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Full text of "Zeitschrift für allgemeine Erdkunde"

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Zeitſchrift 
Allge meine Erdkunde. 


Mit Unterſtützung der Geſellſchaft für Erdkunde 
zu Berlin 
und unter beſonderer Mitwirkung 


von 


9- w. Dove, E. ©. Ehrenberg, ©. Kiepert un €. Ritter 


in Berlin, 


&. Andrer in Bremen, A. Petermann in Enden um 3. E. Wappäus 


in Göttingen, 


Herausgegeben 


von 


Dr. T. €. Gumprecht. 


Erfter- Band, 


Bit 5 Karten und 2 Zafeln Abbildungen. X 





Berlin. 
Berlag von Dietrih Reimer. 
1853. 


Vorwort. 


— —— — — 


Dar überaus rege und ununterbrochene Eifer, mit welchem in unferer Zeit 
von den wiflenfchaftlichen Forſchern aller gebilveten Nationen in einem Um⸗ 
fange und mit einer Grünbdlichkeit, wie niemald zuvor, vie Verhältniſſe ver 
Erde nah allen Nichtungen erforfcht werben, macht auch in Deutfchland eine 
Zeitſchrift zum Bedürfniß, in welcher die Ergebnifje dieſer Unterſuchungen 
möglicht vollftännig gefammelt, verglichen und Eritifch geflchtet erfcheinen. Den⸗ 
noch entbehrt die deutſche wiſſenſchaftliche Journaliſtik, ungeachtet ihrer fonfti- 
gen großen Vollftänvigkeit, feit mehreren Jahren eines Organs, welches vie 
neuefien Ergebnifle erdkundlicher Beftrebungen bald nach ihrem Abfchluffe und 
in georoneter Weife zur allgemeinen Kenntniß zu bringen beftimmt wäre. Sind 
auch alle übrigen Zweige wiffenfchaftlicher Erkenntniß, nanıentlich die auf die 
Raturmiflenfchaften bezüglichen, bei uns gegenwärtig durch eine, oft felbft durch 
mchrere Zeitjchriften vertreten, von denen einige durch ihr langes, mitunter fogar 
Balbhunvertjähriges Beftehen gleich günftig für die Gediegenheit und die Voll⸗ 
ſtandigkeit ihres Inhaltes, die Umficht der Herausgeber und das fortdauernde 
Interefie des Publicums an der Erhaltung des Unternehmens zeugen, fo ver- 
mochte es noch die Erdkunde nicht, obwohl fie den Boden für alle naturmiffen- 
Schaftlichen Forſchungen bildet, ein gleich günftiges Loos zu erringen, da alle 
diefelbe ausfchlieglich behandelnden Zeitfchriften meift nach einiger Zeit geſchloſ⸗ 
fen werben mußten. Nur die zu Weimar in den Jahren 1798 His 1830 erfchie- 
nennen Allgemeinen geographifchen Ephemeriven, die von H. Berghaus und 


KR. %.B.Hoffmann im Jahre 1825 als Hertha begründete, und bald dar⸗ 
Zeitſcht. f. allg. Erdkunde. Bo. I. i 


2 Vorwort. 


auf von dem erſten Herausgeber bis zu dem Jahre 1843 als Annalen ter ' 
Erd-, Wölfer- un? Staatenkunde fortgeführte Zeitſchrift, ſowie G. Lüdde's 
neueres Journal, machten durch ihre Tängere Dauer von dem allgemeinen Schick⸗ 
fal jelber Unternehmungen eine erfreuliche Ausnahme, indem in ihnen aller⸗ 
tings mehr, als in allen ähnlichen gleichzeitigen, dem Bedürfniſſe des wiſſen- 
ſchaftlichen Publicums Rechnung getragen wurde. 

Bei dem fortdauernd fühlbaren Mangel einer ſolchen Zeitſchrift, tie ſelbſt 
außerhalb Deutſchland durch Feine einzige vollſtändig erjegt wire, intem auch 
Vivien St. Martin's treffliche Annales des voyages einen beichränfte- 
ren Zwed verfolgen, entichloß fich tie Berliner geographiſche Geſellſchaft, ihre 
eigenen, bid zum 14. Bande geviehenen, aber nur auf Mittheilung ver Vor⸗ 
träge der Mitgliever beſchränkten Monatsberichte in eine umfaflende Zeitfchrift 
umzuwanteln, veren Herausgabe tem bisherigen Redacteur ver Monatöberichte 
übertragen wurte und tern Verlag Herr D. Reimer übernahm. Bei ver 
regen Theilnahme, welche Herr Alexander von Humboldt der neum 
Zeitſchrift ebenfo zuzuwenden gütigſt verbeißen bat, wie ſich tie bisherigen 
Monatöberichte derſelben fortwährend zu erfreuen batten, bei ver beionteren, 
dem Gedeihen ter Zeitjchrift zugefagten Fürforge ver Herren Dove, Ehren⸗ 
berg, Kiepert und Ritter in Berlin und ver Betheiligung ver Herren 
Andree in Bremen, Petermann in Lonton, Wappäus in Göttingen 
und anderer namhafter Mitarbeiter, wird es hoffentlich ver Thätigfeit der Re⸗ 
daction gelingen, tie Zeitfchrift ihrem Zwecke nahe zu führen und ihr tie Gunft 
res wiſſenſchaftlichen Publicums tauernd zu erhalten. Wird vie Zeitfchrirt 
wegen Deutſchlands Lage und Verkehr auch nicht im Stande fein, im Reich⸗ 
thum an Originalmittheilungen mit ven Iournalen der geographifchen Sefell- 
fchaften von London, Paris, St. Peterdburg und New⸗Nork zu wetteifern, 
fo werten ihr vergleichen noch keinesweges fehlen, indem die Redaction alles ver 
Berliner geographifchen Geſellſchaft zufließente Material ebenſo zur Benubung 
erhalten wird, als es biäher bei den Monatsberichten der Zall war. Außer- 
dem find ihr von befreundeter und kundiger Hand die Mittheilung ausführli- 
der, originaler Berichte über tie neueften größeren Enfnedungereijen ver Cug⸗ 
länter, fomwie von anterer Seite fchnelle und regelmäßige Berichterflattung über 
die geographifchen Korfchungen und Entoedungen in Amerifa zugefidert. Bei 
dem sroßen Reichthum Titterarifcher Hülfemittel, deſſen fih Berlin jest erfreut. 
dürfte es tagegen ver Zeitfchrift beſonders möglich fein, auf eine antere und 





Vorwort. 3 


ut weniger nüßliche Weiſe, nämlich durch eine gewiffenhafte Zuſammenſtel⸗ 
kg, Bergleihung und Kritil des geographifchen Materials, für die Wiffen- 
ifaft zu wirken. 

Bei Herausgabe ver Zeitichrift wird es vorzugsweife Aufgabe ver Re⸗ 
vrtien fein, Die dauernden Verhältniffe des Erdkoͤrpers im Gegenfag zu ben 
setänverlichen fortwährend im Auge zu behalten und fo die immer inniger 
werdende Berfnüpfung der übrigen Naturwiffenfchaften mit der Erdkunde zu 
iordern, doch follen Unterfuchungen aftronomifcher Art, namentlich über die 
Stellung ver Erde im Weltgebäude, die Beziehungen ver Erde zu den übri- 
gen planetarifchen Körpern, und über Geftalt und Größe des Erdkörpers außer 
Acht gelaflen werden, da diefen Gegenſtäͤnden eigene Zeitfchriften gewidmet 
Br. Dagegen werven die Eigenthümlichkeiten ver feften Maſſen des Erdkoͤr⸗ 
vers in geftaltlicher und flofflicher Hinficht, die räumlichen und ftofflichen Ver: 
haͤltniſſe des Meeres, der größeren und Tleineren continentalen Waſſerbecken 
ud der fliegenden Gewaͤſſer, ſowie die der Atmofphäre, endlich Die me⸗ 
chaniſchen Momente in den Strömungen des Meere und der Atmofphäre 
Sauptgegenflände der Zeitfchrift abgeben. Nicht nıindere Aufmerkfamfeit wird 
dieſe auf Die Beziehungen der Erde zu den organischen Weſen auf ihr richten 
und danach die zoologifche und botanifche Geographie, vor Allem aber ven 
Renſchen in feinen mannigfachen Förperlihen und geiftigen Eigenthümlichkeiten 
im ihren Kreis ziehen, ohne dabei die wandelbaren Verhältniffe des Menfchen 
ir deſſen ausgedehnten flaatlichen, gefelligen, gewerblichen und commerciellen 
Vezichungen und Entwidelungen zu vernachläffigen, da fie oft nur unmits 
tlbare Conſequenzen beftehender Zuftände der verfchienenen Theile des Erb» 
fürpers find. Da zugleich die Eigenthümlichkeiten der organifchen Wefen in 
innigfter Verknüpfung mit den Flimatifchen ftehen, fo werben auch die Tem⸗ 
peraturverhaͤltniſſe der Atmofphäre, wie der feften und tropfbar flüfftgen Maſ⸗ 
ien fortwährend Gegenſtand der Zeitfchrift fein. Auch die Hiftorifche Geo⸗ 
graphie, infofern fie den Einfluß des Erpförperd auf die organifchen Wefen 
m den verſchiedenen Zeitepochen ihrer Gefchichte nachweift, fol nicht uns 
beachtet bleiben. — Berichte über neu erfchienene erdkundliche fuftematifche 
Werke und Karten, über Neifebefchreibungen und andere hierher einfchlagenve 
Arbeiten werben ven Stand unferer gegenwärtigen Kenntniffe über die ver- 
Idjiedenen Theile des Erdkoͤrpers und den Kortfchritt der Erdkunde in Bezie⸗ 
hung auf ven bisherigen Stoff darlegen. 

| 1* 


4 Vorwort. 


Auf dieſe Weiſe ſoll die Zeitſchrift umfaſſen: 1) Längere Originalauf⸗ 
füge von Mitarbeitern; 2) Auszüge und kürzere Bemerkungen erdkundlichen 
Inhaltes aus deutfchen und fremben Zeitfchriften und eine möglichft volftän- 
dige Vereinigung des bezüglichen Materials; 3) Anzeigen und Kritiken neuer 
wichtiger, ſowohl deutſcher, als fremder geographiicher Werke und Karten, an 
welchen Inhalt ſich noch die Berichte über die monatlichen Sitzungen ver Ber- 

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Bormwort. 


Dar überaus rege und ununterbrochene Eifer, mit welchem in unferer Zeit 
von den wifienfchaftlichen Korfchern aller gebildeten Nationen in einem Um⸗ 
fange und mit einer Gründlichkeit, wie niemald zuvor, die DVerhältniffe ver 
Erde nach allen Richtungen erforfcht werden, macht auch in Deutfchland eine 
Zetfhrift zum Bedürfniß, in welcher die Ergebniffe diefer Unterſuchungen 
möglich vollſtaͤndig gefammelt, verglichen und Eritifch gefichtet erfcheinen. Den 
noch entbehrt die deutſche wifjenfchaftliche Journaliftit, ungeachtet ihrer ſonſti⸗ 
gen großen Vollſtändigkeit, feit mehreren Jahren eines Organs, welches die 
neneſten Ergebniſſe erdkundlicher Beftrebungen bald nach ihrem Abfchluffe und 
im georbneter Weiſe zur allgemeinen Kenntniß zu bringen beftimmt wäre. Sind 
auch alle übrigen Zweige wifienfchaftliher Erfenntniß, namentlich die auf vie 
Raturwiſſenſchaften bezüglichen, bei uns gegenwärtig durch eine, oft felbft durch 
mehrere Zeitfchriften vertreten, von denen einige durch ihr langes, mitunter fogar 
halbhundert jaͤhriges Veftchen gleich günftig für die Gediegenheit und die Voll⸗ 
Rändigkeit ihres Inhaltes, die Umficht der Herausgeber und das fortdauernde 
Interefie des Publicums an der Erhaltung des Unternehmens zeugen, fo ver- 
mochte es Doch Die Erdkunde nicht, obwohl fie den Boden für alle naturwiſſen⸗ 
ſchaftlichen Forſchungen bildet, ein gleich günftiges Loos zu erringen, da alle 
diefelbe ausfchlieglich behandelnden Zeitfchriften meift nach einiger Zeit gefchlofe 
fen werben mußten, Nur die zu Weimar in den Jahren 1798 bis 1830 erfchie- 
nenen Allgemeinen geographifchen Ephemeriven, die von H. Berghaus und 
8.5. DB. Hoffmann im Jahre 1825 ale Hertha begründete, und bald dar⸗ 
Zeitſchr. |. allg. Exrbfunde. Br. I. 1 


2 Vorwort. 


auf von dem erften Geraudgeber bis zu dem Jahre 1843 als Annalen ver 
Erd-, Völfer- und Staatenfunde fortgeführte Zeitfchrift, fowie G. Lüdde's 
neuered Iournal, machten Durch ihre längere Dauer von den allgemeinen Schick⸗ 
fal folcher Unternehmungen eine erfreuliche Ausnahme, inden in ihnen aller- 
dings mehr, als in allen ähnlichen gleichzeitigen, dem Bedürfniſſe des wiljen- 
fchaftlihen Bublicums Rechnung getragen wurde. 

Bei dem fortvauernd fühlbaren Mangel einer foldhen Zeitfchrift, die ſelbſt 
außerhalb Deutfchland durch Feine einzige vollſtaͤndig erfeßt wird, indem auch 
Vivien St. Martin's trefflihe Annales des voyages einen bejchränfte- 
ren Zweck verfolgen, entfchloß fich die Berliner geographiſche Gefellfchaft, ihre 
eigenen, biß zum 14. Bande geviehenen, aber nur auf Mittheilung der Vor⸗ 
träge der Mitglieder befchräntten Monatöberichte in eine umfaſſende Zeitfchrift 
umzuwandeln, deren Herausgabe dem biöherigen Redacteur der Monatöberichte 
übertragen wurbe und deren Berlag Herr D. Reimer übernahm. Bei der 
regen Theilnahme, welche Herr Alerander von Humboldt der neuen 
Zeitfchrift ebenfo zuzumenten gütigft verheißen Hat, wie fich die biöherigen 
Monatsberichte verfelben fortwährend zu erfreuen Hatten, bei der befonveren, 
dem Gedeihen der Zeitfchrift zugefagten Fürforge der Herren Dove, Ehren= 
berg, Kiepert und Ritter in Berlin und der Betheiligung der Herren 
Andree in Bremen, Petermann in London, Wappäus in Göttingen 
und anderer nanıhafter Mitarbeiter, wird es hoffentlich der Thätigkfeit der Ne 
daetion gelingen, die Zeitfchrift ihrem Zwecke nahe zu führen und ihr die Gunft 
des wiffenfchaftlichen Publicums tauernd zu erhalten. Wird die Zeitfchrift 
wegen Deutfchlands Lage und Verkehr auch nicht im Stande fein, im Reich⸗ 
thum an Originalmittheilungen mit ven Journalen der geographifchen Gefell- 
Schaften von London, Paris, St. Peteröburg und News Dorf zu wetteifern, 
fo werden ihr vergleichen doch keinesweges fehlen, indem die Redaction alles der 
Berliner geographifchen Gefenfchaft zufließende Material ebenfo zur Benutzung 
erhalten wird, als es bisher bei den Monatäberichten der Ball war. Außer= 
dem find ihr von befreundeter und Eunbiger Hand die Mittheilung ausführli= 
cher, originaler Berichte über vie neueften größeren Entvedlungsreifen der Eng- 
länder, fowie von anderer Seite fchnelle und regelmäßige Verichterftattung über 
die geographifchen Forſchungen und Entdeckungen in Amerika zugefichert. Bei 
dem großen Reichthum Titterarifcher Hülfsmittel, deſſen fich Berlin jebt erfreut, 
dürfte e8 dagegen ver Zeitfchrift befonderd möglich fein, auf eine andere und 





Vorwort. 3 


nicht weniger nützliche Weiſe, nämlich durch eine gewiſſenhafte Zuſammenſtel⸗ 
kung, Vergleichung und Kritik des geographiſchen Materials, für die Wiſſen⸗ 
ſchaft zu wirken. 

Bei Herausgabe der Zeitſchrift wird es vorzugsweiſe Aufgabe der Re⸗ 
daction fein, die dauernden Verhaͤltniſſe des Erdkoͤrpers im Gegenſatz zu den 
veränberlichen fortwährend im Auge zu behalten und fo die immer inniger 
werdende Verknüpfung der übrigen Naturwiffenfchaften mit der Erdkunde zu 
fördern, doch follen Unterfuchungen aftronomifcher Art, namentlich über die 
Stellung der Erde im Weltgebäuve, die Beziehungen der Erde zu ven übris 
gen planetarifchen Körpern, und über Beftalt und Größe des Erdkoͤrpers außer 
Acht gelafien werden, da diefen Gegenftänven eigene Seitfchriften gewidmet 
find. Dagegen werden die Eigenthümlichkeiten der feſten Maffen des Erdkoͤr⸗ 
pers in geftaltlicher und ftofflicher Hinficht, die räumlichen und ftofflichen Ver: 
hältniffe des Meeres, ver größeren und Heineren continentalen Waſſerbecken 
und der fliegenden Oewäſſer, fowie die der Atmofphäre, endlich die me⸗ 
chaniſchen Momente in den Strömungen des Meered und ver Atmofphäre 
Hanptgegenſtaͤnde ver Zeitfchrift abgeben. Nicht mindere Aufmerkfamfeit wird 
diefe auf die Beziehungen der Erbe zu den organischen Wefen auf ihr richten 
und darnach die zoologifche und botanifche Geographie, vor Allem aber ven 
Renſchen in feinen mannigfachen körperlichen und geiftigen Eigenthümlichkeiten 
in ihren Kreis ziehen, ohne dabei die wandelbaren DVerhältnifie des Menfchen 
in deſſen ausgedehnten ftaatlichen, gefeligen, gewerblichen und commerciellen 
Bezichungen und Entwidelungen zu vernachläffigen, va fie oft nur unmit- 
ulbare Gonfequenzen beftchenver Zuftände der verfchiedenen Theile des Erb» 
förpers find. Da zugleich die Eigenthümlichkfeiten der organifchen Weſen in 
inmgfter Verknüpfung mit den Elimatifchen ftehen, fo werben auch die Tem⸗ 
peraturverhaͤltniſſe der Atmofphäre, wie der feften und tropfbar flüffigen Maf- 
fen fortwährend Gegenſtand der Zeitfchrift fein. Auch die Hiftorifche Geo⸗ 
grapbie, infofern fie den Einfluß des Erdkoͤrpers auf die organifchen Weſen 
in den verſchiedenen Zeitepochen ihrer Gefchichte nachweiſt, fol nicht un⸗ 
beachtet bleiben. — Berichte über neu erfchienene erdkundliche fuftematifche 
Bere und Karten, über Neifebefchreibungen und andere hierher einfchlagenve 
Arkeitn werben den Stand unferer gegenwärtigen Kenntniffe über die ver- 
ſchiedenen Theile des Erdkorpers und den Kortfchritt der Erdkunde in Bezie- 


bung auf ven bisherigen Stoff darlegen. 
1 0 





4 Vorwort. 


Auf diefe Weile fol die Zeitfchrift umfaflen: 1) Längere Originalauf- 
ſaͤtze von Mitarbeitern; 2) Auszüge und Fürzere Bemerkungen erdkundlichen 
Inhaltes aus veutfchen und fremden Zeitfchriften und eine möglichft vollſtaͤn⸗ 
dige Vereinigung des bezüglicden Materiald; 3) Anzeigen und Kritifen neuer 
wichtiger, ſowohl veutfcher, als fremder geographifcher Werke und Karten, an 
welchen Inhalt ſich noch die Berichte über vie monatlichen Sigungen ver Ber- 
Iiner Geſellſchaft für Erdkunde, und endlich am Schluffe des Jahres eine voll⸗ 
ftändige Bibliographie der gefammten geographifchen Kitteratur und ein Re⸗ 
gifter anfchliegen werben. Die Größe der einzelnen Abtheilungen laßt fich nicht 
im Voraus feftftellen, da ſie nothwendig von dem Umfang und inneren Werth 
des jedes Mal zufließenden Stoffes abhängig fein wird. 

Berlin, den 1. Juli 1853. 


Gumprecht. 











— — — —— — — —— u — nn m m nn —— —— — 


rlın, bei DReimer 








I. 


Begründung und gegenwärtige Zuftände - 
der Meger-Republik Liberia 
an ber Weſtküſte Afrika's. 
(Hierzu eine Karte.) 





Ein Bericht des Amerifaners Rev. R. Gurley vom 14. September 
1850 an den Präſidenten der Vereinsftaaten Nordamerika's, nebft vie 
(en Documenten, welche verſchiedenen Reports beigefügt find, giebt bie 
neueren officielen Daten zur näheren Kenntniß der Negerrepublif 
Liberia, die ihrer Lage nad, an der weftafrifanifchen Küfte (zwifchen 
Aa, bis 7’ n.Br.) zwar befannt*) ift, deren innere Zuftände aber 
ziemlich im Dunkel geblieben waren. Die unter guter Autorität in Lon⸗ 
von erichienene Schrift: Africa Redeemed. 8. 1851, ift als officielle 
Duelle der Entftehungsgefhichte von Liberia anzufehen, zu der feit- 
dem noch viele andere Documente, auch verſchiedene Parlamentsbe⸗ 
richte, binzugefommen find. Manche der Namen, die darin ruhmlog, 
mit ihren einfachen Ihaten aufgeführt find, werben bereinft, nach 
Jahrhunderten, in der fortgefchrittenen Cultur- und Staatengefchichte 
des Regerfiammes wie die Namen eines Solon, Lyfurg oder Numa 
Bompilius hHervortreten, in einem Lande, das auch feine Thermopylen 
zu vertheidigen, feinen Areopag zu befeftigen hatte, wo auch ein Kobrus 
fich durch Hingebung, mancher Horatiud Cocles fich bis zum Todes⸗ 
fanıpf für dad Gemeinwohl aufzuopfern wußte, und mancher fromme 
Chriſt als Märtyrer für das Evangelium feinen Tod fand. Der an 


— 





2) Srühere Berichte Capit. Bell's an die amerikaniſche Coloniſations⸗Geſellſchaft 
ſ. in ven Monatsberichten der Geſellſchaft für Erdkunde. Berlin 1841. 2. Jahrg. 
©. 129 — 140. Bol. Gumprecht's Afrika ©. 208. 


6 @. Ritter: 


fich geringe Lichtpunct am afrifanifchen Negerhorizgont, Liberia, ift je⸗ 
doch fchon jegt Die fchimmernde Morgenröthe eines herauffteigenden bel: 
leren Tagesgeftirned geworden, das mit feinen erleuchtenden Strahlen, 
wenn dieſe fih mehr und mehr über das ganze Suban verbreiten und 
ed erwärmend durchdringen follten, den Segen nicht nur der Entfef 
felung von der Sclaverei bringen würde, jondern auch den der wah- 
ven Freiheit Durch das Evangelium, den Segen des Familienwohlſtan⸗ 
des durch chriftliche Erziehung, Eigenthum und Arbeit, der auch den 
allgemeinften Fortfchritt der Givilifation für die anderthalbhundert Mil- 
lionen der Negerrafie fördern und felbft auf die Vertilgung fo mancher 
grauenvoller Beftrebungen und Vorurtheile der weißen Raſſe günftig 
zurüdwirfen müßte. Mit ihm muß die Hoffnung eine Ausficht gewin- 
nen, daß auch für dieſes zahlreiche Völfergefchlecht in feiner noch nies 
dergebrüdten, faft thierifchen Rohheit ein Tag heraufdämmert, der dafs 
felbe dereinft zur Stufe der Humanität eniporheben wird. Die Anfänge 
hierzu liegen in den hier mitzutheilenden merkwürdigen Thatfachen fchon 
vor. Die Vorurtheile der Vorzeit, in welcher man der ganzen fchwars 
zen Raſſe die Möglichfeit des Yortfchrittes zur Humanität abftreiten 
. wollte, ift feit Wilberforce’s, Abbe Grégoire's, Th. F. Burs 
ton’8 und ihrer Sinnesgenofien Bemühungen endlich überwunden. Un⸗ 
zählige Intividualitäten durch Gedanken, Einficht, Wille und That her- 
vorragender Negercharactere haben ihre Ebenbürtigfeit mit ihren hellfars 
bigen Brüdern außer Zweifel geftellt. Aber noch fehlte der Beweis einer 
generellen Erhebung ganzer Bölfergemeinfchaften der Schwarzen auf 
biefen Standpunct. Es fehlten noch die focialen Verhältniffe eines gan- 
zen Negerftnates mit einem chriftlichen und bürgerlichen Staatsleben, 
nach Regel und Geſetz, in Selbftändigfeit und Unabhängigfeit nach in- 
nen und außen, aus eigenen Mitteln und Kräften des Negergefchlechtes. 
Ein folhes Problem im Entwidelungsgange der neueren Voͤlker⸗ 
geſchichte zu löfen, beginnt nun die Negerrepublif Liberia für ihren fo 
lange zurüdgebliebenen Erdtheil, in dem zuvor nur einheimische Despo- 
tie oder Unterjohung der Völker durch fremde Eolonifation ftattgefuns 
den hatte. Sie tritt fo eben erft in die politifche Verbrüderung des europäi- 
hen Staatenfvftemes als ein nationalsfelbfländiger Staat ein, der 
fhon von England, Frankreich, Belgien und Preußen feine 
Anerkennung gefunden hat, und fie hoffentlih demnaͤchſt auch in der 


Die Neger» Republik Kiberia. 7 


on Republit Der nordamerifanifchen Vereinsftaaten finden wird, ob» 
wi dort, wegen Der Selavenfrage, ihr eine große Partei entgegen» 
kt, wenn jchon Die Begründung Liberia's von der entgegenftehenden 
Part auf eine ſehr anerfennungswerthe Weife ausgegangen iſt. Die 
Irträge mit Den gedachten Mächten find theild fchon abgefchloffen, 
täld noch im Gange. Die preußijche Slagge ift vor wenigen Monaten 
in ven Haupthafen von Liberia al8 ein Freudenzeichen begrüßt worden. 
Roh vor einem Bierteljahrhundert, ehe die erften freien Neger 
nad iberia übergeftebelt wurden, war biefe Küfte auf Hunderte von 
Meilen weit eine blutige Mördergrube. Die feit 1820 nicht durch 
biutige Eroberung, fondern überall nur in Folge gefchehener recht = 
lider Erwerbung durch Anfauf und Vertrag erweiterte Anfiedelung 
beflcht gegenwärtig durch den Beiftand edler Menfchenfreunde in from- 
mer chriftlicher Gefinnung und feftem Gottvertrauen. Im Jahre 1840 
ſtand die Colonie noch unter einem fremden Agenten ald Gouverneur, 
und ihre ganze Bevölferung belief fih nur auf 3000 Seelen. Die 
Racrichten aus jener Zeit der Infpectoren unter der Leitung des ames 
rifanifchen Schiffscapitains Bell an die amerifanifche Colonifations-Ges 
jellfchaft find ſchon früher veröffentlicht worden. Im Sahre 1839 
zählte man noch jaͤhrlich 60 große Sclavenfciffe, die in den Gewäf- 
tern auf der Weftfüfte von Sierra Leone bis Liberia anferten, durch 
Raub und Mord auf Sclavenfang ausgingen und das ganze dahin 
terliegende Küftenland in fortwährende Kriege verwidelten. Bon ein- 
zelnen Häfen dieſer Küfte wurden noch jährlich 10 bis 12000 un- 
glüdfiche Schlachtopfer durch dieſe europaifchen Barbaren über das Meer 
entführt, und die vielen Negerfönige durch reiche Belohnungen an euros 
püifchen Waaren zu fortwährenden blutigen Fehden gegen einander aufs 
gehest. Schon gegenwärlig kann fich Feind diefer Schiffe mehr unges 
ahndet an demfelben Geſtade blidden lafien. Bereits 1840 verſchwand 
die Bormundfchaft der Weißen gänzlich aus der fich felbit regierenden 
Golonie der Schwarzen, und 1846 trat diefe, mit Zuflimmung ihrer 
amerifanijchen Begründer, als ſelbſtaͤndiger, völlig unabhängiger 
Staat mit eigener Conftitution auf; aus dem bisherigen Gou- 
verneur der Golonie wurde ein Bräfident des Freiftaates Liberia, 
der in die Reihe der anderen fouverainen Staaten der europäl- 
ichen Eivilifation aufgenommen werden fonnte. 


8 C. Ritter: 


Schon 1839 war die Eolonie in fo weit erftarft, daß fie ihr Fort⸗ 
beftehen feft begründet fah und das Beduͤrfniß fühlte, aus den zers 
freuten Gliedern ihrer verfchienenen Anfievelungen ein corporatives 
Ganzes zu bilden, das ihr eine größere Einheit und die Kraft ald Union 
verleihen mußte, um auch den vielen Kämpfen, die nach außen fich mehr⸗ 
ten, fiegreich widerftehen zu Fönnen und das Grundgefeß ihrer Begrün⸗ 
dung, Befreiung von Sclaverei, bei den Bürgern der Colonie 
und ihren Verbündeten aufrecht zu erhalten. 

Die Colonie war nur nach und nach in zwei verfchiedenen Jahr⸗ 
zehnden und durch Mitwirkung verſchiedener Gefellfchaften, unter verfchie= 
denen Stiftern, Befchügern, Anführern, wenn fchon unter der allgemeis 
nen Obhut der amerifanifchen Coloniſations⸗Geſellſchaft für Afrifa, aber 
auch an fehr verfchiedenen Localitäten der über 100 Meilen langen 
Küfte mit befonderen Einrichtungen und Intereffen zu Stande gefoms 
men. Diefe mußten mit der weiteren Entwidelung und Berührung 
ihrer Verhältniffe fich nicht felten dDurchfreugen. Vier von der ameri= 
Fanifchen Colonifation dazu beftimmte umfichtige Männer traten nun 
zu einer Berathung einer Gefammt-Eonftitution zufammen, bei 
welcher die bedeutendſten Männer ihre verſchiedenen Anſiedelungen zu 
vertreten hatten. Nach längeren Debatten, an denen nur die farbigen 
Repräfentanten der Golonie Theil hatten, für welche fie ausfchließlich 
geftiftet war (weshalb aucd alle Weißen von den Anftellungen in der 
Eolonie ausgefchloffen blieben), Fam man auf gewiffe Grundgeſetze über- 
ein. Der Name für die Colonie, Liberia, war fchon zuvor, im Jahre 
1824, von einer Verfammlung des Senates in Wafhington ausges 
gangen, bei Gelegenheit einer wefentlihen Unterftügung berfelben, mit 
welcher auch der färfiten Anfievelung der Colonie an der Mündung 
des St. Pauls⸗Fluſſes, nach dem damaligen Präfiventen des amerifa= 
niſchen Senats, Monroe, der Name Monrovia beigelegt wurbe. 
Die Grundgefeße waren folgende: 

1) Die gefeßgebende Macht von Liberia follten ein alle 2 Jahre neu 
zu wählender Gouverneur und ein Senat bilden, deren Befchlüf- 
jen jedoch das Veto der Coloniſations⸗Geſellſchaft in Wafhington 
vorbehalten bleiben, dem die Eolonie ihre Begründung und bis⸗ 
herige weife Leitung verbanfte. 

2) Der Senat follte aus Repräfentanten aller einzelnen Eolonien 


Die Neger ⸗Republik Kiberia. 9 


befchen, die in 2 Provinzen unter vem Namen Eounties, ober 

Srafihaften, verwaltet werden; die eine, aus Monrovia, 

Caldwell, Millsburg und Neu-Georgia gebilvet, follte 

6 Repräfentanten zum Senate wählen, die andere: Baifa 
Eove, Marshall, Berley und Evina A; jene follte bie 

Grafſchaft Monrovia, auch Montferado, viefe Bafja 

ah Gran Baffa genannt werden. Später famen die Diftricte 

Sinu und Maryland Hinzu. 

3) Das oberfte Gericht befteht aus den Vorſitzenden der Unterges 
richte, mit dem Gouverneur an der Spike. 

A) Keine Sclaverei wird in der Colonie geduldet, kein Antheil 
an einem Sclavengefchäft irgend einer Art außerhalb der Grens 
zen der Colonie ift erlaubt. 

5) Jeder über 21 Jahre alte Einwohner ift Bürger der Eolonie, 
mit Antheil an den Wahlen, die durch Ballotage gefchehen. 

Ties die Hauptpuncte von vielen anderen, die von der amerifas 
niſchen Eolonifationg » Gefellfhaft genehmigt und als gut und weife aner- 
kannt worden. Diefelbe fandte einen fchon früher um die Colonie hoch 
verdienten Mann, Thomas Budanan, mit der volgogenen Acte 
ald Gouverneur nach Liberia. Er wurde bei der Landung am 
1. Aprit 1839 mit Kanonenfalven und vom Jubel des Volfes begrüßt, 
vom Militair zum Gouvernementshaufe begleitet, wo der ganzen Ver⸗ 
ſammlung die Acte vorgelefen und beftätigt wurde. 

Sie fand faft allgemeinen Beifall, nur wenige Unzufriedene murr⸗ 
ten wegen des Veto; Monrovia leiftete fogleih den Eid des Gehor: 
fams, und das Bolf erfannte bald in diefer Union feine Stärfe. Die 
erfte Geſetzgebung fand im September defielben Jahres 1839 ftatt. 
Eine Pofteinrichtung war ein hohes Bebürfniß für die Colonie gewors 
den; die Aufficht über die Armen, die Wittwen, Waifen, Invaliven 
und Arbeiterinnen und Unterftügung berfelben durch den Staat, Die 
Errichtung von Schulen in jeder Anftedelung, die Schulen für Hand- 
werfer und Lehrlinge, die Errichtung von Afylen zur Aufnahme der 
Berunglüdten und Hülfslofen in jeder Graffhaft auf Staatsfoften 
und vieles andere wurde fogleich regulirt. Die Colonie enthielt bereits 
9 Etädte, 500,000 Ader reiches Land in befter Eultur, mit Getreide, 
Obſt und Gemüfe. Wan zählte außerdem 21 fehön erbaute Kirchen, 


10 C. Ritter: 


21 Prediger im Amte, 10 Alltagsſchulen, viele Sonntagsſchulen und 
hatte große Sorge fuͤr die Erziehung und religiöſen Uebungen in Sab⸗ 
bathfeiern, Predigten und Montagsgebeten in allen Theilen der Colo— 
nie getragen; die Miffion wurde nad) allen Seiten unter ven heibni- 
[hen Negerftämmen mit dem größten Eifer für deren Eivilifirung und 
Gotteserfenntniß audgebreitet, und dem furchtbaren Zauberwefen, den 
Orbalien, den graufamen Opfern und Gögenthume, den Teufelsbefchtvös 
rungen entgegengearbeitet. Bier Druderprefien und zwei belehrenve Zei: 
tungen, der Liberia-Herald und African Luminary, trugen wefentlich 
zur Belehrung und zur Unterflüßung der Gewerbe in der Eolonie 
bei. — Mit diejer Periode der neuen Geſetzgebung und der, wenn auch 
kurzen, aber jehr weifen und thatkräftigen Verwaltung des Gouverneurs 
Thom. Buhanan (er ftarb fchon im dritten Jahre, 1841) beginnt 
eine neue Aera für die Colonie Liberia, welcher unter deſſen ausgezeichne⸗ 
tem Nachfolger, dem früheren Lieutenant-Governor Joſeph I. Roberts, 
als tapfern Helden und weifen Staatsmann, die Beriode der Unab- 
hängigfeit des Freiftaates gefolgt ift, an defien Spiße derſelbe 
jest als Praͤſident fteht. 

Ehe wir zu diefer Periode der neuen Aera fortfchreiten und in 
die Zuftände der Gegenwart, die ihren Auffhwung ver Fühnften 
und tapferften Befiegung des ärgften ihrer äußeren Feinde, der ver- 
worfenften und mächtigften Raffe der Sclavenhändler und ihrer ſchwar⸗ 
zen Bundesgenoffen unter den Königen der Negerflämme verbanft, wirb 
ein Rüdblid in einige Hauptmomente der exften Anfiebelungen und 
Schidfale der Colonie nothiwendig fein, um ein richtiges Urtheil über 
die gegenwärtigen Zuftände des Freiſtaates in feiner Kindheit felbft ge⸗ 
winnen zu koͤnnen, wobei nicht zu vergefien, daß feine Aufgabe geftellt 
war, fih in einer fieberreichen, tropifchen Zone, nur von barbarifchen 
Völkern umgeben, aus fich felbft, nämlich aus dem Kern eines ver⸗ 
achteten, unwiſſenden und erbrüdten Sclavenvolfes zur Civilifation zu 
erheben, und daß dieſes nur mit den geringen Mitteln, die von Zeit 
zu Zeit freiwillig von Privaten dargeboten worden, allmälig, und im- 
mer nur im blutigen Kampfe mit den Nacbar- Stämmen um Selbft- 
erhaltung, nicht zur Eroberung gefchehen Eonnte. 


Die Neger» Republik Liberia. 11 


1. Begründung der Colonie und gefchichtliche Entwickelung 
bis zum unabhängigen Freiftant Liberia. 


Im Jahre 1620 fegelten zwei Schiffe aus Europa an die Küfte 
Rordamerika's; Das eine mit einer Ladung tapferer, freier, aber in Eng⸗ 
land verfolgter Maͤnner, die unter Schneeflürmen und Hagel an der 
Plymouthllippe in Maflachufetts ald Gerettete an's Land fliegen, und 
dort den Grund zu dem Sreiftaat legten; das andere ein Holländer: 
ſchiff, welches Die erften 20 Sclaven an der Mündung des James-Fluf- 
fed in Birginia auf den Markt brachte. Mit ihnen beginnt das Land 
der Freiheit und der Sclaverei, das bald Millionen Glück und Unglüd 
bringen follte. Der Magiftrat von Virginia jehte ſchwere Buße auf 
ben Menichenhandel, der Staat von Maffachufetts beftrafte die Men- 
ſchenraͤuber als Verbrecher, in Georgia und Süd-Carolina erhielten 
die Gouverneure von der Krone England den Befehl, ſich der Einfüh- 
rung der Sclaven nicht entgegenzufegen, weil man dieſe für ein fiche- 
red Band Hielt, die englifchen Colonien in Abhängigkeit von der Krone 
zu halten. Im Norden der Staaten fanden die Sclaven wenig Eins 
gang; aber im Süden nahm ihre Zahl ſchnell zu, der Menſchenhandel 
wuchs heran zu einem furchtbaren Gewerbe, zu einer Peſt für das 
Land. Kür den Staat von Virginia wurde die Bekämpfung feines 
Widerſtrebens gegen die Begünftigung der Sclaverei Durch die Krone, 
ein bedeutend mitwirfender Grund, fih von England loszureißen. Diefer 
Widerwille, dieſe Empörung gegen den Sclavenhandel ift nie in ber 
Bruſt der edleren Hälfte der Bürger der Kreiftaaten der Union erlo- 
ſchen, wenn auch eine andere Hälfte ihrer Bevölkerung fich diefem ſchaͤnd⸗ 
lichten aller Gewerbe voll Eigennuß ergab. 

Am 30. Dechr. 1816 trafen zwei Männer, Caldwell und Ro> 
bert Finley, die fih lange mit dem Gebanfen über die Schänplich 
feit dee Sclaverei getragen hatten, in der Stadt Waſhington zufams 
men, mit der Weberzeugung, daß Etwas in diefer Sache geſche— 
ben müffe, wenn aud alle ihre Zeitgenofien dies für unmoͤglich 
hielten. Eine am folgenden Tage im Capitol angefegte Verſammlung 
fam nach vielen Debatten doch endlich zu dem Entfchluß, es folle in 


12 C. Mitter: 


Beziehung auf die Sclavenfrage eine Öefellfchaft zufammentreten, 
um Berichte und Erfahrungen einzufammeln, ob es möglich fei, eine 
Colonie befreiter Neger mit Selbftverwaltung in Afrifa ober fonft ir 
gendwo anzulegen. Schon 8 Tage fpäter organifirte fih, unter dem 
Beiftande der Staatsverwaltung, die amerifanifche Colonifa- 
tions-Gefellfhaft für freie Neger in den Bereinsflaaten mit 
Buſhrood Washington an ihrer Spige ald Präfivent, und Elias 
B. Caldwell ald Serretair, mit der Devife: „Etwas muß dafür 
geſchehen (Something must be done).” Biele Gegner traten mit dem 
Widerfpruch hervor, das fei unmöglich: der Neger fei zu unwiffend, es fei 
eine untergeordnete Raffe des Meenfchengefchlechtes, nur zu Laftthieren, 
Holhauern, Waflerträgern und Knechten geboren, unfähig fich felbft zu 
regieren. Man entgegnete: ſie find unſterblich, wie wir, find unfere 
Brüder; Jehova hat Ifrael auch aus der Sclaverei in das Land der Frei⸗ 
heit geführt; feht auf Lot Cary's Beifpiel, das Euch von felbft wis 
verlegt. Lot Cary war 1780 zu Richmond in Virginia als Sclave 
geboren, von frommen Eltern erzogen, hatte A Jahre ald Sclave in einer 
Tabackshandlung gearbeitet und fih im 2Aften Jahre zur Baptiftens 
Kirche befehrt; er Hatte lefen und fchreiben gelernt, und war endlich 
ein fegensreicher Prediger feiner Mitfelaven geworden. Durch Fleiß 
und Sparfamfeit erwarb er fih 150 Dollars; er Faufte damit ſich 
und feinen zwei Söhnen die Freiheit. Nun erwarb er fih im Waa⸗ 
renhauſe jührlih 800 Dollars für feine Dienftleiftung. 1816 trat er 
als Mitglied in die Colonifationss Gefelfchaft und ward eine ihrer 
eifrigften Stuͤtzen. 

Mr. Mills, im Auftrage der Gefelichaft, mit geringen Mitteln, 
aber von zwei jungen Männern, Ebenezer Burgeff und Dr. Bur⸗ 
geff, voll Eifer die Sache weiter zu erforfchen und auf Kundfchaft 
auszugehen, begleitet, fhifften fi nun im November 1817 nad) Eng» 
land ein, wo ſchon 10 Jahre zuvor der Sclavenhandel durch Wil- 
berforce'8 Bemühungen aufgehoben war. Nach Stürmen und Rets 
tung aus großen Gefahren erreichten diefe Männer London, wo fie 
von den Negerfreunden, wie Wilberforce, Will. Dillwyn, 
Dr. Hodgfin und Anderen mit offenen Armen empfangen wurben 
und große Theilnahme für ihr Unternehmen fanden. Mit ihrem Rath 
unterftüßt gingen fie nad) der Weſtküſte Afrikas, fuchten die Haupt- 


Die Neger» Mepublif Liberia. 13 


warte der Sclavenhänbler in den Häfen felbft auf, um fich, nicht ofne 
kt, von ven Grauſankeiten in ihren Factoreien zu überzeugen, in 
denen mitunter vier und fünf Taufende jener unglüdlichen Gefeffelten, 
we Bieh zufammengehäuft, in Todesjammer, zumal die gebärenden 
Frauen mit ihren Säuglingen dahinftarben, ehe fie nur auf der Ueber- 
hahrt den Berfolgungen der kreuzenden Wächterfchiffe der englifchen, 
franzoſiſchen und amerifanifchen Seecapitaine entrinnen fonnten. Sie 
drangen, die Küfte entlang, bis zur englifchen Colonie Sierra Leone 
vor, wo fte in der Dort fchon länger beſtehenden Freiftätte der Neger 
(Frectown) die Freude hatten, eine chriftliche Kirche für die befreiten 
Neger, ihre Schulen und Anfievlungen zu finden. Hierdurch in ihrem 
Borhaben beftärft, folgten fie einem dort feit längerer Zeit angefiebel- 
ten freien Reger, Kizell, der ald Sclave nach Amerifa gebracht, fich 
als Soldat ausgezeichnet, feine Freiheit erhalten hatte und feit 1792 
nach Sierra Leone zurüdgefehrt war, wo er als Agent diefer Colonie 
nüsliche Dienfte leiftete. Wohl bekannt mit den Negerfönigen der Küfte, 
verfhaffte er ihnen auf den Sherbro-Infeln, in der füblichen 
Nachbarſchaft von Sierra Leone, eine Aubdienz, und Berathung (pala- 
ver in verderbtem Portugieſiſch bei den Negervölfern diefer Küfte ges 
nannt) bei dem dortigen Negerfönige zu Yonie, der ihre. Gefchenfe 
freundlihd annahm, den anfommenden freien Negern Land abzutreten 
zufagte und felbft bereit war, feine zwei Söhne zur Erziehung nad) 
Amerifa zu fchiden. Befriedigt fegelten die Agenten heim, aber zur 
Trauer und Freude zugleich für die Gefellfchaft fehrte nur der eine Burs 
gef lebend in die Heimath zurüd. Lot Gary und fein Bufenfreund, 
Colin Teague, befchlofien fogleih als treue Afrikaner ihren Brü- 
dern mit gutem Beifpiel voranzugehen. Colin lebte zu Richmond in 
Birginia auf feinem Landgut ald tüchtiger Landwirth. Er Hatte durch 
feinen Fleiß fih und feine Kinder für 1300 Dollars frei gefauft und 
längft feinen früheren Mitfclaven die Erlöfung gepredigt; jebt ſahe er, daß 
bie Zeit da fei, für fie thätig zu wirfen. Die Acte des Congreſſes zu 
Waſhington war endlich, nach den gemachten Erfahrungen, im 3. 1819 
durchgedrungen, hatte den afrifanifchen Sclavenhandel ald Verbres 
den der Seeräuberei erflärt, und Tobesftrafe darauf geſetzt. Yür 
die aus den Händen der Menfchenräuber befreiten Negerfelaven, die 
dadurch ihre Freiheit erlangten, autorifirte der Congreß die Geſellſchaft, 


14 C. Ritter: 


ein Afyl durch einen Agenten auffuchen zu laffen. Viele diefer freien, 
geretteten Neger fürchteten anfanglid auf dem Boden Afrika's Hun- 
gers zu fterben ober den Tod durch ihre Feinde zu erleiden; andere 
aber und zumal die frei gewordenen amerifanifchen, meift gebildeten 
und zu Ehriften gewordenen Neger waren bereit, für Gotted Wort, für 
ihre Hreiheit und für das Wohl ihrer fchwarzen Brüder auf dem Bo: 
den ihrer Heimath auch in den Kampf zu gehen. Am 21. Januar 
1820 begab fich die erfte Emigration von 30 Negerfamilien, aus 89 
Sndividuen beftehend, mit 2 Regierungsbeamten, Sam. Bacon und 
John B. Vankſon, und dem Agenten der Gefellfchaft, dem Arzt 
Dr. Sam. Erozer, nad feierlicher Einfegnung in ver afrikanischen 
Kirche zu New⸗-York, mit Arbeitern, Inftrumenten und Lebensmit⸗ 
teln aller Art verfehen, über Sierra Leone nach den Sherbro-Infeln, 
wo Kizell, als ihr Rathgeber, fie mit Freudenthränen unter dem Pal: 
menwalde des abgetretenen Landftriches empfängt, für den Bau ihrer 
Hütten, für Nahrung an Ziegen, Fifchen, Kokos, Orangen u. f. w. ges 
forgt hat, während die neugierigen, nur mit Lumpen umhängten, nads 
ten und wilden Eingeborenen binter den nahen Walbdidichten laufchen, 
und Die wohlgefleiveten freien Antömmlinge mit ihrem reichen Haus 
rath bewundern und fchon auf Beute lauern. Der Empfang feitens des 
Könige von Sherbro war nur kalt gegen den eines feiner Prinzen im 
vorigen Jahr; das Elima der niedrigen Infel, auf der man ſich nies 
verließ, fo ungefund, daß bald die heftigften Fieber Alles in IJammer 
und Noth verwandelten. Viele wurden matt oder ganz dahingerafft, 
die beiden Agenten, auch der Schiffslieutenant, felbft der Arzt Dr. Eros 
zer, flarben in Fürzefter Zeit dahin. Seinen legten Willen legte Dies 
fer in die Hände des Daniel Eofer, eines Negerd und Predigers 
von der Episcopalficche, nieder, der voll Gottvertrauen, voll Helden⸗ 
muth in der allgemeinen Noth, ald Vater der Veberlebenden zurüds 
blieb, für die Kranken, für die Kinder, für Schule und Belehrung und 
alle Noth Hülfe und Troft zu geben wußte und Amerifa um Beiftand 
anrief. Als dieſer ankam, hatten ſich viele der Kleinmüthigen wieder 
erholt, 20 waren geftorben, die anderen waren genefen und blieben 
noch lange am Leben. 

