Gold⸗ 
landes eingezogen und erhalten hätte. Er hielt es daher für rathfam, 
dem Quefada entgegen zu ziehen und fich mit ihm zu vereinigen. Zwar 
war ed möglich, daß er zur Entdedung zu ſpät fam, aber bei der Ex, 
oberung konnte feine Hülfe von Nutzen fein, und er dadurch wenigftens 
Theil an den Reichthümern Diefes Landes nehmen. Hätte er freilich 
gewußt, daß Queſada, von den großen Befchwerlichkeiten des Marjches 
entfräftet, genöthigt gemwefen war, mit großem Berlufte fih nach Pos 
payan zurüdzuziehen, fo würde er wohl den Gebanfen aufgegeben 
haben, feinem Wege zu folgen. 

Nach vielen ausgeftandenen Mühfeligfeiten und Beſchwerden kam 
man nach etwa 8 Monaten zu einem invianifchen Voͤlkerſtamm, wo 
Ritter Philipp auf eingezogene Erfundigungen von einem der Vornehm⸗ 
ſten des Volks erfuhr, daß er fich in der Landfchaft Papamene befinde, 
und daß der von ihm eingefchlagene Weg nur durch wüfte und unbes 
wohnte Gegenden führe, in denen er mit den Seinigen nothwenbig 
vor Hunger umfommen müßte. Dagegen verficherte der Indianer, er 
wolle ihn, wenn er es wünfche, in ein Land führen, in welchem Gold 
und Silber im größten Weberfluß vorhanden wären. Zugleich zeigte 
er einige goldene Aepfel und andere Kleinigfeiten vor, welche angeblich 
fein Bruder erft Türzlich aus biefem Lande mitgebracht Hatte. Dan 
brauche nur immer öftlich bis zum Fluſſe Guaguave (jetzt Quaviari) 
zu gehen, fo erreiche man das Land. 

Ritter Philipp von Hutten mißtrauete dem Indianer, wie feinem 
Berichte, und allerdings konnte ein unbebingted Vertrauen ſehr fchlecht 
angebracht fein. Ihm ſchien es rathſamer zu fein, auf dem bisher bes 


446 K. v. Klöden: 


tretenen Wege den Spuren des Queſada zu folgen, und er nahm ben 
Indianer nur ald Führer auf diefem Wege mit. Nachdem man auf 
demfelben wieder acht Tagereifen unter großen Entbehrungen und 
Mühen zurüdgelegt Hatte, und ber Führer gewahr wurde, daß Feine 
Befchwerlichkeiten und feine Roth den Hutten von dem einmal gefaßten 
Vorſatz abbringen konnten, entwich er in der dunflen Nacht und kehrte 
zu den Seinen zurüd. 

Die Entweichung des Wegweiſers, die immer befchwerlicher wer: 
denden Wege und der ſteigende Mangel ſchlugen den Muth der Truppe 
völlig nieder. Alle Soldaten bevauerten, dem Rathe des Fuͤhrers nicht 
gefolgt zu fein, fie murreten laut, beftanden auf die Umkehr, und es 
drohte eine Meuterei auszubrechen. Allein Ritter Philipp verlor, obs 
gleih im wilden fremden Lande auf fich felbft befchränft, weder ven 
Muth, noch feine Entfchloffenheit. Mit eifernem Sinn und großer 
Feftigfeit beharrete er bei feinem Beſchluß, und feine Soldaten fügten 
fih feinen Anordnungen. 

Mehrere Tage nachher erblidten fie in der Ferne einen Berg, 
welcher ganz dem ähnlich zu fein fehlen, an deſſen Fuße der Beſchrei⸗ 
bung nach die Stadt EI Dorado liegen follte. Eine große Freude be 
mächtigte fich der Deutfchen, und wie einft die Kreuzfahrer ſehnſuchts⸗ 
voll und hocherfreut die Zinnen der heiligen Stabt erblidien, fo malte 
fi Freude und Vergnügen in den Gefichtern unferer Krieger, die man 
wohl auch Kreuzfahrer nennen fonnte, denn Kreuz und Elend wartete 
ihrer genug. Man eilte, den Berg zu erreichen, man mühete fich, ihn 
zu erfteigen, aber ald man oben war, fand man fich in feinen Hoff: 
nungen betrogen. Es war die Epite, welche fpäter 206 Pardaos ge 
nannt wurde. Unglüdlicher Weife begann mit der Erfleigung des 
Berges die Regenzeit, welche in diefen Gegenden mit geringer Unter: 
brechung ſechs Monate lang, vom Juni bi November, dauert, und 
befanntlich ſchuͤtten die tropifchen Regen eine unermeßlihe Menge 
Waffer herab. Während diefer Zeit war an eine Fortſetzung der Reife 
nicht zu denfen, unfer Ritter mußte mit feinen Leuten die Regenzeit 
dort abwarten, wo er fich befand, und alle Qualen des fchredlichkten 
Hungers erbulden. Ameifen und Schlangen waren diefe Zeit hindurch 
ihre vorzüglichften Nahrungsmittel. Sehr viele von den Leuten farben 





Die Welfer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ıc. 447 


eines elenden Todes, die übrigen verloren alle Haare, die Nägel und 
die Augenbraunen. 

Als die Regenzeit ihrem Ende nahete und die Leute fich einiger 
maßen wieder erholt hatten, wozu feine Heine Zeit gehörte, machte fich 
Ritter Philipp auf den Ruͤckweg nad) Eoro, denn der Reſt feiner Leute 
bedurfte einer gründlichen Erholung. Er Fam aber nicht dahin, fons 
dern verweilte in dem Dorfe Nueſtra Seüora de la Fagoa, bis bie 
Regenzeit vollends vorüber war. 

Während nun feine Leute von den überftandenen Muͤhſeligkeiten 
und Leiden ausruhten und ſich dem Gedanken überließen, bald in Coro 
dafür entfchäbigt zu werben, Dachte Ritter Philipp, den alle dieſe Schwies 
rigfeiten nur noch mehr aufgereljt hatten, auf neue Verfuche, fein Ziel 
zu erreichen und das gefuchte Glüd emblich zu erjagen. Durch unab⸗ 
(äffiged Nachforfchen bei den Indianern brachte er endlich fo viel her⸗ 
aus, daß der indianifche Häuptling ihm die Wahrheit gefagt Habe, und 
alle Rachrichten flimmten darin überein, daß im Innern von Süd⸗ 
Amerifa ein Land von den Omegarro bewohnt werbe, welches das 
reichfte von allen Ländern wäre. Die Einwohner aber feien ungemein 
zahlreich, geimmig und Friegerifch, weit mehr ald alle andern. Einige 
Indianer nannten diefed Volt Icaguer, in der Angabe der Lage ſtimm⸗ 
ten fie mit einander überein. 

Dies genügte, um den Muth unfered Abenteurers aufs Höchfte 
zu entflammen, und feine Begierde, dies Land zu erreichen, aufzuftacheln. 
Die Gefahren, die Mühen und Entbefrungen famen gar nicht in Ans 
fchlag; war doch Ausficht vorhanden, das Alles reichlich zu vergüten. 
Sobald es thunlich war, nahm er feine Leute zufammen und brach mit 
ihnen nach der Gegend auf, welche der einzige Gegenftand aller feiner 
Wünfche und Hoffnungen geworden war. Die Zahl feiner Leute war 
bis auf AO Mann gefchmolzen, und gewiß gehörte ein tollfühner Muth 
dazu, um mit einer ſolchen Hand voll Menſchen Gegenden und Länder 
zu befriegen, die fehr bevölkert und, wie die Sage wenigftend berichtete, 
von friegerifchen und grimmigen Stämmen bewohnt waren. 

Philipp von Hutten trat feinen Zug an; Indianer boten fich ihm 
zu Wegweifern an und hielten ehrlich Wort, denn fie führten ihn an 
den Fluß Guaguave. Weberhaupt zeigt fih, daß er ihre Freundſchaft 


448 K. v. Klöden: 


su erwerben wußte, ein Beweis, daß er fie menfchlich behandelte, was 
ihm zu großer Ehre gereicht. Auf ziemlich bequemen Wegen kam er 
bei dem Fluffe an und zog dann feine Erfundigungen ein. Die Ein 
geborenen berichteten ihm, daß er durch den auf ber anderen Seite 
des Fluſſes gelegenen Ort Mafatoa hindurch müffe, aber ohne Kahn 
nicht Hinüberfommen fünne. Er gab daher einem von den Indianern 
den Auftrag, über den Fluß zu ſetzen und den Einwohnern des Orts 
anzuzeigen: ex fei hier mit AO Mann in der Abficht, in entfernte Laͤn⸗ 
der zu ziehen; er bäte um freien Durchzug und um ihre Freundſchaft, 
wogegen er ihnen bie feinige anbieten lafle. 

Der Indianer entfprach dem in ihn gefebten Vertrauen vollfom 
men, und ſchon am andern Morgen fam der Sohn des dortigen Kr 
zifen mit der erforderlichen Anzahl von Kähnen, um Philipp mit feinen 
Leuten über den Fluß zu Holen. Ihnen wurde ebenfalls Freundſchaft, 
Baftfreigeit und Unterftügung angeboten und von ihnen dankbar an 
genommen. Philipp begab fich mit den Seinigen zu dem Kaziten von 
Makatoa. Sie wurben von diefem Volke auf das freundfchaftlichfte und 
wohlmollenpfte aufgenommen und behandelt und ed Fam zwifchen ihnen 
zu einer innigen Berbindung. Als der fehr gutmüthige Kazike von 
dem Zwede der Reife feiner europälfchen Gäfte Kenntniß erhielt, ver 
fiherte er ihnen, daß das Land der Omegaer wirklich fehr reich an 
Gold und Silber fei, daß es aber auch fehr ftarf, und zwar von einem 
fo Eriegerifchen Volke bewohnt wäre, daß es ein unfluges, tolles, gan 


unausführbared Unternehmen fei, mit fo wenigen Leuten einen Verſuch 


gegen dbafjelbe zu wagen. Unſer Hutten ließ fi durch dieſe Bor 
ftellungen nicht fohreden. Eine Schwierigfeit war ihm nichts, als eine 
Aufforderung, fie zu befiegen. Er war von feinem Vorſatze nicht ab» 
zubringen und beftand auf die Ausführung deſſelben. Als der Kayife 
ihn unbeweglih fand und feine Vorftelungen als vergebens erfannte, 


gab er ihm Wegweifer mit, um ihn zu dem nächlten, von Mafatcı 


neun Tagereifen entfernten Dorfe zu geleiten, und Empfehlungen un 


den Kazifen deſſelben, der fein Sreund war. Man legte den Marit 


ohne viele Befchwerlichkeiten zurüd, da die Wege gebahnt und ziemlid 
gut waren. | 


Der Kazike, zu welchem unfere Abenteurer jebt gelangten, empüng | 


fie mit allen Beweifen von Leutfeligfeit und Vergnügen und beyeugte 





Die Welfer in Augsburg als Beilger von Venezuela sc. 449 


ihnen das größte Wohlwollen. Aber auch er fuchte dem Bhilipp bie 
Tollfühnheit feines Unternehmens begreiflich zu machen. Auch er bes 
ftätigte, daß Alles wahr fei, was man ihm von den Omegas, ihrem 
Reichthum und ihrer Macht erzählt Habe. Aber er meinte, man habe 
ihm wahrfcheinlich die Stärke, die höhere Geiſtesbildung und die großen 
Einfichten dieſes Volkes verfchwiegen, welches noch nie von einem an- 
deren Volke mit irgend einem Erfolge angegriffen worben fei; folglich 
fei es Sächerlich und gegen den gefunden Menfchenverfland, es nur für 
möglich zu halten, daß man mit AU Mann, und wenn file auch wahre 
Löwen wären, ein Land erobern koͤnne, das von Leuten vertheibigt 
werbe, welche fich fowohl durch ihre große Zahl, ald auch durch ihre 
Kriegokunſt furchtbar gemacht Hätten. Gewiß waren diefe Vorftellungen 
ſehr vernünftig, allein fie machten auf Ritter Philipp Feinen Eindruck 
Zu feſt fland in ihm der Entichluß, es koſte was es wolle, dem Ziele 
nachzuſtreben. Da der Kazife feine unbeugfame Halsſtarrigkeit fah, fo 
berichtete er ihm weiter, daß das Land, welches aufzufuchen fein Un⸗ 
fleen ihn verleite, fünf Tagereifen von dem Dorfe entfernt fei, und daß 
er nerfpreche, ihm feld dahin zu führen und ihm nicht eher zu vers 
laſſen, als bis er ihm das Land gezeigt hätte. Er verficherte fogar, er 
würbe feldft jebe Gefahr mit ihm theilen, wenn er nicht wüßte, daß er 
dadurch die Sicherheit und die Eriftenz feines eigenen Bolfes auf das 
Spiel ſetzte. Aber er bat zugleich den Anführer und feine Gefährten 
infländig, im Kalle eines unglüdlichen Ausganges, und wenn Einer ober 
der Andere von ihnen ber unvermeiblichen Todesgefahr entrönne, ſich 
wohl zu erinnern, wie bringenb er fie vor einer Unternehmung gewarnt 
habe, bei welcher fie, wie er feft überzeugt fei, dem gewiſſen Untergange 
entgegen gingen. Man hörte feine Vorſtellungen kalt und gleichgültig 
an und fprach nur von der Abreife; der wohlmeinende Kazife wurde 
als Wegweifer mitgenommen. 

Nachdem man fünf Tagemärfche gemacht hatte, kam man an den 
Abhang eines Berges, von welchem man A bis 5 einzelne Hütten er» 
blickte, die mit großen Steeden gut angebauter Felder umgeben waren. 
Weiterhin in einem reizenden Thale lag eine fo unermeßlich große Stadt, 
daß man fie nicht ganz überfehen konnte. Die Straßen [hienen voll- 
fommen gerade zu fein, die Häufer dicht neben einander zu fliehen und 
gut gebaut zu fein. Seht, fagte der Kazile, Habe ich mein Verfprechen 

Beitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 29 


450 8. v. Klöden: - 


erfühlt, euch die Hauptflabt der Omegaer zu zeigen. Du fichft Bier 
das berühmte Land vor dir, nach deſſen Reihthümern bie Deutſchen fo 
füftern find. Das große Gebäude, welches in der Mitte der Statt 
hervorragt, ift Die Wohnung des Oberhauptes und der Tempel vieler 
Goͤtter. Die Bolldmenge viefer Stadt if: unermeßli groß und die 
darin herrfchende Orbnung bewundernswuͤrdig. Die einzelnen rings 
um die Stadt zerftreueten Häufer, find die Wohnungen derjenigen Ome⸗ 
gaer, welche auf Befehl des Oberhauptes Lebensmittel für die Stadt 
bauen müffen, während die übrigen fich ganz allein mit dem Krieg 
wefen befchäftigen und fich beflänbig in den Waffen üben. Du fiehtt 
mit eigenen Augen, wie mächtig dad Land if, defien Eroberung bu 
‚dir vorgenommen haft, und du Fannft Dich felbft von der Verwegenheit 
eures Vorhabens überzeugen. Beftehft du aber dennoch darauf, den 
Berfuch zu wagen, fo bleibt mir nicht anderes übrig, ald nach Hauie 
zurüchzukehren und die Götter anzuflehen, euch in Schuß zu nehmen, 
fo vergeblich died auch fein wird, — Auch diefe Rebe des Kazifen 
machte feinen Eindrud; fie nahmen von ihm Abfchied und marfchirten 
auf die Stadt los. 

Als unfere Deutfchen ſich ten Lanbhäufern näherten, welche fie 
vom Berge aus gefehen Hatten, begegneten fie einigen von den India 
nern, welche ſich mit dem Ackerbau befchäftigten, und vie bei dem An. 
blid der weißen, bärtigen und frembartig befleideten Europäer heftig 
erſchracken und davon liefen. Man jehte ihnen vergebens nach; nur 
Ritter Philipp erhafchte einen von ihnen zu feinem Unglüd, denn ald 
fich der Indianer überzeugte, daß er nicht mehr entrinnen fünne, fuchte 
er fich durch einen Lanzenwurf von feinem Gegner zu befreien, ver 
diefen fehr ſchwer zwifchen den Rippen verwundete. Ehe noch cine 
Stunde verfloß, hörte man ſchon In der Stadt von allen Seiten einen 
gewaltigen Lärm von Trommeln und ein heftiges Getöfe von anderen 
Kriegswerkzeugen, zugleich aber ein fürchterliches Gefchrei. Zum Glüd 
für bie Deutfchen brach die Nacht rafch ein, die dort nur Durch eine 
furze Dämmerung vermittelt wird, und begünftigte den Ruͤckzug. Eic 
brachten die Nacht auf dem Gipfel des Berges zu, wohin Philipp ron 
Hutten in einer Hängematte getragen wurde. 

. Bei dem Anbruch des folgenden Tages erfchien eine Armee von 
15,000 Omegaern, welche aus der Stadt z0g, um bie Deutfchen an- 








Die Welfer in Augsburg als Beflger von Venezuela ıc. 451 


zugreifen. Diefe, obgleich ihrer nur noch 39 waren, welche die Waffen 
führen konnten, weil Philipp von Hutten verwundet dalag, rüfteten 
fih unter dem Befehl des Oberften Limpias zum Gefechte. Vielleicht 
war nie ein Kampf in Bezug auf die Stärke der beiden Parteien un- 
gleicher, als diefer, und nie war einer fo wenig nachtheilig für Die ges 
ringere Zahl. Die Deutfchen entwidelten eine Tapferkeit, die über alle 
Vorftelung ging. Keiner von ihnen wurde getöbtet, fie fchlugen bie 
Dmegaer fiegreich zurüd, und das Schlachtfeld war mit den Leichen 
derfelben ganz bebedt. 

Es muß nothwendig fabelhaft erfiheinen, daß 39 Europäer 15,000 
Indianer geſchlagen haben ſollen, und man fönnte wohl glauben, durch 
diefe alten Nachrichten würden manche neueren Siegeöberichte noch 
weit übertroffen. “Dennoch aber iſt e8 gewiß, daß eine Handvoll Eu⸗ 
ropäer die mächtigften amerifanijchen Reiche erobert hat. Eine Anzahl 
von 120 Mann, die auf drei unbedeutenden Fahrzeugen aus Europa 
nach dem noch gänzlich unbekannten Amerika abfegelte und auf der 
von 1,500,000 Karaiben bewohnten Infel St. Domingo landete, nahm 
diefelbe im Namen des Königs von Spanien in Beſitz, legte Feſtungs⸗ 
werfe darauf an und unterwarf nicht nur die ganze Infel, fondern 
rottete auch die Ureinwohner derfelben ganz aus. ortez wagte mit 
508 Soldaten und 109 Matrofen und Handwerföleuten, wovon in 
Allem nur 45 Mann mit Schießgewehren bewaffnet waren, ein Land 
anzugreifen, das von 6 Millionen cultivirter und Friegerifcher Einwoh⸗ 
ner vertheidigt warb, und es gelang ihm, daſſelbe unter feine Bot- 
mäßigfeit zu bringen. Pizarro eroberte das ganze unermeßliche Reich 
Peru mit 180 Spaniern. Dies find Hiftorifch vollkommen beglaubigte 
Thatfachen und laffen den Bericht von dem Treffen mit den Omega’s 
weniger unglaubwürdig erfcheinen. Begreiflicher wird die Sache, wenn 
man bedenkt, daß die Amerikaner fi) ohne alle Schutzwaffen nadt und 
bloß ihren fchwer bewaffneten Feinden gegenüberftellen mußten, daß fie 
weber Eifen noch Stahl fannten, fein Feuergewehr befaßen und mit 
allen taftifchen Vortheilen unbefannt waren. Lanzen, Bogen und Pfeil 
waren ihre einzigen Waffen, mit benen fie europätfcher Kriegskunſt 
nur im allergeringften Maße widerftehen Tonnten. 

Ungeachtet unfere Deutfchen einen glänzenden Sieg erfochten hats 
ten, fahen fie doch ein, daß die Eroberung diefed Landes nur durch 

29 * 


452 K. v. Klöden: 


eine weit ſtaͤrkere Anzahl von Truppen moͤglich fein würde. Sie gas 
ben daher für jet weitere Berfuche auf und fehrten zu dem Kazifen 
zurüd, der ihnen zum Wegweifer gebient Hatte, und ber feinen Augen 
faum traute, als er fie wieder fah. Hier hielten fie ſich fo lange auf, 
bis Philipp von Hutten von feiner Wunde ganz genefen war. Dieſer 
zog inzwifchen von dem Kazifen die genauefte Erfundigung ein, wie 
eine zweite Unternehmung der Art fchneller und glüdlicher ausgeführt 
werden Fönnte. Hierauf trat er mit den Seinen den Rüdweg nad 
Coro an, denn dort wollte er Anftalten zu einem neuen nachdrückliche⸗ 
ven Kriegszuge gegen die Omegas treffen. 

Aber ein Unglüd war es, daß der Oberft Limpias fich bei dem 
Zuge befand. Diefer, ein treuer Anhänger des Juan de Carvajal, 
welcher letzte fich noch immer im widerrechtlich angemaßten Beſitz ver 
Gouverneursftelle von Venezuela befand, und in deffen Solde Limpias 
ſtand, betrachtete die Unternehmungen Ritter Philipps nicht ohne Un⸗ 
ruhe. Kam Philipp von Hutten nach Coro, fo war zu fürchten, Das 
er feine rechtmäßigen Anfprüche auf die Gouverneursftelle mit aller 
Kraft geltend machen würde. Um über Philipps Vorhaben fletd unter: 
richtet zu fein, Hatte Carvajal veranlaßt, daß Limpias dem Zuge bei⸗ 
gegeben wurde, und diefer diente ihm als Spion. Da Philipp von 
Hutten jetzt nach Coro ziehen wollte, fliegen die Beforgnifie Carvajals. 
Schon früher feheint zwifchen ihm und Limpias für dieſen Fall eine 
Verabredung und ein Verſprechen ftattgefunden zu haben, dem man 
nun nachfommen wollte Es war in der Charwoche 1546, ald man 
ſich noch 100 Meilen diesfeits Coro befand. Da brach eine Meuterä 
unter den Truppen aus; Limpias fland mit einem Theile der Leute 
unferem Ritter und den ihm treu Gebliebenen gegenüber. Das Signal 
gab Limpias durch die Ermordung Philipps von Hutten Mit ihm 
fiel ein junger Welfer, der den Zug mitgemacht hatte, fowie der größte 
Theil derer, die auf Huttend Seite fanden. Damit endete diefe tra 
gifche Gefchichte. Limpias ging nach Coro und blieb dort unangefod- 
ten. @arvajal aber wurde fpäter wegen feiner angemaßten Gewalt 
nach Urtheil und Recht gefchleift und gehenkt. 

Den Tod Philipps von Hutten erfuhr man aus den Briefen fer 
ner Verwandten. Die beiden lebten fchrieb der Bruder des Ermorde⸗ 
ten, der Biſchof Morig von Eichftädt, an den römifchen König Zerbi- 








Die Welſer in Augsburg als Beflger von Venezuela ıc. 453 


nand, und da vermuthlich dieſer nicht Helfen fonnte, an beffen Bruber, 
Kaifer Karl V., König von Spanien, um volle Genugtfuung und Aus⸗ 
lieferung des von Philipp Hinterlafienen Vermögens zu bewirken, wie 
auch „der brieflichen Urkunden, auch Berzeichnifien ver neu entbedten 
Land, die mein Bruder fonder Zweifel feinem vorigen Gebrauch nad 
mit Fleiß wird befchrieben haben“. — Aber der wadere Bifchof erreichte 
jelnen Zwed nicht; vermuthlich weil gerade damals (1545) der Kalfer 
mit ganz anderen, ihm weit mehr am Kerzen liegenden Dingen, mit 
Ausführung feiner deſpotiſchen Abfichten auf das deutſche Reich be 
ſchäftigt war, und weil feine inbifchen Räthe in Spanien, — wenn er 
ihnen ja Rotiz davon gab, — ſich um die gerechte Sache eines Aus- 
laͤnders gegen einen ihrer Landsleute wohl wenig befümmerten. 

Nunmehr erfchien auch die Zeit, wo der Kaifer die verderblichen 
Holgen einfah, die feine den Welfern ertheilte Begünftigung nothwen⸗ 
Dig mit fich führen mußte. Ex überzeugte fi), daß bei einer folchen 
Berwaltung die Provinz Benezuela immer ein verheertes, fchänblich 
ausgefogened Land bleiben würde, und nahm die Souverainetätsrechte 
über diefelbe zurüd, deren er fich eigentlich niemals Hätte entäußern 
follen. Der Traftat mit den Welfern wurde aufgehoben, und ber Kal 
jer ernannte den Licentiaten Johann PBeres von Tolofa zum Statt- 
halter der Provinz. 

Sechs mühenolle Jahre Hatte Philipp von Hutten auf feinen beis 
den letzten Reifen nad) dem Lande der Omegas zugebracht, und war 
um alle Früchte derfelben beirogen worden. Durch Feine der welferi- 
ſchen Erpebitionen ift die Wiſſenſchaft bereichert worben, durch feine 
derfelben das Golbland aufgefunden. Dies Gefchid theilten fie freilich 
mit anderen Erpebitionen zu demfelben Zwede Queſada 309, wie 
oben bemerft, von Santa & mit 250 Mann und vieler Reiterei auf 
die Enidedung des Goldlandes aus, und Fam zurüd, nachdem er den 
größten Theil feiner Mannfchaft verloren hatte. Pebro de Ordaz ftellte 
von Quito aus einen ſolchen Zug an, der nicht minder unglüdlich 
abfief Antonio Berrio Tehrte von einer gleichen Unternefmung mit 
einem Berlufte von neun Zehnteln feiner Mannfchaft zurüd. Fran⸗ 
eisco DOrellana zog mit 500 Mann auf die Entvedung des Goldlandes 
aus und wurde von feinen eigenen Leuten, die fich nachher zerftveuten, 
ermordet. Alle diefe Züge haben nichts genügt, aber dem Lande ent- 


454 8. v. Klöden: 


feslich viel Unglüd und Schaden gebracht. Sie lieferten nur den Bes 
weis, wie unendlich viel der Menfch leiten kann, wenn irgend eine 
Idee fein ganzes Weſen beherrfcht und fein ganzes Thun und Treiben 
fih auf einen Punkt richtet. Großes haben diefe Männer allerdings 
in der Beflegung von Widerwärtigfeiten, Schwierigkeiten und Hinder 
niffen geleiftet, aber auch in der Verübung von Graufamfeiten und 
Schändlichfeiten aller Art. Während man fie bewundert, muß man fie 
verabfcheuen. Leuchtend fteht in dieſer Hinficht unfer Philipp v. Hutten 
da, denn von ihm find folche Abfcheulichkeiten nicht befannt, und von 
allen Genannten dürfte ihm das vorzüglichfte Lob gebühren. Schade, 
daß die Bapiere verloren gegangen find, von denen fein Bruder ſpricht. 
Sie find es wohl für immer. 

Obgleich die hier mitgetheilte Erzählung vollftändiger if, als eime 
der bisher befannten, fo ift doch nicht in Abrede zu ftellen, daß fie 
duch einen forgfältigen Gebrauch der vorhandenen Quellen noch ver: 
vollftändigt werben könnte, wären biefe nicht zum Theil große Selten 
heiten. Für denjenigen, ber ſich an die Arbeit machen will, ftelle ich 
im Folgenden den literarifchen Apparat zufammen. 

La historia general y natural de las Indias, islas y terra ferma 
del mar Oceano. Por el Capitan Gongalo Hernandez de 
Oviedo. Parte I. Sevilla 1535. Fol. — Sauptquelle; der 
Verfaſſer entitellt aber die Namen ganz gewaltig. Georg von 
Speier heißt bei ihm Georg Spirra, Philipp von Hutten nemt 
er Philipp de Urre. Darin find ihm alle fpäteren Befchreiber, 
jelbft bis in neue Zeiten gefolgt, woher es gefommen, dag man 
von der Mitwirfung der Deutfchen bei diefen Unternehmungen 
nichts wußte. 

O. Dapper, Die unbefannte neue Welt, oder Befchreibung des Welt: 
theilö America und des Suͤdlandes. Amfterdam 1673. Fol. S.620 
— 623. 

Allgemeine Hiftorie der Reifen zu Wafler und zu Lande, oder Samm— 
lung aller Reifebefchreibungen. Leipzig 1757. A. Bd. XV. S©.49—51. 

Marci Welseri Opera. Norimbergae 1628. Fol. 

Paul v. Stetten des Jüngern Lebensbefchreibungen zur Erwedung 
und Unterhaltung bürgerlier Tugend. Augsburg 1782. 8. ©. 209 
— 248. 











Die Welfer in Augsburg ald Beſitzer von Venezuela ıc. 455 


Indianiſche Hiſtoria; eine fchöne furzweilige Hiſtoria Nicolaus Fe⸗ 
dermannd des Jüngern von Ulm erſter raife; fo er von Hifpa- 
nia und Andolofia aus in Indiad des Oceaniſchen Moͤrs gethan 
hat, und was ihm allda begegnet bis auf fein Wiederfunft in 
‚Hifpanien, aufs kurzeſt befchrieben, ganz luftig zu lefen. 1557. 4. 
Getruckt zu Hagenaw bei Sigmund Bund. — Sehr felten. 

Iſelin, Hiftorifches Lerifon. Artikel Hutten. 

Junckher Philipps von Hutten Zeitung aus India; aus feiner zum 
Theil unleferlich gewordenen Handfchrift. Abgedruckt in Meufels 
biftorifchsliterarifchem Magazin. Baireuth und Leipzig 1785. 8 
ma). Thl. J. ©. 51 — 117. 

Meusel, Bibliotheca historica. Vol. III. P. I. Lips: 1787. p. 281. 

Keife in den öfllichen Theil von Zerrafirma in Sübamerifa von 
Depond. Aus dem Franzöf. überfeht von Chr. Mayland. Berlin 
1808. ©. 32 — 42. 384 — 394. 

El Dorado. Ein Beitrag zur kritiſchen Unterfuchung der geographi⸗ 
ſchen Fabeln verfloſſener Zeiten von T. F. Ehrmann. Abgedruckt 
in Bertuch's allgemeinen geographiſchen Ephemeriden. Bd. XXV. 
Weinar 1808. S. 136 — 165. 

Nachtrag zur vorftehenden Abhandlung. Aus einem Schreiben des 
Heren Hofraths 3. ©. Meufel an den Berfafler der Abhandlung, 
Heren Prof. Ehrmann. Abgedruckt in demfelben Bande der all 
gemeinen geographiſchen Ephemeriden, S. 483 — 490. 


K. v, Klöden. 


Niscellen. 


Allgemeine Weberficht der Veröffentlihungen aus der admi- 
niftrativen Statiftit der verfchiedenen Staaten. 
(Fortſehung.) 

V. Die Niederlande. 


Im Sabre 1826 wurde im Königreich der Niederlande ein Bureau ver 
allgemeinen Statiftit errichtet; es war einer flatiflifchen Commiljion unter- 
georonet, welche aus Hohen Stantsbeamten beſtand, und befchäftigte ſich haupt⸗ 
ſachlich mit Sammlung der Documente über die Bewegung des Civilſtandes 
und mit der Ausführung ver Zählung von 1829, an welche ſich die Einfüh- 
zung der Benölferungsregifter anfchloß. Zugleich war 1826 vie Errichtung 
ftatiftifcher Provinzial» Commifflonen angeorbnet worden. Schon vorher hatte 
in Gent (1818) eine ſtatiſtiſche Gefenfchaft für Oftflandern beſtanden. Das ftati- 
ftifche Bureau ging 1830 ein, die Provinzial» Gommifftonen hörten theilweiſe 
fchon früher auf. Das erſte Recueil des Tableaux publiés par le Bureau de 
Statistique erfchien 1827, das zweite 1829; fe betrafen bie Bewegung ber 
Bevölkerung feit 1915, ven auswärtigen Hanbel, Klima, Agricultur, Stein: 
Tohlenpropuction, Fiſcherei und Mebicinalwefen; nachträglich wurde 1836 noch 
ein britter Band heraudgegeben. Das auf die belgischen Provinzen bezüglicye 
Material, betreffend die Zählungsrefultate, Die Bewegung des Givilftandes, 
Griminaljuftiz, Schulen, Arbeitshäufer, iſt in ven belgiſchen flatiftifchen De- 
cumenten, welche 1832, 1833 und 1836 erfchienen find, veröffentlicht worben. 
Die Arbeiten des flatiflifchen Bureau's erfchienen one Tertz die Tabellen ver 
erften Sammlung find von dem Director des Bureau’ E. Smits in einem 
befonderen Werke beleuchtet worden. Seit 1826 fanden auch Mittheilungen 
aus der offiziellen Statiſtik, z. B. Bevölkerung, Gefängniffe ac. betreffend, in 
Zobatto’8 Jahrbuch ihre Stelle. 

Die Mefultate der zweiten nieverländifchen Volkszählung gab das Mini» 
flerium des Innern im Jahre 1840 Heraus. In dieſem Minifterium wurke 
1848 ein ftatiftifche8 Bureau errichtet, welches unter v. Baumhauers Direr- 
tion fteht. Das Bureau hat die Zählung vom November 1849 in größerem 
Mapftabe, als die bisherigen, ausführen laſſen. Die Zählung umfaßt Wohn⸗ 
pläße, Gebäude, ven Eivilftann, Geburtsort, die Confeflion, dad Alter und 
den Beruf (Stand und Gewerbe) der Einwohner; vie Tabellen find 1852 
unter bem Titel: Uitkomsten der derde tienjaarige Volkstelling, beraus- 
gegeben worben. Im Jahre 1854 erfchien der erfte Jahrgang bed von dem⸗ 
felben Bureau herausgegebenen Statistisch Jaarboekje, in welchem fich na- 














Ueberficht der Verdffentlichungen aus ver abminiftrativen Statiſtik. 457 


mentlich tabellarifche Darftellungen des Standes und ver Bewegung ber Bes 
völferung, der Krankenhäufer, des Iinterrichts, des Armenwefens (1841 bis 
1850), ver Mechtöpflege, ver Befängniffe, der Agricufturprobuction und des 
Viehſtandes, ver Fabriken, des inneren und äußeren Handels, ver Schiffahrt, 
der Staats⸗ und Provinzial= Finanzen befinden. Die agricultur«ftatiflifchen 
Aufnahmen finden feit 1851 flatt; ältere Zufammenftellungen finden fich für 
einzelne Provinzen und aus Halboffiziellen Quellen. Bon ben Jahresberichten 
ftatiftifchen Inhalts, welche im Reſſort des Minifteriums des Innern heraus» 
Tommen, find einige ſchon vor der Trennung Belgiens von den Niederlanden 
erſchienen, fo die Berichte über ven Zuftand ver Wohlthätigkeitdanftalten (fchon 
1827) und über den Zuſtand einzelner Zweige des Unterrichtäwefens; feit 
1847 murben biefelben in ftatiftifcher Beziehung noch erweitert (Verslag no- 
pens den Staat der hooge, middelbare en lagere Schoolen und Verslag 
nopens den Staat van het Armwezen). Das Minifterium bed Innern hat 
im vorigen Jahre eine ftatiflifche Darftelung ver öffentlichen Arbeiten in ven 
Iahren 1850 bis 53 (Verslag over de openbare Werken) und entfprechend 
der Arbeiten in dem Jahre 1854 herausgegeben. Außerdem erfcheinen jähr« 
lich vie Sefängnißtabellen (Statistische Tabellen van de Bevolking der 
Gefangnissen) und bie Berichte der Infpectoren der Irrenhäufer (Verslag 
over den Staat der Gestichten voor Kranksinnigen). mei weitere fla- 
tiftifche Spezlalbureau’8 beftehen im Yinanzminifterium und im Juſtizminiſte⸗ 
rium; dad erftere giebt jährlich vie Statistiek van den Handel en de Scheep- 
vaart heraus, wovon ber erfte Band, auf 1846 bezüglich, 1848 veröffentlicht 
wurbe; fte erfheinen jet ſchon im nächftfolgennen Jahre. (Nieverlänpifche 
Handelstabellen aus früheren Jahren find 3.8. in Buddinghs Statistiek voor 
Handel en Nijverheid abgebrudt). Das ftatiftifche Bureau im Juſtizmini⸗ 
flerium Bat zuerft 1850 vie Geregtilijke Statistiek, und zwar fowohl die 
Tabellen der Civil-, als der Criminal⸗Rechtspflege, in den Jahren 1847 big 
1849 Herausgegeben; ſeitdem erfcheinen viefelben je im folgenden Jahre. Don 
anderen amtlichen Werfen ftatiftifchen Inhalts find die Mechenfchaftöberichte 
des Finanzminifterd und das vom topographifchen Bureau im Kriegsminiftes 
rium veröffentlichte Ortfchaftönerzeichnig zu erwähnen. Die Hauptquellen 
der Provinzialftatiftit find die Jahresberichte der permanenten Deputationen 
an die Provinzialräthe, von denen die erften ſchon im Jahre 1823 erfchienen 
find. Seit 1851 ift für viefelben die gleiche Form durch dad Minifterium 
des Innern vorgefchrieben worden. Auch von ven Jahreöberichten ver Ge⸗ 
meinbebehörvnen (Verslag van den Toestand der Gemeente etc.) erfcheinen 
einige im Drude. 

Das Herzogtbum Limburg fteht in Fatififcher Beziehung wie jebe nies 
derlaͤndiſche Provinz. Die Statiftit veffelben für die Periode von 1830 bis 
1839 findet fih in ven belgiſchen flatiftifchen Dorumenten; der erfle Provin⸗ 
zial⸗Verwaltungsbericht erfähien 1833. Das von der Gefellfchaft ver Freunde 


458 Miscellen: 


der Wiflenfchaften und Künfte herausgegebene Jaarboekje voor het Hertog- 
dom Limborg ift in ftatiftifcher Beziehung mit Lobatto’8 Jahrbuch verglichen 
worden. 

Die Statiftif der niederländifchen Eolonien befchränkt fich auf die Ver⸗ 
waltungsberichte des Colonien= Minifteriums; fie kommen nicht in den Bud’ 
handel. Ausführliche Auszüge daraus werden in dem Staatskundig en staats- 
huishoudkundig Jaarboekje veröffentlicht, welches feit 1849 ericheint. Die 
Behandlung der Statiftif ift nach den einzelnen Golonien verfchieden; bei ven 
oſtindiſchen Beſitzungen genügen bie Nachrichten, beſonders foweit fie die im- 
materiellen Intereffen betreffen, nicht den Anfprüchen an eine eigentliche Sta⸗ 
tiſtik; befprochen werben Bevölkerung, Militair, Mechtöpflege, Cultus, Wohl 
thätigkeitöanftalten, Sanitätöwefen, Unterricht, cultivirtes Land, Production, 
Viehſtand, innerer und äußerer Verkehr, Finanzen (hier insbeſondere die Mo⸗ 
nopole). Die Angaben für Java mit Madura find genauer, von ven übrigen 
Infeln finden ſich nur einzelne Notizen; Handels⸗ und Schiffahrtötabellen von 
Java mit Mabura werben regelmäßig nufgeftellt, fle werben im ftatiflifchen 
Jahrbuch des Minifteriumd des Innern abgebruct, für frühere Jahre finden 
fie fich in ven Tabellen des ſtatiſtiſchen Bureau's des englifchen Handeldamts. 
1829 erfchien in Batavin felbft der Verslag van den Handel, Scheepvaart 
en inkomende en uitgaaende Rechten op Java en Madura in het jaar 
1828, im vorigen Jahre ift eine Overzigt van de Scheepvaart onder Ne- 
derlandsche Vlag op de Oost-Indien ged. 1853 erſchienen. Vollſtaͤndiger 
find die DVerwaltungsberichte hinſichtlich der weſtindiſchen Beſitzungen (ver 
Inſeln und Suriname), doch find auch diefe nicht gleichförmig; bie Einwoh⸗ 
nerzahlen werben bier ſpeziell wmitgetheilt, ebenfo Die Bewegung des Civilſtan⸗ 
des; außerdem werben flatiftifche Nachrichten über Militair, Eultus, Unter⸗ 
richt, Wohlthätigkeitsanftalten, Sanitätsanftalten, Finanzen, cultivirtes Land, 
Production und Viehſtand gegeben. Die Sandelötabellen von Suriname wer 
den in dem flatiflifchen Sahrbuche mitgetheilt; für frühere Jahre finben fle 
fich in dem Moniteur des Indes orientales et occidentales abgedruckt, wel- 
her überhaupt ſtatiſtiſche Artikel über die niederländifchen Beflgungen in bei- 
ven Indien enthält. Auch über vie Guineafüfte finnen fich in dem Verwal⸗ 
tungäöberichte einzelne ftatiftifche Angaben. 


VL Belgien. 