Die verftorbenen Führer wurden durch andere Fühne Agenten, 
Rev. E. Bacon und Mr. Win von der V.⸗St.⸗Regierung, und 


Die Neger» Nepublit Liberia. 15 


Kiltberger von der Geſellſchaft erfegt, die fogleich mit ihrem Schiff 
ne andere, geſundere Station, 60 Meilen gegen SO., auf dem 
göngigen Cap Mefurado auffuchten, wo aber ein Friegerifcher Ne⸗ 
glinig, Peter, wie alle feine blutigen Vorgänger felbft Sclaven- 
Hindler, ein mächtiger Herrſcher war, der, wie er alle früheren Aners 
Wetungen Englands und Frankreichs zurüdgewiefen hatte, um fein ſchaͤnd⸗ 
ches Gewerbe ungeflört treiben zu fönnen, fo auch jet den Amerika 
nem jedes Gehör verweigerte und ihre Gefchenfe höhnend zuruͤckwies. 
Da man große Schaaren gefefielter Sclaven am Ufer von Franzofen, 
wie Viehherden, zu ihren Factoreien vorüber treiben fah, fo fchiffte 
man noch 12 Meilen weiter gegen SD. zu einem Fluß, Groß⸗Baſſa 
genannt, aus welchem ein Dutzend Canoes der Schwarzen, mit Lebens» 
mitteln reichlich beladen zum Austaufch gegen Tabadsblätter, ihnen ent⸗ 
genſchwammen. Sie boten Yams, Pifang, Ananas, PBalmöl, Palm⸗ 
wein, Hühner und Auftern an, und ladeten freundlich an ihr Ufer ein; 
der Neger Bottle beer, ein Mann aus dem Kru⸗Volk, erbot fich Fuͤh⸗ 
ter im Lande zu fein, und brachte fie in fein nahellegendes Dorf, wo, 
wie auch in einigen anderen umliegenden Dörfern, die Agenten ber 
freien Reger fehr freundlich bewillfommnet wurden. Das Land hatte 
ein liebliches Anfehen. Auch in Jumbo⸗town, der Refivenz des Ne⸗ 
gerfönige Jack Ben von Groß-Baffa, verfchaffte ihnen ihr dienſtwil⸗ 
figer Kruman eine Audienz bei dem Könige, der gern die Gefchenfe, 
die ihm dargeboten wurden, annahm, und freudig auf die Wünfche der 
Agenten einging, die Amerikaner hier fich anfieveln und Städte bauen 
zu laſſen, Waaren zu bringen und Land zu Faufen. Das Gefchenf 
von einem Paar Matrofenhofen an feinen ſchwarzen Prinzen erfüllte 
ihn mit Freude, die er im gebrochenen Englifh durch die Worte bes 
jeugte: „he gentleman, all one white man.“ Alle wollen fie Weiße, 
d. i. von höherem Adel werden; er will feinen Sohn nach Sierra Leone 
witgeben, um dort lefen und fchreiben zu lernen und das Buch (Cd. i. 
Die Bibel) zu erhalten, das ihm noch als das Zaubermittel zu allem 
Beſitz der Weißen zu gelangen erfchien. Die gegenfeitigen Verſprechun⸗ 
gen werden zu einem book gemacht; fo nennen fie die gefchriebenen 
Tractate. Aber das Fieberclima fordert feine Beute: Win und feine 
Frau flarben im Lande, auh Andrus, der Hier in befreundeten Um⸗ 
gebungen als Mifftonar feine Hütte auffchlug; Bacon mit feiner Frau, 


16 C. Ritter: 


durch Fieber gefchwächt, kehren einſam nach Amerifa zuruͤck, nur Wilt⸗ 
berger allein von den Agenten bleibt in Groß-Baffa und wartet die 
Hülfe ab, die auch nicht lange ausbleibt. 

Dr. Eli Ayres aus Philadelphia, von der Colonifations = Gefells 
fhaft zum Agenten ernannt, fegelte mit dem amerifanifchen Kriegsfchiffe 
unter Capitain Stodton, zur Vertilgung des Sclavenhandels, nach 
dem Hauptfige dieſes biutigen Gewerbes, nach der Mefurado-DBay, 


die unter den Bergzügen des Monte ferrado, von dem fie ihren verz. 


ftummelten Namen trägt, liegt und die gefundefte Stelle zu einer Nies 
derlaffung ift, welche aber noch unter der Gewalt des Königs Peter 
und feiner Sclavenhändler ſtand, der an diefe durch Habſucht gefef- 
felt, fortwährend gegen die Verfolger der Sclaverei aufgeheht wurde. 
Nach vielen Zurüdweifungen, wie zuvor, drang diefed Mal der Capi— 
tain doch mit feinen Gefchenten bis in die Reſidenz des Königs zum 
Palaver vor, wo König Peter, von feinem Kriegsheee umgeben, ihn 
und feinen Gefährten Dr. Ayres feierlich empfing, aber bald voll Zorn 
und Hohn in laute Anklage gegen diefe Vertilger des Sclavenhandels 
losbrach, ein Zeichen für die um ihn verfammelte, bewaffnete, blutduͤrſtige 
Leibwache zur Niedermetzelung der Gefandtfchaft, welche im Vertrauen auf 
das gegebene Geleit ohne Waffen fich dem Throne des Wütherich8 gena⸗ 
het hatte. In diefem Moment der Entjcheidung zog der Kapitain ein 
kleines Tafchenpiftol, das er glüdlicher Weife zu fich geftedt, hervor 
und hielt es drohend gegen die Stirn des Königs, mit ber anderen 
nach oben ausgeftredten Hand Gott zum Zeugen des Verrathed anru⸗ 
fend. Sm Schreden vor dem Königsmord flürzt das verfammelte Volk 
nieder zur Erde; der Capitain zieht fein Piſtol zurüd, durch fein ener⸗ 
gifches Verfahren ift der Aufruhr fchon gedämpft; die Häuptlinge hö= 
ren auf feine vortheilhaften Anerbietungen, felbft der feige König Beter 
geht auf den Vorfchlag ein, der amerikanischen Niederlaſſung ein Stüd 
Landes zu verfaufen. Sogleih wird der Vertrag darüber gegen den 
Kaufpreis von 6 Musfeten, einer Kiſte vol Korallenfchmud, 2 Oxhoft 
Tabak, 1 Tonne Pulver, 6 Barren Eifen, 10 Eifentöpfe, 1 Dutzend 
Mefier, Gabeln und Löffel, 20 Spiegel, 50 Meſſer und eine große 
Menge anderen Hausgeräthed, wie auch eine Anzahl von gewebten 
Stoffen, Hüten, Schuhen u. f. w. abgefaßt, durch den König Peter, 
wie von 5 anderen mit ihm verbündeten Negerfönigen, mit ihrem Kreuz 


24 


Die Neger: Mepublif Liberia. 17 


mirgichnet, von Gapit. Stodton und endlich noch dem Arzte Eli 
Ayres, al8 Document, in Gegenwart der Verfammlung mit ihrem 
Rem unterfchrieben. 

So war Denn nach mehrfach verfehlten Verfuchen ein gefun- 
ter Landftrich zur Anfiedelung für friebliche, freie Neger auf eine 
warehare Weiſe gefunden. Am 25. April 1822 wurde die ameris 
lauiſche Flagge unter Lobgefängen und Danfgebeten gegen Gott auf 
das Gap Mefurado gepflanzt, und damit der Grundftein zum 
neun Freiſtaat Der Schwarzen gelegt. Die überlebenden Eoloniften von 
Sherbto und einigen anderen Verfuchsftellen konnten fogleich hierher 
übergefiedelt werden, wo ſchnell Hütten erbaut wurden, um noch vor 
der nahen Regenzeit Schu zu finden Die kühn vorfpringende 
Landzunge des Eap, im SW. vom Meere, im NO. vom Mefus 
abo: Fluß mit der im Norden anliegenden Bai Mefurado, im welche 
Rh der St. Bauls-Fluß ergießt, begrenzt, erhebt fih 250 Fuß über 
dem Meeresfpiegel. Das Land umher ift fruchtbar und gut, aber die 
Rahbarflämme der Neger mahnten zur Borfiht. Die Veys, die 
Nachbarn im Norden des abgetretenen Landftriches zwifchen Cape Mount 
und Rio Sallinas find ein flolger, Friegerifcher, ganz mit dem Sclaven- 
Bandel vertrauter und fehr thätiger Stamm; die Deys, um die Küfte 
Meſurado's wohnend, treulos, Ttederlich, graufam; andere Abtheilungen 
ter Baſſa's leben noch fühlicher, und tiefer landein findet fich der Fries 
gerifhe Stamm der Condus. 

Das abgetretene Rand lag zwei englifche Meilen fern von der 
Spitze des Borgebirges, anderthalbhundert Schritt vom Fluß im NO., 
abwärts einer fleilen Wand, mit dichter Waldung, Rankengewächſen 
und Unterholz überwachfen, das 90 Anfiedlern zum Wohnſitz unter der 
Pflege Elijah Johnſon's angewiefen wurde, da Wiltberger 
und Dr. Eli Ayres nad Amerifa zurüdfehrten. Nah 2 Monaten 
vermehrte fich die Colonie durch ein Schiff mit 35 Emigranten und 
Borrätfen unter der Anführung des hefdenmüthigen Jehudi Aſh— 
mun, der ein wahrer Vater der neuen Anfievelung genannt zu wer⸗ 
den verdiente und derfelben bis zu feinem Tode im Jahre 1828 treu 
Mieb. Nach überlebten Stürmen landete er am Cap, wo er den Wal 
ſchon gelichtet, 30 Häufer und ein Waarenhaus erbaut fand, aber noch 
waren feine Bertheidigungsmaßregeln gegen die Angriffe der Nachbarn, bie 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. 1. 2 


18 C. Ritter: 


während der Regenzeit nicht ausblieben, getroffen, noch war freies Land 
für die mitgebrachten Anftebler vorhanden. Ein neues Waarenhaus 
mußte fogleih zur Unterbringung der Effecten und Vorräthe erbaut 
werden; eine Holzfirche, welche einige Freunde in ihrer Heimath zu 
Richmond in Virginia erbaut hatten, wurde am Cap Mefurado auf: 
gerichtet, und Lot Gary, der fie mitgebracht, weihete fich ihrem Dienfte 
als Paſtor der neuen Gemeinde feiner ſchwarzen Brüder. Die für den 
Negerlönig Peter mitgebrachten Gefchenfe wurden fehnöde zurüch⸗ 
gewiefen; ein Zeichen veränderter Gefinnung und drohender Zufunft. 
Auch König Brifter und Andere zeigten fih eben fo. So wurde die 
Bertheidigung nothwendig. Die Zahl der Coloniften belief fich auf 
130, von denen nur 35 Waffen führen konnten; 13 von ihnen hat: 
ten fogar nie eine Musfete geladen. Täglich wurde nun erercirt und 
eine Art Thurm als Rüftfammer für AO Musfeten, den ganzen Waf 
fenvorrath, und für eine Batterie von 5 eifernen Kanonen zum Schuß 
der Anfievelung erbaut. Aber A von den Kanonen waren im Schlamm 
verfunfen und mußten erft mühfam vom Ufer heraufgefchleppt werden; 
nur eine Metallfanone wurde brauchbar befunden. Der Wald um die 
ganze Anftebelung wurde nun gelichtet, und ein Theil des gefällten 
Holzes zur Verpallifadirung verwendet; jede Nacht ftellten die Anſiede⸗ 
ler 20 Wachtpoſten gegen den heimlich anrüdenden Feind aus. Mit 
der Regenzeit fingen auch hier die Fieber an ihre Opfer zu fordern. 
Tech. Aſhmun, die Seele der Eolonie, ließ ſich durch Nichts in fei- 
nen tapferen Anordnungen abhalten. Seine Haupthülfe waren Lot 
Eary und Johnfon, die im letzten amerifanifchen Kriege ald Sol: 
daten gegen die Engländer gefochten hatten; zumal Gary war der 
Ingenieur, der Die Batterie der Kanonen um das Fort aufftellte, die 
Pallifadenreihe in Vertheidigungszuftand gegen Musfetenfeuer brachte, 
2 Kanonen, auf Räder und Lafetten geftellt, zur Hülfe bei einem Angriffe 
beweglich machte und dabei doch predigte, Bäume fällte, Hütten baute 
und den Kranken im Nothfall als glüdlicher Arzt beiſtand. Aſhmun's 
Gattin farb in der Regenzeit nach achtroöchentlichem Kranfenlager an 
Erfhöpfung in großer Noth auf ihrem Lager, Das täglich vom Regen 
durhnäßt wurde. Aſhmun ſelbſt ermattete, als Die Regenperiode fich 
mäßigte, aber zugleich das Kriegsgefchrei gegen die umherlauernde Feinte 
fich täglich erneuerte. Er gab firenge Befehle, daß fein Eolonift außer- 


Die Neger Republik Liberia. 19 


hab des Forts ſchlafen, daß alle Familien, die entfernter davon ihre 
Häten bewohnten, Die Nächte in demfelben zubringen follten. Die Uns 
irlamen wurden furchtbur geftraft; denn zur Zeit einer Morgen 
Ymmrung, ald Die Nachtwachen die Borpoften ſchon verlaffen hatten, 
K ve Tagwachen eingetroffen waren, brach der längft lauernde, wis 
re Geind unter furchtbarem Kriegsgeheul gegen die außerhalb zer- 
Auen Hütten los, erfchlug die Männer und Weiber, fchleppte an- 
re und die Kinder ald Gefangene in den Wald und plünderte bie 
Belmungen mit folcher Emfigfeit aus, daß nur der Aufenthalt bei 
diefer Blünderung den Feind noch erreichen ließ. Aſhmun eilt auf 
das Schlachtfeld; Lot Gary folgt fogleich mit 2 Kanonen, doppelt ge- 
laden mit Kugeln und Graupen, und mit feiner Mannfchaft nach; in 
einer halben Stunde iſt der Sieg entfchieven, und die große Schaar 
des Negerheeres entflieht mit wilden Gefchrei in die Wälder. 

Unter den 35 bewaffneten Vertheidigern der Colonie waren 6 Ne- 
gerjungen noch unter 16 Jahren; 5 weibliche Verwundete und Leichen 
lagen auf dem Kampfplage; 7 Kinder waren fortgefchleppt als Scla- 
ven; viele Berwundete und Kranke mußten gepflegt werden; die Noth 
war ſehr groß, die Erfchöpfung allgemein. Aſhmun felerte einen Buß- 
und Bettag, um Gott für die Errettung zu danken. Der Feind kehrte 
zwar zu Taufenden wieder, wurde aber jedes Mal durch Vorſicht oder 
Tapferkeit zurückgeworfen, fo daß von Seiten der Coloniften nur wenige 
Opfer fielen. Defto furdhtbarer wüthete ein neuer Feind von Innen, 
der Hunger, indem die Vorräthe allmälig aufgezehrt waren, und neue 
Zufuhren ausblieben; auch das Schießpulver zur Bertheidigung ging zu 
Ende. Der lebte, bei einem falfchen Lärm vergeblich gethane Kanonen» 
ſchuß follte den Anſiedlern Glück bringen. 

Auf der anderen Seite des Caps ankerte nämlich ein britifcher 
Schooner, der auf der Fahrt nach Cape⸗Coaſt⸗Caſtle Borräthe aller Art 
trug und den Major Laing, den berühmten afrifanifchen Reifenden, 
an Bord hatte. Durch den Nothſchuß aufmerkſam gemacht, umfuhr der 
Schooner das Gap am 2. December, um den Bebrängten zu Hülfe zu 
elen, da der Ruhm ihrer Tapferkeit fich ſchon längs der ganzen Geſtade⸗ 
linie verbreitet Hatte. Er verfah die Eolonie wohlwollend mit Munition 
und Lebensmitteln. Laing's Anfehen unter den Regerlönigen, die ex 
in ihren Refivenzen aufjuchte, vermittelte den Frieden mit der Eolonie; 

2 » 


f 


20 C. Ritter: 


die entführten Sclaven und die gefangenen 7 Kinder wurden zurüd: 
ſchickt, ſowie Ochfen- und andere Heerden mit Nahrungsmitteln aller 
Art auf dem Markt zu Mefurado feilgeboten. Bei des Schooner’s Ab: 
reife entichloß fi der Minfhipman Gordon mit 12 britifchen Mas 
trofen in der Colonie zurüdzubleiben und ſich dort Häufer zu bauen; 
aber ehe das Frühjahr heranfommt, hatte das Fieber 9 von ihnen ſchon 
hinmweggerafft, da die Weißen noch viel fehneller, als die Schwarzen 
demfelben unterlagen. 

Als Dr. Ayres mit einem anderen Transportfchiffe in der Eo- 
fonie im Mai 1823 vor Anker geht, ift der Vater Jeh. Aſhmun ge- 
nefen; 50 gute Wohnhäufer, 3 große Waarenmagazine find erbaut; 
der Feftungsthurm von Stein ift zugleich mit Thüren und 6 Kanonen 
verjehen; 150 bewaffnete, gefunde Coloniften find zur Verteidigung 
bereit. Die freilich bedeutenden Ausgaben für alles Diefes werden dem 
tapferen Borftande zum Borwurf gemacht, und felbft Jeh. Aſhmun 
trifft Verlaumdung bei der Eolonifations-Gefellfchaft, denn überalt 
treten ja auch mißwillige, unzufriedene, unthätige, neidiſche Menfchen 
mit in dem Wirfungsfreife der Guten, wie Unfraut unter dem Wei- 
zen, hervor. Eine Empörung von folchen in der Niederlafjung felbft 
wird Durch Aſhmun's Energie zum Gehorfam gegen die Union 
und die Coloniſations-Geſellſchaft zurüdgeführt; aber felbft ermattet 
unter ver Laft der Arbeiten nöthigt die Kranfheit den trefflichen Mann, 
den Ort feiner Ausfaat, unter Thränen zu verlafien (1824) Er 
übergiebt die Verwaltung in des edeln EI. Johnſon's Hände, und 
fchifft in Hoffnung der Erholung nah Borto Praya auf die Cap: 
verdiſchen Infeln über. 

Bald darauf landet dort das amerikanische Kriegsſchiff Borpoife, 
mit dem Rev. R. Gurley an Bord, von der Golonifations- Ge- 
ſellſchaft als Agent mitgefandt, die in der Colonie entftandenen Strei- 
tigfeiten auszugleichen. Der dringenden "Einladung Gurley’s, der 
Aſhmun's Hohe Verdienſte wohl zu würdigen wußte, mit ihm nach 
Mefurado zurüdzufehren, konnte diefer nicht widerſtehen, um dort mit 
ihm eine nothwendige Revifion der Gefehe in der Eolonie vorzuneh- 
men. Cogleih wurde in der Kirche des Hauptortes, der nun den 
officiellen Namen Montovia erhielt, durch eine Verfammlung und 
Verathung mit 100 der ausgezeichnetften Coloniſten der eiſte Keim zu 


Die Meger: Republik Riberia. 21 


at poitiichen Selbſtverwaltung der Eolonie Liberia gelegt, indem die 
Alihaft vie Anftellung aller Beamten der Tchwarzen Bevölkerung 
mine jährlich zu wiederholenden Wahl der Colonie felbit über: 
zd. Bedeutende Kortfchritte waren nun fehon, zumal auch für die 
Igriceultur Der Eolonie geivonnen, die fich mit dem befeftigten Frie— 
va immer mehr entfalten konnte, da bereits durch die Zallung ver Wäls 
drum die Austrocfnung der Sümpfe das Clima bedeutend von fei: 
nem bojen Eharacter verloren hatte, und durch die Pflege der Aerzte, die 
Kenntniß der Jahreszeiten und ihres Wechfels, fo wie durch die befferen 
Borfehrungen gegen die Himatifchen Einflüffe, die wegraffenden Fieber 
jet zurüdgeträngt waren, endlich auch die Ernten fich belohnender, ala 
früher ergaben, die Lebensmittel felbft durch die Producte der Meder und 
Der Gemüfegärten veichlicher wurden und fich befierten, und man die 
Mittel mehr und mehr erkannte, die Producte gegen zerftörende Waf- 
ſerfluthen oder die Saaten und Früchte gegen zernagende Infecten und 
andere Feinde, deren es fo viele in den Tropenlandern giebt, zu fehügen. 
Biele Gefahren waren überwunden, viele Opfer gefallen, an PBrü- 
tungen härtefter Art fehlte es auch fernerhin nicht; aber immer traten 
Beivenmürhige Charactere unter den Männern und Frauen der Neger: 
colonie auf in patriotifcher und frommer Hingebung für das immer 
mchr und mehr aufblühende Afyl ihrer frei und glüdlich werdenden 
Brüder. Die Theilnahme von den verfchiedenften Seiten nahm unge: 
mein zu. Diele Negerfamilien, von ihren edeln Herrfchaften in den 
Vereinsſtaaten freigegeben und deren Anfiedelungen mit bedeutenden 
Gapitalien zum Ankauf neuer Ländereien, dotirt, mit Adergeräthichaf- 
ten, Küftenfchiffen, mit Sämereien, Drudereien, Inftrumenten, mit eh; 
tern und Geiftlichen zur Anlage neuer Kirchen und Schulen verfehen, 
verwanbelten nach und nach im Laufe kurzer Jahre die 100 englifche 
Meilen lange verwahrlofte Küfte in ein Land der beginnenden Civili⸗ 
jation und der Freiheit. So entftand 1824 die Anfievelung zu Neu 
Georgia und die Stadt Caldwell am St. Paulsfluß; 1827 die 
Anfievelung zu Millsburg. 1829 wurde in den früher feindlichen 
Territorien der blutgierigen Negerfönige Brifter und Boatswain 
durch den gelehrten Arzt und Brofeffor in Wafhington, Dr. Richard 
Zandall, der früher Feind Aſhmun's gewefen, aber bei feiner 
lieberfiedelung ein Bewunderer befielben geworden war, Carytown 


22 C. Ritter: 


zu Ehren Lot Cary's gebaut. Die bafeler Miſſion fandte ihre 
deutfchen Mifftonare, die hier denen von den Mifffippis Gefellfchaften 
und aus anderen Theilen der Erde zu gemeinfamer Belehrung und 
Bekehrung des Volkes und der Heiden begegneten. Die Wuth der 
Sclavenhaͤndler, zumal Spanier, Franzoſen, Portugiefen und Amerikas 
ner, die, immer mehr von diefer Küfte verdrängt und verfolgt, ihr ſchaͤnd⸗ 
liches, aber fehr einträgliches Gewerbe, das noch immer Millionen ein- 
brachte, in Verfall kommen fahen, reizten ſtets von neuem die Nadhs 
barkönige zu furdhtbaren Meberfällen gegen die frieblichen Eoloniften auf, 
die aber nun ſchon meift fiegreich durch Patriotismus und Vertheidi⸗ 
gung ihrer Kreiheit, ihrer Familien und ihres Eigenthums zu helden⸗ 
müthigen Kriegen erhoben, das neue Vaterland vor der Zerreißung 
durch die Wuth der Barbaren und ihrer Aufhetzer zu fehügen wuß⸗ 
ten. Auch Hier fehuf unter den Negern die Todesgefahr kuͤhne Hel⸗ 
den und einfichtsvolle Feldherren, die mit wenigen Hunderten ihrer 
tisciplinirten Truppen mehrmals an 3000 ver barbarifchen Feinde in 
vie Flucht jagten und mit wachfenden Kräften es felbft wagten, den 
immer wieberfehrenden Feind durch mehrere Tagereifen lange Sümpfe 
und Wälder in den Refidenzftäbten ihrer Könige und Beherrfcher felbft 
aufzuſuchen und diefe zu Frievensverträgen zu zwingen, woburd mit 
den Jahren allen Nachbarkoͤnigen endlich Refpect eingeflößt, ja vielen 
felbft durch Treue und Rechtlichfeit in der Haltung der Verträge fo 
viel Vertrauen beigebracht ward, daß fie, den blühenden Aufichwung der 
freien Colonie anerfennend, um die Aufnahme als Freunde in ven 
Bund der Colonie baten, um auch deſſen Vortheile genießen zu kön⸗ 
nen. Die erſte Hauptbedingung, die ihnen jedesmal geftellt wer: 
den mußte, war völlige Entfagung vom Sclavenfang und 
Menfhenhandel, und nicht wenige von ihnen gingen dies ein und 
entſagten felbft ihrer Königewürbe, um mit ihrem Volt Bürger ver 
Golonie zu werden, worauf denn auch Anfievelungen, Schulen, Kir- 
hen, Miffionen und Binnenhandel folgten, fo wie die Zerftörung ihres 
Goͤtzenthums, ihrer Teufeldanbetung, ihrer Zauberfünfle, ihrer graufa- 
men Gottesurtheile durch Feuerprobe und Gifttrinken ſtatt rechtlicher 
" Nichterfprüche, bedeutende Fortfchritte im ganzen Umfreife der Anſiede⸗ 
lung herbeiführten. 

Sp wurde im Jahre 1834 einer der mächtigften und durch feine 


Die Neger: Republik Liberia. 23 


Shredendregierung gefürchtetiten Regerfönige, Boatswain, der nicht 
zewehnlice Talente als tapferer Krieger entfaltete, aber ganz unter 
tem Einjluffe niederträchtiger Sclavenhändler ftand, in feiner eigenen 
Raben zu Bo Poro, tief im Lande, überrafcht und zur Aufhebung 
ver Schaverei gezwungen, von wo an er in freundliche Verbindung 
sit der Golonie trat. Als in dem folgenden Jahre am Port Eref> 
von de Golonie Baffa-Eove, mit dem beften Hafen an der Küfte, 
wo früher die Hauptfactoreien der Sclavenhändler im Gange gewefen, 
gegründet wurde, und der mächtige König Boatswain, durch welchen 
noch einige Nachbarkönige aus Furcht vor ihm vom Sclavenhandel abge: 
halten wurden, geftorben war, fing der König des fernen Binnenlan- 
des, Goterah, Durch die heimlichen Intriguen der fpanifchen Scla- 
venhindler in BaflasEove aufgereizt, im Sabre 1839 von neuem 
an, die frievlichen Küftenanfiebler mit euer und Schwert zu über: 
fallen. Zunächft wurden die Deys an der Küfte Mefurado von ihm 
in Schredien geſetzt und theild als Gefangene weggefchleppt, meift aber 
niedergehauen, fo daß nur 20 von ihnen an den St. Paulsfluß flic- 
ben und in Millsburg um ein Afyl bitten Fonnten, wo fie auch 
Aufnahme fanden. Bald darauf fil Gatumba, der Nachfolger Kö- 
nig Boats wain's, aber von ganz entgegengefeßter Gefinnung und von 
Has entzündet, in Milsburg ein, zerſtörte den Ort und fchlachtete alle 
Dens, mit der Behauptung feines Rechtes auf alle, als entlaufene 
Sciaven. Bei dem Gefechte ward fein Begleiter und Mitgenoffe König 
Goterah durch eine Kugel erhoffen; er hatte einen eifernen Topf 
mitgebracht, um darin ven Mifjionar Brown In Milsburg zu kochen 
und zu feinem Frühſtück zu verzehren, und eben fo war anderen 
Männern in dieſer Colonie der Tod gefchworen. Sie wurden zwar 
gerettet, aber der wüthende Gatumba, der als Oberfönig einen gros 
sen Einflug auf viele andere Häuptlinge ausübte, fann darauf, 
den Top Goterah's an der olonie zu rächen und bereitete Al⸗ 
les zu einem blutigen Kriege vor. Nothwehr forderte auf, dieſem zu⸗ 
vorzufommen; es wußte etwas Entſcheidendes gefchehen, um ven Fries 
geriihden Gatumba in dem Räuberfiß, felbft in feiner Haupiſtadt, die 
tief im Lande in ven Wäldern lag, ſammt feinem ganzen Höllenbunde 
wu zerftören. Alle Friedensvorfchläge waren fruchtlos; da erhielt der 
Regergeneral I- Roberts von dem Gouverneur der Golonie, Th. 





24 C. Ritter: 


Buchanan, das Obercommando und den Befehl, diefen Feldzug mit 
feinen 300 Mann bewaffneter chriftlicher Kämpfer für ihre Freiheit, 
gegen die vielen Taufende der heinnifchen Sclaven des blutgierigen 
Despoten zu eröffnen. Die größte Schwierigfeit war in mehreren Ta⸗ 
gemärfchen auf ganz weglofen Pfaden mit der Munition, wozu auch 
eine Kanone gehörte, und mit dem Proviant, zu deſſen Transport fich 
gegen 60 befreundete Krumen bereitwillig zeigten, Hindurchzubringen, um 
die Königsrefivenz zu erreichen, die nur einige 20 englifche Meilen fern 
von den Oftgrenzen der Colonie lag, aber durch eine faft undurchdring⸗ 
liche Wildniß von ihr abgefchieden war. Mit Vorficht mußte man den 
engen Pfad durch die Walddidichte, in denen auf allen Seiten ſchwarze 
Feinde lauerten, folgen, um die Stellen zu den Burthen der angeſchwol⸗ 
lenen Ströme und den Durchgang der Moräfte, wie zu den Schludh- 
ten zu finden, in denen man die Klippen und Berge zu überfteigen hof- 
fen fonnte. Die Kanone mit durchzubringen war unmöglich; fie 
mußte in einen Berfted geborgen werden. Mehrmals fielen die Schüffe 
im Bufch verfteckter Feinde auf die Durchjiehende Truppe. Doch nur 
einer ihrer braven Gapitaine blieb von einer Kugel getroffen tobt auf 
der Stelle. Ald man die Urwaldung überwunden und den freien 
Rand der dahinterliegenden Fläche der Königsftadt erreicht Hatte, um⸗ 
ging man glüdlich einen dortliegenden Hinterhalt des Feindes, der mit 
wilden Musfetenfeuer den Weg zu verfperren ſuchte. Nun war Fein 
verborgened Vorfchreiten mehr möglih, Gatumba mußte Botfchaft 
von der Annäherung der Truppe erhalten Haben; auch fand man vor 
der Stadt, die von der lebten Gefechtöftelle noch 2 Stunden entfernt 
war, einen feurigen Empfang. Denn aus allen Schieglöchern der um- 
mauerten Stabt, die mit Munition aus den Niederlagen der Sclaven- 
händler hinreichend verfehen war, bligten die Musfetenfeuer; aber nur 
wenige der Kugeln trafen. Mit befferen Slintenfchüffen wurde ge⸗ 
antwortet, und nach vielen donnernden Salven und lebhaften Angrif: 
fen, welche die zahlreiche Bevölferung der Stadt in größten Schreden 
verfegte, weil fie nie dergleichen gehört, wurden unter militairifcher 
Mufif, im Sturme durdy die Fühnen ftrategifchen Anorbnungen des 
Commanbdirenden die Thore der gut vertheidigten Stadt gefprengt, und 
dies geſchah ſo ſchnell, daß der panifche Schreden zugleich das ganze 
Volk auf der anderen Seite der Stadt in die Wälder entfliehen lich, 


Die Neger» Republik Liberia. 25 


tie Sieger felbft voll Erſtaunen ihre Fahne auf ven Mauern errichte- 
im, und feiner derſelben glauben fonnte, den Löwen in feiner Raubs 
hohle gebandigt zu Haben. Aber Gatumba mußte nun in den Wäl- 
tern, wie ein Verbrecher, umherirren, indem alle feine Bundesfönige, die 
a wit eiſernem Scepter beherrfcht Hatte, von ihm abfielen und ver 
or Wald durchbrochen war, welcher nach der DVerfündung ber 
Gen und Zauberer bisher als undurchdringliche Schugiwehr gegen 
Die Küſtenbewohner gegolten hatte; denn in ihm fland der Teufels- 
baum, der Hauptfiß des oberiten der böfen Dämonen, dem bisher fo 
vide Zaufende als Opfer gefallen waren. König Goterah's Bru- 
der war bei Erſtürmung der Stadt troß des größten Zauberſchutzes, 
eines Leopardenfelles, mit dem man feine Leiche in der Stadt 
noch bededt fand, erfchofien worden. Die Keffel mit Eochender Caſſada, 
bie den Schmaus zur Triumphfeier Gatumba's vorbereiten follten, 
dienten nun den tapferen Siegern zur Erhaltung ihrer Freiheit, zur 
Erquidung Ein Tag der Ruhe wurde ihnen in der Königsftabt zur 
Erholung vergönnt, dann übergab man diefe den Flammen, und ber 
Rüdmarich zur Küſte wurde angetreten. Der ganze Feldzug hatte den 
Siegem nur den Tod zweier ihrer Gefährten gekoftet; Bewunderung 
und Ruhm, Schreden und Zuneigung durchlief nun fchnell die Rei- 
ben aller fchwarzen benachbarten Völferfchaaren. 

Der Gouverneur der Colonie, Thom. Buchanan, welcher die 
Erpetition begleitete, hatte gefagt, etwas großes müfje gefchehen, um 
auf längere Zeit die Eriftenz der freien Colonie zu fichern; dies 
war wirklich gefchehen. Die Neger nannten ihn von nun an nur: 
die dicke Kanone (Big Canon). Sieben der benachbarten Neger- 
fonige, durch folche Tapferkeit gefchredt, Durch den Sturz ihrer Gögen 
zur Befinnung gekommen, durch das aufblühende Glüd der Colonie 
und ihrer freien Reger zur Einficht gelangt, wie viel auch für fie noch 
zu erringen fei, durch die fich Immer mehr verbreitende Lehre der Mifs 
fion von Gotteswort und dem Buche (der Bibel), dem fie fchon eine 
höhere Zauberkraft beigulegen geneigt waren, getrieben, eilten nach Mon- 
tovia mit Freundſchaftsbezeigungen und Gefchenfen; felbft aus dem viel 
tieferen Inneren der Länder kamen Botfchafter ganz fremder Negerftämne 

nit Anträgen auf Buͤndniß mit Liberia. Allen war der blutbürftige 
Gatumba mit feinen graufamen Sclavenjagden verhaßt; fie nannten 





26 C. Nitter: 


im einen verworfenen Bluthund, der fih nur noch von wilden Yams 
in den Walddickichten ernähren koͤnne; nie hätten fie mit ihren Kindern 
und Weibern im Frieden ihre Speifen verzehren können. Die erfte Bes 
dingung jeder Aufnahme der Könige und ihrer Völfer im Bunde war: 
völliges Aufgeben des Sclavenhandels; der Rüdfall wurde 
als ftrafbared Verbrechen angefehen. Zwar fehlte e8 auch fernerhin 
nicht an einzelnen Verlegungen dieſes Gebotes, aber dergleichen famen 
viel feltener vor, als früher, und auch unter ven roheften Negern wurde 
die Anficht eine allgemein verbreitete, nur in Liberia fei ein Afyl für 
Friede, Freiheit und Wohlftand. 

Diele der merfwürdigften nun eintretenden Ereigniffe der Eolonie 
und der fih drängenden denkwuͤrdigen Thaten einzelner ihrer ausge⸗ 
zeichnetſten ſchwarzen Glieder müfjen wir hier übergehen, um zu der 
neueften Gegenwart der Colonie fortzufchreiten, die unter I. Roberts, 
dem tapferen Feldherrn und einfichtsvollen Staatsoberhaupt, ſich zum 
fouverainen Freiftaat emporhob. 

©ouverneur Th. Buchanan, der feit 1835 für das Wohl der 
Eolonie unermüdet thätig gewefen, den Feine Gefahr, Fein Märtyrer- 
tum, kein Tod fchreden konnte, der ein Sieger in Gerechtigkeit und 
Glauben fich felbft Hinopferte für Freiheit, Chriftentfum und die Wol⸗ 
fahrt der ihm wie einen Vater anhängenden Pflegebefohlenen, der bei 
allen nahen und fernen Negerfürften und Regerftämmen fich durch feine 
Rechtlichkeit und Treue den höchften Refpect und die größte Verehrung 
erworben hatte, ſank endlich, erfchöpft von der Arbeit feines muͤhſamen 
Tagewerfes, nach kurzem Kranfenlager dem Tod in die Arme. Er wurde 
im Hafenort Baſſa⸗Cove mit allen ihm gebührenden Ehren begraben 
(1841), und einer der afrifanifchen Söhne, der ausgezeichnete Predi⸗ 
ger Elder Teage, hielt ihm in der Kirche daſelbſt die Leichenrede, 
die für ein Muſter chriftlicher Negerberentfamfeit gehalten werben 
dürfte. 

Am 3. September 1841 wurde der PVicegouverneur, General 3. 
Roberts, einftimmig, nach dem Statut der bisherigen Eonftitution, 
zum Nachfolger Buchanan's erwählt,. unter Vorbehalt der Beftätis 
gung der Colonifations » Gefellfchaft in Amerifa. 

Joſeph 3. Roberts, aus Virginia gebürtig, erhielt als Neger 
eine gute Erziehung und fiedelte frühzeitig nach Liberia über, wo er 


Die Neger» Mepublit Liberia. 27 


a6 Kaufmann fich ein bedeutendes Eigenthum erwarb, als Colonial⸗ 
Beamter an den wichtigften Verhandlungen Theil nahm, das Commando 
der Erpedition gegen Gatumba glänzend durchführte, und der Colos 
mie ald der Würdigſte erſchien; an ihre Spite zum Gouverneur erho⸗ 
ku pi werden. Mit größter Demuth übernahm er das ſchwere Amt, 
ww verſprach „fein Beſtes zu defien Erfüllung zu thun“. 
Ter Friede war hergeftellt; viele Kinder wurden zur Erziehung 
nah der Colonie gefchidt, felbft aus der früheren Reſidenz Boats- 
wain’s, aus ber Stadt Bo Poro, die 50 engl. Meilen fern von 
der Golonie liegt. Eine methobiftifche Miſſion legte in der Nähe von 
Hevdington eine neue Stadt, Robertspille, zu Ehren des Bor: 
ſtandes an. Eine zahlreiche Eolonie aus News Orleans, von 234 meift 
von ihren Herrichaften freigelafienen Negern, fievelte ſich am oberen 
Pauls: Flug, A Miles oberhalb Millsburg, an, mit ihrem Prediger 
Georg Wight, der fich aber von feinem eigennügigen Gebieter erft 
wit Srau und Kindern durch 7350 Dollars, feinen fauern Eriverb als 
Sclave, hatte freifaufen müflen, und nun um fo mehr fein Leben ver 
freien Colonie feiner Brüder zu widmen befchloffen hatte. Befuche bei 
Regerlönigen in fernen Gebieten, die fi) der Colonie anzufchließen 
wänfchten, wurden durch Gefandtfchaften ausgeführt, wie zum Könige 
ter Golahs in Dando, mit welddem Roberts 1843 einen Freund- 
fhaftsvertrag abſchloß, deſſen Hauptbedingungen waren: alle Sclaves 
rei zu verbannen, alles Gifttrinfen von Safla= Holz bei den Angeflag- 
ten ald Gottesurtheil zu verbieten, alle vorfommenden Streitigkeiten 
zwiſchen den Golahs und den Liberiern durch den Vorſtand ſchlich⸗ 
ten zu laffen. Ebenfo mit dem Könige Ballafada in feiner Refis 
denz, der mit feinem ganzen Volke nach Liberia überzufieveln und ein 
Bürger der freien Eolonie zu werden vorzog. Ein Friedensvertrag 
wurde gefchlefien mit den Königen der Fiſchleute (Fishmen) und 
der Kruleute (Kroomen), die an der Küfte entlang über 300 Meis 
in die Haupthülfe der Seefahrer find, deren Heimathland Sinu aber 
etwa 12 bis 20 Stunden landein hinter ven Wäldern im Rüden von 
Gap Palmas liegt, wo Ihre Weiber und Kinder und ihe Voll, an 
30,000 bis A0,000 Seelen ſtark, angefievelt find. Auch zu Settra⸗kru, 
jünöktich von Sinu, und an anderen benachbarten Orten waren Mif- 
ſionen und Anftevelungen entftanden, fo daß hier eine Dritte County 





28 C. Ritter: 


unter dem Namen Sinu der Colonie hinzugefügt werden mußte, 
und durch alle dieſe günftigen Verhäftniffe, wenn fie durch Amerika 
und Europa unterftügt fortfchreiten folten, war die Ausficht erwedt, 
daß der Sclavenhandel auf den Nahbarfüften Afrika's bald ausfterben 
dürfte. Manche Streitigkeiten, welche ehemalige britifche Handelsleute 
an den Hafenplägen Liberia's erregten, wo fie früher mit Sclavens- 
händlern in Waarengefchäften ohne Zolahlungen die Einfuhr ihrer 
Waaren fortzufegen fich beftrebten, wollten auf eine gewandte Weife 
gefchlichtet fein, ohne der Colonie ihre gewordenen Rechte zu verfüm- 
mern und die fremden Schiffer zurüdzuftoßen; an Progefien fehlte es da⸗ 
her nicht, und theils dieſe Angelegenheiten zu ordnen, theild zur Stär- 
fung feiner Gefundheit befuchte J Roberts im Jahre 1844 zum er- 
ften Male mit feiner Familie England. Monrovia's Gerichtshöfe 
verhandelten ihre Angelegenheiten ſchon damals öffentlich; der Hafen lag 
ſtets voll europäifcher und amerikanischer Schiffe; Kutter von 20 Ton- 
nen und 12 Schiffe von 90 Tonnen Laft wurden als Eigentfum der 
Einwohner gebaut, welche beveutende Erporten bereits für mehr als 
100,000 Dollars in Gefchaften der dortigen Kaufmannjchaft ausführ- 
ten. Die Finanzen der Colonie waren in den beften Händen, und Die 
Staatscafje Hatte, der vielen Bedürfnifie ungeachtet, immer noch Ueber- 
ſchuß. Nur fehlte es noch fehr an tüdhtigen Armen für die Agri- 
cultur, da fih die Hauptthätigfeit dem Handel zumandte, jene aber 
doch die eigentliche Baſis der Eivilifation der freien Negercolonie bil- 
den mußte. 

3. Roberts ftellte eine Seeverbindung lüngs der Küfte, vom 
Nordende Cape Mount füdoftwärts bi8 Cap Palmas, in Gang; 1846 
lief das erfte Liberia-PBadetboot, von Schwarzen geführt, zwifchen 
Amerifa und Liberia Hin und Her; 1851 Famen ganz regelmäßige 
Padet-Berbindungen zwifchen beiden Staaten in Gang.. In demfel- 
ben Jahre wurde während eines furchtbaren Sturmes ein portugiefi- 
ſches Sclavenfhiff mit gegen 700 Sclaven an die Küfte gefchleubert, 
die fogleich frei wurden und ihr Unterfommen erhielten. 

Mit der Zunahme ded Verkehrs und der großen Mannichfaltig- 
feit anwachſender neuer DBerhäftniffe wurde aber auch die Verwaltung 
immer fchwieriger, fo lange fie noch in Abhängigkeit von der amerifa- 
nifhen Colonifations- Gefellichaft, ohne Selbfländigkeit verblieb. Die 


Die Neger: Republit Liberia. 29 


Rn der Reife zur Ablöſung des Tochterſtaates von den Begründern 
war gelommen. ur chriftliche Kiebe, nicht politifches Intereffe, das 
ir frühzeitig in Conflicte mit der englifchen Politik gerathen fein 
wire, Hatte Die Colonie gegründet; gern gab der edle Sinn der Bes 
ander fein Veto auf, als fie einfahen, daß die freie Colonie Beftand 
yeranen Hatte, und mit ihrer Zuftimmung erflärte der Senat der Co⸗ 
wie am 8. Zuli 1847 feine founeraine Selbftändigfeit als 
Freiſtaat Liberia. Der Act feiner Eonftitution wurde von Abge⸗ 
ordneten der ganzen Colonie berathen, meift auf die früheren Grunt- 
geſehe geftügt, nach dem amerifanifchen Freiſtaat größtentheild vervoll- 
Kandigt, aber mit dem großen Webergewicht, daß hier jede Theilnahme 
am Sclavenweſen in und außerhalb dem Staate ald Verbrechen ges 
gen das Geſetz galt. Jeder Beamte mußte, um wahlfähig zur Verwal- 
tung in der Republif zu fein, 5 Jahre in derfelben anfällig, 25 Jahre 
alt fein und einen Grundbeſitz von 600 Dollars haben. Mit Dank 
Sarfeit erkannte die Conftituante die Verdienſte der Colonifations- 
Geſellſchaft an, bat Gott in feierlichem Acte um feinen Segen, und 
alle ſouverainen civilifirten Staaten um ihre Anerfennung als ſou⸗ 
veraimer Freiſtaat. Der Borftand des neuen Staates erhielt den 
Titel und die Rechte des Präfidenten, und die erfte Wahl deſſel⸗ 
ben fiel wieder auf I. Roberts. Zum Staatöfiegel diente das 
Bin einer Über das Meer fliegenden Taube, mit der Rolle des 
Freibriefes in den Fangen, unter ihr ein Segelfiff und vor ihr die 
aufgehende Sonne; an der Küfte der Balmbaum mit Pflug und Spa- 
ten und der Unterfchrift: Liebe zur Kreiheit dat uns hieher 
gebracht. 

Die Staatsflagge der Republik wurde im Fort und auf dem 
Signalberge unter den Kanonenſalven und dem großen Jubel des Vol⸗ 
kes erhoͤht, die Standarten in der Methodiſtenkirche durch die Vorſtände 
der Verwalter der nationalen Freiheit, des Erziehungsweſens am Al⸗ 
tar Gottes und des Erloͤſers, durch die Kirchenglieder feierlich nieder⸗ 
gelegt, und der glüdlihe Tag am Abend durch geſellige Feſte beſchloſ⸗ 
fen, zu weldyen ber eigene Extrag des Bodens bie beften Speifen her» 
gab, und Die Trinkſpruͤche alle, nicht zum Wein, fondern zum Harften 

föktichften Gryftallwafier Monrovia's unter Jubel gefungen und zahl 
reiche Beglücdwünfcungen ausgebracht. — Marſchall des großen na 


80 C. Ritter: 


tionalen Feſtes an dieſem Tage war der greife Colonel Elijah John⸗ 
fon mit gebleichtem Silberhaar, derfelbe heldenmüthige Neger, der vor 


einem Bierteljahrhundert einer der erften gewefen war, der am wilden - 
Cap Mefurado aus dem Schiffe fprang und damals mitten unter grau⸗ 
famen Beinden feine erfte Hütte in der Waldwildniß des Caps er⸗ 


baute, wo jeht die Hauptſtadt Monrovia fteht. 

Präfident Roberts überließ nun die heimifchen Yunctionen Der 
Verwaltung feinem Bicepräfidenten Natbanael Brander, weil ihn 
die größeren auswärtigen Staatdangelegenheiten nad) Amerifa und Eu⸗ 
vopa über den Drean riefen. Er begab ſich 1848 nad Bofton und 
NewsMork, um mit den Stiftern der Colonie alle Angelegenheiten 
des neuen Staated zu ordnen, die großmüthig all ihr angefauftes 
Landeigentfum der Republif als Eigentum überließen, und nur bie 
noch unbefegten Ländereien daſelbſt den nachfolgenden Emigranten aus 
befreieten Sclavenſchiffen reſervirt erhalten wiffen wollten, zu Nachſen⸗ 
dungen, deren Ausrüftung das amerifanifche Gouvernement nach wie 
zuvor auf feine Koften fortzufegen verſprach. Doch vermochte Die 
Union felbft den neuen Freiftaat noch nicht als fouverain anzuerfens 
nen, weil fie felbft an dem inneren Zwiefpalt der Sclavenfrage 
krankt, und foldhe Anerkennung innere Fehden herbeigeführt haben 
würde, zu deren Ausbruch die Zeit nicht herausgeforbert werden durfte. 
Aber mit allen Ehrenbezeugungen gegen den Präfidenten wurden mit 
ihm für Liberia günftige Handelsverträge abgefchlofien. 

In England ward der Präfivent I. Roberts von Lord Pal⸗ 
merfton, Lord Berley, den Minifterien, den Freunden der Reger- 
freiheit, unter denen twir nur bie Privaten Dr. Hodgfin, 3. Jates, 
Sam. Gourney flatt vieler Anderen nennen, bei denen wir (im 
Sonmer 1852) das große Glück hatten, den edlen, hochgebilpeten 
Präfidenten des jungen Breiftaates perfönlich Eennen und nach feinem 
ganzen Wirken und Weſen verehren zu lernen, höchft freudig empfan- 
gen. Bald erfolgte die Anerkennung Liberia’s ald fouveraine 
Republik von Seiten England’s, das mit dem Bräfiventen einen 
für ifn günftigen Handeldvertrag abſchloß. Um durch Länderanfauf 
das furdhtbarfte noch im RW. ganz in der Nähe des Staates befte- 
hende Sclavenweien zu Gallinas gänzlich zu vernichten, fchenfte der 
edle S. Gurney 1000 Po. Sterling, und bald war eine Summe 


MH. 


„ww 


E — 


Die Neger⸗Republik Liberia. 31 


NM Dollars und mehr, wozu auch Männer am Ohio beifteuer- 

a, ilunmen, um jenen Zweck zu erreichen. Das englifche Gouvers 

wan machte ver Mepublif ein Geſchenk mit einem fehr ſchoͤn erbaus 

m Kutter von A Suanonen zur nächften Sicherung der Küfte; es gab 

ve Anlage durch Die Momiralität, zur Verfügung des Präfiventen ſtets 

aa Küegeichiit zur Sicherung der Küften der Republif gegen Corſa⸗ 
ven ya fellen. 

Bei dem franzöfichen Gouvernement zu Paris fand der hochge- 
biſdete, erfahrene, weife und der Rede fehr kundige Staatsmann (wir 
haben wiederholt feinen wiürdevollen Reden in den erften Kreifen in 
London beigewohnt) daſſelbe Entgegenfommen, wobei Georg Wa- 
fHington Lafayette, deſſen Name ſchon dafür bürgte, nicht unthäs 
tig war; die Republik Liberia wurde als fouverainer Staat an- 
erfannt, und ihr von der franzöfifchen Marine ftets 3 Kriegsfchiffe zur 
Drepofition geftellt, zur ferneren Iinterbrüdung des Sclavenhandels an 
ihren Küften. Auch Brüffel wurde von dem Präfivdenten von Paris 
aus befucht, wo er mit feiner Regerfamilie bei dem belgifchen Gouver- 
nement gleich günftige Aufnahme fand. Nach dieſen ungemein glüds 
Eich gepflogenen Berhandlungen führte das britifche Schiff, die Ama⸗ 
zone, auf der Königin Befehl, den Präfidenten in feinen Sreiftaat zu- 
rüd, der nun erft in feiner Gulmination, als ebenbürtig im politifchen 
Kreife der civilifirten Staaten anerkannt, als erfter und einziger, 
von freien Negern wahrhaft verwalteter, chriſtlicher Na- 
tionalftaat, ein ganz neues Hiftorifches Phänomen darbot, das den 
fernen Jahrhunderten der afrifanifchen Sonne ald die Morgenröthe 
chriſtũcher und fittlich=politifcher Herrlichkeit entgegen leuchten möge. 


2. Gegenwärtige Zuſtände des Freiftantes Liberia. 


Nicht die aͤußere Größe und der Umfang, fondern der innere gei- 
fige Kern, auch auf befchränfteftem Raume, wie einft der von Attika, 
Latium, Venedig, Portugal oder Holland, kann diefem Freiſtaat dereinft 
für feine ſchwarzen Brüder eine welthiſtoriſche Bedeutung verleihen, 
denn bis jegt iſt ex nur etwa bis zur Größe eines Heinen deutſchen 

Königreiches, wie Hannover (an 900 deutfche Quadratmeilen wenig- 
fims, aber nur mit vielleicht 300,000 Seelen) herangewadhfen; aber 


92 6. Ritter: 


. feine Weltftelung, an dem für die Seeverbindung zugänglichften afri⸗ 
fanifchen Geftabe, im nahen Bereiche dreier Erdtheile, ift eine Feines- 
wegs gleichgüftige Mitgift feiner Wiege. 

Die jüngften (1850 und 1853), zumal von R. Gurley (wie 
ſchon einmal (S.20) erwähnt, Agent der Colonie) und Anderen mit 
getheilten Berichte und officiellen Actenftüde, Tabellen, Declarationen, 
Parlamentsberichte, Senatsreden und Specialdocumente geben ung fols 
gende Daten für die gegenwärtige Kenntniß des jungen Yreiftantes 
Liberia. 

Die frühere Wildniß beim erften Befuche R. Gurley’s (1824) 
war beim zweiten (1850) zu einem blühenden, chriftlichen Staate 
herangewachien, deſſen Borftand, 3. Roberts und fein Eabinet, durch 
officiellen Beiftand, wie in der Hauptftabt fo auch in allen anderen 
Anfiedelungen, die folgenden Angaben über die Zuftinde des Landes 
ermöglichten. Bon dem Senate erhielten 5 Männer aus der Graf: 
Schaft Monrovia den Auftrag, ein Comité zu bilden und auf alle Fra⸗ 
gen über die Zuftände des Staates Berichte einzuziehen. Ein Gleiches 
gefchah in den anderen Grafſchaften; von Verheimlichung der Statiftif 
war bei diefem offenen Verfahren nicht die Rebe. 

Unter dem Ramen Liberia werden die Territorien der Res 
publik, wie der angrenzenden Maryland -Eolonie und einer fpäs 
ter hinzugetretenen dritten Grafichaft in Liberia bis gegen Cap 
Palmas Hin mitbegriffen. Nach dem fortgefegten Anfauf der Ländes 
reien von ihren einheimifchen Eigenthümern hatte die Republif ihre 
Surisdietion über eine Landfchaft von Manna im NW. von Point 
Gallinas füdoftwärts bis Grand Sefters, ohne alle gewaltfame Beſitz⸗ 
nahme erweitert. Es ift dies eine Küftenftrede von 75 D. Meilen 
(350 Miles) Länge und etwa 9 D. Meilen (40 Miles) Breite, an 
700 D. Quabdratmeilen Areal (14,000 Quadı.» Miles), an welche 
ih noch die Küfte der neu binzugefommenen Maryland » Eo- 
lonie, füboftwärts von Grand ‚Sefters, an 24 Meilen lang bis 
zum Rio Pedro, oftwärts des Cap Balmas, und gegen 30 Meilen 
landein, wie im Nordweſt die Gallinas⸗Kuͤſte und Anderes an⸗ 
Ihließen, wodurch die ganze Ausdehnung ficher auf Das doppelte Areal, 
bis zur Größe etwa des Königreichs Baiern (an 1400 Q. Meil.) erwei- 
tert ericheint. 


au hr 


Die Neger: Republik Liberia. 33 


Hauptpuncte dieſer Küfle im SO. von Gallinas, meift 

mn Anlagen, find CS. die Karte von Liberia): 

1) Cape Mount, 10608. üb. d. Meere, unter 6° 49’ 25" N.Br. 
und 11° 23’ 15” Länge, W. von Gr. 

2) Cap Montſerado, an 10 Meilen in SO.., mit dem Leucht⸗ 
tum, 240%. üb. d. M.; 1508. tiefer gelegen und 1 Meile fern 
tie Hauptftadt Monrovia; 7 Meilen von da gegen SO. der 
Junkfluß (Junk river), und nahe an deſſen Mündung 
tie Anftedelung Marfhall, 7 Meilen weiter Grand Baffa. 

3) Ben da eine Meile Tobacanni; 14 M. weiter Young 
(ter New⸗) Seſters (einſt den Portugiefen gehörig), und 
ane Heine Meile weiter Tradetown. 

4) Dann folgen nach einander: Klein Eulloh und Groß Cul— 
loh, denen vom Meere aus der Tobacco Mount, 800 Zuß 
hoch, zur leicht erfennbaren Landmarfe dient. 

9) Es folgen Ceſtos (Sefters-) = Fluß, Sanguin-Flug, Baffu, 
Taſſu, Klein Butu, Groß Butu, Sinu und Blubarra Boint 
gegenüber, an 16 Meilen von Grand Baffa fern, in der Sinus» 
Grafſchaft. 

6) Dann: Klein (Little) Kru, Settra⸗Kru, Krubah, Nanna-Kru, 
King Wild Town. 

7) Tann: Little Nifu, Middle Nifu, Great Nifu, Pidaniny Se 
Rers, mit Groß (Grand) Sefters, Stadt und Fluß, die 
füdöftlichfte Graͤnze der drei Grafſchaften der Republik. 


Bon da beginnt die fpäter hinzugefügte Jurisdietion der Ma- 
roland »@olonie, deren Hauptpuncte find: Der Garraway⸗Fluß und 
die Spige gleihen Namens, Fiſhtown Point, Middle Point, 
Rod Town und Cap Palmas, ein Gebiet von großer Schönheit, 
wit natürlichen Vorzügen, wo Harper die Hauptflabt, dann die Orte: 
Cavally Boint, Tabu, Groß Tabu, Baſha Point, Wappu, Poor Point, 
Half Bereby, Grand Bereby, Tahu Point und der San Pedro 
Fluß, der öfllichfte Grenzfluß dieſes Colonie⸗Landes. 

Das Küftenland wurde zunächft befeht, tiefer Iandein nur wenige 
Strecken durch einzelne Expeditionen näher befannt; hier werben Fünf 
üghin viele Forſchungen nothwendig werben, um das Küftenland mit 
Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bb. 1. 3 


34 C. Ritter: 


dem inneren Lande in nähere Berbintung zu ſetzen. Der eifrige 2. 
Aſhmun drang frühzeitig ein paar Tagereifen weit nicht ohne Ge⸗ 
fahren in das Innere und fand überall eine dichte Waltzone vor. 
I. Day, Infpector der ſüdlichen Baptiften-Mijfion am St. Johns 
river, drang wol am weitelten, 14 bis 16 Meilen von tiefem Etrom 
landein, vor; die erften A Meilen traf er ein jchönes, welliges Hügel: 
(and, vol Harer trefflich bewaͤſſernder, abftürzender, oft fhaumender Waf⸗ 
ferbäche und Flüßchen, die zu taufend Mühlftellen geeignet find; den Bo- 
den fand er reich und mit ungeheuern Hochwaldern überwuchert; A bis 
5 Stunden weiter eine Region von 300 bis 500 Fuß hohen Bergzit- 
gen, mit dichten Wald überzogen; einzelne der Berge find bie auf die 
Höhe angebaut, alle würden culturfähig fein und nad) Ausrodung Der 
Wälder die gefundeften Wohnorte darbieten. Dahinter breiteten ſich 
weite Ebenen aus, nicht unfruchtbarer und ungefünder als die ameris 
Fanifchen Ländereien derfelben Art, und jenfeit feiner üußerfien Wan- 
derung follten, wie er hörte, hohe Gebirge auffteigen. Er zog mehrere 
Wochen lehrend und predigend (wahrfcheinfich bis zu dem nach ihm 
auf der Karte angegebenen Afhmun-town) in biefem Terrain umher 
und fehrte aus ihm gefunder zur Küfte zurüd, ald er hineingegangen 
war. Die Blumen dafelbft dufteten und blüßeten fchoner, ald an der 
Küfte; viele lieblich fingende Vögel erquidten ihn auf feinen mühfamen 
Wanderungen; die Regerflämme waren thätiger, wohlwollender, redli⸗ 
cher, glüdliher und empfänglicher für feine Mittheilungen ald an 
der Küfte. 

Die EmigrantensBevölferung, d.h. die eingewanderten 
freien Reger, welche man im Jahre 1850 auf 6000 berechnen konnte, 
ift verfchieden vont den einheimifchen Negern, deren Zahl man 
auf 140,000 bis 200,000 fchäpte, zu denen in ver Maryland - Colo- 
nie noch an 100,000 einheimifche und gegen 1000 Emigranten-Neger 
gerechnet werben fonnten, in Summa alfo über 300,000 Seelen, die in 
viele Kleinere Stämme mit verfchiekenen Sprachen, Sitten und Einrich- 
tungen zerfallen, welche jedoch gegenwärtig ein gemeinfames politifches 
Intereſſe verbindet, wozu noch kommt, daß die Unterfchieve unter den 
einheimifchen Stämmen nicht bedeutend erfcheinen. 

Zu .unterfcheiden find etwa folgende 8 Stämme vn RW. nah SO. : 

1) Der Fey- oder Bey-Stamm, vom Gallinas⸗Fluß bis Cape- 


win 


Ba 


Die Neger-Republik Liberia, 35 


Mount an der Küfte und bis 6 Meilen lanvein wohnend, an 
12 bi8 15000 Seelen, die zu obiger Zahl hinzukommen, ein Volk, 
das früher ganz in das Interefie der Sclavenhändler verwickelt 
war, friegerifcher, und dadurch flolger und unternehmender ge⸗ 
werden iR, als vie meiften ihrer Nachbarn. 

M Die Deys vom Cape Mount bis Cap Montferado, wohl 
wir halb fo zahlreich und milder, weniger Friegerifch, felbft indo⸗ 
Imter; ihre und die Beyfprache find einander verivandt, und 
follen nach Aſhmun Feiner der anderen Negeriprachen gleichen ; 
beide find roh und ganz unausgebilvet. 

3) Die Baffas folgen jenen ſuͤdoſtwaͤrts bis zum St. Johns⸗River, 
wo fie mit ihren Verbündeten viel zahlreicher find und in der 
Grafſchaft Grand Bafla über 50,000 Seelen betragen. Sie be 
wohnen einen fehr fruchtbaren Landftrich, find friedliebend, mild, 
indußrios, bebauen ihre Felder, die ihnen Ueberfluß an Reis, 
tropifchem Obſt, Palmöl, Gemüfe geben, und haben ftarfe Vichs 
zucht und viel Geflügel; fie zeigten fich fehr freundlich gegen bie 
Einwanderer, geneigt zum Handel, für Tagelohn zu arbeiten, und 
begierig, die Eivilifation anzunehmen. Sie wohnen der Küfte 
entlang in Heinen Dörfern zu 50, bis mehrere 100, felbft 1000 
bis 2000 Seelen, und etwas landein unfer eigenen Häuptlin- 
gen, die ein Recht ausüben, welchem fich Alles fügt. Hausſcla⸗ 
verei und Polygamie find bei ihnen allgemein; fie kaufen aus 
dem Inneren Kinder auf. Die Zahl ihrer Weiber überwiegt die 
der Männer; dieſe find im Februar, März und April mit der 
Ausſaat des Reis, ihrer Hauptnahrung, befchäftigt, jene befors 
gen die weitere Eultur und die Ernte. Die Baſſas find fehr 
enthaltfanı, geduldig und Können fehr flarfe Strapagen aus⸗ 
halten. 

4) Die Sinu find den Baſſas in vielen Stüden gleich, nur gefel- 
Giger und ſchon mit den Fifchleuten und Kruleuten (Fiir 
men und Kroomen) gemifcht, die dort häufig an der Küfte hands 
tiren und im Verkehr mit dem Binnenlande fiehen. Sie haben 
einige Kenntniß der englifhen Sprache, in der fie fih, wie bie 
meiften Kuͤſtenſtaͤmme, gebrochen auspräden können. Die Knas 
ben ſehen fie gem im Englifchen unterrichtet, nicht fo die Mäd- 

3» 


36 @ Ritter: 


chen. Sie jollen an 100 Ortfhaften befigen und ihre Zahl nicht 
unter einigen 20,000 biß gegen 30,000 betragen. 

5) Die Kru⸗-Leute (Kroumen oder Kroomen) gehören zu den 
ausgezeichnetften und intelligenteften Stämmen der ganzen Küfte. 
Die Krumarfe ift eine ſchwarze Linie, dunller als ihre Haut, 
die vom Vorfopf bis zum Nafenende geht, und auch von ſolchen 
angenommen ift, die nicht urfprünglich zu ihrem Stamme geho- 
ren, aber doch zu ihrer Gemeinfchaft fih halten. Die Fremden 
begreifen unter dem gemeinfamen Namen der Kru-Gamilie drei 
verfchiedene Stämme, die Fiſhmen, die Settra-Kru und Die 
Nifu, die daffelbe Zeichen tragen, aber verfchiedene Sprachen 
haben, fich jedoch gegenfeitig verflehen, mit viel übereinftimmen- 
den Gebräuchen, Vorſtellungen und Aberglauben, die aber kei⸗ 
nesweges politifh zufammenhalten, vielmehr ohne Sympathie oft 
in Eiferfucht und Fehde einander gegenüberftehen, zumal wo Die 
beiden erften fich begegnen, oder die urfprünglichen Kru fich an⸗ 
gefiedelt Haben, welche fehr zähe und flarrfinnig bei den Geſetzen, 
Traditionen und Gebräuchen ihrer Väter verbleiben. 

Die Kru-Küfte beginnt mit dem Sefters- Fluß und dem früheren 
Orte St. George, wo Mr. Spence vor 7 Jahren eine Factorei an- 
gelegt hatte, vie ſeitdem verlafien wurde. Die Krumen bewohnen nur 
5 Ortfchaften an der Küfte zwifchen Sefterd und Grand Sefterd. Bon 
ihnen im Norden wohnen die Baſſas mit den Fiſhmen vermifcht, die 
im Süden von ihnen die Küfte mit Fiſhtown bewohnen. Beide wer⸗ 
den gegenfeitig haufig verwechfelt, fo wie auch die 5 Kru-Stäbte mit 
den Fifcherorten der Fiſhmen; doch wohnen diefe nur an der Meeres- 
füfte, jene mehr landein, auch find dieſe gegen jene geringer an Zahl. 
An einer Stelle, welche die Fifhmen, nach Joſ. Denman’s Bes 
richt an das Englifhe Parlament 1842 in London, Saucytown 
(wohl eine Einfalzftelle) nennen, erfochten einft die aus dem In⸗ 
nern herabdringenden Eingeborenen, welche von den Küftenbewohnern 
völlig verfchieden waren, ihren Einwanderungsweg zum Meeresgeftabe. 
Die Fiſhmen glaubten deshalb noch immer ein Anrecht auf den aus 
ſchließlichen Küftenverfehr zu haben, waren daher fehr erboßt gegen alle 
Schiffer die fih daran nicht kehrten, blieben in Zeindfchaft gegen fie, 
wie gegen die Krumen, und waren lange Zeit eine wahre Plage für 


wir. 


. 
— — -. 4 u E* 


Die NMeger⸗Republik Liberia. 37 


w Iutenlond , von dem fie fich in neueren Zeiten jedoch mehr zu⸗ 
warm haben. 

Te Krumen, die an der Küfte urfprünglich weniger zahlreich waren, 
u amd dem Binnenlande fortwährend Zulauf und Verftärfung er- 
halten, find dem Aderbau mehr ald jene, die nur Fifcherei treiben, zus 
han, vorzugsweife aber dem Seeleben. Bei beiden hat man feine 
Scart wahrgenommen; nur behandeln ihre Häuptlinge die Jünge- 
ren, wie es Gebieter über Sclaven thun. Wo Fifhmen und Krumen 
beifammen find oder im Dienft bei Europäern ftehen, giebt ed immer 
Streit Die Fiſhmen werden nur wegen ihres Hauptgewerbes von 
tem fremden Seefahrern fo genannt; ihr Stammmame fcheint noch 
unbefannt geblieben zu fein. Sie find die größten und ftärfften Neger 
an Der ganzen Küfte, fehr gewandt im Steuern ihrer Boote und Ka— 
need, und haben wegen ihrer befonderen Art darin zu figen auffallend 
hervorragende Zußfnöchel. Sie find weniger eitel und politifch, weni- 
ger angenehm im Umgange ald die Krumen und genießen auch we- 
niger Bertrauen als diefe; fie werden oft treulos und graufam und 
wohnen in fehr weitläuftig auseinander liegenden einzelnen Ortichaf- 
ten; ihre Zahl ſchätzt man auf 20,000. 

Die Krumen, d.i. die Bervohner von Settra Fru und 4 an— 
teren Ortfchaften in der Nähe, gehören einer Berbindung von Stäm- 
men an, die feit 250 Jahren aus einer Entfernung von 60 engl. Mei- 
len, unter einer gemeinfchaftlichen Herrfchaft ftehend, gegen die Küfte vor- 
trangen und frühzeitig in ein Binbniß mit ben portugieſiſchen Scla⸗ 
venhaͤndlern traten, denen fie in ihren Unternehmungen beizuſtehen 
pflegten Dagegen follten fie Seitens derſelben von aller Sclaverei befreit 
bleiben, und die Auszeichnung der Kru-Marfe auf der Stirn follte fie 
in diefem Vorrechte fichern. Ihr Name foll von der Verberbung bed 
engliihen Wortes crew-men hergefommen fein, weil fie die Küften- 
jchiffe der Fremden bevienten, wie noch heute auf englifchen und ame: 
rifaniſchen Schiffen meilt einige Krumen im Dienfte angenommen find. 
Pologamie und Selaverei befteht unter ihnen, obwol fie fich nicht unter 
einander zu Sclaven machen und auch nicht an Europäer Sclaven 
verhandeln, ſondern nur an ihre eigenen Stämme. Ihre vieredigen 

Hütten find aus Stangen errichtet, mit Bambus gebedt, die Hausflur 
anderthalb Fuß erhöht, mit Eingängen für ven aufrecht gehenden Mann, 


38 C. Ritter: 


und drei durch Bambuswände geſchiedenen Räumen. Der Feuerplag ift 
von hartem Thon in einer Ede des Haufe angebracht, wo das eins 
zige Fenfter zur Erhaltung und zum Rauchauslaß dient, da er zugleich 
ihre Reisvorräthe vor Infecten bewahren muß, die den geräucherten 
Reid unangetaftet laffen. Ihr Hausgeräth ift fehr einfach, ihr Kopfs 
fiffen ein rundes Holz, ihre Kleidung nur ein Umfchlag um die Hüfs 
ten. Sie verehren den Neumond, find abergläubig, feiern unter ihren 
Häuptlingen bei jedesmaliger Erfcheinung defjelben ein Feſt und fuchen 
Walddickichte, die Site ihrer böfen Geifter, auf, ihnen Gebete und 
Opfer zu bringen, um ihre weltlichen Schidfale glüdlich zu leiten. 
Krankheiten fehreiben fie, wie faft alle MWeftafrifaner, der Zauberei zu; 
ihre Doctoren haben die Verbrecher zu ermitteln. Der Angeflagte wird 
von öffentlichen Beamten vorgeführt und muß einen fehr narcotifchen 
Bifttranf, ein Decoct von Saflaholz, trinken; bricht er es wieder 
aus, fo ift er unfchuldig, wo nicht, fo wird er fchnell und graufam zu 
Tode gebracht. Diefe Art Gottesurtheil ift ein fehr allgemeines Nebel 
bei den Negern, an dem jährlich viele Taufende ihren Tod finden, Das 
her defien Vernichtung neben dem Sclavenwefen zu den Hauptartifeln 
jedes Freundfchafts- Vertrages mit Liberia gehört. 

Das Gouvernement der Kru, welches anfänglich patriarchal gewe⸗ 
fen fein fol, ift jetzt oligarchifch, die Königewürde erblich; die Perfon 
Des Könige wie derer, die zu ihrem geſetzgebenden Rath gehören, Durch 
eiferne Ringe ausgezeichnet, deren der König 12 bis 15 an den 
Füßen trägt. Die Gebräuche der Kruleute und die Auslegung ihrer 
gefeglichen Einrichtungen und Entfcheidungen find höchſt barbarifch und 
ver Willfür ihrer Dostoren, Beſchwörer, Zauberer überlaflen. Die Ars 
beit in ihren Pflanzungen oder Dorfichaften wird von den Weibern 
beforgt; Die alten Männer find in den verfchievenen Familien von Ein⸗ 
fluß, ald die Wächter der jungen Männer, welche von der früheften 
Jugend an bis in die 30 und AO Jahre, wie die Savoyarden, im 
Haufen zu 10 und mehr getheilt, deren jeder fich feinen Führer er⸗ 
wählt, in die Fremde zur Weftfüfte zieht, von Sierra Leone abwärts 
nach Guinea bis Fernando Po, um auf ein auch 3 und mehrere Jahre 
Arbeit zu fuchen. Mit ihrem Erwerb fehren fie dann zurüd und brin⸗ 
gen ihn zu dem Wächter in der Heimat, um für fie Weiber zu fau= 
fen. Diefe Krumen find fchlanf und gut gebaut, ein fchöngeltaltetes 


Die Neger:Republif Liberia. 39 


degergehlecht, intelligent, unabhängig, aber eitel, finnlich, ehrgeizig auf 
maRuf, dabei jedoch treue und eifrige Anhänger der Europäer; ihre 
yN wird auf 6000 bis 10,000 geſchätzt. 

Die dritte AbtHeilung diefer Stämme, die Rifu, leben weiter 
zen Süden; ihre Zahl ift geringer als Die der beiden anderen, denen 
"mten mehrfien Stüden fehr nahe verwandt find. 

At den tiefer landeinwohnenden Stämmen der Eingeborenen bis 
in ziealih weiter Ferne find zwar Bünbniffe, aber bis jegt nur lofe- 
rer Art abgeichlofien. 

Die genannten Stämme machen die eigentliche Bevölferung ver 
Repubiit aus; auf fie hat die Regierung fehr fegensreich in frieplicher 
Weile eingewirkt, den Sclavenhandel ganz vernichtet, die feit Jahrhun⸗ 
verten beſtehenden inneren Fehden beigelegt, manche der barbarifchen 
Gebraͤuche gehemmt, wenn auch noch nicht ganz ausgerottet, überall 
neuen Anbau des Landes, neue Induſtrie- und Erwerbszweige eröffs 
net, neue Wege für den Handelsverkehr gebahnt und in allen Diftricten 
chriſtiche Schulen und Unterricht organifirt, In allen Gerichtshöfen 
Ayen nur Eingeborene als Richter; die öffentlichen oberen Beamten 
fönnen auch aus ihnen ſchon zum Theil ergänzt werden, obgleich vie 
meinten und die oberften Behörden bis jetzt vorzugsweiſe nur aus den 
gebifveteren 6000 der übergefiedelten freien, au höherer Gefittung em- 
porgebobenen Neger und ihrer Nachkommen hervorgehen. 

Weniger fortgefchritten zeigt fich die zahlreichere einheimifche Pos 
pulation, weniger audgebildet die obere Behörde in Maryland und der 
Gap Balmas-Eolonie, wo jedoch die Miffionen aller Art an ſolchen 
Fortſchritten fegensreich arbeiten. 

Die Conſtitution der Republik Cin Gurley's Beriht S. 34 — 37 
veröffentlicht ), größtentheild nach dem Vorbilde der amerifanifchen mit den 
gehörigen Modificationen entworfen, mit Präfivent, Senat, Volksrepraͤ⸗ 
ſentation, mit Unterorpnung des Milttaird unter das Civil» Gouver- 
nement, mit Jury, Toleranz der Prefie, Verdammung der Sclaverei 
u. f.w. hat in dem 15ten einen Hauptartikel, die Ausbildung der 
einheimifchen Negerſtämme auch zu Agricultur und Landwirthfchaft 
aller Art betreffend, für welchen Gegenftand eigene Beamte angeftellt 

find, practifche Anlagen und Stiftungen gemacht, Lehren verbreitet und 
Reifen gemacht werben, enblih ein eigener Finanzetat ausgeworfen ift, 





40 C. Ritter: 


wodurch der Staat einen wahrhaft päbagogifchen Character in jeder 
Hinficht angenommen hat. 

Zwei Jahre vor der Anerkennung der Unabhängigfeit der Repu⸗ 
blik (1845) machten die Einkünfte der Zölle von den eingeführten Waa- 
en zu 6 Procent für ihren Werth nur gegen 10,000 Dollars aus; 
diefe Abgabe ift meift geblieben und hat fih unftreitig fpäter um vie- 
les erhöht, doch waren diefe Einnahmen nicht hinreichend, um alle Aus⸗ 
gaben für Die Bebürfniffe des Staates zu decken. Vom erften Act der 
Anfievelung an haben ſich die Eoloniften mit Tapferkeit überall felbft 
vertheidigt und faft immer Stand gehalten, felbft gegen die gewaltigften 
Angriffe der Sclavenhaͤndler, die fich ftetd den wüthenden Heberfällen 
der barbarifchen Stämme gegen die Colonie anjchloffen. Alle männli» 
hen Bürger der Republik vom 16ten bis zum 50 ſten Jahre find ge- 
borene Soldaten und fünnen jederzeit in activen Dienft berufen wers 
den; nur die Geiftlichen und die oberen Givilbeamten find hiervon aus⸗ 
genommen. In Friedenszeit haben fie ihre Uebungen, Revüen, Klei⸗ 
dungsvorfchriften, Waffenübungen und 1000 bis 1500 Mann gut 
disciplinirte Truppen ſtets im Dienft, während bei feindlichen Einfallen 
das Aufgebot bereit fteht. Zur Marine dient für das nächſte Bebürf- 
niß der Heine Kutter; zur größeren Vertheidigung find die dort Freu- 
zenden Kriegsfchiffe ausländischer Mächte bereit. Die Juftiz übt dag 
oberfte Gericht aus; Friedensrichter fchlichten die Streitigkeiten in den 
Provinzen; in jeder der 3 Grafſchaften ift jeden Monat ein öffentlicher 
Gerichtstag. Die Staatögefege find in einem Geſetzbuch zufammenge- 
faßt; die auswärtigen Verhältniſſe ordnen fich immer vortheilhafter, 
wie das ununterbrochene Einlaufen zahlreicher Krieges und Handels- 
fhiffe in den fehr belebten Hafen von Monrovia beweift. Schon öfter 
gefhah es und wiederholt ſich immer mehr, daß der weiſe Vorſtand 
der Republif von den Nachbarftämmen und felbft von ferneren Küni- 
gen Afrika's, die unter fih in Streit liegen, zur Schlichtung berfelben 
angerufen wird, ja daß der Boden der Republik ein Afyl für die Ver- 
folgten und Unterbrüdten geworben ift. 

Der Grund und Boden, der überall ungemein fruchtbar ift und durch 
Arbeit und Anbau reich an Erzeugniffen werben fann, macht die Grund⸗ 
lage des Staates aus, wenn ihm die Thätigkeit und Induftrie feiner 
Devpfferung in immer höheren Maaße zu Theil wird. Schon Vater 


ee 
te! 


Die Meger⸗Republik Liberia. 4 


hi Aihmun fagte im Jahre 1825 feinen ſchwarzen Mitbrüdern: 
te Ihn eures reichen Bodens ift das einige Mittel eurer Freiheit, 
mi Vohlſtandes, eurer Wohlfahrt. Wenn ihr es wollt, und Gott 
ah Snate giebt, Tönnt ihr fo glüdlich werben, ald man es in dieſer 
Su mr werden kann. Euer flaches, fruchtbares Land giebt euch 
wei wei Kornernten und dazu in jedem Jahre Hinreichend Kartofs 
Kam Bemüfe aller Art in fo reichem Maaße, ald der befte Boden 
in Anctila. Er gewährt euch die trefflichften Producte zum Abſatz nach 
Sara; ein Acre gut bepflügtes Land fann eine Ernte Indigo von 
300 Tollars an Werth) liefern; ein Acre kann eine Tonne Arrowroot 
(va vwahtendſte Stärfemehl der Pfeilwurzel, Marantha arundina- 
cea L) erzeugen; A Acres mit Kaffeepflanzen befegt geben nad) 3 Jah⸗ 
ren cin reines Einfommen von 200 bis 300 Dollar an Kaffeebohnen. 
Ein halber Acre, mit Baummolle bepflangt, bekleidet die ganze Fa⸗ 
milie; Weiber und Kinder Fönnen allein dabei die Arbeit verrichten. 
1 Acte mit Zuderrohr bepflanzt, verfieht die ganze Samilie mit Zuder; 
1 Ace mit Obſtbäumen bepflangt, giebt das Jahr hindurch mehr 
CR an Pifang (Musa paradisiaca), Bananen (Musa sapientum), 
Drangn, Limonen, Guavas, Ananas, Paw⸗paws und anderen 
Arten, als ihr verzehren Fönnt; 9 Monate im Jahr Fönnt ihre fort- 
während euch von frifchem Gemüfe nähren, und wer bewaͤſſerte Niedes 
rumgen bearbeitet, kann das ganze Jahr Reis genug haben, wie Dies an 
ten meiſten Uferftellen des St. Pauls, des St. Johns, des Sinu- Fluf- 
ſes ımd anderer der Fall ift. 

Richt überall konnten diefe Hoffnungen fo bald in Erfüllung ge- 
ben, da die Mittel der Emigranten in Liberia doch immer fehr befchränft 
blieben, und auch Hier viele Hinderniſſe entgegentraten, die nur nad) 
und nach durch Erfahrung und Ausdauer zu bewältigen waren. 
So das ververbliche afrikanische Fieber, Das anfangs fo viele Opfer 
hinmwegtafftie und erſt durch Lichtung der Wälder, Austrodnung 
der ESimpfe, durch ärztliche Pflege, vdiätetifche Beobachtung, Erfah- 
rung und Acclimatifirung überwunden werden mußte; fo die Zers 
Rörung der Ausfaaten wie der Ernten und ber Borräthe in den Ma- 
gazinen durch Inſecten und andere Thiere; jo die Unfenntniß der neue- 

ren Raturverhältnifie- Die Indolenz der Bewohner, der Mangel an 
Berhzeugen und Einfiht aller Art, dev Mangel an Capitalien zu ges 


42 C. Ritter: 


meinfchaftlichen Unternehmungen zum Wohl ganzer Gemeinden und ber 
Mangel an zur Arbeit gewöhnten Armen. Hinfichtlih der Agricultur 
war ja den Weberfiedlern Alles fremd; dennoch ift nicht wenig gefche- 
hen, obgleich in den erften Anfängen die Zufendung von ſchwarzen Co⸗ 
foniften ohne Bildung und Kennmiß der Arbeit, ohne Vorräthe, ohne 
Mittel des Erwerbes für fie felbft nur nachtheilig zurüdwirfen und der 
ganzen Unternehmung fehr zur Laft fallen mußte, 

Die Regenzeit fest alles unter Waſſer; der directe Sonnenftrahl 
ift dem Fremden fehr drückend, obwol die Temperatur felbft geringer, 
als in den füblichen Vereinsftaaten, und das Küftenclima dem von 
Sübdearolina und New⸗Orleans fehr analog iftz die ſchoͤne Geftaltung 
und der tüchtige Menfchenfchlag der einheimifchen Bevöfferung zeigt jes 
doch, Daß diefes Clima für Neger nicht ungefund fein kann, und dies 
hat ſich mit dem Hortfchritt der Zeit auch für die länger angefiebelte 
Golonie bewährt, 

Beide Seiten des St. Pauls⸗Fluſſes find auf 8 Stunden 
(anfangs 1853 ſchon 12 Stunden) weit aufwärts und in weiter Aus⸗ 
dehmung mit guten, oft zweiftödigen Wohnhäufern von Aderbauern mit 
ihren gut bepflanzten Bauergütern zu 30 bis 50 Ader und einer gan- 
zen Anzahl von Ortfchaften (Millsburg Hatte Anfang 1853 ſchon 
1000 Einwohner) bededt. Dichte Waldungen von mehreren 100 Adern 
find gelichtet und in Baſſa Eove, Edina, Berley und bis A Stunden 
aufwärts am St. Johns⸗Fluß bevölkert; am Sinu-Fluß find ebenfo 
Greenville, Roffville, Readville und andere im Flor. Mit Zuwachs an 
Capital, Mafchinen, Arbeitern und Talent wird die Eultur von Reis, 
Baumwolle, Zuder und Kaffee eben fo reichen Ertrag geben, wie irgend 
ein anderes Land in der Welt, denn an Fruchtbarkeit wird Liberia von 
feinem anderen übertroffen. Das Comité von Montferado rühmt eine 
im Lande einheimifche Sorte des Kaffees, die von vorzüglicher Güte 
ſchon cultivirt werde; es fehle nur an Gapitalien, um daraus eine Waare 
für den großen Weltmarft zu erzielen; ebenfo ſtehe es mit dem Zuder- 
rohr. Baumwolle, deren es auch einheimifche Sorten giebt, Ing⸗ 
wer, Arrowroot und viele officinelle gewürzreiche Kräuter wachen bier 
wild in großer Meppigfeit. Hauptftapelwaare werde Reis, Baumwolle, 
Zuder und Kaffee fein; wozu noch viele andere Nebenprobucte, 
wie Balmöl, Yams, Pfefferarten, Grundnüffe, Barbehölzer und manches 


Die Neger⸗Republik Liberia. 43 


au, wad Die Natur Hier von felbft bietet, wie viele Arten tropifcher 
wüht iommen. Wieles fängt erft an beachtet zu werben; das Unbedeu⸗ 
take taın von großer Wichtigkeit werben. Im Jahre 1848 wurden 
1,778 Pd. Sterling von der Gambia pea oder der Grundnuß 
(Arachis bypogaea) ausgeführt, welche das trefflichfte Del giebt, 
wa ald das befte Tuscchefifche oder florentiner Olivenöl, wozu aber 
im Lande erft Oelpreſſen gebaut fein müflen, um den Gewinn für den 
Großhandel daraus zu ziehen. Palmöl, das von englifchen Schiffen 
ht ſchon vom Bonny⸗Fluß, wo früher nur Menfchenhandel war, 
jahrſich in 200,000 bis 250,000 Tonnen, an Werth 700,000 Pfr. 
Sterling, nach Amerika ausgeführt wird, kann auch in Liberia einen 
Haupterport dereinft abgeben; der Baum wächft überall wild, und bie 
Nachfrage nach dieſem Product ift in Europa, wie in Amerika, im Zus 
nehmen Bon ven Barbehölzern, zumal dem fogenannten Cam⸗ 
wood, einem Rothholz, und Barwood find von Bafja Eove bis 
12 Stunden landein ununterbrochene Wälder, ein noch unberührter 
Schatz, zu dem leicht Wege (Anfang 1853 waren ſchon mehrere Dampf- 
Sägemühlen für die harten Holzarten in Bang gelommen) gebahnt 
werden fünnten, um, wenn mehr Arme zum Fällen da wären, große 
Berfenvungen zu machen; ein einziges Haus in Liverpool führte 
600 Tonnen Camholz, an Werth für 50,000 Dollar, in einem 
Jahre aus. Elfenbein, ein Hauptftapel für die Ausfuhr an allen 
Weſtküſten Afrika's, beträgt jährlich für 150,000 bis 200,000 Dollars 
an Werth; ebenfo Gummi, das bisher vorzüglich die Wälder am Se⸗ 
negal lieferten, vreijährlich für 600,000 Dollar; ſelbſt Gold ſtaub, 
rer vom Gambia bis zur Bucht Benin an mehreren Stellen zur Küfte 
gebracht wird, könnte feinen Zug über Liberia finden, da er viel tiefer 
aus dem Innern gegen Weft ablenft; er fol viel tiefer liegen, als daß 
die jährlichen Regenftröme ihn allein zu Tage fördern könnten, fo daß er 
erſt durch ordentlichen bergmännifchen Betrieb in den Bergzügen für 
Eiberia ertragreich werden wird; feine jährliche Ausfuhr von biefer 
Weftüfte ſoll jedoch ſchon 260,000 Pd. Sterl. betragen. Hierzu kom⸗ 
men noch viele andere einheimifche, wilde Probucte, wie Welle, Ziegen- 
haͤute, Hörner, Pfeffer, Ingwer, Arrowroot, Kupfer, Mahagoni 
holzarten, Teakholz (Tectonia grandis), Gambiaholz u. a. m. 
Der Anbau von Handeldwaaren kann mit der Zeit nicht wenig 


44 C. Ritter: 


ergiebig werden. Baumwolle von jchönfter Art giebt jührli 2 Ern- 
ten; die einheimische Staude von dreierlei Arten mit dem feinften Ge⸗ 
fpinnft, aber zu kurzem Faden, trägt 12 bis 16 Jahre ohne Unterbre- 
hung, ohne Erneuerung der Planze, reiche Ernten. Ein paar Baum: 
wollepflanzungen, durch befondere Unterftügungen fremder Compagnien 
im Großen betrieben und durch Vermifchung mit amerifanifhen Sor⸗ 
ten veredelt, lieferten 1851 den reichften Ertrag. Der Kaffeebaum 
wächft ſüdwaͤrts des Montſerado⸗Fluſſes auf allen Hügeln wild in 
größter Menge, ob einheimifch oder erft verwildert feit der Portugie- 
fen Zeit bleibt noch unausgemacht. Seine Ernte ift gewiß; ein Baum 
giebt in einer Jahreszeit A Pfd. Kaffeebohnen, und der gut gepflegte 
wird 3 mehr, ja bis 10 Pfund Ertrag geben. Die Qualität fol der 
Güte der Java⸗ und Modabohne faft gleich fommen. Ein Baum in 
Bolonel Hicks Kaffeegarten zu Monrovia gab bei einer Ernte fogar 
31 Pfund. Die Kaffeepflanzungen zweier Anfiedler, Dr. Moore und 
Benfon, beftanden ſchon 1850 aus Wäldern von 8000 Baumen, die 
cine reichliche Ernte gewährten. Die Reisfelder fonnen dereinft ven gan⸗ 
zen Markt von Weftindien mit diefem Nahrungsmittel verfehen; Zucker⸗ 
rohr wächft Bier in üppigfter Fülle, denn es hat feinen Froſt zu fürdh- 
ten und ift viel ertragreicher ald in den füdlichen Staaten der ameri⸗ 
fanifchen Union. Am St. Pauls⸗Fluß zu Milldburg Hatte der An⸗ 
fiebler Eyrus Willis in einer Jahresgeit 3000 Pfund des fchönften 
Zuckers probueirt; für die nächfte Ernte erwartete er 8000 Pfund 
Gewinn. Anfang des Jahres 1853 hatte A. Bladlege auf feiner 
Pflanzung in Monrovia 12,000 Pfund Zuder, 100 Gallons Melaffe 
und Syrup erzeugt. Der wild wachſende Indigo würde bei @ul- 
tur gleichen Ertrag geben. Die Tonne des goldfarbigen, fehr ange- 
nehmen Oeles der fchon vorhin erwähnten Grundnuß wird in Li— 
beria bereits zu 50 Pfd. Sterling in das Ausland verfauft. Der afri- 
kaniſche Ingwer ift von dem vorzüglichften Aroma, und es fehlt in 
Liberia nur die Zubereitungsmethode für den europäifchen Markt. An 
Holzarten, auch außer den befannten Farbehoͤlzern, befigt Liberia einen 
noch unbenugten Schatz, indem e8 an Holzfchlägern, an Sägemüh- 
len, Zimmerleuten, Tifchlen und Kunftarbeitern für faft AO ver: 
ſchiedene edlere Holzarten der noch unberührten Wälder des Hügel- 
und Berglandes im Innern der Colonie fehlt, wo alle Arten Mahagoni, 


Die Neger: Republik Liberia. 45 


Kate, Roſenholz, Teak und andere einheimifch find und auf dem 
mäbarhen Boden im dippigften Lurus emporfchießen. 
errihritt Der Bevölkerung, Fortfchritt der Induſtrie, Fortſchritt 
der Zutelligenz find nothwendige Bedingungen zum Fortblühen des 
Frätantes, welcher dieſen Reichtum an natürlichen Producten für den 
Vowack befigt, Der aber nur durch ausdauernden Fleiß erſt gewon- 
wa wd duch Die Verwendung der Induftrie für den einheimifchen 
Berkehr, wie für den Ausfuhrhandel, einen verzehnfachten Werth in 
Ansicht ſtellt, um dafür alle Bebürfniffe der Einfuhr leicht zu beftreis 
tn und fih zu beveutendem Wohlftand zu erheben. Der nicht unbe- 
deutente Handel liegt aber noch in feiner Wiege; obwohl die Zeit 
Des Scavenhanvdels, von dem früher hier allein die Rede war, aller: 
dings ſchon vorüber ift, und auch ein neuerer Auffchwung durch den 
höheren Sinn einer Verwaltung, die auf Freiheit, Erziehung, 
Unterricht, Religion, Induftrie und Wohlfahrt ihrer Ge: 
meindeglieder gerichtet ift, fich überall fund giebt. 

Die größte Sorgfalt wird auf diefen Kortfchritt gerichtet; doch war 
die Berwaltung bisher zu arın, um große Summen aus den Finanzen 
Darauf zu verwenden und bei vermehrten Einnahmen ein vollftändiges 
Syſtem von Schulen und linterricht über das ganze Gebiet des Kreis 
ſtaates zu organifiren, wie es eine ihrer Hauptaufgaben beabfichtigt. Was 
bisger ( 1850) gejchehen war, ergiebt ſich aus folgenden Andeutungen. 
Bilde wohlwollende Männer und die verſchiedenſten Vereine in der 
ameritanifchen Union haben von Anfang an in der Colonie Liberia 
für die Neger eine Anzahl Schulen gefliftet und unterhalten, und 
viele Miffionen haben ihre Kräfte mit Eifer denfelben gewidmet. Eine 
Anzahl fehr achtungswerther Bürger der Republif, die gegenwärtig 
meift die höheren Beamtenftellen derfelben bekleiden, wurden in ihrer 
Kindheit nach Afrika gebracht und verdanfen ihre Erziehung gänzlich. 
den in Liberia einheimifchen Schulen und Lehrern, fowie der Energie 
ihrer Beftrebungen, die fie aus Roth wie durch Gunſt und Ungunft 
der Umfände unter Gottes Beiftand emporhob. 

Die methodiſtiſche Episcopalkirche der Vereinsſtaaten hatte 
14 Werktags⸗ und 18 Sonntagsfchulen errichtet, in denen über 700 
Schüler ſich bildeten. Der ſüdliche Baptiften-Berein vom 
Riffouri Hatte 330 Schüler in feinen Schulen in Unterricht genoms 


46 C. Ritter: 


men, wovon 92 Kinder der einheimifchen Reger waren; feine Miſſion 
predigte unter einer Bevölkerung von 10,000 Seeln. Der nörd= 
lihe Baptiſten-Verein hatte Schulen zu Berley in Baſſa⸗Graf⸗ 
fhaft mit AO Schülern, für Die auf eine mufterhafte Weiſe geforgt 
war, mit einer Miffion, in der 16 einheimifche Neger getauft und A 
zum Abendmahl zugelafien waren. Die presbyterifche Kirche hatte 
mehrere Miffionsftationen mit Schulen, Kirchen und Predigern verſe⸗ 
hen, in Monrovia, am St. Pauld- Fluß, in Sinu u. a. O. In Mon⸗ 
rovia felbft war von den Mitgliedern der Gemeinde eine höhere 
Schulanſtalt unter dem Ramen Alerander»Lyceum geftiftet, für welche 
Ellis von befonderer Wirkſamkeit fich zeigte. Eben daſelbſt wurbe 
von den Frauenvereinen in New⸗-York Nordamerika's eine Schule ges 
gründet und in beftem Yortgange unterhalten. Die Miffion der 
proteftantifhen Episcopalfirdhe in Eap Palmas und der Mas 
ryland sEolonie Hat 3 Knabenſchulen mit 70 und 2 weibliche Schulen 
mit AO Schülerinnen für die einheimifchen Neger geftiftet, fo Abend⸗ 
und Sonntagsfchulen für 250 Schüler beider Gefchlechter, dazu noch 
2 Werktags⸗ und 2 Sonntagsfchulen für die Kinder der Eoloniftenne- 
ger mit 65, 80 bis 100 Schülem; von Kindern der Eoloniften wer⸗ 
den in ihren Schulen über 300, von einheimifchen Negern an 70 Com⸗ 
municanten unterrichtet. 