Im Jahre 1831 wurde im beigifchen Minifterium des Innern das Bu 
reau der allgemeinen Statiſtik errichte. Der Director deſſelben, E. Smits, 
gab zunächft, vereint mit dem Director des Obfervatoriumd A. Duetelet, bie 
erften beiven Bände ver Documents statistiques (betreffend Bevölkerung und 
Griminaljuftiz) Heraus; dann erfchienen in den Jahren 1836 bis 1841 vier 
weitere Bände dieſer Documente, welche beflimmt waren, die gefammte Ver⸗ 
waltungöftatiftif zu umfaffen. In biefen wurden bie von ben einzelnen Bi- 





Ueberficht des Verdffentlicjungen aus der abminiftrativen Statiftil, 459 


niftesien herausgegebenen flatiflifchen Tabellen im Auszuge abgedruckt, nament- 
lich aus den von den entfprechenden Abtheilungen des Minifteriumd des In⸗ 
nern herausgegebenen Tabellen des Communaloctrois ( Statistique des Octrois 
communaux 1836, erfchienen 1839), des auswärtigen Handels ( Tableaux 
du Commerce exterieur, zuerft für 1831 bis 1834, dann für die einzelnen 
Jahre bis 1840) und ven Berichten Liber die Stantöftraßen und Eifenbahnen; 
ferner aus den vom Iuftizminifterium herausgegebenen Comptes de l’Admi- 
nistration de la Justice criminelle für die Jahre 1831 bis 34 (erfchienen 
1835) und 1835 (erfchienen 1839), und de la Justice civile in den Jahren 
1832 bis 36 (erfchienen 1837), 1836 bis 39 (erfchienen 1840), und aus 
den vom Finanzminifterium berausgegebenen Mefultaten ver Kataſtrirung 
(Statistique territoriale von 1834, erfchienen 1839) und den Staatsrech⸗ 
nungen (den Comptes rendas de l’Administration des Finances und sur 
la Comptabilit& de l’Etat). Außerdem enthalten vie flatiftifchen Documente 
die Tabellen der Bewegung ber Bevölferung (1834 bis 39), ver Wahlen, 
Aushebungen, des höheren und Primair- Unterrichts (bi8 1838), ber Findel⸗ 
häufer, der Gefaͤngniſſe und Arbeitshäufer, ver Wohlthätigkeitäburenu’s, ver 
Provinzial» und Communalfinanzen, der Impfungen, der Agrieulturjchäpen, 
des Viehſtandes, der Getreivepreife, ver Berg- und Hüttenmwerfe und Dampfs 
mafchinen (1831 bis 36), und der Meteorologie; viele legten find dem ſeit 
1834 von Duetelet herausgegebenen Iahrbuche des Obſervatoriums entlchnt, 
welches zugleich Tabellen aus der Bevdlferungsftatiftif mittheilte. 

Im Jahre 1841 wurde neben dem fortbeftehenden Bureau der allgemei⸗ 
nen Statiftil die flatiftifche Central⸗Commiſſion organifirt; fle wurde aus 
Staatöbeamten zufammengefeßt, und Duetelet, welcher ald Berfafler ver ſo⸗ 
cialen Phyſik als Begründer ver belgiſchen Statiftil betrachtet wird, wurde 
Director derſelben. Sie erhielt vie Beftimmung der Reviſton, Verbeſſerung 
und Erweiterung aller flatififchen Tabellen und fpäter vie Berechtigung, daß 
ftatiflifche Aufnahmen nur mit ihrer Genehmigung ftattfinden bürften, Ihr 
Organ ift das Bulletin de la Commission centrale de Statistique, deſſen 
erfter Band 1843, der fünfte 1853 erfchien. Das Bulletin enthält die Ver⸗ 
handlungen und Arbeiten ver Central⸗Commiſſion, unter ven legten 3.8. die 
Berichte über vie Getreide» und Kartoffelernte, über ven Viehſtand, die Lebens⸗ 
mittelfrage, vie Aſſekuranzfrage und die feit 1846 eingerichteten Bevölferungs- 
regifter; es enthält weiter mehrere Auszüge aus amtlichen ftatififchen Werken 
und bibliographifche Arbeiten von Heufchling, zehn Abhandlungen von Que⸗ 
telet, betreffend Zählungen, Trauungen, Sterblichkeit, fünf Abhandlungen von 
Ducpetiaur, welcher auch außerdem in balboffiziellen und Privatwerken ver« 
fchiedene Zweige der Verwaltungsftatiftit behandelt hat, drei von BVigfchers, 
betreffend Wahlen, Bergwerke, Berforgungslafien, ferner Auffäge von Saus 
veur (Taubftummen), Steven (Communaloctrois), Perrot (Journale), Mas 
lou (Eiſenbahnen). Bon dem fechiten Theile des Bülletins find bis jetzt bie 


[4 


460 Miscellen: 


Verhandlungen des flatiftifchen Congreſſes zu Brüfiel (Congres general de 
Statistique en 1853) und Ducpetiaur's Bearbeitung der Aufnahmen über 
die Bedürfniffe ver arbeitenben Klafien (Budgets &conomiques des Classes 
ouvrieres, Subsistances, Salaires, Population) erfchienen. Im Jahre 1843 
wurden unter bem Vorſitze der Gouverneurs Provinzials Commifjionen ein 
gerichtet; ihre Arbeiten haben fich auf vie Volkszaͤhlungen, die Iocalen Urſa⸗ 
hen der Verbrechen, ven Pauperiömus und die Ortönamen bezogen. Unter 
Mitwirkung der fatiftifchen Gentral» Gommifiton Hat das flatiftifche Bureau 

im Minifterium des Innern berauögegeben: Die Tabellen ver Bewegung des 
—* mit vorausgehender Ueberſicht des Bevolkerungsſtandes ſeit 1831 
(Population relevò décennal 1831 bis 1840, Mouvement de l’Etat civil 
1841 bis 50, erfihienen 1842 bis 51) und die Reſultate der Volkszählung 
von 1846 (nach Civilſtand, Wohnftg, Geburtsort, Sprache, Confeſſton, Alter, 
Gewerbe und Beruf, auch Häufer, Haushaltungen, Schüler, Arme) mit ven 
gleichzeitigen Aufnahmen über die landwirthſchaftliche Cultur und Production 
nebſt dem Viehſtand und über vie Gewerbthätigfeit (Arbeiter, Maſchinen xc.); 
die drei Bände dieſes Recensement general, Population, Agriculture, In- 
dustrie, und außerdem eine vollftännigere Ausgabe der Agriculturaufnabmen 
find 1849 618 51 erfchienen. Außerhalb der ſtatiſtiſchen Abtheilung find vom 
Minifterium des Innern an flatiftifchen Arbeiten Herausgegeben worben: von 
der Inbuftrie- Divection vie Reſultate der Enquötes sur l’Industrie linjere 
(erfchienen 1841 und 42) und sur Is Condition des Classes ouvrieres et 
sur le Travail des Enfants (erfchienen 1848); von der Unterrichts⸗Diret⸗ 
tion mit theilweife ftatiftifchem Inhalt: Etat de l’Instruction primaire 1831 
bis 1840 (erfchienen 1842), Situation de l’Instruction primaire 1842, Rap- 
port triennal sur l’Instruction primaire 1843 bis 45 und entfprechenb 1846 
bis 1848 (erſchienen 1849), ferner Etat de l’Instruction moyenne bis 1842 
(erfchienen 1843) und 1843 bis 48 (erichienen 1849), Rapport sur Y’Exat 
de l’Enseignement sup£rieur für 1836 bis 40, dann jährlih und feit 1848 
alle drei Jahr; von ver Abtheilung für Provinzial» und Communal⸗Ver⸗ 
waltung: Rapport sur les Octrois communaux 1845, Documents relat. 
à la Tarification du Pain et de la Viande de Boucherie 1846 unt 
Rapport de la Commission de Revision des Octrois communaux 1848. 
Statiftifche Jahresberichte ver permanenten Deputationen an die Provinzial 
räthe (Rapports annuels sur la Situation des Provinces) find einzelne feu 
1833, regelmäßig feit 1836 erftattet worden; ſeit 1844 ift für viefelben vie 
übereinftimmende Form von ber Central⸗Commiſſion vorgefchrieben worden. 
Jahresberichte über die fläntifche Communalverwaltung kamen feit 1836 ber: 
aus; fie find von mehr, als 20 Stäpten gedruckt erfchienen; gleichförmige 
Gadres für viefelben wurben feit 1846 vorgefährieben. Die Jahresbericht 
der Arrondiffements-Gommiflaire (Rapports des Commissaires des Arron- 
dissements) und die der länplichen Gommunalverwaltung find feit 184% 





Ueberjicht der Veröffentlichungen aus der abminiftrativen Statiftif. 461 


gleichmäßig eingerichtet; von ven erften erfcheinen einzelne gedruckt. Endlich 
möüffen hier vie Rapports annuels des Chambres de Commerce und die des 
Commissions provinciales d’Agriculture erwähnt werden. Die Ergebniffe 
der Sahresberichte der Provinzial» und Communals Verwaltung im Jahrzehnt 
1831 His 1840 find in dem vom Winifterium des Innern herausgegebenen 
Resume des Exposss de la Situation administrative des Provinces et. 
Communes (erfchienen 1841) zufammengeftellt. Die Statiftit der Civil⸗ und 
Griminalrechtspflege wird im ftatiftifchen Bureau des Yuftizminifteriums (Die 
rector Lentz) bearbeitet; der Bericht über die Eivilrechtspflege in ven Jahren 
1839 bis 43 ift 1847, die über die Eriminalrechtöpflege in ven Jahren 1836 
bis 39 und 1840 bis 43 find 1843 und 1846 erfchienen. Andere Arbeiten 
des Juſtizminiſteriums von flatiftiichem Werthe find die Jahresberichte über 
verſchiedene Zweige ver Wohlthätigkeitsanftalten, vie Statistique des Läbers- 
lites au profit des Etablissements röligieuses et charitables 1831 bis 49 
(erſchienen 1850), die Ergebniffe per Enquète sur l’Etat des Maisons 
d’Alienes (erfchienen 1842) und ber Rapport sur le Travail dans les 
Prisons et les Depots de Mendicite (erſchienen 1848). Das Minifterium 
der dffentlichen Arbeiten bearbeitet wie Statiftit der Berg⸗ und Hüttenmerfe 
und der Dampfmafchinen (Statistique des Mines, Usines et Machines & 
vapeur), fie ift für die Jahre 1836 bis 38, 1839 bis AA und 1845 bis 49 
in den Jahren 1842, 46 und 52 herausgegeben worden; an anderen Arbeis 
ten dieſes Miniſteriums find bie feir 1841 erfchienenen Jahresberichte über die 
Eifenbahnvermaltung und die feit 1843 erfcheinenden Annalen zu erwähnen, 
in denen einzelne flatiftifche Aufnahmen aus dem Reſſort vefielben abgedruckt 
werden. Bon ven ftatiftifchen Arbeiten des Finanzminifteriums find die Han⸗ 
dels⸗ und Schiffahrtätabellen hervorzuheben, welche zuerft für 1841 von dieſem 
Drinifterium herausgegeben wurben und je im nächflfolgenden Sabre erfcheinen, 
und die 1853 veröffentlichte vervollſtaͤndigte Ausgabe der Territorialftatiftit (Bo⸗ 
dentheilung nach Gulturarten ıc.). Als vom Kriegsminifterium publizirt wirb 
pie Statistique criminelle, Conseils de Guerre etc. (1835) bezeichnet; als 
vom Minifterium des Auswärtigen gelten die feit 1850 erfchienenen Jahresberichte 
de8 Service des Emigrants. Eine Zufammenftellung und Bearbeitung bes 
in dem Jahrzehnt 1841 bis 50 aufgenommenen ftatiftifchen Materials, ſowie 
theilmweife des weiter zurüdliegenden, Hat die flatiftifche Central⸗Commiſſion 
mit Unterflüßung der Minifterialbureau’8 in der 1852 erfchienenen Situation 
generale du Royaume geliefert; die einzelnen Kapitel enthalten vie geogra⸗ 
phifche Lieberficht, die Meteorologie, Territorialftatifiit, Geologie, Zoologie, 
Bevölkerung und Bewegung des Eivilftanded, Veränderungen des Wohnfites 
3c., Berfaffung und Wahlen, Provinzials und Gemeindeverwaltung (Wahlen 
und Finanzen), Unterricht, Wiffenfchaften und Künfte, Wohlthätigkeitsanftal« 
ten (einfchließlich der Krantenhäufer, Arbeitshäufer, Binvelhäufer, ver Leih⸗ 
haͤuſer und Berforgungäfaflen), Gefängniffe (für beide Jahrzehnte), Rechts⸗ 


462 Miscellen: 


pflege (und gerichtliche Polizei), Sicherheitöpolizei, Cultus, Sanitätöverwaltumg 
(auch Mineralwäfler, Epivemien), Militair (Beſtand, Mefrutirung, Vedürfniſſe), 
Bürgermiliz, Finanzen (und Staatsſchuld), Agrifultur (Hier u. a. vie neuen 
Kulturen feit 1847), Inpuftrie, Handel (3.8. Banken, Münze), Land⸗ une 
Waſſerſtraßen und Poſt. Neue ftatiflifche Documente werben vorzugsweiſe 
in Scheerer'8 feit 1854 erfcheinennem Annuaire statistique et historigee 
Belge abgebrudt. 


VO. Dänemark und die Herzgogthümer. 


Die flatiftifche Commiſſion für dad Königreich Dänemark wurde im Jahre 
1833 errichtet; fle beftand aus Hohen Staatöbeamten, hatte fein eigenes Bu⸗ 
reau, fondern überließ die Bearbeitung den verſchiedenen Minifterialbureau's. 
Sie gab feit 1836 das statistik Tabelvärk, 21 Bände, heraus; bie Ta⸗ 
bellen veffelben enthalten die Bevölkerung nach ven Zählungen von 1834, 
40 und 45 (eine frühere Zählung Hatte 1801 flattgefunden), vie Bewegung 
der Bevdlkerung feit dem Anfang viefes Jahrhunderts, die Territorialfatiftif 
( Bodentheilung, Werth der Gebäude und Landgüter), Aderbau (Ausfaat 
und Ernte) und Viehſtand, fläptifchen Verbrauch, Handels⸗ und Schiffahrts⸗ 
tabellen feit 1834 (guch Hanbeldmarine), Griminaltabellen für 1832 bis 40, 
Selbſtmorde, Irrenftatiftif; außerdem hat fle die nye Matrikel for Jordeien- 
dom von 1844 veröffentlicht. Im Sabre 1848 wurde die ftatiflifche Com⸗ 
mifflon aufgehoben, doch find von ihren Arbeiten noch nachträglich die Hanbeld- 
und Schiffahrtstabellen dieſes und des folgenden Jahres und die Wahlftatikif 
von 1848 herausgegeben worben. In Stelle der Commiſſion wurde unter 
dem Sefammtminifterium das Bureau ber allgemeinen Statiſtik errichtet, deſſen 
Chef in flatiftifchen Angelegenheiten anflatt ver Reſſortminiſter zeichnet; es 
giebt eine neue Folge des ftatiflifchen Tabellenwerfd (statistisk Tabelvärk, 
ny Räkke) beraus, von weldyer bis jeßt 10 Bände erjchienen find, enthal⸗ 
tend die Zählungdrefultate von 1850 (nach Alter, Givilftand, Stand unt 
Bewerbe, Geburtöftelle), Die Bewegung des Civilſtandes in den fünf vorher⸗ 
gehenden Jahren (die Todesurfachen nur in Kopenhagen), ferner die Wahl 
ftatiftit von 1849 und 52, die Statiſtik des Bodens nach Eulturarten, ver 
Vertheilung bed Grundeigenthums und die Tabellen der größeren Lanpgüter: 
der achte und zehnte Band enthalten Kandel und Schiffahrt des jeht ver- 
einigten Zollverbandes Daͤnemarks und der Herzogthümer in ven Jahren 1852 
und 53. Das flatiflifche Bureau hat außerdem Mittheilungen (Meddelelser 
fra det statistiske Bureau) veröffentlicht; der vormalige Director deſſelben 
Bergfde, vollendete feine Statiftif des daͤniſchen Staats, deren erfler heil 
1844 erſchien, im Jahre 1853. Das ſtatiſtiſche Tabellenwerk tbeilte zugleich 
die Zaͤhlungsreſultate in den dänifchen Nebenlänvern ( Farder und I8lant ), 
fomwie tie Bewegung der Bevölkerung daſelbſt und vie Wahlſtatiſtik der War 
rder mit, die Volkszählungsrefultate von 1840 und 1845 für Grönland, von 





Ueberſicht der Beröffentlichungen aus ber abminiftrativen Statiflil. 468 


1841 für die weftinbifchen Infeln, (auch von 1840 für die vormals bänifchen 
Beitgumgen in Oſtindien, wogegen bie vormaligen Beflgungen in Guinea nicht 
vorkommen). Andere flatiflifche Documente über Dänemark und vie Neben- 
länder find vie feit längerer Zeit zufammengeftelten Griminaltabellen, vie feit 
1835 erftatteten Mechnungsüberfichten des Binanzminifteriums und die Jahres⸗ 
berichte der Nationalbanf. Die mebicinifche Gefelichaft in Kopenhagen Hat 
einen Ausfchuß für mebicinifche Statiſtik; in ihren Schriften finden fich ftatiflifche 
Abhandlungen, 3.8. Schleißner's Statiftil ver Lebenspauer in Island. Aus⸗ 
führliche Tabellen über die Sunpfchiffahrt find in den Tabellen des englifchen 
Handelsamts (und zwar unter dem bortigen Inlande) mitgetheilt; vaſſelbe 
Werk enthält Ausfuhrtabellen der bänifchen Infeln in Weftinvien. 

Die Refultate ver Volkszaͤhlung von 1803 in ven Gerzogthümern Schles⸗ 
wig und Holſtein wurben von der Mentenfammer in Kopenhagen herausge⸗ 
geben, ebenfo die Zählungsrefultste von 1835; im Herzogthum Lauenburg 
war 1831 gezählt worben; bie Ausfuhrtabellen ver Herzogthümer für vie 
Sabre 1836 und 37 gab die Generalzollfanımer zu Kopenhagen heraus. Im 
Sabre 1839 wurde die Wirkfamfeit ver daͤniſchen ftatiftifchen Commiſſion auch 
auf die Herzogthümer ausgedehnt; vie Zählungen von 1840 und 1845 wur⸗ 
den in benfelben in ähnlicher Weife, wie im Königreiche Dänemark, vorges 
nommen. Die flatiftiiche Commiſſton veranftaltete eine deutſche Ausgabe des 
flatiftifchen Tabellenwerks, von welcher zwölf Theile herausgekommen find; 
fie enthalten die Zählungstabellen, vie Geburten, Sterbefälle und Trauungen 
1835 bis 44, und die Handels⸗ und Schiffahrtötabellen des ſchleswig⸗ hol⸗ 
fteinifchen Zollverbandes (d. 5. einfchließlich des Fürftenthums Lübeck) für bie 
Fahre 1838 bis 1846 und die Durchfuhr durch Lauenburg. Die Handels⸗ 
tabellen für 1847 wurven nicht mehr von der Commililon veröffentlicht. 
Ebenfo wenig ift das außerdem bei ven Behörden ver Herzogthümer zuſam⸗ 
mengeftellte Material, betreffend Criminal» und Civiljuſtiz und Inpuftrie offi- 
ziel Herausgegeben. Ein Gentralblatt für Handel, Schiffahrt und Induſtrie 
der Herzogtbhümer erfchien zu Kopenhagen in ven Jahren 1846 und 47. Das 
ſchleswig⸗ holſteiniſche Finanzdepartement hat an flatiflifchen Arbeiten die Nach» 
richten über Handel und Schiffahrt im Jahre 1848 und die Finanzrechnungen 
für 1848 und 49 Herausgegeben. Ein eigenes ftatiflifches Bureau für bie 
Herzogthümer beiland zu Kiel vom Februar 1850 bis zum Märg 1852, 
von dieſem ift nur im Jahre 1851 ein Heft Mittheilungen erfchienen. Diree⸗ 
tor des Bureau's war Rawit, in deſſen feit 1846 erjchienenen Sahrbüchern für 
Geſetzgebung und Verwaltung auch flatiftifche Aufſaͤtze veröffentlicht wurden, 
und ber inı Jahre 1849 das Staatshandbuch der Herzogthümer Herausgab, 
welches zugleich eine topographifch = ſtatiſtiſche Landesbeſchreibung enthielt. Das 
ftatiftifche Bureanı zu Kopenhagen Hat die Statiftif der Herzogthümer bis 
jege nur, ſoweit e8 die Zolleinheit mit Dänemark erforverte, mitbearbeitet, doch 
bat ed den zehnten Band des Tabellenwerfd (Handel und Schiffahrt Dänes 


464 ' Miscellen: 


marks und ber Herzogthumer 1853) auch in einer beutfchen Ausgabe ver⸗ 
dffentlicht. Die Statiftil einzelner Lanveötheile der Hergogthümer ift in halb⸗ 
offiziellen Schriften bearbeitet worben; unter biefen ift Hanſſens Statiſtik des 
Amtes Bordesholm Hervorzuheben. 


VOI. Schweden und Norwegen. 


Die ſchwediſchen Bevolkerungstabellen fin feit 1749 von ver Tabellen⸗ 
Commiſſion aufgeftellt, ſeitdem aber zu verfchievenen Zeiten erweitert und ver 
beffert worden; vie Volfszählungen wurben anfangs alle drei, feit 1775 alk 
fünf Jahre ausgeführt. Die Tabellen» Eommiffion giebt ale fünf Jahre ber» 
aus: Tabell-Commissionens Femärs-Berättelse angäende Nativitetens 
och Mortalitetens Förhällande och 8. Rikets Folkmängd, bie Zählungs- 
zefultate und die Bewegung der Bevölkerung feit der letztvorhergegangenen 
Zählung enthaltend; bei der Zählung wird Alter, Eivilftand, Stand und Be 
ſchaͤftigung ſehr ſpeziell unterfchievden (auch Gefangene, Arme ꝛc.), auch in 
Betreff der Bewegung des Givilftanves find die Unterfcheinungen fehr zahl 
reich, bei ven Geburten werben bie Verbältniffe ver Gebaͤrenden (Alter ıc) 
unterfchieven, bei nen Todesfaͤllen gewifle Topesurfachen, bei ven Ehen bie 
aufgelöften u. f. w. Die fünfjährigen Berichte find zuerfi für 1821 bis 25 
erfchienen, ebenfo da8 zubehörige Tabellenwerk Tabeller höranda till Tabell- 
Commissionens afgifne Berättelse (doch find vie Tabellen für die fünfjäh- 
rige Periode 1826 bis 30 nicht veröffentlicht worven); ſte kommen in ber 
Megel im britten Jahre heraus, doch iſt ver neuefte Bericht (von Fr. Th. Berg 
gearbeitet) erſt im vorigen-Iahre erfchienen. Dazwifchen find von der Tas 
bellen⸗Commiſſton auch verſchiedene Berichte für einzelne ober mehrere Jahre 
erftattet worden mit beigegebenem Gteneral-Sammandrag öfver Nativiteten 
och Mortaliteten (und mit befonveren Tabellen über die Sterblichkeit an der 
EHolera); vie erfte allgemeine Zufammenftellung geht bis 1749 zurück. Die 
Statiſtik des Handels und der Inpuftrie wird im flatiflifchen Bureau des 
Commerz⸗Collegs bearbeitet; die Berichte defielben über Handel und Schiift- 
verkehr mit dem Auslande und insbeſondere mit Finnland und Norwegen 
(fowie die Handelsmarine feit 1795) find felt dem Anfange ber breißiger 
Jahre erfähienen. Bald darauf hat das Bureau auch die Herausgabe ber 
Jahresberichte über die inländifche Schiffahrt und ver über die Handwerks⸗ 
und Babrif-Inpuftrie begonnen (Commerce-Collegii Berättelse om Sr. 
Utrikes Handel och Sjöfart, om Sv. Inrikes Sjöfart, om Fabrikernes 
och Manufacturernes Ställning, vie neueften für 1853; in den Ichtgenann- 
ten wird u. A. auch der Werth der Fabrikate angegeben. Die Jahresberichte 
des Juftizminifterö erfchienen zuerft für das Jahr 1830; fie find feit 1841 
in der jeigen Form eingerichtet und zerfallen in ven Bericht über die Civil⸗ 
und Griminaltechtäpflege (Justitie-Statsministerns Berättelse angäende ci- 





Ueberficht der Verdffentlihungen aus der abminiftrativen Statiflif. 465 


vila Rättegängs Ärendena och Brottmälen) und ven Bericht über Ver⸗ 
fäufe und Verpfäändungen von Grundeigenthum (J. St. B. om Förhällan- 
det med den à Landet lagfarne Egendom samt meddelade och dödade 
Inteckningar); beiten find ftatiftifche Tabellen beigefügt. Die Statiftif ver 
Production der Berg- und Hüttenwerfe ift in ven feit 1833 erfchienenen 
Zahreöberichten des Bergcollegiumd niebergelegt ( Bergscollegii Berättelse om 
Förhällandet med Bergshandteringen); vie ftatiftifchen Tabellen ver Ges 
fängniffe und Arbeithäufer find in ven betreffenven, zuerft für 1835, in ver 
legten Zeit aber alljährlich Herausgelommenen Berwaltungäberichten enthalten 
(Styreisens öfver Fängelser och Arbetsinrättningar Berättelse om Fängvär- 
den); von flatiftifchem Werthe find die Berichte des Geſundheitstollegii über 
das Mebicinalmefen (Tabellen ver Kranfenhäufer, Impfungen ꝛc.), der erite 
Jahrgang für 1851 erfchien 1853, wer zweite im Jahre darauf (Sundhets- 
collegü Berättelse om Medicinalverket i Riket). Außerdem werben als 
ftatiftifche Documente bezeichnet vie Borlagen an die Reichsſtaͤnde feitend des 
Binanzminifterd und ein 1846 erjchienener Gen. Sammandrag af statistiske 
Tabeller upprättede efter Formulärer meddel. af Kommiten för Behand- 
ling af Frägan om Nationalrepresentationens Ombildning. Die Gentrali- 
jation der Statiſtik und Errichtung eines flatiftifchen Bureau's wird feit laͤn⸗ 
gerer "Zeit beabfichtigt. — Die ſchwediſche Provinzialftstiftil if} in den Quin⸗ 
quennals Berichten ver Lanbeöshauptleute und beziehungsmeife des Statthalters 
von Stockholm über ven öfonomifchen und fonftigen Zuftand des Landes nach 
den verfchievenen Richtungen ( betreffend Landesbeſchaffenheit, Bevölkerung, die 
einzelnen Nahrungszweige und die politifche Verwaltung) behandelt; tabella- 
rifh zufammengeftelt werben die Bodentheilung nach der Nutzungsart, Aus⸗ 
ſaat und Ernte, Viehſtand, Grundwerth, Beſteuerung, Marktpreife. Diefe Bes 
richte wurden zuerſt für die 3. 1823 bis 27 aufgeflelt, dann in Sjährigen 
Perioden weiter, diejenigen für 1843 bis 47 find in ven Jahren 1850 uno 51 
erfhienen, vie nächften Berichte umfafjen nur die vreijährige Periode 1848 bis 
50 und erfchienen 1853. In Verbindung mit den Arbeiten bed topographi⸗ 
ſchen Bureau's werden von dem Landmeſſertorps ftatiftifche Befchreibungen ber 
einzelnen Kirchfpiele geliefert, von denen jedoch angeblich erft drei erjchienen find. 

Die Heraußgabe der norwegifchen ftatiftifchen Tabellen war im Jahre 
1838 durch das Finanzdepartement begonnen worben (Statistiske Tabeller 
udgivne efter det Finants-, Handels- og Told-Departements Foranstal- 
ting); fie wurden von dem feit Anfang 1846 im PMinifterium des Innern 
errichteten flatiflifchen Bureau fortgeſetzt (Contor for det almindelige sta- 
tistiske Tabelvärk i Departementet for det Indre). Die biöher erfchie- 
nen Bände enthalten vie Volkszählungsreſultate (nach Civilſtand, Alter, Stand 
und Gewerbe), fowie die gleichzeitigen Aufnahmen über Agricultur (Ausſaat und 
Ernte) und Viehſtand, ferner die Bewegung ver Bevölkerung feit dem Anfange 
des Jahrhunderts, und die Handels⸗ und Schiffahrtötabellen (auch ven Verkehr 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Br. V. 30 


466 Midcellen: 


mit Schweden und die Handelsmarine) für 1835 und weiter für breijährige 
Perioden (zulegt bis 1853). Die Cenſus werben feit 1815 alle zehn Jahre aufge- 
nommen; die legten Genfusaufnahmen find, ſoweit fle Irre, Blinde, Taubftunme, 
Ausfägige betreffen, von Holft beſonders bearbeitet worden. Das Yinanzmini- 
Rerium Bat außerdem territorial = ftatiftifche Tabellen nad) den Landesmatrikeln 
von 1819 und 1838 herausgegeben (Tabel der viser Antallet af Jorde- 
brugene og deres Störrelse efter Skylden etc.); ſie jind in den Jahren 
1840 und 45 erfchimen. Das Kirchen= und Schuldepartement Bat die Sta- 
tiſtik des Unterrichtsweſens, bauptfächlich ver Volksſchulen, für vie 3. 1837 und 
weiter zurüd und für das 3. 1840 in ven 3. 1840 und 43 herausgegeben 
(Statistiske Tabeller ved Undervüsningsväsenets Tilstand). Andere Do- 
cumente für die Randesftatiftik find bie von dem Finanzminifterium erflatteten 
Staatsrechenfchajtöberichte und die Berichte der Staatöbanf, ferner die von 
Holft herausgegebenen Berichte der Commiſſionen für die Irrenanflalten und 
den Geſundheitszuſtand in den Gefängniifen (Beretning fra en til at un- 
dersöge de Sindsvages Kaar nedsat Commission und om Sygepleien i 
Straffeanstalterne), fowie der Bericht der Cholera» Commifjion (Actstykken 
ang. Cholera, 1850); auch bat das Juſtiz⸗ und Polizei» Departement ſta⸗ 
tiftifche Tabellen über die Strafanftalten (eine Art Criminalftatifiif) befannt 
gemacht. Die periopifchen Berichte der Amtleute über den öfonomifchen Zu⸗ 
fiand des Landes begreifen die verfchievenen Verwaltungszweige; ſie geben 
ſtatiſtiſche Nachrichten über Veräußerung und Berpfändung bon Grundeigen- 
thum, DBerficherungen, Handwerker, Fabriken, Bergwerföproduction, Handel, 
Getreidepreiſe, Befteuerung, Zölle, Amtöfinanzen, Straßenbau, Sparfaften 
u. ſ. w. Sie find zuerft für Ende 1829, dann für die Jahre 1830 bis 35, 
und ſeitdem für jedes weitere Jahrfünft erftattet worben; Ueberſichten der⸗ 
felben bat das Departement des Innern beraudgegeben (unter verſchiedenen 
Bezeichnungen: Oversigt over de af Amtmändene afgivne Rapporter, Or. 
over Rikets ökonomiske Tilstand i Forbindelse med Amtmändenes 
Femaarsberetninger, Beretninger om N. ök. Tilst. udgivne efter Foran- 
stalting af Dep. f. d. 1.); vie Berichte bezüglich ver Jahre 1841 bis 45 
hat Braun Toethe für feine normegifche Statiſtik benutzt. Seit 1850 ik 
auch den Gemeinde» und Diftricetöverwaltungen die Aufftelung ftatifliicher 
Tabellen über ihre öfonomifchen Angelegenheiten (3.8. über die Armenpflege) 
aufgegeben worden. 


IX. Das britiſche Reich einſchließlich Britiſch-Indien. 


Die britiſche Statiſtik iſt nicht centraliſirt; in London ſelbſt beſtehen drei 
bedeutende ſtatiſtiſche Inſtitute, das Statistical Department of the Board of 
Trade, 1832 errichtet, früher unter Porter's, feit 1848 unter Fonblanaue 
Direction, die londoner flatiftifche Geſellſchaft, 1834 errichtet, und das General ||| 


Ueberficht der Veroͤffentlichungen aus der abminiftrativen Statiſtik. 467 


Register-Oflice, 1836 errichtet. Das ſtatiſtiſche Departenıent des Handels» 
amts Bat in den Tables of Revenue, Population, Commerce etc. nicht 
nur die ſtatiſtiſchen Erhebungen aus dieſem Heflort, fondern überhaupt vie 
bei der Megierung und dem Parlament eingehenven ftatiftifchen Tabellen kurz 
mitzutheilen fich zur Aufgabe gemacht. Seit dem Juni 1833 ift jährlich ein 
Band der Tables of Revenue etc., alſo im vorigen Jahre ver 22fte erſchie⸗ 
nen; fie beziehen fich je auf das vorlegte Jahr, ver letzte Band alfo auf 
1852; die auf die Colonien bezüglichen Tabellen erfchienen anfangs vom drit⸗ 
ten bis achten Bande in Supplementbänden, ſeitdem find fie mit in den Haupt⸗ 
bänven enthalten; vie ftatiftifchen Tabellen von auswärtigen Staaten waren, 
anfangs vom dritten bis neunten Bande in ven Hauptbänden mit enthalten, 
feitvem wurden fie in Supplementbänven zum 12., 14. und 18. Theile vers 
öffentlicht. Von Band 21 (Jahr 1851) an beichränfen ſich vie Tables 
of Revenue auf die frühere erfte Abtheilung, nämlich auf die Finanz» und 
Sandelötabellen. Die Nachrichten aud ven hierher gehörigen Reſſorts find die 
volftändigften; fie gehen in ven Tables of Revenue im Ganzen bis 1821, 
in Porters Progress of the Nation theilmeife fogar bis 1801 (fowie auch in 
Darton’8 ftatiftifchen Tabellen eine Zufammenftellung der Hauptjächlichften 
ſtatiſtiſchen Verhaͤltniſſe Gropbritanniend auf den Umfang der erfien Hälfte 
diefe8 Jahrhundert unternommen worten ift); einzelne Zufammenftelungen 
in den PBarlamentspapieren reichen bi8 in das vorige Jahrhundert zurüd 
(R. of the s. Committee on public Income and Expenditure, Account 
of the Import and Export of the British and foreign Merchandise etc.). 
Das Material für diefen Theil ver Tables of Revenue gewähren theils bie 
verfchiedenen jährlich vorgelegten Finance Accounts (fie erfcheinen auch bes 
fonder8 und zwar fchon jeit 1822), die von den einzelnen Yinanzbehörven, 
wie dem Stempelamt (Stamp Office), wo die ftatiftifchen Tabellen gleichfalls 
bis in das vorige Jahrhundert reichen, dem bireften Steueramt (Tax Office), 
dem Accountant general of Excise, deſſen Tabellen dad Material für Zweige 
der Productions» und Verbrauchöftatiftit geben, ver General» Infpection ver 
Einfuhr und Ausfuhr, dem Registrar general of Shipping, den Postmaster 
general, dem Comptroller of Corn Returns (Korneinfuhr) und ver Munz⸗ 
verwaltung aufgeflellten Tabellen, vie Returns of the Offioe of the Com- 
missioners for the Reduction of the national Debt, vie R. of the 8. Com- 
mittee on the Bank of England, und vie Returns of the Bank of Eng- 
land, die von den Commiſſionen für den Kohlenhandel und für die Hering« 
ficherei aufgeftellten Tabellen, vie Reports of the Registrar of Joint-Stock- 
Companies und die weiter zurücliegenden Nachweifungen über Actiengeſell⸗ 
Ihaften, fomwie über die Banfen und Sparkaffen. Ihrem ftatiftifchen Inhalte 
nach find neben den älteren Tabellen viefer Art auch die neuerdings erfchie- 
nenen Reports of the s. Committee on the Income and Property Tax 
hierher zu zählen. Die Einfuhr» und Nusfuhr- Tabellen in ven Tables of 
30 * 


468 Miscellen: 


Revenue wurden mit der Zeit abgekürzt, dagegen find die Nachweifungen 
über die Schiffahrt und die Handelsmarine (deren Statiſtik feit 1815 auch 
beſonders erfchienen ift) in ven letzten Jahren erweitert, auch hat man Ta⸗ 
bellen ver Durchfuhr feit 1850 Hinzugefügt. (Die nicht auf Finanzen und Han⸗ 
del bezüglichen in ven Tables of Rev. abgedruckten Tabellen werben unten bei 
der Statiftif der betreffenden Reſſorts erwähnt.) Außerben giebt das Handels⸗ 
amt feit 1839 monatliche Accounts relating to Trade and Navigation 
heraus; dieſen gingen vorher Statements of Import and Export, Returns 
of the Number of Vessels. Im vorigen Jahre zuerft ift für vie Periode 
1840 bis 53 vom Handelsamt ein Statistical Abstract veröffentlicht wor⸗ 
den, defien Tabellen fi auf Finanzen, Handel, Schiffahrt, Accife, Kornpreiie, 
Münze, Sparkaffen, Banknoten, Bevölkerung, Armenpflege und Auswante- 
rung beziehen; in ähnlichem Umfange erfchien in dieſem Jahre ver Statistical 
Abstract für 1840 bis 1854. 

Die Bolközählungen wurden in Großbritannien feit 1801 alle zehn 
Jahre ausgeführt, anfangs nur mit Ermittelung der Kopfzahl und der 
Häuferzahl, allmählig mit linterfcheinung ber perfönlichen Verhältniffe. Die 
Refultate find veröffentlicht worben in dem Enumeration and Parish Re- 
gister Abstract von 1821, dem comparative Account of the Population 
of Gr. Br. 1801 bi 31, dem Enum. and Par. Reg. Abstract von 1831 
(erfchienen 1833), dem Abstract of Answers and Returns, Enumeration, 
Age, Occupation, Par. R. Abstract von 1841 (in 6 Bänden), und dem 
Census of Great-Britain 1851, Population Tables in 5 Baͤnden, die erfle 
Abtheilung die Volkszahl nach ven ſechs Zahlungen für alle Landesabtheilun⸗ 
gen (politifchen, abminiftrativen, Tirchlichen), fowie Ylächeninhalt und Häufer- 
zahl, vie zweite Abtheilung dann Alter, Eivilftann, Befchäftigung und Ge⸗ 
burtöftelle der Einwohner, fomwie die Statiftif der Blinden, Taubflummen, 
und der in Kranken», Irren⸗, Arbeitähäufern und Gefängnifien befindlichen 
Perſonen, auch Tabellen des Grunnbeflges und der in Bewerben und Land⸗ 
wirtbichaft befchäftigten Arbeiter enthaltend; fle erfchienen in ven Jahren 1852 
und 1854. Mit diefem Cenſus wurden Aufnahmen über die Statiftil der 
Schulen, willenfchaftlichen Inftitute und Kirchen (ven Kirchenbefuch) verbun- 
den (Census etc., Religious Worship and Education); fie find 1854 ber- 
auögegeben worden. Auögeführt wurven vie früheren Cenfus durch Rickmann 
(empl. in arranging Returns under the Population Acts), die beiden letz⸗ 
ten durch dad Generals Megifter- Amt (G. Graham, W. Farr, H. Mann). 