Der fehr intelligente Vorftand der Maryland» Eolonie mel: 
dete, daß er 6 Sonntagsfchulen mit 174, 3 Sonntagsfchulen mit 128 
Schülern im Gange habe, eine höhere Schulanftalt aber immer noth- 
wendiger werde. Dabei gehen die Anftrengungen der verfchienenen 
Miffionen glüdlih und fichtlih vorwärts in der Berbrängung der 
einheimifchen Gräuel der Negerflämme, um fie durch Befreiung von 
ihrem Aberglauben zu einem fittliden und chriftlichen Lebenswandel 
vorzubereiten. Es ift eine wohlthätige Erfahrung, daß auf einem Bo- 
den, wo fonft immer nur Raub und Mord vorfiel, der Gifttranf des Saf- 
faholzes oder die Feuerprobe alljährlich Tauſende von ſchuldloſen Opfern 
forderte, Despotie herrſchte und Zehntaufende gefeffelter Sclaven und 
Sclavenlinder, wie Vieh, zum Verlauf uͤber's Meer von ihren Henkers⸗ 
nechten abgeführt wurden, gegenwärtig Friede und Freiheit, Eigenthum 
und wachfender Wohlftand der Familien vorherrfcht, die Eivilifatton 
und das chriftliche Leben immer mehr Verbreitung findet. Es ift fchon 


.. e3 Er rr 
‚ .. Br 
„1,“ 


Die Neger⸗Republik Liberia. 47 


eamm erquicklich für Den wandernden Menfchenfreund durch das 
Ceiei det Eolonie faft überall unter dem Schatten der Palmbaͤume 
fe ımlichen Hütten gebifveter Lehrer und Lehrerinnen aus dem Ne 
Krane jeibft zu finden, mit gefitteter und chriftlicher Lebensweife, 
a Thingfeit und Arbeit, zwiſchen gelichteten Waldwildniſſen umher, 
wa Gatichen umgeben, in Schulen lehrend und aus Büchern unter: 
über, mit denen ihre Häußlichen Keinen Bibliotheken von den fer- 
nen überfeiichen Freunden wohlwollend verfehen find, bie bei ihrer 
Sctnheit dort noch einen ganz anderen geifligen Werth haben, als in 
dem wit Büchern überfchwemmten Europa. Die Wohlthaten der ame⸗ 
ann Bereinsftaaten für die Colonie find überall mit Dank aner- 
fannt; in den ſüdlichen Sclavenflaaten felbft find viele edle Männer 
und Bereine, die fich der freien Republik eifrig angenommen; die er- 
ken Staatsmänner wie Jefferfon, Marfhall, Monroe, Ma- 
diſon und Andere gingen ihnen voran, die Wirfungen der Mrs. 
Stowe werden nicht ausbleiben, und der größte Danf der Begrün- 
tung und Anerfennung des Freiftaates für Nordamerika wird erft die 
wohlthaͤtige Rüdwirfung auf Veredelung feiner Staatöverfaffung in 
Bezichung auf die Sclavenfrage felbft fein. Für Afrika aber iſt Li- 
beria das Eingangsthor einer beginnenden Civilifation für feine 
ſchwarze Bevölferung, ein berabträufelnder Thau vom Zion und Her- 
mon zur Erquickung von einhundertunnfunfig Millionen Menfchen, 
denen der Segen bed. Heren nicht ausbleiben wird für alle Zukunft. 


Einige ftatiftifche Bemerfungen nah Harris Angaben im Bericht 
von 1850, vie fich aber nur auf die letzten Jahre, 1848 und 49, bes 
ziehen können, und denen hoffentlich bald in Liberia felbft einheimifche, 
vervollſtaͤndigende Berichte folgen werden, mögen den Beichluß unferes 
Aufſatzes machen; denn auch eine Ichrreiche, einheimifche Literatur wird, 
wir zweifeln nicht Daran, bald dem Fortſchritt der Intelligenz neue 
Rahrung verleihen. In der Graffhaft Monrovia hat man 3000 
einififirte Einwohner und 5500 eingeborene Afrifaner, 22 chriftliche 
Kirchen, davon 6 auoſchließlich für Eingeborene, an 150 Communican⸗ 
ten; fein heidniſcher Gebetort war mehr übrig. In 18 Schulen zählte 
man 655 Schüler und 225 Eingeborene. An 5000 Ader (acres) wa- 
rm Gulturboven geworden; fie gaben jährlich: 300 Buſhel Korn. 


48 C. Ritter: 


8000 bis 10,000 B. Reis, 15,000 B. Caſſada, 10 B. Bohnen, 201 
Pfund Kaffee, 50 Pfund Baumwolle, 21008. Pataten, 1008. Buſ 
bohnen, 100 Pfund Indigo, 100 Pfund Zuder, 20 Pfund Wad 
1000 Pfund Arrowroot, 100 Gallonen Palmwein. Man hielt 30 
Ziegen, 500 Schafe, 300 Schweine, nur wenige Pferde, aber fehr x 
Geflügel und gewann jährlich an 2000 Häute. Dabei herrfchte 
größte Fülle von Gemüfe und Obftarten. 

Sn der Grafſchaft Grand Baffa wurden 300 Ader ı 
Korn bebaut; die Haupteultur war die Anpflanzung von Kaffeebaum 
von welchen man ſchon in diefem größten Kaffeediftricte Liberia's 29,0 
gepflanzte und gepflegte Bäume zählte, Die aus den Didichten wil 
Kaffeewaldungen in die Kaffeegärten überfeßt worden waren. Auf je 
einzelnen Ader (acre) fonnten 250 ertragreiche Baͤume Platz hal 
fo daß etwa 116 Ader diefes Product erzeugten, indem der Ba 
Ihon im zweiten Jahre: feiner Berpflanzung trägt und 3 bie A Pf 
Bohnen geben kann, die 6 Jahr alten Stämme aber bereits jähı 
6 Pfund im Durchfchnitt liefern und das ganze Jahr hindurch ne 
rothen reifen Beeren noch grüne, nebft Blüthen und auffpringer 
Knospen tragen. 

In der fpäter hinzugefommenen Sinu-Grafſchaft find, zu 
am linfen Ufer des SinusFluffes, durch 180 unterrichtete, mit ei 
Capital von 30,000 Pfd. Sterling aus der Savannah Earoli 
unterftüßte Eingewanderte, bedeutende Kortfchritte in der Agricı 
gemacht, Greenville, Rofiville, Readville mit guten Wohnhäufern, 
mehrere Orte gegenüber Blubarra angelegt. 

Mit dem Aderbau muß der Handel der Republik in glei 
Hortfchritt vermöge feiner Ausfuhren wachſen; er nimmt alljährlid 
ift aber bisher aus den vorhandenen Zollregiftern noch nicht zu ı 
jehen gewefen. Das Sinus Eomite ſchaͤtzte die jährliche Einfuf 
fein Gebiet auf 400,000 Dollars an Werth, die Ausfuhr auf 700, 
Das Comite in Monrovia gab an jährlicher Ausfuhr von Pi 
allein 500,000 Gallons an, von dem im Jahre 1815 durch Car 
Spence nur 2 Gallons zur Ausfuhr zu erhalten waren, währen 
Liberia-Herald vom Jahre 1846 die Ausfuhr der ganzen Küfte 
Cap Montferado bis Cap Palmas fchon auf 2 Millionen Gallons 
anfchlägt. Ein Fünfttheil des Gefammthandeld von Liberia geht 


Die Neger» epublil Liberia. 4% 


im norbamerifanifchen Vereinsſtaaten, an 100,000 Dollars, da die Ges 
emmtausfuhren auf 500,000 Dollars gefchägt wurden. Die Einfuhren 
vn ven Bereinsflaaten betrugen 150,000 Dollar. Die nußbarften 
Imorten kommen nach Liberia bis jest meift von Europa; nur in 
ai Attileln, Taback und Pulver, überbietet die Einfuhr der Nordameri⸗ 
ana allen anderen Handel nad Afrika, indem darin keine andere Nas 
ten wit ihnen rivalifiren fann. In der wichtigften Einfuhr der Ge 
weh, zumal der Hier gefuchteren Baummwollenzeuge, iſt die ameri⸗ 
kniie Einfuhr der Dualität nach zwar beffer, als die von Europa, 
aber viele iR bei dem geringeren Arbeitslohn in Europa dem Preife 
wo neh mwohlfeiler, und daher laufen die Europäer dort am 
Markte den Amerikanern den Rang ab. Darauf gründet fich für jetzt 
ſchon bei der Kindheit, in welcher fih noch der Handel wie die ganze 
Einrichtung der Republik Liberia befindet, ihre Bebeutung für den Ver⸗ 
fchz mit den europätfchen Handelsunternehmungen, die mit dem ort 
ſchritt der Entwidelung des Freiftaates Liberia, wenn man biefen als 
die Eingangspforte zu Inner⸗Afrika in's Auge faßt, für die Zukunft 
sicht gleichgültig bleiben dürfen. 


— — — — — 


G. Ritter. 


1. 
Zur Kartographie und Statiftif von Spanien. 


Während die meiften Regierungen Europa’8 ſchon in den erften 
Jahrzehnten dieſes Jahrhunderts und zumal feit dem Beginn der dreis 
Kigjährigen Friedenszeit begonnen haben, ihre Sorge einer genaueren 
Kartenaufnahme ihrer Staatsgebiete und der Sammlung möglichft zus 
verläffiger und vielfeitiger ftatiftifcher Daten zugumenden, ift Spa⸗ 
nien, in Folge der Bürgerfriege, welche das fchöne Land fo lange zer- 
rüttet haben und der dadurch noch vermehrten Finanznoth der Regies 
rung, wie in vielen anderen Zweigen öffentlicher Thätigfeit, fo auch in 
diefem bis vor furzem zuruͤckgeblieben. In der That ift feit dem ein⸗ 
zigen großen Originalwerfe, der noch aus dem vorigen Jahrhun⸗ 
dert datirenden Lopez'ſchen Karte, von welcher alle ſeitdem erfchienes 
nen Karten mehr ober weniger nur reducirte Copien find, mit Aus⸗ 
nahme der Berichtigung der Kuftenaufnahme durch die maguiſche, fran⸗ 

Beitſcht. ſ allg. Erdtunde. Bo. I 


30 5. Kiepert: 


zöfffche und fpanifche Marine und Fontan's großer Karte vı 
Galicien in 12 Blättern, nichts neues in dieſem Fache geleiftet we 
ven. Der größten Anerfennung würdig iſt daher die Herausga 
eines volftändigen neuen Originals Kartenwerfes, welches allerdin 
wiederum nicht ein von der Regierung felbft ausgehended intern: 
men, fondern das Ergebniß einer nur von ihr mannigfach unterftüg! 
Privatihätigfeit if, indem dem Autor, Don Francisco Eoell 
durch feine amtliche Stellung ald Oberftlieutenant im Generalftabe (1 
niente-Coronel-Capitan de Ingenieros) die beflen Materialien 
Gebote ftehen mußten. Konnte nun auch dies Originalmaterial, v 
Bolftändigfeit der topographifchen Details anbetrifft, mit den im g 
Geften Maaßſtabe ausgeführten und in der Regel in Maapfläben ı 
wenigftend 1:50000 bis 1:100000 publicitten militatrifchen Aufn 
men anderer europäifchen Länder (mit Ausfchluß Scandinaviens 
Rußlands) nicht weiteifern, fo würde ohnehin auch der für eine Publ 
tion in ähnlichem Maaßftabe erforderliche Koſtenaufwand die Grenzen ei 
Privatunternehmens weit überschritten Haben. Wir fünnen es daher 
ganz angemeflen und für ein in feinen topographifchen Details 

her fo außerorventlich wenig gefanntes Land, wie Spanien, völlig « 
reichend finden, daß der Herausgeber die Gefammtbarftellung‘ 
Landes auf einen kleineren Maaßſtab befchränft: fo wie fehr pafl 
daß er dazu einen rationalen, 1 :200000, gewählt bat, venfelben 
dem beifpielsweife die befannte Reimann’fche Karte von Deut 
land projieirt if. Ein Vergleich mit dieſer Karte zeigt hinſichtlich 
Duantität der aufgenommenen Gegenftände die ſpaniſchen Karter 
weitem weniger mit topographifchen Details angefüllt; nur ausnal 
weife find einzelne Kleinere Wohnpläge, ald Dörfer, wenn fie 3. 2 
ahrer Eigenſchaft als Pofts oder Grenzitationen, Klöfter u. dgl. 2 
tigfeit haben, aufgenommen; die Ortfchaften, mit Ausnahme der 

vinz = Hauptftädte, nicht im Plan, fondern nur mit einem conventi 
len Zeichen niedergelegt, von Signaturen der Bobenbefchaffenheit 
Wald, nicht aber Wiefen und Sandflächen angegeben; das Teı 
nach der zuerft in vielen neueren franzöfifchen Karten in diefem D 
abe angewenbeten Manter, nicht ausfchraffirt, fondern in Horiz 
len gezeichnet, welche aber, da fie auch in der Darſtellung de 
genau vermefienen afintifchen und afrikanifchen Colonielarten Aı 


Zur Kartographie und Statiſtik von Spanien. 51 


mg finden, keineswegs als auf wirklicher Meffung beruhen, fonbern 
den mar ald Manier angefehen werben bürfen und baher, zumal bei 
ven Rangel hypſometriſcher Zahlenangaben, für die Kenntniß der pla- 
Ken Bodengeftaltung noch viel zu wünfchen übrig lafien. So koͤn⸗ 
wen auch der ganzen technifchen Ausführung nach die Blätter in Rebe, 
— ke find allerdings in Kupfer geftochen, zeigen aber, daß Stich und 
naucuiſich Druck in Madrid noch auf Feiner hohen Stufe der Ausbil 
bang fiehen — höchftens mit den älteren Blättern der Reimann’ fchen 
Karte aus den Jahren 1820— 30 verglichen werden, wogegen fie den 
neueren Leitungen auf diefem Felde bei uns außerorventlich weit nach» 
ſtehen. Unähnlich find fie Diefer Karte und den meiften ähnlichen to⸗ 
pographiſchen Karten anderer Linder endlich auch in der Außeren An- 
ordnung und Bertheilung des dargeftellten Terrains, indem fle nicht 
aus zufammenftoßenden Sectionen beftehen, fonbern fich nach der ge 
gemwärtigen politifchen Eintheilung des Königreiches in AI Provinzen 
richten. Aus ver fehr verſchledenen Größe derfelben hat fich bei dem 
gleichfẽrmigen Maaßſtab und dem Streben nach Außerlicher Eonformität 
die Nothwendigkeit ergeben, das Format der Blätter fehr groß (zu 
40 x 30 Z0U Rh.) anzunehmen; ein Raum, dee durch die topographis 
fihe Zeichnung meift nur zum Heinften Theile ausgefüllt wird, da felbft 
fo Meine Provinzen, wie die drei basftfchen, deren Flächeninhalt zufams 
men faum 3 von einer der größten Provinzen erreicht, jede auf einem 
befonderen Blatte dargeftellt find, daher alle außerhalb der Grenzen 
der dargeſtellten Provinz fallende Eden der Blätter zu fpeciellen Dar⸗ 
Rellungen der Umgebungen dee Hauptorte oder fonft wichtiger Localis 
täten, Stäpteplänen u. dgl. benutzt erfcheinen, für welche ebenfalls gleich- 
forwige, zu der Hauptlarte im rationalen Verhältniß ſtehende Maaß⸗ 
Räbe von 1 : 10000, 20000, 50000 und 100000, je nach der Wich- 
Ggfeit des Details (nur der Plan von Madrid auf einem befonberen 
Blatte in 1 : 5000) angenommen find. Was außerdem noch an Raum 
übrig bleibt, erſcheint ausgefüllt durch ſtatiſtiſche Notizen (zu deren 
Vollſtaͤndigkeit wir jedoch die Angabe der Einwohnerzahl der einzelnen 
bedeutenderen Ortfchaften vermiflen) aus der Feder des Don Pascual 
Madoz, Autors eines fehr gerühmten neuen, ſtatiſtiſch-geographiſchen 
Worterbuchs über Spanien und deflen Eolonien in 16 Duartbänden. 
Huch dieſe eine große Mafle Schrift enthaltenden Aufad⸗ Find unzweck⸗ 


52 5. Kiepert: 


mählger Weife in Kupfer geſtochen, und tragen dazu bei, den burd 
pie enorme Größe der Platten bedingten Preis noch zu erhöhen um 
fomit die Anzahl der Käufer, namentlich der auswärtigen, zu verrin 
gern, da wohl wenige Kartenliebhaber in ver Lage find, eine fo zahl 
reiche Reihe von Blättern mit 2] Thaler das Blatt (jo hoch Tomm 
wenigftens der Preis hier in Deutfchland) zu bezahlen. Die Reit 
umfaßt nämlich außer den einzelnen Provinzen Spaniens, — wovon un 
11 Blätter: die baleariſchen Infeln *), Gerona, Caftellon de la Plan 
Guipuzcoa, Alava, Logroüo, Palencia, Valladolid, Segobia und M: 
drid nebft dem Plane der Stadt Madrid, gedrudt vorliegen, — noch a 
11 Blättern die fpanifchen Befigungen und Eolonien in Afrika, Aſi 
und Amerika, natürlich in Heineren Maaßverhältnifien als das Mutte 
(and, entworfen. Bon diefen Blättern find die meiften bereit volle 
det, worunter namentlich die Karte der Philippinen, verglichen n 
den 30 Jahr Alteren, nad) welchen bie befannte Karte von Berghaı 
im Atlas von Aſien entworfen ift, einen fehr bedeutenden Foriſchr 
genauerer Specialaufnahmen zu See und zu Lande zeigt, wenn au 
immer noch ziemlich bedeutende Lüden (3.3. im Snneren der Ro 
hälfte von Luzon) auszufüllen oder genauer zu erforfchen bleiben. R: 
den Maaßſtaͤben georhnet folgen fie fo: in 1:280000 die canarifd 
Infeln in 2 Blatt; in 1:500000 Buertorico; in 1: 100000 Cuba 
3 Blatt Cerfchienen erſt 2 halbe Blätter, die äußeren Enden bilven! 
die afrifanifchen Befigungen in mehreren auf einem Blatte vereinig 
Gartons (die Guinea» Infeln, die Preſtdios an der maroffanifchen K 
mit Sperialplänen ber einzelnen Feſtungen); die Philippinen in 3 B 
(2 halbe, die Außerfien nörblichen und fühlichen Heinen Imfelgrup 
enthaltend und das nördliche der beiden inneren Blätter bereits erſ 
nen); endlich ein Blatt, welches neben einer Nicherfichtöfarte der 
Rralifchen Infehwelt in 1: 10,000000, Kärtchen aller einzelnen In 
und Gruppen des Carolinen⸗, Balaos (vulgo Pelew) und IR: 
nen⸗Archipelagus in 1: 1,000000, ſowie der wichtigeren von lebt 


2 66 wire nicht überfkäffig fein, Bei dieſer Gelegenheit daran zu erünmern 
die Spanier unter tem Mamen Iılas Balcares tie gefammie Sufearuppe, Mal 
ven in unſeren Karten um Gempentien ans der alten Gergraphie 

iten Roman ver Pitynfen fix Ike und Eermenke iäig igesrirem. 


Zur Kartographie und Statiſtik von Spanien. 53 


a 1:250000 enthält. Der ganze Atlas, von dem fomit 19 Blatt 
kitd erichienen find, wir alfo, wenn nicht noch ein oder mehrere 
Warter reducirte Weberfüchtöfarten der Halbinfel hinzufommen, aus 60 
Blättern beftchen, 135 Thaler koſten und nad) Maaßgabe des bisheri- 
gu Eſcheinens während der lehten 4 Jahre vielleicht bis 1860 voll 
ae fein. 
Zar Ergänzung der oben unter Madoz ftatififchen Rotizen — 
(das große Werk deſſelben Verfaſſers ift uns bis jet noch nicht zu⸗ 
ganslih gewefen) — vermißten Angaben, kommt fo eben aus Mabriv 
eine dort im Jahre 1852 erfchienene Brochüre, welche unter dem präs 
tentisien Titel Estadistica de Espana por orden alfabetico por D. 
3.UN.yC.*) auf nur 16 Seiten nichts enthält, al8 ein Verzeichniß ver 
poũtiſch bedentenden Ortfchaften des Königreichs, d. h. der Städte (ciu- 
dades) und derjenigen Flecken (villas) und Dörfer, welche Hauptorte 
der Gerichtsbezirke (cabezas de partido) find, alſo keineswegs alle 
Derter von einer beflimmten, nach der Größe und Seelenzahl bemeffes 
nen Bedeutung, denn es fehlen darunter Villa's von 3— 4000 Ein- 
wohner, wie 3. B. Aranjuez; beigefügt find, außer der Entfernung von 
Madrid, die Zahl der Zeuerftellen (vecinos) und der Einwohner nad) 
ver legten Zählung. Da und nur leßtere, und auch nur bei wich⸗ 
tigen Ortfchaften, intereſſiren und zur Berichtigung der meift fehr ans 
tiquirten Angaben in den gewöhnlichen Handbüchern dienen fönnen, fo 
heben wir nach beftem Ermefien Die wichtigeren darunter heraus, bes 
merken aber fogleich, daß die nachläffige Art der Correctur des Drudes **) 





©) Wir verbanfen die Mittheilung verfelben der Guͤte des FE. preuß. Generals 
cenfuls zu Barcelona, Herrn v. Minutoli. 

⸗0) Diefelbe ergiebt fi wenigflens ans der unverzeihlichen Berfchiebung der Zei: 
ien in folgender Stelle, p. 5 


Pueblos Vecinos Almas 

el Burgo de Osma 396 11790 
CACERES 2200 62062 

CADIZ 11132 11344 
CASTELLON de la plana 3600 4368 
CIUDAD REAL 11992 38168 
CORDOBA 2764 17138 

LA CORUNA 4087 9415 


Daß dieſe Zuſammenſtellung falſch fein muß, erhellt ſogleich ans dem unmoͤg⸗ 
en Verhaͤltuiß ver Haͤnſer⸗ zur Seelenzahl in faft allen Bellen, — am wenig: 





54 - 9. Kiepert: 


au der Genauigeit des Ganzen Fein großes Vertrauen einflößen kann 
Die einzige Gewähr der ungefähren Richtigkeit der größeren Zahler 
(denn auf die Hunderte und darunter kann es uns natuͤrlich, ſelbf 
wenn ihre Richtigkeit garantirt werden könnte, nicht ankommen) ergieb 
fih außer dem ziemlich conftanten Berhältnig der Häufers zur Ein 


Ren Tann eine Stabt 11132 Hänfer und 11344 Ginwohner, und Lanbfläbichen w 
Caceres 62000 Sinwohner, ober Ciudad real fat 12000 Häufer haben. Den Gru 
ber Verfchiebung, welche fich fomit auf alle 3 Columnen untereinander erfiredt, fint 
man aber leicht, wenn man bie fogenannte »alphabetifche Orduung« der Artikel näh 
prüft und ſich überzengt, baß fich diefelbe mei nur anf die drei, oft fogar wur a 
die zwei erflen Buchflaben der Namen erfiredt, woneben noch die mit großen Bu« 
flaben gebrudten Namen der Provinzialhauptftäbte eine wunderliche Ausnahme bilcı 
indem fie zwar untereinander alphabetijch georbnet, aber der Reihe der übrigen Ar 
tel enthoben, jedesmal zu Anfang des refp. Buchflaben zufammengeflellt find. N 
bat vermuthlich der Autor erſt bei ber Gorrectur manche Ungleichheiten biefer 9 
orbuung ausgeglichen und eine Stelle, wie bie vorliegende, offenbar mehrmals um: 
feßt, leider aber nicht die ganzen znfammengehörigen Zeilen, fondern den Inhalt ' 
einzelnen Golumen für fih, fo daß die Zahlen iheilweife in ber früheren Unordur 
Reben geblieben find und erſt durch Conjectur wieder snfammengefunden werden m 
fen. Für die größeren Stäpte if dies nicht ſchwer, ba bie hohe Zahl von 62,C 
Einmehnern unter den vorliegenden nur Cadiz zufommen kann, bei welchem bie 
benſtehende Haͤuſerzahl 11132 wahrfcheinlicy richtig ik. Smwar fommt eine noch 
bere Haͤuferzahl, 11992, vor, aber dieſe kann eben fo gut zu dem Ramen Cordo 
welchem fie näber ſteht, gehören; denn obwohl fie zu der damit verbundenen näı 
größten und allein zn Cerdoba pafienden Seelenzahl 38168 fcheinbar ganz außer 
haͤltniß if, fo wird eine ſolche Ausnahme gerechtfertigt durch die befannte Geſchi 
biefer Stadt, welche laͤngſt in Berfall, noch ans der Zeit ihres mittelalterlichen © 
zes eine große Menge, zum Theil ſchon in Ruinen zerjallenber, wenig ober gar ı 
mehr beiuchnter Häufer erhalten hat. Dann faljch neben Cordoba geftellt, folgt 
Seelenzahl 17138, die unter den übrigen Namen nur der blühenten Seeſtadt Ta 
runa angehören Faun; bie bei dieſer Rchende Häuferzahl paßt ungefähr. Gbenfo 
die Hänferzabl 3600 (vielleicht richtiger 2600) bei Caſtellon wohl richtig Rı 
und vielleicht die zunüchk darüber ſtehende Seelenzahl 11344 bag gehören, obweh 
frühere Cenſus für diefe Stadt fchen 15000 Einwehner auswies Derfelbe gieb 
Cindadreal und Gaceres refp. 10800 und 10000 Seelen, denen in umferer 
belle 11790 und 9415 entſprechen würden, aber zu weit von ven reſp. Namen 
fernt chen, als daß man eine fo flarfe Berfepung annehmen bärfte; es wire 
geratbener fein Das umgefchrie Verhältniß anzunehmen, welches befier zu den m 
liegenden Hänferzablen refp. 2164 und 2200 paft. Uebrig bleibt dann wur die f 
a Daapelen Gehalte Bretenaht dass, F falls dieſe wicht gar, was bei vom ' 
Umfiellungen wohl möglich und zu der älteren Angabe von 15000 paſſender if, 
14368 verbeudt und dafür in der cheren Reihe, ſtatt 11334, richtiger 1344 zu 
iR; werigkens wärbe Ichtere Zahl, beſſer ale jene viel zu große, zu den 368 5 
bei Burgo de Usma paſſen. 


Zur Kartographie und Statiftit von Spanien. 53 


wmegahl, wie 1:4 Bis 1:5, für die meiften Ortfchaften aus ver 
sch nicht jehr großen Verſchiedenheit gegen die Zahlen des drittleß- 
un Cenſus von 1825 nah Minano’s Angaben (da der von 1841 
m unficher it); das ziemlich Häufige Stehenbleiben ober bie fehr ges 
ige Bermehrung ver Bevölkerung, welche erſt in den legten Jahren 
w wie etwas gehoben haben fol, kann nad) dem Unglüd, welches 
jo lngährige Bürgerkriege über das Land gebracht haben, kaum über- 
raſchen, wogegen vie bei vielen Orten in dem neuen Cenſus fogar bes 
dentend Heiner ausfallende Zahl vielleicht weniger jenen Urfachen, als 
der größeren Genauigkeit der lebten Zählung zugufchreiben fein möchte *). 
Erſcheeri wird Die Vergleihung noch durch die in den einzelnen Pro- 
pingen unglichmäßige Art der Zählungsbezirke, welche im Allgemeinen 
freilich, bejonders bei größeren Orten, den Stadtgrenzen zu entfpre- 
den fcheinen, bei den Fleineren Orten aber in mehreren Provin- 
zen, namentlich in Galizien, Afturien und Santander, offenbar mehs 
tere benachbarte Ortichaften unter einem Namen begreifen **), wie 
3 B. aus der älteren Devölferungsangabe der Hauptftadt Opiedo zu 
10500 (da eine Vermehrung auf faft das doppelte in 27 Jahren in 
dieſem Gebirgslande ganz undenkbar ift) und aus der Summe der ein» 
zeinen in Afturien aufgeführten 15 Cabezas von gegen 150000 Seelen, 
d.i. ungefähr 5 der Bevölkerung der ganzen Provinz, hervorgeht. Sol- 
he fonft nur als geringe Dörfer bekannten Orte, denen in unferer 


©) Befonders auffallend erfcheint die Verminderung bei Städten, wie Cordoba 
und Zaragoza, die vor 27 Jahren zu reſp. 46800 und 43400 Einwohner angegeben 
warden; aber fie fommt fogar auch, wo man fie am mwenigften erwarten follte, bei 
Eerfiästen vor, wie Bilbao mit früher 15000, Mahon mit 19000, Gorufa mit 22,500, 
Cabiz mit 62000 Giuwohner. Daß bei letzterer Stadt wenigftens eine Vermehrung, 
wie man fie in einer lebhaften Hanvelsftabt vorausfegen follte, nicht erfolgt, liegt in 
den befonderen Localverhältnifien, indem bie infulare Lage eine Vergrößerung ber Stabi 
unmöglich macht, daher die Bevölferungszunahme nur ben auf dem Befllande gegen: 
über Hegenden Drtfchaften ©. Jernando, Puerto ©. Maria, Puerto Real, wahren 
Berkänten von Cadiz, zu gute fommt. Bine bebentende Volkszunahme zeigen nur we⸗ 
nige Etäbte, meift maritime, wie Tortofa, Palma auf Mallorca, Murcia, Malaga, 
Ervillg, vie frhher zu reſp. 11000, 34400, 35400, 52000, 91400 Ginwohner gefchägt 
waren; bei Murcia iſt das Mipverhältniß fo groß (mehr als das Doppelte in 27 
Jahren!) daß man in einer der beiden Angaben einen Irrtum annehmen maß. 
28) And im den Öfllihen Provinzen find einzelne Angaben, felbft von einer 
Sreviszialfanptitabt, wie Soria, durch Zufäpe bei ven Namen, wie y aldeas, y anexo, 
y agregados, caserias, ald Inbegriff mehrerer Ortfchaften bezeichnet. 


56 H. Kiepert: 


Duelle durch Hinzurechnung ihrer weiteren Umgebung öfters Volks⸗ 
zahlen bis zu 20000 beigefeht erfcheinen, Haben wir in unferer Lifte füg⸗ 
lich ganz übergehen zu dürfen geglaubt; die wenigen Artikel aber, die 
aus anderen Rüdjichten aufgenommen werben mußten, ohne entſcheiden 
zu Tönnen, inwieweit ſich die Zahl auf die Stadtgrenzen bezieht, find 
durch ein * Eenntlich gemacht. Statt der ganz unfrudhtbaren Anord: 
nung nach dem Alphabet oder nach politifchen Eintheilungen haben wir 
gefucht, die Zahlenangaben dadurch überfichtlicher und Ichrreicher zı 
machen, daß wir die Orte nach gewiffen durch die natürlichen Berhält 
niffe des Landes vorgezeichneten Hauptgruppen vertheilten, innerhal 
jeder einzelnen derſelben aber nach abfteigender Größe und in ungefäf 
rem Parallelismus der Klafien orbneten. Mit Ausnahme der die Rori 
füftenländer begreifenden Gruppe mögen bie drei übrigen ziemlich gleid 
Volksmaſſen enthalten, obgleich fie an Größe, an phyſiſcher Befchaffer 
heit und an Vertheilung der Bevölkerung fehr verfchieven find. D 
natürliche Ueberlegenheit der mittelmeerifchen Küftenländer, beſonders d 
fünlichften, über das unfruchtbare centrale Hochland tritt fogleich in d 
Anhäufung volfreicher Städte hervor, denen die inneren Provinz« 
außer der zufälligen politifchen Hauptſtadt des Landes, kaum eine ot 
die andere gegenüber zu ftellen haben, während die Menge der Heiı 
ren Landſtaͤdte deshalb in den Küftenprovinzen faum geringer ift, auf 
etwa den fehr wenig von der Eultur berührten noͤrdlichen Gebirgs 
ſten *). Diefer Anordnung entzogen fich wegen ihrer entfernten Lage ı 
die canarifhen Infeln, welde, da fie ausfchlieglih von Spani 
bewohnt find, nach der neuen Adminiftrativverfaffung nicht mehr 

Eolonie, fondern als legte der AI Provinzen gelten. Bon ihnen 

ben fi in unferer Quelle folgende Bolfszahlen der Hauptorte: ° 
Gran Eanaria die Hauptfladt las Palmas, 17382, Guaja 43 
auf Teneriffa Santa Eruz 9006, Orotava 8315, la Laguna 65 
auf Palma ©. Eruz 5641; auf Lancerote Puerto del Arecife 23 


®) Die politifchen Hauptſtaͤdte der Provinzen find in der Tabelle durch { 
Gchrift hervorgehoben. 








Zur Kartographie und Statiflif von Spanien. 57 
Sms Godlass. : Stufen: und Küfenländer 
— 
im Nerven: im Dfien, km Eäpen: 
einfälichlid der Sufeln: Eüren: 
(Gin, fer, Oferms- : (Galizien, ARarin, 2 Bein. (ragen, Gatelonien. Balen- 
un) ganas, Ravarız. | ia, Murce, Dalcaren.) | (Anbalufirn uns Granahe.) 
F Cm. ! Ein. | Ginm. Ein. 
zor.. 256365 — | Berceloua ... 121815 | Gevwille .. . ... . 100498 
— — . „0... 73248  Welage ..... 74710 
1 w —⸗ Balen .... 67231 1 Granada .. 0.0 0° 66821 
f — ae ...0.0 40892 l .. 0.00. 62052 
— — Cartagena..... 33593 ! oba . .. 38168 
- _ Bern. ...... 30955 | Jerez be la Srentern 34988 
f _ — Zaregoza . 29651 — 
— — Bub ....... 28084 — 
Eantiago ve Gompo⸗ 
— Kia -----. 22729 — Echa....... . 23722 
— — — Antequera..... 22021 
222. 39376 — .... 20573 Almeria... 20320 
nn 15997! Detebe - - - - - . 19610* | Wlicamte. ... .. 19635 |©. Lacar ve Bara- 
mi ...... 17545 
_ ie Sorute ... . 17138 |Orifuda ..... 16478 |Sem - ...... 17387 
- | Seutanber - - - - 16986 |. ...... 16253 | Buerto de S. Marla 17312 
a... 13924: 1 Berwel = =: 166 Wal... .... 16084 | 15978 
_ Item - - - --.. 16088 | Ele....... 15649 |Ofuna ....... 15508 
_ — — ©. Fernando 15255 
Caſtell on 
_ — Plans 145088 — Carmona...... 15121 
- — Tarragona . .. 141 Rofa ........ 14657 
_ — Garavaca... 18472 Ronta......- 414128 
— — Manreſa.... 133390Ubeda...... 13632 
_ — Albacete 13252eucena...... . 13094 
_ — Sativa (©. Felipe) 13168 Utrera....... 12854 
— — Matars...... 13010 |Motrll. .... . - 12851 
_ — Mahn. .... . 12553 |Montilla.. .. . . 12140 
_ 2us0 - - - - - . - 12867 |Lerida.. .. .. 12472 _ 
— ..... 11790 | yamıplona - .... 11675 |Aldra....... 11287 |Mardena ..... 11620 
Bea -.... 11715 — — Arcos ve la Frontera 11532 
_ — — Alcalä la Real... 11521 
_ _ _ Agefiras . . ....... 11092 
— — — Batna oo... . 10972 
_ — — Agullar ...... 10881 
— — — &a. 10851 
Binds..... 410550 | Bilbao - - - - - - 10727 |Bh........ 10667 |Mevina Elvonia . 10815 
_ — — nee. 0513 
— Moron oe... v 10495 
Manacor (auf Mal. 
_ — lora).....- 10484° | Montorn .... . . . 10481 
_ _ Sn... 10179 |Bayı....... . 10433 
— — Hunesea. 10173 Goin........ 10154 
— -—-—nDnDn ui ee 10095 Guadir Pu 0 10129 
.... 9781 _ Diot. .... .. 9998 _ 2 
Udedreal 9415 BSitoria..... 9559 a....... 9567 Velez Rublo 971 
— . Seba ... 3380 | Onteniente 9532 |Gfepona..... - 9383 
= — Vinaroz...... 9143 Andujar.. .... 9353 
— — — Vera........ 9316 
’ — — Suma...... » 8871 |Beja ....... 9133 
Vimdl....... 8635 _ Almanfa . . 8731 | Suekcar - overa 9033 
Zum...... 8602 — Gem ....... 8556 _ 
— — Liria.... . 8524 — 
— — Figneras.... 8352 Martos..... 8500 
_ Aviiés....... 8354° | Billajoyofe . 8229 _ 


34 Zus Kartographie und Statiflil von Spanien. 








(entrales Golan. | Stuſen⸗ nnd Küſtenläuder 
lu — 
— 5 ——7 
| im Norben: | infhlieglih der Infeln: | im Süd 
(Gafiilln, Leon, Bßrema- | (Gallien, Ahurien, Bascen- (Biragon, Gatelenien, Balcn- : 
Bura.) garas, Navara.) | cia, Wurde, Balsaren.) | (Anvalufien and 
Ginw. | Ginw. | Ginw. 
_ Muro6 ... 2... 8228°% Gerne .-. .... 8172 , Brig... 
— Voya ..... 80680 — Bujalauct... 
Mannares, .... 7734 Yontevedra 00.764 |Mammwar ....... 7859 | Sinoyofa . . - 
Salamanca : . . . 7697 — Mula.........7791Montefrio.. 
— — Villar Real..... 7752 | Ghiclana . . - 
— — Caſspe.......... 7500 | Ouelva.. 
— — Ghindllla....... 7465 — 
— — Teruedl: - ...... 7365 Gazorla.... 
Walbyenas 20.2.7308 Tubela....... 7323 | Giuvavela (Menorca) 7327 | Gil .. . . 
— — Alcaräaͤ........7328 — 
Zeon..... 7074 | Mondohedo . . . . . 7012 Novelda....... 7244 — 
Toro...... 6998 — Calatayud......6885Alhama.... 
Zalavera de la Neyna 6907 | Eogarono. - . - - - 6842Urchlvona...... . 6868 | Alera.. .. . . 
Wmaden „22.2.0. 6760Vigo 2.200... 6742 — Albuñol ... 
Gumea’). . ... 6602 — Goncentalna. . . . . . 6483 | Alcald ve Guad 
Senoni® ı ıı . . . 8891 — Tarazona ... . 6403 Grazalena.. 
Oltventiza....... 0291 Tuy......... 0825 Berga....... 2. 6333 Rambla . 
Nerey de 106 Gaballeroo 6120 — Torrente de Valencia. 6192 _ 
Lrullilo voenc.. 6028 — Segorbe...... . 6154 — 
— — Totana........ 6126 _ 
— Galahorra...... 5990 Barbaſtro....... 5915 - 
— Betanzod 2... 0.056840 |Defe .... 2.0... 85827 | Golmemar.. . . 
Maprllelos. ı 2. . 8774 — Sandla . ....... 5723 | Suekar. . . . 
Montanchez..... 85887 Garo........ 5672° — Valverde... 
Goria (v agregadot) 302300 Orenfe . . . . . . . 5635 |MWillafranca de Panades 5516 | Moguer... 
Tarancon oo 00. 8336 EGEſtella........ 8342 Ila Rota ....... 5308 | Rute... . 
Aafra ver —24 8280 — Enguera . er... 5244 Torrox .o 
Uleald de Senares , . 5159 — Tarraſa........ 5225 | Olvera - 
uapalajara « . . 8147 — Iblza .. .... 5118 Sorvas... 
Ma. co. 8180 — * rn. . 5100 | yamonte. . 
Qulntanar 2... 4998 — Mego ER 4975 - 
Mlerena vun 000. 4990 — —* de Mar.... 4824 - 
CEbluchon ——2—4 4Nne nd — - 
Ciudad Rodriav . . . 4832 — — 
Uleazar de S. Auan 4N2E — — 
Mava del Rey ua unit — — 
Dlauena oo. IT | Zelefe: . 18 | Mora ...... . 4750 
gillalen vs. 42 . 4678 — Silona Dar vr vr er 4744 Lora del Rio 
Amororar Del Campo uw — Balaguer....... 4642 
Medlug del Rio Seco 4300 — GEhelva...... 4488 
Neſar.. 44894 — Murviedro Pa N 4257 Gauciu . 
Ritt aueva del Infante 44*4 — Mentblauche 4ld | Eanta BE 
Roamara ı 0... 4278 —_ Seren... 22... 
11 11 7 se 7. v-) — —— 
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Meuere Literatur: 59 


euere Literatur. 


Oil Report of the United States expedition to explore the Dead 


dea and the river Jordan by Lieut. (jet Commanbeur) W. F. Lynch 
U.SN. Baltimore 1852. 1 Vol. X. 235 ©. mit 16 Tafeln Abbildun⸗ 
wen Berfteinerungen und 1 großen Karte. 


In Cute des Jahres 1847, unmittelbar nach der im merifanifchen Kriege 
ala imnahme Der Stadt Vera⸗Cruz, Iegte ver dabei thätig geweſene Lieut. 
tank ten ver norvamerifanifchen Flotte dem Staatöferretair der Marine, 
Raien, ven Blan zu einer Unterfuchung des tobten Meeres vor, welcher deſſen 
Beligung und weitere Unterflüßung fand. Zur Ausführung feiner Unterneh» 
mung baute Lynch fofort in Amerifa zwei ganz aus Metall conftruirte Böte, 
ein kurfernes und cin aus galvanifirtem Eifen beftehenve, zu deren Beman⸗ 
numg er 10 tüchtige, nüchterne Matrofen, eingeborene Amerikaner, anwarb. 
Zwei Serofficiere, beides treffliche Zeichner, der Lieut. Dale, welcher fchon 
am Schlufle der Unternehmung farb, und der Midſhipman Aulick wurden 
amtlih Seauftragt, ihn bei feinem Vorhaben zu unterftügen. Zwei weitere 
Bitgliever der Experition, H. Bedlow und der Dr. med. Anderfon ſchloſ⸗ 
fen ſich ihr erſt in Aſien, letzter beſonders als Arzt und Eenntnißreicher Naturfor⸗ 
ſcher, an. Ausgerüftet mit einem Ferman des Großherrn und unterſtützt nach 
Kräften von den türfifchen Officieren und Beamten in Syrien, vermochte 
2ynd in 2 Monaten (April bis Juni 1848), obgleich mit großen Beſchwer⸗ 
der und Entbehrungen, ven Zweck feiner Unternehmung vollftändig zu erreis 
hen und nicht allein das topte Meer mit Hülfe der beiden Böte im ganz 
zen Umfange gründlich und wiflenfchaftlich zu unterfuchen, fondern aud) ein 
Gleiches mit dem Lauf ded Jordan im größten Theil feiner Erftredung zu ers 
reichen. Unmitielbar vor Lynch und ohne deſſen Wiflen Hatte jedoch fchon 
eine äßnliche Erforfchung durch den britifchen Marineofficir Molyneur flatt» 
gefunden, welcher eine Barke nach den galiläifchen Meere transportiren ließ, 
mit berfelben einen heil des Jordan, doch nicht ganz bis zum todten Meere 
und auch nicht ohne Wiverftand, zulekt fogar unter gewaltthätigen Angrife 
fen Der Araber abwärts fuhr und endlich das Meer, veflen Tiefe er an einer 
Stelle noch nicht Bei 1350 engl. 8. fand, auf feiner Barke zu unterfuchen 
begamm, leider aber den letzten Theil feiner Unternehmung nach Verlauf von 2 Tas 
gen beendigen mußte und ber ver Rückkehr nach der Küfte und auf fein Schiff 
in Folge ver Anftrengungen bei Jaffa farb. Unter dieſen Umftänven iſt und 
son Molyneur’8 Beobachtungen nichts weiter befannt geworben, ald was ein 
Bericht des Reiſenden an die Admiralität (Journal of the geographical so- 
diety of London. XVII, 104— 130) mthält. 

Bald nach Beendigung von Lynch's Exrpebition, ſchon im Jahre 1849, 
erfchien unter dem Xitel: Narrative of the United States expedition to the 


60 Neuere Literatur: 


River Jordan and tbe Dead Sea by W. F. Lynch U. S. N. zu 2on- 
don ein von zahlreichen bilplichen Darftelungen und einer Karte des Jordan⸗ 
laufes und des tobten Meeres begleiteter Bericht über dieſe Unterſuchungen. War 
verfelbe auch nur eine Privatunternehmung von Lynn h, und enthielt er nament⸗ 
lich nicht die ausführlichen Reſultate der firengen wilfenfchaftlichen Forſchungen, 
wozu die Erpebition Veranlaflung gegeben hatte, jo wurbe er doch von ber 
wiffenfchaftlichen Welt beider Hemiſphaͤren überall mit großem Beifall aufge- 
nonmen, weil er nach allen in Verlauf von mehr ald 2000 Jahren faft zahllos 
wiederholten Schilderungen des in der Gefchichte der Natur und der Menſch⸗ 
beit elaffifchen Landſtriches Seitens flüchtiger und, mit geringen Ausnahmen, we= 
nig gebilveter Reiſenden als ein erfreulicher Vorläufer eines grünblicyeren und 
alle Richtungen voiffenfchaftlicher Erkenntniß umfafiennen Werkes gelten konnte. 
Drei weitere Jahre dauerte es jedoch, che das gefammte, auf der Reiſe ge- 
fammelte Material von den ausgezeichneten Männern, vie fi) in Norbamerifa 
zu deſſen Bearbeitung vereinigt hatten, jo weit purchforfcht war, daß bie Her⸗ 
ausgabe des officielen Berichtes erfolgen Tonnte, welche envlich unter des 
Dirigenten tes aftronomifchen Staats - Obfervatoriumd von Wafhington, Lieut. 
Maurys' Aufficht, Rattfand. Außer einigen Fleinen gefchäftlichen Schreiben 
enthält nun ber Bericht, welcher unter dem im Beginn dieſer Anzeige aufge 
führten Titel erjchien, zuvörderft eine kurze Darftellung ber Ereigniſſe der Exr- 
pebition von Lynch felbft (S. 10 — 47) mit 6 Anhängen verfchiedenen, meift 
aber naturwifienfchaftlichen Inhaltes (S. 47 — 75), wovon einer, durch Chaſ⸗ 
fin verfaßt, die aus Syrien mitgebrachten Vögel, ein anderer, deſſen Bear⸗ 
beiter R. Sglesfield Griffith iſt, vie Pflanzen der Reiſenden barftellt. 
Beine Berichte find jedoch von feinen Abbildungen begleitet, da die mitge⸗ 
bruchten Gremplare ſich größtentheils in fehr fchlechtem Zuſtande befanden. 
Gin dritter Anhang enthält die aflronomiichen Beflimmungen von 21 Punkten 
mit ten Beobachtungen, worauf ſich die Beſtimmungen grünten, dann bie 
von James Booth und Alerander Mudle angeflellte Analyie des Waſſers 
aus dem totten Meere und eine Tafel meteorologifcher Beobachtungen; ein 
vierter wie währen ter Herabfahrt auf tem Jordan gefanımelten Beobachtun⸗ 
gen; ein fünfter endlich bie Ueberſicht der zu Beirut und Saffa ein- und aud- 
geführten Waaren. Den größten Theil des Bandes (S. 79 — 188) nimmt 
jedoch Die von Anderfon entworfene Darſtellung ver geognoſtiſchen Berhält- 
wife des unterjuchten Landſtriches ein, am welche fich cin Anhang, enthaltend 
die Analpſe der Baſaltlava von Tabariya im altın Baliläa uns ver beiben, 
benachbarten Quellen von Emmans, nebſt einer Analyie Der auf em Bo⸗ 
en des todten Meeres entſtehenden Nixverichläge, eine Notiz Unterfon’s 
über De Depreſſien der letzten, uns endſich einen Brief Dr. I. Leidy's am 
Anderſon über tad Ginkohrungswermögen ter Helix lithopega in haries 
elogeſtein, alſo über cine Gigentbämkichfet mancher Gelinatten, wersuf be⸗ 
faanıııd Vuckland vor ewigen Jahren ſchen Dir Aufmerfiamfrtt der Natur» 


Lyonch’3 Crpedition nach tem tobten Meer. 61 


wißer gelenft Hatte. Anm derſon's Arbeit ift ein zur Kenntniß der geogno⸗ 
Wa Berbältuifte PBalaftina’s befonders ſehr ſchaͤzbarer Beitrag, tem zu= 
dab ıme Meihe chemischer Analyien von Gebirgsgeſteinen einverleibt iſt. Den 
Slak des Werkes bildet endlich ein Bericht des bekannten norbamerifani- 


a Belänntologen T. AU. Conrad über die in Syrien von der Erpebition ge⸗ 

ram Verrefacten und lebenden Mollusfen, zu welchem auch die 16 Tafeln 
Schemaungen gehören. Cine jehr große, 34 %. in nord = füplicher Richtung 
\ay wa 1%. 10 3. breite, aber völlig mit der früheren Lynch’ fchen überein- 
humake Karte des Jordanlaufes und des tobten Meeres begleitet das Werf, 
veffen weientlichhter Inhalt in einem nächften ver Hefte mitgetheilt werben wird. 