Die Statiftit der Geburten, Sterbefälle und Trauungen in England 
bearbeitete früher ebenfalls Rickmann (welcher danach Bills of Mortality 
aufftellte); die unvollkommene Regiftrirung veranlaßte die Errichtung der 
General Register Office (Report of a Committee appointed to inguire 
into the State of Registers), unter dieſem wurben nach einer Ginthei« 
lung, welche fi an vie neugebilbeten Armenpflegebezirke anſchloß, im 


Ueberſicht der Verdffentlichungen aus ber abminiftrativen Statiftif. 469 


den einzelnen Diſtrieten Superintenvent-Regiftrer, ven Unterbiftricten Regi⸗ 
firer (im Ganzen 2190) angeftellt. Die Thätigkeit des G. R.- Amts wurde 
1845 auf die Ermittelung der Tobesurfachen ausgedehnt (Circular to me- 
dical Practitioners etc.). Das ©, R.-Amt bat feit 1839 Jahresberichte 
(Annual Report of the Registrar general of Births, Deaths and Mar- 
riages in England) beraudgegeben; vie Nachrichten beginnen mit dem Juni 
1837. Die Sahreöberichte find biß zum neunten Bande in einer Folio⸗ dann 
und fchon vom fünften Bande an in einer Octav⸗Ausgabe erfchienen. Um⸗ 
faffende Zufammenftellungen ver Mortalitätd- und Bevölferungdverhältnifie 
enthalten ver ſechſte und der zmölfte Jahresbericht, an welchen legten fich 
Farr's Abhandlung Uber die neue englifche Lebenstafel und ihren Gebrauch 
für Lebensverficherungsanftalten anfchließt; fchneller als vie ausführlichen 
Jahresberichte erfcheinen bie Ueberfichtötabellen (in Folio). Das G. R.⸗Amt 
giebt außerdem feit 1840 Wochenberichte über vie Geburten und Sterbefälle 
in London und feit 1849 Vierteljahröberichte über vie Geburten ıc. in Eng⸗ 
land mit meteorologifchen Tabellen heraus. Als ein befonveres Werk ift 1854 
der Bericht des ©. R.⸗Amts über die Cholera (Report on the Mortality 
of the Cholera in England 1848, 49) erfchienen. — Bon anderen Arbei- 
ten aus der abminiftrativen Statiftit, welche ſich auf die Geſundheits⸗ und 
Sterblichfeitsverhältnifie beziehen, find zunächft vie de8 Board of Health zu 
erwähnen (fie beginnen mit ven Reports of the sanitary Condition of the 
labouring People of Great-Britain 1842 und 43); und Chadwicks Sup- 
plementbericht, betreffend die Beerdigung in den Städten; dann folgen u. A. 
die Reports of the Metropolitan sanitary Commission, die Annual Re- 
ports of the Board of Health für 1851 und vie fpäteren Iahre; Hierher 
gehören weiter die zufammengeftellten Refultate der Erfahrungen der Lebens- 
verficherungd=@efellfchaften und Friendly Societies (Report from the s. 
Comm. on Assurance Associations 1853 ıc., Report from the s. Comm. 
on Friendly Societies, die Returns des Megiftrerd der Fr. S. und Finlai- 
ſon's Report on Sickness and Mortality in Fr. S. in England), Eine 
Zufammenftellung der Armenpflege in England feit 1801 (Abstr. of Ret. 
made to Parl. of Expenditure for the Relief of the Poor) ift in ven 
T. of Rev. abgebrudt; flatiftifched Material enthalten ferner die Reports of 
the s. Comm. on Poor Laws, worunter bie 14bänpigen Rep. of the s. 
Comm. for ing. into the Advancement and practical Operation of the 
Poor Laws; feit Einrichtung ber Armenverbände find die Annual Reports 
of the Poor-Law-Commissioners erfchienen (zuerfi 1835); das neu er⸗ 
richtete P. L. Board für England giebt feit 1849 (zuerft für 1849) Jahres» 
berichte heraus. Als ähnliche Gegenſtaͤnde betreffend Eönnen bier vie Berichte 
und namentlich die Analitical Digests aus den Berichten der Comm. app. 
to ing. into Charities in England erwähnt werben; ferner bie verfchienenen 
Tabellen ver Local Taxation (namentlich aus ben Rep. of the s. Comm. 





470 Miscellen: 


von 1838) und die über ſtaädtiſche Verfaſſung und Verwaltung überhaupt 
in Verbindung mit dem Municipal-Corporation- Act aufgeftelltien Tabellen 
(Rep. of the s. Comm. app. to ing. into M. C. in England 1836 xc.). 
Tabellen der Parlamentöwähler in Großbritannien find zu verfchiedenen Bes 
rioden zufammengeftelt und veröffentlicht worden. Statiſtiſches Material über 
den Volksunterricht befindet ſich in den Berichten ver feit 1816 beſtandenen 
Comm. of ing. into the State of Education of the People (für England), 
der Education Inguiry von 1835 und in ven zahlreichen Mittbeilungen des 
1838 errichteten Committee of Council on Education, deſſen neuere Ar» 
beiten auch Schottland mit begreifen. Die Stanflif der Auswanderung bes 
trifft alle drei Königreiche; Nachweiſungen verfelben find jeit 1820 aufgeftellt 
worden (Report of the s. C. on Emigration), und es werden alljährlich 
Returns exh. the Emigration from the U. K. regelmäßig vorgelegt. 

In der Eriminalftatiftil beginnen die Zufammenftellungen von 1805 und 
find bis dahin bei Porter benugt. Die Tables showing the Number of 
eriminal Offenders erſchienen zuerft für 1834 (vergleichöweife bis 1820 
zurückgehend); ſie werben im Minifterium des Innern von Redgrave be⸗ 
arbeitet. Die Statiftif der Gefängniffe findet fich fehr ausführlich behandelt 
in den Reports of the Inspectors general of Prisons in Great Britain, 
welche zuerft 1836 erfchienen find (in deren Beilage Digests of BReturns 
rel. to Prisons in England); aufervem enthalten ſtatiſtiſches Material vie 
Jahresberichte der Directoren der Staatögefängniffe und die verſchiedenen 
Gaol Returns (Number of Persons comm. to the diff. Gaols in Eng- 
land 1814 bis 34 2c.). Aus ver Eivilrecktöäpflege find ftatiflifche Nachwei⸗ 
fungen erft neuerdings zufammengeftellt worden (fo in ven Parlamentöpapies 
ren die Returns of County Courts, of the Court of Chancery :.); ſchon 
feit 1820 wurben die Tabellen der Banferutte und vie Returns of the In- 
solvent Debtors Court mitgetheilt. In ven Tables of Rev. find die flati- 
ftifchen Tabellen abgeprudt, welche von ven Polizeibehörven ver größeren 
Städte aufgeftellt werden (jo von der Polizei der Hauptflabt und der Lon⸗ 
don»City, von Kiverpool, Manchefter, früher auch von Birmingham und Hull); 
fie enthalten außer den Tabellen ver ‘Polizeigerichtöbarkeit vermifchte Tabellen, 
welche ſich auf die Thätigfeit in Betreff ver Diebflähle, Bordelle, Trunken⸗ 
heit, Brände, Unglüdsfälle ıc. beziehen; verfchienene verfelben erfchienen auch 
befonder8 (Metropolitan Police criminal Returns). 

Material für die invuftrielle Statiftif geben vie feit 1834 Halbjährlich 
erfchienenen Reports of the Inspectors of Factories (in ®roßbritannien): 
auch find mehrmald und namentlich 1850 Ueberfichten der Manufactur In» 
duftrie der geſammten britifchen Infeln zufammengeftellt worven (enthaltend 
Number of Factories, Power and Hands employed); außerbem find hin⸗ 
fichtlih der Manufactur= und Bergwerks⸗Induſtrie die Berichte der Childrens 
Employment Commission (von 1833 und fpäteren Jahren) und die Com⸗ 














Ueberficht der Veroͤffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiftif. 471 


mifflondberichte on the Act for Regulation of Mills and Factories zu ers 
wähnen. In der Statiftif ver Mineralproduction ift das Material jehr un⸗ 
gleich vorhanden; vie Eifenprobuction in Großbritannien ift für verfchiedene 
Sabre in ven Tables of Revenue mitgeteilt worden, die Kupferprobuction 
in England geben die Parlamentöpapiere feit 1820 an, die Zinnprobuction 
ergiebt ſich aus ben Returns des Duchy of Cornwall Office. Tabellen des 
auf den Märkten verkauften inlänvifchen Kornd werben von ven Korns Ins 
pectoren in England alljährlich zufammengeftellt. Statiftifche Nachweiſungen 
der Lebendmittelpreife find zu verjchienenen Zweden durch verfchienene Behör- 
ven aufgeſtellt, 3. ®. in dem Beport of the s. Comm. on the State of 
Agriculture von 1833 ıc. und fpäter in ben Jahreöberichten ver Tithe Com- 
mission. Die Agriculturs Statiftit überhaupt wurde vor etwa 20 Jahren 
von ber Negierung in Angriff genommen, daB aufgenommene Material das 
mals der londoner ftatiflifchen Gefellfchaft überlaffen und in deren Journal 
mitgetheilt. Seit 1848 find neue Aufnahmen durch die Regierung veranlaft 
worden; in dem im vorigen Jahre erfchienenen Bericht der Commiſſion für 
die Landwirthfchaft findet fich der Umfang der einzelnen Bulturarten und ber 
Viehſtand angegeben. 

Als der erfte in England entftanvene flatiflifche Verein kann vie flatiftifche 
Section der British Association for the Advancement of Science (errich⸗ 
tet 1833) bezeichnet werven; fie hat ſowohl felbft eine ftatiftifche Uinterfuchung 
angeftellt (on the Collieries upon the Tyne and Wear, 1838), als andere 
Privatunterfuchungen unterftüßt. Im Jahre darauf wurde die Londoner fla- 
tiftifche Gefellfchaft gegründet; fie gab zunächft ein Heft Transactions ber- 
aus, dann abgefondert den erften Commifjionäbericht über den Stand des 
Unterrichts in Weftminfter, und drei Serien von ragen, betreffend Berhälts 
niffe der aderbauenven und inpuftriellen Bevölkerung, hierauf feit dem Mai 
1838 das Journal, welches anfangs in monatlichen Heften, feit Juli 1839 
in Biertelfahröheften erfchien. Das Journal enthält die Verhandlungen und 
vie Commiffiondberichte,; viele find zwei weitere Berichte der Kommilfion on 
the State of Education in Westminster, ver Rep. of the Education Comm. 
on the Borough of Finsbury und der fünfte Bericht des Education Com- 
mittee, ferner der Report of the medical Comm. on Suicides in West- 
minster und on the State of the working Classes in two Parishes in 
Westm., ver Rep. of the C. on the State of the Inhabitants of Church 
Lane St. Giles, zwei Berichte des Comm. on Hospital Statistics, der Rep. 
on Sickness and Mortality among the Metropolitan Police, der Rep. of 
tbe C. on the State of the poorer Classes in St. George in the East, 
und der Rep. of the C. on Education in South Staffordshire; außerdem 
bat vie Geſellſchaft ftatiftifche Unterfuchungen in den Städten Leeds und 
Sheffield veranlaßt. Das Journal enthält aus der englifchen Statiſtik ver⸗ 
fchiedene Abhandlungen von Kletcher (deſſen Moral and educational Sta- 





\ 


472 Miscellen: 


tistics u. f. w.), von Porter, von Chadwick (über Lebendbauer), von Farr, 
9. Mann, Sellin, Buy, Neifon (veflen Beiträge zur Lebensoſtatiſtik aud ven 
Erfahrungen der Friendly Societies, Eifenbahnunfälle ꝛc.), Tidd Pratt, Raw: 
fon u, U. Someit die Thätigfeit der Gefellfchaft über England Hinausreicht, 
wird fie weiter unten erwähnt werben. 

Die ftatiftifche Geſellſchaft zu Manchefler wurde fchon im Jahre 1833 
geftiftet; fie Hat Herausgegeben Reports of the Committee of the M. stat- 
Soc. on the State of Education in Manchester, in Bury, in Salford, in 
York, in Pendleton, in Rutlandshire, in Hull (6i8 1841), on the Con- 
dition of the working Classes in an extensive manufacturing District 
(1838), on the Condition of the Population in 3 Parishes of Rutland- 
shire (1839), eine Collection of miscellaneous Reports and Papers, un» 
einen Aufiat on the Demoralization and Injuries occasioned by the Want 
of proper Regulation of Labourers engaged in the Construction of Rail- 
ways (1846); ſie befteht noch fort und erftattet Jahresberichte. Die übri⸗ 
gen in England errichteten ftatiftifchen Gefellfchaften haben fich bald wierer 
aufgelöft; es waren dies die flatiftifche Befellfchaft zu Briftol, 1836 errichtet, 
von deren Arbeiten die Statistics of Education in Bristol und ein Report 
of an Inquiry into the Condition of the working Classes in Bristol an- 
zuführen find; zweitens vie ſtatiſtiſche Befellfchaft zu Leeds, gefliftet 1838, 
drittens die zu Birmingham, in vemfelben Jahre errichtet (Arbeiten derſelben 
find der Report on the State of Education in Birmingham und bie Eco- 
nomical Statistics of Birmingham), viertend vie zu Xiverpool, in demſelben 
Jahre geftiftet, fie ftellte Unterfuchungen über die Lage der arbeitenden Klafien 
an, ihre Beröffentlihungen find fehr gering. Schließlich muß Hier, wenn es 
auch nicht als ein flatiflifches Inſtitut bezeichnet werben Tann, das Institute 
of Actuaries erwähnt werben, deſſen Mitglieder auf dem Felde ver Berfiches 
rungsſtatiſtik fehr thätig find, und welches ven erften flatiftifchen Gongre$ 
(durh S. Brown) beſchickt Hatte. 

Zu denjenigen Zweigen, in welchen vie fchottifche Statiſtik fi) von ver 
englifchen unterfcheidet, gehört zunächft vie Bewegung des Civilſtandes. Die 
Gontrole derfelben, beſonders die Eintragung der Ehen und der Geburten in 
die Parochialregifter, ift fehr mangelhaft; das 1847 vorgelegte Geſetz über 
Ausdehnung des Regiſterſyſtems auf Schottland fiel durch. Eine Zufammen- 
ftellung der Bewegung des Civilſtandes in den Jahren 1842 bis 50 (Return 
of the Number of Births, Deaths and Marriages) befindet fi in ven 
Parlamentöpapieren. Die Statiftif der Lebensdauer ift durch Privatihätigkeit 
fehr geförvert worben; Clelands Vital Statistics of Glasgow find in ben 
Tables of Revenue abgebrudt, vie British Association hat einen Report 
on the vital Statistics of five of the chief Towns of Scotland veröf: 
fentliht, die Vital Statistice von Evinburgh werden monailich, vierteljähr- 
lich und jährlich Church I. Stark) zuſammengeſtellt und veröffentlicht. "Die 


Veberficht der Veröffentlichungen aus der adminiflrativen Statiftif. 473 


londoner ſtatiſtiſche Geſellſchaft Hatte eine Commiffton für die Ausdehnung 
des Regiſterſyſtems auf Schottland niebergefeßt und theilte in ihrem Jour⸗ 
nal Auffäße über fchottifche Vitalftatiftit mit. Don den fchottifchen ſtati⸗ 
ſtiſchen Gefellfchaften Hat die 1836 zu Glasgow geftiftete eine Abhandlung 
über Populationd- und Mebicinalftatiftit herausgegeben, fie befchäftigte fich 
vorzugäweife mit der Statiftif der weftlichen Grafichaften; die 1841 geflifs 
tete flatiftifche Sefellfchaft zu Aberdeen wollte die Statiſtik ver norböftlichen 
Grafichaften bearbeiten, bat fich jenoch bald aufgelöfl. Aus ver Statiſtik 
des fchottifchen Armenweſens find namhaft zu machen: der Bericht der Com⸗ 
miſſion der Kirchenverfammlung vom Jahre 1839 (Report by a Committee 
of the General Assembly of the Management of the Poor), die feit 1840 
zufammengeftellten Poor rate Returns, die Berichte des Board of Supervision 
for the Relief of the Poor und die in den legten Jahren feit 1849 aufge 
ftellten Armentabellen (auch wird Hierher der Bericht ver Central⸗Commiſſion 
ver Edinburgh Society for the Relief of the Destitute in the Highlands 
von 1851 zu zählen fein). Die Statiflif ber Friendly Societies ift in ven 
Jahreöberichten des Regiſtrers enthalten; vie Statiftit ver Wahnfinnigen hat man 
in mehreren Sahren aufgenommen (die flatiftifchen Tabellen des Glasgower 
Irrenhauſes wurben in ben Tables of Revenue abgedruckt). Hinfichtlich des 
Unterrichtöwefend find bier noch vie Berichte zweier Unterfuchungs-Gommiffto- 
nen (Answers on parochial Education von 1826 und Abstract of Ans- 
wers and Returns on Education von 1837) zu erwähnen, aus der Eivil- 
Nechtöpflege vie Vorlagen des Court of Session an dad Parlament, aus ber 
Griminalrechtöpflege vie Tables of criminal Offenders, aufgeftellt feit 1832, 
in der jeigen Form aber, d. h. ven englifchen ähnlich, feit 1836 alljährlich vom 
Lordadvokat für Schottland dem SBarlament vorgelegt, aus ver Sicherheitd- 
Polizei die Berichte über die Zahl der wegen Trunfenheit verhafteten Perſo⸗ 
nen in Evinburgh und Glasgow, aus der Befängnißvermaltung die feit 1840 
erflatteten Berichte des G. Board of Directors of Prisons, Die Aufftelung 
einer fchortifchen Ugriculturftatiftit (Tabellen des landwirthſchaftlich benutzten 
Bodens, des Biehftandes, ver Ernte) ift von der Highland and agricultu- 
ral Society of Scotland zuerft für das Jahr 1854 unternommen worben 
(Report on the agricultural Statistics in Scotland). Endlich ift Sinclair's 
flatiftifche Befchreibung von Schottland zu erwähnen, deren Material von ven 
einzelnen Pfarrern kirchſpielsweiſe geliefert worden war, und bie fpäter von 
dem Verein für pie Hinterbliebenen von Geiftlichen neu herausgegeben wor⸗ 
den iſt. 

Selbftändiger iſt die irifche Statiftit. Cenfusaufnahmen fanden in Ir⸗ 
Iand in den Jahren 1813, 21, 31, 41 und 51 flatt (außerdem der 
Census of religious Denominations von 1834); von den früheren wurs 
ten Abstracts veröffentlicht; die beiden neueften führte das Genfusamt in 
Dublin aus; vie Mefultate des Cenſus von 1841 wurden in dem Report 


474 Miscellen: 


of the Commissioners appointed to take the Census in Ireland veröffent- 
licht, fie ſtehen an Specialität ungefähr denen des neneflen britifchen Genfus 
gleich; daneben wurde in vemjelben Bericht die Bewegung des Civilſtandes 
des Jahrzehnts 1831 His 40 zufammengeftellt (mit Eingehen auf vie Todes⸗ 
urfachen). Die Mefultate des lebten Cenſus find graffchaftäweife dem Parla⸗ 
ment vorgelegt, auch in allgemeineren Berichten vargeftellt worden (Theil 3 
enthält ven Report on the State of Disease); die Statiflif der Taub- 
flummen, nach viefem Genus vom Commiſſar Wilde bearbeitet, iſt in tem 
Journal der londoner flatiflifchen Gefelichaft abgedruckt. Außerdem wire 
die Agriculturftatiftil feit 1847 alljährlich aufgeftelt (vie Zählung des Bich- 
ftandes Hatte fchon 1841 flattgefunden); viele angeblich vom Registrar ge- 
neral erftatteten Returns of agricultural Produce in Ireland enthalten bie 
landwirthſchaftlich benutzte Bodenflaͤche, den Viehſtand und eine Schäßung der 
Production. Aus den Veröoffentlichungen über die Armenpflege in Irland 
find hervorzuheben die Reports of the 8. Comm. on the State of the Poor 
in Ireland 1830 x. und of the Comm. of Inq. into the Condition of 
the poorer Classes in Ireland 1835 2c., für die Jahre 1839 bis 47 iſt 
die irifche Armenpflege in ven englifchen Armencommillionds Berichten enthal⸗ 
ten, feit 1847 in ben Sahreöberichten ver Commiss. for administering the 
Laws for Relief of the Poor in Ireland. Das irifche Unterrichtäweien be 
handeln vie Jahresberichte der 1809 errichteten Comm. of Ing. into the 
State of Education in Ireland, der Rep. of the 8. Comm. on Education 
von 1825 ıc., und die Annual Reports of the Comm. on national Edu- 
cation, welche feit 1834 erfchienen find. Hinſichtlich der Civilrechtapflege fint 
bie von ven hohen Gerichtshoͤfen in Irland aufgeftellten Nachmweifungen (Grund⸗ 
rentenrüdftände, Emiſſionen ıc. betreffend), in ver Griminalrechtöpflege tie 
Tables of eriminal Offenders zu erwähnen; biefelben erfchienen zuerft 1835 
(für 1828 bis 34), doch ift dad Material fchon feit 1805 vorhanden (ba 
PVorter); fie werden aus ven Returns made to the Inspectors of the 
Gaols by the Clerks of the Crown and Peace zufammengeftellt; ftatiftifche 
Tabellen der Befängnißverwaltung geben die Berichte der Insp. general on 
the State of Prisons in Ireland, welche ſeit 1823 jährlich erfchienen finv: 
die Dublin Police Returns enthalten vie Tabellen der Polizeigerichtöbarfeit, 
Beauffichtigung der Öffentlichen Häufer ꝛc. Andere amtliche Zufammenftellun- 
gen aus ber irischen Statiftif betreffen die Parlamentäreform (Wählertabellen), 
die Irrenanftalten in Irland, vie Hofpitäter in Dublin, den Grafſchaftshaué⸗ 
alt, vie Municipal Corporations, die Loan Funds, vie Friendly Societies, 
den Verkehr auf dem Shannon und den Kanälen, vie öffentlichen Bauten. 
Der Berfehr mit England wurde im erften Biertel dieſes Jahrhunderts con- 
trolirt, ſeitdem befchränfen fich die Nachrichten auf ven Getreideerport. Ber- 
ſchiedenes flatiftifches Material findet fich in ven Berichten ver iriſchen Eiſen⸗ 
bahn « Commifjionen (3. 3. von 4835), ver Zehnt⸗Commiſſionen (feit 1831) 


Veberficht der Verdffentlihungen aus der abminiftrativen Stariftif. 475 


und der Handeldfammern. Die Zufammenftelungen ver iriſchen Manufacturs 
Induftrie wurden oben erwähnt. — In Belfaft ift 1838 eine ftatiftiiche Ges 
jelichaft für Ulfter errichtet worben; fle mar in verfchiebene Sectionen für 
Unterricht, Mebicinalftatiftit, Wohlthätigkeit, Bergbau ꝛc. vertheilt. Die Ion« 
doner ftatiftifche Geſellſchaft hat in ihrem Journal zahlreiche Auffäge über 
irifche Statiftif abgebrudt; ſie beziehen ſich auf Die verfchiedenften Verhälts 
niffe, u. A. auf die Sterblichkeit in Cork und Limerif, Pauperiömusd, Kran⸗ 
fenpflege, Agricultur, Bifcherei, Manufactur, Gelnverfehr, Auswanderung. Die 
Heraudgabe einer allgemeinen ftatiftifchen Befchreibung von Irland Hat vie 
iriſche Vermeſſungscommiſſion (Ordnance Survey) feit dem 3. 1837 unters 
nommen. 

Die Hauptquellen ver Colonialftatiftif find die jährlich von den Gouver⸗ 
neurd für dad Colonienminifterium aufgeftelten Tabellen; te wurben im 
Sabre 1821 eingerichtet und erfordern in ihrem größten Umfange ftatiftifche 
Nachrichten über Bevölkerung (nach Farbe und Befchäftigung), Geburten, 
Sterbefälle, Trauungen, Miliz, Unterricht, Kirchen, Gefängniffe, Flaͤcheninhalt, 
cultivirtes Land, Ugriculturprobuction, Viehſtand, Manufacturen, Bergmerte, 
Fifchereien, Handel und Schiffahrt, auch Schiffbau, Geldumlauf, Eolonial» 
finanzen, Preife und Arbeitslohn. Obwohl die Tabellen gleihmäßig aufge» 
ftellt werben follten, fo ift doch ihre Volftänbigfeit nach ven einzelnen Eos 
Ionien verfchieven; fte finpen ftch größtentheild von 1831 und 32 an in ven 
Tables of Rev. abgevrudt. Die Handels⸗ und Schiffahrtstabellen erjcheinen 
faft uniform; fie werben von den Zollbeamten aufgenommen und find (mit Aus⸗ 
nahme von Jamaica) feit 1827 für die damaligen Golonien vorhanden; nach= 
ber kamen auch die Tabellen für einzelne neuere Colonien Hinzu; fie werben 
auch jegt noch in ven Tables of Revenue abgebrudt, woſelbſt auch (bei 
ber britifchen Marine) die Handelsmarine aller britifchen Beſitzungen angege- 
ben iſt. Hinftchtlich Der europäifchen Beflgungen ift zu bemerfen, daß Man 
und die normannifchen Infeln in vieler Beziehung (namentlich ang. Cenſus⸗ 
aufnahmen und Handel) in ver Statiftit von Großbritannien mitbegriffen find, 
dag von Gibraltar, Malta und den jonifchen Infeln Tabellen ungefähr in 
dem für die Eolonien bezeichneten Umfange aufgeftellt werden. — Der Eenfus 
von 1851 Sollte jich auf alle Befigungen und Eolonien erftreden; wirklich vorges 
legt find bis jeßt vie Refultate des Cenſus in ven nortamerifanifchen Colonien. 
Vorher fanden in den norbamerifanifchen Golonien die Zählungen zu verfchie- 
dener Zeit flatt (3.8. der lebte in Ober⸗Canada 1842, in Nieder - Canada 
1844, in New» Brungmif 1840, in Nova Scotia 1838, in Brince Edward I. 
1841, in Newfoundland 1845); ungefähr in jedem Decennium wurde in allen 
nordamerifanifchen Eolonien einmal gezählt. Die Eenfus in den nordamerikani⸗ 
ſchen Colonien find beſonders vollftändig und vielfeitig aufgenommen; fle find mit 
Statistical Returns d. 5. Aufnahmen ver Production, Inpuftrie ꝛc. verbunden; 
dagegen fehlen theilmeife Die Angaben über die Bewegung des Givilftanves. 


A476 Miscellen: 


Statiftifches Material über die norbamerifanifchen Colonien enthalten aud 
bie Reports of the s. C. on the affairs of the Northamerican Colonies 
und insbefondere der Commifjton für Canada und das Journal der canati- 
fihen Legislative; befonders find neuerdings bie Statistice of Nova Scotia 
nach dem Cenſus von 1851 von Macculloch (Secretair des flatiflifchen Bu⸗ 
reau’8) herausgegeben worben. Die Länder der Hubfondbay -Eompagnie Hat 
die Statiftif His jetzt kaum berührt; zu ermähnen find daſelbſt nur die Auf⸗ 
nahmen über pad Med» Hiver» Settlement von 1343 und ber Report on the 
Results of a Census of Indian Tribes in the Oregon Territory voa 
1845 (vor der Theilung deſſelben). — Die ftatiftifchen Tabellen von ven 17 
weftindifchen Colonien find ziemlich, vollftändig; fie begreifen auch Die Bewe⸗ 
gung des Civilſtandes. Die Iegten Zahlungen vor 1851 Hatten auf Jamaica 
und den fleinen Antillen 1844, auf den Bahamas und in Buiana 1841, 
auf den Bermudes 1840, in Honduras 1826 flattgefunden. Beiträge zur 
Statiftit von Weftindien enthalten die Berichte des 8. Comm. on the commer- | 
cial State of the West-Indies, ferner fowohl für Weſtindien, als für vas 
GSapland und Mauritius die Parlamentöpapiere aus ben breißiger Sahren, 
welche fi) auf die Aufhebung ver Sclaverei beziehen; ſie theilen die Sclaven- 
regifter (Bewegung der Sclavenbevölferung) feit 1816 mit. — Die flatifli« 
fhen Zufammenftelungen von ven afrifanifchen Beflgungen begreifen das 
Capland (die Tabellen find Bier fehr vollflänvig), vie Sierra Leona unt 
Gambia, und feit 1840 St. Helena, die Cenſus flammen aus verfchierenen 
Jahren. Statiflifche Angaben über Cape⸗Coaſt enthalten die Parlaments- 
Papiere von 1847, über Fernando Po der Commifflonsberigt von 1834: 
Britifh = Kaffraria Ift in dem 1852 vorgelegten Return of the Population of 
the Colony of the Cape of Good Hope mitbegriffen. — Aus den Beftgun- 
gen in ven invifchen Meeren erden vollftänbige ftatiftifche Tabellen mitge 
tbeilt; vie Zahlungen finden in Mauritius Häufig flatt, in Ceylon fol vie 
legte Zählung (vor 1851) im Jahre 1843 flattgefunden haben; ſtatiſtiſche 
Nachrichten über Ceylon enthalten auch bie Reports of the 8. Comm. on 
Ceylon, wovon ber dritte 1852 vorgelegt wurde. Statiflifche Nachrichten 
über Hongkong giebt M. Martind auf offlciele Ermittelungen gegrünbeter 
Bericht in feinem Werke über China. — In den auftralifchen Eolonien ha⸗ 
ben vie Iegten Zählungen vor 1851 auf dem Feſtlande 1846, in Vandiemens⸗ 
land 1847, in Neus Seeland 1844 ſtattgefunden. Die fatiflifchen Aufnah⸗ 
men, welche in Neu=- Std» Wales (feit 1837 einschließlich Port Bhilipp) une 
in Bandiemeneland erfolgen, find bie vielfeitigften von allen Aufnahmen in 
britifchen Colonien; fle gehen bis 1829 bez. 1824 zurüd und begreifen u. A. 
auch die Criminal⸗ und Polizeiftatiftit, Prozeſſe, Port, Viehconſumtion u. j. w. 
Statiftifche Mittbeilungen über Weftauftralien find feit 1834, über Sübauftra- 
lien feit 1839 vorhanven. Tabellen ver Sträflinge in Neufüpmales und Van⸗ 
biemendland werben dem Parlanıent vom DMinifterium des Innern vorge: 











Veberficht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiftil. 477 


legt, fie gehen bis 1823 zurüd. Statiflifches Material enthalten ferner bie 
Jahresberichte der Handelskammer von Melbourne — Eine wichtige Duelle 
der Eolonialftatiftif (namentlich für Nordamerika und Auftralien) find bie 
Annual Reports of the Land and Emigration Commissioners, wovon der 
erite im Jahre 1841 (für 1839) erfchien; vemfelben gingen vorber vie Re- 
ports of the Comm. on the Disposal of Land in the Colonies. Eine 
Zufammenftelung der Handelsſtatiſtik aus den officiellen Quellen giebt Dan⸗ 
fon'8 Commercial Progress of the Colonies, herausgegeben von ber lon⸗ 
doner ftatiftifchen Gefelfchaft; außerdem finden fh im Journal viefer Ges 
ſellſchaft Auffäbe aus ver Statiflil von Jamaica, Guiana, Ceylon, Neu⸗Sud⸗ 
Male, Süd» Auftralien und Neu Seeland großentheild aus officiellen Bes 
richten mitgetheilt; eine andere offtcielen Quellen entnommene Zuſammen⸗ 
ftelung der Eolonialftatiftif ift die von M. Martin von 1839. Beiträge zur 
Vitalftatiftil ver Golonien giebt die Bearbeitung der Statiflil der britifchen 
Armee, jowohl in amtlicdyen Berichten (Statistical Reports of Sickness, 
Mortality and Invaliding among the British Troops, in the Mediterra- 
nean, in British America, in the West Indies etc.), theils in Auffägen 
von Tulloh und Balfour im Journal der londoner ftatiftifchen Gefellfchaft, 
und die der Statiftif der britifchen Marine (Statistical Report on the Health 
of the Navy), welche durch Burnett und Bryſon aufgeftellt wird. 
Mittheilungen aus der Statiftit von britifch Indien finden fich haupt⸗ 
ſächlich in ven Reports from the s. Comm. on the Affairs of the East 
India Company; ver erfte verfelben ift aus den Jahren 1808 bis 13, ver 
zweite von 1832, welcher in ſechs Theilen die Verwaltung, die Finanzen, den 
Handel, bie Rechtöpflege und die Wilitairverhältniffe behandelt; ver neuefte 
Commiſſtonsbericht (Report of the s.C. on the Indian Territories in ven 
Parlamentöpapieren von 1852) enthält eine Anzahl vom flatiftifchen Bureau 
im Eaſt⸗India⸗Houſe mitgetheilter Tabellen, betreffend die Ermerbungen feit 
dem Mai 1834, den Befland an Land und Bevölkerung im Sabre 1851 (ap 
prorimatiy auch für die einheimifchen Staaten), die Statiftil der Unterrichtö- 
anftalten und des Cultus, der Eifenbahnanlagen ꝛc.; verfelbe enthält ferner 
an Tabellen aus anveren Hegierungds Departementd den Befland der Armee 
in den Jahren 1834 bis 51 und den der Marine, und die Statiftif der Ci⸗ 
vil⸗ und Criminalrechtöpflege aus den Jahren 1849 und 50. Die Tabellen 
der Mechtöpflege umfaflen ven größten Theil des unmittelbaren Gebiets ber 
Compagnie; fle werden in den einzelnen Präflventfchaften nach verfchiedenen 
Grundſaͤtzen aufgeftellt, beziehen fich auf die Thaͤtigkeit aller Inftanzen, theils 
weife auch auf die Befängniffe; am ausführlichften find die Tabellen der Prä- 
ſidentſchaft Madras (fie unterfcheiden z. B. die einzelnen Verbrechen, vie Dauer 
der Haft 30). Eine fpeciellere Zufammenftellung des Flaͤcheninhalts und ver 
Bevölkerung geben der Bericht des ftatiflifchen Bureau's vom Jahre 1851, 
und ber Return of the trigonometrical Survey of India vom Jahre 1850; 


478 Miscellen: 


der legte enthält vie Mefultate ver in Verbindung nit der Steuerverjaftung 
und in ben Norpweftprovinzen mit der Anlage von Tofalftatiftifchen Aufitel- 
lungen audgeführten Vermeſſung. Das ftatiftifche Bureau der oſtindiſchen 
Regierung ift im Jahre 1846 bei dem Miniſterium des Innern errichtet wor: 
den und fleht unter der Direction von E. Thornton (zugleich Herausgeber 
bed Gazetteer of the Territories under the Government of the E.1.C.). 
Das ftatiflifche Bureau Hatte fehon 1846 einen Cenſus audgefchrieben, wel: 
cher auch wenigſtens in dem größeren Theile ver Präfiventichaften Madrad 
und Bombay und in den Norbweftprovinzgen zur Ausführung gefonmen if, 
während in anderen Theilen nur vie früheren Cenſus revibirt worben ſind; 
im der Megel ift nur nach Familien gezählt. Die Refultate für die Nord⸗ 
weftprovinzen find in Shakespear's amtlich aufgeftelltenn Memoir on the State 
of the North West Provinces of the Bengal Presidency veröffentlicht: 
ältere lofale Genfus, wie zu Allahabad und Bombay, find im Journal ter 
londoner ftatiftifchen Geſellſchaft beſprochen. Die Behandlung der Vitalſta⸗ 
tiſtik wird durch die in einzelnen Städten (Calcutta, Bombay, Chittagong) 
beftehende Regiſtrirung der Sterbefälle erleichtert (Report on the Mortality 
of Calcutta 1847 2c.), ferner durch die Aufnahmen über die Sterblichkeit in 
der Armee, deren Ergebnifle ſowohl nach den Mittheilungen des betreffenten 
Medicinalbureau's bie zu dieſem Zmede eingefegte Commiſſion ter londoner 
ftatiflifchen Geſellſchaft veröffentlicht (Report of a Comm. of the L. stat. 
Soc. upon the Sickness and Mortality among the European and native 
Troops of the Madras Presidency, in 1840, 41), als namentlich Syfes 
für alle drei Präfiventfchaften und für fpätere Sabre in Auffägen im Journal | 
derfelben Geſellſchaft beiprochen Hat. Bon vemfelben Berfafler rühren auch 
die gleichfalls unmittelbar amtlichen Quellen entnommenen Darftellungen ver 
Statiftif der Civil⸗ und Eriminalrechtöpflege in ven verjchiedenen Praͤſident⸗ 
fchaften feit 1836 und die ver Unterrichtäunftalten, Irrenhäufer, ver Zucker⸗ 
production, @etreidepreife und aus ber Finanzverwaltung in verfelben Zeit- 
fchrift Her. Mittheilungen über vie oftinpifchen Yinanzen gehen alljährlich an 
da8 Parlament und werben in den Tables of Rev. abgevrudt; ebenvafelkit 
wurden früher die oftindifchen Handels⸗ und Schiffahrtötabellen (feit 1811) um 
insbeſondere die, welche fich auf ven Verkehr der Compagnie mit China beziehen, 
mitgetheilt; beſonders erjchienen ift 1841 das Statement of the Commerce 
of the Madras Territories. Die Vermaltungsberichte über pie Punjab⸗Terri⸗ 
torien find für 1849 618 53 veröffentlicht reorden. Als halbofficielle in Oſtindien 
erfchienene Werke flatiftifchen Inhalts find Andrew de Eruz On the political 
Relations between the British Government and the native States von 
1843 und Montgommery's Statistical Report on the District of Cawnpocr 
von 1849 zu bezeichnen; zahlreiche Mittheilungen aus officiellen ſtatiſtiſchen 
Documenten geben M. Martin in feiner oftinvifchen Geichichte und Statirtıf 
und Macgregor in feiner Handelöftatifiil. Bei der Asiatic Society of Ben- 











Die Provinz Chiloe in Ehile. 479 


gal zu Caltutta ift eine flatiflifche Commiſſion errichtet worden. In ven 
ebendaſelbſt herausgegebenen Asiatic Researches finden fich ftatiftifche Artikel 
mitgetbeilt (3.3. über den Genfus von Benares). 


N. Boedb. 
(Schluß folgt.) 


Die Provinz Chiloe in Chile, 
(Schluß.) 
Schiffsbau. 

Dieſer Gewerbszweig macht reißende Fortſchritte; 8 bis 10 Jahre früher 
kannte man noch keine anderen Fahrzeuge, als die ſogenannten Piroguen, 
welche mit einem der Binſe aͤhnlichen Gewaͤchs, Quinileja genannt, genäht 
und höchftens mit Holgpflöden genagelt waren. In der Form glichen fie den 
Schaluppen, nur waren fie etwas größer. Das Segelwerk beftand aus 4 
dter 6 Lappen aller Karben, die, wenn man fahren wollte, mit ven Nadeln 
ver Quila zuſammengeheftet wurven; zu Tauen bienten aus der erwähnten 
Duinileja gedrehte Stricke, befeftigt am einem zwifchen zwei halbzirkelförmig 
fih Freugenden Hölgern liegenden Stein, was die Leute sacho nannten, 

Gegenwärtig find die Piroguen verfchwunden und an ihrer Stelle wer- 
den die Ganäle ver Provinz von zierlichen Lanchas, Balandrad und Goeletten 
von ficherer und guter Bauart durchfurdt. Das Tauwerk und die Geräth- 
Ihaften der Bahrzeuge unterfcheiden fich in nichts von denen großer Schiffe, 
und wenn dennoch in den inneren Departement? noch geringere Bahrzeuge, als 
die genannten, eriftiren, fo find fie doch ohne Vergleich beſſer, als vie ehe⸗ 
maligen Piroguen. Gegenwärtig giebt ed in der Provinz folgende Fahrzeuge: 

Barfs Goeletten ... 2 


Öoelettn ...... 14 
Balandraa ..... 61 
Lanchas (Zillen) .. 756 
Piroguen ..... . 3 
Boote........ 542 
Schaluppen..... 8 
Bongos ....... 366 


zuſammen 1752. 
Im Bau begriffen find: 1 Fregatte (?), 1 Brigantine, 2 Goeletten, 10 
anchas. 
Die Baumeiſter und Zimmerleute der Seeküfte find mit Ausnahme eines 
einzigen fänmtlich Landeseingeborene und haben ihre Grundflüde im Innern 


480 Miöcellen: 


der Provinz. Diefe Leute Haben eine angeborene Neigung für eine ſolche Br- 
fchäftigung, und es genügt, daß fie ein ober zwei Mal ein Schiff bauen geſehen 
haben, um das gleiche Unternehmen felber zu wagen. Man möchte überhaupt 
ohne ſonderlichen Irrtum die Bewohner von Chiloe alle Zimmerer nennen, 
fo durchaus allgemein ift die Beichäftigung mit Art und Beil. 

Der Hölzer zum Schifföbau giebt es viele, audgezeichnet darunter fin 
der Noble (Steineiche), die Luma, das fehwerfte und vauerhaftefte, für jch 
viele Dinge ſich eignende Holz, der Bolu, ver Tique, die Cyypreſſe, beſonder 
zu Maftbäumen gefchäßt, die Ulerce (Ceder), der höchfte Baum von allen unt 
von allerlängfter Dauer, ver Muermo, ver Maniu, ver Hafelnußbaum un 
viele andere, die nicht von geringerem Werthe, ald vie genannten, find. 

Unter den verfchiedenen Inbuftriezweigen, die in Chiloe mit anerkannten 
Vortheil gefchaffen werden Eönnten, verdient der Walfifchfang und der Fiſch⸗ 
fang einen der vorzüglichften Pläße. Die Walfifche find, je nach der Jahres 
zeit, fehr zahlreich um ven Archipelagus in der Nähe ver Dreis Berge, un: 


die Fifche find von mannigfacher Art und in unerfchöpflicher Menge; wei 


ih der großen Infel giebt es Plaͤtze, wo man fle in fo beträchtlicher Zahl 
fangen fönnte, daß fle nicht bloß für den Verbrauch des Innern ausreichen, 
fondern auch einen Ausfuhrartikel gewähren dürften. 

Der Seehuntsfang, ebenfalls von anerfanntem Nuten, wurde fonft von 
Leuten in Chonchi und Carelmapu betrieben, fie Haben ihn aber — well 
ohne zu wiflen warum — aufgegeben. 

Der Cyder, bier Chicha genannt, war vor 12 over 15 Jahren in Meng: 
vorhanden und galt die Arrobe nur 2 bis 3 Realen, während dieſe heut zu 





Tage da, wo man Cyder findet, 3 bis A Peſos gilt. Diefer auffallende Wechſel 


rührt davon Her, daß die Apfelbäume unfruchtbar geworben find, ohne tat 
man die wahre Urfache anzugeben vermag. Im Allgemeinen glaubt man, 
daß das große Erdbeben von 1837 den Verluft viefer Frucht verurfacht habe, 
bie für die Einwohner nicht blos des vielen daraus gezogenen Safted wegen 
von Wichtigkeit war, fondern auch weil jede Bauernfamilie vermittelft derjel⸗ 
ben eine anfehnliche Zahl von Schmeinen halten konnte, deren Schinken einen 
bemerklichen Ausfuhrartikel bildeten. 

In der Provinz exiſtiren zwei Brennereien; eine Bierbrauerei iſt man 
im Begriff Hier in Ancud anzulegen. 

Ueber dad Mineralveih und ob das Innere der Erbe Metalle enthilt 
oder nicht, ift man ohne Kenntnig in Chiloe. Der einzige foſſile Schaf, ten 
man fennt, der aber auch in allen Landestheilen reich verbreitet ift, if die 
Steinkohle. Verſuche, Die man zur Gewinnung dieſes Brennftoffd an wer: 
ſchiedenen Orten angeftellt bat, find überall von gutem Grfolge geweſen 
wenn auch die oberfte Kohlenfchicht immer von geringerer Qualität war. 36 
denke, daß die Zeit nicht fern ift, in welcher vie Chiloten Hand an die Auf 





beutung diefer Minen Tegen und fie zu vervienter Bedeutſamkeit erheben werten 





Die Provinz Chiloe in Chile. 481 


Bon Geweben Fennt man feine anderen, ald ven Garro, ähnlich einem 
fein gearbeiteten Berfan (Camlot), und vie Sabanilla, identifch mit dem Fla⸗ 
nel. Der Poncho wird, was Farbe und Arbeit betrifft, in verjchiedener Be⸗ 
fchaffenheit angefertigt; außerdem giebt es Bettdecken, die man faum für 10 
bis 12 Peſos erhält, aber auch geringe zum Gebrauch der Armeren Volks⸗ 
flafie, enplicd Kirchen» und Zimmer» Bußteppiche. Meiſtens werben alle viefe 
Gewebe von den Lanbleuten für ihren eigenen Gebrauch angefertigt, weshalb 
fie auch geringer ausfallen, ald wenn fle auf Beftellung gearbeitet würden. 


MWohlthätigkeit. 


Es giebt in der ganzen Provinz nur eine Wohlthätigkeitö-Anftalt, naͤm⸗ 
ih das im December 1850 eröffnete Hofpital zu Ancud, über welches ich 
folgende Angaben machen Tann. 

Das Grunpftüd Hat einen Umfang von 8 Quadras; in dieſem Naume 
befindet fich ein Viereck von 64 Varas, welches die Wohnung des Hausmei- 
ſters, des unmittelbaren Vorgefegten aller Theile der Anftalt, enthält. Die 
für Männer beflimmte Abtheilung ift ein Gang von 26 Varas Lünge und 
8 Barad Breite; darin befinden fih 2 Säle von je 11 Varas Länge und 
3 V. Breite, und zwifchen den beiden Abtheilungen ift ein bevedter Eingang 
von 3 Varas Länge und 14 DB. Breite. Jever Saal faßt 12 Zellen mit den 
entiprechenden Betten, wovon jeved aus 2 Bettlafen, 2 Deden, 1 Matrabe 
und 1 Kopffifien befteht. Die Abtheilung für Frauen bildet die Norbfeite 
des Vierecks und ift 14 Varas lang, 8 Varas breit. Ihr Saal enthält 
8 Zellen für eine gleiche Zahl von Betten. Derfelbe warb am 8. Januar 
dieſes Jahres eröffnet, Hat aber für jeht gar feine Einfünfte, und nur mit- 
telft Erfparnifien und Megelmäßigkeit bei dem Männerhofpital konnte man es 
dahin bringen, dieſen Zufluchtsort für arme Franke Frauensperſonen der Pro- 
vinz an gründen. Getrennt von dieſem Saale durch einen bedeckten Ueber⸗ 
gang befinden ſich 2 kleine Zimmer, wovon das eine zur Apotheke, das an⸗ 
dere zur Aufbewahrung der Befleivungsgegenflände beider Hofpitäler dient. 

Gegenüber dem Gebäude des Männerfaals ift ein anderer Eorrivor von 
17 V. Länge und 7 D. Breite, der 4 Piecen enthält, vie eine für Kinder, 
die andere zur Vorrathokammer, die dritte zur Küche, die vierte zur Hofpitals 
wache. 

Das bei beiden Anſtalten verwendete Perſonal iſt folgendes: 

Ein Adminiſtrator, der ſein Amt unentgeltlich verwaltet, 
ein Hausmeiſter mit monatlich 25 Peſos — Centeſimos, 
ein Krankenwaͤrter ⸗ 8 > — = 

ein Wächter ⸗ ⸗ 8⸗— ⸗ 


Latus 41 Peſos — Gentefimos, 
Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. V. 31 


482 Miscellen: 


Transport 41 Pefod — Centeſimos, 
eine Wächterin mit monatlich A = 50 ⸗ 


eine Waͤſcherin = . 3 =: — . 
eine Köchin ⸗ ⸗ 2 «= 50 P 
eine Srauenfrantenwärterin mit A = —— P 


55 Peſos — Eentefimos *). 

Eine Berfon von anerfannten Eifer und Theilnahme für bie leidende 
Menfchheit an die Spige ver Anftalt zu flelen, war eine der erflen Maf- 
regeln, vie ich, fobald ich daran denken Fonnte, getroffen habe. Denn obne 
einen anderen Oberen oder Dirigenten, als einen bloßen Hausmeiſter, traten 
verfchienene merfliche Uebelftänve ein, vie gegenwärtig durch ven Ernſt unt 
Eifer des Directors befeitigt find. 

Das Männerhofpital allein bezieht jährlich 1200 Peſos, die ihm durch 
die Negierung ausgeſetzt find, nebft ven Stellen für Kranfe der Garnifon, vie 
ſich nicht ficher berechnen Iaffen, da man einmal 4 oder 5 Kranfe, ein ante 
res Mal Feinen bat, doch kann man vurchfchnittlich 2 kranke Sofvaten auf 
den Tag annehmen; dazu Fommt noch der Grundzins des auf Grundftüdken *) 
des Hofpitald belegenen Pulverhaufes, der monatlich 10 Befos einträgt. 

Das Frauenhofpital hat, wie gefagt, gar Feine Einkünfte und ſelbſt nich 
das Heinfte Almofen, folglich muß jener Bedarf für vaffelbe aus ven Font: 
des Männerhofpitald genommen werben. 

Seit dem Datum der Eröffnung des Männerhofpitals, alfo vom Januar 
1851 bis Ende April 1854, hat folgender Wechfel ſtattgefunden: 


Eingebradt: 

im Jahre: Männer: Rrauen: Zufammen: 
1851 219 — 219 
1852 261 — 261 
1853 226 — 226 
1854 1. Jahresdrittel 71 10 81 

Zuſammen 777 10 787 
Entlaſſen: 

im Jahre; Maͤnner: Frauen: Zuſammen: 
1851 207 — 207 
1852 250 — 250 
1853 221 — 221 
1854 1. Jahresdrittel 64 8 72 

Zuſammen 742 8 750 


—2 Hoͤchſt billig! B. 

2) Indem der Gert ausdrüclich fagt: en terrenos, nehme ich am, daß dies ciz 
entfernt liegendes Srundftäd fei, denn es iſt wohl nicht denkbar, daß auf dem Blatı 
des Hofpitals felbft ein Pulvermagazin befindlich fei. B. 





Die Provinz Ehiloe in Chile. 483 


Geftorben. 
im Jahre: Männer: Brauen: Zufammen: 
1851 12 — 12 
1852 11 — 11 
1853 5 — 5 
1854 1. Jahresprittel 3 1 4 
Zufammen 31 1 32 (v.5. 455 pt.) 


Bedeutende Verbeſſerungen find ſowohl in ver Verwaltung ber Anftalt, 
ala in ber Krankenpflege felbft gemacht worden, ferner bei dem Ankauf ver 
Gerächichaften und fonft erforverlichen Artikel, alles mit dem Zweite, durch 
GEriparniffe immer den Bedürftigen Hülfe Ieiften zu Eönnen. 

Wenn Ew. ıc. die Summe der feften Gehälter, die 55 Peſos monatlich 
betragen, im Auge behalten, und ebenfo monatlich 40 Peſos, die für die ge 
wöhnliche Krankenpflege, einen Durchfchnittäfag für die Zahl der Kranken am 
genommen, aufgehen, fo werden Sie erfennen, daß Einfommen und Ausgabe 
fh die Wage halten, und man daher mit möglichfter Defonomie verfahren 
muß, um die außergemöhnlichen Ausgaben für Geräthſchaften, Wäfche und 
vergl. zu beſtreiten. 

Seit dem erſten Male, als ich das Hofpital perfönlich befuchte und 
deſſen Entlegenheit von der Stadt wahrnahm, überzeugte ich mich, daß es bei 
ber fchlechten Jahreszeit nicht gehörig werde verforgt werden koͤnnen. Faſt 
täglich ergeben fich Uebelflände, um verenwillen deſſen Verſetzung in ein näher 
gelegened Local ratbfam erfcheint; auch Habe ich mehr als einmal bie Mittel 
dazu, ohne dem Fiscus eine flärfere Belaftung zugufchreiben, zu erlangm Yer- 
ſucht. Leider entfprach dad Ergebnig meinem Wunfche nicht. 


PMagiftrate (Municipalidades). 

Es giebt deren 10 in ver Provinz, d. 5. eine für jedes Departement; 
nimmt man übrigend die Stadt Ancud aus, fo find alle anderen nur nomi⸗ 
nel, indem weit gefehlt ift, daß fie die heilfame Pflicht, die dad Geſetz in ihre 
Hände legt, vollführen follten, da fie feine anderen Einkünfte beziehen, als vie 
Heinen und zufälligen Polizeiftrafen, vie Seitens ver Öffentlichen Beamten ein- 
Hegogen werden '). 

Unftreitig ift diefem Umſtande die Nachläffigkeit zuzufchreiben, vie ich bei 
dem größten Theile derfelben in Haltung ihrer Situngen wahrgenommm habe, 
eine Nachläffigkeit, die bei manchen fo weit ging, daß ſie nicht einmal Ihre 
Verhandlungen niederfchrieben, irgend ein Papier aufbemwahrten, noch felbft 
fiber ihre Einnahmen und Ausgaben Buch und Mechnung führten. 

Indem ein großer Theil ver Mitgliever offenbar wenig für fein Amt ſich 

ı) In Brafilien ift es leider bis heute auch noch fo. B. 

31* 


484 Miscellen:: 


eignete, und daraus dieſe auffälligen Zuftände bervorgingen, fing ich damit 
an, jeden Magiftrat feinen Serretair und Rendanten ernennen zu laflen, da⸗ 
mit durch dieſelben die emtfprechenden Bücher ſowohl über die gefaßten Be⸗ 
fchlüffe, ald auch über Einnahmen und Ausgaben, beftänven foldye auch nur 
aus einem Neal, geführt würden, ertbeilte ihnen feſte und veutliche Inftruc 
tionen über die DVerfahrungsweife, fowie einige allgemeine Regeln über ihre 
wichtigen Obliegenheiten, und veranlaßte bie zeitweiligen Gouverneure zum 
Erlaß einer Ordre, nach welcher die Rendanten von 3 zu 3 Monaten eine 
Ueberficht der Einnahmen und Ausgaben einzureichen hätten, bamit fie Hebung 
in einer fo ferupnlöfen Arbeit gewännen und fähig würben, am Schlufie des 
Jahres den durch vie höchften Beftimmungen angeorpneten Haupt-NRechnungs- 
ſchluß zu legen. 

Ich bin fehr befriedigt über den Erfolg dieſer Ordre, benn bereits ıf 
faft aus allen Departements der Rechnungsſchluß über das erſte Vierteljahr 
des laufenden Jahres eingegangen. 

Die visponiblen Fonds jeder Magiftratur des Innern find gegenwärtis 


folgende: 
Caſtro 51 Peſos 25 Centeſimos, 
Chonchi 30 — ⸗ 
Dalcahue 36 - 75 ⸗ 
Achao nichts, 
Chacao 15 = 50 ⸗ 
Calbuco 232 - 37,7 - N. 

Diefe Summen nun fchreiben fi, wie gefagt, nur aus Polizeiftrafen 
ber, die in früheren Jahren eingezogen, aber nicht weiter zur Verausgabung 
gebradyt worden waren, da die Körperfchaften fih nie um etwas gekümmert 
haben, obmohl deſſen, was ihren Bevölferungen noth thut, fo Vieles unr 
Handgreifliched war. Auch fehe ich wirklich, daß der Intendant ihrer feinen 
Augenblick uneingedenk fein darf und in vie Fleinften und einfachfien Detaild 
ihrer fpeciellen Obliegenheiten Herunterfteigen muß, da ſonſt die Apathie unr 
Dernachläffigung fleigend zunehmen würden. 

In Calbuco eriftirt feit einigen Jahren die Steuer für die Nachtwächter 
(Serenos), ohne daß folche Seitens höchfter Negierung genehmigt, oder irgend 
einem Meglement unterworfen wäre; fte bringt monatlich” 12 bis 15 Peſos 
ein, und indem davon der Nachtwächter mit 3 bis 4 Peſos bezahlt wird. 


fließt der Ueberſchuß den öffentlichen Fonds zu. Es kann aber dieſe Beſtene⸗ 


rung nicht fortvauern; ich habe naher bereitd an den betreffenden Gouvernem 
klare und fchließliche Weifungen erlaffen, daß ver Magiftzat in möglichiter 
Kürze ein den Ortöverhältnifien angemeflenes Reglement feitftelle und foldes 
ber Intenbantur einreiche, um es an das hohe Minifterium zu fenben m 
defien Genehmigung einzuholen. 


2) Zaft kaum glanblich wenig! B. 





Die Provinz Ehiloe in Chile. 485 


Dermalen ftehen mir Feine willfürlichen Schritte zu, um jenen Körper- 
fchaften fichere Einnahmen zuzuwelfen; daß mich aber viefe Idee fortwährend 
beichäftigt, mögen Em. 30. vorausſetzen. 

Uebrigens kann ich nicht umhin, von dem, was ich in Betreff der Ma⸗ 
gifträte gefagt Habe, den von Ancud auszunehmen, indem berfelbe vielmehr 
fein Amt nach Gebühr und nach Maßgabe feiner visponiblen Fonds ver⸗ 
waltet. Die Einnahmen und Ausgaben vefielben im Iettverfloffenen Jahre 
1853 Iegt folgende Ueberficht dar: 


Ueberfiht der Einnahme und Ausgabe der Municipalität von 
Ancud im ganzen Jahre 1853. 


Einnahmen: Objecte: Ausgaben: 
1637 Peſos 684 Cent. Nachtwächter (Serenos) . . . . 1332 Pefos 50 Gent. 
633 -» — Abgabe der Lanıhad = — ⸗ 
67 =» 121 - ⸗ ⸗Chinganas (?) — e⸗— ⸗ 
355 - 813 - GSchlachtfteuer (Carnes muertas) — » — = 
216 = 6 =  Bolizeiftrafen — 120. 
365 » — = Pacht von Kämmerigeumpflüden — - — ⸗ 
— ⸗— — Poolizei⸗Beſoldungen...... 706 -» 53 ⸗ 
— ⸗ — ⸗ Deffentlihed Gefängniß .... 144 -» — = 

— ⸗— — ⸗ Beſoldungen für ven Rendanten, 

Serretair und Negiftrator .. 3931 » 92 = 
— ⸗— —  s  Bureaufoften ver Juſtizbehöͤrde 4 => — ⸗ 
— ⸗— — Pacht für das Schlahtfau .. 8 = — = 
— ⸗2 —  .  Reuchtfeuer der Küften und fons 

flige Gerätbfchaften der Stra⸗ 

ßenbeleuchtung....... 312 =» 68 — 
— — — ⸗ Fiuunr die Jahresfeier des Septem⸗ 

bers.......... ... 55 ⸗ 36 > 
— ⸗— — ⸗ Elementar⸗Unterricht... 111 — ⸗ 
— ⸗ — 2 Inſiegel für verſchiedene Bureau'ſs 238 = — = 
— ⸗— — Regiſtraturſchraͤnke für die In⸗ 

tendantur.......... 80 . — ⸗ 
— ⸗— — Kbvoſten des Frohnleichnams⸗Feſtes 20⸗— >» 


— ⸗— — Nidvellirung und Pflaſterung ver 
Straßen Pe Ve Er vr ve 249 3 864 a 
— ⸗ — = Peunlöfhe-Beräthfchaften -.. 17» 26 = 


— e⸗ — ss  Bureauslinkoften ver Rendan⸗ 
tur und Kanzli ..... . 12 — — 
2945 Peſos 684 Cent. 3533 Pefos 114 Gt, 


94 =» AT = Saldo aus dem vorigen Sahre 
Saldo aus dem laufenden Jahre 354 = 4» 
3887 Peſos 16 Emmi. Balancirt 3887 Peſos 16 Gent. 


486 Miscellen: 


Schmal, ſehr ſchmal find vie Einkünfte biefer Stadtbehörde und tarin 
legt der Grund, daß ed noch viele Erforverniffe giebt, die ihrer Dringlichkeit 
ungeachtet bei Seite geftellt werben müſſen. Dennoch bege ich die Zuverfict, 
daß mit der entfchiedenen Unterftühung ver hohen Regierung ed meinen Be⸗ 
firebungen gelingen werde, dieſelben auf befieren Fuß und in den Stand zu 
fegen, Verbeſſerungen von Wichtigkeit und von anerfanntem öffentlichen Nutzen 
zu unternehmen. 

Bereitd Tiegen dem Gabinette zmei Projecte für eine ganz mäßige Be» 
fteuerung vor; das eine auf die Lanchas, welche aud dem Innern ver Pre: 
vinz, mit Brüchten, Holz ac.. beladen, herabfommnten, dad andere auf die Ver⸗ 
forgung der in diefem Hafen anlegenden Bahrzeuge mit Waſſer. Hinfichtlid 
des erften Habe ich Em. ꝛc. zu bemerken, daß darauf bereit in einem Regle⸗ 
ment wegen Haltung einer Matrikel und wegen fonftiger Vorfchriften, denen 
die dem inneren Handel fich widmenden Fahrzeuge unterworfen fein fellen, 
und das dem Pinanzminifterium unter dem 16. Juli 1853 vorgelegt worten, 
Bedacht genommen iſt. An der Envbefcheidung über beide habe ich ein wah⸗ 


re8 Intereffe und mwünfche daher, daß die hohe Megierung venfelben vie ne 


fprechende Aufmerkfjamfeit zu Theil werben laffen möge. 

Sobald die Anlage eines Kebendmittel- Marktes im Gange fein wird, was 
nahe bevorfteht, wird derſelbe eine neue ftädtifche Einnahmequelle bilnen, un: 
man fann mit gutem Grunde annehmen, daß dieſe die vorzüglichfte fein wirt. 
Wenn alfo nur erft das zu diefem Behufe angekaufte Gebäube abgezahlt if, 
fo wird diefelbe die ſtaͤdtiſchen Fonds wefentlich vermehren und ver genannten 
Körperfchaft als ein Hebel dienen, um fich in dem Bereiche ihrer Thärigken 
zu bewegen und auszubehnen, wenn e8 auch noch Tange in einem weit unter 
dem Bedarf des Volks bleibenden Grabe gefchehen wird. 

Es bietet fich endlich noch eine Maßregel var, die zu Gunften jener Yonts 
mitwirken wird, nämlich die Veriflzirung und Abgrenzung der innerhalb te 
Stadtbezirks belegenen Grundſtücke, um folche vorbehaltlich der zufländigen 
Genehmhaltung zu veräußern, nebft anderen, vie man zwar kennt, aber tie 
Niemand gegen einen Pachtſchilling nehmen will, e8 fei denn eins oder tat 
andere, das einen unbebeutenden Canon abwirft. Die nämliche Maßregel ge 
denfe ich auch bei den anderen Magifträten einzuführen, fobald ſich Iemam 
finden Iäßt, der bie nöthigen Kenntniffe beftgt, um vie Verhältnifſe folder 





Beligungen klar herauszuſtellen und Streitigkeiten mit Privatperfonen zu be 


gegnen. 


Der Seitens der hohen Regierung bereitd genehmigte Voranfchlag vü 


folgenber: 





Die Provinz Chiloe in Chile. 


487 


Anfchlag ver Einnahmen und Ausgaben der Municipalität von 


Ancud für va8 Jahr 1854, 


Einnahmen: 
Berechneter Saldo aus dem Conto des vorigen Jehres 300 Peſos, 
Einnahme von den Lanchas..... .. 
Schlachtſteuer . . .. ö ne 


Beiträge für bie Nachtwache 2222.22. . 2000 


Polizeiftrafen . . 0. 
Bon dffentlichen Bergnügungen. nn. 
Pachtzind von Orunnfüdn . . .. . 


3586 ae 08, 


Laufende Ausgaben: 


WBehalt des Rendanten mit monatlich 16% Pefod . . 200 Pefos, 


s bed Secretaird mit monatlih 10 Pefod. . . 120 
⸗des PBolizeirichterd mit monatlich 20 Pefod . 240 
» bed Beamten ded Gefängnifles monatl. 8 Pefo8 96 


Licht und euer für das Gefängnig, monatl. mit 2 Peſos 24 


Sold des Aufſehers (Sobrestante) des Präfivii monat» 

ih 9 Belo . . . . . 108 
Sold des Magiitratäpieners, monatlich 6 Peſos. .. 72 
Bureaukoſten des Alcalden des Gefängniſſes, 2W. mon. 24 
Miethe für ven Schlächterhof, monatlich 4 Peſos.. 48 
Bureaukoften des Juſtizamts, 2 Pefos monatih . . 24 


Außerorbentliche Ausgaben: 
Zur Errichtung eines Polizei»Corps, ſobald die hohe 
Genehmigung des eingereichten Projects eingegangen 
fein wird, während deſſen vie Befoldung der gegen 
wärtig beftehenven Vigilanten und Nachtwächter, ein« 
fchlieglich des Befehlshabers viefer letzten und veffen 
Stellvertreter, fortzubauern Bat . « . . .  . 1560 
Dem Erheber der Steuer für vie Nachtwathe, 2 „6 
von 2000 PBefos . . . . 
Zur Unterhaltung ver Straßenbeleuchtung 00. 200 
Für das Iahresfeft im September . . 2.0... 34 


Für den ElementarsUnterriht . . 20. 450 
Für die Frohnleichnams⸗ und San Carloo⸗ Feſte, jedes 
mit 1 Une. .. oe. 


Für Straßenpflafterung und Brunnen« Reparatur . . 100 
Für unvorhergefehene Ausgaben - oo 2 0 0. 211 


3586 Peſos. 


“ I) % “ % 


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50 Ent. 


488 Miöcellen: 


Eine neue Erpedition uach Paraguay. 


Es Hat in den legten 10 Jahren faft ein wahrer Wetteifer zwifchen ven 
drei größten handeltreibenden Nationen der Erve, den Engländern, Franzo⸗ 
fen und Nordamerifanern, flattgefunden, vie hydrographiſchen Berhältnifie 
des fünlichen Amerifa zu erforfchen und mit Hülfe verfelben jich bequeme 
Handelswege von den Küften nach dem Inneren zu eröffnen. Ueber einige 
der neueften Verſuche der Art Hat dieſe Zeitfchrift bereits berichtet. So gab 
Herr C. Ritter nach dem Werke des Lieut. 2. Herndon ausführliche Nachricht 
über die in ven Jahren 1852 und 1853 von Herndon felbft und. feinen Ge⸗ 
fährten Laroner und Gibbon ausgeführten Berfuche, den Amazonenflrom mit- 
telit Dampfern zu befahren und eine genauere wiffenfchaftliche Kenntniß des⸗ 
felben zu erlangen (Br. IV, 273— 282), nachdem ich felbit bereitö vorber 
dieſe Erpebition erwähnt Hatte (ebend. II, 44). Außer dem Amazonenftrom 
zog befonver8 noch der La Plata die Aufmerkſamkeit der wifjenfchaftlicden und 
Handelswelt auf fih; indeſſen war es bis zu der totalen Umänberung der 
politifchen Verhältniffe in den ungeheuren, an dieſem Strome und feinen gro= 
Ben Zuflüffen gelegenen Landſtrichen eine völlige Unmöglichkeit, ohne Anwen⸗ 
bung von Gewalt reelle Zwede zu erreichen, weil, wie früher der Dictator 
Francia Paraguay und den oberen Lauf ded La Blataftromd gegen ven Zu⸗ 
tritt aller Sremven abſperrte und Francia's Nachfolger, Lopez, bis in die 
neuere Zeit ziemlich viefelbe Politik verfolgte, fpäter auch der Dictator Roſas 
die Befahrung des unteren Laufes des Stromes bekanntlich allen Fremden 
verwehrt Hatte. Erft mit Roſas Fall wurde die Freiheit ver Schifffahrt auf 
dem 2a Plata und feinen Zuftrömen von allen betheiligten Uferftaaten feſtge⸗ 
ftelt, und feit der Zeit Eonnten auch erft vie großen handeltreibenden Natio⸗ 
nen der Erde daran denken, mit Dampfern in die Binnenländer einzubringen 
und diplomatische Verbindungen mit deren Regierungen anzufnüpfen. Sn 
der Hinſicht wurbe bereits früher Hier mitgetheilt (Zeitfchrift DI, 39), daß 
eine Gefellfchaft diplomatiſcher eurspäifcher Agenten im Beginn des I. 1852 
den Rio de la Plata und Paraguay aufmärtd gegangen fei und mit dem Prä- 
fiventen von Paraguay zu Affuncion einen Vertrag abgefchlofien babe, wo⸗ 
nach den Angehörigen ver drei mitcontrahirenden Mächte, England, Frankreich 
und Sarbinien, die freie Bahrt auf den Beiden genannten Strömen nebft tem 
Handel ind Innere des Landes geftattet wurde, und jebt erhalten wir einen 
Bericht über eine im vorigen Jahre ausgeführte zweite Fahrt auf dem La 
Plata nach Paraguay, welche ver Nordamerikaner Edward U. Hopkins, der⸗ 
felbe, der ſchon vor einigen Jahren Paraguay befuchte und einen feinem haupt⸗ 
ſaͤchlichſten Inhalte nach in den in dieſer eitfchrift II, 1 — 38 mitgetheilten 
Auffag über dad genannte Land Üübergegangenen Bericht erflattete, unternom-» 
men hat. Der Bericht über bie neue Erpedition findet fich in der öfters hier 








Eine neue Erperition nad) Paraguay. 489 


ſchon benupten nordamerikaniſchen Geographical and Commercial Gazette 
1855 Nr. 1 in folgender Weife: 

„Bor einiger Zeit ward Mr. Edward Hopfind, Sohn des Bifchofs Hop» 
find, ein funger in Buenos Ayres flationirter Seeofflzier, durch die Groß⸗ 
artigkeit des La Plataflromes und den Reichthum und bie Ausbehnung der 
an den Ufern beffelben und an deſſen Zuflrömen gelegenen Lanpflriche fo an⸗ 
gezogen, dag er den Entfchluß faßte, viefelben aufs Neue zu burchforfchen. 
Bald darauf erhielt verfelbe unter der Adminiſtration des Präfiventen Polk 
bie Ernennung zu einer Agentur, welche ihm erlaubte, eine perfönliche Unter⸗ 
fuhung ber DVerbältniffe ver argentinifchen Republik, der Banda Oriental und 
beſonders Paraguay's vorzunehmen. Da er damals noch fehr jung war, fo 
handelte er wahrfcheinlih mehr nach Eingebung feines Herzens, als feines 
Verſtandes; doch bleibt e8 unzweifelhaft, daß Muth, unerfchrodlenes Benehmen, 
bie von ihm an Roſas gerichteten Borftellungen, Kenntniß der fpanifchen Sprache 
und Gefchicklichkeit in allen Dingen, welche eine befondere Anziehungskraft für 
die Spanier haben, im Verein mit eigenen Geiſtesgaben, welche weder durch 
Hinderniffe noch Widerſprüche fich ſchrecken Tießen, feiner Stellung Einfluß 
gaben. 

Mr. Hopkins Beſtrebungen gingen befonders dahin, vie Schifffahrt auf 
vem La Plata dem amerikanifchen Handel zu eröffnen und bie Zwiſtigkeiten 
zu befeitigen, welche die verfchiedenen Provinzen verfeinveten. Gin ziemlich 
langer Aufenthalt in Aſſuncion, mehrere Reifen zu Pferde durch Paraguay 
und das freundliche Benehmen des Präfiventen Lopez vereinigten fi, ihm 
manchen DBortheil zu gewähren. 

Vor etwas länger, ald zwei Jahren, ging Pr. Hopfins mit einem be 
ſonderen, eind der wichtigften in den Handel kommenden Producte Paraguay's 
betreffenden Zwecke nach Frankreich und Fehrte von dort mit einem Empfeh- 
lungsbriefe an den Verfaſſer dieſes Aufſatzes zurück und feßte demfelben feine 
Anftchten auseinander. Hierdurch kamen biefelben nach und nach zur Reife 
und gelangten endlich auch zur Kenntniß der amerifanifchen geographifchen 
Geſellſchaft. Hopkins las diefer einen von einer Karte begleiteten Aufſatz vor, 
welcher zu den erften in ihren Schriften veröffentlichten Artikeln gehörte. 

Ein Berfuch, feine Anſichten durch Bildung einer Dampfſchiff⸗ und 
Handels» Eompagnie zur Ausführung zu bringen, warb nun Durch Gopkins 
und mehrere feiner Freunde projectirt. Mehrmals fchien die Ausführung in 
ber That ganz nahe. Die Einwendungen, die man machte, waren beſonders 
Nur gegen Mr. Hopkins Perfönlichfeit gerichtet, indem man meinte, verjelbe 
babe feine Taufmännifche Erziehung erhalten, auch fei fein Temperament zu 
feurig, um ein fo umfaffendes Profect zu leiten (ein Einwand, dem man dadurch 
zu begegnen fuchte, daß man benjenigen, von benen er audging, vorfchlug, 
ihre eigenen faufmännifchen Agenten mitzugeben), fo daß man nie von ihm eine 
Befeitigung der ſchwierigen Verhältniffe in ven Plataftaaten erwarten binfe, 


490 Miscellen: 


endlich daß das Volk noch nicht zur Freiheit reif fei, und dag überhaupt nichts 
gefchehen Fönne, bis nicht ein zweiter Mofas erfchiene. 

Weder die mit Intereffe und Geſchick abgefaßten Ausführungen einiger 
der fähigften fünamerifanifchen Autoren, welche die Politik, die Freundſchaft und 
den Schub der Bereinigten Staaten in Anfpruch nahmen, noch die wohlüber- 
legten Berichte fo beveutenver Reifenven, wie Sir Woodbine Parifh, oder vie 
ſchaͤtzbaren Mitibeilungen von Ver. Brent, fcheinen befonderen Eindruck auf 
das faufmännifche Publikum gemacht zu haben. Hopkins ganzed Unterneh 
men wäre gefcheitert, hätte nicht deilen Plan in dem Eleinen Staate Rhode⸗ 
Island diejenige Unterflügung gefunden, welche ihm ver große von New⸗NYork 
verfagte. Eine Anzahl ehrenwertber Perfonen von bort vereinigte fich mit 
vier Männern der Stadt New»Mork (feiner von ihnen war Kaufınann) unt 
bildete vereint eine Gejellfchaft zur Beichiffung des La Plata mit einem für 
einen erften Verſuch Hinlänglichen Capital. 

Zwei Dinge wurden babei feſt in dad Auge gefaßt. Zuerft bezweckte 
man, ein Dampffchiff zu finden, welches bie Reiſe zur See ficher zurüdlegen 
fönne, doch auch leicht genug wäre, ven oberen La Plata hinaufzufteuern und 
darin zu fegeln, dann aber mittelft eines Segelfchiffes eine Waarenladung 
voraußzufchidlen, welche für ven Handel werthvoll wäre und in Paraguay 
von Augen jein Eönnte. 

Das für die Geſellſchaft erfaufte Dampfichiff, ver Paraguay, war von un- 
gefähr 500 Tonnen Gewicht, hatte eine Dampfmafchine von großer Kraft, ging 
wenig tief und fuhr mit großer Schnelligkeit. Die nöthigen Reparaturen wurden 
unter Aufjicht eines erfahrenen Capitains und unter der Leitung eined aus⸗ 
gezeichneten Ingenieurß vorgenommen, fowie man auch alle Vorſicht anwandte, 
das Fahrzeug ficher und ſtark zu machen. Neue Kefiel, doppelte Bollwerke, 
innere Verfchälungen durch die ſchwerſten Planken, Ginzufügung von Pum⸗ 
pen, Maften, Takelwerk und Segel wurven mit großen Koften angefchafft, unt 
das Schiff fehien dadurch gegen alle Stürme gerüftet zu fein. Als es in Se 
ging, ſtand ed unter ten Befehl des Lieut. Baldwin von der Marine ver 
Vereinigten Staaten und hatte noch einen Gapitain der Handelsmarine an 
Bord, welcher ven Befehl im Fluß übernehmen ſollte. Es war zugleich mit 
Ingenieuren, Dannfchaften, Vorräthen und den beten Navigationsinftrumen- 
ten wohl verjehen. Nie verließ überhaupt ein Dampfichiff ven Hafen mu 
einem größeren Anfchein von Sicherheit, ald gerade ver Paraguay. 

Die Unfälle begannen jedoch ſchon, ald man ſich Charleston gegenüber 
befand, in dem Golffirom, und nur ein praftifcher Seefahrer, ver die Der: 
bältniffe genau Tennt, vermag fie verftännlich zu erklären. Bon Charleston 
ging ed dann ſüdwärts nad) Maranhäo, aber nachdem man diefen Hafen ver⸗ 
laffen Hatte, um ven weiteren Weg in fühlicher Richtung zu verfolgen, mußte 
man ſchon nach wenigen Stunden umfehren, indem dad Schiff an feinem 
Vordertheil einen Leck erhalten Hatte, welcher feine Sicherheit gefährdete. 





Eine neue Erpevition nach Paraguay. 491 


Es ward hierauf genau unterfucht und endlich der Aſſecuranz⸗Geſellſchaft 
überlaffen, wobei es nicht wenig auffallen mußte, daß das Schiff, obgleich 
aufgegeben und verkauft, Doch faft ganz ohne Reparatur ficher nach New 
Orleans zurüdfehrte. Die Loͤſung dieſes Raͤthſels ift noch nicht erfolgt, doch 
beweiſt eben die Thatſache ſelbſt, daß das Dampfſchiff fefſt gebaut und gut zu 
diefem Dienft geeignet war. Die Beranlaflung des Lecks kann veöhalb nur 
unbedeutend geweſen fein. 

Die von der Gefellfchaft gefundenen Hinderniffe Hatten die meiften ande⸗ 
ren Unternehmer entmuthigt. Dem Agenten Mr. Hopkins gelang es jedoch, 
bie Paflagiere, Beamten und Borräthe nach Montevideo zu fchaffen, wo er 
bie voraudgefandten Waaren vorfand. Er befaß aber feine Mittel, ven Fluß 
binaufzugelangen, indem fein eigenes Dampffchiff verloren gegangen war, und 
wenn auch inzwifchen ein amerikanisches Schiff, der Waterwitch, angelangt 
war, fo Eonnte vaffelbe doch felbit bei dem beften Willen des Eapitains ihm 
nicht von Nugen fein. Unter dieſen Umſtaͤnden wäre die ganze Erpedition 
beinahe fehlgefchlagen. 

Mr. Hopkins ging jedoch nach Buenos Ayred und fand bier einen ame⸗ 
rikaniſchen Dampfer von der Art der fogenannten Propeller, ver einft unter 
bem Namen Utah befannt geweſen war und einem ber Herren Aspinwall ges 
hört hatte. Er war kürzlich den Argentinern verkauft worben und bilbete 
unter dem Namen Gonftitution einen Theil der Flotte des Commodore Eoe. 
Diefed Schiff warb gemiethet; man jchaffte fämmtliche Waaren, Vorräthe und 
Beamte an Bord und hißte die amerifanijche Flagge auf, als ein eigenthümlicher 
Umſtand, der die nautifche Etiquette betraf, zum Vorwand dienen mußte, die 
Erlaubnig zurüdzunehmen. Allen Einwendungen zu begegnen, begab jich ver 
Agent felbit den Fluß hinauf nach Eorriented, wo er vom General Urquiza 
die Erlaubniß erhielt, in vollfommener Sicherheit mit feiner Flagge den Fluß 
binauf und hinab zu fahren. Darauf machten fich jedoch noch andere Ein- 
flüffe geltend, die aus der Geſchichte des Schiffes ſelbſt entfprangen. Endlich 
ift noch bemerfendwertb, daß höchft achtbare, in Buenos Ayres anfäßige und 
mit Mofas befreundet gewefene Amerikaner im Allgemeinen äußerft wenig 
Vertrauen zu der Eröffnung des Stromies Hatten. 

Sn einem fo Eritifchen Augenblick erfchien endlich ein in Amerifa gebau⸗ 
tes Dampfichiff, das in Rio verlaffen, fpäter aber wieder in den Stand ge⸗ 
jegt worden war, das ſüdliche atlantiiche Meer zu befahren, in dem Hafen. 
Es ward für tauglich befunden, in Stelle des Utah gemiethet, und trat am 
30. September 1853 unter der Flagge von Montevideo feinen Weg an. 
Nun begannen auch Diejenigen, die in Montevideo und Buenos Ayres von 
Anfang an Miftrauen gegen dad Unternehmen gehabt hatten, die Möglichkeit 
des Erfolges mit etwas günfligerem Auge zu betrachten, währenn alle wohl- 
gefinnten und unterrichteten Perfonen in dem Unternehmen den Beginn eines 
großartigen und ehrenvollen Werkes fahen. 


492 Miscellen: 


Man kann nun fragen, welches ift der wirkliche Zweck viefer Expebition, 
und was wird ihre Folge fein? 

Der leitende Gevanfe war der, dem Handel und den Fabriken Nord⸗ 
Amerika's einen neuen wichtigen Ausweg zu verfchaffen, womit man die Hoff» 
nung verband, als Nüdfracht Gegenftänve zu erhalten, welche hoͤchſt werth⸗ 
vol find und in der Heimath beftändig begehrt werden. Es war alfo Zweck, 
einen neuen und unfehlbaren Markt für amerikanische Producte zu fchaffen 
und fo ein Aequivalent, ja felbft mehr, als ein Aequivalent, für vie Ein- 
bußen zu erhalten, die wir in jenen verbrauchten Häfen Curopa's erleiben 
fönnten, wo Krieg, Zölle und Beichränfungen felbft dem vorfightigften Kauf⸗ 
mann nur DVerlufte bereiten; zugleich follte damit ver politifche Zweck ver- 
bunden werben, jene frifchen und Eräftigen Anſichten, die unfere eigene Re⸗ 
gierungsform entwidelt, dort einzuführen, fowie auch durch die Kortfchritte in 
Kunft und Wiffenfchaft, welche faft überall zur Verbeſſerung menfchlicher 
Berhältniffe dienen, endlich den unglüdlichen und vernachläfftgten Rtepublifen 
Südamerika's dad glänzende Beifpiel einer vernünftigen Regierung zu zeigen. 
Died waren die leitenden Anſichten, worauf der natürliche Wunſch derjenigen, 
welche dem Riſico fich unterzogen, folgte, nämlich der, wieder zu ihren Aus» 
Ingen zu gelangen. Man wird genug Gelegenheit finden, viefelben zu benei- 
den, follten fie auch nur viefen Zweck erreichen, und ebenfo wird man ferne⸗ 
ren DVerfuchen keinenfalls die beften Wünfche verfagen. 

Die Geſellſchaft beabfichtigt, dad Monopol zum Handel auf dem oberen 
Fluſſe zu erlangen und erwartet mit vollem Recht von Seiten PBaraguay's 
ihrem Riſico und ihren Auslagen entfprechende Vortheile. 

Die Ladung der voraudgefandten Barke Kate und Alice beftand in mehr 
ald 800 Colli's (packs). Die Gegenftände waren mit Nüdficht auf die Be- 
bürfniffe und ven Gefchmad in Paraguay ausgewählt, und man berechnete 
den Werth der Ladung nach den in Affuncion geltenden Preifen zu 300 bis 
400 pCt. über dem Koftenpreife; vie Ladung Eonnte felbft in New⸗Nork für 
eine werthoolle gelten. Es fol Bier Feine Waarenrechnung gegeben werben, 
doch möchte es einiges Intereffe gewähren, ven Charafter ver aus Paraguay 
als Rückfracht zu erhaltennen Waaren anzuführen 2). Außer einer großen 
Zahl der verfchiedenften Mevicinalfräuter und Gummiarten, Vanille, Para- 
guay⸗Thee (Mate), Baummolle, Hanf, Reis, Manioc, indifchem Weizen, 
Cautchouc, natürlichem Leim, Horn, Bellen, Cochenille gehören Hölzer und 
Tabak zu den werthvollften Propucten Paraguay's. So enthalten vie Wäl- 
ber dieſes Landes nicht nur das beſte Schiffshauholz, fondern auch hoͤchſt 
feine fefte Hölzer von der fchönften Farbe, welche vie feinfte Politur annch⸗ 


2) Das Folgende betätigt das, was ausführlicher fchon in dem Artikel über Ba: 
raguay bezüglich der werthvollen Producte dieſes Landes (IT, 24—28) gefagt war. ©. 