Voyage sur la cöte et dans l’interieur de l!’Afrique oceidentale par Hya- 
einte Hecquard. Paris 1853. 10 und 409 ©. 8. mit 5 Kupfertafeln 
und 3 Karten. 

Seitdem vie Franzoſen dur den zweiten Parifer Frieden vom Jahre 
1815 wieter in ven Beſitz ihrer Nieverlaflungen am Senegal gelangt waren, 
beßen fie es nicht an mannigfachen Verfuchen fehlen, ihre Handelsverbindun⸗ 
gen nach tem Inneren audzubehnen, ihre Kenntniß des Landes durch wiffen- 
fchaftliche und Handelsexpeditionen zu erweitern und fich auch an anderen 
Burncten der weftafrifanifchen Küfte Befigungen von den Eingeborenen zu er- 
werben. Einer der früheften folcher DVerfuche, das Innere des Landes zu 
erforichen, wurde dur Mollien gemacht, welcher bereits im Jahre 1818, 
durch feine überaus kühne Reife vom Geba nach dem hohen und intereffanten 
Gebirgslande Futa Dhiallon und deffen Hauptſtadt Timbo, welche feit Watt 
and Winterbottoms Expedition dahin im Jahre 1794 (Wadstroem Es- 
say on colonization. London 1794. II, 110) faft durch feinen Europäer 
wieder befucht worden war, dann nach dem mittleren Gambia und zulegt big 
jur Mündung des Senegal, fehr wichtige Beiträge zur Kenntniß der Sene- 
gal⸗ und Gambialaͤnder lieferte, obgleich der Reiſende nur wenig mit Kennts 
niffen und gar nicht mit Inftrumenten ausgerüftet war und auch nur unter man⸗ 
nigfachen Entbehrungen und verkleidet, ohne alle Begleitung und Unterftügung 
feinen Zug hatte ausführen können®) (G. Mollien voyage dans l’inte- 
rieur de l’Afrique, aux sources du Senegal et de la Gambie fait en 1818. 
2 Vol 8. Paris 1820.) Nicht minder wichtig und erfolgreich wurde bald 
Baranf die Reiſe Caillé's, dem es bekanntlich gelang von Kakundy am 
Nunezfluffe aus ebenfalls Futa Dhiallon zu erreichen, überhaupt das Binnen⸗ 
land bis zum oberen Niger zu vurchziehen und ung mit ven zahlreichen und 
großen Flüſſen befannt zu machen, welche dem Niger von den Gebirgsländern 


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*) Wan nannte Mollien damals in Sierra Leone an enterprizing Frenchman 
of very moderate talent: and very limited means. Berghaus Annalen II, 99. 





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62 Neuere Literatur: 


im Süden zugehen, da er gezwungen war, ſie auf feinem Wege in norddſtli⸗ 
her Richtung fämmtlich zu überfchreiten. (Journal d’un voyage & Tim- 
bouctu et & Jenne dans l’Afrique centrale. Paris 1829. 3 Be.) Leider 
durfte auch dieſes unternehmenden und unerfchrodenen Reiſenden Zug bei 
dem Argwohn, welcher Seitend ver Eingeborenen, vorzüglid der muha⸗ 
mebanifchen, bier jeden Schritt eines Fremden begleitet, nur unter eben fo 
ungünfligen Umftänden, wie der frühere Mollien’s, ausgeführt werben. Den: 
noch waren die Berichte Beider nebft denen einiger englifchen, fait gleichzeiti, 
gen Reiſenden, namentlich Laing's, Gray's und Dochard's, bis in vie letz 
ten Sabre die einzigen, welche nah M. Park's unfterblichen Entbedungen 
für die Kenntniß des Binnenlandes zwifchen dein Senegal und dem weltliche 
ren Theile der Guineafüfte als Quellen dienen mußten*), da andere Ber 
fuche franzöfifcher Forſcher theild noch erfolglofer ausfielen, theild nach ve: 
gewöhnlichen Schickſale der Unterfuchungserpebitionen in das Innere des Eoı 
tinents durch den Tod der Meifenden oder in anderen unüberfteiglichen Sit 
derniffen ihr Ende fanden. So erreichte zwar Duranton im Jahre 18: 
auf einer Entdeckungsreiſe in das Innere, wobei er dem Lauf des Seneq 
folgte, wieder die unter dem Namen der Fetubcataracten bereitö durch de Ba 
ro8, feit dem 16. Jahrhundert befannten, aber feit geraumer Zeit von t 
nem Europäer mehr befuchten, und 66 Lieues oberhalb des Außerften franzi 
ſchen Hanvelöpoftend am Senegal, Bakel (14° 40’ 20” n. Br. und 14° 
w. L. von Paris, nad) Beaufort), fowie 150 Lieued von der Senegalmi 
dung gelegenen großen Stromjchnellen des ſchwarzen Senegal (Bafın 
(Bullet. de la soc. de Geogr. de France. II, 177— 180, II, 333), « 
feine Reife blieb für die Wiffenfchaften völlig erfolglos, da er nach fruchtli 
Pemühungen in Bambuk einzubringen umfehrte und bald darauf im R 
KRafla farb, wo er vie Tochter ded Könige Sambala geheirathet Hatte. ° 
feinen Beobachtungen wurde nichts publicirt, fo wie leiver auch vie dem ' 
fenjchaftlichen Publicum verbeißene, aus Leprieur und Perrotet's 
in dieſelbe Zeit fallenden, mehrjährigen botanifchen Forſchungen in Sene: 
bien hervorgegangene, ſehr ſpecielle Karte dieſes Landes niemals erfchi 
it (J. A. Guillemin, S. Perrotet und A. Richard Florae S 
gambicae tentamen. Parisiis 1830—1833. Vol.I, pag. XI). 

Mit großer Erwartung des wifjenjchaftlichen Publiumd wurde im “ 
1824 eine andere Gntredungsreife vom Senegal aus in das Innere vurc 
franzdjifichen Schiffälieutenant ve Beaufort, einen vichatig Eenninigr 
und überaus eifrigen, mit Injtrumenten wohl verfehenen Offcier begc 
ter aber, erihörft durch die Bejchmerden ver Reife und entmuthigt dur 


*) Um das Jahr 1820 ging nat ein rifer O'Seirne ca Eiema 
nach Yuta Ddiallen anr Timbe, dech iR nichts über teen Peobacktungen kefzı 
weruen. Bergbans Uunalen I, 99. 


Secquard’s Hefe im weftlichen Afrika. 63 


ijhandlungen, welche er in vem am Bafing gelegenen Reiche Kaarta Sei- 
usb des Gerrichers zu erleiden hatte, fchon im folgenden Jahre zu Bakel am 
dmatiichen Sieber ſtarb, nachden er in ver Furzen Zeit feines Wirfens in 
von Gegenden durch aftronomifche und Höhenbeflimmungen, durch botanis 
Ye und geognoflifche Beobachtungen gezeigt hatte, was vie Wiffenfchaft von 
da mearten durfte, wäre feinem unermüblichen Streben nicht ein fo Furzes 
Wendy geſetzt worden (Bulletin de la soc. de Geogr. de France. V, 
40-12, 600— 610). Im Jahre 1843 fandte envlich der damalige franzoͤſi⸗ 
he Besverneur am Senegal, Boudt Willaumez, zuerſt wieber eine Er» 
yet zur Erforſchung ver golbreichen Laͤnder Bondu und Bambuf, zur An- 
Inhyfung neuer Hanbelöverbindungen im Innern, und endlich zur Unterfus 
dung des Kaldme, des weſtlichſten großen Quellſtroms des Senegal, aus, von 
deren europäifchen Theilnehmern es jedoch nur dem einzigen Raffenel ge- 
lang, allen Beſchwerden ver Reife und den climatifchen Einfläffen glücklich zu 
widerfichen und vie Begebnifle ver Reiſe, welche von Bakel quer durch das 
Land auf einem bis dahin niemald von einem Europäer befuchten Wege bis 
zu den oberen englijchen Befigungen am Gambia over bis St. Georges Town 
ausgedehnt wurde, zu befchreiben (A. Raffenel Voyage dans l’Afrique 
occidentale. 4. Paris 1836). Indeſſen ift bei diefer Expebition zu bevauern, 
dab fie für firengere wiffenfchaftliche Zwecke wenig geleiftet hat, woran freis 
ich vie fat befländige Krankheit der Theilnehmer Feine geringe Schuld trägt. 
Berbältnigmäßig größere Reſultate Tieferte ein zweiter, bald darauf, in den 
Jahren 1846 und 1847, durch Naffenel wieder vom Senegal nach Bondu 
um Bambuk audgeführter Zug, um den oberen Nigerlauf bei Sego zu errei- 
den, wohin feit Dochard überhaupt Fein Europäer mehr gefommen war. 
Jeroch mißglückte vie weitere Fortſetzung auch dieſes Verſuches durch den 
Binerfland ver afrifanifchen Häuptlinge, wie ver frühere Beaufort's, fo 
vap Naffenel wiederum nicht viel über Sanſadi hinaus, den Außerften Punkt, 
scelchen er und fein Vorgänger früher erreicht hatten, nach Oſten gelangte. Des 
Reifenden Berichte über feine zweite Iinternehmung in den Annales mariti- 
nes et coloniales. 1847. Partie non offic. HI, 229—275 find jedoch fehr 
ſchaätzbare Documente zur Kenntniß ver Landfchaften am oberen Senegal, melche 
befonders in geographifcher Beziehung hohen Werth Haben und Beaufort’& 
leider zu kurze, aber hoͤchſt intereffante Notizen in der Hinſicht vollftändig bes 
Rätigen, lieber den Erfolg einer noch fpäteren Erpedition in daſſelbe Innere, 
welche das franzöflfche Marine» Brinifterium neuerdings Raffenel's Heifege- 
fährten Banet zur Erforfchung des Weges der Caravanen vom Senegal nach 
Timbuctu übertragen bat, ift bis jeßt noch nichts befannt geworben. Aber 
einer der wichtigfien und intereffanteften neueren Beiträge zur Kenntnig des 
weſtlichen Norbafrifa, welchen wir franzöftfchen Forſchern verdanken, iſt der 
varch Bertrand Bocandé, einen lange Jahre im portugieſtſchen Guinea 
augefiebelten Granzofen, in vem Bulletin de la sociötö de Geographie de 











64 Neuere Literatur: 


France. 3” Ser. XI, 264— 350; XII, 57—93 gelieferte, indem hier zur 
. erften Male in geographifcher Hinficht hoͤchſt vernachläffigte Landſchaften, wort 
jedoch die Portugiefen feit Jahrhunderten Handel treiben und Hanbeldeablifi 
ments beſitzen, nämlich die an den großen Golfen und Flüſſen, dem Caſc 
manfa, Rio Sao Domingo, Geba und Rio Grande gelegenen und durch ih 
hydrographiſchen Verwidelungen überaus merfwürbigen Landſtriche audführli 
gefchilvert werden. Zur Vervollſtaͤndigung dieſer hiftorifchen Ueberſicht d 
neueren geographifchen Korfchungen im Inneren des mweftlichen Nordafrika vo 
Senegal fünlich bis etwa Sierra Leone ift fchließlich noch Bondtd militan 
fcher Zug durch das Reich Wallo am unteren Senegal im Jahre 1843 
ven Annales maritimes et col. 1843. Part. non offic. IH, 473 — 4 
Gaille’8 und Huard's Reife durch die Lanpfchaften am unteren Senegal u 
nach dem See Baniepul (Bulletin de la soc. de Gôogr. de Fr. 1840. XI 
192— 210), des englifchen Gouverneurs am Sambia, Ingram, Befahru 
diefed Stromes aufwärts (Journal of the Geogr. Soc. of London. 18. 
xVn, 2, 150—155) und endlich des leider ebenfalls zu früh verftorber 
englifchen Geiftliden Thompfon Reife von Sierra Leone nach Timbo (Jo 
nal of the Geogr. Soc. of London. 1846. XVI, 106—138) zu erwähne 
ALS vie franzöftfche Regierung fich vor etwa 10 Jahren entfchlofien ha 
an der Küfle von Guinea einige Forts und Hanbelöpoften zur Einleitung ei 
regelmäßigen Verkehrs mit dem Inneren anzulegen, fuchte man balo von Gr 
Baffam, einer der neuen Nieverlaffungen, aus, den Lauf der großen Fl 
aufwärts zu erforfchen, welche in ver Umgebung dieſes Ortes fih in 
Meer ergießen. Die dabei gemachten Erfahrungen und vie Bittheilungen 
Eingeborenen führten einen ver Theilnehmer an viefen Unterfuchungen, 
Schiffslieutenant A. Boudt, fogar zu der Vermuthung, daß der Akba, 
große bei Baffam münbende Fluß, ein Arm des Niger fein Eönne, fo 
wenn dies beftätigt wurde, es nicht unmöglich fchien, zur Zeit des 5 
Waſſerſtandes, falls nicht Gataracten die Fahrt hemmten, von der Küfte 
mittelbar bis an den Niger bei Sego in Bambara mit Fleinen Fahrzeuge 
gelangen und dadurch dem frangöfifchen Handel eine offene Straße in dad 
nere des Gontinents zu eröffnen. Genauere Auskunft hierüber mittelft 
Rerognodeirungßreije in das Innere zu erlangen, che man durch eine gr 
Erpetition den Waflerweg unterfuchen ließ, wurte Veranlaffung zu ver 
Hecquard's, indem damals zwei intelligente und wiffenfchaftlichen Forſ 
gen wohlgeneigte Dfficiere, ver ſchon genannte Boust Willaume; 
Baudin, der erfle als Befehlshaber des franzöfifchen Geſchwaders a 
Küfte, der zweite ald Gouverneur ver franzöftfchen Beflkungen im dieſen 
genden fidh befanden und bie Unternehmung nach allen Kräften befört 
Secquard, jept Kanzler des franzöftichen Eonfulats zu Bahia, erbe 
ſelbſt zu dieſer Erforſchung und war auch ganz der geeignete Mann 
er ſich felten für ſolche Unternehmungen finden bürfte, indem derſell 


Hecquard's Reiſe im weftlichen Afrifa. 65 


Officer ter franzdfifchen Spahis durch die langen, damaligen Kämpfe in Al- 
gerien fchon reichlich Gelegenheit gehabt hatte, fich an Entbehrungen, Beſchwer⸗ 
vn und daB heißere Elima zu gemöhnen und zugleich orientalifche Sitten 
wer der arabifchen Sprache kennen zu lernen, worauf er im Jahre 1843 
wi feiner Eſcadron nach den Senegal verfeßt worden war, und endlich vom 
dehtt 1846 an Dad Commando in Bafel, wo des ungefunven Klima wegen feine 
wäe Truppen mehr gehalten werben Fönnen, und felbit Feine europäifcen 
U mehr flationirt find, freiwillig 16 Monate lang ohne gefährliche Kol« 
gea für ine Geſundheit geführt und dabei viele Verbindungen mit den Ein- 
seherenen der benachbarten Landfchaften im Süben des Stroms, namenilich 
m Bondu, angelnüpft hatte. Da Bakel ver erfte Ort am Senegal ift, wo 
Die and ven Nigergegenden nach der Küfte ziehenden Caravanen mit europäi- 
fen Haurelsleuten zufammentreffen, fo Hatte Hecquard Hier ſaſt täg« 
Lich Gelegenheit, Erfundigungen über die Nigerländer einzuziehen, und bier 
faßte er andy ven Entfchluß zu einer Reiſe in dad Innere, zu deren Ausfüh- 
rung er fih mit den Sitten der Eingeborenen und ihren verſchiedenen Idio⸗ 
men vertraut machte. Von Boudt und Baupin nun beauftragt, das In⸗ 
nere des Gontinentd zwifchen Groß-Baſſam und tem Niger zu erforfchen, 
entſchloß er ſich anfangs feinen Weg in der einfachften Weife eines einheimi- 
ſchen Reifenden, etwa in ver Weife Eaille’8, nur mit einem Stod und 
Brodſack verfehen, zu unternehmen. Als aber dieſer Verſuch fehlfchlug, wie 
fyäter ausführlicher ermähnt werben wird, begab fich ver Reiſende nach St. Louis 
am Senegal zurüd, wo er den Auftrag erhielt, einen neuen Verfuch vom Ca⸗ 
famanfafluß in dftlicher Richtung nach dem oberen Niger zu unternehmen, der 
zume Theil befier gelang, indem es ihm möglich wurde, auf einem bisher ven 
Europäern unbekannten Wege Futa Dbiallon zu erreichen, in deſſen Haupt⸗ 
ſtadt er, beehrt von dem Wohlmollen des Beherrfchers, des Almamy (eigent« 
Eh Al Mumein, d.h. Beherrfchers ver Bläubigen), einen 4 monatlichen Aufent⸗ 
belt machte. Die weiteren Neifepläne vermochte er jedoch bei dem gewoͤhnli⸗ 
chen, allen europäifchen Reiſenden faft ohne Ausnahme im Inneren Afrika's, 
und alfo auch ihm zu Theil gemorbenen Ungemach, worunter Plünderungen ver 
Effecten keine geringe Stelle einnehmen, und bei dem gänzlichen Ausbleiben 
ver Unterflügungen, die er von Bakel geforvert Hatte, nicht meiter auszudeh⸗ 
wen, vielmehr wurde er durch vie völlige Erfchöpfung feiner Hülföquellen zur 
Rüdtehr nach dem Senegal gezwungen, ven er auf einem ebenfall8 neuen 
Wege bei Bakel erreichte, worauf er nach 19 monatlicher Abweſenheit mieder 
nad) Et. Louis gelangte. Als eined der wichtigften und intereffanteften Ergeb» 
uiffe der Reife laͤßt fih Die Hecquard gelungene Betätigung der Entdeckun⸗ 
gm Mollien’8 (Voyage II, 70, 92, 122, 125) in Betreff ver ungemein nahen 
Lage der Quellen von 4 Hauptſtroͤmen des weftlichen Nordafrika's, nämlich des 
ſchwarzen Senegal over Bafing, des Faloͤmé oder des weſtlichſten Quellſtroms 
vB Senegal, des Gambia und des Rio Grande (Rio Grande de Guinäla 
Zeiſchr. f. allg. Srofunde. Br. 1. 5 


66 Neuere Literatur: 


oder Biguba ber Portugisfen; Lopes da Lima Eusaio sobra a statistica 
das possessöes portuguezes na Africa oceidental e oriental. Lisboa 1849 
I. 103, 104) anfehen, welche umjer Reifenter unter dem Schuße feines Gön 
ner8, und geführt von deſſen Leuten, ganz wie fein Vorgänger, auf tem Hoch 
lande von Ruta Dhiallen, nur wenige Tagereiſen von Timbo entfernt, auf 
fand, fo daß dadurch Mollien's oft flarf bezweifelte Zuverläffigfeit (Quar 
terly Review. 1820. XXIII, 242; Ritter’8 Erdkunde. I, 356) vollfomme 
gerechtfertigt wirt. Ueberhaupt liefert Hecquard's ausführlicher und i 
böchft anfpruchdlofer Weife auftretender Bericht über feine Reife, dem 2 aı 
pere kürzere an ten franzöftfchen Gouverneur bed Senegal in ven Nouvell 
Annales de la Marine et des Colonies. 1852. 141 — 171 und an bie parij 
geographifche Gefellfchaft zu Paris 1852. Bulletin. 4” Ser. II, 357 — 38 
Vorangegangen waren, ein reiches und ſehr ſchaͤzbares Material zur Kemntn 
der oberen Senegal⸗ und Sambialänter, welches um fo mehr Zutrauen vı 
dient, al3 ver Reiſende, wie er ſelbſt hervorhebt, bei feinen Unterfuchung 
in Futa Dhiallon nicht, wie feine verdienfivollen Vorgänger, genöthigt w 
in ärmlicher VBerfleitung und mißtrauiſch bewacht von Spähern die Zw— 
feiner Reife zu verbergen und im Fluge feine Beobachtungen zu machen, ſi 
dern offen ald Europäer unter tem Schuge des Beherricherd von Zuta Dhi 
Ion feine Korfchungen mit Muße ausführen konnte. Ch jedoch Hecquar! 
Feſtſtellungen ter Lage ver Senegal- und Gambiaquellen, von denen er bie er 
in 10° 16’ n. Br. und 13° 19' w.2. von Paris (10° 6’ und 10° 17 n. 
und 13° 35’ w. L. nad Mollien), vie zweiten in 11°24 n.Br. und 13° 
w. 2. (10° 36’ n. Br. und 14° 37' w. L.) fegt, völlig verläplich find, | 
nen erft fpätere Forſchungen darthun, ta er, wie es fcheint, tiefe 2 
nur nach feinen zurüdgelegten Wärjchen (Bulletin. II, 381) fchäßte, 
ihm aftronomifche Inftrumente ganz gefehlt haben mögen. Ungeachtet 
eingeftandenen Mangels eigener naturbiftorifcher Kenntnijfe beftrebte fid 
doch der treffliche Reiſende, auch in dieſer Hinficht möglich nüglich zu 
fen, indem er mineralogifche, geognoftifche umd botaniſche Eirenıplare famı 
von denen die beiten erſten in Cordier einen Bearbeiter fanden, deſſen 
richt Hecquard's Reiſewerk angehängt iſt. Leiter iſt nicht vaffelbe vo: 
botanifchen Sammlung zu rühmen, über welche wir im Werke gar keine 
kunft fingen, was um fo mehr zu berauern if, al8 tie von Hecyuar 
fuchten Gegenden im Inneren in botanischer Beziehung völlig unbekannt 
Hecquard's Werk ift endlich von 5 bildlichen Darfielungen begleitet, 
lich einem Plan des ungemein regelmäßig, mit rechtwinklicht ſich durch 
denten Straßen auf ter englifchen Infel Mac Gartto im Gambia er! 
Stärtchen® St. Georges Toren, einer Anjicht des granbiefen Bafterfalla 
den ter auch dur Caillé überfchrittene Kokulafluß in Juta Dhialle 
det, einem Bilde des Almamy Omar von Futa Dhiallon und fein. 
vorit- Sultenin Sciuto, welche beire als geborene Fulab's in ihren & 








Hecquard's Reiſe im weftlichen Afrika. 67 


agen bereits große Verſchiedenheit vom Negercharacter, dagegen auffallenve 

ã an ten caucaſiſchen Typus darbieten, endlich Anſichten von 
Tinbe und der franzöfifchen Niederlaſſung zu Groß-Baſſam. Außerdem find 
tea Werte 3 von Hecquard ſelbſt entworfene Karten angehängt, eine Karte 
des Laufs des Cafamanfa aufwärts bis Kolibentan, ober bis dahin, wohin 
der Keiſende ihn von feiner Mündung an aufwärts befchiffte, welche mit ver 
on Bersrand Bocande wohl übereinftimmt, eine zweite Skizze der Um⸗ 
gieaes Groß = Bafſam's nad) den Aufnahınen franzöflfcher Seeofficiere, nas 
mais 4. Bouet’s, Der kurz vorher eine ähnliche mitgetheilt Hatte (Bull. 
de a oc. de Geogr. de F'rance 3"® Ser. (1850) XII), und endlich eine Ueber- 
Äht der ganzen Reiſe des Berichterſtatters vom Caſamanſa bis Bakel. Die 
auf dem legten Blatte mit eingetragenen Routen Mollien's und Caillé's 
gewahren eine nũtzliche Vergleichung, welche Gebiete des weſtlichen Nordafri⸗ 
kas unh ımjere MReiſenden der geographiſchen Kunde des Continents gleich» 
jan wu gewonnen find. Wir behalten und vor, aus dem Neuen und In⸗ 
mefssten, veelche das Werk aufführt, fpäterhin einige ausführliche Auszüge 


mügtfeilen. | G. 


Miscellen. 


Der EGeufss Galiforniens für dad Jahr 185%. — Man 
ht von den Nordamerikanern wohl gejagt, daß fie mit neuen Staaten, welche 
je bien, eben fo umgeben wie mit einem Rechnenexempel. Es ift an die⸗ 
ft Behauptung etwas Michtiged. Das fpecififch- amerikanische Princip des 

Smatteeiens ift einmal fertig, wird allgemein anerkannt und von Niemand 
befritten.. Die Bunbesverfaflung gilt für vie ganze Union unb bie einzelnen 
Staaten, deren Ginzelverfaflungen im Wefentlichen mit einander uͤbereinſtim⸗ 
men. Im Volke felbft ift eine Anhänglickeit an den Boden, auf welchem 
der Menich geboren wird, faum vorhanden; man zieht aus einer Gegend in 
tie andere, ohne dad Heimweh auch nur zu kennen, und fühlt fich überall hei⸗ 
mifch, wo man unter bemfelben Banner und unter venfelben Geſetzen lebt. 
Das aber ift nun Der Ball von Maine bis Oregon; die ganze Breite des Feſt 
landes it amerifanifirt worden, 
E kann nicht auffallen, daß auch Californien gleichfam mit einen 
Schlage ein georpueted Gemeinweſen geworben ift und in feiner politischen 
Einrichtung ſchon heute den übrigen Staaten gleicht. Die wenigen taufend 
Menidyen fpanifcher Zunge, weldhe 1847 im Lande lebten, find ſtaatlich abe 
forbirt; die nichtamerifanifchen Einwanderer haben fich völlig eingefügt, ſelbſt 
Die Chineſen fprechen unter ſich ſchon Recht nach amerikaniſchem Vorbilde. 
5 » 


68 Miscellen: 


Das Dankrethum war in Californien von vornherein das an Zahl überlegene 
Glement, e8 wurde gleich heimifch, e8 jah in ver Sierra Nevada nur eine an- 
dere Art von Alleghanies und richtete fich haͤuslich ein. Bei dem ſtarken Zu⸗ 
fluß von Abenteurern aus allen Welttheilen Tann es nicht befremben, daß 
der moralifche Zuftand der neuen Staatögefellichaft keineswegs befriedigend 
war; e8 zeugt aber doch für vie bürgerliche Tüchtigfeit ver Amerifaner, daß 
fie in Californien, ohne über eine bewaffnete Macht zu verfügen, ohne nen- 
nenswerthe Unterflüßung von Seiten ver Regierung zu Walhington, einen 
jet ſchon ganz erträglichen gefellichaftlichen Zuftand in dem neuen Lande ber- 
zuftellen wußten. Es beſſert ſich in dieſer Hinficht von Jahr zu Jahr auch 
deshalb, weil eine immer größere Zahl wirflicher, bleibender Anfievler in's 
Land fommt, und das Goldgewinnen längft nicht mehr die Hauptbefchäftigung 
abgiebt. Die zu Ende des vorigen Jahres vollendete Bolfezählung, über⸗ 
haupt die Aufnahme des Eenfus giebt Zeugniß von einem in ver That wun- 
derbaren Kortfchritt in der materiellen Entwidelung dieſes Staates. Ran muß 
ſich vergegemwärtigen, daß derfelbe 1847 nur etwa 16,000 weiße Bewohner 
Batte, welche in ten vormaligen Millionen und deren Nähe über das Küſten⸗ 
land zerftreut leben, und daß San Francisco nur ein Dorf war. 

Der Eenjusbericht, welcher Der Votſchaft des Gouverneurs Bigler vom 
26. Sannar 1853 keigefügt if, liegt und im Original vor. Die Angaben find 
allerdings noch tärftig genug, aber mit vieler Mühe gefammelt und zufam- 
mengetragen werten. Ta fa alle Karten und Bücher über tie neueſten Ber- 
haltaiſſe Californiens ſehr umcollfläntig ſind, weil ſich im jebem Jahre dort 
Neues geſtaltet und die Verhälmiſſe wechſeln, fo wird es ſtatchaft fein, Das 
Weſentliche aus der amtliden Ziblung zuiammenzuftellen. 

Die Bolftmenge betrug zu Ente des Jahres etwa 308,000 Seclen. 
Darunter Weiße 201,856 (moron Bürger über 21 Jahre 105,344), Reger 
wur 2070, SRulatten 572, mehr oder weniger „zahme“” Sariamer 33,539, 
Fremie 59,991. Bei der legten Präktentemmahl Rimmten 76,890 EBähler. 
Eimer zename Angabe ter Berrokuerzabl zu einer gegebenen Zeit iſt wicht mäg- 
Kb, wel Viele ab⸗ und zumuntern. 

Ga'rormien iR im 33 Bezirke, Geunties, eingetkeilt werben, welche ver 
Gewiat m alybaketiiter Neibenfelge auführt. 1. Butte Gounte, 8572 €, 
wahr denen 206 Weihe wahliien Geſchleches Test am ten Putir- Bergen am 
Sau Secramento: ter Table (Tafelivra) am Reterflane gleiche einer geireltigen im 
Irummere begenten Eura: tur Berg Heer im mörtliten Theile des Bezirkes if 
ter; ðele Gedern wur Arten, Teöbalt ſden II Siyemhhlen: Platine, Eiien, 
rel Mei am Mick Acıf, mad Eier, rel Caefülber. Jerſiten Drgrate 
Eeiuznen, net irn Sxatt — 2%. Galareras Genatr, WIRT E, we 
ea 1,059 were Rimmer un 973 frame, Ser Cimitlaublix; frlret Sie 
EiTwret: oma u ter Rue ehe der Wesmeizeme, etwas türlicher ter 


Der Cenſus Ealiforniens für das Jahr 1852. 69 


Calaveras; alle drei kommen von der Sierra Nevata und fallen in ven San 
Jeaquin. Städte: Moquelumne Hill, etwas fühlich von dem gleichna- 
wigen Bluffe, mit ftarfem Verkehr. Murphys Camp, 13 Meilen nörplich 
som Stanislaus. Wallecito, EM. fürlih von Murphys Camp; beides 
Ruenpläge; Arbeitslohn täglid 6 Dollars. Angels Camp, auf ver Land⸗ 
Kraie nach Sonoma, 7 Meilen vom Stanislauß; waſſerarm. San An- 
Vreab, zeifchen dem Nord⸗ und den Südarme des Calaveras; die Schluch- 
em m der Umgegend, welche fich im Winter gut bearbeiten laffen, find gold⸗ 
ah. Arbeitslohn 8 Dollars täglih. Jackſon, im nördlichen Theile, un« 
weit vom Moquelumne. Dry Town, am Sandufer des Dry Ereef, Vol: 
cano, im Öftlichften Theile des Bezirkes. In dieſem waren 1,032,245 D. im 
Handel angelegt; Die Moquelumne HiN Canal and Mining Company hatte 
eine Kapitalanlage von 175,000 D. Auch ift fchon eine Eifengießerei vorhan⸗ 
den. — 3, Eolufi County, 620 E. Blüffe: Ne Dank, Elver Creek, 
Toubes Greet, Stone Creek und Sycamore Slough. Ortfchaften: Eolufi, 
Ichamma und Monroeville, leßterer Bezirfdort; wenig Gold. — 4. Eon» 
tra Coſta Eounty, 2745 E., wovon Weiße männlich 1937, weiblich 550. 
Reich an Kalt, Gyps und Baufteinen, Salz und fihmefelhaltigen Quellen; 
II Arres in Anbau, viel Getreide und Zwiebeln. Die Gewäfler San Ra⸗ 
mon, Jugerto, Nueces, Hambre, Puiole, San Pablo, Can Keandro, San 
Lorenzo, Alameda, Lafleyres und La Laguna find unbedeutend und trodnen 
im Sommer meift aus. Doch ift auch für das Vieh Quellwaſſer reichlich 
vorhanten, mit Ausnahme ver Sarı Ioaquin Plains. Ortfchaften: Marti» 
nez, Dafland und Squatterville. Diefe County wird befpült von der 
San Francisco⸗, San Pablo» und Pinale-Bay und der Carquinezſtraße. — 
5. Klamath County, 530 E., wovon 5 weibliche, Erſt 109 Acres un 
ter Anbau; ein gut bewäflerter Küftenftrich, 20 M. Tang, 5 M. breit, frucht- 
bar; an ten golpführennen Klüffen Klamath, Trinity und Salmon. Das 
fruchtbare Zrinitys Thal ift den Indianern vorbehalten worden. Der Salmon 
Romtain, zwifchen den Flüſſen Salmon und Klamath, ift neun Monate im 
Jahre mit Schnee bebedit; der Mount Profpeet am Klamath, 5000 %. Hoch, 
etwa acht Monate; holzreich — 6. Los Angeles County, 7831 E., wo⸗ 
von 2494 männliche und 1597 weibliche Weiße, 2778 männliche und 1415 
weibliche anfäffige Indianer. 5587 Acred unter Anbau, Reich an Wein, 
450,000 Rebftöcke, welche 24 Millionen Pfund Trauben liefern, wovon etwa 
1 Rilien Pfund Trauben nah San Francisco verfähifft wird; 2000 Faͤſſer 
Traubenbranntwein; Bold und Silber, viel Salz; die Mormonen befigen 
warme Mineralquellen beim Landgut San Bernarbino; Erdpech in ver Nähe 
von 206 Angeles. Der Boden für Aderbau und Viehzucht geeignet; früher 
warden viel Sanf und Tabak gebaut; Baummolle geveiht, ebenfo das Zucker⸗ 
rohr, Günfrüchte und treffliches Obft. Beſonders fruchtbar find Monte, ein 
kandſtrich in der Nahe der Miſſion Sarı Gabriel, der gut bewäffert und ber 











70 Miscellen: 


waldet iſt, und das San Bernardinothal, in welchem ſich Mormonen ange 
ſiedelt Haben. Der Berg San Bernardino iſt „fehr Hoch und ragt in vi 
Wolfen“; 20 Meilen füpöftlih von vemfelben liegt ter San ®orgonio; € 
ſcheidet dieſen Bezirk von ver Wüfte. Das Klima ift mild und gefund; te 
Hafen San Pedro hat fichern Anfergrund, ausgenommen im Winter, went 
Sütofheinde wehen. — 7. Rarin County, 1036 E., woron 873 Weiße 
Die Heinen Flüffe Corta Madera, Wiffion, Petaluma und Novita fließen üı 
die San Pablobucht der San Franciscobay; der American, San Antonio un! 
San Geronimo in den großen Ocean; alle find fehr fifchreih. Berge: te 
Tama el Paris oder Table Mountain. Der ganze Bezirk if rei) an gold— 
haltigem Quarz, Placergolo (? G.), Silber und Kupfer, befonverd aber an Eifen: 
erzen, fobann an Duedfilber, Seifenftein, Asphalt und Marmor. Do wirt 
fein Bergbau getrieben; 1250 Acres unter Anbau; vier große Dampffäge: 
mühlen, weil Ueberfluß an Holz if. Alle Getreivearten gebeihen vortrefflich 
Ortſchaften: San Rafael, Saucelito, Corta Madera. — B. Mari: 
poſa County, 8963 E., wovon 2748 Indianer über und 1785 unter 21 
Jahren. Die San Ioaquin=Indianer theilen fich in fünf Stämme und fleller 
etwa 1000 Krieger; die Fresno⸗Indianer, 1337 Seelen, gleichfalls in fin! 
Stämme; die DMerced- Indianer, 280 Seelen in drei Stämme. Sie alle ver: 
ſtehen ſich etwas auf Aderbau und Bergbau. Sie eflen viel Eicheln. Im 
Thale des San Joaquin wächft wilder Hafer, Klee, vortreffliches Gras; viel 
wilde Pferde und Wild in Menge; dichte Waltungen an der Sierra Nevata 
und Waflerfraft zur Anlage von Sägemühlen in Menge. Haupfſächlich ifl 
der San Joaquin, welcher von ter Sierra Nevada herabkommt und etwa 
15 Meilen noͤrdlich von der Linie, welche vielen Bezirk von Tulare County 
ſcheidet, in die Ebene tritt; er fließt etwa 30 Meilen in fübweflicher Richtung, 
dann faft noͤrdlich und durchſchneidet ven Bezirk etwa in ver Mitte. Bis in 
tie Nähe von Fort Miller, das da liegt, wo ter Fluß in vie Ebene tritt, ifl 
er für Dampier fahrbar und gleich tem Mercedefluß fehr ergiebig an Sal: 
men. Cine große Anzahl Eeiner Gefließe Iaufen mit dem Sen Joaquin pa⸗ 
raflel. Bold in Menge, 6 Duarzmühlen, 60 Towneys, d. h. Duarziermal- 
mer; 522 gejeglich in Bei genommene Quarzadern; täglich werben deren 
neue entvedt. In allen Strömen Gold; die Goldregion hat hier eine Breite 
von beinahe 100 Meilen. Bortrefflicher Marmor am Nordarm des Mertede; 
viele Mineralquellen. — 9. Mendocino County, 416 E., wovon 169 
männliche und 28 weibliche Weiße; 1 Dampfmühle; weitere Angaben fehlen. 
— 10. Monterey Eounty, 2728 €. Diefer Bezirk zerfällt in die drei 
häler San Juan, Salinas und Carmel; das „Valley Land“ halt 891 Ge- 
viertmeilen und wird bewäjlert vom Salinad oder San Buenaventura, dem 
Pajaro, dem Arroyos von San Bruitv und Raceminto, tem Garmelfluffe und 
deren Nebengewäjlern. Bon ven Audläufern des Gebirges kommen ver Xli- 
fal und der San Franciscito, beides umbereutente Gefſieße. Im oberen Sa⸗ 
linastbale ſchwefelhaltige Quellen; bei San Antonio und im Garmelthale 


Der Cenſus Ealiforniens für das Jahr 1852. Ti 


Gele. Der Boden fruchtbar; Viehzucht und Weinbau. In dieſem Bezirke 
legen die vier alten Miſſionen San Juan Bautifta, Solidad, San Antonio 
wer San Carlos; ihre Ländereien find in Privathänden. — 11. Napa 
Ceunty, 2116 E., wovon 523 niaͤnnliche und 252 weibliche Weige, 1328 
Yenzer; 10,584 Acres unter Anbau. Am oberen Ente des Napathaled er⸗ 
bet fch der etwa 3500 Fuß hohe Berg St. Helm; im nörblichen Theile 
vehelen Thales entfpringt der Napafluß; er fließt nach) Süden, mündet in 
Ne Bahlebay und iſt bis auf eine Strede von zwölf Meilen oberhalb feiner 
ira für Schiffe von fünf Buß Tiefgang zu befahren. Der Lad Putas 
etüch im nörblichen Theile des Bezirks und fliegt nach Oſten durch dad 
fhöne Berryeifathal, von da ab durch dad Gebirge in nad Sacramentothal 
a im vie Zule- Marfchen. Der Bezirk hat etwas Gold, und 14 Meilen 
oberhalb ver Stadt Napa eine ergiebige Duedfilbermine; auch viele Mineral- 
quellen. Napa City, am Napafluffe, eva 12 Meilen von deſſen Münpung 
am weRlichen Ufer, 300 E. Suscol, 6 Meilen von der Mündung des Napa, 
Die Het Sulphur Springs oder Geyferd im Gebirge, etwa 70 Meilen ober 
bald der Stadt Napa, haben von 1 bis zu 8 und I Buß im Durchmeſſer 
m fin» in unabläjfiger Thaͤtigkeit; das Wafler fchießt bis zu einer Höhe von 
10 bis 15 Fuß empor. An den Seiten des Berges ftrömen aus vielen hun⸗ 
dert Deffnungen und Spalten Gaſe empor, theilweife unter fehr lautem Ge⸗ 
rauich. — 12. Nevada County, 21365 E., wovon 920 weibliche. 1587 
Ares in Anbau; 33 Quarzmühlen mit einem Unlagefapital von 3,385425 Dol« 
lars und viele Placeres mit 894,425 Dollars Kapital. Ein rechter Minen⸗ 
Bezirk; weitere Angaben fehlen. — 13. Placer County, 10,784 E., wos 
von 6602 männliche und 343 weibliche Weiße, 730 Indianer, 3019 Chines 
ſen; 649 Acres in Anbau; Anlagefapital in ven Minen 1,427,567 Dollars; 
namentlich an dem Norbarme des Amerifan, an deffelben Fluſſes mittlerem 
Arme und am Bear River. — 14. Sacramento County, 12589 E., 
davon 9457 männliche und 1739 weibliche Weiße, 804 Chineſen wovon 10 
weibliche. Anlagekapital im Aderbau, Viehzucht und Bergbau 8,155,241 Dol⸗ 
lars. Weitere Angaben fehlen. — 15. San Ioaquin County, 5029 E., 
wovon 3582 männliche und 987 weibliche Weiße. 4001 Acres in Anbau; 
beträchtliche Viehzucht, 111489 Schweine; ſehr viel zum Anbau geeignetes 
Zend, viel Eichenholz; fehr waflerreih. Der San Joaquin, Moquelumne, 
Gala weras, Stanislaus und Dry Greek; dieſer letzte, ein Zufluß des Mo- 
guelumme mit viefem, bildet die Grenze gegen Sacramento Bounty. Goldſu— 
her aur am Stanislaus. Ortfchaften: Caſtorio oder French Camp und 
Stockton. Das Iettere liegt am Stodton Flußarme, drei Meilen von deſ⸗ 
fen Mündung in ven San Joaquin; etwa 3000 anfäflige Einwohner. Der 
erde Anſiedler war ein Deutfcher, E. M. Weber, welchem ber Gouverneur 
von Californien 1843 eine betraͤchtliche Strecke Landes gab; 1845 Hatte ver 
Drt 7 Käufer, wurde im folgenden Jahre verlaffen, 1848 wieder befierelt. 
Dampfer und Segelichiffe Fönnen zu allen Jahreszeiten bis an bie Stadt fah⸗ 





12 Miöcellen: 


ren. rend) Camp war früher ein Bolten ver Hudſonsbay⸗-Geſellſchaft. Das 
Haupterzeugniß diefed San Joaquin« Bezirkes ift Gerfle, wovon ber Acre 
80 Buſhels Jiefert, auch werden Gartenfrüchte und beſonders Melonen gebaut; 
die Gewäſſer find fiichreich. Die Invianer find friedlich und Haben fid bis 
auf wenige in das Gebirge zurücgezogen. Im Staatöhofpitale zu Stodton 
30 Geiſteskranke. — 16. San Luis Obispo County, 984 E., wovon 
331 männliche und 163 weibliche Weiße; 2583 Acred unter Anbau. Ge⸗ 
wäfler: Der Nacimiento ſcheidet dieſen Bezirf von Monterey County. Der 
Arroyo Grante; der Santa Maria bildet die Grenzfcheide gegen ven Bezirk 
Santa Barbara. Biel Holz, reiche Silberminen, Kupfer und Eiſen; Kohlen 
befier Art bei ven Rancho des Don Iofe de Jeſus Pico an der San Si» 
meonbay; viel Kalf. Wilde Pferde auf ven norbdftlichen Ebenen. Wein⸗ 
bau jegt vernachläfjigt; bei der nun in Trümmer liegenden Mifflon San Luis 
Obispo Oelbäune, Pfirfiche und Zeigen. Der Hafen San Luis Obispe 
9 Meilen von der gleichnamigen Stadt; San Simeon JOM. norbweitlid 
von der letzteren; ein guter Hafen liegt bei dem Rancho des Herrn Johi 
MWilfon, man nennt ihn den Moro. — 17. Santa Elara County 
6664 E., wovon 6158 Weiße; 19,066 Acres unter Anbau; ein AderbausBe 
zirk mit ausgebehnter Viehzucht; Anlagefapital in beiden 1,152,325 Dollar: 
Lieferte 1852 fchon 8,356,600 Pfund Zwiebeln, 413,500 Pfund Kohl; vie! 
Rüben, 656,700 Bufhel Kartoffeln, 415,340 Bufhel Gerfte, 122,192 Buſh 
Weizen. — 18. Santa Cruz County, 1219 €; 5472 Acres in Anbar 
Ackerbau und Biehzucht. — 19. Santa Barbara County, 2131 € 
699 Acres in Anbau. Der Boden überall, wo man ihn bemwäflern kann, fruct 
bar; im fürlichen Theile Gold. Die Küftenkette bat eine Höhe bis zu 400 Su 
Oeſtlich von dem Rancho Can Cayetano entfpringt ver Santa Clara u 
fallt nach einem Kaufe von 40 bis 50 M. in’d Meer. In der Gebirgäfe 
ein Bulcan. Unweit von Santa Barbara eine warme Schwefelquelle u 
einige Erppechquellen; an der Küfte wirft dad Meer Erdpech aus. Der Saı 
Inez entfpringt Hinter der Küftenkette und mündet oberhalb Punta Concepci 
Alle Gewaͤſſer fifchreich; unweit Santa Barbara auch vortreffliche Aufte 
Auf ven Infeln vor der Küfte Seeottern und Seehunde. Der Bezirk & 
für Aderbau und Viehzucht bedeutend werden. — 20. San Diego Coun 
2932 E., wovon 397 männliche und 140 weibliche Weiße; alle übrigen, 
auf 7 Neger, Indianer. Nur 304 Acres in Anbau. Weitere Nachrid 
enthält ver Cenſus nicht. — 21. San Francisco County, 36,151 
wovon 30,151 männliche und 5375 weibliche Weiße, etwa 350 Neger, 
Mulatten, 150 Indianer; Zahl ver Chinefen nicht angegeben. Einwohner 
der Stadt San Francisco 34,876. 1297 Acres unter Anbau. Steuerpi 
tiged Eigenthum 20,000,000 Dollard. Die Sierra Morena (oder Br 
Mountaind) ſchützt gegen die Küſtenwinde; mittlere Höhe 2000 Fuß. 
ihr kommt der San Francisquita Creek, welcher ven Beirf von Santa € 
fcheidet und nach Oſten in die Bay von San Francisco fließt. — 22. SH 


Der Cenſus Ealiforniens für das Jahr 1852. 73 


Gsunty, 4050 E., wovon 3448 männliche und 252 weibliche Weiße; 908 
Ireb u Anbau; 2 Duarzmühlen, viele Mineralquellen, unter viefen Soda 
Spring unweit vom San Sarramento, 60 M. nörvlih von Shaſta City; 
12 88 15 Salzquellen. Gemäfler: Der San Sarramento, Cotton wood, 
Ches Ereef, Cow Ereef, Churro Creek, Spring Creek, Whiskey Creek und 
Teg Creck. Alle Fluͤfſe, Bäche und Schluchten führen Gold. In dieſem 
Betr legen vie vielgenannten Minendiſtrikte: French Gulch, Mad Mule 
Gone, Rad Ox Canon, Whiskey Creek, One Horfe Town, One Mule 
Iren, Clear Greef, Gripply Gulch und Middle Tomn. Es waren in den- 
felben etwa 2000 Menfchen befchäftigt, deren Iahresverbienft fich durchſchnitt⸗ 
lich auf 1246 Dollars belief; Gefammtertrag an Gold 2,492,000 Dollars. — 
233. Sierra County, 4855 E., wovon 3630 männliche und nur 62 weib- 
liche Bee, 168 Acres unter Anbau. Der Sapple Peak erreicht 7200 Fuß 
Höhe, ver Table Mountain 8000, die Buttes am oberen South Fork 9000 Fuß. 
Ortſchaften: Downieville 810 E., Pino Grone 504, Windfor 210, Cores 
und Endes Bar 346, Goodyears Bar 356 E. — 24. Sisfiyou County, 
20€, wovon 1874 männliche und 82 weibliche Weiße; 309 Acres in 
Anbau, I Duarzmühlen. Weitere Angaben fehlen. — 25. Solano County, 
2835 E., wovon 2334 männliche und 402 weibliche Weiße; 5949 Acres in 
Anden; viel Getreide, Kartoffeln. Gewäfler: Buta River, 10 Meilen noͤrd⸗ 
Ih vom Ulattisthale, vurchflrömt ein fruchtbares Land und fällt in die Tu⸗ 
led oder Schilfmarfchen, welche zwifchen den Ebenen und dem San Sacra⸗ 
mente liegen. Der weſtliche Theil des Bezirfes ift gebirgig und bat viele zur 
Viehzucht wohlgeeignete Thäler. Der San Sacramento. Im döftlichen Theile 
am oberen Ende des Green ValleH hohe Spitzberge. Suscol Valley, im 
Behen der Suscol Hügel, erftredt fi von ver Stadt Vallejo bis in ven 
nörplichen Theil des Bezirkes, 8 M. lang und 3 M. breit; viel wilder Hafer. 
Solphur Spring Balley Täuft von ver Suifunbay aufwärts, zwei Meilen 
nörklich von Benicia, mit reichem gut bewäflerten Boden. Green Valley im 
Oſten ver Suscolhügel, einen großen Theil des Jahres hindurch grün, daher 
Der Rame; fruchtbar; viel Heu und Gerfte. Weiter nach Nordoſten das Ulatti⸗ 
thal, welches in dad San Sarramentothal audläuft. Diele Mineralquellen. 
Ortfchaften: Benicia und Ballejo. — 26. Sonoma Eounty, 2337 €, 
wovon 1872 männliche und 1309 weibliche Weiße, 376 Indianer, 5 Neger, 
7 Aulattien; 9387 Acres unter Anbau. 5 Drefchmafchinen, 1 Gerberei. Viel 
Zwiebeln und Gerſte. — 27. Sutter County, 1207 E., wovon 590 männ« 
fie und 85 weibliche Weiße; 1401 Ares in Anbau. — 28. Trinity 
Bounty, 1764 E., wovon 23 weibliche Weiße, 275 Acres in Anbau; Gold⸗ 
gruben und Bichzucht, aber beides unbebeutend. — 29. Tuolumne County, 
17,657 €., davon 15,967 männliche und 958 weibliche Weiße, 590 India⸗ 
ner; nur 1870 Acres in Anbau; 5 DOuarzmühlen. — 30. Tulare County, 

75€, wovon 174 männliche und 142 weibliche Weiße, mehr als 8000 
Iutinner. Noch Fein eigentlicher Ackerbau. — 31. Dolo Eounty, 1307 E., 








74 Miscellen: 


wovon 1027 Neger, 152 Indianer; 3846 Acres in Anbau. Viehzucht und 
Getreidebau, auch einiger Gemäfebau. Ortichaften: Bafbington, Fre- 
mont, Cache Ereek, Cotton wood, Merritt, Butah. Gebirge: Die 
Küftenfette. Flüffe: Der Sacramento, Cache Creek und Putah Creek; ver 
Wafhington See, 3 Mailen lang, eine halbe Meile breit; ver Clear Lafe, 


3 
& 


GM. lang, 2M. breit; der Zule See iſt eigentlich nur ein großer Teich — 


32. Yuba County, 22005 E., wovon 16,666 männlide und 633 weib- | 


| 


liche Weiße, 2100 Chineſen; 7008 Acres in Anbau; ſehr goldreich und viel 


Queckſilber. Gemwäffer: Der Bear River, mündet 31 Meilen unterhalb Ma⸗ 
ryoville in den Fererfluß. Dry Ereef Nr. 1 fällt in ven Baͤrenfluß, Dry 
Greet Nr. 2 in den Federfluß, 6 M. oberhalb ver Ginmüntung des letzten 
in ten Bärenfluß. Der Yubaflus; an ihm find 110 Goldgräbercompagnien 
beichaftigt; 11,371 Fuß des Flußlaufes waren in einen gegrabenen Canal ab» 
gelenkt und troden gelegt worden. Dry Ereef Nr. 3 fällt von Norven ber 
in ven Duba; er treibt 9 Sägemühlen. Indiana Greek fällt in dieſen Dry 
Greet; Tampfjägemähle, viel Gold. Tolls Creek fällt in ven Inbiana; auch 
an ihm viel Gold, eben jo am Elarfs Run, ver von Süden ber in ven Yuba 
fließt. Das Goldgraben lohnt von 5 bis zu 50 Tollars täglich für jeden 
Arbeiter. An ten gutbewalneten Bächen Deer Creek, South Duba und Dob- 
bind Greef Aderbau. Am mittleren Duaba erhebt fi) ver Oregenhügel, nach 
Dr. Froſt bis zu 2800 Fuß. Am Scott3-Ril- Dead Wood und State 
Greet, eben fo am Ganon-Greef Gold; am Hampſhire Creek Sägemübhle. 
Ortſchaften: Maryspille am Duba, 1 M. oberhalb der Münbung in den 
Bererfluß, 4500 E.; Ousleys Bar, 390 €., 13 M. oberhalb Margsville; 
Kennebed, 14 BR. oberhalb Maryseille, 120 E. Tagelohn 5 Dollars; chen 
fo in Longs Bar, 16 M. oberhalb Marysville. Ned, ein halbes hundert 
Heiner OÖrtjchaften liegen im Bezirke zerfireut. — 33. Ueber El Dorado 
Eounty war fein Beridyt eingegangen; aber gerade diefer Bezirk iſt am ftärf- 
Rem bevölfert, und der Genfusbericht ſchätzt ihn auf etwa 40,000 €. 