Eine neue Exrpebition nach Paraguay. 493 


men. Fourniere davon find eben fo wertbuoll, ald Mahagony. Um foldhe 
Hölzer in der nothwendigen Form zu erhalten, wurden mit ben verfchienenften 
nöthigen Werkzeugen verfehene Holsfäger ausgeſandt, die nicht allein das 
nöthige Holz für ven Bedarf der Erpebition, fondern auch noch zum Verkauf 
erlangen folltn. Da ferner ver feinfle Tabak als Landesproduct bekannt 
it, fo wurden alle zu feiner Bearbeitung in ven Vereinigten Staaten ge» 
bräuchlichen Werkzeuge mitgefandt, und nicht nur dieſe, fondern fogar noch 
das nöthige Papier zum Ueberziehen und zu ven Berzierungen ver Eigarren- 
fiiten, fowie auch das nöthige Blei zum Einfchlagen des Kautabaks. Es 
fhlofien fich außerdem ver Expedition eine Anzahl ver geſchickteſten Arbeiter 
der Stadt an, wovon einige die Tabaksfabrifation in Cuba erlernt Hatten; 
ein durchaus mit ver Bereitungsweife des Tabaks vertrauter Mann führte fle 
an. Es wurden ferner Mafchinen zum Enthülfen und Reinigen des Reis ge⸗ 
fandt, da dies in Paraguay in Menge vorkommende Product von dem Volke 
biß jeßt noch mit einem Theile feiner Hülſe gegefien wird. Brent fagt in 
feinem handſchriftlichen Iournal, daß allein die Aufftelung einer Reisenthül⸗ 
fungsmafchine einen Menfchen bier reich machen koͤnnte. Endlich wurden auch 
Pflüge, Eggen, Drillbohrer, Schaufeln und Spaten mit eingejchifft, nicht min- 
der wählte man Mafchinen zur Neinigung der Baumwolle, welche ebenfalls 
bort fehr Häufig wächlt, und Fleine Dampfmafchinen, um größere Mafchines 
rin in Bewegung zu feßen, große Vorräthe von Schreibpapier, Drudkerprefien, 
ſpaniſche Schulbücher, amerifanifche Feuerwaffen, trodene Waaren, amerifa- 
nifche Baumwolle, einfache den Kranfheiten des Landes angemeffene Medica- 
mente, Schmudjachen, Sättel, Pferbeanfchirrungen und manches andere mit 
großer Vorſicht aus; alles Fam glüdlich in Affuncion an. Faſt jener Zweig 
amerifanifcher Inbuftrie war in der Ladung der beiden Erpebitionäfchiffe ver⸗ 
treten. 

Die Erpebition begleiteten verjchiebene talentvolle Männer, zwei over drei 
erfahrungsreiche Kaufleute, ein Dlineraloge, ein praktiicher Chemifer, Mafchi- 
niften, Ingenieure, mit einem Worte lauter ſolche Männer, welche zur Aus⸗ 
führung des urfprünglichen Planes nothwendig waren. 

Da man von Seiten des Präflventen einen freunplichen Empfang erwar- 
tete, fo mußte die Gefelfchaft darauf vorbereitet fein, die Breundlichkeit auf 
eine anfländige Weife zu erwiedern. Da ſie erfahren Hatte, daß der Praͤſident 
ih noch immer eined alten englifchen Wagens bediente, ver einft Francia 
gehört Hatte, fo verehrte fie ihm einen wunderfchönen Wagen und Gefchirre, 
dad Werk des Herrn Ham, feiner Frau eine mit Juwelen und Berloques 
verzierte koſtbare Uhr, feinen Töchtern eine Garnitur mit Silber verzierter 
Bartengerätbfchaften. Die Regierung fügte hierzu ein Paar fehr ſchön ge⸗ 
arbeitete Kanonen mit Zubehör. 

Kann man ſich nur einigermaßen auf die Ausfprüche von Heifenden, 








494 Miscellen: 


Büchern und Erfahrungen verlaffen, fo bietet in ver That Fein anderer Theil 
Stdamerifa’3 mehr Reiz für amerikanische Unternehmungen var, ale Paras 
guay, das mit fo großen Hülfsmitteln ausgerüſtet ift und eine Bevölkerung 
von einer halben Million zählt, welche im Vergleich mit ven anderen zwei Mil⸗ 
lionen vie Ufer des La Plataſtroms bevölfernden Menfchen weit vorgefchritien 
if. Das Land fucht Freundſchaft und Hanvelöverbindungen mit den Ver 
einigten Staaten. Die Schifffahrt dahin ift bereitö eröffnet, Verträge wurs 
den ausgewechſelt und Feine Gewaltthätigfeit oder Streitfucht von Seiten der 
Bewohner von Buenos Ayred und Montevideo Fann länger den amerifani- 
chen Handel mit Paraguay verhindern. Uns darin zu ſchützen, ift Pflicht 
unferer Regierung. 

Die Ankunft ver Fanny zu Affuncion erregte großes Aufſehen, va fie 
das größte Schiff war, welches man je in dieſem Hafen gefehen hatte, und 
auch dem Präflventen gewährte viefelbe große Freude, well er nad dreifähriger 
Verzögerung feinen Lieblingsplan endlich in’8 Leben treten ſah. Der Eonful 
Mr. Hopkins felbft wurde mie ein Minifter empfangen. Der Präftvent trug 
bei der Audienz feine Staatöuniform und war von einem glänzenden Gefolge 
umgeben; an feiner Aufrichtigkeit Tieß fich nicht zweifeln. 

Der befte Theil Suͤd⸗Amerika's ift nun unferem Handel eröffnet. Im 
Jahre 1845 wurde der Königin von England durch eine große Anzahl engli- 
feher Kaufleute eine Betition überreicht, worin man fie bat, den Handel dahin 
mit Gewalt zu erzwingen, „indem berfelbe in wenigen Jahren nur durch ven 
in den britifch« oftinvifchen Befigungen tibertroffen werben vürfte”. Wir ba- 
ben dies auf eine andere Weife vurchgefeht und die Frucht davon iſt zur 
Ernte reif. In ganz Eurzer Zeit werden Dampfichiffe den La Plata und klei⸗ 
nere Schiffe ven Pilcomayo, Vermejo und Tebiquari befahren. 

Mir Fünnen nicht Daran zweifeln, dag unfere Babrifmaaren in Baum- 
wolle, Xever, Metallen und Federharz, unfere Möbel, Papiere, Agricultur- 
Werkzeuge, Kleidungsſtücke, Stiefeln und Schuhe, Schirme, Hüte, Bücher in 
Kurzem den Borzug vor den Erzeugniffen anderer Länder erhalten werven. 
Eben fo leicht dürfte es uns fein, Ladungen mit ven beliebteften franzöſiſchen 
Waaren und leichten Weinen dahin zu fenden. Auch die Gelehrten möchten 
hierbei nicht Teer ausgehen, indem man 3.83. weiß, daß die Bibliothek ver 
Jeſuiten von der alten Paraguaymiſſion ſich noch in Affuncion befindet; ges 
wiß würde man jebt den Zutritt zu derſelben erlangen. 

Diejenigen endlich, welche reine Hanbelsinterefien nicht zu würdigen ver⸗ 
ftehen und nur Gegenden, wo Gold gefunden wird, ihr Intereffe zumenden, 
vermeifen wir auf das Werf von Herndon, welches berichtet, Daß an der 
Stelle, wo die Quellen des Amazonenftromes faft mit denen des Paraguur 
zufanmentreffen, Bold und Dianıanten in ungeheurer Menge gefunden wer⸗ 
den. Diefe Region ift nun leicht erreichbar, wenn man ten Fluß Guyaka, 
der fich oberhalb Affuncion in den Paraguay ergieft, binauffährt, und es 





Eine neue Expedition nach Paraguay. 495 


findet der in dieſem goldſuchenden Beitalter paſſenden Localitäten nachfplirente 
Abenteurer hier eine vielleicht Californien nicht viel nachftehenne Gegend *). 

Wir erfahren ferner, daß bereits einige Mafchinen ver Gefellfchaft in 
der legten Zeit nicht weit von Aſſuncion aufgerichtet worden find, und daß 
die Cigarren» Manufactur im Stande war, 150,000 Stück Gigarren monat⸗ 
ih zu fabriziren; ver Preis für 1000 Stüd Cigarren in jener Stadt betrug 
25 Sh. Dagegen ift noch Fein anderer der von der Gefellfchaft beabfichtig- 
ten Induſtriezweige bis jeht ind Leben getreten. 

Von Providence wurde endlich im vorigen Frühjahr (1854) ein Schnell- 
fegler, der zwei Eleine Dampfichiffe an Bord hatte, mit einer nach dem Er⸗ 
gebnig ver neueften Erfahrungen außgemählten Ladung für ven bortigen 
Markt abgeſandt. Dieſes Schiff erreichte im Auguft Montevideo, gerieth 
aber, indem es den Fluß binauffahren wollte, auf ein Felsſtuck, und wurde 
ſo bedeutend befchäbigt, Daß e8 ausgeladen werben mußte. Diefer abermalige 
Unfall ift ein ernftes Hinderniß für das Gelingen des allgemeinen Planeß; 
doch ein noch viel bedeutenderes beſteht in der augenfcheinlichen Mbficht des 
Präftventen Lopez, durchaus nichts in der inneren Bolitit zu ändern. In 
vielen Stücken ähnelt derſelbe Francia, als deſſen wärnfter Lobredner er auch 
auftritt. Ueberdies iſt der amerikaniſche Conſul bei dem Praͤſidenten in Un 
gnade gefallen, und wahrſcheinlich wird ihm das Erequatur entzogen werben. 
Man giebt hierbei vor, der Conful fei vem Präfldenten durch oftmaliges Ueber⸗ 
fhreiten der Zanvespolizeigefeße unangenehm geworben; unzweifelhaft ift dies 
alles unferer Regierung mohlbefannt. Doch abgefehen davon, ob unfere Be- 
amten an dem La Plata Fluß fich gut oder fchlecht benehmen, fo muß man 
doch ven DVerfuchen ver Geſellſchaft, auf demſelben vorzubringen, vie höchfte 
Aufmerkfamkeit widmen. 

Es ift noch zu bemerken, daß die von dem Waterwitch auf Koften ber 
Regierung audzuführenden Aufnahmen durch ein Mitglied ver amerifanifchen 
gevgraphifchen Geſellſchaft veranlaft worden find, die ihren fchriftftellerifchen 
Beiftand dieſer Zeitfchrift zugeftchert Bat. 

Es fcheint alfo, daß die Erpevition bis zu einem gewiſſen Grabe geglüdkt 
it, und die Geſellſchaft Hofft auf reichliche Erfolge. Die Zurückberufung des 
jegigen Conſuls, unzweifelhaft die Folge feines rafchen und fchlecht überlegten 
Benehmend, wird reichlich durch Die Anweſenheit des Herrn Wr. H. Hud⸗ 
fon, Esq., amerifanifchen Conful zu Buenos Ayres erſetzt, um fo mehr, ale 
berfelbe an der urfprünglichen Geſellſchaft betheiligt if. Im Augenblick fah- 
en noch Feine Dampffchiffe zwifchen Affuncion und den weiter abmärtd am 

ı) Auch durch einen in dem londoner Mining Journal 1853, S 670 enthaltes 
nen und aus dem Panama Star entlehnten Briefe, der am 17. Auguft 1853 zu Cha⸗ 
capogas gefchrieben wurbe, erfahren wir, daß ber Amazonenſtrom und der Fluß San 
Jago de Borja gelpführend find; endlich daß in der Nähe des Ucayale, der befannt: 


lich einer der mächtiaften Zuſtröme des Amazonas if, gleichfalls Goldſandablagerungen 
auftreten. ®. 


496 Miecellen: 
Strom gelegenen Hafen. Ohne ſolche kann aber der Handel auf dem Strome 


nicht zunehmen. 
Gumprecht. 


Der neue Ganges⸗Canal in ſeinem Bau und in ſeinen 
Ergebniſſen. 


Wie manche Schattenfeiten an dem Walten der oſtindiſchen Compagnie 
in ihren ausgedehnten Gebieten auch entvedt fein mögen und wie herbem 
Tadel jenes Megierungd« und Dermaltungsiyftem in feinen eigenthümlichen 
Verwicklungen und felbft in feinen Tendenzen fortwährend anheimfallen mag: 
angeficht8 der von Jahr zu Jahr flärfer an das Licht tretenven Zeugniffe des 
Auffhwungs und Gedeihens wird heute Fein Unbefangener mehr zweifeln 
fönnen, daß in dem britifchen Oftindien die Segnungen ver fortfchreitenven 
Eivilifation in der erfreulichften Entwidelung begriffen find '). — Aus ver 
neueften Zeit verdient der nunmehr im Wefentlichen vollenvete Bau des Ganges⸗ 
Canals, deſſen Entwurf recht eigentlich aus der fürforgenven Theilnahme an 
dem Wohle der Landesbewohner hervorging, als eine ver herrlichften Thaten 
der englifchen Herrfchaft in Oftindien anerkannt zu werben. Abgefehen von 
dem anderweiten fehr vielfeitigen Intereffe, welches dad großartige Werk dar⸗ 
bietet, liegt e8 ganz beſonders nahe, die Aufmerffamfeit der Leſer unferer Zeit⸗ 
ſchrift auf daſſelbe zu lenken, da es fich in feinen Entwürfen, in feiner Aus» 
führung und in feinen unabfehbaren Erfolgen als ein geographiſches Er- 
eigniß im eigentlichen und beveutungsvollen Sinne des Worted varftellt. 

Jenen berühmten Strom Indiens, der in den religiöfen Anfchauungen 
der heidniſchen Eingeborenen ald Gegenſtand der höchften Verehrung lebt und 
von Dichtern faft aller civilifirten Nationen mit Vorliebe befungen wir, fehen 
wir in dem Stadium feines Gervortretend aus den Vorhoͤhen des geheimnif- 
reichen Himalaya⸗Gebirges durch dad in feiner Art nirgends übertroffene 
Unternehmen des neuen Canalbaues bis auf einen geringen Reſt feiner Hlu- 
then für eine Strede von 348 engl. Meilen dem alten heilig geachteten Bette 
entzogen. Durch menfchliche Arbeit kommt ed dahin, daß ausgenehnten Lant- 
haften, die bisher von den Schrediniffen einer veröbenden Dürre von Jahr 


2) Mir verweifen gern auf die inhaltvollen Artikel von L. v. Orlich im Mai: 
und Juni-Heft d. 3. unferer geitfährift und befonders auf bie zufanrmenfaffenten 
Shiußbemerkungen S. 476 ff. — Eine andere Stimme der neueflen Seit aus Nord: 
Amerifa Bayard Taylor A visit to India, China and Japan (London 1855. 8. 
pe: 268— 70; bie amerifanifche Originalausgabe des Werks liegt uns nicht vor) 
— Ye einem fehr verfchiedenen Standpunkte aus im Wefentlichen zu bemfelben 

gebuiß. 











Der neue Sanges- Canal. 497 


zu Jahr bedroht waren, mit diefen Fluthen — als gefchähe es ihrerſeits zum 
Entgelt ver ihnen feit unvenFlichen Zeiten gefpenveten Verehrung — Fruchtbar⸗ 
feit und Ergiebigkeit gefichert wird, daß 6 bis 7 Millionen menfchliche Wefen 
fortan gegen die Wiederkehr ver erlebten entfeglichen Hungersnoͤthe gefichert, und 
mittelft der neueröffneten Verkehrsader des frifchen Lebeushauches der Civili⸗ 
fation theilbaft werben. 

Im Allgemeinen gehört der Gedanke, einzelne Lanpflächen over Diftricte 
vorzüglich in den fogenannten norbweitlichen Provinzen Oſtindiens durch Be⸗ 
wäflerungsanlagen zu heben, keineswegs außsfchlieglich ven Zeiten ver englifchen 
Belignahme an. Schon die fogenannten muhamebanifchen Exoberer haben neben 
den Prachtbauten, vie bis auf den Heutigen Tag Gegenfland der Bewunderung 
aller Heifenben und des Stubiums der Kunftfenner find, mancherlei Verſuche 
gemacht, durch mehr oder minder beveutende Waflerleitungen gewiflen Land⸗ 
firichen, auf welche ihre Augen ſich mit Vorliebe richtete, höhere Fruchtbarkeit 
und Kieblichfeit zu verleihen. Allein viefe und frühere Verſuche ſtehen ver⸗ 
einzelt da. Sie find bald mißlungen, bald in ver Ausführung unvollendet 
geblieben, indem theils der Plan nicht richtig entworfen war, theils die Mittel 
verfagten, oder auch weil e8 an Ausbauer fehlte. Unter anderen wurde in⸗ 
befien das vom Schach Jehan (dem vierten Nachfolger Babers) im I. 1626 
ind Werk gefeßte Unternehmen des Delhi-Canals nicht allein glücklich zu 
Ende geführt, fondern auch über ein Jahrhundert lang in Beſtand erhalten. 
Aber auch dieſe und ähnliche zur Zeit ihrer Blüthe Hochgepriefene Anlagen 
famen bereit3 vor ver Mitte des 18. Jahrhunderts gänzlich in Verfall, Cs 
blieb dem englifchen Unternehmungsgeiſte unrbehalten, fid) durch Canal⸗An⸗ 
lagen und Waſſerbauten einen unfterblichen Ruhm zu erwerben. 

Einer der erften Entwürfe dieſer Art, die im Fortſchritte der Zeit nach 
und nach erwachten, ging auf die Wiederherſtellung des Delhi⸗Canals, jedoch 
zunächft (in den Jahren 1817—21) nur in einem ſehr beichränften und 
unvollkommenen Maße. Erft einige Jahre darauf gelang ed dem Oberſt Col 
pin nicht ohne große Anftrengung, von den Directoren der oftinvifchen Com⸗ 
pagnie zu einer ber Wichtigkeit des Werks angemefienen Vervollſtaͤndigung 
der bisherigen Anlagen beträchtlichere Gelomittel zu erzielen. Der Erfolg 
techtfertigte dad Unternehmen glänzenver, ald man erwartet hatte. Im Jahre 
1847 betrug die Geſammtausgabe einfchließlich der durch die Erhaltung und 
Ausbefierung bis dahin erforderten Ausgaben ein Beringes über 34 Million 
Rupien *), während die Summe des Gewinns (Waſſerrente, Mühlenpadht, 
Zolleinnahmen für dad aus den herrlichen Wäldern von Dehra Dhoon her⸗ 
abgeflößte Nugholz u. f. w.) 4 Mil. Rupien überſtieg. Der reine Webers 
ſchuß ftellte fih auf 670,000 Rupien, und die von Jahr zu Jahr fleigenve 
Einnahme aus dem Betrieb des Werkes wurde 1847 auf 302,885 Rupien 


1) Der Geldwerih einer Nupie beträgt etwa 3 Thlr. (bis 205 Sgr.). 
Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Br. V. 32 








498 Miscellen: 


berechnet. Bald lockte die erhöhte Ergiebigkeit des Bodens zahlreiche Anſied⸗ 
ler herbei, fo daß die Vortheile, welche unmittelbar ober mittelbar diefem Unter: 
nehmen entfprießen, fich jeder menfchlichen Berechnung entziehen. Nichte war 
natlırlicher, als daß nach und nach eine Anzahl ähnlicher Anlagen theild pro⸗ 
jectirt, theild auch in Angriff genommen wurde. 

Dennoch bedurfte es noch eines nachhaltigen Anftoßed, um ben Unter⸗ 
nehmungdgeift auf bie reichbevölferten, aber für vie Anlage eines wirfjamen 
Bewäflerungsfuftems außerſt fchwierigen Landſchaften zwiſchen dem Ganges 
und Jumna zu lenken. Die beiden Ströme vereinigen ſich bekanntlich bei 
der berühmten ſaraceniſch⸗ indiſchen Stadt Allahabad ). Diefe Stabt bildet 
den Enbpunft der zwifchen beiden Strömen ſich auöbreitenden Lanbfläche, 
welche von ihrer Lage, als ein indiſches Mefopotanien, nad) einem ber perſi⸗ 
fhen Sprache entnommenen Ausbrud den Namen Dhooab (Düab oder 
Douab gefhrieben) erhalten Hat. In verhältnigmäßig naflen Jahren iſt tie 
ſes in feiner Mitte von keinem perennirenden Strome bewäflerte Zwifchenge- 
biet fruchtbar und liefert feinen 6 bis 7 Millionen Einwohnern, vie bei dem 
Mangel der Transportmittel und in Folge des Culturſtandes faft lediglich auf 
Aderbau und Viehzucht angewiefen find, genügenven Unterhalt. Allein viele 
armen Lanpbauer werden, da fie niemals Vorrathe erübrigen, unvermeidlich 
yon der aͤußerſten Bedraͤngniß ergriffen, fobald anhaltende Dürre entweber in 
den Monaten Juni, Juli und Auguft oder im September und Januar ihre 
Hoffnungen auf Ernte vernichtet. Die Dürre der Jahre 1837 und 1838 
murbe ihnen im böchften Grade verhängnigvoll und verderblich. Berichter- 
flatter wiffen das damalige "Elend nicht fehredlich genug auszumalen. Die 
Acker und Weiden, melche man bei günfltiger Witterung in ergiebiger Fülle 
prangen ſah, wurben zur Staubmwöüfte. Die Saat war in dem Erdboden er⸗ 
florben; das Gras welfte und vertrodnete. Die Bewohner gerietben in tie 
größte Noth; ein furchtbarer Mangel an allen Kebensmitteln brach aus. Hun⸗ 
derttauſende kamen auf die fchredlichfie Weife und Leben. Ganze Dörfer 
wurben entvölfert. Die Bande des Yamilien» und des Staatälebens, ja bie 
Bande der Sitte, des Aberglaubend, der Religion Löf’ten ſich unter dem all- 
gemeinen Jammer. Es Fam dahin, daß Eltern ihre Kinder um einige Biſſen 
Brot verkauften; daß Braminen Speifen genofien, durch deren Berührung fe 
ſich fonft entweiht hielten. Das Vieh fiel auf ben oͤden Belvern, fein Aas wurk 
mit Begierde verföhlungen, um ben nagenden Hunger zu flillen. Alle Un 
firengungen der Obrigfeiten, der milvthätigen Unftalten und Privatperſonen 
erwieſen ſich unzulänglich. Die Regierung erlitt einen beträdytlichen Ausfall 


2) Der Name „Allahabad“ (d. 5. Stabt Gottes) Fam von ben einbringenden 
Muhamebanern; er wurde unter dem freundlichen Cindrucke der fchönen Landſchafi 
und der bulbfamen Gingeborenen ertheilt, die ihnen die Stadt ohne Widerſtand über: 
gaben. Der frühere einheimiſche Name Prisg (db. 5. Bereinigung) deutet anf den 
Bufammienfluß des Jumna mit bem Ganges. 











Der neue Banged- Ganal. 499 


ihrer Einkünfte. Die Berlufte aus ven rückſtaͤndig gebliebenen und nie ge⸗ 
zahlten Abgaben oder Pachtbeträgen wurben in ven beiven Jahren auf 1 Mi. 
Bund Sterl. berechnet. An manchen Orten Eonnten erft nach einer Reihe 
von Jahren wieder Einfünfte erhoben werben. 

Es ift eine ungemein erhebende Betrachtung, daß dieſe traurigen Erleb⸗ 
niffe nicht ohne anhaltende heilfame Wirkungen geblieben find. Man hat es als 
einen der nächften glüdlichen Erfolge gepriefen, daß die Miſſionsanſtalten in 
der Nähe fich unter dem allgemeinen Elende eines reichen Zumachfes zu erfreuen 
gehabt haben. inter dem Jammer der Verwüftung fuchten und fanden Tau⸗ 
fende eine Zuflucht in den Pflegefchulen ver Boten des Chriſtenthumo, waͤh⸗ 
rend der invifche Aberglauben und Goͤtzendienſt in feinen Schwächen und ſei⸗ 
nee Sinnlofigkeit enthält erfchien. Bis auf die lebten Jahre find Reiſenden, 
welche die Miſſionsthaͤtigkeit keineswegs mit günfligem Auge anfahen, viefe 
Nachwirkungen bemerflich geblieben. 

Dennoch wurde durch den Unternehmungdgeift der englifchen Staatsbe⸗ 
hoͤrde eine noch ungleich tiefer eingreifende und für vie Zukunft bei weitem 
folgenreichere Entmidelung angebahnt. Denn in den Zeiten diefer unausſprech⸗ 
lihen Noth erwachte zuerft der ſeitdem mit Macht um fich greifende Gedanke, 
bie Gewaͤſſer des Heiligen Stromes aus dem alten Bette mitten durch bie 
ſchwer betroffenen Gegenden Binzuleiten. Den nächften Impuls gab die Aus⸗ 
fiht auf Erhöhung und Sicherung des Gedeihens ver Bruchtfelder, auf He⸗ 
bung des Außeren Wohlſtandes. Allein daneben war ven Merfechtern ver 
gehegten Entwürfe nicht minder gewiß, daß dieſe Wafferleitungen durch ihre 
Schiffbarkeit fich zugleich zu einer Lebensader der Civilifation und geiftigen 
Eultur entwideln würden. An fich Iag dies Alles nahe genug: aber Die riefen- 
haften Dimenfionen und der ungeheure Aufwand von Mitteln, welche die Aus⸗ 
führung bedingte, ließen die in Umlauf gefehten Entwürfe faft chimärijch er⸗ 
fheinen. 

Der Oberſt Eoloin, bekannt durch fein Verdienſt um die Wieberher- 
ſtellung des Delhi» Ganald, wird als derjenige genannt, der dieſe Idee zuerft 
auffaßte, Wie dem auch fei, gewiß ift, daß die Ausarbeitung der eigentlichen 
Entwürfe, die Bührung der Angelegenheit, bis fie zum Befchluffe reifte, und 
die Leitung der Arbeiten bis zum Unfange des vorigen Jahres dem unermüt- 
lichen Oberft Gautley angehört. Abgefehen von den Hemmungen bes Aufe- 
ten Gefchäftöganged mit dem Dirertorium der oftinvifchen Compagnie erfor- 
derten die taufenpfachen Verfuche, bei ven Behoͤrden Anklang zu finden, der 
Betrieb ver Bermeffungen, hie Motivirungen des Planes der Anlagen in allen 
ihren Einzelheiten große Verzögerungen. Eine Zeit lang, während Lord Ellen- 
borough vie Würde ded General» Gouverneurd bekleidete, wurde dad ganze 
Unternehmen fogar als befeitigt angefehen. Faſt 10 Jahre find darüber hin⸗ 
gegangen, bis der umfaffende Plan des riefenhaften Unternehmens im Jahre 
1847 fo weit feftgeftellt und angenommen war, dag mun 2 dem 3. 1848 

2 


500 Miscellen: 


zum Anfange der Erbarbeiten fhreiten Tonnte. Aber ſeitdem if das Wert 
mehr als ſechs volle Jahre hindurch mit außerorbentlicher Energie fortgeführt 
‘und fo weit vorgefchritten, daß es zur Zeit fo gut als vollendet angefehen 
werben muß. 

Um und nun zunächft die Aufgabe und den Umfang des neuen Ganges⸗ 
Canals anfchaulich zu machen, werben wir einen Blic auf die Oberflähentil- 
dung und den Charafter der Gegend werfen müffen. 

Die Landfchaften Ober- und Niever-Douab, welche bereitö zu der gro⸗ 
fen Hindoftans Ebene gerechnet werden, erſtrecken fich in füpöftlicher Ausdeh⸗ 
nung laͤngs dem rechten Ufer des Ganges ungefähr vom 30. bis zum 26. 
Grade nörbl. Br. Die weſtliche Grenze bildet ver Jumna «Fluß, welcher auf 
der erften Hälfte der Strede zwifchen Delhi und Allahabad (im Ganzen 619 
engl. Meilen) dem Ganges ziemlich parallel laͤuft, dann aber in einer mehr 
öftlichen Nichtung demſelben almählig näher tritt. Im Norden von Ober⸗ 
Douab erheben fich die Siwalit« Berge als Vorhöhen des Himalaya, dem fie 
im Ganzen gleichlaufend find, obgleich vie Höchften Gipfel nicht über 3500 
bis A000 Fuß emporfteigen. Demnad find die Douab »Lanpfchaften zwar in 
ihrem nörblichen Theile von einzelnen Fleinen Hügelketten durchzogen, tragen 
jedoch, ihrer Oberflächenbildung nach, den Charakter einer von Norboften nach 
Südweſten allmählig ziemlich gleichmäßig fich herabſenkenden Ebene. 

Die nähere Unterfuchung ver Bopdenverhältniffe ergab zuvoörderſt zwei 
Erforberniffe, welche den Umfang und Aufwand der Operationen außerorbent- 
lich vergrößerten. — Zuerſt zeigte fich, daß eine einfache Ganallinie nicht hin» 
reichend war, un den Zwed ber Bemäfferung ded Douab mit angemeflenem 
Erfolge zu erreichen. Man mußte darauf denken, durch Zmweigcanäle die Wir⸗ 
tungen bed Iinternehmend nach verfchiedenen Seiten Bin auszubehnen und durch 
ein planmäßig geglievertes Canal⸗Syſtem möglichft vielen Ackerflächen ven 
Segen der Bemwäfferung mitzutheilen. Dazu war aber eine fehr beträchtliche 
Maffe des zuftrömenden Waſſers erforderlich, welche nur vie Fluthen des 
Ganges und auch diefe nur in dem Stadium gewähren konnten, wo er alt 
ein Flarer und voller Strom ") mit der ganzen Fülle ver aus dem nörklie 
chen Gebirgslande Hindoſtans ihm zufließenden Gewäffer aus den Simalik: 
Höhen Hervorbridt. Man Hatte längft ermittelt, daß der Strom weiter ab 
wärtd in Folge der poröfen Beichaffenheit de8 Bodens durch Einſickern an 
feinem Waffergehalt beveutend verliert. Außerdem würbe auch daB zur Waſſer⸗ 
leitung erforberliche Befälle nicht gewonnen worden fein, wenn man enra 
erft am Solanifluffe die Anlage begonnen Hätte, 


») Ganz anders erfcheint der Ganges z. B. bei der Cinmündung des Jumme 
bei Allahabad, wo der Gegenſatz der hellen Jumma-Fluthen mit den: trüben Gen: 
dem Meifenden ſtark auffällt. Bay. Taylor aa O. &. 236 erwähnt, daß ibm 

ierbei der Anbli der Bereinigung des weißen mit dem blauen Nil und die des 
Miffouri mit dem Mifftffippt lebhaft in Erinnerung trat. 








Der neue Ganges» Ganal. 301. 


Demnach wurde ald Anfangspunft des Canals eine Stelle etwa 14 engl. 
Meilen unterhalb Hurdwar erfehen, wo ver Ganges bei feinem Eintreten in 
die Hindoftanifche Ebene einen Waflergehalt von 8000 Cubikfuß in einer Se 
unbe barbietet. Aller Einwendungen ungeachtet gewann der Plan, dem Bette 
des Stromes von viefem Gehalt nicht weniger als 6750 Cubikfuß zu ent 
ziehen, die Oberhand. Wan fand unbebenklich, es darauf ankommen zu laſſen, 
ob das alte Bette, weldyes ohnehin für die Schifffahrt blos in geringem Maße 
geeignet war, bei dem verbältnißmäßig fpärlichen Ueberreſt von 1250 Eubik- 
Zuß vor der Hand fo gut wie troden gelegt werden würbe. Zugleich war 
eine eriprießliche Regulirung des biöherigen wegen der Untiefen und Stroms 
ſchnellen nur ſchwer benutzbaren Laufes, welcher ohnedies unterwegs burch 
Grundquellen vielfach verflärkt wurde, für die Zukunft in Ausſicht geſtellt. 

Aus dieſen Betrachtungen und Ermittelungen ergaben fich die Entwürfe, 
welche bei der Ausführung des neuen Ganges⸗Canals maßgebend geworben 
find. Die Hauptlinie des Canals ift 310 Meilen lang, zieht in ven Douab- 
Randfchaften zwifchen Ganges und Jumna über Allyghur und ergießt fich bei 
der Stadt Cawnpore (etwa 140 Meilen des Stromlaufs oberhalb Allahabad), 
mit einem freilich bedeutend verminverten Waſſergehalt wieder in ben Ganges. 
Die Strede von Hurdwar bis Allyghur beträgt 180, von da bis Cawn⸗ 
pore 170 engl. Meilen, waͤhrend ver Lauf des Ganges von Hurdwar bi 
Cawnpore auf 348 Meilen berechnet wird. Don Allyghur aus gehen Zweige 
Ganäle nach Humeerpoor (180 Meilen), Futtehghur (170 Meilen), Bolhud⸗ 
ſhuhur (60 Meilen) und Eoel (50 Meilen) ’). — Auf der erften Strede, 
wo dad Bette des Ganald die ganze Fülle des abgeleiteten Waflers enthält, 
it derſelbe 140 Fuß breit und 10 Fuß tief; weiter unten vermindert fich die 
Breite bis auf 80, in den Zweiglinien bis auf 20 und die Tiefe bis auf 
5 Buß. — Der Flächenraum, welcher durch dieſe Waflerleitungen der Bes 
wäjlerung theilhaft gemacht wird, ift auf 1,500,000 Acres, oder — da die 
Landbauer immer nur ein Drittheil des von ihnen bebauten Bodens bewäf- 
fen — auf 4,500,000 Acres berechnet ?). 

Der Bau diefed Canals Hatte befonders auf der Strede von Hurdwar 


1) Bergl. Thornton Gazetteer of East-India 1], p. 292, wo ald Summe 
der obigen Angaben 810 Meilen als Gefammtbeirag ber angenauebehmung bes Ga: 
als berechnet werden. Diefer Plan ift augenfcheinlih in der Ausführung noch er- 
weiter. Der von Charles Wood am 8. Auguft 1854 dem britifchen Parlamente 
borgetragene Rechenſchaftsbe cicht (ſ. —*28 Parliam. Debates Vol. 135 p 1452) 
zählt 898 Meilen. Gbenfo die offiielle Belegenheitefgrift »A short account of tlie 
Ganges Canal.« (Roorkhee April 1854. 4.). 

”) Diefe Berechnung if vom Gapt. N. Baird Smith angeftellt (in f. Schrift 
»Italian irrigation, a Report on the Agricultural Canals of Piedmont and Lom- 
— addressed to the Hon. Court of Ihe Directors of the East India Comp. 
London & Edinb. 1852. 8. Bergl. North Amer. Rev. Oct. 1853 p. 459). je 
gründet ſich auf die Anmahme, daß jeder der 6750 Eubiffuß Waſſer, weldhe von Se: 
cunde zu Secunde dem Canal zufließen, jährlich 218 Acres bewäflert. . 


302 Miscellen: 


bis Noorkhee wegen des gebirgigen Terrains große Schwierigkeiten; aber ba 
bem letzten Orte trat ein Hinderniß entgegen, deſſen Bewältigung den äußer- 
fien Kraftaufwand erbeifchte. Hier traf ver Zug auf bad queer vorüberzie⸗ 
benve, 24 engl. Dleilen breite Thal des Solani»luffes, ver in öftlicher Rich⸗ 
tung dem Ganges zuftrönt. Lieber dieſes Thal mußte der Canal mittelſt 
einer Ueberbrüdung binweggeleitet werben, um in bie Douab» Ebenen gelan- 
gen zu können. Der Solani ift ein großentheild von Jahreszeit und Wetter 
abhängiges, fehr veränverliched Gebirgswaſſer, einen großen Theil des Iahres 
hindurch waflerarm und langfam dahin ſchleichend, währenn er zur Megenzeit 
oder beim Aufgehen ver Schneemafien des Gebirges in gewaltigen Yluthen 
daherbrauft. 

‚Daher erforberte zumächft die Grundlage der Thal»Ueberbrüdung, welde 
den Aquäbuct des Canals enthalten follte, die umfaflenpften Vorkehrungen, 
um bie nöthige Dauerbaftigfeit und Feſtigkeit zu erreichen. Die Arbeiten be» 
gannen damit, daß Steinblöde von zwanzig Gubiffuß je 20 Fuß tief in ven 
Boden des SolanisBetted gelegt wurben. Jeder dieſer Blöde war (wie ed 
fcheint, um den Grund gegen dad zerftörende LUnterwühlen des Quellwafſſers 
unterhalb zu fchügen) mit 4 Brunnenöffnungen durchbohrt. Auf dieſen 
Bloͤcken find in abgemefjenen Entfernungen fteinerne Pfeiler, jeder 124 Fuß 
Hoch und oben 10 Fuß pic, errichtet, welche die 15 Bogen unter ber Ueber⸗ 
drüdung zu tragen hatten. Man kann fich denken, wie viefe Bogen, von oben 
angeſehen, keineswegs einen imponirennen Anblid gewähren, in deſto größerem 
Maße aber den Eindrud einer cyelopifchen Mafftvität und der Außerflen So 
liditaͤt machen; denn fie find nicht weniger als 192 Fuß breit, dabei 5 Fuß 
dit und erheben ſich mit einer Spannweite von 50 Fuß nicht mehr als 
8 Fuß über das Niveau der Pfeilerfläche, auf welcher fie ruhen. Lieber die» 
fen Bogen ift der eigentliche Aquäbuct angelegt, ver mit einer ebenfalls aus 
Badfteinen ausgeführten Einfaffung von 8 Buß Dide und 12 Fuß Tiefe vie 
mächtige Strömung in zwei burch eine Zwijchenmauer von einander abgeſon⸗ 
derten Ganälen von je 85 Fuß Breite 920 Fuß meit fortführt ). Man nehme 
hinzu, daß oberhalb des Aquäducts auf einer Strede von 25 engl. Meilen 
ein durchfchnittlich 164 Fuß hoher Erdwall, an ver Bafis 350 und auf ver 
oberen Plattform 290 Fuß breit, errichtet werden mußte, daß auch Hier eine 
Muuereinfaffung ſowohl des Canalbettes, als auch des Außeren Erdwalls 
nöthig befunden, und die letztere in Form von Treppenſtufen ausgeführt 
worden ifl, — um zu ermefien, welche Kräfte in Bewegung geſetzt werten 
mußten, um ein folches Werk zu vollenden. Der Solani- Aquäpuct ift in 
der That die Krone der ganzen Unternehmung des Ganges-Canald und un⸗ 
zweifelhaft eines ber großartigften Waſſerbauwerke unferer Zeit; der Berech⸗ 


ı) Die Breite des Solanibettes beträgt, wie aus den vorhergehenden Augaben 
erhellt, 750 Fuß; es kommen mithin 170 Fuß auf die Verlängerung, weldye für 
den Aquäpuct am Anfange und Ende erfordert würde. 





Der neue Ganges = Canal. 603 


nung des Major Baker zufolge erforverte ex vie ungeheure Zahl von 84 Mil« 
tionen Badfleinen umd ungefähr 1 Million Eubiffuß Kal. Ein Yugenzeuge 
berichtet, daß täglich, währenn die Arbeiten in vollem Gange waren, 100,000 
Badfteine verbraucht worden find. 

Zum Centralpunft der Arbeiten wurde ein unweit der Stelle des Wafler« 
baued auf dem Plateau am Solani belegener Ort, Namens Roorkhee, aus⸗ 
erfeben, der feitvem aus einen Fleinen Hinbus Dörflein zu einer anfehnlichen 
Stadt und englifchen Hauptftation angewachfen ifl. Hier fchlug die Direction 
des Banalbaued ihren Sig auf, um mittelft eined unermeßlichen Aufwandes 
von Urbeitökräften, Geldmitteln und Materialien, — mit dem Aufgebot aller 
durch Erfahrung, Erfindung und Willenfchaft errungenen und erprobten Mittel 
den kühnen Entwurf zur Ausführung zu bringen. Den Eingeborenen ver 
Umgegend, fo lange einem rohen und trägen, faft träumerifchen Naturzuſtande 
bingegeben, muß feltfam zu Muthe geworben fein, indem fle ihre ‚Hütten in 
teiffender Schnelligkeit von den Schöpfungen ver höchflen europäifchen Indus 
firie und Qultur, von Obfervatorien, Bactoreien und Werkflätten mit wunder» 
bar wirkenden Apparaten, Dampfmaſchinen mit machtvoll treibenden Kräften 
ungeben erblickten. Selbſt eine drei englijche Meilen lange Eifenbahbn — bie 
erfte in dem größten ver alten Welttheile — wurde zur Erleichterung des 
Materialien» Trandport3 angelegt und — als geſchaͤhe es, um den höchften 
Bipfel europäifcher Erfinpungdfraft zu erreichen — wurbe eine Locomotive 
aus England berbeigeichafft, die jedoch den inpolenten Hindus Urjache vieler 
Unglüdöfälle wurde und unter ihren ungeſchickten Händen gar bald vergeftalt 
Schaden nahm, daß fie außer Gebrauch gelegt werden mußte. Uebrigens ha⸗ 
ben fich Diefe Eingeborenen bei ven Ganalbau=Arbeiten, die unter der Leitung 
englifcher Beamten und Werfführer faft ausfchlieplich von ihnen verrichtet 
wurden, den Schilderungen ver Berichterfatter zufolge nicht nur Außerft ges 
fchidt benommen, fondern auch eine über alle Erwartung hinausgehende Tüch⸗ 
tigfeit und Fähigfeit im Nachbilden bemährt, wenn gleich ihnen alles Erfin⸗ 
dungstalent abgeht. Troß des vorherrfchennen Mangeld an Beobachtung und 
Abſtraction kann es nicht fehlen, daß die Anfchauung deſſen, was durch menſch⸗ 
lichen Berfland und durch ein wohlgeordnetes Zuſammenwirken menfchlicher 
Kräfte hier erreicht if, ihren Blick über die engen Kreife des bisherigen Ge- 
wohnheitslebens erhebt, jo daß ver Bau des Ganges⸗Canals auch durch feine 
Wirkung auf die geiftige Entwidelung der Hindus ein Ereigniß von bleiben 
der Bedeutung wird. 