Die Sefammtzahl der Pferte im Staate war 64,773 Stüd im Durch⸗ 
Tchnittöpreife von 30 Dollars = 1,943,190 D., 16,578 Maulthiere zu 50 D. 
= 828,0 D., 104,339 Kühe zu 50 D. = 5,261,950 D., 315,392 Ochſen 
ju 25 D. = 7,884,800 D., 29,065 Zugochſen zu 50 D. = 1,453,250 D., 
zufammen dieſer Viehſtand 17,327,000 D. An Getreive lieferte Galifor- 
nien: Gerſte 2,973,734 Buſhels zu 1 D. 40 Cents für ven Bufhel — 
3,163,227 D.,, Safer 100,497 2. zu 1 D. = 100,497 D., Weizen 271,763 B. 
zu 2D. 40 C. = 652,231 D., Kartoffeln 1,393,170 3. zu 12. 50 GC. — 
2,089,755 D., Mais 62,532 3. zu 22. 50 €. = 156,30 D., zufammen 
alie 6,162,040 D. Im Ganzen waren 110,748 Acres Land unter Anbau, 
was zu 10 Dollars ter Acze etwa 1,107,480 D. ergeben würde. Die Be— 
zirte Senswma, Santa Cruz, Santa Clara, San Sacramento, Napa, Men 
docino, Los Angeles und Gontra Coſta lieferten 5,553,655 Pfund Zwiebeln 
zu 156,000 D. Die Bezirke Dolo, Sierra, Santa Barbara, Santa Cruz, 


Der Cenſus Galiforniens für das Jahr 1852. 75 


Sasta Klara und Monterey 2,359,250 Kohlköpfe zu 60,777 D., Santa Bar- 
bara 1370 Zäffer Dliven; vieler letztere Bezirk Santa Clara und Los Anges 
ed vicl Wein, über 70,000 Ballonen; San Sarramento 1,039,800 Pfund 
Iqmsiseh *). Das geſammte Anlagefapital im Staate und der Jahresertrag des 
Aderbnes, der Viehzucht und des Bergbaues wurde auf 108,522,568 Dol⸗ 
kat wraufchlagt. In ven Quarzminen betrug die Kapitalanlage 5,871,405 D., 
u dea Blocerminen 4,174,419 D.; in anderen Minenoperationen 3,851,623, 
n ae Geſchaͤftszweigen 41,061,933 Dollars. 

Die obigen Nachrichten und Angaben find, wie man ficht, in vielfacher 
Seychung fchr dürftig und lüdenhaft, und allerdings mag es mit großen 
Shrwierigfeiten verbunden fein, genaue und vollſtaͤndige Nachrichten einzuzies 
ber Dem in Ealifornien ifl, wie fchon bemerkt, Vieles noch in der Schwebe, 
überall Ändert man erſt Unfäge zu etwas Feſtem und Bleibendem. Aber fo 
viel ergieht ſich doch ſchon jekt, daß dieſer mierfwürbige Staat neben feiner 
vorttefflichen Weltftelung und feiner zum Welthandel ungemein günftigen 
Lage alle Beringungen für ein geſundes und Eräftiges Gedeihen von Adler 
bau, Biehzucht und Bewerben in fih trägt. Die Zahl ver Einwanderer, 
melde ſich bleiben» im Lande nieverlaffen, wächft immer mehr an, vie Eigen- 
thens⸗ und Beſitzverhaͤltniſſe vegeln fih allmälig, und wenn auch nur ein 
Theil ter großen Eifenbahn aus ven Staaten am Mifftffippi nach dem fer- 
nen Weſten vollendet fein wird, fo kann es nicht fehlen, daß Ealifornien einen 
bereutenden Zuwachs feiner aderbautreibenven Bevölkerung erhält. Wir uns 
ſererſeirs können Der Anficht nicht beipflichten, daß dieſer Staat fogleich wie- 
der verhaͤltnißmaͤßig unbedeutend werben müſſe, fobald einmal ver Golvertrag 
bedentend geringer werde. An allen Küften des großen Weltmeeres ift feit 
fünf Jahren ein neued Leben thätig; fie find in vie Wellenfchläge des gro⸗ 
ben Weltverkehrs eingetreten, die Verbinvungen mit der Oftküfte Amerikas, 
mit Auftralien, ver indiſchen Eilandflur und China haben fich feitvem mehr 
als verzwanzigfacht, dieſe großartige Entwidelung kann nicht mehr gehemmt 
werben. Audree. 


euere ruffiſche ethnographiſche Arbeiten. — Die Thaͤtigkeit 
der ruſſiſchen chriſtlichen Miffion in Ehina bat uns im Laufe des Jahrhun⸗ 
derts wiederholt ſehr dankenswerthe Beiträge zur Kenntniß dieſes Landes und 
Inner» Afiens geliefert. Es bedarf nur der Hinmeifung auf die überaus 
Ihägberen Arbeiten des P. Hyacinth, um zu ermeflen, welche Vortheile ver 
beftändige Aufenthalt der griechifch«ruffifchen Geiftlichen in Peking unter ven 
jefigen gänftigeren Umſtaͤnden der Erdkunde und ven übrigen Naturwiſſen⸗ 
fhaften zus gewähren vermag, ſobald ſich unter venfelben Einzelne befinden, 
deren Ausbildung fie zu wiflenfchaftlichen Unterfuchungen anregt und zugleich 
befähigt. Ein neuerlihfl in Petersburg unter dem Titel Trudy ceznow 


— — 


#) Die Früchte von Solanum Lycopersicon (Liebesapfelnachtſchatten). G. 








716 Miscellen: Neuere ruſſiſche ethnographifche Arbeiten. 


rossisko) duchowny missji w Pekinie (Arbeiten der rufflfchen geiftlichen 
Mifflon in Pekin) von aflatifchen Departement im Minifterium des Aeußern 
unternommenes und von demfelben nach Maßgabe des anwachienden Stoffes 
fortgefeßtes Werk giebt einen erfreulichen Beweis, daß in ver gegenwärtigen 
Miſſion zu Peking ſich wirklich ein größeres wifenfchaftliches Streben als 
unter den früheren befindet, indem vaffelbe für den Sinologen und Geogra⸗ 
phen eine reiche Bundgrube chinefifcher Geſchichte, Sitten und Literatur er- 
öffnet. Einer Privatmittheilung in einer ver berliner Zeitungen (der fpener- 
fchen) zufolge zerfällt vaffelbe in fünf längere Artikel: den Urfprung und bie 
erften Thaten des Haufed der Manpfchu, vie Abftammung des Stifters ter 
jeßigen Dynaftie China's, eine Biftorifche Ueberficht der Bevölkerung, die An⸗ 
fertigung der Tufche, der weißen und rothen Schminke, eine Lebensſtizze 
Buddha's. In Anſehung der Bevölkerung findet man höchft bemerkenswerte 
Motizen: im zweiten Jahre nach Chriſti Geburt waren in China 59 Mi. 
594,978 Seelen *), aber zwifchen ven Jahren 220— 242 fiel vie Volkszahl 
auf 8 Mill.; im Jahre 606 waren wieder über 46 MIN. vorhanden. Im 
Jahre 1403 ftieg fie auf 66 Mill. aber 150 Jahre fpäter war fie wieder in 
Abnahme, Hingegen ſchon im Jahre 1749 belief fich vie Volksmenge auf 
177 Mill., und im Jahre 1812 auf 361 Mil. Seitdem wuchs fie bis auf 
504 Mill., und die Durchfchnittözahl der jährlichen Zunahme beträgt 1 Mi. 
799,797. Peking zählt 1 Min. 148,811 Einwohner. London wäre demnach 
die volfreichfte Stadt in der Welt. Im Jahre 1842 betrug die fleuerpflich- 
tige Bevölkerung China's, das Militair und die Provinzen der Manpfchu und 
Mongolei nicht gerechnet, 414 Mill. 686,944. — Neben dieſem verbienftvollen 
und reichhaltigen Wert nimmt gegenwärtig die Arbeit des Staatsraths und 
früheren Beneralftab8- DOfficiers Iwan Liprandi über das türfifche Reich 
die Aufmerkfamkeit des xufflfchen willenfchaftlichen Publicums in Anfpruch. 
Daſſelbe fol nach das von Hammer'ſche, welches mit gutem Grunde bie» 
ber für das vollſtaͤndigſte und erfchöpfennfte über das türfifche Reich gegol- 
ten bat, übertreffen. Der Sammlung des Materiald für das vielbänvige 
Werk hat ver Verfafler fein ganzes Leben gewidmet, und Niemanvdem ſtanden 
fo reichliche Quellen zu Gebote, indem feine eigene Bibliothek meift alles um⸗ 
faßt, was vom 16. Jahrh. bis zum Jahre 1853 über die Türkei in irgend 
einer Sprache gefchrieben ift und fie fo vie vollftänvigfte Sammlung von Bü- 
Kern über den türfifchen Staat ift, die je ein Privatnann in Europa befef- 
fen bat. ®. 


®) Es bleibt freilich ſehr fraglich, welchen Grad der Genanigfeit diefe ſtatiſtiſchen 
enpaben aus fo früher Zeit Haben mögen, obgleich dem nüchternen und methodiichen 
Ehinefen in der Hinficht ficherlich ein größeres Zutrauen, als allen übrigen Weft - Aftas 
ten zu fchenfen fein würde. 


Barth's Unterfuchungreife in Nord» Afrika. 77 


Neuefte Berichte über Dr. Barth's Unterfuchungsreife in 
das Innere von Nord-Aftifa *). 


1) Schreiben Barth’8 an Herrn Aler. von Humboldt. 
Kufa, den 20. November 1852. 

Mein gelaffen in dieſer weiten unerforfchten Welt, ohne Rückhalt, wor⸗ 
auf mich zu ſtützen, Habe ich Unjicheres aufgegeben und ohne Aufenthalt ein 
eiras fiherered Ziel zu erreichen befchloffen. Mein Weg geht für's Erfte 
nach Beten, es ift der Durch Mungo Park's Tod unbekannt gebliebene 
Teil des Ruara mit feinen Nord und Süd anliegenden Landſchaften Kebbi, 
Zaberma, Burma mit ihrem mittelalterlich Elaffichen Xeben und ihren eigen« 
thümlichen Nationalitäten, e8 iſt das in Mofi vorbringenve Fellanthum und 
feine neue Gründungen, was ich für'd Erfte zu enthüllen hoffe. Gelingt es 
mir, und Babe ich gute Aufnahme in Sofotu gefunden, fo wendet mein weis 
terer Weg auf ver Rückkehr fih nah SO., nach dem von mir von der an- 
deren Seite her ſchon einmal befuchten Adamama, das ich nun einmal als den 
Shlüffel von Eentral-Afrifa erkannt habe. Ich wüßte in der That Feinen 
Etrom, den ich mit diefen beiden großen Armen des Niger vergleichen ſollte, 
der eine in weiter Biegung die ganze weite weitliche Ausbauchung des Erd⸗ 
iheils durchfurchend, ver andere aus dem Herzen ver fühlichen Hälfte felbft in 
zwei großen, weit hinauf ſchiffbaren Waſſeradern entfpringenn. So weit e8 
mir bisher gelungen ift, diefen öftlichen großen Arm des Kuara zu enthül- 
Im, babe ich auf der mit einem vor einem und einem halben Monat abge⸗ 
gangenen Kourier fortgefandten Karte eingetragen; vielleicht daß es mir noch 
gelingt, den unteren Lauf des Bennue im höchit beveutfamen Korörröfa felbft 
zu fehen und über ven oberen Lauf feines Haupiſtromes nähere Forſchungen 
enzuftellen. Auf jener Karte habe ich zugleich vie Reſultate meiner Reife 
nach Bagirmi eingetragen, wo es mir nicht vergönnt war über bie Haupt⸗ 
Radt Hinaus felbft vorzubringen. Das Vorbringen in dieſe Länder iſt in ber 
That nicht Ieicht, aber dem zweiten Kommer ift der Weg gebahnt. In ber 
That Hoffe ih, daß ein hübſcher Kortfchritt auch in ver Erkenntniß des Ge⸗ 
biete der Mutterftröme des Tfän gemacht, deffen Urfprung aud einem erft 
ganz in ihrem unteren Laufe fich vereinenden Strompaar biöher fo gut wie un» 
bekannt war, wie Denham Feine Ahnung davon hatte, daß der Karnaf Los 
göne befpülende Strom dem Schary nur ven bei Weiten Fleineren Waſſer⸗ 


%) Die früheren Berichte über Barth’s und Overweg's Unterfuchungsreife 
im Immern von Nord» Afrifa und deren Beobachtungen finden. fi in den Monatsbes 
tihten der berliner geographiichen Geſellſchaſt, die erften bis zum Abgange der Er- 
mdition von Murzũk im Bd. VIII der neueren Folge S. 81 — 132, die fpäteren über 
De Reife von Murzuf durch die Sahara bis Bornn und die erſte Beit des Auſenthal⸗ 
#6 in Bernu ebendort im Bo, IX ©. 189— 398. G. 


78 Barth's Unterfuchungsreife in Nord » Afrika. 


ſtrahl zuführe und gar nicht der Schary fei, wie auch nicht der Fluß bei 
Kufferi, unterhalb welcher Stabt erft ver größere Aſu den Fleinen laͤgöme Los 
göne aufnimmt. Ich Hoffe Durch ein vielfach durchkreuzendes Routennetz hie 
Geographie dieſer Landfchaften ver Wahrheit fehr nahe gebracht zu haben, 
aber die oberften Laufe beider Klüffe blieben, wie der des Benue, unenthüllt, 
und erhielt ich nicht eine einzige Andeutung. In der Ihat müſſen SO. von 
Bubanjidda fehr mächtige Heivenftaaten fein. Das mächtige Reich Andöma 
biegt weit ©. jenfeit Bang Day. 

Meine Studien in den legten drei Monaten, die ich hier ruhig in Kufa 
verlebt Habe mit ver traurigen Unterbrechung durch Overweg's Tod, find 
faft ganz und gar Tinguiftifcher Art geweſen, und Hoffe ich auf dieſem Wege 
Licht zu verbreiten über die Entftehung der einzelnen Nationalitäten in dieſem 
Theile Eentrals Afrifa's. Einiges habe ich ſchon gefandt, Anderes werde ich 
in etwa 3 Monaten von ginver aus fchiden, dad meine erfte Station auf 
meiner Weftitraße fein wird, da ver große Marftort Kano mir durch die flö= 
senden Meibungen zwifchen Fellan und Kanovi verfchlofien if. Dort werde 
ich vielleicht auch Muße finden eine kurze gefchichtliche Einleitung Hinzuzufü- 
gen, da ich gezwungen bin, dort wenigftend einen Monat Tiegen zu bleiben, 
um materielle und geiftige Hülfdquelen aus ven Norden an mich zu ziehen. 
Ich werde da auch vieleicht ein neues Aneroivds Barometer erhalten, mad — 
allerdings nur bei wenig erhabenen Terrain Verhältniffen brauchbar — höchſt 
wünfchenöwerth ift, da die durch zahlreiche Lufträume, zum heil im unteren 
Behälter felbft, unterbrochenen Duediilberröhren Feine genaue Meflungen mit 
dem Kocdhinftrument erlauben. So Tann man fich auf meine Meflungen am 
Afu, dem Ort Afu gegenüber 3114, nicht genau verlaffen. Uebrigens kann 
ih nach der naturmwilfenfchaftlichen Seite Bin nur allgemeinften Anfprüchen 
genügen, aber ich werde, da dieſe Seite jeßt ganz unvertreten ift, fuchen zu 
eiften, was mir möglich ift. 

Nahfchrift vom 24. November. Ich werke morgen die Stabt verlaf- 
fen und fcheide daher mit den Iebenvigften Grüßen von Ihnen. 


2) Schreiben Barth’8 an ven Geh.⸗Ob.⸗Reg.⸗Rath Dieterici. 


Kuka, den 19. November 1852. 

Es war mir eine wahre Freude, bei meiner Rüuckkehr aus Bagirmi Ihren 
freundlichen Brief von Mitte 1850 vorzufinven, ver anftatt auf directem Wege 
mich fchon vor mehr ald einem Jahre zu erfreuen, das Unglüd gehabt Hatte, 
zugleih mit Ritter's Zeilen in eine Kifte gepackt zu werben, und faſt ein 
Jahr Iang im heißen, fanvigen Murzuk liegen zu bleiben. Ihre Theilnahme 
ift mir herzlich werth, und werther noch jebt, feitbem ich durch den Top mei 
ned einzigen Gefährten ganz allein in biefer fchwarzen Welt zurückgelaſſen bin. 

Ich ſtehe jet im Begriff, meine letzte große, allerdings größte Reife in 


Barth's Unterſuchungsreiſe in Nord» Afrika. 79 


Kejem Erdtheil anzutreten, deren Ziel die noch unerforfchten Theile des gro- 
pen Suanagebieted find. Möge Gott mich noch dieſes letzte Unternehmen 
glüũcklich vollführen und dann das Heimathland mich wiederſehen Iaffen. Im 

Sommer 1854, fo Bott der Allgnävige will, bin ich daheim. Meine Hoffe 

uung uud mein Vertrauen ſtehen unerfchüttert, und meine Geſundheit ift bef- 
| fer ala je; fomit hegen auch Sie und vie übrigen Freunde daheim Vertrauen, 
dej wicht auch Der Lepte noch Hinfinten wird. Mit dem Fieber babe ich ab⸗ 

gethan, ua Dad muß ein gewaltiger Tod fein, ver mich faflen fol. 
© fragen nach ver Bevölkerung des Inneren dieſes Weltrheiles. Die 

Artrort darauf ift einfach: Eine äußerft ftarke Bevölkerung in den 

zeangetafteten Heidenländern, mittelmäßige Bevölferung in 

den medlimifchen Ländern, fehr gefhwächte Bevölkerung in den 
bald sder ganz unterworfenen Heidenländern, gänzliche Ent 
völferunng auf den Grenzen zwiſchen Islam und Heidenthum. 

Gm Beifpiel von dem Erfteren, obgleich auch jene Gegenden noch nicht ganz 

außer dem Bereich Der vernichtennen Razzien find, Haben wir in ven fühliches 

ren Laudſchaften unferer Mudgo« Erpebition gefehen; bier ift vie Vevölkerung 
nicht in zufammenliegente Ortfchaften gruppirt, fondern Stunden weit erſtreckt 
fh die Bevölkerung in einzeln oder zu Fleinen Gruppen zufammen liegenden 

Hätten auf den Feldern. Und dies fcheint ver Character des größten Theiles 

der Heitenlänver, beſonders wo es außgebehnte Herrfchaften find, was bei 

den Heinen zerfegten MusgofürftenthHümern keineswegs der Ball if. In den 
moslimijchen Länvern, die auf Vernichtung begründet, und noch keinesweges 
zur fruchtbaren Ruhe gekommen find, ift die Bevökferung, mit Ausnahme ver 
bevorzugten Diftricte, keinesweges ſtark. Die Bevölkerung von ganz Borno 

Ihäße ich auf etwa 8 bis 9 Millionen; bier ift der bewohnteſte Diftriet, fo 

sel ich gefehen, der von Ufe. Die Umgebung und Lanpfchaft von Kano ift 

leidlich wicht bewohnt. 
Da find nun abermals Briefe aus Berlin, Gott weiß von welcher ver» 
ehrten Sand, in London in eine Kifte gepadt, und die Kiſte Tiegt jetzt ruhig 

m Bilma, wo ber Kaufmann, dem ſie übergeben, die Kaffla verlafien hat und 

Sodhzeit feiert. Die Kaffla kam vor 14 Tagen ohne eine Zeile für mich, aus 

Erropa bier an. Entſchuldigen Sie mich bei jenen Herren, bie mir vielleicht 

gefhrieben haben mögen. In Zinvder hoffe ich dieſe Sendung, fo wie alle 

Briefe, vie bis dahin in Tripoli angefonmen fein mögen, mit einem Kourier 

zu erhalten. Jenſeits Zinver werde ich für's Erfte wohl nicht viel Gelegen⸗ 

beit haben, zu fchreiben. 


Da vie beiden durch die große Büte ihrer Empfänger und zur Verdf⸗ 
fntfihung mitgetheilten Schreiben, worin unfer muthiger Reiſende fiber feine 

| Imten Begebniffe Nachricht giebt, erſt im Augenblick hier eingegangen find, 
m bad erfte Heft der Zeitſchrift ausgegeben werben follte, fo war es unmög- 


— — — — — — 


80 Sigungsbericht ver Berliner geographifchen Geſellſchaft. 


lich, ihren Inhalt in der Weife zu commentiren, wie ich ed mit den früheren 
Briefen Barth's und Overweg's über deren Reife von Murzuf nad) Bornu 
gethan hatte. Died wird indefien fchon in einem ber nächkten Hefte bei Ge⸗ 
Iegenheit der Mittheilung noch ungedruckter Berichte Barth's über feinen 
Aufenthalt in Känen und Bägirmi, die mir von der Bamilie Barth's 
freundlichft zur Benußung geftattet worden find, gefchehen. Es mag zur bef- 
feren Verſtaͤndigung der beiden mitgetheilten Briefe nur bemerkt werben, daß 
der bier genannte Kuaraftrom derſelbe ift, den frühere englifche Neifende ale 
Duorra oder Kouara Eennen lernten, und ver wohl mit vollem Recht für ven 
unteren Lauf des fogenannten Nigerftroms gelten Tann (Gumprecht's Geo⸗ 
graphie von Afrika. Leipzig 1852. ©. 7 und 276), ferner daß der hier er- 
wähnte Bennue over Benue, ein großer, das intereflante Bergland Adamawa 
durchziehender Strom (ebenvaf. S. 270, 293), ſchon nah Barth's frühe- 
ren Aeußerungen (Monatöberichte ver berl. geogr. Geſellſchaft. 1852. N. %. 
IX, 356, 358, 378, 384), die durch feine fpäteren Forſchungen beftätigt werben, 
ein von Süboften kommender Quellſtrom des Niger von eben ſolcher Bedeu⸗ 
tung ift, al8 der Strom von Sego, Jinnie und Timbuktu, welchen vor Ian» 
gen Jahren bereits Mungo Park, Dochard, Laing und Baille durch 
eigene Anfchauung Tennen gelernt hatten. 
®. 


Sikung der Berliner Gefellfchaft für Erdkunde 
am 2. Juli 1853. 


Herr Dieterici verlad zupörverft einen an ihn gerichteten Brief des 
Dr. Barth aus Kuka im Inneren des nördlichen Afrifa vom 19. November 
v.3. (es ift der unmittelbar vorher mitgetheilte), worin er über fein Befin- 
den und feine weiteren Pläne Kunde giebt. — Herr Mäpler aus Dorpat be= 
richtete fodann über vie in Rußland in neuefter Zeit ausgeführten aftronomi- 
ſchen Arbeiten, namentlich über die in ihrem practifchen Theil nun vollen= 
dete und durch Genauigkeit in der Ausführung und durch ihre Ausdehnung 
von Feiner ähnlichen übertroffene colofiale Arbeit ver Gradmeſſung. Be— 
gonnen vor 38 Jahren durh Struve in Liefland, und zunädft durch 
den General von Tenner in Litthauen fortgefeßt, wurde viefed große Wert 
fpäter fomohl nah) Suüd⸗Rußland, wie nach Norden fortgejekt und ſelbſt über 
die Grenzen des Meiches ausgebehnt, da die fchwerifchen und norwegifchen Ar- 
beiten mit den rufjifchen in unmittelbare Verbindung traten. Auf viefe Weife 
umfaßt die Gradmeſſung den ungeheuern Bogen von Fuglenaes TO 10 NB., 
an der Nordſpitze Europa's, bis Ifmail 45° 20’ an der Südgrenze des Mei- 
ches, und es hatte Struve felbft die Hoffnung nicht aufgegeben, feine Arbeit 


Sigungäbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 81 


noch bis zur Südſpitze Europa’s ausbehnen zu Bönnen, wozu die Genehmi⸗ 
gung des Broßherrn leicht zu erhalten fein würve, der Fanatismus der türs 
fitchen Berölferung wahrjcheinlic aber die unüberwinplichften Schwierigkeiten 
in den Weg legen dürfte. Doc jelbft ſchon in ver jegigen Vollendung über⸗ 
trifft die Lange des gemeflenen Bogens die durch die Engländer in Indien 
ausgeführten großen Meflungen um mehr ald 2 Grad. Zur Vervollſtaͤn⸗ 
digung ber ausgeführten Arbeiten beabfichtigt man jet noch die Rängenuns 
terſchiede zwifchen ven Sternmwarten von Dorpat und Pulkowa feftzuftellen, 
an mweldyer Arbeit der Berichterftatter thätigen Antheil nehmen wird. Noch 
find indeffen die Meſſungen nicht fo weit abgefchloffen, um ein beftimmtes 
Refultat über die Beftaltung ber Erde daraus abzuleiten. — Herr Dove ber 
richtete hierauf über die naͤchſtens zu erwartende Veröffentlichung ver engli⸗ 
ſchen Grabmeflung, und erwähnte vabei, daß nach einer Mittheilung des Obrift 
Sabine in der legten Verſammlung des britifchen wiflenfchaftlichen Vereins 
tie Ergebniſſe ver ruſſiſchen Gradmeſſungen bezüglich der Abplattung der Erde 
immer mehr mit den aus ven Penvelbeobachtungen abgeleiteten in Uebereinſtim⸗ 
mung fämen, indem nach einer vorläufigen Berechnung von Struve die 
Abplattung größer fei, als fie Beffel beftimmt, das Envergebniß fich alfo 
ver von Sabine aus Benvelbeobachtungen abgeleiteten immer näher an⸗ 
ihlöffe. — Herr Ritter fprach über zwei neuere Arbeiten von Midden⸗ 
dorff. Im einer verfelben (Einige Geleitözeilen zu dem beifolgennen Ent- 
wurf des Weges zwifchen Kola und Kandelaſchka. Petersburg. 1852) 
berichtet Der berühmte Reiſende nach feinen eigenen, vor 12 Jahren auf 
einem Abſtecher nach dem ruffifchen Lappland gemachten Beobachtungen, 
worüber er früher bereitd Nachricht gegeben, und hebt dabei hervor, daß 
alle neueren Karten dieſen Theil des ruſſiſchen Reiches überaus unrichtig 
zeichnen, fowie dag mehrere der weientlichiten Irrthümer fich erft in die ruſſi⸗ 
ichen eingefchlichen und felbft in ver neueften officielen Poftlarte von 1842 
fih erhalten hätten, indem in einer älteren Karte des von ber peteröburger 
Academie im Jahre 1745 herausgegebenen Atlas, und in einer fpäteren aca⸗ 
temifchen Karte des Gouvernements Archangel vom Jahre 1745, das ruſſi⸗ 
ſche Zapplagp viel correcter gezeichnet fei. Hätte man eine richtigere Darftellung, 
ald vie andenen, fo würde fie dem Auge viefelben bizarren, vielfach zer⸗ 
siffenen Umrifie zabllofer Seen wiebergeben, welche die Karten der benachbar- 
ten gesgnoftifchen Geſchwiſtergegend, nämlich Finland's, auszeichnen, währen 
die jepigen Darſtellungen durch plumpe Kleckſe verunftaltet find und durch⸗ 
gängig wiber den Character ver Gerwäfler Lappland's fehlen. Freilich fei es 
bier oft fchwierig, fich darüber auszufprechen, ob ein Gewäfler, dad ein Rei⸗ 
ſender befährt, ein Fluß oder ein See ift, fo daß die Muffen oft ein Waſſer einen 
Buß, die Lappen dagegen einen See nennen. Middendorff's eigene Skizze, 
die fchon vor 12 Jahren angefündigt war, fucht nun vie cartographiichen 
Schler zu verbeſſern. Uebereinftimmend mit Boethlingk fand Midden⸗ 


Zeitſche. f. allg. Erdluude. Bo. 1. 6 





82 Sitzungsbericht Der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 


porff die lapplaͤndiſchen Seen ſaͤmmtlich überaus feicht, felbit der große 
Imandrafee hatte nur 2 Buß Tiefe. Zugleich find fle fümmtlich Tang, fchmal 
und, übereinftimmend mit ven finnifchen, von Süben nah Norten ges 
hend; fichtlich ergaben fie fich als Ueberrefte vorzeitlicher größerer Gewäfler, 
was mit ven daſelbſt durch BoethlingE gefundenen Diluvialfchrammen 
wohl übereinftimmt. Einer ver wefentlichften Irrthümer aller neueren Karten 
ift ferner nah Middendorff die durchaus falfche Angabe über ven Kauf 
des Kolafluffes (d. h. wahrfcheinlih Fiſchfluß over urfprünglich Kallaflup), 
der nicht von Oft nad) Welt, fondern von Süden nach Norven fließt, und 
deſſen Quellen wahrſcheinlich im Kaoſee liegen. Von Intereffe ift endlich vie 
Angabe des Berichterftatterd, daß vie Erhebung im Inneren der den Namen 
des ruſſiſchen Lappland's führenden großen Halbinfel über dem Meereöfpiegel 
fo niedrig iſt, daß ein zwifchen dem Südende des Kolafeed und dem Nord⸗ 
ende des Peleſſ⸗Sees liegender Moosmoraft von menig mehr, ald eine Werſt 
Zange vie Waflerfcheitne zwifchen ven Gebieten des Eismeeres einerfeit3 und 
denen des Weißen Meeres (Kandelaſchka⸗Buſens) anvdererfeitd bildet, ſodann 
daß dieſes unmwirthliche Land doch wöchentlich einmal Sommer und Winter 
durch die Briefpoft auf ihrem Wege nah dem fchon im verflofienen Jahr⸗ 
hundert für die Fifcherein an den Küften des ruffifchen Lappland's und Durch 
feine Hanvelöverbintungen mit Archangel nicht umwichtigen Stäbtchen Kola, 
geht. Gelegentlich erwähnt hierbei Middendorff die bevorſtehende Heraus⸗ 
gabe ver Tapplänvifchen Reife Eaftrens. Die zweite Arbeit Middendorff's be 
trifft merhrürdige Eismulven, welche öfters im norböftlichen Sibirien vorkom⸗ 
men und zuerft von A. Erman aufgefunden worden find. Middendorf be= 
obachtete vergleichen im Tungufenlante im Turachthal und hebt nach feinen 
und anderen Beobachtungen deren wichtigfte Eigenthümlichfeiten, fowie die bes 
ftinmten Unterfchieve ver Eismulden von Gletfehermulden hervor, indem vie 
Eismulden ftet3 das Product eined Baches von fo hoher Temperatur find, 
daß er im Winter nicht gefriert, und ferner daß eine Beringung zur Bildung 
ter Eismulde darin liegt, daß tie Sohle des Thales, worin man fie findet, 
mulvenförmig und befonvers Horizontal ift, um ven Abfluß des Baches mög- 
lichft zu erfchweren. Das Eis ift ungemein dicht, Hart und Hat die bläu- 
liche Farbe des Bletfchereifes; es waͤchſt durch aufgeflofienes Wafler, welches 
an Ort und Stelle gefriert, und findet fich oft von ver fchönften Wald- 
vegetatioen unmittelbar umgrenzt (alfo wie manche Bletfchermaflen in ten fa- 
voyfchen und fchweizerifchen Alpen. ©.). Ein Ring von Geröllen umgiebt 
wohl auch die Eidmulvde, wie eine Gletfchermoraine, und mähft mitunter 
felbft zu einem großen Wall an. Oft fieht man das Eis fo dicht mit Geröl- 
Ien angefüllt, daß ein Conglomerat entſteht, worin Eis dad Cement  ift. 
Selbſt Bruchftüde von Eid kommen im klaren Eife eingevachfen vor. Kerr 
Xichtenflein berichtete über die von dem geſchickten, veutfchen Zeichner Möll⸗ 
haufen, ter längere Zeit mit dem Herzog Paul von Würtemberg unter ven 


Sisungsbericht der Berliner geographifchen Gefelffchaft. 83 


nordweſt⸗ amerikaniſchen Indianern gelebt hatte, eingegangenen Nachrichten. Die 
Staatäregierung von Nordamerika hatte 500,000 Dollars, zur Ausführung einer 
großen wiftenfchaftlichen Unterſuchungs⸗Expedition für eine zweijährige Dauer 
beſtimmt, weldye unter dem Schug einer Compagnie Soldaten vie ganze 
Breite Ted Continents und das Velfengebirge (vie Rocky Mountains) bis 
St. Sranddco in Californien unterfuchen und über Panama zurüdfehren follte. 
Auf vie Empfehlung des preußifchen Gefandten in Wafhington, Herrn von 
Gerold, wurde Herr Möllhaufen ald Zeichner der Expedition, die ſchon 
im Begriff it, ihre Neife anzutreten, beigegeben. — Herr Dove ſprach nach 
Maury Sailing Directions 5. Auflage über vie verfchiedene Gonfiguration des 
Meereöbodens im atlantifchen Ocean, befonvers über das Vorhandenſein eines 
großen Thales, welches die Sondirungen bier ergeben haben, fowie über vie 
Biltung der großen Bänfe, namentlich ver New» Boundländer, welche Maury 
von Ten allmäligen Abfägen der Erd» und Steinmafien glaubt ableitm zu 
fönnen, die durch norbpolare ſchwimmende Eißmaflen in dieſe Gegenven 
geführt, endlich beim Schmelzen des Eiſes nieverfieln. Zuletzt berührte 
ver Bortragende Maury's ihm eigenthümliche Anſicht über die Bildung 
ter Steinfohlenmaflen ver Vorwelt und ver fie ſtets begleitenden Kohlenlet⸗ 
ten und Koblenfanpfteine nach den Erfcheinungen, welche fi noch Heute 
auf den Sargaflobänfen des atlantifchen Oceans zeigen, indem Maury ges 
neigt ift, die Bäume in ven Kohlengruben von herbeigeſchwemmten Bäus 
men abzuleiten, welche vie Flüſſe in das Meer geführt hätten, vie Koblenla- 
ger jelb aber von Pflanzenabfägen verfelben Natur, wie noch heute Sargafio- 
bänfe fie parbieten würden *). — Herr Abich aus Peteröburg Iegte der Geſell⸗ 
ſchaft mehrere große geognoftifche Durchfchnitte durch den Kaufafus als das Re⸗ 
fultat feiner zehnjährigen Forſchungen in dieſem @ebirge vor, un begleitete fie 
mit einer Ueberſicht feiner gewonnenen Nefultate, die er zum Theil bereits ein⸗ 
zeln in zahlreichen zerftreuten Auffägen veröffentlicht Hatte. Die Arbeiten bes 
faiferlichen Generalftabes bienten ihm zur feftlen Grundlage feiner Durch⸗ 
fchnitte; die Terrain» Erhebungen ſind theild nach beftimmten, von ihm felbft 


=) Diefe Anficht, fo geiftreich fie fonit ift, ſteht doch fehr beſtimmten geologi: 
ſchen Thatſachen entgegen, indem nach den genaueſten, neueren mifrefeopifchen Unter; 
inhungen die Steinfohle nur aus Landpflanzen und namentlich Landbäumen hervor: 
gegangen iſt. Nirgends finden ſich darin Spuren von Meerpflanzen, am wenigften 
von ſelchen Tangarten, wie der Sargaffo felbit if. Eben daſſelbe ergicht die Unter; 
fuhung der Pflanzenrefte in dem begleitenden Kohlenletten und dem Kohlenfandflein; 
ja felb& in den Kalflagern, die zuweilen, wie bei Glasgow und Evinburg die Kohlens 
lager, wenn auch nur in dünneren Lagen, unmittelbar begleiten, zeigen — ausſchließ⸗ 
lich Flußwaſſermuſcheln und Flußwaſſerſchnecken. Erſt die gewaltige, unter dem Na: 
men des Bergfalfs oder ſpeciell Kohlenkalks befannte Kalkablagerung, meiſt unmittel⸗ 
bar unter den Steinkohlenmaſſen gelagert, iſt rein mariner Natur. Wie alſo die bis 10000 
Fuß mächtige und zuweilen ftärfere Maſſe ver Koblenformation, die nach dem Gefagten nur 
Reite von Land: oder Flußwaſſerthieren und Landpflanzen einfchließt, fich Im reinen Dleere 
mit Ausfchlug aller marinen Reſte bilden konnte, ift freilich nicht gut aus Maury's 
Hypotheſe erfichtlich. ©. 





84 Sigungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſthaft. 


ausgeführten bypfometrifchen Mefiungen, theild nah Schägungen in Folge 
eigener Anfchauung eingetragen worden. Aus viefen Profilen ergiebt ſich nun, 
daß das Kaufafuögebirge ein in feiner jetigen Geftaltung verhältnigmäßig 
ſehr jugenpliches ift. Ein wefentlicher Theil deſſelben beftcht aus einem ges 
waltigen gewölbartigen, aus kryſtalliniſchen Gefteinen beftehenvnen und oben 
plateauförmig geftalteten Körper, worauf bis zu dem höchften Niveau des Ge⸗ 
birges anjteigende Trachytmafien gelagert find. Aus folchen Trachytmaſſen 
beftehen vie bis 18500 Fuß hohen circusförmig gebildeten Wände des El⸗ 
brus, des höchflen Berges des Kaufafus. Auf das Plateau lagern fich noch ger 
waltige Gletfhermafien, die von Morainen, ganz wie in den europäifchen Als 
pen, begleitet werden. Die Bildung der Eidablagerungen fcheint unaufhalt⸗ 
fan fortzufchreiten und die Walbregion zu erreichen, indem der Berichterſtat⸗ 
ter ganze Pinusftämme mit ver Krone, noch wohl erhalten in dem Eife, ein- 
gefchloffen vorfand. Die gefchichteten verfteinerungsführenden Gefteinmafien 
überfleigen die Erpftallinifchen und bilden längs deren Peripherie ein ande⸗ 
sed wallartig um das erfte gelagerted Gebirge, beftehend aus Suragefteinen 
und allen Glievern ver Kreivegruppe, namentlich Neocomien und weißer 
Kreide, in ziemlich regelmäßig nad) außen allmälig abfallenner Schichtenbil- 
dung. Die Iuragefteine lagern unmittelbar auf dem Granit und beftehen nach 
ihren petrographifchen und palkontologifchen Characteren aus der Oxfordthon⸗ 
formation, deren untere Abtheilung bier durch ihren ftellenweifen Reichthum 
an Steinfohlenlagern einft technifch fehr wichtig werden kann. Die pur 
Goͤppert in Breslau beftimmten, darin vorfommenven Pflanzen flimmen aber 
ganz mit denen der englifchen Liadgebilvde von Whitby in Vorkſhire überein *). 
Um den Wal des fenimentairen, noch hoch auffteigenden Gefteines lagern ſich 
endlich untertertiäre Gebilde, vorzüglich numulitenreiche, alfo nach ven neues 
ven ven Forſchungen untertertiäre. G. 





*) Nach Goͤppert's Beſtimmungen erſcheint unter den Pflanzen auch Taeniopte- 
ris vittata, ein intereflantes Borfommen, da man diefe Yarre fonft nur in den Trias: 
gebülden, namentlich überall im dentſchen Kemper findet, in ber Juragruppe aber bie: 
her noch nirgends beobachtet hat. ®. 


N 





Zeitschrift f all£ern.Erdkunde Bdl . 


— — — — 








IH. 
Die neueren Zuftände von Spanien. 


— — — e⸗ —— 


Als im Beginn dieſes Jahrhunderts Napoleons gewaltſamer Ein- 
bruch in die pyremäifche Halbinſel das ſpaniſche Volk endlich aus der 
Lethatgie erweckte, worin es phyſiſcher und geiſtiger Druck beinahe 
200 Jahre lang faſt ohne Unterbrechung gehalten hatte, erhoben ſich 
mit bewundernswuͤrdiger Schnelligkeit aus allen Ständen patriotifche 
Nanner yon großem Geift und Character, welche in der einfichtsvoll- 
Ken Weile zur Wiedergeburt ihres Vaterlandes und zum Wiederauf—⸗ 
blühen der Wiſſenſchaften beitrugen. Mißlangen auch viele diefer Bes 
Rrebungen für den Augenblid, ein großer Theil derfelben fogar für eine 
ganze Reihe von Jahren durch die Weberfpannten beider entgegenges 
iehten politifhen Richtungen, welche lange um den Beflg der Herrfchaft 

m, jo wurde doch In Spanien damals fchon die Bahn zum 
Orfieren gebrochen, und felbft die zweite Periode der abfoluten Herr 
ſchergewalt Ferdinands VII. unterſchied fich vortheilhaft von der frühes 
ten, da in ihre bereits mehrere verfländige Regierungsmaßregeln, wie 
die zur Erhebung des Bergbaues vom 4. Zuli 1825 und die über die 
Sreiheit der Ausfuhr von Steinfohlen vom 4. März 1832, fowie die 
Lichtwiedereinfuͤhrung der 1820 aufgehobenen Inquiſition und zuletzt 
die mit einigen anderen weiſen Geſetzen erfolgte Einführung eines dem 
franzoſiſchen nachgebildeten Handels⸗Geſetzbuchs Uebergänge in die groß⸗ 
attige Entwickelungsepoche anbahnten, worin nun das Land ſeit Bes 
endigung der blutigen inneren Kriege im Jahre 1840, befonders aber 
lit 1845 bei einer nach allen Richtungen ungemein tätigen, einfichte- 
rollen Verwaltung und bei den neuen freifinnigen Gefegen unaufhalt- 
Mm fortfchreitet. Bon Roon's Ausfpruch Im Jahre 1839 (Die ibes 





86 Gumpredt: 


riſche Halbinfel, eine Monographie aus dem Gefichtspunfte des Milis 
tairs. Berlin 1839, 28 — 29): „Wo aber, wie gegenwärtig auf ber 
Halbinjel, ein Halb zerftörtes Räderwerf die Staatsmaſchine mühſam 
im Gange erhält, wo alle modernen, gleichviel ob wohlgemeinten, ge: 
wiß aber finnlofen Schnörfel, mit denen das alte knarrende Getriebe 
aufgeftust und aufgefrifcht worden, nur als ungefchidtes Flickwerk er: 
fcheinen . . . wo die Gonfufion der Begriffe epidemifch wird, wo die 
mißhandelte Mafchine endlich in's Stoden gerät) und wo jede große 
höpferifche Perſönlichkeit fehlt, da verfagen die Glieder dem 
franfen Organismus den Dienft, da tritt in dem frampfhaften Ringen 
um die Friftung der Eriftenz terroriftifche Willfür an die Stelle geres 
gelter Gewalt” war deshalb nicht einmal für jene Epoche Spaniend 
richtig, und ed hat derfelbe nach den vielen glüdlichen und burchgreis 
fenden neueren, fchöpferifchen Maßregeln in allen Zweigen der Ge: 
feggebung und Verwaltung des Landes jegt vollends alle Bedeutung 
verloren. Es find dies Erfahrungen, wofür nicht allein die zahlreis 
chen europäifchen Reifenden, welche Spanien während der legten 20 Jahre 
in allen Richtungen durchzogen, fondern aud die nordamerifanifchen 
übereinftimmend Zeugniß geben. Von deutſchen Schriften, die und mit 
Spaniens neueren Zuftänden befannt machen, find als vie beften zu 
nennen: Das ausführliche und vorzüglich für die neuere Verwaltung 
ungemein ſchaͤtzbare Werk des preußifchen Generalconfuld 3. von Mi- 
nutoli: Spanien und feine fortfchreitende Entwidelung, mit befonde- 
ver Berüdfichtigung des Jahres 1851. 8. Berlin 1851; die ausgezeich- 
neten 3 Werke von M. Willfomm: Zwei Jahre in Spanien und 
Portugal. 8. Dresden und Leipzig 1847. 3 Bde ; Reifeerinnerungen 
aus dem Jahr 1850. 8. Leipzig 1850. 2 Bde. und die Strand= und 
Steppengebiete der iberifchen Halbinfel und deren Vegetation. 8. Leip⸗ 
ig 1852; fowie A. Ziegler’s Reife nach Spanien mit Beruͤckſichti⸗ 
gung der national=öconomifchen Interefien. 8. Leipzig 1852. 2 Bde; 
von franzöfifchen die Feine, aber außerordentlich inhaltreihe Arbeit von 
Morig Blod: L’Espagne en 1850. Tableau de ses progres les 
plus röcens. 8. Paris 1851; von englifchen das von Widdrington: 
Spain and Spaniards in 1843. 2 Bde. 8. London 1844; von 
norbamerifanifchen endlich das Werf von Wallis: Spain, her insti- 
tutions, politics and public men. 8. London 1853. Da ed immer 


Die neueren Zuftände von Spanien. 87 


von Interefie ift, Dem Gange der Wiedergeburt eines Volkes nach 
Jahrhunderte langer Abſpannung aufmerkjam zu folgen und Spanien 
vermöge feiner glorreichen früheren Gejchichte und feiner vielfachen Be⸗ 
sehungspunfte vor allen Staaten, die ſich in ähnlichen Verhältniſſen 
befimten, vorzugsweife Aufmerkſamkeit verdient, fo follen hier die Ergeb- 
wine der neueren Forſchungen über das Land, feine Bewohner und 
Jafitntionen u. f. w. mit fteten Rüdbliden auf die früheren Zuſtaͤnde 
iannuengeftellt werden. 

Sröße. Eine richtige Beftimmung der Größe Spaniens und der 
iberiichen Halbinfel überhaupt war bis zum zweiten Drittel des vori- 
gen Jahrhunderts oder bis die genauen Küftenmeflungen durch To- 
fino und die fpanifche Marine vollendet wurden, eigentlich eine Sache 
der Unmöglichkeit. Durch diefe Meſſungen ergab fi) namlich mit Be: 
kimmtheit, daß der Umfang der Halbinfel viel Heiner ift, ald man bis 
dahin allgemein angenommen hatte, und eine lehrreiche, von Berghaus 
entworfene Kartenſkizze (Hertha von Berghaus XI, Taf. II) erweift 
jeher anfchaulich, wie man im Verlauf der leßten 3 Jahrhunderte ges 
nötdigt worden war, die Unfichten über den Umfang der Halbinfel 
aflmälig zu modificiren. So vermochte es erſt Tofino nach einer ſorg⸗ 
faltigen Unterfuchung der Grenzen beider Staaten der Halbinfel auf 
den beften damaligen Karten den Ylächeninhalt des europäifchen Spa⸗ 
niens einigermaßen annähernd richtig zu berechnen, obwohl auch noch 
heute die als zuverläffig anzunehmenden Angaben ziemlich von einan- 
der abweichen. Hatte nämlich der berühmte fpanifche Reifende und 
Mathematifer Jorge Juan noch im verfloffenen Jahrhundert die Ober: 
fläche des fpanijchen Feftllandes und der Balearen zu 15930 Qua: 
drat⸗Leguas (20 Leguas auf den Aequatorialgrad) gefegt (Dicciona- 
no geografico-estadistico de Espana y Portugal por S. de Minano. 
Madrid IV, 1), fo nahm Minano im laufenden fie nur noch zu 
u 15762, von Minutoli nach neueren officielen Quellen gar nur 
15002 O8. *) und Blod (S. 17) auch nur zu 488098 I Kilome: 
tem, d. 6. die Legua zu 3086 Hectaren, zu 15119 DI Leguas 


— — — 


*) Bon Minutoli ſetzt naͤmlich S. 1 und 20 die Größe des ſpaniſchen Feſtlandes 
allein zu 14855, die der Balearen ©. 10 zu 147 OI8., was auch mit des fpanifchen 
Geographen Antillon Angabe ven 150053 D Leguas faft iventifch ift (Elementos de 
la Geografia astronösmica, natural y politica de Espafla y Portugal. Ed. II. Va 
leocia 1815. 141). 








88 Bumpredt: 


an*). Nach dieſem Hlächeninhalt ift aber Spanien der Größe nach 
das 5. Reih in Europa, und es wird darin nur von Rußland 
(4381089 IR.), der Türkei (694010), Defterreich (662326) und 
Franfreih (527686) übertroffen (Blod 17) **). Bon der 229 Le⸗ 
guas betragenden terreftrifchen Grenze treffen 87 auf Branfreich, 131 
auf Portugal, 10 auf das Gebiet Andorra, 1 auf die Stadt und Fe⸗ 
ftung Gibraltar. Bon der Küfte (487 Leguas im Ganzen) gehören, 
fpanifchen Angaben zufolge, 250 dem mittelländifchen Meere, 237 dem 
atlantifchen Ocean an (von Minutoli 1) ***). 


Oberflächen-Geſtaltung. Das Daniederliegen aller wifien- 
ſchaftlichen Ihätigfeit in der Halbinfel während der legten zwei Jahr⸗ 
hunderte, und das überaus feltene Erfcheinen fremder Forfcher in Spa- 
nien und Portugal bis zum Schluffe des vorigen Jahrhunderts hatte 
die Folge, daß man von der geftaltlichen Bildung der Oberfläche der 
Halbinfel und. von der Vertheilung der Gebirgszüge bis in die neuere 
Zeit wenig mit wiffenfchaftlicher Sicherheit gefannt hatte Doc war 
der Character der Oberfläche fo Har ausgeprägt, daß die Bevölkerung 
Spaniens feit undenflicher Zeit ihre Hochebenen durch einen beftimms 
ten Namen, dem der Parämos oder Paramerad, von den eigentlis 
lihen Bergländern unterfchieden hatte. Daß aber einige diefer Hoch- 
ebenen auf große Streden eine faft gleiche Erhebung über dem Mee⸗ 
teöfpiegel befiten, hatten genaue Ermittelungen in Spanien ſchon vor 
faft 100 Jahren mit Sicherheit erwiefen, indem bei einer auf Anord⸗ 
nung des befannten Minifters Florida Blanca zwifchen dem Ebro und 


*) Ge if hier nämlich von der ganzen Block'ſchen Zahl die Groͤße ver Cana⸗ 
ren (697 IE.) abgezogen worden. Nach cinem Genfus von 1799 (Blod 36, 37) 
folte Epanien mit den Balearen eine Fläche von 47961144 Hectaren, alfo von 
15541 IE. haben. Am wenigften flimmt mit allen viefen Zahlen Bory de Et. Bin: 
cents Angabe von 148584 D Leguas überein (Guide Ju voyageur en Espagne. Paris 
1823, 3); fie ift, wie man fleht, die niebrigfle von den angeführten. 


“*) Moreau de Ionnes in feiner vortrefflichen Schrift: Statistique de l’Espagne. 
Paris 1834, 6. nennt dagegen Spanien feinem Blächeninhalt nach nur den neunten 
unter ben europälfchen Staaten und fagt, diefer fei der 23fe Theil von der Größe 
Guropa’s. 


“nr, Mac Morean de Jonnes 6. beträgt die marine Grenze 612 Lieues (316 ge- 
gen das Mittelmeer, 296 gegen ben Dcean), die terreftriiche 278 (163 gegen Bortu- 
gal, 115 gegen Frankreich). 


Die neueren Zuflände von Spanien. 89 


duo dehufs der Möglichkeit einer Canalanlage ausgeführten Terrains 
mendung fich nirgends die Gebirge der Karten, dagegen fo leichte 
Tioeaudifferengen vorfanden, daß die beauftragte Commiſſion bereits 
ve Unternehmung eines Canals in Vorſchlag bringen konnte, welcher 
hit auch zum Theil als der caftilianifche Canal ausgeführt wurbe. 
Th blieb es erſt AL. von Humboldt vorbehalten, durch feine im Jahre 
I vn Valencia bis la Coruña quer durch die Halbinfel unter 
Remmenen barometrifchen Mefiungen den bis dahin unbekannnten Zuſam⸗ 
menbang ver fpanifchen Hochebenen und die Eriftenz eines einzigen uns 
geheuern, centralen Tafellandes *) von 2200 Fuß mittlerer Erhebung 
über den Meeresipiegel und von A200 D. IM. Größe mit Beftimmt- 
beit auszufprechen (Laborde Itineraire descriptif de l’Espagne 1808. 
Ed. II. 1827. 1, 5. Hertha von Berghaus IV, 5—6) und zugleich) 
durch ein fpäter von ihm wefentlich vervollftändigtes Profil zu erläutern. 
Humboldt’s Anfichten (Atlas géogr. et phys. du nouveau Continent, 
1814. PL III) wurden feitvem überall beftätigt, und es ergaben zahl: 
reiche Forſchungen, daß das Tafelland fich felbft bis in Gegenden vers 
breitet, wo es Humboldt aus eigener Anfchauung nicht gefannt hatte; 
fo im Weiten bis in das Innere von Portugal, im Süden bis nad 
Eftremadura **). Zur genauen Kenntniß der Natur und Ausdehnung der 
Barameras trugen in neuerer Zeit am meiften die Unterfuchungen Bory 
de St. Vincent's (Guide 10, 280, 281, 295), welcher als Generals 
Rabsofficier in den Heeren Napoleons befanntlih mehrere Jahre Hin 
durch Gelegenheit gehabt hatte, die Halbinfel nach allen Richtungen zu 
durchziehen und diefelben nicht ohne guten Grund mit den Hochſtep⸗ 


*) Das von Humboldt dem euglifhen Ausbrud tableland nadhgebilbete und von 
Eyn zuerft bei Gelegenheit der Characteriſtik des ſpaniſchen centralen, ebenen Hochlan⸗ 
des in die wiienfchaftliche Erdkunde eingeführte Wort if, wie derfelbe bemerft (Her⸗ 
tya IV, 6) für manche andere hochgelegene ebene Länder nicht anwendbar, namentlich 
wicht für die ſchon von Strabo Ed. Cas. 1620, 292 fehr bezeichnend ogonddın ge: 
maunten bayrifchen und fehweizerifchen Hochebenen. 

*) Daß große Streden Gfiremabura’s fehr eben find, hatte indeſſen fchon ber 
Iläzder Bowles um die Mitte des vorigen Jahrhunderts (Introduccion a la historia 
natural y ä la fisica de Espaüa. III. Ed. Madrid 1789, 150, 151, 165, 156) ans 
eigener Erfahrung kennen gelernt. Beſtaͤtigt wurde dies fpäter durch Bory de St. 
Bincent (Guide 303); am ausbrädlichiten erklärte aber Le Play in neuerer Beit Eſtre⸗ 
warnte für ein Plateau (Annales des Mines 1834. VI, 301). 


90 Gumprecht: 


pen des inneren Aſiens verglich, ſowie neuerlichſt Willkomm's Beob⸗ 
achtungen (Die Strandgebiete 23 — 55), endlich die Zuſammenſtellun⸗ 
gen von Roon’s (vorzüglich gut und volftändig in defien Werf: Mili⸗ 
tairifche Känderbejchreibung von Europa. Berlin 1837, 62, 380 — 384 ) 
bei. Sehr anfchaulih für die Kenntmiß der Niveauverhältniffe des fpa- 
nischen Tafellandes ift übrigens die von Willkomm zum Theil nach in 
Deutfchland wenig oder gar nicht verbreiteten Quellen (Bolletin ofi- 
cial de caminos y canales) entworfene Zujammenftellung der in: 
nerhalb des Tafellandes gemachten Höhenmeflungen (Die Strandge: 
biete 26, 27), da Diefelbe das faft überall gleiche und mit der Höhe 
von Madrid übereinftimmende Niveau der meiften Hochebenen Spa: 
nien® ergiebt. Hatte nämlich die faft im Centrum der Ebenen gelegene 
Hauptitadt nach Al. von Humboldt (Hertha IV, 18) eine Höhe von 
2040 P. F., fo giebt die Tafel für die Madrid benachbarten Orte 
Dcana *), Guadalajara (2188 %. nach Bauza. Journal of the Geogr. 
Soc. of London II, 341) und Alcala de Henared noch immer ein 
Riveau von refp. 2370, 2250, 2120 %., für Balladolid im nördlichen 
Theil des Plateau’ von 2100, für Aftorga im nordweftlichen von 2240, 
endlich für das am Südrande gelegene Valdepenas von 1990 F. Zieht 
man Hier zu Willkomm's eigene Beftimmungen im nördlichen Aragonien, 
die von Jaca und die des Fledend Biescas am Fuße der Pyrenien zu 
refp. 2265 und 2444 %. (Wanderungen I, 343, 355, 366), die von 
Segovia nah San Maria Gil zu 2155, die von Madridejos und 
Eonfuegra in der Provinz Toledo beide zu 19788. (nach Betancourt 
bei Antillon 250) und die von Billalain in der Provinz Burgos zu 
1780 B. 5. (nad) Penalver) **), endlich die ziemlich genau mit dem all- 
gemeinen Niveau der Oberfläche Caſtiliens übereinftimmende Höhe Der 
Ebenen Eftremadura’s zu la Puebla D’Alcocer, welche Le Play (Annales 
des Mines. 1834. VI, 301) zu 1914%. (602 M.) ermittelte, fo er- 
giebt fih Har, dag Humboldt's Berechnungen der mittleren Höhe der 
Hochebene im centralen Spanien fchon vollfommen gegründet waren. 


*) Schon Humboldt (Hertha IV, 12) fagt in Bezug auf Craüa: Die gleiche 
Hche (zwifchen 360 und 380 Toifen), im der die ganze Flaͤche hinziebt, ift Hier ſehr 
auffallend. 

“#) Die auf Par. Fuß redncirten Höhenbeftimmnngen Betancourts, Gils und 
Peüalvers ind bier nicht nach Antillons Originalangaben aufgeführt werben, fondern 
nach Bauzae Rertificationen (u.a. D. 269 — 273). 


Die neueren Zuflände von Spanien. 9 


Ach über die Höhenzüge fehlte e8 in neuerer Zeit nicht an Unterfu- 
cungen. So Hatte Willkomm das BVerbienft, eine fleißige Arbeit des 
aniihen Botanifers Colmeiro über die Gebirge und Ylußgebiete Ca- 
kilomiend aus deſſen Werf: Catalogo metodico de plantas obser- 
vadas in Cataluna in Deutfchland bekannt zu machen (Flora. Regens⸗ 
karg 1851, 192, 205, 209 — 211, 229 — 235), und ſo ſchilderte fer: 
ner Ep. Boiffter’S großes botanifches Werk: Voyage botanique dans 
le midi de V’Espagne pendant l’annde 1837. 2 Bde. A. Paris 
1839 — 1845 fehr vollftändig und gründlich die Configuration der ans 
dalufiſchen Gebirgsfetten, wozu noch in Willkomm's beiden Reifaverfen 
ungemein ſchaͤtzbare Beiträge zur Kenntniß der von ihm felbft unter: 
ſuchten Gebirgslandfchaften, namentlih Aragoniens und Andalufieng, 
treten. Eine Weberjicht der orographifchen Verhältnifie von ganz Spas 
nien erhielten wir früh fehon durch den Spanier J. Cornide (Ensayo de 
una descripcion fisica de Espana. Madrid 1803), die ungeachtet 
ihrer Mangelhaftigkeit und Fehler doch faft vollitandig in Antillon’s 
Wert (©. 225) überging, aber eine viel befiere fpäter durch Bory de 
St PBinent (Guide 8—45), welcher auch zuerft mit Beftimmtheit 
ausıprah, Daß fich unter den Gebirgsketten des Landes verfchievene, 
Durch Hochebenen ganz beftimmt von einander getrennte Syſteme un⸗ 
terfcheiden Lafien *), während noch Cornide (III, VI), Antilon (©. 225, 
227,228, 239, 246) und früher aud) Laborde in dem Irrthum befangen 


— 





=) Bory de St. Bincent hat überhaupt zuerſt die richtige Gonfiguration 
ver Oberfläche der ganzen Halbinfel fennen gelehrt, fo daß felbft Laborde ſich bei 
Bearbeitung viefer Berhältuifie in den fpäteren Ausgaben feines höchft ausgezeichne⸗ 
ten, greben Werkes über Spanien (Itineraire descriptif) allein der Beihülfe 
Bery ve Et. Bincent’s beviente. Tiefe Anerkennung durch einen fo erfahrenen Rei- 
ſenden, die fpäteren wiederholten durch einen zweiten eben fo zuverläffigen, als vorurs 
theilsfreieu Beobachter, durch Ze Play, der Bory's Karte die unwiderſprechlich genanefte 
Darkiellung der Oberflächen - Berhältnifie Spaniens nennt (Ann des Mines VI, 300) 
und fein Werk über die phyſikaliſche Geographie Spaniens als ein treffliches bezeich- 
wche (cbendort V, 186), das Lob endlich Bruguitres, der den Gebirgozügen Spa⸗ 
ziens eine befondere Aufmerkſamkeit gewidmet hatte (Memoires de la societe de 
se de France Ill, 7), fowie die häufige Benupung von Bory's Angaben 
AR durch den gut unterrichteten Minano laſſen von Roons Urtheil (Monographie 
ILV) über Bory de &t. Vincent's Karte, daß es eine phantaftifche Arbeit fei, und 
iker beſſen beive Werke (a. a. O. XXXIX), den Guide und das Resume geographigur 
de Ia Pöninsule ibévique, Paris 1826, daß fie nur wenig Neues und Brauchbares 
echalien, als ein viel zu hartes und unverbientes erfcheinen. 


92 Gumprecht: 


waren, daß die Gebirgsketten der Halbinſel unmittelbare Abzweigun⸗ 
gen der Pyrenaͤen und ſelbſt der Alpenkette bilden *). Sind doch nicht 
einmal die den Pyrenäen fo nahen Gebirge Hoch »Aragoniens (EI alto 
Aragon) nad Willfomm’d neueren Beobachtungen (Wanderungen I, 
269 — 270) in unmittelbarer Verbindung mit jenen, fondern durch 
einen fchmalen, ftellenweife fogar nur 2 Stunden breiten, und von den 
Grenzen Navarra’ bis wahrfcheinlid Catalonien fortgefepten Streifen 
ebenen Landes davon getrennt. Länge dem nördlichen Rande dieſes 
ebenen Streifens fteigt nämlich, ohne irgend welche Vorlager, die im- 
pofante Kette der Eentralpyrenien auf, welche überdies Durch ihre Form 
und durch ihre geologifchen Verhältniffe von den an den Südrand bes 
Streifens grenzenden hoch⸗-aragoniſchen Gebirgen völlig verfchieden 
find **). Die neueren Zufammenftellungen über die orographifchen Ver⸗ 
hältniffe Spaniens verdanken wir ebenfalls Roon und Willlomm, von 
denen der erfte in feiner militairifchen Länderbefchreibung ©. 324— 
418 die Gebirge umfafjend und gründlich, Doch nur nach vorhandenen 
Duellen bejchrieb, Tester aber dieſelben zum Theil nach eigener An- 
ſchauung in einer furzen und reichhaltigen Ueberfiht (Die Strandge- 
biete u. f. w. 23— 54) fehilderte, fo daß durch alle dieſe Arbeiten die 
Geftaltung der Oberfläche Spaniens ziemlich gut befannt worden ift. 
Doch laßt fich dieſe Kenntniß noch nicht für volftändig erachten, 
fo lange nicht das ganze Land Hypfometrifch unterjucht worden iſt, da 
es für manche Provinzen, 3.3. für Catalonien, noch fehr an zuver- 


®) 88 iſt alfo unrichtig, daß &. Leonhard (Geognoſtiſche eberfichtsfarte von 
Spanien von Gzquerra del Bayo, erläutert durch ©. Leonhard. Stuttgart 1851, 4) 
nenerlicht ncch Hansmann (De Hispaniac constitutione geognastica in den Commen- 
tationes soc. Reg. Gott. VII, 135) allein das Verdienſt zufchrieb, den Irrtum ber 
Geographen, daß die Hauptgebirge Epaniens Ausläufer der Byrenden feien, rectificirt 
zu haben, indem bes verdienten deutſchen Forſchers fpanifche Reife erfi mehrere Jahre 
fpäter, nad) dem Grfcheinen von Bory de St. Bincent’8 Guide, flattfand. Am frühes 
ften ſprach ſich gegen die ältere Auffaffung Linf aus ( Gcclegifche und mineralogifche Be= 
obadhtungen auf einer Reife durch das weftliche Guropa). Doch bleibt es immer bes 
merlenswerth, daß im neuerer Zeit wieber ein fehr erfahrener fpanifcher Beobachter Ez⸗ 
querra del Bayo (Leonhard und Bronn Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geognofie 
u. f. w. 1835, 284) den unmittelbaren Zufammenhang der aragonifchen Berggüge mit 
den Pyrenäen behauptete. 

*) Bon Roon in der Monographie 64, 68 erwähnt nichts von biefem ſuͤdlichen 
ebenen Grenzfaum der Pyrenäen. 


Die neueren Zuftäande von Spanien. 93 


laͤſign Beobachtungen fehlt, und da andere Provinzen, wie Afturien, 
Eftemadura, Murcia und das weitliche Andaluften fogar norh nie in 
dezug auf ihre Erhebungen über dem Meeresfpiegel erforfcht worden 
md. Und doch iſt Diefer Mangel fühlbar genug, weil ohne genügende 
Höhendeftimmungen Die auffallende Erfcheinung, daß einige Berggipfel 
Atuviens fast Das ganze Jahr hindurch nicht von Schnee frei werden, ob- 
gleih fe angeblich nicht Hoch find (Bory Guide 264 und fein Eopift 
Miñano IV, 7), fchwerlih zu erflären fein dürfte. — Die früheften 
in Spanien gemachten Höhenmefjungen flanımen aus dem vorigen Jahr: 
hundert von dem deutſchen Mineralogen Thallafer (Cavanilles Anales 
de ciencias naturales. Madrid 1800. I, 86) her, doch find diefelben 
nach Humboldt's Urtheil ungenau (Hertha IV, 6). Ihnen folgten 
bald darauf Humboldt’ ſchon erwähnte Meſſungen (Cavanilles 1, 
86 und Hertha IV, 11 — 17), dann die von PBeüalver (Antillen 
226), Betancourt (ebendort 240, 250), Mariano Gil (ebendort 249 ) 
Antillen und Bauza (Journal of the Geogr. Soc. of London. II, 
269 — 2773) in beiden Gaftilien, namentlid in den Provinzen San— 
tander, Soria, Buenca, Segovia, Toledo und Eiudad Neal, dic des letzt— 
genannten Beobadhters in Guipuzcoa, Mechains in Catalonien (Base du 
Systeme metrique. Paris 1807. II, 760 — 62, 779), Ferrers in 
Biscaya, endlih noch die von Betancourt in Andalufien (a. a. ©. 253, 
258, 259), und vor Allem die zahlreichen und wichtigen Roras Cle— 
mentes in der nümlichen Provinz (Minano IV, 345). Alle diefe äl— 
teren Meflungen finden fih mit großem Fleiß gefammelt und nach den 
Gebirgszügen methodifch geordnet in Bruguière's Orographic de 
YEurope (Me&moires de la societe de G&ographie de France. 
1830. II.) In den lebten AO Jahren war die Ausbeute nicht gerin— 
ger, und ed wurde durch Bolffier eine ziemliche Reihe Höhen im ſüdlichen 
Andalufien (a. a. D. ©. 239 — 240), namentlih in der Sierra Ne- 
vada, beftimmt, wobei feine Refultate fehr wohl den Elementefchen ent- 
fprachen, fowie auch Willfomm im Norden Spaniens, in Navarra und 
Aragonien, 25 Puncte maß, und endlich Verneuil (Bull. de la soc. 
geol. de France. 2” Ser. X) nach den Meffungen von Rico y Sinobas 
(Memoria sobre las causas meteorologico -fisicas, que produ- 
cen las constantes seguas de Murcia y Almeria Madrid. 1851), 


94 Gumprecht: 


ſeinen eigenen und dem orographiſchen Tableau von Subercaſe meh⸗ 
rere Angaben mittheilte. Boiſſier ermittelte fuͤr: 
Den Mulahacen (10990 und 10938 F. nach \ 
Noras Elemente) . . . . 109808.8. 


Den Picacho de Veleta (10722 u. 10823 $. 
nach demfelben) . . . . .. . 10728 = 
Den Paß (Eol) de Beleta . . . . . ... 10160 > 
Die Weide (Borreguil*) de Dilar . . . 9790 - 
Der See der Ealdera . . . . ... 9486 ⸗ 
Den Puerto de Vacares... 9472 ⸗ $ 
Den unteren Rand der Eismaſſe am Corral 3 
de Veleta... ..... 8800⸗58* 
Die Hoͤhe der Panderonhoͤhle .. . .. 8361-8 
Den Peñon de Francisco. . . 7940 »|\ 8 


Die erften Sennhütten am füblichen Abhange 
des Puerto de Vacares, eines der hoͤchſten 
Paͤſſe durch die ©, Nevada nach den Al⸗ 


pujarras *) . . 7471 = 
Den Dornajo, den hochften Punct miten 

Xenil und Monachil **) . . . 6507 = | 
Die Prados (Weiden) de las Heguas .. 6427 ⸗ 
Den Gipfel der Sierra del Gabor (6786 F. 

nah Roras Elemente). . . . ... AS ⸗ 


Die Bleigruben der Sierra del Gador . . 5818 > 
Den Plazoletas, den höchften Punct der Sierra 

de Nieve (NRondagebirge) oberhalb Toloz. 6033 > 
Die Sierra Tejeda (7200 F. nad Bory de 

St. Vincent bei Boiffir) +). . . - -. 6569 ⸗ 


Die Sierra de Bilabres ++). . .» » » . 9880 ⸗ 


— — 





*) Les prairies elles mè emes (der S. Nevada) sont connues sous le nom ge- 
nerique de Borreguiles. Boissier 211. 
**) Millfomm: Zwei Jahre. II, 90, 95. 
“e) Ghendort II, 74. III, 44 
+) Willkomm: 2 Jahre. III, 4, 10. 
+r) Ebendort III, 101, 102. 


Die neueren Zuftände von Spanien. 95 


Die Sierra Bermejo (das rothe Gebirge, nach dem 
tothen Geftein, woraus es befteht, genannt) *) . AA63 Fuß 


Die Sierra D’Antequera . . . 2 2 2.2...4000 : 
Den Fleden Ronta . . . 2 2 2.2.2. 2.2.3300 = 
Gern... 2220 ⸗ 
nur nn... W554 ⸗ 
Mona bei Marbella . . . 1114 ⸗ 


Durch diefe Mefjungen wird nun der majeftätifche, zuerft nad) Ele 
mente wieder von Boiſſier und Willkomm erftiegene und oben abge- 
fugte pyramidale Eerro de Mulahacen als der höchfte Berg nicht als 
lin ver S. Nevada, fondern ganz Spaniens, wie ſchon Antillon (261 ) 
ausgeſprochen hatte, beftätigt, indem derfelbe noch um 200%. Die Spige 
des Pic Nehou, des höchften Berges der Pyrenden, überragt **) 
(Boiffier 127), und es ergiebt fih von Neuem, daß die 15 M. von 
Weſten nah Dften lange und A—6M. breite, füblich Granada ger 
legene Gchirgsfette, deren Hauptfamm fchon eine Höhe von 9000 8. 
erreicht, deren Gipfel ſich aber noch um mehr, ald 2000 F. höher er- 
heben, nah den Alpen fogar das höchfte Gebirge Europa’s ift (Will 
bomm: Zwei Sahre. II, 70). Doch behauptet Boiffter (117), Daß 
die Sierra Nevada eigentlich noch nicht in die ewige Schneeregion tritt, 
indem nur an gefchügten Stellen innerhalb einer Zone von 1500 — 
2000 5. das ganze Jahr hindurch Schneemaffen fih Ca. a. ©. 114) 
erhalten follen, obwohl ale Vorgänger Boiffier’s, namentlih auch An- 
tillon, von einer Region (Region de nieves perpetuas. Ant. 261) 
des ewigen Schnees in der Sierra Nevada fprechen ***). Der Ueberblid 
diefer höheren Schneeregion ift übrigens nah Willkomm's Angabe 
(a. a.O. I, 77, 78) felbft mitten im Sommer eben fo großartig, als 
unheimlich. Ausgedehnte, ftundenlange Schneefelver bedecken die Abhänge 


) Willkomm: 2 Jahre. II, 327, 328. 

**) Micht umbedentend weichen indeſſen vie neueren Mefiungen A. Maeſtre's in 
vr S. Nevada von den oben erwähnten ab, indem nach ihnen der Mulahacen nur 
bie 9559 yarif. (10800 ſpan.) F., der Picacho de Veleta gar nur bis 8786 pariſ. 
(10000 fpan.) F. anfteigt. Annales des Mines. 3” Ser. XIX, 219. 

"4) So fagt 3. B. Bory (Guide 35) und übereinftimmend Willkomm ( Strands 
pebiete 42), daß bie enorme Höhe der Nevada troß der Lage dieſes Gebirges in einer 
ſaſt fabtropiſchen Bene nicht geftattet, daß der Schnee auf deſſen Gipfeln jemals 
ſchmilzt. 


96 Gumprecht: 


der Berge, graue, ſchimmernde Gerölle von kryſtalliniſchem Gneis und 
Slimmerfchiefer, auf denen man von fern wenigftens fein Zeichen or- 
ganifchen Lebens bemerft, überfchütten die gewaltigen Kämme, und furcht: 
bar zerflüftete Schieferfelfen, welche ven Nordabhang der hoͤchſten Gipfel 
umgürten, flürzen ſich bei einer Höhe von mehreren taufend Fuß meift 
jenfrecht in die Tiefe, fo daß das Ganze ein Gemälde von erfchütternd 
grandiofem Character bildet. Aber nicht allein dauernde Schneemaffen 
erjcheinen hier, fondern es findet fi auf der Sohle des Eorral de 
Veleta, einer Abtheilung der gewaltigen, bis 2000 F. tiefen circusför- 
migen Einfenfung zwifchen dem Mulahacen und dem Picacho de Be: 
leta (Willkomm: Zwei Sabre. II, 76), noch eine 2— 300 F. ftarfe 
und den alpinifchen völlig ähnliche Gletſchermaſſe, die ſuͤdlichſte Der 
Art in Europa, welche dem Zenilftrom feinen Urfprung giebt und fo: 
gar von Steinwällen, gleich den fehweizerifchen Morainen, begleitet 
wird (Boiffter 115, 116, 119, 225) *). Der nächft höchfte Gipfel der 
S. Nevada nach dem Mulahacen ift der 1847 auch durch Willfomm er: 
itiegene gigantifche, nur eine Lieue von ihm entfernte und mit ihın Durch 
einen überaus fcharfen, dachförmigen und flet mit Schnee- und Eis, 
maffen bedeckten Rüden in Verbindung ftehende Picacho de Veleta 
(Boiffier 115; Willfonm II, 77). Ein dritter, ebenfo grandiofer und 
ichroff anfteigender, aus reinem Feld, wie der Mulahacen, beftehen- 
der Gipfel, der Alcazaba oder Eerro de Puerco (Schweindberg) liegt 
nördlih davon. Sein Gipfel wurde indefien, fo viel bekannt iſt, 
noch nicht erftiegen und auch nicht gemefien, doch muß feine Höhe 
jehr bedeutend fein, da Willkomm noch im Zuli 1844 von ferne Eis— 
zaden auf dem Alcazaba wahrnahm **). Alle 3 gewaltige Bergpprami- 
den umſchließen mit ihren fenfrechten Wänden den großen, ebenerwähn- 
ten Circus (Boiffter 116). Die Eierra Nevada gehört übrigens zufolge 
der reihen Schneedede auf ihrem oberen Gipfel zu den bewäffertften 


*) Bei der geringen Gutwidelung von Gletſchermaſſen und deshalb auch ver 
Morainen, die hier nur in der Nähe ver Gletſcherſtelle vorlommen, darf es nicht wan- 
vern, daß das Phänomen ber Rellblöde in der Sierra Nevada ganz jchli. 

=) Auffallender Weife wird ber Alcazaba weder von Bory de Et. Vincent, 
uch von Antillen erwähnt; dech Fannte ihm ſchen Roras Glemente (Miüane IV, 345), 
welcher feine Höhe zw 4100 caſtiliſchen Baras, aljo nur 154 Baras niedriger, ale die 
des Mulabacen ſchätzte Beiiner 115, 127 erwähnt ibn gleichfalls. 


Die neueren Zuſtände von Spanien. 97 


Gebitgen der Halbinfel. Wafferreiche Bäche ftürzen ftellenweife, wie 
an dem hohen Wall der Deheja Cd. h. des Thales) de S. Geronimo, 
in großer Menge (Miüano IV, 345) und taufende von Cascaden bil: 
dend durch die zahlreichen dunkeln Felsthäler in die Tiefe (Willkomm II, 
79). Auch die Ortfchaften dieſes Gebirged liegen zum Theil fchon fehr 
hoch; ſo das Dorf Trevelez nach Boiffier 5064 %. über dem Meered- 
\piegel, und ein anderes, Guejar Sierras, nur 4 Lieues von Granada 
entfernt, in 3529 5. Höhe (Willkomm II, 109) und zugleich in einer der 
greßartigften Alpenlandichaften, umgeben von 6— 8000 3. hohen Ber⸗ 
gen, die einen vom Xenilthal gebildeten Keffel umfchließen (Willfomm 
N, 87). Boiffier theilt außerdem eine Mefiung Bory de St. Vincents 
von dem 5280 F. hohen, nicht mehr zur S. Nevada gehoͤrenden Eerro 
de S. Criſtoval (Bory 36) in Andalufien mit. — Willkomm's Beſtim⸗ 
mungen find folgende (Wanderungen I, 346 — 367): 

1) 9Iun . . . ... 91,67 P. F. üb. d. Meeresſp 

2) Monte de la Haya bei Yrun 24799 =» = = =: = 

3) Gebirgshöhr las Añs am une 

de Haya . . 1506,97 ⸗ 


4) Poſada von Almanfos am 

Buerto (Paß) de Belate . 1286,57 s 822 5: 

5) Benta de Olave 2. 1473,83 28 2 2: ⸗ 
6) Pampluna Worſitnttoncpied 1404,37 = =» =: » 
7) Liedena 2. 1138,3 Fa Zr — ⸗ 
8) Badehaus von Tiermas . 12219 «+» =» = 
9) Molina de Arte . . . . 15091 » = - =» = 
10) Jaca (Hauptftadt von Ober: 

Aragonien ) FE GE 2265,0 s» 28 3 ⸗ 
11) Peña de Oroöl.... 2833,1 ze 89 >: ⸗ 
12) Eremitenwohnung de N. S. 

de la Cheva am Suͤdabhange 

ber Peña de Oroel . . . A188 » =: == = 
13) Banfrane . . . 2... 2968,14 > = s = ; 
14) Puerto de Canfranc 2. 47119 ⸗—⸗—⸗ 
15) Auberge de la Paillette . A3168 - = «= 
16) Puerto de a8 . . . . 65105 -» =: = + 
17) Poſada von Salnt . . . 3757,0 u 38 = ⸗ 


Zeiſchr. f. allg. Erbkunde. Dh 1. 7 


98 Gumprecht: 
18) Poſada d. Bäder v. Panticoſa 4852,8 P. F. üb. d. Meeresſp 


19) Fuente del Eſtomagdo.. 51299 = = = s = 
20) Punta del Madhimana. . . 82589 =» = = = = 
21) Laguna de Zaraguala . . . 66948» = = = > 
22) Laguna de los Banos. . . 48307 = = ss = 
23) Bis . . . nn 2MAb == = > 
24) St. Juan de la Penn. 34328 == = =: = 
25) Venta de Fontezones 28378 == = = ⸗ 


Die neueren, durch Verneuil mitgetheilten Höhenmefjungen von 
Sinobas und Subercafe aus dem centralen Tafellande weichen ſowohl 
unter fich, als von den älteren ab, doch giebt Verneuil denen des letzt⸗ 
genannten Beobachters, der zugleich Mitglied der Commiffion zur An⸗ 
fertigung einer Karte von Madrid ift, wegen ihrer größeren Genauig- 
feit den Vorzug. Diefelben finden fich in dem von Subercaje angefertig- 
ten orographifchen Tableau. Nach ihnen liegt Ocana 704, Araniuez 
ATAM. über dem Meeresfpiegel, während diefe Höhen nach Sino- 
bas nur refp. 694 und 540 M. betragen. Madridejos erreicht nad) 
Sinobas nur 665 M.; Valladolid liegt ebenfalls nah Sinobas in 
792 M. Buitrago beftimmte Subercafe zu 1016 (Berneuil felbit zu 
1012), die Höhe der Somo Sierra zu 1112 (Berneuil zu 1460, 
Vory de St. Vincent ebenfalld zu 1460) M. Andere eigene Mefjun- 
gen Verneuil's mit dem Aneroid gaben für Bergara 134, Vitoria 534 
(526 Humboldt, 539 Bory de St. Vincent), Miranda de Ebro 487 
(459 Humboldt), Pancorbo 634, Eubo 700 (688 Humboldt), Bri- 
biesca 735, Burgos 940, Lerma 887 (865 Humb.), Madrid 680 M., 
während für die lebte Stabt die eben erwähnte geographifche Commif- 
fion gar nur 635,25 M. fand und das Mittel von 8 durch Verneuil 
jelbft zufammengeftellten Meffungen auch nur 652 M. ergab (Bull. de 
la soc. geol. de Fr. 2° Ser. X, 66). — Aber die vollitindigfte 
Reihe von Höhenmeffungen, die wir jegt über irgend eine fpanifche 
Landſchaft befigen, erhielten wir erft in neuerer Zeit durch das treff- 
liche Werf von Don Leopoldo Martinez de Padin (Historia politica, 
religiosa y descriptiva de Galicia. T.I. Madrid 1849), nad- 
dem früher nur einige wenige Höhenbeftimmungen durch Al. von Hum— 
bofdt (Hertha IV, 16) in dieſer Landfchaft hatten gemacht werden fön- 
nen. Daffelbe führt nämlich S. 40— 42 nicht weniger als 261 Mef- 





Die neueren Zuftände von Spanien. 99 


jungen auf, ohne indeſſen anzugeben, ob viefelben trigonometrifch oder 
duch das Barometer erlangt worden find. Die bemerfenswertheften 
darımter find folgende: 


Bio de Buina. . . . 2 2 22. 7188 fpan. F. 
Mirabale8 . . . . 2 2 2 2.20.6968 = = 
Bio de Bena ruba . . . . 2. 2.6642 = - 
Babeza de Manzanda . . » 2... .6369. = 
Monte Muga . . . 2 2 .... 6240 s > 
Gaamfo . . 2 2 2 202022. 6042 > 
Sierra de Curl . . . 2 222.586 - - 
Sierra de San Mamd . . . . . ...5802 = : 
Monte Capo . . » 2 2 2...69760 = = 
Ciao . nn... 560 = > 
Sierra de aroucs . oo. 55099 = s 
Montouto in der Sierra de 108 Caballos 5460 = = 
Surcio . . nn. 53274 = = 
Sierra de Jures nn. 3265 ⸗⸗ 
Monte Lozaren...... . 5166⸗ = 
Cabeza de Meta . . . 2 2202. 4719 s = 
Baoomlo . 2 2 2 nn nn MB >» = 
Sanguitüdbo . . . 2. 2 2220.20. 469 » > 
Bortila de Kann. . . . 2 22. BA - > 
Gerro de Aguionhda . -. » -. 2. 4491 = > 
El Cerengg...... 4479 = = 
Penagachee.... 446⸗⸗- 
ScladtE . > 2 2 2 nn nn. 4425 > > 
Cavo Brad. . 2 222 BR ⸗⸗ 
Pico de Benastubia . . . 2... 4281 >» + 
Sierra Piedras Apaüadas . . . . . ARA2 > = 
Denn (Fels) de Po . . . ... ART = > 
Esculquera . » 2 2 2 20020. 4200 > + 
Sierra Del Karo . . 2 2220.20. 4146 » > 
Muadal . . 2 2 2 2 nn MI 5 + 
Faro de Avion -. . . 2. 2 22.2.4092 - = 
3apurrd . . . nn... 4080 - = 
Monte de Bedramon nn. 4035 ⸗ ⸗ 


7* 


Bumpredt: 


Piedrafita 

El Paramo 

Villar de Cota . 
Degolada . 

San Milano 
Bertelin 
Monte Gadan . 
Billamane 

Cañiſo. 

Billa Viela . 
Hofpital de Montouto 
Nico de Euadramon 
Monte de la Monlina 
Vicuña 


Monte del Seijo cn tierra de Montes) 


San Pedro en Lago . 
Sierra de Fontefria 
Fonfagrada 
Sierra de Peñas libres 
Vortacamdba . 

Vico del Barelo . 

Nico de Coſtenla 
Silvaofeura . 

Pereiro .. 
Monte Eoriscado . 
Monte Benama. 
Coaledro 

RPico te Eura . . 
Monte Peña de Francia 
Monſeivane 
Sim de Meira 
Monte Chandemevro 
Ribera de Ravia 

Moente td Ramo 
Nero 

AN 


4029 ſpan. F. 


3978 
3960 
3942 
3837 
3828 
3801 
3780 
3786 
3768 
3726 
3660 
3642 
3577 
3558 
3534 
3492 
3492 
3480 
3456 
3408 
3408 
3390 
3378 
3365 
3360 
3351 
318 
3282 
3279 
3261 
3231 


Zr 


3210 
3182 
32150 


* 


D w W N W W “ “ Rn %“ 


W n “ “ X u “ 


w W “ I) 


W 


v 


X W A W 


X W “ 


“R 


Die neueren Zuftände von Spanien. 101 


las Efwvadad . . . . 2.2.2... 3150 fpan. $. 
Reborvehao . . . 202. 98078 s- = 
San Martin de Vidueitos .... . 3069 = = 
Monte del Carrio...3060 = =: 
Santa Maria Mayor . . . ..0.68308 = =: 
Stadt Drenfe nn... 2316 => = 
Sileda . . .: 2 2 2 222.2. 91142 = = 
Stadt Monterey . ». .» » 22.2.1866 - - 
= U... 2 22222. 13556 = > 
:= Santiao . . . 2.2.2.2. 1164 = =: 
=. Mondoneo . . 2 2 222. 486 ⸗ ⸗ 
⸗ Tuy ... .. 177 ⸗ 


Aus dieſen zahlreichen, alle Theile Galiciens beicſenben Hoͤhen⸗ 
angaben beſtätigt ſich, daß die ganze Landſchaft, entſprechend dem 
Character aller nordſpaniſchen Provinzen, ein voͤlliges Bergland iſt. 
Endlich theilt noch Minutoli (S. 2) eine unzweifelhaft neueren ſpa⸗ 
niſchen Quellen entlehnte Meſſung der gewaltigen und majeftätifchen 
(Minano IV, 7), an der Grenze Aragoniens und Caſtiliens gelege- 
nen Sierra Moncayo mit, die nach Leon Dufour’s älteren Angaben 
bis 1500 Toifen oder 9000 pariſ. F. (Bruguiere Orographie 3A), nad) 
Minutoli aber nur bi6 5982 F. anfteigt. Leider finden wir bei Will- 
komm, welcher die S. Moncayo im Jahre 1850 erftieg (Wanderungen 
1, 65), feinen Aufichluß über diefe große Differenz, da es ihm durch 
den Berluft feines Barometers unmöglich war, die Höhe dieſes Gebir⸗ 
ge8 zu beflimmen *). 

Geognoftifhe Befhaffenheit. Bis vor etwa 30 Jahren wa- 
ren die geognoftifchen Verhältniffe Spaniens noch fehr wenig befannt, 
während man von den meilten Laͤndern Europa’8 befanntlich fchon eine 
jiemliche, von mehreren, 3.3. von Deutfchland, Branfreich und England, 
fogar eine recht gute Kenntniß befaß. Doch fehlte es nicht an lehr⸗ 


2) Selbſt in des fpanifchen neueren Geognoften Czquerra del Bayo Befchreis 
bung der Eierra Moncayo (Anales de Minas II, 71— 93) findet fich feine Höhen: 
neſſung, ein Mangel, an dem leider alle neneren fpanifchen geognoflifchen Arbeiten 


gleichmaͤßig leiden. 