Die Einweihung ded Aquäducts wurde am 8. April 1854 zu Roorkhee 
mit einer veligiöfen Feier und mit mannigfaltigen Beftlichkeiten begangen. Die⸗ 
jer Tag vervient ald einer der denkwürdigſten in der Gefchichte der nordweſt⸗ 
lihen Provinzen Oſtindiens auögezeichnet zu werden. Durch die zahlreichen 
Malfahrer, welche aus allen Theilen des Landes nach Hurdwar kommen, um 
das Waſſer des heiligen Stromes mit fich zu nehmen, war die Runde der bevor⸗ 


504 Miscellen: 


ſtehenden Erdffnung des feinen Hauptheilen nach vollendeten Canals weithin 
von Mund zu Mund gegangen. Nicht weniger ald 500,000 Menfchen aus 
den verfchiedenften Völkerfchaften und Stämmen — Sikhs, Bengaleſen, Ro⸗ 
hillas, Afghanen, Mahrattas und fo viele andere, die wir felbft dem Namen 
nach nicht kennen, aus Perften, ver Tartarei und ven Ländern jenſeit des 
Himalaya Hatten ſich mit ihren eigmtbiimlichen Reiſeapparaten und im ihren 
prunfenden Goftümen zufammengefunden, um Augenzeugen des Ereigniffes zu 
fein. Hindus und Bupphiften, Barfen und Muhamedaner, Juden und Ghris 
ſten erfchienen im bunten Gedränge neben einander. Die Engländer follen 
nicht ohne Sorge vor einer fanatifchen Erhebung geweſen fein und für ben 
Falls eines folchen Ausbruchs militairifche Vertheidigungsanſtalten in Bereit⸗ 
fehaft gehalten haben. Sie mußten, daß Priefter und froͤmmelnde Bettler in 
Hurdwar die Ableitung des Ganges ald ven Außerfien Frevel dargeſtellt und 
Alles verfucht Hatten, um die Maflen gegen ein folche® Unternehmen in Be 
mwegung zu bringen. Allein dies mar fo wenig gelungen, daß fogar 10 Fa⸗ 
Tire ſich freiwillig dazu verflanten, unter ven Führern der ‘Prozeffion zu er- 
fiheinen. Die Freigebigkeit der englifchen Behörbe that ein Uebriges, um nad) 
allen Seiten Hin eine freunbliche und glüdliche Stimmung zu erwecken und 
der Feierlichfelt den Charakter eines allgemeinen Freudenfeſtes zu verleihen. 
Die Koften des Eanalbaueß waren auf 14 Million Pfund Sterling ver- 
anfchlagt, und dieſer Anfchlag fcheint fi im Großen und Ganzen als ſtich⸗ 
haltig bewährt zu haben. Nur durch Wohlfeilheit der verwendeten Arbeite- 
Träfte iſt es erflärlich, daß für eine foldhe Summe das großartige Unterneh 
men bergeftellt werben Fonnte. Die Erfolge vefielben für die Zukunft find 
unabfehbear. Zunachft find fie an feinem Orte anfchaulicher concentrirt, als 
in der Stadt Roorkhee, welche jet als ein gewerbthätiger und verkehrsvoller 
Mittelpunkt, mit europälfchen Gebäuven, mit einer Ingenieurfchule und einer 
Druderei ) u. f. w. Im rafcheften Aufblühen begriffen if. Die Canallinie, 
mit ihren planmäßig angelegten und durch Anpflanzungen gezierten Seiten 
wällen im Außeren Anblick gehoben, wird unfehlbar ein neued Leben und 
frifhe Bewegung in ihre Umgebungen ergießen. Man hat berechnet, daß vie 
aufgewendete Summe durch die Einkünfte an Waflerrente, an Mühlenpacht 
und an Einnahme für Holzflößungen u. ſ. w. mit mehr als 10 Proeent fid 
verzinfen muß.. Das ift ein fehr günftiges Nefultat, aber viel höher fleigt 
das Werk in unferer Anerkennung vom Standpunkte ber Betrachtung auf, 
welche Kräfte des Nationalreichthums es gewedt, und welche Hebung für das 
phyſiſche und geiftige Oluͤck von Millionen Menfchen aus ihr ben gebegten 
Hoffnungen zufolge entfprießen muß. Dr. C. Brandes. 


2) Bin kurzer Bericht über ben Canalban, in vielen taufend Exemplaren für 
den 8. April 1854 zur Vertheilung an die Bingeborenen und Fremben in Hisdu:, 
Urdu⸗ und englifcher Sprache gebrudt, iſt aus den dortigen Prefien hervorgegangen. 








Menfchen und Sitten in China. 


Der britiſche Beneral»-Gonful in Ehina, Sir John Bowring, von bem 
unfere Zeitſchrift (IV, 345— 848; V, 297— 301) bereitö mehrere intereſ⸗ 
fante briefliche Mittheilungen Hatte liefern Eönmen, fandte an einen höheren 
Beamten zu London, ben bortigen Registrar General, ein auch in dem chine» 
ſiſchen Zweige der Königlichen afiatifchen Geſellſchaft verlefenes Schreiben, 
welches fich in einer ſehr Ichrreichen Weiſe über bie wefentlichfien Punkte 
des chineflfchen forialen Lebens, vie Bevolkerung des großen Meiches, deren 
Bolygamie und Rahrung, fowie über die Naturprobucte des Landes verbreitet. 
Da das londoner Athenaeum eine Abfchrift viefes Briefe von Sie John 
Bowring erhielt, wodurch vaffelbe ihn in einer feiner neuefln Nummern (Nr. 
1464 vom 17. Nov. 1855) mittheilen Tonnte, und ber Inhalt das Ergeb» 
niß der Beobachtungen eines geiftvollen, fcharfblidlennen und durch mehzjäh- 
rigen Aufenthalt in China mit den neueften Zuſtaͤnden daſelbſt wohlvertrauten 
Mannes it, fo theilen wir das Schreiben nach ven verſchiedenen Abfchnitten, 
in welche 08 zerfällt, nachſtehend mit. 

Oumprecht. 


Bevblkerung. Selt ver Zeit Kia King's, d. 5. feit 48 Jahren, iſt 
keine offlcielle Zählung vorgenommen worden. Zwar bat man die Richtig⸗ 
feit diefer Zählungen, welche vie Sefammtzahl der Einwohner China's auf 
362,447,183 angeben, vielfach bezweifelt, aber ich glaube, daß, je mehr wir 
das Land Iennen lernen werben, fich auch vie Richtigkeit ver officiellen An⸗ 
gaben herausſtellen wird, und daß wir mit ziemlicher Sicherheit die gegen⸗ 
wärtige Bevölkerung des chineflfchen Reichs auf 350400 Mill. veranfchla» 
gen dürfen. Die Strafgefepe fchreiben ein allgemeines Syſtem, nach dem bie 
Eintragung in vie Regiſter gefihieht, vor, und Törperliche Züchtigung, gemöhn- 
ih Hundert Schläge mit dem Bambus, trifft alle bie, welche gehörig Bericht 
zu erflatten verfäumen. Die Sorge dafür liegt ven Aelteften des Bezirks ob, 
und es foll vie Zählung eigentlich jährlich flattfinden, doch habe ich Feinen 
Grund, zu glauben, daß das Geſetz befolgt oder deſſen Mebertreiung geahnt 
wird, 

Eintheilung der Bevölkerung. Altem Gebrauche nach zerfällt bie 
Bevöllerung in vier Gruppen: Gelehrte, Aderbauer, Gewerbtreibende und 
Kaufleute. Außerdem giebt es eine fehr zahlreiche Klafle, vie als faft ganz 
ausgeftoßen aus ver Gefellfchaft betrachtet wird; dazu gehören Schaufpieler, 
Spieler von Profeſſion, Bettler, Sträflinge, Beächtete und Andere, und viefe 
finden wahrfcheinlich in ven Genfusliften feine Beachtung. Dagegen begnügt 
fih in entlegeneren Landgemeinden ver mit Anfertigung ber Kiften beauftragte 
Beamte mwahrfcheinlich damit, daß er nur die Durchfchnittözahl der näher ges 
legenen und befler bevdlferten Gegenden angiebt. 


506 Miscellen: 


ch war nicht im Stande, einen genügenden Ausweis über dad Verhält⸗ 
niß der verfchienenen Alteröflafien zu einander ober die burchfchnittliche Sterb- 
lichkeit in den verſchiedenen Rebendaltern zu erhalten. Jede Decade des menfch- 
lichen Lebens hat bei den Ehinefen ihre eigenthümliche Benennung. So heißt 
ein 10jaͤhriges Alter Deffnungsftufe (tbe opening degree), ein 20jäh- 
riges Verfloffenfein der Jugenp (Youth expired), das 30 jahrige 
Stärke und Ehe, das 40 jährige Amtsfähigkeit (Officially apt), das 
50 jährige Erkennung des Irrthums (Error knowing), ein 60 jahriges 
Kreis gefchloffen (Cycle closing), das 7Ojährige feltener Bogel 
feine® Alters (Rare bird of age), ein SOjähriges runzliges Geſicht 
(Rusty visaged), das 90 fährige Verzögert (Delayed), enblich ein 100. 
jähriges des Alters Aeußerſtes (Ages extremiüy). Ba ten Ghinefen 
fteigt aber die dem Einzelnen bewielene Ehrerbietung mit der Zahl feiner 
Jahre. So machte ich vor einigen Jahren die Belanntfchaft eines bubdhiſtiſchen 
Priefters, der im Klofter Tieng Yung in der Nähe von Ningpo lebte und 
mehr als Hundert Jahre alt war, weshalb Leute von Stand ihn beſtändig bew 
fuchten, um ihm ihre Aufwartung zu machen und ein Autograph von ihm zu 
erhalten, was auch mir gelang. Es giebt nicht nur viele Stiftungen für alte 
Leute, ſondern das Strafgefegbuch beſtimmt auch ſchwere Strafen für foldhe, 
tie Arme in ihren alten Tagen zu unterflüßen fich weigern. Alter darf ſo⸗ 
gar als Milderungsgrund für ein Berbrechen angeführt werden und erwirft 
Ermäßigung der Strafe. Biöweilen verordnen Faiferliche Dekvete die Ausıkei- 
Iung von Geſchenken an alle arme alte Leute im Reiche. 

Auswanderung aus China. Der beftändige Strom ver Ausıwan- 
verung aus China, wohin andererfeitd gar Feine Einwanderung flatthat, if 
ein fchlagenver Beweis für bie Dichtigfeit ver Bevölferung; denn obſchon Diele 
Auswanderung ſich faſt außsfchlieglich auf vie beiden Provinzen Kwangtung 
und Foofien befchränft, die zufanmen eine Bevölferung von etwa 34 ode 
85 Mi. haben mögen, fo bin ich doch geneigt, zu glauben, daß mehr als 
2 Mit. allein ans viefen Provinzen fi in fremven Ländern aufhalten. Im 
Königreich Siam veranfchlagt man die Zahl ver darin fich aufhaltenden Chi⸗ 
nefen auf wenigftens 14 Mil., wovon 200,000 in ver Hauptſtadt Bangkol 
Ieben. Es wimmelt von ihnen auf allen Infeln des inpifchen Archiyels. Im 
Sava leben, wie wir nach einer genauen Zählung wiflen, allein 136,000. 
Cochin China if voll von Ehinefen. Hier (d. 5. in Hongkong) liegen faſt flets 
ein oder mehrere Schiffe, die chinefifche Auswankerer nach Galifornien um 
anderen Plaͤtzen befördern; Waffen geben nach Auftralien, ven Philippinen, 
Sandwichinſeln, der Weftlüfle von Gentrals und Sübamerifa, Einzelne aud) 
nach Indien. Die Auswanderung nach bem britifchen Weſtindien ift ſehr be⸗ 
trächtlich gemwejen, die nach der Havanna betrug noch mehr. In Singapore 
mögen jährlich etwa 10,000 neue Ankömmlinge eintreffen, während nur 2000 
in die Heimath zurüdfehren (Journ. of the Indian Archipelago LI, 286). 





Menſchen und Sittm in China. 507 


Außer viefer enormen Auswanderung über's Meer geht ein anderer be⸗ 
beutenber Strom nach der Mandſchurei und Tibet, ſowie auch die reichen und 
fruchtbaren Infeln Hainan und Formoſa durch die fortwährend einſtroͤmen⸗ 
ven chineſiſchen Anftenler zum großen Theile ihren früheren Befigern abge⸗ 
wonnen find. Alle find aber Männer, auf 10,000 Tommt nicht eine Frau; 
daher vielleicht ber geringe Werth, der auf ein neugeborenes Mäbchen gelegt 
wird. Und doch ſcheint dieſes beſtaͤndige Ausftrömen die Zahl verer, Die da⸗ 
beim bleiben, durchaus nicht zu vermindern. Zmar. verlailen nur wenige Chi» 
neſen ihr Vaterland ohne ven feiten Entfchluß, wieder heimzukehren, um in 
ber Halle ihrer Vorfahren zu beten, an ven Graͤbern ihrer Väter zu opfern, 
boch ift wohl zweifelhaft, ob mehr, als einer von zehn, feine Heimath wieder⸗ 
feht, denn die Zahl’ verer, welche durch Krankheit, fchlechte Berpflegung, 
Schiäbruch und fonflige Zufälligkeiten ihr Leben verlieren, erreicht eine wahr⸗ 
haft furchtbare Höhe. 

Bodencultur und Nahrung. Die Kunft, das Land zu eni= und 
bewäflern, Dünger in aller möglichen Weife zu gewinnen und anzuwenden, 
Samen zu befruchten — kurz alle Einzelheiten des chineflichen Ackerbaues ver- 
dimen volle Beachtung, wie viefelben aber auch wieverum Zeugniß Dafür ab⸗ 
Iegen, in welchem ungenügenven Berbältniffe der Ertrag des Bodens zu dem 
wirklichen Bedarfe des Volkes fleht. 

Die Ehinefen haben durchaus Feine Vorurtheile in Bezug auf Nahrungs» 
mittel: fie efien Alles und Jedes, was ihnen nahrhaft fcheint. Hunde, beſon⸗ 
ders junge, werden ganz gewöhnlich zum DVerzehren verkauft, und man ſieht 
diefelben abgebäutet und mit den Eingeweiden in ven Fleiſcherlaͤden frieblich 
neben Schweinen und Sammeln hängen. Selbft gegen Ratten und Mäufe 
baden die Chinefen Nichts einzuwenven, eben fo wenig gegen Affen un 
Schlangen; die geoßen Seefchneden find für fie ein ariftofratifcher und koͤſt⸗ 
licher Lederbifien, der fo wenig wie bie eßbaren DBogelnefter bei einem Feſt⸗ 
effen fehlen darf. Noch nicht auögebrütete Enten und Hühner ſind ein Lieb⸗ 
Imgögericht; beginnende Fäulniß erregt nicht den geringfien Efel; faule Eier 
lapt man keineswegs umkommen und Fiſche findet man nur um fo beffer, 
wenn ſie recht riechen und dem Reis einen Fräftigen Geſchmack mittheilen. 

Wie vie von den Chinefen gegefjenen Speifen meift grob, derb und billig 
find, fo find auch ihre Getränke merkwürdig ökonomisch. Trunkenheit ift ein 
ſeltenes Laſter, wie denn Hisige Getraͤnke und Spirituofen nur ſelten genoflen 
werben. Thee ift das nationale und allgemeine Getränk, und obwohl ver ges 
wöhnliche nicht mehr als 3—6 d. (24—5 Sgr.) das Pfund Eoflet, fo be⸗ 
dient man fich hoch beſonders in den von ven Theediſtricten mehr entfernten 
Gegenden meift einer Beimifchung von billigeren Blättern. Im Efien, wie im 
Trinken, find die Chinefen mäßig und begnügen ſich mit zwei Mahlzeiten täg« 
ih — dem „Morgenreis“ ungefähr um 10 Uhr und dem „Abendreis” um 
5 Uhr Nachmittags. Der einzige Widerwille, ven ich in China bemerkt Habe, 


508 Miscellen: 


iſt gegen Milch — um fo auffallender, wenn man bebenkt, wie mädjlig tata=- 
sifcher Einfluß in jenem Lande geweſen if, aber nie babe ich gefehen ober 
gehört, daß Butter, Rahm, Milch oder Molfen in einer eingeborenen Familie 
auf ven Tiſch gekommen wären. 

Verwüflungen durch Noth und Krankheiten. Aller Wahrfchen- 
lichkeit nach giebt es Fein Land ver Erve, wo bie Sterblichkeit größer und 
furchtbarer als in China ift und Kücen reißt, die nur durch ungewöhnliche 
Mittel auszufüllen wären. Ganze Waffen von Menfchen ferben gerabeu, 
weil es ihnen an allem Unterhalt fehlt; Ueberſchwemmungen zerören Städte 
umd Dörfer mit allen ihren Bewohnern; es würve Teine leichte Aufgabe fein, 
den Verluft an Menfchenleben durch den Typhus und Orkane zu berechuen, 
welche Iehte vie Küften China's heimſuchen und Böte und Junken bißweilen 
zu Hunderten und Tauſenden zerfchellen. Die letzten Bürgerfriege müflen den 
Verluſt von Millionen von Menfchenleben zur Folge gehabt Haben; vie Zahl 
der Hingerichteten allein ift furchtbar. Im Augenblick, wo ich ſchreibe, be» 
rechnet man, daß einzig und allein in ver Provinz Kmwantung täglich 400 — 
500 Opfer durch die Band des Henkers fallen. Schonung fennt man nicht, 
da es ber Menfchen im Ueberfluſſe giebt. So wenig befümmert man ſich 
um einen Leichnam, daß man es bisweilen nicht der Mühe werth Hält, ihn 
von dem Plage zu entfernen, mo er an ber Oberfläche der Erbe verweſt. Oft 
babe ich einen Leichnam unter dem Tifche von Spielern erblickt, oft trat ich 
an der Schwelle einer Thür auf einen verweſenden Leichnam. In manchen 
Theilen China's giebt es gemauerte Thürme, im welche ganz junge Kinder, 
befonders Mäpchen, von ihren Eltern durch ein in ver Mauer befinbliches 
Loch geworfen werben. 

Kindermord. Ueber vie Ausdehnung ver Sitte des Kindermordes find 
die Meinungen getheilt. Daß er in manchen Provinzen ganz gewöhnlich if, 
unterliegt feinem Zweifel. Einer ver berebteften chinefifchen Schriftfteller ge⸗ 
gen ven Kindermord, Kwei Chung Bu, giebt vor, von dem „Gott ber Lite 
ratur“ befonders infpirirt zu fein, um dem chineftjchen Volle Vorſtellungen 
zu machen, daß es fich dieſes unmenfchlichen Brauches enthalte, und erklärt, 
daß ald Belohnung für feine Bemühungen ver Bott fein Haus mit Er 
überhäuft und ihm Jiterarifche Nachkommen gegeben habe. Und och geht 
auch er nicht weiter, als zu erklären, daß es fehlecht fei, bie Kinder umzu⸗ 
bringen, wenn man die Mittel babe, ſie zu ernähren, und einige feiner Gränk 
lauten feltfam genug: „Töchter umbringen, fagt ex, beißt vie Harmonie dei 
Himmels zerflören (in der gleichen Zahl ver Gefchlechter nämlich); je mehr 
Töchter ihr ertränkt, deſto mehr Töchter werbet ihr befommen, und noch me 
hat man gehört, daß das Ertränfen verfelben die Geburt von Sähuen nah 
fich gezogen habe.” Er empfiehlt, die Kinder cher auszufegen und ihrem Schid- 
fale zu überlaffen, als fie zu ertränfen, und fährt dann alfo fort: „es giebt 
Beifpiele, wo die fo ausgeſetzten Kinder von Tigern genährt und groß gezogen 





Menfchen und Sitten in China. 509 


worden find. Wo follten wir denn fein, wenn unfere Großmülter und 
Mütter in ihrer Kindheit ertränft wären.” Und dann führt er zmei Bälle 
an, mo Mütter, die ihre Kinder ertränkt hatten, beftraft wurden, bie eine, in- 
dem fich eine blutrothe Schlange an ihrem Beine feſtbiß, während Hände und 
Füße der andern in Kuhfüße verwandelt wurden. Pater Ripa erzählt, daß 
die Sefuiten in Peking allein jährlich 3000 ausgefegte Kinver tauften. Ich 
babe Teiche gefehen, wo Kinter meiblichen Gefchlechtd erträntt zu werben 
pflegen, deren Leichname dann auf der Oberfläche des Waſſers umbertreiben. 
Wunfh nah Nachkommen. Gewohnheit und Sitte, Ueberlieferung, 
die Lehren ihrer meifen Männer — Alles übt bei dieſem Volke einen mächti» 
gen Einflug auf den Fortpflanzungdtrieb aus. Kinverlos zu fein gilt für ein 
Unglüd, wenn nicht gar für eine Schande. Die chineſiſchen Moraliften fegen 
ald Geſetz feſt, daß fobald eine Frau ihrem Wanne keine Kinder gebärt, fie 
auf alle Weiſe verpflichtet ift, ein außereheliches Verhältnis zu begünfligen, 
damit fein Name ſich fortpflanzge und im Kalle des Todes feinem abgefchiebenen 
Beifte Die gebührennen Ehren erwiefen werben fünnen. Einer ber populärften 
chineſiſchen Schriftfteller fagt deehalb: „Es giebt auf Erden Frauen, die nie 
Knaben geboren, oder Mäpchen aufgebracht haben, und doch wenn ihr Batte 
bereitö das Alter von 40 Jahren erreicht Hat, vemfelben nicht erlauben, eine 
Concubine in fein Haus zu bringen oder eine Nebenfrau (handmaid) zu 
unterhalten und auf andere Weiſe für Nachfommen zu forgen — fie betrach⸗ 
ten folch eine Perſon mit eiferfüchtigem Hafſe und böswilligem Neide. Ach! 
fie wiffen nicht, wie rafch die Zeit dahin eilt! Dehne deine Monate und 
Jahre aus, wie du willft, fie fliegen dahin wie Pfeile, und wenn deines 
Gatten Lebendfraft erfchöpft ift, dann fürwahr kann er Feine Kinver zeugen, 
und du, fein Weib, wirft die altbergebrachten Opfer zum Stillſtand gebracht, 
wirft ihn feiner Nachkommenfchaft beraubt baden — dann wird die Reue, obs 
ſchon in hundertfach verfchienener Weife an ven Tag gelegt, wirklich zu fpät 
kommen — fein fterblicher Leib wird fterben — fein DBermögen, welches ihr, 
Mann und Weib, zufammen zu halten gefucht Habt, wird nicht an feine Kin« 
der kommen, ſondern Vettern und Verwandte werben ſich darum fireiten; 
und du wirft nicht deinem Gatten allein, ſondern dir felbft Leid bereitet ha⸗ 
ben, denn wer fol für einen Sarg, wer für dein Brab forgen? wer fol 
bich begraben oder bir Opfer bringen? Ach! vein vermwaifeter Beift wirb 
Nächte in Thränen zubringen. Es ift traurig, daran zu denken.“ „%reilich, 
fährt der chinefifche Autor fort, „giebt es einige Weiber, vie ihre Eiferſucht 
beherrfchen und ihren Männern erlauben, Nebenfrauen zu nehmen, aber fte 
thun dies fo verbroffen, al& tränfen fle Effig oder nahmen Säuren zu ſich — 
fie fchlagen die Betty, indem fie auch beiläufig mit der Belinda zanfen; da ift 
fein Sriede im Innern bes Haufes. Aber ich bitte euch, ald Fluge und tugend⸗ 
hafte Weiber zu handeln. Habt ihr Feine Kinder, fo fuchet mit Offenheit und 
Ehrlichkeit eine Nebenfrau für euren Mann. Bringt fie ifin Kinder, fo wer⸗ 


510 Miscelln: 


den die Arterien und Adern feiner alten Linie ſich fortpflangen, feine Kiuder 
werben euch als Mutter ehren, und tröftet euch nicht das? Gebt nicht Raum 
der bösmwilligen Eiferfucht eines fchänblichen Weibes. Veranlaßt nicht eine 
Bitterfeit, vie ihr felbft zu verfchluden Habt.“ 

Bielweiberei. Gemöhnlich läßt fich aber vie Frau willig gefallen, 
dad ihr Mann eine beliebige Anzahl von Nebenfrauen, die er ernähren kann, 
ind Haus nimmt, da dieſe völlig unter ihrer Autorität fliehen, und fel&ft vie 
Kinder derfelben ver erften Brau mehr Achtung zollen, als der eigenen Butter. 
Die Ehinefen erläutern alle häuslichen Beziehungen durch Bilder, und fo 
pflegen fie zu fagen, daß, wie ver Mann tie Sonne und die Frau der Mond ſei, 
fo die übrigen Frauen die Planeten und Sterne des häuslichen Firmaments 
vorftellten. Man bat übrigens mit Recht vie Bemerkung gemadht, daß, ob⸗ 
fhon die Ehinefen in der That finnlich genannt werven müſſen, fich bei ihnen 
feine Vergdttlihung der gröberen Sinnenlüfte, wie in der Mythologie des 
Alterthums oder in vielen Blaubendlehren des Orients findet. Erzählungen 
von den LKiebfchaften ihrer Goͤtter und Helden finden fih nur felten in ihren 
biftorifchen Büchern und überlieferten Legenden. Die Kleivung, ſorie das 
Benehnen der Frauen in Ehina ift durchgehends einfach und anftänvig, umt 
man muß fagen, daß ihre forialen Einrichtungen im Ganzen der Vermehrung 
des menfchlichen Geſchlechts günftig find. Die Eltern find gewöhnlich zärtlich 
beforgt um ihre Kinder und ſtolz auf fie; ebenfo find die Kinder ihren El⸗ 
tern gehorſam. Ordnung ift das erfte Geſetz des Confucius — Autorität 
und Unterwerfung die Spige und Baſis der forialen Pyramide. 

Das Gefühl, daß Schande mit dem Erlöjchen des Geſchlechts verbunden 
fei, beichräntt fich keineswegs allein auf die bevorrechteten Klaffen in China. 
Eine unferer Dienftboten, dem Namen nach Chriftin, brüdte den dringenten 
Wunfch aus, ihr Mann möge in ihrer Abweſenheit eine andere Frau nehmen, 
und fchien ganz erflaunt, daß Jemand gegen ein ſolches Verhaͤltniß nur Ei⸗⸗ 
fprache erheben ſollte. 

Ehe. Die Verbeiratfung der Kinder ift eine der großen Familienange⸗ 
Iegenbeiten. Kaum ift in den höheren Klafien ein Kind geboren, fo mir 
fhon die Frage feiner Eünftigen Bermählung häufiger Gegenfland ver Unter 
Haltung. Es giebt eine zahlreiche Klaffe von Cheftiftern von Profeijlon, beres 
Geſchaͤft es iſt, Die vorläufigen Einleitungen zu treffen, vie Brage über die Birgit 
abzumachen, Differenzen auszugleichen und die Kür und Gegen in Bezug auf 
etwaige Verbindungen vorzubringen. Da ed in China feine erblichen Ehren 
giebt — ausgenommen die, welche von dem berühmten Sohne rüdmärts anf 
den Vater, Großvater und bie ganze Reihe der Ahnen, welche durch den lite⸗ 
rarijchen oder kriegeriſchen Ruhm eines Nachkommen geadelt werben, über 
sehen, — fo find Kaftenunterfchiede etwas Unbefanntes, und ein berühmter 
Gelehrter felbft von der niebrigften Herkunft gilt als eine gute Partie für dei 
veichfte und vornehmſte Mädchen. Die firengen Geſehe, welche Heirathen im 





Sigungsbericht der Berliner geograpbifchen Geſellſchaft. 511 


nerbalb beflimmter Verwandtſchaftgrade verbieten, bewirken, daß bie Kinder 
zahlreich und gefund find; man geht in dieſer Beziehung fogar fo weit, daß 
ein Mann und eine Frau, die beide den Bamiliennamen Sing führen, fich ges 
fegiich nicht Heirathen dürfen, doch beſtehen feine Verbote in Bezug auf eine 
Heirath mit der Schmefter eines verftorbenen Weibes. 

Soldaten und Dratrofen wird fein Hinderniß in den Weg gelegt, ſich zu 
verheirathen. Ich vermutbe, daß in Kolge der zahlreichen Auswanderung und 
der größeren Zahl von Maͤnnern, die durch verfchiebene Zufälle ihr Leben 
verlieren, ein großes Mißverhältniß zwiſchen den beiden Geſchlechtern befteht, 
welches natürlich genug vie Mißachtung des weiblichen Geſchlechts zur Folge 
Haben würde, aber genaue ftatiftifche Angaben fehlen hierfür, wie faft für alles 
andere. 

Der Zahlenunterfchied zwifchen Verheiratheten und Unverbeiratheten ift 
außerordentlich gering. Heirathen zu beförbern, ſcheint Jedermanns Sache zu 
fein. Berfprechen und Berlöbniffe nehmen natürlich genug die Aufmerkſam⸗ 
feit der jungen Leute in Anfpruch, aber nicht weniger auch die der Bejahr- 
teren und Alten. Gine Heirath iſt das größte Ereigniß im Leben des Man- 
ned, wie ver Frau, und erfolgt in China mit mehr vorgängigen Unterhand⸗ 
lungen, Förmlichkeiten im allmähligen Bortgange verfelben, Brieffchreiben, 
Befuchen, Protokollen und Gontracten, als in irgend einem anderen Theile 
der Welt.“ 


Situng der Berliner Gefellichaft für Erdkunde. 


(Die Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde im Monat Auguſt iſt aus- 
gefullen.) 


Sigung am 8. September 1855. 


Herr Walter legte zuvorderſt eine Karte der Telegraphen Linien Eng» 
lands vor, worauf Herr v. Olfers vier Farbenſkizzen des bekannten und 
gegenwärtig in Berlin anwefenden amerifanifchen Neifenden Gern Gatlin, 
welche gotteöpienftliche Scenen des Indianerſtammes der Mandans (Faſanen⸗ 
Indianer) darftellten, zur Unficht übergab und viefelben mit erflärenden Bes 
merfungen Begleitete. Herr Schulg Iegte ven von ihm herausgegebenen me⸗ 
Dicinifch»Tlimatologifchen Monatäbericht für Berlin, December 1846 — Juni 
1847 (7 Hefte), vweögleichen feine Tabellen über den täglidden Gang ber 
meteorologifchen Inftrumente in Mom vor und hielt, auf dieſe Schriften fich 
beziehend, einen Vortrag über nmieteorologifche und Elimatifche Derhältniffe, 
ſorie über die Methode, welche in Anwendung fommen müffe, um dieſe Ver⸗ 


512 Sigungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 


haͤltniſſe fur die Medicin brauchbar zu machen. Eine vorgelegte graphiſche 
Darſtellung diente zur Erläuterung des Vortrages. Kerr Polsberw hielt dann 
einen Vortrag über die Statiſtik der Völker des Alterthums, mit beſonderer 
MRüdficht auf dad Werk von Moreau de Jonnès „Statistique des peuples 
de l’Antiquite®. Ein Vortrag des Herrn Wolfers über Ebbe und Ylurh, 
mit Rüdjicht auf einige und nahe liegende Orte, beichloß die Sigung. Für 
die Bibliothek der Geſellſchaft waren folgende Gefchenfe eingegangen: 1) Zeit- 
fchrift für allgemeine Erdkunde, Herausgegeben von Dr. 3. E. Gumpredit. 
Br. V, Heft 2. Berlin 1855. Geſchenk des Verleger Herrn D. Reimer. 
2) Alfabet Fonetique Europeen par Potonie. Paris 1855. Zugelantt 
von dem Verfaſſer. 3) Karte von Norbamerifa von Mitchell. Amſterdam. 
6 Bl. Gefchenf des Dr. Karl Maßmann in Ofterburg. 


Situng der Berliner Gefellihaft für Erdkunde 
am 13. October 1855. 


Nachven der Borfitenve, Herr Ritter, der Gefellfchaft mit einigen ein- 
leitenden Worten die erfreuliche Mittheilung gemacht Batte, daß der berühmt 
afrifanifche Meifende Gere Barth unvermuthet in Berlin angefommen fe um 
an der Sigung der Gefellfchaft Theil nehmen werde, erfchien viefer ſelbſt, 
wobei er von der Verſammlung burch einmüthige Erhebung begrüßt wurde. 
Der Borfigende geleitete ihn auf feinen Ehrenplatz, und als ex ihn, ber von 
der Vorfehung fo wunderbar erhalten mar, noch einmal im Namen der Ge 
ſellſchaft bewillkommt und daran die fchon früher in dieſer Zeitjchrift (Br. II, 
©. 50) mitgetheilte Bemerkung gefnüpft Hatte, daß der Graf v. Schlieffen 
zu EI Obeyd in Kordofan einen braunen Wanderer gefprochen Babe, welcher 
dem Heifenvden in Baghermi begegnet war, hielt Herr Barth eine Anfprade 
an die Geſellſchaft, worin er mit einem Bli auf die materiellen Verhältniſſe 
der Erpebition feine Verpflichtungen gegen die Gejellfchaft hervorhob und tie 
Erpebition gegen unbegrünbete Vorwürfe vertheidigte. Als geographiſche 
Hauptergebniffe feiner Meile bezeichnete er: 1) vie Aufklärung des wahre 
Charakters der Wuſte Sahara; 2) die Feſtſtellung ver Lage und Auspehnung 
der Menbifgruppe; 3) den Nachweis, day der öſtliche Quellfluß des Kowars 
vom Tſadſee unabhängig fei und den natürlichen Handelsweg in das Innere 
Afrika's bilde; 4) die Erforfchung des Flußſyſtems von Baghermi und Ada⸗ 
maua und 5) die Feſtſtellung des Nigerlaufes zwifchen Soloto und Tim⸗ 
buftu. Außerdem deutete der Vortragenvde auf die ethnographiſchen Mejultar 


der Reife Bin, welche ven geographifchen zum Wenigften nicht nachſtänden. 


Als Erläuterung zu dem fo eben Mitgetheilten Iegte Herr Ritter die Aui- 








Sigungsbericht ver Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 518 


nahme des DBenus (biöher Tfap) vor, melde vom Juli bis November 1854 
durch Dr. Baikie, Befehlshaber des englifchen Dampffchiffes Plejade, bewirkt 
und fürzlich nach dem englifchen Original in einem großen Garton von Dr. 
A. Betermann zufammengeftellt worden war. Herr Heifing hielt hierauf 
einen Vortrag, worin er vornehmlich Keicharbr'3 merkwürbige Meife nach Port 
Eſſington fchilderte. Herr Dove legte dann eine photographifche Anſicht einer 
Melieflarte von Frankreich von Sanis und außerdem mehrere von Babinet 
(Paris 1855) herausgegebene Karten vor, welche des letztgenannten Ver⸗ 
faſſers neue Projectionsmethode, die er die bomolographifche nennt, und welche 
die Fehler ver bisher üblichen Projectionsarten verkleinern fol, varftellen. 
Weiter befprach verfelbe ven zweiten Theil von E. Hallmann’3 Werk über 
bie Temperaturverhältniffe der Quellen, und indem er darauf hinwies, daß 
die Pflanzen nicht allein von der Temperatur der Luft, ſondern weſentlich 
auch vom Boden und von der Bodentemperatur abhängig wären, gab er noch 
eine gebrängte Ueberficht von neu erfchienenen Schriften, die zur Aufklärung 
der meteorologifchen Berhältniife einiger Länder beitragen. Das Annuaire 
der meteorologifchen Geſellſchaft von Paris, das nicht allein vie Temperatur 
verhältniffe Frankreichs, fondern auch die ver Colonien, insbefondere Alges 
rind und Guiana's mittheilt, wurde Hierbei vorzüglich Hervorgehoben. Ende 
lich befchrieb der Vortragenve einige auf der gegenwärtigen Barifer Ausftellung 
beobachtete und für die geographifche Wiffenfchaft bedeutungsvolle Merkwür⸗ 
digkeiten und vermeilte beſonders bei einer finnreichen Vorrichtung, wodurch 
die fortpauernde Beobachtung der Drehung der Erde aus den Schwinguns 
gem des Penbels möglich wird. Am Schluffe der Situng richtete Herr Die- 
terici der Aeltere im Auftrage des Vorfigenden noch einmal dad Wort an 
Harn Barth und, indem er ven Wunfch ausfprach, daß verjelbe recht bald 
wieder Berlin zu feinen Wohnftt ermählen und ſich in vemfelben heimiſch 
fühlen möge, gab er der Stimmung aller Anmefenden durch ein breimaligeö 
Hoch auf den Gefeierten einen entfprechenden Ausbrud, wobei er von ber 
ganzen Verſammlung Träftig unterflüßt wurde. — Eingegangen waren für 
die Geſellſchaft: 1) Die Büfte Leichardts. Geſchenk des Herrn Jules Ver⸗ 
reaux, Chefs der zoologifchen Anftalt in Paris, an die Königliche Regierung 
und Durch des Herrn Minifterd v. Raumer Ercellenz der geographifchen Ges 
fehfchaft überwiefen. 2) Die Hellenen im Skythenlande. Ein Beitrag zur 
alten Geographie, Ethnographie und Handelögefchichte. Won Dr. Karl Neu⸗ 
mann. Bd. I. Mit 2 Karten. Berlin 1855. 3) Educacion comun en el 
estado de Buenog- Aires por D. F. Sarmiento. Santiago de Chile 1855. 
4) Catecismo geogräfico-politico e historico de la Repüblica Oriental 
del Uruguay por D. Juan Manoel de la Sota. Montevideo 1855. (Bei« 
des Geſchenke des General» Confuld Herrn v. Guͤlich). 5) Mittheilungen 
über wichtige neue GErforfchungen auf dem Gefammtgebiete der Geographie 
von Dr. U. Petermann. in 1855. Heft V u. VI. Geſcheat des Ver⸗ 
Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 


514 Sigungäbericht ver Berliner geographiichen Geſellſchaft. 


legers Hrn. 3. Bertbes in Gotha). 6) Jahrbuch des naturhiftorifchen Landes⸗ 
mufeums in Kärnten. Herausgegeben von J. N. Sanaval. Mit 2 lich. Taf. 
3. Jahrgang. Klagenfurt 1854. 7) Memoria historica sobre los Dere- 
ehos de Soberania y Dominio de la Confederacion Argentina por D. 
Pedro de Angelis. Buenos-Aires 1852. 8) Noticia biogräfica de Mr. 
Bonpland por Mr. de Angelis. Buenos-Aires 1855. 9) De ia Navi 
gation de l’Amazone par Mr. de Angelis. Montevideo 1854. 10) Pro- 
yecto de Constitution para la Bepüblica Argentina. Por Pedro de An- 
gelis. Buenos-Aires 1852. 11) De la Conducts de los Agentes de la 
Francia durante el bloqueo del Rio de la Plata, por el Observador 
imparcial. Buenos-Aires 1839. 12) Ein lithographirtes Portrait bes 
Reiſenden Bonpland. (Nr. 7— 12 find GBefchenke des Herrn be Angelis in 
Montevideo.) 13) Carta geogräfica del Estado Oriental del Uruguay y 
Posesiones adyacentes. Paris 1841. (Geſchenk des Herrn Bonpland.) 
14) The Journal of the Royal Geographical Society of London. Vol 2. 
P.1I, U, III. London 1840. 15) Bulletin de la Societe de Geographie. 
IVme Serie. T. IX, Paris 1855. 








Ueberficht der vom Juli bis zum November 1855 auf dem 
Gebiete der Geographie erfchienenen Werke, Auffäbe, Karten 
und Bläne. 


Geographiſche und ſtatiſtiſche Beitfchriften. 


Bee für allgemeine Erdkunde ꝛc. herausgegeben von Dr. T. C. Gumprecht. 
V. Heft 1—6. Berlin (O. Reimer) 1855. gr. 8. (2 Thlr.) 

Dittbeflungen aus J. Perthes’ geographifcher Anftalt über wichtige neue Erforſchun⸗ 
gen auf dem Geſammtgebiete der Geographie, von Dr. U. Betermann. Gotha 
(Perthes) 1855. Heft IV—X. 4. (a 4 Thle.) 

Notizblatt des Vereins für Erdkunde und” verwandte Mifienfchaften zu Darmſtadt. 
Nr. 1—20. October 1854 — Juli 1855. Mit 6 lithogr. Tafeln. Darmſtadt 
(Fongbans) 1855. 8. 

Bulletin de la Societ€ de Geograpbie etc. IV”* Ser. T. IX. Juin. T. X. Juillet. 
Aoüt. Paris 1855. 8, 

Nouvelles Annales des Voyages. VI=* Ser. 1855. III. Juillet — Octobre. Paris. 8. 

Das Ausland. Eine Wochenichrift ac. 28. Jahrg. 1855. Stuttgart (Gotta). 4. 

Archiv für winenf@antiße Kunde von Rußland. Herausgegeben von U. Erman. Br. 
XIV. Heft 8. 4. Berlin (G. Reimer) 1855. 8. 

Revue de V’Orient, de PAlgerie et des Colonies. AIll=* Annde. III” Ser. 1855. 
Jum — Septembre. Paris. gr. 

Atlantifche Studien: Br. VI Heft 3. *. VI Heft 1. 2. 18856. 

Tijdschrift voor Nederlandsch Indi&. Uitgeg. door W. R. van Ho&vell. 1855. Junij 
— Öctober. Zalt-Bommel. gr. 8. 

The —*— of * Indian Archipelago and Eastern Asia. March — June 1854. 


Jahrbude ir  Bolfewirthfchaft und Suhl Herausgegeben von D. Hübner. 4. 
Jahrg. Leipzig 1856. gr. 8. (2T 
Mittbeitun en des flatiftifchen Burean's 8 Berlin, Gerandgegeben von Dieterict. 
8. Jahrg. Nr. 1— 19. Berlin (Mittler) 1855. 

Bet des ſtatiſtiſchen Bureau's des Königl. (ächfifen Miniſteriums des Sunern. 
Redig. von Ernft Engel. 1. Jahrg. 1. Quartal Leipzig 1855. 48 ©. 4. 
Statiſtiſche Mitteilungen ne dem Königreich Sachen, herausgegeben vom flatiftifchen 

Bureau des Minifteriums des Innern. Lief. 4: Die Spark en in ver Seit von 
1845—53. (Dresden) Leipzig (Hübner) 1855. Imp. ” (2 Th 
mindunnoen ans dem Gebiete der Statiſtik. 4. Jahrg. 1. u. 2. Pig Wien 1866. 


Boekh CR ), Allgemeine Ueberficht der Beröffentlichungen aus ber abeninikrativen 
Statiſtik der verfchievenen Staaten. — Zeitſchr. f. allgem. Erbfande. V. 1855. 
©. 368. 456. 

Taſchenbuch für Handel und Schiffahrt für dns Jahr 1855. Hamburg (Gaßmann) 
1855. 12. (3 Thlr.) 

Swart (J.), Verhandelingen en Berigten beirekkelijk het Zeewesen en de Zee- 
vartkunde. Nieuwe volgorde. 1855. N. 1. 2. 


Geographiſche Kiteratur und Woͤrterbuͤcher. 


Schmidt (G.), Bibliotheca historico-geographica. 9. Jahrg. 1885. 1. Hälfte. Goͤt⸗ 
tingen (Bandenhoe u. Ruprecht) 1855. 8. (6 
Soffmann (W.), Sncyelopädie der Erd⸗, Voͤlker⸗ und Staatenkunde. ef. 6— 11. 
Leipzig (Arnold) 1855. 4. (à 4 Egr.) 
33 * 





516 W. Koner: 


Johnston (A.K.), Dictionary of Geography, descriptive, physical, statistical and 
historical. 2d edit. London (Longman) 1855. 1360 S. 8. (36 Sh.) 

Carta (G. B.), Dizionario geografico universale tratto dalle opere piü accreditar 
e recenti di geografia insigni. Dispensa 1—4. Mantova 1855. 8. 

Castro (Vinc. de), Gran dizionario geografico, politico, statistico, storieo, unilitare 
e commerciale dell’ Europa etc. Dispensa 1—19. Milano (Centenari) 1855. 

Holland (8.4), Eifenbahn Lexikon für Mittel- Europa. Friedrichehafen (Hocheſ) 
1855. 12. (21 Ger.) 


Geographiſche Lehr⸗ und Handbüder. 


Biernatzki (8), Die Länder und Dölfer der Erbe. Stutigart (Schmidt u. Epring) 
1856. gr. 8. (3 Thlr.) 

Brachelli (U. F.), Gli stati d’Europa brevimente descritti in via statistica. Ver- 
sione dal tedesco da C. Tacchetti. Nuova ediz. Brünn (Bufchef u. Iergang) 
1855. 8. (3 Thlr. 24 Sgr.) 

Erich 8 8 „adfaben für den geographifchen Unterricht. 2. Aufl. Halle (Herdeſ) 
1885. 8. r. 

Grube (A. W.), Besgraphifihe Charakterbilder in abgerunbeten Gemälden aus ber 
Länder: und Völkerkunde. 4. u. 2. Theil. 6. Aufl. Leipzig (Branbftetier) 1855. 
8.24 Par F nt: GCharakterbilder deutfchen Landes und Lebens. 2. Aktr. 

end. 8. (1% Ihlr. 

Kleinftäuber (Ch.), Leitfaden zu dem Unterrichte in der Geographie, für lateiniſche 
Schulen bearb. 5. Aufl. Wien (Manz) 1855. 8. (194 Ser.) 

Nievergeit (R.), Leitfanen der Geographie für Sefundarſchulen. Frauenfeld (Ber: 

Inge: Gompi.) 1855. gr. 8. (4 Thle.) 

Büp (W.), Leitfaden bei dem Unterrichte in ber vergleichenden Grobefchreibung für 
die unteren und mittleren Klafien höherer Lehranftalten. Freiburg tm Br. (Her 
der) 1855. 8. (9 Ser.) 

v. Roon (9), Grundzüge der Erd⸗, Voͤlker⸗ und Gtaatenfunve. 3. Abtheil: Poli⸗ 
tifche Oeographie. L 3. Aufl. Auch u. d. Tit.: Darftellung der allgemeinen Ber: 
hältniffe und Grfcheinungen der Bölferkunde. 3. Aufl. Berlin (Duxder u. Gum: 
blot) 1855. gr. 8. (2 Thlr.) 

Schacht (Th.), Lehrbuch ver Geographie alter und mener Zeit. 6. Auflage. Mainz 
(Kunze) 1855. 8. (23 Thle.) 

Schneider (R.%.R.), Handbuch der Erdbeſchreibung und Staatenfunde. 39. — 42. 
Lief. Slogan (Flemming) 1855. 1. Bd. gr. 8. (& 5 Sgr.) 

Steinhaus (A.), Lehrbuch der Geographie für Handels: und Realfchulen. 1. Thl: 
Mathematifehe „ phyſiſche und topifche Geographie. Leipzig (Hinriche) 1855. 8. 


(3 THlr.) 

Bölter (Dan), Lehrbuch der Geographie. TI. befonberer Theil. 2. verm. wm. verb 
Anfl. 4. u. 5. Lief. Eßlingen (Weycharbt) 1855. gr. 8. (A 4 Thlr.) 

Bimmermann (DB. %. 9.), Der Erbball und feine Naturwunder. 29. — 32. Lief. 
Berlin (Hempel) 1855. gr. 8. (à 4 Thle.) 

— — 3. Aufl. 13. — 16. Lief. Ebend. — 4. Aufl. 1.— 13. Lief. Ebend. 

Bigland (J.), System of Geography, for the use of schools and private students. 
14th edit. by Will. Birkin. London (Mozley) 1855. 144 S. 12. (2S.6d.) 

Cassel’s Home and School Geography and Atlas; comprising 90 engravings and 
15 maps. New edition. London (Kent) 1855. 88 $. 8. (2S.6.d.) 

Pillans (3), First steps in physical and classical geography of the ancient world. 
Edinburgh (Longman) 1855. 12. (1 S.6.d.) 

Stewart (A.), A compendium of modern geography etc. with the geograpkhy of 
Palestine, and outlines of mathematical geography etc. 13th edit. Edimburgh 
(Simpkin) 1855. 444 8. 18. (3S.6.d.) - 

Malte-Brun, Geographie universelle, entitrement refondue et mise au courant 
de la science; par M. Th. Lavallee. T. I. Paris (Furne) 1855, gr. 8. (5 Fr.) 














Neu erfhienene geographifche Werke, Auffäge, Karten und Pläne 517 


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Handelds Geographie. Nantif. 


Kutiner (A.), Kleine Sanbeisgeographie, nebft einem kurzen Abriſſe ver Pflanzens 
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Flint (J.), Geography of roductions and manufactures, with appendices.. Lon- 
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Loͤher, Handelövälfer der Gegenwart. — Ausland. 1855. Nr. 26 f. 

Ueber die Handelswege des Allerthums nach dem emropälfchen Norden. — Ausland. 
1855. Nr. 31. 

Description generale des phares et fanauz, et des principales remarques existant sur 
le Hitoral maritime du globe, & l’usage des navigateurs. 12=* edition. Paris 
1855. 12. 

Le Gras (A.), Manuel de la navigation dans la mer Adriatique, d'après Marieni, 
Beautemps-Beaupre etc. Paris (Ledoyen) 1855. 8. (12 Fr.) 


Phnfikalifhe Geographie. 


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r 

Malerifches Univerfum, oder Reifen um die Welt. Bo. 1. Lief. 1— 12. Bd. II. Lief. 
1. Berlin (Abelsporff). qu. 4. (a 4 Thlr.) 

Löher (F.), Land . — in der alten und nenen Welt. 2.2. Böltingen (Wis 


8 ud) 1855. 8. (14 Thlr.) 
Die Welikunde in eine lanmähig geordneten Rundſchau der wichtigften neueren Land⸗ 





518 W. Koner: 


und Seereifen. Heransgegeben von J. Heinzelmanu. 15.2». Reiſebilder uns 
St J ‚aus dem europäifchen Rußland und Polen. Leipzig (Bleifcher) 1855. 8. 
(15 

— — — 8 Bd. Reife in den mittleren und noördlichen Feſtländern Aſiens, in Ja⸗ 
pan und in den Sandwichs⸗Inſeln. Ebend. 1855. 8. (141 Thlr.) 

Laͤnder⸗ und Volkerkunde. Eine Sammlung von Reiſebeſchreibungen and der neneſten 
Seit. 1.—4.Bb. A. u. d. T.: Die weſtliche Welt. Beifen in den Bereinigten 
Staaten. Nah U. Madey. te bearbeitet von O. 2. 9. 4 Dre. Leipzig 
(G. Wigand) 1855. 16. (2 Thlr.) 

Chamier, My Travels; or an unsentimental journey through France, Switzerland, 

and Italy. London (Hurst & B.) 1855. 880 S. 8. (31 S.6.d.) 

Vollſtaͤndiges Reiſebuch über Göln durch ganz sten uch Parie. 2 Dre. Gölz 
(Tonger) 1855. Gart. in Butteral. 8. ($ Thlr. 

Blanchard (Ph. ) Itineraire historique et deseri Er de Paris à Constantinople, con- 
tenant les environs de cette dernitre ville. Paris (Hachette) 1855. 12. (73 Fr.) 

de Bois-Robert (J. D.), Nil et Danube, Souvenirs d’un touriste. -Egypte, Tur- 
quie, Crimee, Provinces danubiennes. Paris (Courcier) 1855. 8. (7 Fr.) 

Trogber (9.), Briefe während einer Reife duch Iſtrien, Dalmatien, Albanien, 
Süd: Italien 2c. Trieſt (Schimpff) 1865. 8. (1 Thlr.) 

Sägelken (D.), Land- und Seebilver aus der Gegenwart. 2 Theile. Oldenburg 
(Stallin 20) 1856. 12. (% Thlr.) 

v. Gallot 9 ), Der Orient und Europa. Crinnerungen und Reiſebilder von Laud 
uud Meer. 7. Ihl. Leipzig (Kollmann) 1855. gr. 8. (1 Thlr. 

Mann (M.), Podröz na Wschöd. T. IH. (Reife nad dem Orient.) Kraköw 
1855. 366 S. 8. 

Kennard (A. S.), Eastern esperiences collected during a winter’s tour in Egypt 
and the Holy Land. London (Longman) 1856. 434 8. 8. (103 S.) 

Yvan, De France en Chine. Paris 1855. 16. (2 Fr.) 

Abott (J.), Narrative of a journey from Herat to Khiva, Moscow amd St. Pe- 
tersburg, during the late Russian invasıon of Khiva; with some account of the 
court of Khiva and the kingdom of Khaurism. 24 edit. London (Madden) 
1855. 2 vols. 750 S. 8. (21 S.) 

Chouvet (J. A. M.), Voyage à la Nouvelle-Ze&lande et retour en France par 
Pile Sainte-Hälöne. 2 vols. Avignon (Sesuin aine) 1855. 8. Necenfirt im ben 
Nouv. Annal. d. Voy. 18585. ı. 

Heine (W.), Wanderffigen auf einer Baht von New⸗NYork nah) Japan. — Al 
gem. Zeitung. 1855. Beil 

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Europa. 
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Reichard (Ch. G.) Bermanien unter ven Römern. Rene Ausg. Nürnberg 
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Schwaab (W.), Das Seuiige Dehiegelanb in phyſikaliſcher Beziehung. Gaffel (Lux 
harbt) 1855. gr. 8. (4 3 

Kutzen (3.), Das deutſche Far Seine Natur in ihren charakterifiifhen Zügen um 
Fr un auf Geſchichte umd Leben ver Wenfchen. Breslau (Hirt) 1855. 8. 
1 

Janne (Ad.), Itineraire descriptif et historique de l’Alleruagne. 1° et II“ Partie. 
Avec cartes et plans. Paris (Hachette) 1855. 8. NAugezeigt von Malte-Ban 
in den Nouv. Annal. d. Voy. 1855. III. p. 359. 

Murray’s Handbook for travellers in Northern Germany; being a guide 10 Wür- 
208. puæi- Austria, Tyrol etc. 7th edit. London (Murray) 1855. 5795. 








Neu erfchienene geograpbifche Werke, Aufſaͤtze, Karten und Pläne 519 


Murray’s Handbook for travellers on the Continent. Holland, Belgium, Prussia, 
Northern Germany etc. London (Murray) 1855. 572 S. 12. (9 S.) 
Original» Anfichten ber I ißortfeh en Städte in Deutfchland. Darmſtadt 
(Lange). Nr. 232 —239. gr. 4. (a 3 Thlr.) 

Müller (W.), Das Rheinbuch. —8 Geſchichte, Sage, Volksleben. 1.— 
16. Lief. Leipzig (Muquardt's Verlagsexped.) 1854. 55. gr.8. (à 6 Sgr.) 
Der Rhein und die Rheinlande, dargeftellt in malerifchen ——— 3. Ab⸗ 

theil. Nr. 14— 19. Darmſtadt (Lange). Ler. 8. (& 4 Thlr.) 
Söriee je .), Maleriſches Rhein- Album. 2. Lief. Bonn (Map). Imp. Kol. (14 


Le Rhin et ses bords depuis les Alpes jusqu’& Mayence etc., accompagndes d’un 
texte par J. W. Appell. Trad. par Le Bellay-Hertzog. No. 1 et 2. Darm: 
ſtadt (Lange). ker. 8. (& 8 Ser.) 

Bradshaw’s Illustrated handbook for travellers on the Rhine and tlırough por- 
en of Rhenish Prussia; with maps, London (Adams) 1855. 160 S. 12. 
58 

The Rhine and the Rhine-lands. Part. I. With text, gäited by Gaspey. Nr. 1 
and 2. Darmfladt (Lange) 1865. er. 8. (& 4 Thlr. 

Meißner (EC. ie ber Elbe von Anffig bie Kiel Meißen (Goͤdſche) 1855. 
gr. 8. 

Album —— DonausAnfihten. Trieſt (Direct. d. oͤſtertr. Lloyd) 1855. qu. Fol. 


(4 Thlr.) 
Proͤhle (H.), Harzbilder. Sitten und Gebraͤnche aus dem Harzgebirge. Leipzig 
(Brodhaus) 1855. 8. (4 Thlr.) 
Hübner (D.), Dentſche Auswanderung im Jahre 1854. — Jahrb. f. Volkswirthſch. 
u. Statiftif. IV. 1856. ©. 289. 
Die dent Answanderung über frembe Seehäfen. — Minerva. 1855. Bd. 255. 


« 208. 
Biered (5.), Die dentſchen Gifenbahnen 1834— 1854. — Jahrb. f. Volkewirthſch. 
Statiftif. IV. 1856. ©. 206. 
Hübner (D.), Schifffahrt deutfcher Fluſſe. — Ebend. IV. 1856. ©. 268. 
—, Deutſchlands Seeſchifffahrt und Rhederei im Jahre 1854. — Ebend. ©. 249. 


Die einzelnen Staaten Deutſchlands. 


Fr atß —8* Der preußiſche Staat. Handbuch der Statiſtik, Verfaſſung und 81 
vun Preußens. 11. u. 12. Heft. Quedlinburg (Bafle) 1855. 8. (& 4 The.) 

ueber vie eribeilung des Grundes und Bodens im preußiichen Staate nach der Bes 
nutzungsart der Bodenfläche; insbefondere über die Größe der Waldflaͤche im 
preußischen Staate. — Mittheil. d. ſtatiſt. Burean’s in Berlin. 1855. Nr. 9. 

Das Königreich Preußen in malerifchen Originals Anfihten. Nr. 72 — 77. Darm: 
Habt (Lange). 2er. 8. (a 4 The.) 

Berghaus (H.), Beographifehshikerifg ſtatiſtiſches Eanbbuch der Provinz Branden- 
burg. 12. Heft. Brandenburg (Müller) 1855. 4. (4 Thlr.) 

Neberficht des Bevölferunge - Zuflandes der Haupt⸗ und Refidenglabt Berlin am 30. 
Suni 1855. — Mittheil. d. Ratift. Bureau's in Berlin. 1855. ©. 287. 

Bütblein, Topographifche Ueberfiät des a us nenie Frank⸗ 
furt a. O. Frankfurt a. O. (Hameder n. Co.) 1856. 8. (4 Thlr.) 

Köhler (3.9. E.), Bilder ans ber ObersLaufip, als ein Beitrag zur Baterlande- 
kunde. Bauben (Reichel) 1855. 8. (1 Thlr.) 

Säienert, Der Wanderer durch das Eulen: Gebirge. Breslau (Aland) 1855. 16. 


(3 
ear ding nA ), Eine Bifenbahnfahrt durch Weftfalen. Leipzig (Brocdhans) 1855. 8. 
Wanderungen durch Weſtphalen. — Allgem. Zeitung. 1855. Beilage Nr. 217 — 44. 


Münfter und feine nächften Umgebungen in malerifigen Original: Anfichten von 3. %. 
Lange. 2. Aufl. Münfter (Regensberg). Lex. 8. (14 Thlr.) 


520 W. Koner: 


Hein (9), Hans Bürgel das römifche Burungum nach Lage, Namen uub Alier⸗ 
thümern. Pr (Bunde) 1855. 8. (} Thlr.) 

Panorama der Mofel von Trier bis. Goblenz. Zn (Braun) 1855. Fol. in 16. Car⸗ 
ton. (4 Thlr.; mit Plan von Trier 8 Ser.) 

deder R. Das Mofelthal von —5 Coblenz. Leipzig (Brockhaus) 1855. 


—— — berät des Bremifchen Handels im Jahre 1854. Bremen (Strach 

0 

Tabellarifche —58 des Hamburger Handels im Jahre 1854. Hamburg (Nolte u. 
Köhler). (24 Sgr.) 


Boenide (8. A.), Album der Sälöfer und — im Koͤnigreiche Sachſen 
— 33. Heft. Leipzig 1855. qu. Fol. 41T 
Sonn. Zwei Tage im Thüringer Walde. — Deiner Sonntags: Blatt. 1858. 


r. 4 
gie (fl Wi, Bo felife »geographifgge eine vom Herzogtum Coburg. — Pe 
termann’s Mittheilungen. VI. 
—, ee im —— 3 triſch beſtimmt. Gotha (Perthes) 
Obbarins (8. blt holſtabt. fein Fidtnnabel-Damyfbab und feine Umgebungen. 
Rudolftabt (Leipzig, D. Wigand) 1855. 16. (4 Thlr.) 


& u 2 De Der ze a, Bad Homburg unb feine Umgebungen. Gomburg 

Schick (L.), Guide to Homburg and its environs for visitors and residents. Trans- 
lat. by F. Steinhäuser. Homburg (Schi) 1855. 8. (18 Sgr.) 

Frankfurt am Main und feine Umgebung. Ein Kührer für Fremde. Frankfurt a. N. 
(Bömel) 1855. 8. (4 Ser.) 

Dügel, ee des Groffeggtfume Heflen nach ber neuen Krei 

). — Notizblatt d. Ber. f. Erdkunde zu Darmſtadt. 1855. ©. 17. 

Bubioig 277 ), Verſuch einer geographiſchen Darftellung von Heflen in ber Zertiär- 

zeit. Darmſtadt (Jonghaus) 1855. gr. 8. (4 Thlr.) (Abgedruckt aus dem Ro: 
tizblatt d. Ver. f. Erdkunde zu Darmflabt. 1855. ©. 96. 105. 113.) 

Bagner (G. W. I), Die Wüflungen im Oroßherzogthum Heſſen, Provinz Ober⸗ 
eſſen. Darmſtadt (Jonghaus) 1855. 

Zunahme der Bevölferung einiger Stäbte bes Großherzogthums Heſſen feit Anfang 
biefee Jahrhunderts. — Notizblatt des Vereins f. Exbfunde zu Darmflabt. 1855. 


Ueber * Bendlferung bei Bro Großfergogtums Hefien nach ber Zählung im Decem: 
2. — Ebend 5. 
Weise and, Beichreibung bes atbiiterbonne u Mimpfen im Großherzogth. Heſen 
Heilbronn (Schenrlen) 1855. 16. (4 Thlr.) 


Beſchreibung des Königreichs Württemberg. 34. Heft: Oberamt Herrenberg. Gteil 
gart (dallberger) 1855. gr. 8. (1 Thle. 6 Ser.) 


v. Hermann (F. B. W.), Beiträge zur Statiſtik des Rönigreiche Bayern. VI.: Bich 
fand. München (Lit. art. Anftalt) 1855. Bol. (4 Thle. 

Souvenirs de Baviere. — Bibliothtque univ. de Gentre. 1855. XXX 

Erinnerungen an das bayerſche Hochlaud. Ausflug in's Allgäu. Dinden (Bean) 
1855. 2er. 8. (14 Thle.) 

Bergbeicfe eng | dem bayerfihen Hochlande. — Allgem. Seitung. 1855. Beilage. Re. 


Seifert — Lindau und feine Umgebungen. Lindau (Stettaer) 1855. gr. 16. 








Neu erfchienene gengrapbifche Werke, Auffäge, Karten und Pläne. 521 


Ungewitter (%. H.), Die oͤſterreichiſche Monarchie, iſch, ſtatiſtiſch, topo⸗ 
ar und biftorifch dargeſtellt. 1 ” . Lief. rn a, ne 1856. 


v. vruflier Die Kronlaͤnder von Oeſterreich. Gin geographiſcher Verſuch. Lief. 
1—4. Wien (Grund) 1855. 8. 

v. Riedwald (M.), Allgemeine Geographie u Statiſtik des Kaiſerthums Oeſter⸗ 
reich. Leipzig ——2 1856. 8. (3 Thl zn 

SHochſtetter (8.), Aus dem Böhmerwald. — — — em. Beit. 1855. Beil. Nr. 175 ff. 

Koriſtka (8), Bericht über einige im mittleren Mähren ausgeführte Höhenmeffuns 
gen — Jahrb. d. k. k. geolog. Reihsanftalt. VI. 1855. ©. 7 

Vienne illusiree, ou nouveau et complet guide des &trangers ä — et ses envi- 
rons. 2me edit, Wien (Wenebift) 1856. 16. (12 Ser.) 

v. Braune (F. A. A.), Ibl und deſſen Umgebungen. 2. Aufl. Salzburg (Mayr) 
1855. X u. 152 ©. 1 

Weidmann (#. E.), Panorama des Semmerings. Nach der Rah gezeichnet von 
I. Benkert. Wien (Tendler un. Co.) 1855. 16 ©. u. Taf. 8. 

Die Ortfchaften, Gewäfler und Gebirgshöhen, welche vom St. Bebharbsberge aus 
gefehen werben, mit beigefügten Eurzen gegraphihen, ſtatiſtiſchen und gefchicht- 
lihen Rotizen. Bregenz (Teutfch) 1855. 

Trinkhauſer Ne ), Terogrsnh s biftorifch = —32 — Zezr buns ber Dioͤceſe 
Brixen. Bd. I. Heft 1-9. Brixen (Weger) 18585. 

Lipold (M. FR Höhenbeftimmungen im norböftlichen Per — Jahrb. d. k. k. 
geolog, Reichsanftalt. VI. 1855. ©. 142. 

Hipinger, Zur Frage über die Alteften Demohner ber inneroͤſterreichiſchen Länder. 
— Mittheil. des bie. Bereins für Krain. 1855. Mai. 

Kreil (8), Magnetiſche und geograpbifche Ortsbefimmungen an ben Küflen des 
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Album malerifcher Anfichten ans Dalmatien und feinen Nachbarländern. Trieft (Dis 
rect. d. öfterreich. Lloyd) 1855. qu. Fol. (23 Thlr.) 

KRoruhnber, Barometrifche Höhenmeflungen und Beobachtungen über die Quellen» 
Temperatur im Preßburger Gebirge. — 5. Jahresprogr. der öffentl. Oberreal⸗ 
fihnle ver K. Freiſtadt Preßburg. 1855. 


Die Schweiz. 


Säweizerführe. Reiſetaſchenbuch. Mit befonderer Berüdfihtigung der Hanptfläbte, 
18. (eur) und des Alpenlandes. St. Ballen (Scheitlin u. Bollitofer) 1855. 
16. (24 Ser.) 
Neuer ei ger Wegweiſer für Reiſende in die Schweiz. 3. Auflage. (GStieben’s 
Reife, Bist othek Nr. 5.) Berlin (Th. Grieben) 1855. 8. (4 Thlr.) 
Stampa (@: B.), Rimembranze della Svizzera. Milano (Salvi & Co.) 18655. 
100 S. 8. 


Heathman (W.G.), Switzerland in 1854-55; a book of travel, men and things. 
London H e) — 415 8. 8. (12 8. 6.d.) 

Betermann (2), Ueber die Gletſcher⸗Welt im Wllgemeinen und die Gletſcher des 

MontsBlance im Befonvern. Nach Prof. 3. D. Forbes und Anden. — Bes 
termann’s Mittheilungen. VII. VIII. 1855. E. 173. 


Frankreich. 


Malte-Brun (V. A.), La France illustree. Géographie, histoire, administration 
et statistigue. 2 vol. Paris (Barba) 1855. 8. Aulas de la France illustree etc. 
par A. H Dufour. (42 Fr.) 

B radshaw’ s illustrated traveller’s handbook in France etc., with itinerary of Cor- 
sica, and guide to Paris. New edit. London (Adams) 1855. 402 S. 16. (5 S.) 

de Goure (Conr.), Voyage agricole dans l’interieur de la France. Paris (Bou- 

5 1866 


522 W. Koner: 


Reifebriefe aus der Bretagne. — Ausland. 1855. Mr. 97 fi. 

Jollivet (B.), Les Cötes-du-Nord. Histoire et geographie de toutes les villes et 
communes du departement. T.I. II. Guingamp 1855. 8. (10 Fr.) 

Taine (H.), Voyage aux eaux des Pyrenees. Paris (Hachette) 1855. 18. Are 
65 Vignettes. (84 Fr.) 

Berty (A.), Etude historique et topographique sur les deus Pres aux Clercs ei 
la petite Seine. — Rev. arch£ol. 1855. p. 381. 

Illuſtririer Parifer Führer. Ein vollfländiges Gemälde ver Seineſtadt und ihrer Um- 
gebungen. 2. Aufl. Leipzig (Weber) 1855. 8. (15 Thlr.) 

Bertinchamp (G. J.), Guide to Paris, with directions to English travellers etc. 
London (Whittaker) 1855. 8. (1 S.) 

Paris and its environs. With a map; (Bogue’s guides for travellers). London 
1855. 330 S. 18. (3 S. 6. d.) 

Galignani’s New Paris Guide for 1855; revised and verified etc. London 
(Simpkin) 1855. 648 S. 12. (7 S.6.d.) 

Stanford’s New guide to Paris and the Paris exhibition. London (Stanford) 
1855. 220 S. 12. (2S.6.d.) 


Die Niederlande. 


Muller (P.N.), Overzigt van Nederlands handel en scheepvaart in 1854. — De 
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1855. Octobre. 


Das britifhe Neid. 


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don, Parker) 1855. 8. (7 S.6.d.) 

Massy (R. T.), Analytical Ethnology: 'The mixed tribes in Great Britain and Ire- 
länd examined, and the political, physical and metaphysical blunderings on the 
Celt and the Saxons exposed. London 1855. 230 $. 12. (5 S.) 

Hand Place-Book of the United Kingdom; containing references of daily use to 
upwards of fifteen thousand localities in Great Britain and Ireland, and geae- 
ral statistical tables. London (Blackie) 1855. 560 S. 8. (24 S.) 

Lewis (S.), The book of English Rivers; an account of the Rivers of 
and Wales, particularising their respective courses etc. London (Longman) 
1855. 44 S. 8. (8S.6.d.) 

Adams, Descriptive guide to the watering-places of England, and companiom to 
the coast. New edit. London (Adams) 1853. 278 S. 12. (2 S.) 

Black’s Tourist’s guide to Devonshire and Cornwall, including the Sally Islands 
With map. Edinburgh (Longman) 1855. 105 S. 12. (1 $.) 

— Tourist’s guide to the picturesque scenery of Derbyshire, including Matdock 
Bath etc. Edinburgh (Longman) 1855. 106 S. 12. (1 S.) 

— Tourist’s guide to Derbyshire, its towns, watering-places, dales and rmmansioms; 
with map of the county and plan of Chatsworth. Edinburgh (Longman) 1855. 
106 S. 12. (1S.6.d.) 

— Tourist’s guide to Hampshire and Dorsetshire, including descriptions of tke Isle 
of Wight, Winchester, Southampton, Weymouth, and every other place of 
interest in Fr counties; with maps. Edinburgh (Longman) 1855. 120 S. 
12. (15. 6 d. 

— Tourist's guide to Hampshire, including descriptions on the Isle of Wight, 
NER Sgryhampton etc. With map-, Edinburgh (Longman) 1855. 
114 S. 12. (1S. 

Grainge (W.), The castles and abbeys of Yorkshire; a historical and descriptsve 
account of the most celebrated ruines in the county. London (Whittaker) 
1855. 382 S. 8. (10 S.6.d.) 











Neu erfchienene geographifche Werke, Aufläke, Karten und Pläne 528 


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Brannon (P.), The illustrated historical and picturesque guide to Bournem. 
London (Longman) 1855. 55 8. 12. (1S.6d.) 

White (W.), A Londoner’s walk to the Land’s End; and a trip to the Scilly 
Isles. London (Chapman & H.) 1855. 364 S. 8. (9 S.) 

A guide 10 Jersey; with some account of its goverument etc., enumeration of its 
natural curiosities etc. With illastr. Jersey (Piper) 1855. 102 S. (2 S.6.d.) 

Hicks (J.), Wanderings by the Lochs and Streams of Assynt and the North 
— of Scotland. With ıllastr. London (Blackwood) 1855. 280 8. 12. 
3$.6.d. 

The French Settlers in Ireland. No. 3 —5. — The Ulster Journal of Archaco- 
logia. 1855. 

Doyle (J. B.), Tours in Ulster; a handbook to the antiquities and scenery of the 
North of —8 With numerous illustrations. Dublin (Simpkin) 1855. 420 8. 
12. (88. 6.d. 


Dänemark. 


Die dänifchen Inſeln. Landſchafts⸗ und Sittenbilder. — Ausland. 1855. Nr. 23 f. 
L’Islande et les iles Feroe. — L’Athenacum Frangais. 1855. No. 47. 
Bilder ans Schleswig⸗Holſtein. — Morgenblati. 1855. Nr. 40. 43. 


Schweden und Norwegen. 


Newland (H.), Forest scenes in Norway and Sweden: Extracts from the jour- 
nal of a Fisherman. 2d edit. London (Routledge) 1855. 422 S. 8. (5 $.) 
Forester (T.), Rambles ın Norway among the Fjelds and Fjords of the Central 
and Western Districts.. London (Longman) 1855. 296 S. 12. (2S.6.d.) 


“ 


Rußland. 


Beiträge zur Kenniniß des ruſſiſchen Reiche. Herausgegeben von K. E. v. Baer und 
Gr. v. Helmerfen. 9. Bochn. 2. Abthl.: Kurzer Bericht über wifienfchaftliche Ars 
beiten und Reifen, welche zur näheren Kenntniß des ruſſiſchen Meiches im ber 
legten Zeit andgeführt find. Herausgegeben von 8. E. v. Baer. Gt. Peters⸗ 
burg 18855. 2er. 8. (1 Thlr. 3 Sgr.) 

9. Köppen (B.), Ueber die Bewohner fremder Gonfeffionen in Rußland im Jahre 
1853. — Bullet. de la Classe hist.-phil. de l’Acad, de St. Petersbourg. T. XII. 
1855. No. 14. 

Struve (O.), Positions geographiques determinees en 1848 par le lieutenant-co- 
lonel Su) dans le gourernement de Novgorod. St. Petersbourg 1855. Imp. 
4. (+ Thlr. 

—, Positions géographiques determinees en 1847 par le lieutenant-colonel Lemm 
dans le pays des Cosaques du Don. St. Petersburg 1855. Imp. Fol. (4 Thlr.) 

Bilder aus Nordrußland. — Allgem. Zeitung. 1855. Beil. Nr. 259 — 66. 

Beflarabien. — Ausland. 1855. Nr. 36 f. 

Altmann (3.), Die Bolgaren- Golonieen in Beſſarabien. — Zeitſchr. f. allgem. Erd⸗ 
funbe. V. 1855. ©. 301. 

Reife » Erinnerungen von den Ufern der Wolga. — Ausland. 1855. Rr. 31 ff. 

Neumann (8.), Die Hellenen im Skythenlande. Gin Beitrag zur alten Geographie, 
—z und Handelsgeſchichte. J. Bd. Berlin (G. Reimer) 1855. gr. 8. 

23 Thlr. 

Baff (C.), tude g&ographique sur la Crimee. — Revue de l’Academie de Tou- 
ouse. 1855. Septembre. 

Koch (C. W.), The Crimea; with a visit to Odessa. London (Routledge) 1858. 
192 S. 8. (1S.) 

— — — New edit. 191 S. (18.) 


524 W. Koner: 


La Chersontse taurique. — Revue Britannique. 1855. Septembre. 

De Ros, Journal of a tour in the Principalities, Crimea, and countries adjacent 
to the Black Sea, in the years 1835 — 36. London (Parker & Son) 1855. 
1645. 8. (45. 6d.) 

v. Srimm (9. Th.), Wanderungen nad Südoſten. 1. Theil: Die Tauriſche Halb: 
infel. Berlin (A. Dunder) 1855. 8. (1 Ihlr.) 

de Demidoff (A.), Travels in Southern Russia and the Crimea, through Hun- 
gary, Wallachia and Moldavia, during the year 1837. 2d edit. London (Mi 
chell) 1855. 700 8. 8. (18 S.) 

Seymour (H. D.), Russia on the Black Sea and Sea of Azof; being a narrative 
of travels in ıhe Crimea and bordering provinces; with notes of the naval, 

military and commercial ressources of those countries. London (Murray) 1855. 

386 S. 8. (12 S.) 

Das aſow'ſche Meer, feine Küften und GHafenpläbe. — Ausland. 1855. Nr. 28 ff. 

v. Koͤppen (P.), Zahl und Vertheilung ber Deutſchen im Königreich Boler. — 
Bullet. de la Classe hist.-phil de l’Acad. de St. Petersbourg. T. XTl. 1855. 
No. 15. 16. 


Spanien und Portugal 


Murray’s Handbook for travellers in Spain. 3d edit. London (Murray) 1855. 
2 vols. 996 S. 8. (30 S.) 

Hammer: Purgftall, Ueber die arabifche Geographie von Spanien. (Aus vem 
Jahrg. 1854 der Sikungsber. der Akad. d. Wiſſ. abgebr.) Wien (Braumäller) 
1855. 64 ©. E 8. (10 Sgr.) 

Sadländer (F. W.), Sin Winter in Spanien. Stuttgart (Krabbe) 1855. 2 Dre. 
gr. 8. (2 Thlr. 12 Gyr.) 

Murra ” Handbook for travellers in Portugal. London (Murray) 1855. 250 S. 
12. (7S.6.d. 

Genhert, Ein Paar Wandertage in Portugal. — Bremer Sonntageblatt. 1855. 

. 34. 


Stalien. 


Dizionario corografıco-universale dell’ Italia sistematicamente suddiviso secondo 
V’attuale partizione politice etc. pubblicato da Civelli G. e C. di Mlılmo. 
127 2ieff. Milano. 8. 

Förster (E.), Manuel du voyageur en Italie. 5=* edit. Münden (Liter. » artif. 
Anftalt) 1855. 8. (3 Thlr. 18 Gr.) 

Forbes (J. D.), Tour of Mont Blanc and of Monte Rosa; being a personal nar- 
rative, abridged from the author’s »Travels in the Alps of Saroy.« Edinburgh 
(Longman) 1855. 360 S. 12. (6 S.) 

Carrel, Les Alpes pennines dans un jour, ou Panorama bortal de la Becca de 
Nona, depuis le Mont Blanc jusqu’au Mont Rose. Aoste 1855. 12. 

Burnier (F.) et Plantamour (E.), Nivellement du Grand Saint- Bernard. — 
Bibl. univ. de Gentve. 1855. XXX. p. 97. 

Wald müller, Ueber ven Mont Cenis. — Bremer Gonntagsblatt. 1855. Nr. 40. 

Baines Q w Fo to the Vaudois of Piedmont. London (Longman) 1865. 
120 S. (1 S. 

Noel (Bapt.) et Roussel (N.), Vaudois et vallees du Pi&mont visit&s en 1854. 
Paris (Grassart) 1855. 18. 

Waldmüller, Dur Savoyen. — Bremer Sonntagsblatt. 1855. Nr. 39. 

Pirola (L. G.), Guida statistica della provincia di Milano. Milano 1855. 528 S. 8 

Fabi (M.), Dizionario geografico storico statistico di tutte le provincie, distretti, 
comuni e frazioni della Lombardia. Milano 1855. XXIV u. 572S. 8. 

Bon Florenz nah Rom. Siena. Bolſena. Viterbo. Roͤmiſche Campagna. — Ass 
land. 1855. Nr. 36. 








Neu erfchienene geographifche Werke, Auffähe, Karten und Pläne 525 


Herbſttage in Rom. — Ausland. 1855. Nr. 37 ff. Zu 

Ein Spaziergang in die römifche Campagna. — Deutſches Mufeum. 1855. Nr. 38. 

Gin Ausfinug an den Liris ins Bebiet der alten Bolster. — Ausland. 1855. Nr. 31 f. 

Schayes, Recherches sur la population de la Sicile ancienne. — Bull. de PAca- 
mie roy. d. Sciences de Belgique. T. XXII. 1855. p. 170. 


Türkei und Griechenland. 


Perrot (9. M.), Wegweiſer durch die europälfche Türkei und die Donau - Fürftens 
thümer. Aus dem Yranzöf. Riga (v. VBötticher) 1855. 8. (18 Ger.) 

Jonve (E.), Nah dem Orient! Reife im Gefolge der allüirten Armee nach ver 
Türkei, Walachei und Krim. 9. d. Franzöf. von ©. F. Jenſſen-Tuſch. 1. und 
2. Heft. Gotha (Scheube) 1855. 8. (18 Ser.) 

Eine Reife durch die unteren Donauländer. Im December 1854. — Allgem. Zeitung. 
1855. Beil. Nr. 252 — 65. 

de Massol, Souvenirs de POrient. — Rev. de l’Orient. III Ser. 1855. II. 

.115. 

Hönocque - Melleville (E. N.), Six mois en Valachie (1854 — 55). Moeurs, 
coutumes des principaut&s. La Grèce. Influence de la Russie en Orient. Com- 
pitgne 1855. 8. at Fr.) 

Trenery (G.), The city of the Crescent, with pictures of Harem Life; or, the 
Turcs in 1854. 2 vols. London (Skeet) 1855. 8. (21 S.) 

Vreto (M.), Population de l’Epire. — L’Athenaeum Frangais. 1855. p- 889. 
Schiller (8), Stämme und Elanten Griechenlands nach ihren Territorialverhälts 
nifien bis Alerander. 1. Abfchn. Erlangen (Blaͤſtug) 1855. 4. (1 Thle.) 
Pococke (E.), India in Greece; or 'Thruth in Mythology: containing the sour- 
ces of the Hellenic race, the colonisation of Egypt and Palestine; the wars of 
ihe Grand Lama, and the Bud’histic Propaganda in Greece, 2d edit. London 

(Griffin) 1855. 496 S. 8. (5 S.) 

Beule, Etudes sur le P&lopontse. Paris (Firmin Didot) 1855. 8. Recenſirt in 

den Nouv. Annal. d. Voy. 1855. IIl. p. 296. 


Alten. 
Das afiatifge Rußland (Sibirien, die Kaulafus- Länder). 


Saint-Ren& Taillandier, La Siberie au XIX" giècle. — Rev. d. deux mon- 
des. 1855. Aoüt et Septembre. 

Hill (ES. ©), Reife in Sibirien. A. d. Engl. von 2. Th. Fort. 3 Bde. Leipzig 
(Wigand) 1855. 16. (14 Thlr.) Bildet ven 5.— 7. Band der Länders und 
Bölferkunde. 

Die Seilmellen Trausbaikaliens. — Archiv f. wifienfchaftl. Kunde Rußlands. 1858. 

. 972 


Bogorodskjt, Das Land Giſiga (Gibirien). — Ebend. 1855. S. 333, 

v. Baer (A), Kaspifche Studien. — Bullet. de PAcad. de St. Petersbourg. Cl. 
phys.-mathem. 1855. N. 313 ff. 

La mer d’Aral d’aprts les documents russes. — Nouv. Annal. d. Voyages. 18585. 
Il. p. 96. 

v. Harthanfen (A), Transkaukafia. Beifeerinnerungen und gefammelte Notizen. 
1. Thl. Leipzig (Brockhaus) 1856. gr. 8. (24 Thlr.) 

Dunkel Welling, Sitten und Charakter der Gurier. — Arch. f. wiſſenſchaftl. Kunde 
Nußlande. 1855. ©. 421. 


Das Hinefifhe Rei. Japan. 
Hu Ze The Chinese Empire. 2d edit. London (Longman) 1855. 895 S. 8. 


526 W. Koner: 


Huc @) Das Suche Reich. Deutfche Ausgabe. 1. Thl. Leipzig (DyE) 1856. 


Taylor (m A visit to India, China, and Japan, in the year 1853. London 
(Low) 1855. 539 S. 8. (7S.6d.) 

Diernapfi ( (8, a Der Dangtiz’ Kiang. — Zeitſchr. f. allgem. Erkunde. V. 
1855. 

Extension den — de empire de Russie jusqu’ä embouchure de l’Amour. 
— Nouv. Annal. d. Voyag. 1855. III. p. 366. 

Gumprent, Die uenefien ruffigen Grmer ungen im Amürlande. — Zeitfe. f. 
allgem. Erbfunde. V. 1855. 

Schreiben des 8. Bropbritsnnitgen "Benrrals Gonfuls Sir Ei „wein an Herm 
I. Klentz. Bucht von Pecheli. — Ebend. V. 1858. 

Hildreth (R.), Japan as it was and is. Boston 1855. “: 

Gumpreät, dad ie legte große Grobeben in Japan. — Beitfchr. f. allg. &rbinzte. 

1855 11. 


Die afiatifhe Türkei. 


Skizzen aus Kleinafien. — Ausland. 1855. Nr. 24 fi. 

Die Erpbebens Verheerungen in Brufie. Bon einem Mugenzeugen. — Allgem. Zeitz. 
1855. Beil. Nr. 161 — 67. 

Langlois, Voyage en Cilicie. Mopsueste. — Revue archeol. 1855. p. 410. 

Spratz On Halı lıcamassus. — Trans. of the Roy. Society of Lit. Ser. V. 

1. 

Une visite Eau monuments de Rhodes. — L’Athenaeum Frangais. 1855. No. 43. 

Vaux (W. S. ER, Nineveh and Persepolis etc. 4th edit. London (Hall) 1855. 
630 $. 8. 

Ritter (C.), Die Erdkunde im Verhältniß zur Natur und Ey r Geſchichte des Dles- 
fen. 17. Thl. 2. Abthl. 2. Aufl. Au u. d. Titel: Die Erdkuude von After. 
8. B._2. Abthl Die Sinais Halbinfel, Palaͤſtina und en 3. Abſchu. Sy: 
rien. Schluß. Berlin (&. Reimer) 1855. gr. 8. (44 Th 

Guys (H), Voyage en Syrie, peinture des moeurs ee eranes, chretiennes et 
isradlites. Paris (Rouvier) 1855. (5 Fr.) 

Notes in Syria. — Putnam’s Montbiy. 1855. p. 493. 

La la Palesune. (Fortſetzung.) — Revue de l’Orient. II S£r. 1855. II 


Experienees in Mont Lebanon. — Putnam’s Monthly. 1855. p. 306. 

v. Kremer (A), Topographie von Damaskus. — Deukſchr. d. 8. Akad. v. Bil. 
Bhilof. hiſtor. Ri. Bo. VI. 1855. 

Serben (U. 3.), Reifen durch Syrien, PBaläftina, Bhöuicien ıc. Herausgegeben ven 

. Krufe. Bd. III. Berlin (G. Reimer) 1855. 8. (24 Thlr.) 

Strauß (F. A.), Sinai und Golgatha. Reife in das Morgenland. 6. Aufl. Berlin 
(Sonas’fhe Verlagsbuchh.) 1856. 8. (14 Thlr.) 

Enault (L.), La Terre Sainte. Voyage des 2 Pderins en 1853. Pars 
(Maison). Resenfit von MaltesBrun in ben Nouv. Annal. d. Voy. Vim Sir. 
1855. IV. p. 6 

Dfeiffer (Spa), Beife einer Wienerin in das heilige Land. 4. Aufl. 2 Bde. Win 
(Dirnböd) 1856. 8. (1 Thlr.) 

König 9 ), en Geſchildert für Schule und Gans. Leipzig ( Buandfetter) 

5. y Ir 

Sun (@. ®.), Be in das gelobte Land im Jahre 1851. 3. Aufl. Duisburg 
(Rieten) 1855. 8. (14 Thle) 

Bäßler (F.), Das * han und die angrenzenden Landfchaften. 2. Aufl. Leipzig 
(Sebenftreit) 855. 8. (4 Thlr.) 

Roberts (D.), Sketches in the Holy Land, Syria, Idumea, 


t, and 
as. 2) the liihographs by Louis Haghe. Part. 1. den (Day) 1658 1855. 














Neu erfchienene geographifche Werke, Aufſaͤtze, Karten und Pläne. 527 


Bernas (I. M.), Album des Heiligen Landes. Mit Tert von ©. 6. v. Schubert m. 
J. Roth. Stuttgart (Steinfopf) 1855. qu. 4. (7 Thlr.) 

Allen (W.), The Dead Sea, a new route to India; with other fragments and 
gleanings in the East. 2 vols. London (Longman) 1855. 774 S. 8. (25 S.) 

Kenrick (J.), Phoenicia. With maps and illustrative plates. London (Fellowes) 
1855. 4925. 8. (16S.) 


Arabien. 


Burton (R. F.), Personal narrative of a pilgrimage to EI Medinah and Meccah. 
Vols. I. II. London (Longman) 1855. 836 S. 8. (28 8.) Recenfirt im Du- 
blin Review. Oct, 1855. p. 76. ' 

Lautonr, Reifes und Ortsverzeichniß der Pilgerkarawane von Damasfıs nach Mella. 
— Ausland. 1855. Nr. 28. | 


Perſien. 


Abich, Sur les derniers tremblements de terre dans la Perse septentrionale et 
dans le Caucase, ainsi que sur des eaux et des gaz s’y trouvant en rapport 
avec ces phenomtnes. — Ballet. de ’Acad. de St. Petersbourg. Cl. phys.- 
math&m. 1855. N. 316 £. 


Indien. 


Sirinagour, capitale de Kachemir. — Nouv. Anpnal. des Voyages. VP Ser. 1855. 
IV. p. 101 


Neumann, Die Nachbarländer des anglotndifchen Neiches. — Ausland. 1855. Nr. 
23. 28 


Valentijn (Fr.), Oud en Nieuw Ost-Indiön, met aantekeningen, volledige in- 
houdsregisters, chronologische lijsten, enz. Uit te geven door S. Keyzer. Gra- 
venhage (H. C. Susan) 1855. iste aflev. 8. 

Graul (8.), Ueber die Volksſtaͤmme, Religion und gefellichaftlichen Zuftände im bris 
tifchen Indien. Die Malabarküfle. — Ausland. 1855. Nr. 42. 44 f. 

Schlagintweit (A.), Himalaya — Nepaul — Kumaon. Lettre à M. le colonel 
Sykes. Trad. de l’anglais. — Nourv. Annal. d. Voy. 1855. III. p. 247. 

Nachrichten über die wifienfchaftliche Reife der Gebrüder Schlagintweit I Indien. — 
Beitfchr. f. allgem. Erdkunde. V. 1855. ©. 148. 258. 

Die Srforfhung des Himalaya durch die Gebrüder Schlagintweit. — Petermann’s 
Mittheilungen. V. 1855. ©. 142. 

Becker, Beſuch der Kelfentempel von Ajenta Dohltabad oder Dohltabad Irula (BI: 
lora). — Nusland. 1855. Nr. 24 f. 30 ff. 

The Opening of the Ganges Canal. — North American Review. No. CLXIX. 
1855. p. 521. 

Baker (S.\W). Eight year’s Wanderings in Ceylon. London (Longman) 1858. 
422 S. 8. (15 S.) 

J.a province d’Assam dans l’Inde anglaise. — Nouv. Annal. d. Voyag. VI=* Ser. 
1855. IV. p. 97. 

Mermet, La station de Landour dans PInde anglaise. — ibid. 1855. III. p. 368. 

Die Santals, ihre Sitten und einige ihrer befonders merkwürdigen Gebräuche. — 
Betermann’s Mitiheilungen. IX. 1855. ©. 269. 

Political 4nd commercial considerations relative to the Malayan Peninsula and the 
British Settlements in the Strait of Malacca. — Journ. of the Indian Archip. 
1855. p. 134. 266. 

Notices of Singapore. — ibid. 1854. p. 97. 


Die Infeln des indifhen Archipelagus. 
Sieh zeper 2 the Eastern Archipelago Company. London (Rigway) 1855. 8. 


528 W. Koner: 


Geographie en Cartographie van Nederlandsch Oost-Indie. — Allgem. Konst- en 
Letterbode. 1855. N. 33 £. 
Bender ans einer Reife von Batavia nah Macao. — Unsland. 1855. Rr. 
7 


Journal kept on board a Cruiser in the Indian Archipelago in 1846. — Journ. 
of the Indian Archip. 1854. p. 175. 

Logan, Ethnology of the Indo-Pacific-Islands. — ibid. 1854. p. 200. 

Journal of an excursion to the Native Provinces on Java in the year 1828 during 
the war with Dipo Negoro. — ibid. 1854. p. 158. 

Junghuhn (8), Iavas Album. Leipzig (Arnoldi) 1855. ge. Fol. (4 Thlr.) 

Een voorbild van de bescherming der inlandsche bevolking op Java, onder het 
tegenwoordige stelse. — Tijdschr. voor Nederl. Indi2. 1855. IL p. 76. 

de Seijff (R. F.), Togt naar den vulkaan Bator, op het eiland Bali. — Natuur- 
kund. Tijdschr. voor Nederlandsch Indie. N. Ser. V. 1855. 

De vrije arbeid en het soekoe-bestuur op Sumatra’s Westkust. — Tijdschr. voor 
Nederl. Indie. 1855. II. p. 91. 

Herinneringen eener reis van Sberabaja naar Ambon. — ibid. 1855. I. p. 341. 

Bijdrage to de kenmis der residentie Madioen — ibid. 1855. IL p. 1. 

Een togt door het rıjk Mempawa. — ibid. 1855. IH. p. 65. 

Herinneringen van de Zuid-westereilanden, uit het dagboek van en zendeling. — 
ibid. 1855. II. p. 18. 

De nieuwe organisatie van den waterstaat in Oost-Indi& en de stroomleider aan 
de monding der Solo-rivier. — ibid. 1855. II. p. 260. 

Een paar uren to Bima en een paar dagen to Makassar. — ibid. 1855. IT. p.236. 

de la Gironitre (P.), Aventures d’un gentülhomme Breton aux iles Philippines, 
avec un apergu sur la geologie et la nature du sol de ces iles etc. Parıs 
(Comptoir d. Editeurs-Unis, quai Malaqnais 13) 1855. 460 S. 8. Recenſirt 
in ven Nouv. Annal. d. Voy. 1855. III. p. 202. 

Het eıland Flores. — Tijdschr. voor Nederl. Indie. 1855. II. p. 153. 

Timor. — ibid. 1855. II. p. 185. 


Afrika. 


Marcotte de Quivitres, Deux ans en Afrique, avec une introduction par ke 

bibliophile Jacob. Paris 1855. 16. (1 Fr.) 

Pretot, Meconnaissance de Yisthme et du canal de Sulz le general en chef 
Bonaparte au 1798 et 1799. — Spectateur milit. II=* Ser. XI. 1855. p. 91. 

. 384. 

Malte-Brun (V.A.), Canalisation de l’isthme de Suts. — Nouv. Annal de 
Voy. 1855. III. p. 257. 

Expos6 de M. Ferd. de Lesseps, avec carte. — ibid. 1855. III. p. 268. 

Lesseps (F. de), Percement de l’isthme de Sutz. Expos€ et documents ofhock. 
Paris (Plon) 1855. 8. (3 Fr.) 

Lesseps (F. de), The Isthmus of Suez question. 3d edit. London (Longman) 
1855. 223 8. 8. (5 S.) 

Ueber bie Darhfejung ber Landenge von Sue. — Allgenı. Beitung. 1855. Beilage 


r. 224 ff. 
Die Hanbelsgeichichte des rothen Meeres in Bezug auf das Problem einer Darch⸗ 
hedung ber Landenge von Suez. — Deutiche Bierteljahres- Schrift. 1855. 
r. 71. 
Thompson (J. P.), Photographic views of Egypt, past and present. Glagow 
(Biackwood) 1885. 318578. (15.6d.) * F 
Poitevin (E.), Recherches sur la ville tienne d’Avaris et sur l’&tymaologie da 
nom de Typhon. — Revue arch£eol. 1855. Aot. 
de Vogüe, Fortifications de Semneh en Nubie. — Bull. arch£ol. de 1’Aıkenacur 
Frangais. 1855. No. 9. 








Neu erfchienene geographifche Werke, Auffäge, Karten und Bläne. 529 
Zur bin felifcjen Geographie Abeffiniens. — Petermann's Mitteilungen. VI. 1855. 


Malte-Brun, Les explorations de Brun-Rollet au Nil-Blanc. — Nouv. Annal. 
d. Voy. 1855. III. p. 150. 

Ginige Worte über die neneften wifjenfchaftlichen Erpebitionen nad dem Nilthale. — 
Jahrb. f. Wiffenfch. u. Kunft. IV. Heft 1. 18585. 

Brun-Rollet, Notes sur l’&tat present de Sennär, sur son avenir et son influence 


sur l’avenir de l’Egypte. — Bull. de la Soc. de Géogr. IV=® Ser. IX. 1855- 
p- 362. 

—, Nil Blanc. Recenfirt von Malte-Brun in den Nouv. Annal. d. Voy. 1855. III. 
349 


d’Escayrac de Lauture, Memoire sur le Soudan. — Bullet. de la Soc. de 
Ge£ogr. IV®* Ser. X. 1855. p. 89. 

Observations relatives à l’esquisse d’une partie du Soudan. — ibid. IV Ser. X. 
1855. p. 185. 

Duval a), Tableau de l’Algerie. Manuel descriptif et statistique de l’Algerie. 
Paris 1855. 500 $. 18. (34 Fr.) 

Golay, Setif. — Revue de !’Orient. IIIwe Ser. 1855. II. p. 90. 

Dinome, Quelques additions au coup d’oeil sur les informations obtenues depuis 
la fin du- XVIII”® sitcle au sujet de l’iinterieur de l’Afrique Septentrionale, 
compar&es avec les decouvertes faites jusqu’ä ce jour dans la m&me region. — 
Nouv. Annal. d. Voy. VI" Ser. 1855. IV. p. 32. 

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530 W. Koner: 


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8. (21S. 

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t. 

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Ross (A.), The Fur-hunters of the Far West: a narrative of adventures in the 
—— Rocky Mountains. London (Smith &. E.) 1855. 2 vols. 660 S. 


Neu erfchienene geagrapbifche Werke, Auffäpe, Karten und Pläne 531 


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Aus dem Wanderbuche eines Naturforfchers in Gentralamerita. — Allgem. Zeitung. 
1855. Beilage Nr. 308 — 314. 

Scherzer (C.), Ein Befuch bei den Ruinen von Ontrigus im Staate Guatemala. 
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1 


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London (Low) 1855. 246 S. 8. (4S.6.d.) 

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34* 


532 MW. Koner: 


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Entwidelung des Berfchre auf dem ſtillen Ocean. — Ausland. 1855. Nr. 38. 39. 

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ra und Betrachtungen. Hamburg (Perthes, Beiler u. Manke) 1855. 8. 

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— —— — — 


Atlanten, Karten und Pläne. 


Carte murale pour l’enscignement de la cosmographie, où sont repräsentes ks 
rapports de la grandeur des planttes et du soleil. 2 feuilles. 

Jomard, Monuments de la geographie. No. 60 ä 63 provisoires. Carte du , 
par Mohammed-ebn-Aly-ebu-Ahmed-al-Charfy de Sfax, an 1009 de !'he- 
gire. 1° et 2° partie. Paris (Impr. lith. de Kaeppelin). 

Evans (H.S.), A map and a guide to all the emigration colonies of Great Bri- 
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— — — — — — 


Adami (E.), Schul⸗Atlas. Berlin (D. Reimer) 1855. qu. Fol. (14 Thlr.) 

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graphle. 4. u. 5. Lief. Leipzig (Henke). au. Fol. (3 6 Sgr.) 

Ewald (2.), Hands Atlas der allgemeinen Erdkunde, der Völfer: und Staatenfuntr 








Neu erfchienene geographifche Werke, Auffäge, Karten und Pläne, 533 
2. Ausgabe. 1. Hälfte. Darmfabt (Vauerhkeller's Prägeanfalt). Bol. Cart. 


( 

arte * 8 Zenit oöRaliiäe Atlas in 18 Blättern mit erläuterudem Terte. 
R — ‚Herausgegeben J von T. Bromme. Stuttgart (Krais u. Hoffmann) 1855. 

ol tt. (2 le.) 

Grapmann (R. 5 Schul⸗ bei Ar den erſten Unterricht im der Geographie. Stettin 
(Srasnann) 1855. Fol. (8 Eat. 

Gr (®. ) Neuer geographifcher Schul ⸗Atlas in 28 Karten. 2. Aufl. 2. Abdruck. 

rt (Schweizerbart) 1855. Bol. (2 Ehle. 12 Sr.) 

Fon (@.), woolitänsiger Schul⸗Atlas der neueften Erdiunde in.29 Karten. 11. 
Anl. Wolfenbüttel (Holle) 1855. qu. Bol. (F Thlk.) 

Schulwandatlas der neneften Eidlunde. Mr. 31. Herzogtum Braunſchweig. 4 Blätt. 
Wolfenbüttel (Holle). Imp. Fol. (1 Thle.) 

Kiepert (H.), Neuer Hanbatlas über alle Theile der Erbe. 2. Lieſ. 4 Karten. 
Berlin (D. Beine); 1 Thle. 18 Ser.) 

König (Th), Hiſtoriſch⸗ geographiſcher Sand» las zur alten, mittleren und neuen 
Geſchichie 4. Aufl. "Belfenbüttet (Holle) 1855. qu. Fol. (1} The.) 

Bomann —8— ) Schul-Wand-Karte von Europa in 16 Blättern. Berlin (Rein⸗ 





Bu 
» Shen ( er Squl-Aulas. Gotha (Verthes) 1855. 
— Sei. 13. Lief Auas anüquus. 2. Hufl. Gotha 
6) 
-, 55 m getzer Ans, Mitch, Amer 
und Auf En Nie) 1855. gr. Bol. (6 








" anf Selm. m. * ante za N 
Bindelmann (0.), Glementar- Atlas für den geogranhifchen Anteil in 20 Kar⸗ 
ten. 4. Aufl. Gplingen (Weychardt) 1855. qu. Bol. (26 Sgr.) 


Bean (C.), Comprehensive School Atlas of ancient and modern geography. With 
a consulting dictionary of 22,000 names of places, hy J. H. Johnson. Lon- 
don (Bean) 1855. 8. (115.64) 

Brewer (J. $.), An clementary Auas of history and geography, from the com- 
möncement of he Chrinian Era 10 the present me. London (Longmau). 
965. 8. (12} 5.) 

Gollin’s Shilling Adas of the world; containing 12 beautifully engraved quarto 
maps. London (Collins) 1855. 4. (1 5.) 

Ettling’s —5 room Atlas of Europe. 16 maps. London (Longman) 1865. 


Johnston (A. K.), National atlas of historical, commercial, and political geo- 
graphıy, with a complete index. New issue. Edinburgh (Stanford) 1855. 
El G 8, 8 S.). Lithographed edition, without plates and notes. (L. 4, 


Menke nn), Orbis antiqui descriptio for the use of schools. 2d edit. Gotha 
(Berthes) 1855. gr. 4. (14 Thle.) 

Murphy (W.), Historical and statstical School Atlas; consisting of ten may 
from the latest and best authorities. Edinburgh (Simpkin) 1855. 8. (1} 5. 

Philip’s Popular Atlas of the World, constructed from the most recent and best 
authorities, by J. H. Johnson. Liverpool 1855. Fol. (12 5. 6 d.) 


534 W. Koner: 


Primary Atlas of ancient and modern Geography, for the use of schools and pri- 
vate students; embracing the latest discoreries. Collected from tbe best au- 
thorities, as a companion to Orr’s »Circle of the Sciences“. Lundon (Howi- 

ston) 1825. 8. (2S.6 d) 


— 3. Autriche. La Habe (mn Langerhuys n freres) 1855. 

* Gius. ae ed incire l’aqua. an 18 DL. (88 fehlen noch BL. 1. 
.5. 9— 11. 13 

Cartes generales du bassin de la mer Noire et de la mer Baltique. 2 feuilles. 


Reymann (8. D.) und v. Desfelb a W), ——— Spezial⸗Karte vom 
zeutfelaub und deu augrengenben re) Neue Ausgabe. 117. — 132. Lief. 
ogan (Blemming) 1858. — —X 
(8. Be ee und fahre: ⸗Karte Gentrals Guropa’s. 
a 5 
Eiſenan von —* für das ZJehr 1856. Leipzig (Lit. Buream) 1855. 
ol gr 
Ueberfihtss Karte der Ciſenbahnen und der beventenderen Pofl: und Dambfſchiff⸗ 
Derbinbun en re — und den angrenzenden Ländern. Berlin (Dede) 
o 
Balneologiſche Karte —* 83 land und den an den Landestheilen. Berlin 
(Scherk) 1855. 0 Thir) iſch ee 
Böhm (8.), Plan von Berlin mit dem Weichbilve und der Umgegend bis Ghar: 
Iottenburg. Neue Aufl. Berlin (D. Reimer) 1855. In 4. Garton. (2 Tr.) 
Plan der ae Landsberg am der Warthe. Landsberg (Echäffer n. Go.) 1855. qm. 
Bachler (2), Statiſtiſch⸗techniſche Karte von Oberſchleſien zum hüttenmänniſchen 
Führer durch Oberfchlefien. Glogan (Flemming) 1855. Imp. Fol. (1 Thle.) 
Bonsdorff (Th), Specials Karte des Regiernugsbezirks Magreburg, der Anhalt’ 
ſchen Herzogthümer und ber angeenjenben Lanbesiheile. 2. Blatt. Wagbeburg 
(Kägelmann). Imp. Fol. (14 Th 
Büchel (I.), Karte des Rreifes — Trier (Gall) 1855. gr. Fol. (} Thkr.) 
—, Karte des Kreifes Ottweiler. Trier (Ball) 1855. gr. Fol. .) 
—, , Rarte des Kreifes St. Wendel. Trier (Gall) 1855. gr. Fol. I Thlr.) 
—, Karte des Kreifes Saarlouis. Trier (Gall) 1855. gr. Fol. .) 
Röw e ag ⸗ eo Ad ‚Broßgerjogtbämer Mediendburg. Neafreli ( Barme: 
i o 
Plan von Dresden. Berlin (Grieben). Fol. (2 Gar.) 
Ucberfichtsplan vom Innudationsgebiete ver Bewäfler bei und in der Umgegend von 
rag Leipzig (Siurihe) 1855. Imp. Fol. (14 Thlr.) 
Süßmilch-Hörnich (M.), Karte der Umgebung von Bab Eifer. Dresten 
(Adler u. ne —8 Fol. In 16. Carton. (6 Sgr.) 
Rof —* a & „gan reich Bayern. Neue Ausgabe. Mäürurg (Deyerlein) 
Berghaus Tun), Sul Alias ber öfterseichiichen Monarchie. 2. Auflage. Gotha 
(Perthes) 1855. qu. Fol. (12 Ser.) 
Pluth (Fr), Karte des Chrudimer Kreifes im Königreich Böhmen wach ben neme: 
Ben and beften vorhandenen Hilfsmitteln. Prag (Chriſtoph u. Kahe) 1855. 
a 
Dermann, Die Markgrafſchaft Mähren und das Herzogthum Ober» und Rieber: 
ſchleſien wach ihrer neueſten gerichtlichen und politiſ * Tintheilung. Wien 1855. 
Wagner (N), Karte des Juns und Hansrudfreifes in Oberöfterreich mit ben Gen: 


Neu erfchienene geographifche Werke, Auffäge, Karten und Pläne 535 


beusMaffen der Wolfsegg⸗Traunthaler Kohlenbergbau⸗ und Gijenbahngefellfchaft. 
Wien (Lith. Anflalt von Sieger). 
Plan von Gmunden und defien Umgebung. Wien (Artarla) 1855. 1 BU. M.yrLz,. 
Schmitt (G.), Neuefte Original: Karte ver Umgebungen Wiens. Wien (Wenebift) 
1855. Fol. in 16. Barton. (4 Thle.) - 
Nenefter zuverläffigfter Plan von Wien mit feinen Vorfläbten. Wien (Wenebift) 1855. 
Fol. in gr. 16. Garton. (4 Thlr.) 

Pfeiffer (J. B.), Karte zur Reife durch Salzburg, das Salzlammergut und Berch⸗ 
tesgaben nebft einem Theile von Tyrol bis Brixen und bes baierifchen Hochge⸗ 
birges bis Münden. Salzburg (Balvi) 1855. 

Gebirgss, Poſt⸗ und NeifesKarte von Dentfh- Tyrol und Sübbayern. München 
(Kranz). Bol. Auf Leinw. (24 Ser.) 

Karte von Ungarn und Siebenbürgen. Prag Berra) 1855. 4 DI. 

Großfürftentyum Siebenbürgen. Prag (Berra) 1855. 1 II. 

Carta ‚opograhie del Territorio Distrettuale di Castiglione di Stiviere. Mantova 
1855. 1 DI. 





Reneße —— und Poſt⸗Karte der Schweiz, Winterthur (Steiner) 1855. Imp. 
gr. 

Stryienski (A.), Carte topographique du canton de Fribourg, lerée de 1843 & 
1851, gravee par Th. Delsol. Paris (Impr. lithogr. de Chardin aine). 


La France et ses colonies, atlas illustre. 100 cartes dressees d’apr&s les cartes de 
Cassini, du depöt de la guerre, des ponts et chaussees et de la marine, par 
M. Vuillemain. Texte redige d’apres les documents officiels et sur un plan 

Y entierement nouveau, r&unissant en forme de tableaux: 1) la division admi- 
nistrative, politique, judiciaire etc.; 2) les vicissitudes historiques; 3) la bio- 
graphie; 4) la statistique; 5) les ressources agricoles, industrielles etc. etc. par 
Ernest Poiree. Paris (Migeon) 1855. 4. (35 Fr.) 

Atlas special de la France par Bazin et Cadet. Pl. 21. France militaire. 27. 
France commerciale et maritime. 28. Algerie physique, politique, administra- 
tive et militaire. Paris (Impr. lith. de Wineteau). 

Villevert (E.), Carte statistique de la France, d’apr&s les documents ofhiciels 
les plus recents, faisant connaitre, par departements, tous les dléments de ri- 
chesse, de prosperit£ et de grandeur de la France. Paris (Impr. lithogr. de 
Lemercier 


Atlas communal du departement de la Seine, arrondissement de Sceaux, canton de 
Villejuif, commune de Fresne. Paris (Impr. lithogr. de Lemercier)). 

de Billy (E:), Carte geologique des Vosges. Paris (Imprimerie roy.) 

Atlas souterrain de la ville de Paris. Region N. E. Feuilles 1 et 2. Paris (Impr. 
lithogr. de Chardon aine). 

Illuſtxirter Flan von Paris. Leipzig (Expedition der illuſtrirten Zeitung). gr. Fol. 


(4 Th). 

Neuer und vollftändiger Plan von Paris. Leipzig (Weber) 1855. In engl. gr. 8. 
Garton. (4 Thle.) 

Bradshaw’s New map of Paris, including a map of the environs and a com- 
prehensive Street Index. London (Adams) 1855. 12. (1 S.) 

Tourrier (J.), New map of Paris; with a guide to the Great Exhibition and 
rincipal buildings in the Capital. London (Whitbread) 1865. In case. 
6.d. 

Plan du 8 bois de Boulogne, dresse d'après les documents ofſiciels, gravé 
et publi par Th. Delsol. Paris (Andriveau-Goujon) 1855. 


586 W. Koner: 


Hafen in von Smweaborg und Helfingfors. Berlin (Schropp u. Co.). 
gr. Bol. Ir 

Handite (F.), Sperials Karte des Kriegeihauplabes in Süd⸗Rußland. Glogan 
(Flemming). Imp. Kol. (12 Ser. 

Karte der ruffifchen Häfen am ſchwarzen und afoffichen Meere. Glogau (Flemming) 
1855. gr. Bol. (z Thlr.) 

Flender (R.), Specials Karte ver Krim. Nah J. J. N. Huot. 2. Aufl. Breslau 
(Kern). gr. Fol. (4 Thle.) 

Clerot, Plan Na sıiege de Sebastopol et ses environs. Paris (Impr. kıthogr. d« 
Kaeppelin 

Biddulph (M. A. S.), A series of topographical sketches of the ground before 
Sebastopol. Accompanied by explanatory descriptions. London ( Chapman 
& H.) 1855. Fol. (10 8. 64) 

— — — Part 3, showing the Mamelon. Ibid. eod. Fol. (2 S. 6 d.) 

—. Topographical sketches of the ground before Sebastopol, accompanied by an 
explanatory description. Part 2. London (Stanford) 1855. Fol. (4 $.) 


Panorama d’Italia. Milano (Gnocchi) 1855. 1 BI. 

Regno Lombardo- Veneto. M. ys55!z05. Milano (Gnocchi) 1855. 1 BI. 

Carta topografica del Territorio Distrettuale di Mantova a norma del nuoro Com- 
partimento. Mantova (Beretta) 1855. 1 BI. 

Carta topografica del Territorio dı Viadana. Mantova (Beretta) 1855. 1 BL 

Huber (3.), Die fardinifhe Monarchie. Nürnberg (Beyerlein). gr. Fol. (9 Ser.) 


Vuillemin (A.), Mapa de los caminos reales y transversales de Espana y de 
Portugal, con las nuevas divisiones de provincias Paris (Impr. lithogr. de 
Lamoureux). 


Karte vom nie: een Kriegsfchauplag in Aflen. Glogau (Flemming) 1855. 

mp. 90 

Kiepert ($.), Seneralfarte des türfifchen Reiches in Europa und Aften, nebſt Us: 
8*8 bs Rußland und den Kaukaſus-Läudern. 4 Bl. Berlin (D. Reimer). 
2 Thlr 

Aılas van de Nederlandsche Bezittungen in Oost-Indi&, geteekend onder toeaigt 
van J. Pijnuappel. Inhoud: I. Overzigtskaart. II. Java. III. Sumatra. IV. 
Gouvernement Sumatra’s Westkust. V. Residentie Riouw en Bangka. VI. 
Borneo. VII. Celebes. VIIl. Molukken. IX. Eilanden beoosten Java tot Ti- 
mor. s Hage 1855. 

Prospectus van eene algemeenen atlas van Nederlandsch Indie. Uit ofhicidle bron- 
nen cn met goedkeuring van het Gouvernement te zamengesteld door P. ba- 
ron Melvill van Carnbée. 


Linant de Bellefonds, Carte de l’Etbaye, ou pays habit& par les Arabes Bi- 
charis, comprenant les contrees des mines d'or connues des anciens sous Ic 
nom d’Olakı, faite dans les anndes 1831 et 1832. Paris (Impr. lithogr. de 
Kaeppelin). 

Carte hydrographique de la partie septentrionale de la haute Egypte, ou sont in- 
diques les travaux d’ouvrages executes et à executer d’apr&s les ordres de 
S. A. Mehemet-Ali, Vice- Roi d’Egypte, par M. Linant de Bellefonds 
Paris (Impr. lithogr. de Kacppelin) 1855. 


Kiepert (H.), Entdeckungen im arktifhen PBolarmeere in Folge der Auffuchung ber 
Franklin'ſchen Erpedition bie 1854. Berlin (D. Reimer) 1855. qu. Fol. (4 The.) 





Men erfihienene geographifche Werke, Auffähe, Karten und Pläne. 537 


Carte des regions arctiques et du passage nord-ouest, d'après la derniere carte de 
Yamiraute britannique. Paris. 1 feuille. 

Carte geologique du Canada, par W. E. Logan. Paris. 

Smith (@.), Special: Karte der Bereinigten Staaten von Rorbamerifa. 2. Aufl. 
5. Lief. Caſſel (Fiſcher). ar. Fol. (18 Ser.) 


Phyſik der Erbe, 


Arago (F.), Meteorological essays. With an introduction by Alex. v. Humboldt. 
Translat. under the superintendence of Colonel Sahine. London (Longman) 
1855. 520 5. 8. (18 S.) 

Jahrbücher ver 8. K. Central: Anftalt für Meteorologie und Erdmagnetismus von 
Karl Kreil. 118. Bd. Jahrg. 1851. Wien 1855. 4. 

Friedmann, Meteorologifche Briefe. — Ausland. 1855. Rr. 29. 30. 32. 36. 

42 ' 


38. 42. 

Müller (3.), Grundriß der Phnfif und Meteorologie. 5. Aufl. 1. Hälfte. Braun: 
ſchweig (Vieweg u. Sohn) 1855. gr. 8. (compl. 13 Thlr.) 

Nowak, Witterung und Klima in ihrer Abhängigfeit von den Borgängen ber Unter: 
welt (des Erd» Innern). — Jahrb. f. Wiſſenſch. u. Kunft. IV. Heft 1. 1855 

Hallmann (E.), Die Temperaturverhältnifie der Quellen. 2.2. Berlin (©. Rei: 
mer) 1855. 8. (23 Thlr.) 

v. Gräfe (B.), Ueber Orfane. Für Seeleute. Hamburg (Meißner) 1856. gr. 8. 


(12 Sr.) 

Fritſch (C.), Beobachtungen über periobifche Erfcheinungen im Pflanzen- und Thier⸗ 
reiche. — Jahrb. d. K. 8. Central: Anftalt f. Meteorologie. IIT. 1855. 

Kreil (R:), Beobachtungen des Jahres 1851. — Ebend. III. 1855. ©. 3 — 130. 

v. Möllendorff, Die Regenverhältniffe Deutſchland. — Abhandl. d. naturforfch. 
Gefellfchaft zu Goͤrlitz. Bo. VII, Heft 1. 1856. 

Plieninger, Die anitterung {m Jahre 1854. — Württemberg. Jahrb. 1855. 1. Heft. 

Dove (H.), Heberfiht der bei dem meteorologifchen Inftitute zu Berlin gefammelten 
Ergebnifje der Wetterbeobachtungen auf den Stationen des preußiſchen Staats 
und benachbarter für den Zweck verbundener Staaten für bie einzelnen Monate 
des Jahres 1855. Berlin 1855. qu. Fol. 

®alle (3. G.), Ueber die meteorologifchen und magnetifeen Conflanten von Breslan. 
— 22. Zahresber. d. fchlef. Geſellſch. f. vaterl. Kultur im I. 1854. 

Mandel (G.), Cine Waflerhofen - Erfcheinung am 4. Augufl 1854 bei Frankfurt 
a. M. — Die Natur. 1855. Nr. 36. 

Hügel, NRefultate der meteorologifhen Beobachtungen des Großherzogl. Kataſter⸗ 
Bureau's zu Darmſtadt in den Jahren 1850 — 53. — Notizbl. des Bereins für 
Erdkunde zu Darmfladt. 1855. ©. 11. 32. 56. 73. 

Kreil (8), Stündliche Beobachtungen bes Luftorudes von Wien. — Jahrb. d. K. 
K. Central⸗-Anſtalt |. Meteorologie. III. 1855. ©. 213. 

—, Störungen des Luftorudes in Mailand, Salzburg, Kremsmünfter, Wien, Prag, 
Senftenberg und Krafau. In den Jahren 1848 — 51. — Ebend. III. 1856. 
©. 1311 — 212. 

Observations meteorologiques faites à l’observatoire de Gentve sous la direction 
de M. le Prof. E. Plantamour. — Bibliothtque univ. de Gentve. 1855. XXX. 

d’Ombres-Firmas (L. A.), Meteorologie. Rapport fait à l’Academie imperiale 
de Nimes, dans sa premitre seance de janvier 1855. Alais 1855. 8. 

Ballot (B.), Jets over het Konigkl. Nederlandsch Meteorologisch Instituut. — 
Allgemeene Konst- en Letterbode. 1855. No. 39. 

WVierkundige waarneminge op den huize Zwaneburg. — ibid. 1855. Zu Ende 
jeder Nummer. 


533 MW. Koner: Neu erfchienene geographifche Werke, Auffäße sc. 


Mallet (R.), Notice of the British Earthquake of November Sıh, 1852. — Trans. 
of the Roy. Irish Acad. XXII. 1855. p. 397. 

Lloyd (H.), Notes on the meteorology of Ireland, deduced from the observations 
roade in the year 1851. — ibid. XXI. 1855. p. 411. 

Lee (E.), Nice and its climate; with notices of the coast from Hitres to Genoa 
etc. London (Adams) 1855. 178 S. 12. (44 S.) 

—, Spain and its climate; with a special account of Malaga. London ( Adams) 
1855. 190 S. 12. (44 S.) 

Vess&lowsky, Du Climat de la Russie. La gröle. — Bullet. de P’Acad. de Sı 
Petersbourg. Cl. d. sciences hist. 1855. XIII. No. 1. 2. 

Spassky, Observations me£tsorologiques faites ä& Moscou, pendant les mois Jan- 
vier — Aoüt. — Bulletin de la Societ£ Imper. des Naturalistes de Moscon. 


1854. 
Helfft, Das Klima und die Bobenbefchaffenheit Mlgeriens. — Zeitſchr. f. allgem. 
Grofunde. V. 1855. ©. 383. 


Lartigue, Carte generale des vents dominants à la surface des mers, pendant les 
mois de janvier, fewrier et mars, et pendant les mois de juillet, aoüt et sep- 


tembre. 2 feuilles. 
W. Koner. 








Druckfehler und Berbefierungen. 


Im dritten Bande: 
Seite 68 Beile 6 v.u. Hinter d'Anville iſt nicht einzufchieben. 


Sm vierten Bande: 


Seite 254 Selle 8 v. u. lie Adansonia digitata flatt Adansonia digitati. 
339 = 8yn. lies Noch flat Nach. 

396 » 16 und 17 v. o. lies Dolerit flatt Dolorit. 

445 = 4 v.o. lied Buvry flatt Barry. 

445 = 18 v.o. lies Fomento flat Tomento. 

446 = 25 v.o. lies feito flatt fetio. 


“ 


u» u 4 


Im fünften Bande: 


Seite 53 Beile 9 v. o. iſt nach dem Worte Benetianer ber Rame biefes Mannes 
Marino Sanuto ausgelafien. 

124 lebte Zeile v. m. lies I, 266 flatt IT, 226. 

125 in der Ueberfchrift lies III. flatt II. 

331 Seile 11 v. u. lie Eaton flatt Eton. 

527 Beile 11 v. o. lies D’Escayrac de Lauture flat Lautour. 


“ % % “ 


Gchrudt bei A. W. Schade In Berlin, Grünflrafe 18. 








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NOV 1 8 1938