102 Bumpredt: 


reichen einzelnen Beobachtungen, vie felbft bis in die Mitte des vori- 
gen Jahrhunderts zurüdreichen, wenigftens über einige Provinzen. So 
lieferten am früheften zwei verdiente Männer, der fpanifche Yrancisca- 
ner ‘Torrubla In felnem bereits 1754 zu Madrid erfchienenen Werfe 
Apparoto para la historia natural de Espana (deutfh von v. Murr. 
Halle 1773) und Bowles in feinem fchon genannten Werk nicht un- 
weſentliche Beitraͤge zur Kenntniß des Landes, indem der Erfle eine 
Relhe fpanlfcher Werftelnerungen, vorzüglih Trilobiten, Terebrateln, 
Velemnlten, Muftern, Gryphaen und Haififchzähne ziemlich gut abbilden 
(eh, und der Zweite treffliche Andeutungen zu dem petrographifchen Cha⸗ 
raeter beider Gaftilien, Eſtremadura's, Aragoniens, Andaluftens und 
der bunflfchen Provinzen gab, und befonderd auch die Steinfalzabla= 
gerungen nebft vielen Erzvorkommniſſen befehrieb. Hätte man damals, 
ſo wle det, den Werth der Verfteinerungen für bie geognoftifche Auf⸗ 
klarung eined Landes gekannt, fo würde fih fchon aus Torrubia’s Ab⸗ 
bildungen haben folgern laffen, daß Spanien tertitre und ältere pas 
laozolſche Gebllde bejigt, ferner aus dem Vorkommen einer der Te- 
robratula biplivata am Meiften entfprechenden Brachiopode (Tab. 
IN, 7, von Murr's Ueberſezung), und aus dem einer Pholadomya 
(Tab, VIE, endlich dem einer der großen Lima proboscidea des eng- 
liſceden und ſchwäbiſchen braunen Sandfteind ähnlichen Bivalve (Taf. 
VIl. 10), daß bei Molina in Aragonien Juragebilde anftchen *). Lange 
Jeit dindurch nach dieſen Arbeiten fehlte ed ganz an weiteren ähn⸗ 
lichen, BR erſt am Schluſſe des vorigen Jahrbunderts die Beobachtum⸗ 
gen Tauater's Aber Aragonien (Cavanilles Anales de sciencias sa- 
taraloe IV, 67 — SO) und die Hunnbeltr'd der das conirale Spunien 
und Galicien, endach im Anfange des laufenden Jabrdunderte (1007 ) 
u von Roras Ciemente üder Andaluñen ven Reucn die Aurmerfjum- 


7) lem der die het a Melızı bereite, renat dert zuärhenhe Kuif- 
Nut wreterduer ı Nunierungee 1 SC 39, 200) Serafuliterne Miu erkıumne uch 
Dir Ruogmung date NEE dem viden guummeien Üolomrzmee Qupnterütrdge 
we, wir Pruouudumva weinen TR devvsata, Ucer deal peror ala, teira- 
Baer (örtunietet Ir Nez ar Ville and = Ioomon'r Mlliinneg 
ans nuhenuing Sue ferice Srensuns fr iuummsz ı Sof X, 3) umertün 
“a Iumgareı At Yu. cu Qunafterjünget Nanrituui, Ne Grvpbaue aemes, 
schunce will ( Sırumduntuie ZI}. fe Ans enihöteice Marnächz 


Die neueren Zuflände von Spanien. 103 


tät der Raturforfcher auf die Gefteinmaffen Spaniens Ienften. Nu: 
mertlih ſtellte ſchon Humboldt’ Auffindung von Teilobitenfpuren zu 
Benta del Pagador de Caſtro in Leon an der Grenze Galiciend 
(Hertha IV, 16) den fpäteren Palaontologen eine Wahrfcheinlichkeit 
des Auffindens palaozoiſcher Gebilde im nordiweftlichen Spanien in 
Ausſicht Im J. 1807 erſchien endlich noch in der Zeitfchrift der Mer- 
tutvon Sevilla ein außerhalb Spanien fchiverlich befannt gewordener 
geognoflifcher Beitrag zur Kenntniß des Landes, inden darin beträdht- 
ide Spuren von Vulcanen und befonders 7 Kraterberge, die fich an: 
geblich in Balencia zwifchen dem Gabriel, einem Zufluffe des Rio Jucar 
und dem Turia oder Guadalaviarfluſſe befinden, ziemlich ſorgfältig be: 
jehrieben jein follen (Antillon Geografia 265), doch wird dieſes Vor- 
fommen jpäter niemals mehr erwähnt, und da felbft Ezquerra del Bayos 
neuefe Schilverung der vulcanifchen Gebilde Spaniend (Memorias de 
la real Academia de Ciencias. Madrid 1850. I, 2, 75—98) 
nicht davon fpricht, jo wird deſſen Eriftenz allerdings etwas zweifelhaft. 
Aber erft mit dem zweiten Viertel diefes Jahrhunderts, ald die Spa- 
nier nach dem Berluft ihrer americanifchen Beſitzungen zu der Bear: 
beitung ihrer eigenen unermeßlichen Mineralſchätze zurüdgeführt wur: 
den, begann man den geognoftifchen Verhältnifien des Landes größere 
Aufmerkſamkeit zuzumenden, und zwar waren ed vorzugsweife fremde 
Zoricher, Deutjche, wie Hausmann, W. Schulz, M. Braun und Will 
fomm, oder Engländer, z. B. Lyell, Eoof, Silvertop, Daubeny, Lam⸗ 
bert und Widdrington, am meiften aber Franzoſen, wie Dufrenoy, Le 
Blay, Buvignier, Itier, Paillette und Bezard, Verneuil, Debilly, Per: 
nolet und Sauvage, durch welche ausgedehnte Striche allmählig gründ- 
licher unterfucht wurden. Doch fehlte es auch nicht an inheimifchen, 
welche in dieſer Richtung thätig waren, indem Ezquerra del Bayo, 
Amar, Maeftre, Pellico, Naronjo y Garza, de Prado, Grande, Nobri- 
gues, de Limera, Montells-Nadal, Lujan und manche Andere zahlreiche 
und ſchaͤtzbare Beiträge zur geognoftifchen Kenntniß des Landes liefer- 
tm. So vermochte ed Eyquerra del Bayo endlich aus dem vorhunde: 
nm Material eine geognoftijche Weberfichtsfarte von ganz Spanien zu: 
janmenzuftellen, welche im Jahre 1851 deutſch zu Stuttgart, begleitet 
von einem Gommentar ©. Leonhard’s erfchien, jedoch, abgefehen von 
ihrem zu Heinem Maaßſtabe, höchft ungenügend ausfiel. Dagegen ev: 


104 Gumprecht: 


ſchien ſchon das Jahr darauf (1852) wiederum in Deutſchland eine 
neue duch Willlomm *) bearbeitete geognoſtiſche Karte des Landes in 
viel größerem Maaßftabe, die alle billigen Anjprüche erfüllt und der 
erften bei weitem vorzuziehen ift. Die vollftändigfte, geognoftifche Karte 
aber haben wir erſt durch den ausgezeichneten franzöfifchen PBaläonto- 
logen Verneuil zu erwarten, der feit faft 10 Jahren unabläflig daran 
arbeitet. Aus der Willkomm'ſchen Arbeit ergiebt fih nun, daß es in 
Spanien nur noch einige und verhältnigmäßig nicht große Landftriche 
niebt, die als geognoftifch völlig unbekannte anzufehen find, indem Will⸗ 
fom felbft dazu erftend im Norden einen langen, fehmalen, dem Ebro- 
lauf parallelen Streifen in Alt-Gaftilien, füdlich von den Orten Na⸗ 
jera und Logrono, dann im Often einen ähnlichen und noch längeren, der 
bei Bellpuig in Eatalonien beginnt, bei Mequinenza den unteren Ebro 
überfchreitet und zwifchen Montalvan und Forcall in Aragonien endigt, 
fowie das als Serrania ( Gebirgsland) di Cuenca befannte Terrain 
Suͤd⸗Aragoniens, im Weften 2 Gebiete zu beiden Seiten des Duero 
(zum Theil Schon Portugal angehörig), ein fürlichered nach Ciudad 
Rodrigo und ein nörblicheres nach Braganza hin, envlih im Süpden 
den größten Theil der Serranias de Jaen und Cazorla nebft einem Theil 
der Sierra di Ronda rechnet, wozu noch endlich einige Heine Localitäten 
Valencia's und Andaluſiens treten, welche der Erforſchung bedürfen. Doch 
bitten die beiden unbekannten Gebiete am Duero mit Hilfe von For⸗ 
veſter's vor einigen Jahren erfchienenen und auch geognoftiih illumi⸗ 
nirten fihönen Karte des Weinbergsbezirks am oberen portugieſiſchen 
Lauf Des Duero, wenn diefelbe in Deutichland mehr befannt und ver⸗ 
breitet geweſen wären **), umb mit Benutzung von v. Eſchwege's Un- 
terſuchungen im nördlichen Portugal ausgefüllt werben fonnen Eine 
ſchriftliche Geſammidarſtellung der geognoftiichen Verbaͤlmiſſe Spaniens 
nad eigenen und älteren Beobachtungen vertanften wir zuerſt Haus- 
mann's Adbandlung: De Hispaniae constlunone geosnosüca in 
tin Commentationes Reg. Societaus Gott 152. VII, 72— 90 
(im Auszuge in den Göttingſchen Gel Anzeigen 18291 Ju neuerer 


*) Jar Ver ſere Werl: Das Strauntgediet 

"2, ©. mrusen Amſa über Die Inden derreaer e Serum ur mare r— 
unge Terhitz: te Ar merringen Fcctazaa ie den Mommiberiäere ter Verheer enge. 
Ve 1A NP OU, HI 


— — Er Eu un A .. 


Die neueren Zuftände von Spanien. 105 


it mahte Capit. Widdrington in feinem Werf: Sketches in Spain, 
during (he years 1829 — 39 einen ähnlichen Verfuch, den er zum 
Mil in feinem fpäteren Werk (©. 86) I, 365— 384 ergänzte. 
Ur die vollſtändigſte, Doch noch nicht vollendete Arbeit der Art erhiel⸗ 
tm wir erſt neuerlichſt durch Ezquerra del Bayo (Memorias de la 
RelAcademia de C. I, 1, 35 — 60; 2, 73— 107). — Bei einem 
SE auf das Worfommen und die Bertheilung der Gefteinmaffen in 
Epanin ergiebt fich nun, daß innerhalb des Landes alle Kormations- 
gruppen, mit Ausnahme etwa der permifchen, und faft alle Formatio⸗ 
nem vertreten find. So ift der geognoftifche Reichthum Spaniens im 
Allgemeinen ein bedeutender, obgleich die ifolirte Betrachtung großer 
Landfiriche Leicht zur Vermuthung des Gegentheild führen dürfte, weil 
die Formationsgruppen local hoͤchſt ungleich entwidelt find, und Die Obers 
Hlüche der unermeßlichen Paramos des centralen Spaniens namentlich 
faſt ausfichließlich aus ganz gleichförmigen Gebilden von einer ober zwei 
Hormationsgruppen befteht, jo daß außer der formellen Gleichförmigfeit 
auch der Mangel geognoftifcher Mannigfaltigkeiten wefentlich zu dem 
oden Character beiträgt, welcher großen Streden des Landes eigen ift. 
Bon den beiden Hauptelaffen von Gefteinen nehmen die ungefchichte- 
ten, verfleinerungslofen ein fo anfehnliches Gebiet ein, daß fich ſchon 
Daraus unmittelbar folgern laffen fönnte*), daß Spanien ein mit Erz⸗ 
ablagerungen reich gejegnetes Land ift, was in der That durch die 
Nachrichten über den Bergbau des Landes vom graueften Altertfum 
an bis zu den immer großartiger fich mehrenden Erfahrungen der juͤng⸗ 
ſten Zeit allfeitig beftätigt wird. Unter den ungefchichteten Gefteinen 
fommen froftallinifch »Törnige und Fryftallinifch=fchiefrige, wie vulcani- 
Ihe, ganz gleichmäßig vor. Die Eryftallinifchen haben, wie faft über: 
al auf der Erde, großen Einfluß auf die Geftalt der Oberfläche aus⸗ 
geübt, indem aus ihnen die höchften Berge des Gebirges, namentlich 
vie beiden Gebirgsmauern beftehen, welche Spanien fowohl von Frank⸗ 
teih, wie von Portugal trennen. Ebenfo wirkten diefelben auf den 
Lauf einiger der größeren Ströme beſtimmend ein, da die aus Fryftalli- 
niichen @efteinen beſtehende Bergfette an den Grenzen Nord⸗Portu⸗ 
gals und Spaniens den Lauf des Duero bis Carbajoſo plöglich ab: 


=) Gymerra del Bayo in den Memorias I, 1, 38 — 39. 








106 Bumpredt: 


Ienft und ihn 15 Leguas lang zu einem ganz abweichenden fühweftli- 
chen bis Caſtro alto zwingt, worauf derfelbe wieder in feine alte weft: 
liche Richtung zurüdtritt. Ebenſo nöthigt eine füblichere, in Portugal 
bedeutend entwidelte granitifche Gebirgöfette die Guadiana an der 
Gränze dieſes Landes ihren weftlichen Lauf plößlich in eine völlig 
füdliche, welche fie bid zu ihrer Mündung in den Ocean beibehält, um: 
zufegen. Unter den fryftallinifch »Förnigen Gefteinen iſt wieder der Gras 
nit das beveutendfte, Indem dieſer außer feinem durch die älteren 
franzöfifchen Geognoften und durch Charpentier befannten Auftreten in 
den Pyrenaͤen (im Pic de Maladeta, im Aran- und Giftanthal bei Vich 
und am Gap Ereus in Gatalonien. Maestre A. de Minas Ill, 195) 
in Spanien noch andere große Gebiete bildet, doch ift deſſen Verthei- 
fung merkwürdig verfchieden, indem derjelbe, mit Ausnahme feines wei- 
teren Borfommens in Ausläufern der Pyrenden innnerhalb Cataloniens 
Dlot, Figueras und von Ereus längs der Küfte bis Mataro und dem 
Monfenyberge bei Barcelona (Ezquerra del Bayo Memorias I, 1, 
AD. Maeſtre a. a. O. III, 236) im Often Spaniens völlig zu feh- 
len und mit feinen Vorkommniſſen alfo auf defien weftlichen Theil aus⸗ 
fchlieglich befchränft zu fein feheint. So tritt der Granit ſchon in Der 
Mancha und der Provinz Toledo, mit Ausnahme der an der weitlichen 
Grenze Eftremabura’s liegenden Sierra de Guadaloupe und längs dem 
Tajo bis Toledo, fehr fpärlich auf (Le Play Ann. des Mines 1834. VI, 
327)*), während noch in Eſtremadura zahlreiche und große Granitinfeln 
aus der weftlichen Fortſetzung des großen Gebietes paläozoiſcher Gebilde 
emportauchen, und der Granit in dem größten Gebirge Suͤd⸗Spa⸗ 
niend, der Sierra Nevada, fogar ganz fehlt. So bemerkte ſchon 
Hausmann nach eigenen Beobachtungen und den Mittheilungen von 
W. Schulz (Comment. 83), daß in der S. Nevada nie Granit vor: 
fommt, ja er fprach es beftimmt aus, daß dies befanntlich fo zerriffene 
und jchroff auffteigende Gebirge das einzige Hauptgebirge Spaniens 
fei, welches feinen Granit enthalte. Boiſſier's (98), Le Blay’s 
(Annales des Mines 1834. V, 226) und Wilfomm’s (Zwei Jahre 


*) Le Play behauptet dies eigentlich nur von der Sierra Morena, wogegen 
£ujan (Memorias I, 2, 66 — 67) gerade die Behauptung aufftellt, daß der Kern ber 
Sierra aus Granit beflehe und daß biefe ihm von Santa Blena bis zur Grenze Per: 
tugals ihre Erhebung vervanfe. 


Die neueren Zuftlände von Spanien. 107 


1, 112; Strandgebiet, A2, 253) fpätere Beobachtungen flimmen da⸗ 
sit ganz überein, inbem alle diefe Forſcher den Kamm und vie höch- 
ken Gipfel der Nevada nur aus Fryftallinifchem Schiefer, namentlich 
aus Glimmerjchiefer, gebildet fanden, dagegen feine Spur von Granit 
antrafen; ja nach Willfomm giebt es auf einen Umfreis von 12 D. 
Reiten in diefem “Theil Andalufiend nicht einmal das mindefte Bors 
foamen eines folchen Geſteins. Dagegen beftehen große Streden 
der weſtlichen Landſchaften ver Halbinjel und alfo auch Spaniens aus 
Granit, welcher namentlich im weftlichen und füblichen Galicien bei 
Lugo, Coruña, Pontevedra und Viana nah W. Schulz und Padin 
(I, 66) ausgedehnte Striche bildet und von da noch in die Provinzen 
Rord» Portugals und bi Leon ununterbrochen fortfegt. Don diefem 
großen granitifchen Gebiet, dem größten fogar Spaniens, zieht fich 
dann ein langer Aft, welcher die Sierra de Gredos an der Sübgrenze 
Leons und einem großen Theil des caftilifchen Scheidegebirges an def- 
fen Südfeite bis Segovia und Eolmenar hinein bilvet (Ezquerra del 
Bayo Memorias I, 51), fehr tief bis in das Innere der Halbinfel 
hinein. Süplich vom Tajo in dem zwifchen diefem Strom und der 
Buadiana gelegenen Streden Eftremabura’s, treten ferner die großen 
und ifolirten, zum Theil ſchon durch Bowles (152) genannten Granit- 
maflen von Albuquerque, Cäcered, Meriva, Malpartiva, Montanches, 
Trurillo (Lujan Memorias I, 2; 2—19) und Logrofan (Le Play 
Vi, 323, 329, 331 u.f.w.) auf, indem die legte Ablagerung fich 
an die erwähnte granitifche, zur Provinz Toledo gehörende Sierra de 
Guadalupe anfchließt (Bowles 57; Le Play V, 194; VI, 314); fer 
ner im füdlicheren Eftremadura die Granitmafle von Zalamea ( Bowles 
57), in Andalufien eine ähnliche zwifchen Almaden und Capilla, und 
beſonders das gewaltige, wüfte und waflerlofe, unter dem Namen los 
Berroches befannte Grenzplateau von Benalcazar, Hinojofa und Puerto 
Blanco (Le Play V, 202; Willfomm Zwei Jahre III, 162, 163; 
&ujan I, 1, 16), fowie in der Nähe des Guadalquivir die Granitin- 
fel von EI Pedroſo nebft einigen Heineren, der andalufifchen Pro: 
vinz Huelva (Sierra de Aracena; Ezquerra a. a. O. I, 1, 51) ange 
börenden Granitpartien, Borfommniffe, die wahrfcheinlich fümmtlich 
untereinander in der Tiefe in Berbindung ftehen und wohl auch mit 
der großen, durch die Guadiana zwifchen Babajvz und Dlivenza durch⸗ 











108 Gumprecht: 


floſſenen Granitablagerung der Serras de Viana und d'Oſſa in der 
portugieſiſchen Provinz Alemtejo unterirdiſch zuſammenhaͤngen. Die Ras 
tur des ſpaniſchen Granits weicht uͤbrigens von der der uͤbrigen euro⸗ 
päiſchen Geſteine gleicher Natur in nichts Weſentlichem ab. Nur bei 
Truxillo in Eſtremadura giebt ed ein eigenthümliches Vorkommen phos⸗ 
phorescirenden Granits (Ezquerra del Bajo in den Memorias I, 1; 46 
und Lujan ebendort I, 25 67). — Weit geringer find die Vorkommniſſe 
der anderen Fryftallinifch-förnigen Gefteine, die noch am häufigften und 
mannigfaltigften in Galicien entwidelt zu fein fcheinn. So kennt 
man Diorite, obwohl fparfam, in Galicien, und zwar am characteris 
ftiichften zu Leboreiro, ſuͤdlich Rivadeo, bei @untis und zwifchen Qui⸗— 
roga und el Brollon (Padin I, 66), fowie ſüdlich von Santjago (Ez⸗ 
querra del Bayo I, 1, 98), dann in Eftremabura und in der Mandha 
in Heinen Mafien und Partien zu Almaven, Cazalla, Netamal, Bas 
dajoz, Meriva und Guarena (Le Play VI, 332— 335) zwifchen Ara- 
cena und den Fluſſe Odiel, am Rio Tinto, Campo Frio (Lujan Me- 
morias I, 2, 21), befonderd ausgebildet aber und mächtig zwifchen 
Badajoz und Sevilla mit einen Hauptfern in dem Berge der Transierra 
(Lujan Memorias I, 2, 68), endlich in Andaluſien am Fuße der 
Sierra Bermeja, in der Provinz Malaga zu Marbella, Cartama, Al⸗ 
haurin de la Torre u.f.w. (Ezquerra ebendort I, 2, 95), nad Haus- 
mann in der Serrania de Jaen, und zugleich ald ausgezeichneten Diorit- 
porphyr Feine vereinzelte Hügel der Provinz Guadalarara in den foges 
nannten Alpedroches und in der Minofa bilvend (R. Pellico Bulletin de 
la soc. géol. de France 2” Ser. Ill, 648). Zu den Dioriten ge= 
hören auch wahrfcheinlih die Porphyre aus der Nähe der Erzablage- 
rungen von Garthagena in Murcia (Pernolet An. des Mines A 
Ser. IV, 47 — 48) nebft denen von Euevas und Bera in Andalufien 
(R. Pellico und A. Maestre Anales de Minas II, 117, 131). Sye⸗ 
nite giebt e8 gleichfalls fparfam, doch wieder in Galicien bei Mellid, 
zwifchen Orenfe und el Carballino und in der Nähe des Cap Orte: 
gal (Padin I, 66), in Eftremadura mit den Dioriten zufammen nach 
Zujan (I, 21), endlich in der Provinz Sevilla, nahe ihrer Grenze mit Der Pro⸗ 
vinz Huelva bei Zafra, Santa Olalla und Real de la Jara (Eyquerra 
del B. a. a. O. 1, 47). Andere Hornblendereiche Gefteine bilden da⸗ 
gegen in Galicien öftlid von St. Jago und 8 Leguas weit bis zu den 


Die neueren Zuftände von Spanien. 109 


Bergen von Deza, bei Bigo und Amenal, unfern Meliv, am Cap 
Ertegal, bei Traba, Yerreira und Eoufo ausgezeichnete Gruppen (Pa⸗ 
vn 1,66. Ezquerra del B. I, 2, 97). Nächfivem finden ſich Euphos 
ie (Gabbro) in Galicien, fehr fehön 3.3. öftlih von Mellid (Pas 
bin 1, 66) und in Eftremabura bei Almaden, Guareüa, Meriva, Ca⸗ 
„da, Badajoz (Rujan I, 2, 20, 67), und zwar bier angeblich übers 
A in Verbindung mit Dioriten (Le Blay VI, 332— 335). Hyper 
Rbenite beobachtete Le Play (V, 205) gleichfalls häufig in Eftremadura 
bei Albugquerque, Guareña, Almaden und Cazalla, und außerdem follen 
dergleichen bei Salinas de Pozo in der Provinz Burgos angetroffen 
worden fein (Garcia bei Hausmann Gött. Gel. Anz. 1829, 1975). 
Bereinigt kommen, wie man behauptet, alle diefe grümen koͤrnigen Ge- 
bilde in ter Sierra Nevada in den den Glimmerfchiefer durchſetzenden 
Gängen vor (Willkomm Strandgebiet 253). Biel verbreiteter hat man 
Serpentine, namentlich im Ueberfluſſe in Galicien zu Caſtro Bite, öft- 
lich Meliv, in den Bergen von Barreiro, unfern Cangas (E;- 
querra del B. 1, 2, 98) und an mehreren anderen Buncten, befon- 
ders ausgedehnt aber und fchun zu Lavazzo, 6 Stunden öftlid) Sant: 
jago (Padin 66); ferner ebenfalls fehr ſchoͤn in Andaluſien längs der 
Küfte von Almeria bis Zarifa, zumal bei Velez Malaga (Le Play 
V, 220; Ezquerra I, 298); am Fuße der Sierra del Gabor bei Berja, 
und unfern Granada im Baranco de San Juan der Sierra Nevada 
(Ezquerra I, 297), wo fle fchon Bowles (446) kannte. Topffteine fin 
den fich endlich bei Caſtro Vite, Villamor u.f.w. in Galicien (Padin 66). 
Feldſpathe, Borphyre fehlen auch nicht, doch hat man fie nur fel- 
ten in audgedehnteren Mafien. Am meiften ift dies in Eftremabura 
der Fall, wo fie von Aracena und Rio Tinto bis zur Grenze von 
Bortugal fo verbreitet und mächtig auftreten, daß man dieſen Strich 
den Borphyrpiftrict nennen könnte. Vorzüglich fieht man dieſel⸗ 
ben hier an den Ufern des Rio Tinto, zu Oligade, Odiel, Escalada, 
Zalameı und am Rio del Chanza (Lujan Memorias I, 2, 21). Im 
Süden bildet ferner ein rothes porphyrartiges Geftein das große rothe 
Gebirge Andalufiend oder die Sierra Bermeja ( Willlomm Zwei Jahre 
II, 328), fo wie auch rothe Porphyre bei Velez Malaga vorkommen fol- 
in Im Oſten fanden dergleichen Cap. Cook an den Grenzen Anda- 
iens und Murcia's, Pellico und Maeftre in ven Ebenen an ber 


110 Gumprecht: 


Mündung des Almanzorafluͤßchens bei Vera und Bedar (Anales II, 
131). Im Norden kennt man dergleichen in Afturien am Bad Or⸗ 
derias bei Fayedo (Paillette Annales des Mines. 2° Ser. Il, 441) 
dann im Gebiet der Steinfohlenformation zu Caſtiello (Leonhard 9), am 
ausgebehnteften aber, wie es fcheint, in Catalonien (Maestre Anales 
de Minas III, 205), indem fie felbft bis in das Herz diefer Lands 
haft oder mitten in die Provinzen Barcelona und Tarragona fich er⸗ 
firefen, da Maeftre mehrere Vorkommniſſe folcher Porphyre dafelbft 
fennen lernte. So traf derfelbe in der Sierra de Prades bei Tarras 
gona in Granit übergehende Feldſpathporphyre (III, 219, 239) und 
in der Steinfohlenablagerung von San Juan de la Abadeſas in der 
Provinz Gerona ähnliche Porphyre, die er ausdrüdlich ald rofenroth und 
quarzführend bezeichnet. Schwarze Porphyre kommen endlich gleichfalls 
an verfchiedenen Stellen vor. Le Play fah dergleichen zu Zalamea in 
Eftremabura (VI, 232), Ezquerra an einigen Buncten von Navarra, 
3.2. am Hügel von Belate bei Almandoz und auf dem Wege von 
Pampluna nach Frankreich (Memorias I, 2, 298) und außerdem follen 
Schwarze Porphyre zu Alberracin in der aragonifchen Provinz Teruel 
angeblich oolithifche Gebilde durchfegen (ebenvort I, 2, 96). Doch ift 
die Natur aller diefer Porphyre noch ungemein wenig genau uns 
terfucht und deshalb oft zweifelhaft. So nennt Ezquerra die in der 
Mancha bei Almaden auftretenden Porphyre einmal fehwarze (Bull. 
de la soc. g&ol. de Fr. 1838. X, 107) und fpiter wieder quarz= 
führende (Memorias I, 2, 83), Bezeichnungen, die nach den beſtehen⸗ 
den Anfichten über die ganz verfchledene Natur der ſchwarzen und der ro- 
then quarzführenden Porphyre unvereinbar find. Ja felbft bei den ca⸗ 
talonifchen Porphyren dürften bei der gegenfeitigen Ausfchließung beis 
der Arten von Porphyren die angegebenen Beftimmungen zweifelhaft 
fein, indem bei der Duarzhaltigfeit der Porphyre von San Juan de 
lad Abadeſas es nicht gut denkbar ift, daß die damit in Verbindung 
ftehenden von Camprodon fchwarze (Ezquerra Memorias I, 2, 79) 
find. Die Trachyte befchränfen fih in Spanien auf wenige PBuncte 
des öftlichen Küftenrandes von Murcia und Andalufien und noch auf eine 
Localität in Biscaya. So erhebt fih ein einzelner trachytifcher Berg, 
der Gabezo de la Raja (d. h. gefpaltener Berg; Pernolet Annales 
des Mines. A=® Ser. XIX, 39), mitten in der aus tertiären Gebilden 


Die neueren Zuflände von Spanien. 111 


beſtehenden Ebene von Garthagena, eine andere Trachytablagerung eine 
Iagereife weftlich von Carthagena bei Almazarron in Verbindung mit 
Aaunftin (Sauvage Ann. de Mines. 2 Ser. IV, 97; Pernolet 
IX, A2), welcher legte im Mittelalter zu einer außerorventlichen Pro⸗ 
duttion von Alaun Veranlaffung gab und auch heute noch dazu be- 
wit wird, endlich am Cabo de Gata Andalufiens eine dritte Trachyt: 
ablagerung, und zwar die bedeutendfte von allen, in Gemeinfchaft von 
Trachytbreccien, Bafalten und Raven. Die einzige Localität, two man 
außerdem auf Der iberiſchen Halbinfel Trachyte gefunden, liegt in wei- 
ter Enttemung vom Mittelmeere ganz ifolirt bei Arpe, nörblich von 
Bilbao (Collate in d’Archiac Progres de Geologie. Paris 1843. 
IT, 349). Auch Diejenigen Terrains des fpanifchen Bodens, wo der vul⸗ 
canifche Proceß Deutlichere Spuren feiner Wirffamfeit zurüdgelaffen hat, 
find in neuerer Zeit aufmerffamer erforfcht worden. So das catalo: 
niſche in der Provinz Gerona, das intereffantefte von allen, welches 
zwiſchen der Yluvia und dem Ter bei den Orten Olot, Caſtell folit 
Argelaguer, Santa Ban, ©. Fellu, Amer, dann im Often und Süden 
von Berona bei Vergas, La Bifbal und Mafanet de la Silva einen 
Raum ron 12 Duadratleguas einnimmt (A. Maestre Anales de Mi- 
nas II, 227; Ezquerra I, 2, 77), aber wahrfcheintich fich noch wei- 
ter erſtreckt, da felbft die Citadelle von Hoftalrich auf vulcanifchen Ge- 
fteinmafien flehen fol. Es wurde dies merfwürdige Terrain zuerft 
von Bowles erwähnt (hay trozos de peüascos, que Conservan 
las senales de fuego S. 209). Doch blieb es lange Zeit völlig un- 
beachtet, bis endlich ein Bewohner Dlots, Namens Boloͤs, im Jahre 
1796 in einer eigenen trefflihen Schrift, und im Jahre 1808 der 
Americaner Maclure (Journal de Physique. 1808. LXI, 219), end⸗ 
lich Debiliy (Anales des Mines. 1828. 2=* Ser. IV, 181— 240) 
und &yell (Principles of Geology. London 1835. IV, 38— 47) 
tie Aufmerffamfeit wieder darauf lenkten *). Durch feine großen 
Ströme vulcanifcher Laven, welche fih auf beſtimmte Kratere zurüd- 


#) Der bekannte franzöflfhe Geognoſt Cordier war eigentlich der erſte ſremde 
Leturforſchet, per die vulcanifhen Erſcheinungen Cataloniens gründlich nnterfuchte, in- 
m er fchon im Jahre 1802 fi) von der Berbreitung der großen Schladenhaufen 
a ber Fluvia überzeugte (Ann. des Mines. 2”* Ser. IV, 205); doch machte er nichts 


vräber befannt. 


112 Qumpredt: 


führen laffen und auf weite Erftrefungen der Sohle enger Thäler, 
ganz wie die Lavenftröme am Aetna und in den Umgebungen von 
Elermont folgen (Lyell IV, A), oder auch in breiten Deden über. die 
nummulitifchen Gefteinmaffen fich ergoffen haben, fo wie durch feine 
mehr ald 14 faft vollftändige Kraterberge gleicht Died Gebiet völlig den 
berühmten vulcanifchen der Auvergne oder der Eifel. Der ausgezeich- 
netfte aber unter deffen Bergen ift der bis 300 Varas über feiner Bas 
fis hohe Montfacopa, welcher nah Debilly (a. a. O. IV, 189) durch 
feine Geftalt und feinen wohlerhaltenen Krater eine auffallende Aechn- 
lichfeit mit dem ſchoͤnen Kraterberge der Auvergne, dem Buy de Ba 
tiou, befist. Ihm folgen zunaͤchſt in Ausbildung und Erhaltung der 
Montalivet, Buyg de la Garrinada, Batet, Erufeat, der St. Margas 
rita de la Cot (legter mit einem 455 engl. F. tiefen Krater; Lyell IV, 
38—47; Maeftre II, 229), und endlich in der Nühe Geronas bei 
San Juan de Mora noch ein ungeheurer Krater, defien Ströme bis 
Gerona reichen (Ezquerra I, 2, 278) *). Die Oefteine find hier vor- 
herrfchend blaue, graue oder ſchwarze fefte Bafalte, welche zum Theil ganz 
fo ausgebreitet find, wie eine geſchmolzene und aus einem Hochofen 
geflofiene Maſſe erfcheinen würde, die Gelegenheit hätte, fich über eine 
geneigte Fläche auszudehnen. Außerdem finden fich fchladige und ſchwam— 
mige, meift rothe Laven in unermeßlicher Anhäufung, woraus auch der 
Berg von Montfacopa, der Berg von Dlivet und der Garrinada aufs 
gebaut find, endlich rothe, graue und fehwarze regelmäßige Ablagerun- 
gen vulcanifcher Afchen. Befonders der Ausbruch von Caſtell folit war 
bafaltifch; durch ihn entftand unter anderen der bis 30 Varas hohe und 
aus 5 über einander liegenden dicken Bänfen beftehenve Fels, auf dem 
diefe Stadt ſteht. Die Bänke find jammtlich durch Thonlagen von 
einander geirennt, und ihre Maſſe erfcheint durchaus in wundervoller 
Regelmäßigkeit jenkrecht auf die Trennungslagen prismatifch zerflüftet 
(Ezquerra I, 2, 785 Taf. 6). Dies ganze vulcanifche Terrain Ca⸗ 
taloniens dürfte übrigens ein Product antediluvialer Thätigfeit fein, 
doch follen nach noch vorhandenen Dorumenten des Archivs von Dlot 
im Jahre 1421 in der benachbarten, EL bofque de Tofea genannten 


*) Ezaquerra del Bayo gab nenerlichft ein Kärtchen (Memorias I, Taf, 7) diefes 
vulcaniſchen, vor einigen Jahren and von Maeftre ausführlicher befcgriebenen vulcas 
niſchen Terrains von Gatalonien (Boletin official de Minas 1844.) 


Die neueren Zuflände von Spanien. 113 


alität vulcanifcher Gebilde fi 3 feuerfpeiende Deffnungen gebildet, 
er nur eine Nacht hindurch gebrannt haben (Maeftre III, 231). 
Amlihes fand Damals angeblid auch bei Amer ftatt, doch bezweifeln 
velos und Lyell die Richtigkeit diefer Angaben, obgleich der befannte 
ijauiſche Hiftorifer Mariana die Ausbrüche beftätigen fol. Gewiſſer iſt 
8, ta$ die ganze Gegend bis Perpignan und Barcelona in dem Jahre, 
ka ſegat fchon von 1410 an, ftarf an Erdbeben litt, und daß daſſelbe 
im Jahre 1428 fogar noch mehr der Fall war, indem Amer dadurch 
ganz zerſtört wurde und Barcelona’ Bevölkerung fich genöthigt fah, 
ihre Häufer zu verlaſſen und außerhalb der Stadt zu campiren (Maes 
fire I, 232). Weniger in entfchiedenem Character erfcheint ein zwei⸗ 
tes vulcaniſches, auch jchon durch Bowles (209— 210) als folches 
erwähntes, aber erft im Beginn diefes Jahrhunderts (1802) durch 
Eordier unterfuchtes vulcanifches Terrain, das fih rund um das Cabo 
de Sata von der Teflafpige bis eine Legua fuͤdlich von Carboneras, 
verbreitet und auf feiner Oberfläche naͤchſt den fchon erwähnten 
Trachytmaſſen und olivinreichen Bafalten aus Schladen und ganz 
ober Halbverglaften Gefteinen, Obfivianen, Perl- und Pechfteinen und 
denmächſt auch aus Bimsftein befteht. Am Ausgezeichnetften ift ver 
vulcanifche Character an der Oftfüfle des Caps am fogenannten ges 
uuefiichen Thurm (Morron de los Genoveses), wo auf den lehtges 
nannten Gefteinen ein aus der trichterförmigen Vertiefung eines voll» 
fommenen Kegelberges einft ausgeflofiener bafaltifcher Strom ruht (A. 
Maestre und R. Pellico A. de Minas II, 133— 141; Ezquerra I, 
2, 81 — 89). Am Cerro ve Garbanzal derfelben Gegend giebt e8 felbft 
Dolerite. Da auch noch weiter im Norden nach Barthagena zu zwi: 
fchen Bera und Bedar eine Reihe vulcanifcher niedriger Berge, zu des 
ven beſonders der vulcanifche Kegelberg gehört, auf welchem eine Cas 
pelle der Virgen de la Cabeza fteht (Maeftre II, 131 — 132; Ezquerra 
I, 2, 86), und ebenfo im Süden mitten im Gebiete der Tertiärkalfe 
von Almeria bei Rijar ein fehr ausgebildeter trachytiſcher Krater aufs 
tritt (Maeſtre II, 118), endlich die Columbretes und die Fleinen 
Infeln am Eäbo de Palos vulcanifche find (Sauvage IV, 95), fo 
läßt fi) wenigftens vom Cap Palos nörblih Barthagena bis Alme⸗ 
tia, länge dem Rande des mittellänvifchen Meeres, eine vulcanifche 


Zone von 25 Leguas Länge annehmen (Ezquerra I, 2, 85), weil die 
Zeitfege f allg. Erdkunde. Br. 1. 8 





114 BOumpredt: 


Maſſen aller genannten PBuncte, gleich der catalonischen, ohne Zweifel 
unterirdifch zufammenhängen. Daß in der Tiefe dieſes vulcanifchen 
Gebietes die feurige Thatigfeit noch nicht ganz erlofchen ift, haben die 
im Lauf des Jahrhunderts in Murcia wiederholt eingetretenen Erd⸗ 
beben deutlich erwiefen. Died gefchah befonderd durch Das Ereigniß, 
welches am 21. und 27. März und 18. Aprit 1829, dann im Jahre 
1840 Murcia beunruhigte. Beſonders das erfte war in der Gegend 
von Orihuela von furchtbarer Stärke; bei ihm that fid die Erde auf; 
150 Oeffnungen entftanden allein bei San Zelipe de Nera, außer an- 
deren bei NRojales, aus denen Gaſe emportraten, Sand und Wafler 
emporgejchleudert wurden. Selbſt noch vor wenigen Jahren wurte 
diefelbe Gegend durch Erdbeben beunruhigt. Mit einem ſolchen unter> 
irdiſchen Proceß dürften auch die noch in der Hiftoriichen Zeit flatige- 
fundenen (Ezquerra I, 2, 104) Senfungen der Küfte am Gabo de 
Palos zufammenhängen, ja vielleicht felbft vie noch feit Menſchenge⸗ 
denfen bei Malaga beobachteten (Silvertop in Jameson Edinburgh 
Phil. Journ. XV, 376) *). Weniger befannt bis vor Kurzem, obgleich 
ebenfalls fchon durch Bowles erwähnt (209), ift ein drittes großes 
vulcanifched Terrain Spaniens in demjenigen Theil ter Mancha, der 
jegt die Provinz Ciudad Real bildet, und deſſen Größe noch bedeuten- 
der, als die des catalonifchen ift, indem e8 9 Leguas RO. — ERW. Länge 
und 7 Leguas SO. — NW. Breite hat (Naranjo y Garza in der Re- 
vista minera). Die Hauptpuncte deſſelben erfcheinen bei Fernanca⸗ 
ballero, Torralba, Piſon, Ciudad Neal, Piedra Buena, Pozuelos, Ca⸗ 
tacuel, Cabeza Arados, Calzada, Alt-Calatrava und Puerto Hano an 
der oberen Guadianı. Bafalt von fehr verfchienener Beichaffenheit bil- 
det darin das herrichende Geftein, welches man 7 Etunten weit ver- 
folgen fann; nädit ihm fommen Laven in Strömen, Bimefteine und 
andere Gefteine vulcanifcher Natur vor. Bei Puerto llano ift der Ba⸗ 
galt fehr zirkonreih (Ezquerra in Leonhard und Bronn N. Jahrbuch 
für M. ©. 1835, 203; Bull. de la soc. geol. de Fr. X, 107). 
Außervem find für Died von tertiaren Gefteinen umgebene vulcanijche 


— — — — — 


*) Eine geogneſtiſche Skizze dieſer vulcaniſchen Gegenden erhielten wir noch 
March Cool (Skeiches in Spain. Paris 1834. II, 321); die Golunbretes beichrich 
Eupth (J. of ibe grogr. soc. of Lond. 1, 59). 





Die neueren Zuflände von Spanien. 115 


Terrain Kratere und Lavenſtroͤme characteriftifch *). Weniger ficher ift 
die Eriftenz eines vierten vulcanifchen Gebietes bei den berühmten Erz⸗ 
lagerſtaͤten von Rio Tinto in Efttemabura, obwohl Ezquerra hier einen 
großen, aus einer eifenfchüffigen, fchladigen Lava beftehenden Strom 
und Andeutungen eines großen Kraterd gefehen haben will, und auch 
ein altes ſpaniſches Werk von einem früheren Vulcan fpricht, ein Bes 
wis nach Ezquerra, daß die vulcanifchen Phänomene diefer Gegend 
ftüh die Aufmerkjamfeit auf fi) gezogen haben (Anales de Minas 
L 352— 353; Bull. de la soc. g6ol. de Fr. X, 107). Bafaltvor- 
lonnmiſſe ohne Begleitung von Schladen und Krateren, meift in Gang- 
form auftretend, fehlen in Spanien gleichfalls nicht. So ſetzt ein Gang 
von Hornblende, Augit und Zeolith führendem Bafalt in Galicien un- 
weit Santiago auf (Schul; Descripcion 41). Eben ſolche Gaͤnge foll 
es in der Sierra Nerada geben, und endlih will man aud in der 
Sierra de Euenra Bafaltvorfommniffe beobachtet haben. — Im Vergleich 
mit den kryſtalliniſch förnigen und ungefchichteten Steinmaffen nahmen 
die kryſtalliniſch fchiefrigen in Spanien einen nur verhältnißmäßig ge- 
ringen Raum ein, und zugleich ift ihr Vorkommen auf wenige Pro- 
vinzen befchranft. Ziemlich ausgedehnt erfcheinen Diefelben jedoch im 
nordweftlichen Spanien, namentlih in Galicien, meift ald Gneis⸗ und 
Blimmerfchiefer, aber auch ald Talf- und Chloritfchiefer, ja felbft als 
Itacolumit; Gneis 3. B. bei Pontevedra, Melliv, Betanzos, Noya, 
Carril, Bamio, Tribes u. f. w., Glimmer und Talkſchiefer häufig bei 
Betaryos, Ferrol, Santiago, Coruña, an der Bai von Foz, Chloritſchie⸗ 
fer in den Umgebungen von Gaftriz, Arzua, Montes, Chantada und 
Aua de Baldeorras, Itacolumit an der Bali von 503, an der Loufada, 
Goya, der Legua Longa, am fehönften aber an der Fozbai (Schulz 
11—14, Padin 66). Das Auffinden des legtgenannten Geſteins ift 
fche bemerkenswerth, da es die Möglichkeit erweift, bier, wie in Por⸗ 
tugal, zur Entdeckung des Eifenglimmerfchiefers und damit wahrfchein- 
lich zu der der primitiven Lagerftütten des in den Thälern der Pros 
vinz noch ziemlich häufigen Diluvialgolded zu gelangen. Bon befons 
derem geognoftifchen Interefie find endlich die viel in Galicien und im 


2) Czquerra lieferte auch von dieſen Vorkommniſſen ein Weberfichtefärtchen 
ax) befchrich fie (Memorias I, 2, 81—84. Taf. 7). 
g® 








116 Oumpredt: 


mer in der Nähe der Granitmaffen (Schul 25) vorkommenden chia= 
ftolithenreichen kryſtalliniſchen Schiefer. Doch giebt e8 auch in der Hadh- 
barfchaft des Granits wahre Thonfchiefer mit Chiaftolithen. Al. von 
Humboldt war der. Erfte (Voyage X, 271), der die lebten in gro- 
en und fchönen’ Eremplaren in Galicien auffand. Webereinftimmend 
mit den geognoftifchen Verhältniffen von Galicien find befonders Die Des 
weftlichen Afturiens, wo Paillette Chloritfchiefer und talfige Glimmer⸗ 
Schiefer zu beobachten Gelegenheit hatte (Bull. de la soc. géol. de 
Fr. 2” Ser. VI, 580) und Schulz ungewöhnli große Chiaftolithen 
wieder rund um eine Granitfuppe im Diftriet von Boal auffand (Ana- 
les des Minas I, 365; Buvignier Bull. de la soc. géol. de Fr. 
X, 110; Baillette ebendort 2=° Ser. II, 440). Ob aber alle Diele 
Gebilde ſich fünlich weit in Leon verbreiten, wie Willkomm's Karte an= 
giebt, ift mir unbefannt, da die vorliegenden Quellen nichts darüber 
berichten. Vorhanden find fie ftellenweife allerdings in den weftfiche- 
ren gebirgen Theilen der Landfchaft Leon, da ſchon Humboldt bei Lo⸗ 
nora, jowie zwifchen Billalpando und Benavente Gneis fand (Hertha 
IV, 15). In den den Pyrenien zunächſt liegenden nordſpaniſchen 
Provinzen fcheinen die Fryftallinifchen Schiefer befchränfter aufzutreten. 
Am meiften ift dies mit dem Gneis der Fall, wogegen der Glimmerfchies 
fer, ungeachtet feines im Allgemeinen nur geringen Erfcheineng, in Ca⸗ 
talonien zu jeder Seite der Granitberge wenigftend zwei parallele Züge 
bildet. Man fennt denfelben z. B. bei Bielfa, im oberen Theil des 
Giftauthals, am Cap Creus u. |. w. Stellenweife verliert er hier fei- 
nen Glimmergehalt ganz, und er wird dann zu einem fchiefrigen Quarz; 
in Talffchiefer finden fich gleichfall8 Uebergänge (Maestre Anales III, 
197). Am Montfeny und Montfen, 2 granitifchen Bergen unweit 
Barcelona, bededen endlich chiaftolithenführende Schiefer wieberum den 
Granit (ebendort III, 236). Auch im Süden Andalufiens und Mur: 
cia's fehlen Ernftallinifche Schiefer nicht, indem die Sierra de Nevada 
und de Filabres (Hausmann Gött. Gel. Anz. 1841, 1902; Willkomm 
Strandgebiete 253, 254; 2 Jahre II, 101, 102), die refp. ſüdlich und 
öftlich davon gelegenen Sierrad de Alhamilla und Gabrera ( Pellico 
und Maestre Anales de Minas II, 117, 120; Pernolet Ann. des 
Mines. 3" Ser. IX, 88), ver ſüdliche Fuß der Sierra de Eontra- 
viega bei Adra und Motril, endlich ver größte Theil ded Aguaderas⸗ 


| 


a wm 7 


7 


Die neueren Zuftände von Spanien. 117 


gebirges zwiſchen Aguilas und Lorca (Sauvage Annales des Mines. 
4= Ser. IV, 98) und Die durch ihren Erzreichthum in neuerer Zeit 
je berühmt gewordene Almagrerasfette bei Bera (Pellico und Mae- 
ke IL, 125; Pernolet IX, 71) aus Gneid und Glimmerſchiefer befte- 
im, ja nach Silvertop's (Jameson Edinb. Phil. Journ. XV, 375), 
Berreletd Ca. a. O. IX, 85), fo wie Pellico's und Maeftre’s übers 
eefimmenden Anſichten (Anales de Minas II, 124) fogar die Bafıs 
bed ganıen erzreichen Küftenviftrictd von Malaga bis Garthagena aus 
reihen Gebilden befteht. Auf großen Steeden, namentlich in ver 
lichen Hälfte der ©. Nevada und in deren Kortfegung bis zu der 
S. Alhamilla und Eabrera zeichnet fich der Glimmerfchiefer durch feinen 
erſtaunlichen Neichthum an Granaten aus, die meift von geringer Größe 
find (Bellico und Maeftre II, 120). Schon Bowles Fannte diefe Ei- 
genthümlichfeit ( 163), die in neuerer Zeit auch von Hausmann (Goͤtt. 
&el. Anz 1841, 1907), Ezquerra (Leonhard und Bronn N. Jahrbuch, 
1841, 353), Le Play (V, 228), Willkomm (Strandgebiete 65; 2 Jahre 
HE, 101), Bellico und Maeftre (II, 118, 119) nicht unbemerkt blieb. 
Wo das mit Granaten erfüllte Geftein fehr mürbe ift, fchälen fich viefelben 
leicht aus und häufen fih in dem Sande der Thalfohlen vergeftalt, 
daß eine Schlucht bei Nijar danach fogar den Namen las Granatillas 
erhielt, und Daß die Landleute fih der Granaten als Schroot bedic- 
nen. Im centralen Spanien bilden endlich Fryftallinifche Schichten mit 
dem Granit das caftilifche Scheivegebirge, an deſſen norböftlichem Ende 
bei Hindelaeneina und Congoftrina, WNW. von Siguenza, in neues 
rer Zeit im Gneis außerordentlich reiche Silbererzggänge aufgefunden 
wurben (Ezquerra del B. Anales de Minas III, 323 — 327; Pel- 
kco im Bulletin de la soc. g6ol. de Fr. 2” Ser. III, 648; Will⸗ 
komm Wanderungen II, 371). In Eftremadura und im nordweſtlichen 
Andalufien umfchließen abermals fchmale Zonen verfelben Schiefer die 
Graitinjefn und zeichnen ſich, wie die ähnlich gelagerten Fryftallinifchen 
Schiefer Baliciens, Afturiens und der Bretagne durch ihren reichen Chia- 
fefitfengehalt aus. (Le Play VI, 338, 341; Lujan I, 2, 24.) 
(Schluß folgt.) Onmpreöt. 


— einen — 


118 H. W. Dove: 


IV. 
Die neueften Fortfchritte der Hydrographie. 


(Hierzu eine Karte.) 


— — —— 


Das auf der Erde Bewegte iſt vorzugsweiſe in zwei Aggrega⸗ 
tionsformen vorhanden, der tropfbaren und der luftförmigen, denn wir 
leben an der Grenze zweier Meere, über dem tropfbaren und auf dem 
Boden des Luftmeereds. Die Geheimniſſe der Tiefe find uns noch eben 
fo verfchloffen, al8 das, was in den höheren Regionen der Atmofphäre 
vorgeht. An der Grenze zweier Gebiete machen fih in allen Erfchei- 
nungen die Eigenthümlichfeiten beider geltend, und es ift daher Har, 
daß eine Hydrographie ohne Atmofphärologie undenkbar ift, und daß 
ebenfo in Fimatologifchen und meteorologifchen Verhältniffen hydrogra⸗ 
phifche Bedingungen eine beveutehde Rolle fpielen. 

Man follte daher glauben, daß Disciplinen, welche fo mannig⸗ 
faltige Berührungspunfte darbieten, ſich möglichft gleichförmig entwideln 
werden. Dies ift aber nicht der Hal. Man kann im Gegentheil fas 
gen, daß zwifchen beiden eine Art von Alterniren flattgefunden hat, 
daß in der einen vorzugsweife das Gegenftand der Unterſuchung ge⸗ 
worden, welches in der anderen weniger beachtet wurde. So ift in 
der Atmofphäre die Verbreitung der Wärme in horizontaler Richtung 
viel genauer erforfcht, ald ihre Abnahme nach der Höhe, im Meere 
hingegen die Temperaturabnahme nach der Tiefe beftimmter ermittelt, 
als ihre Veränderung in horizontaler Richtung. Die Einwirfungen der 
Ebbe und Fluth haben von jeher unter den Bewegungen des tropfbar 
Slüffigen eine Hervorragende Stellung eingenommen, während im Luft 
freife e8 bisher noch nicht gelungen ift, die flutherzeugenve Kraft der 
Sonne und des Mondes zu fondern von der durch Die Wärmeerregung 
der erfteren hervorgerufenen täglichen Oscillation des Barometerd. Der 
Grund diefer auffallenden Thatfache liegt in der Verſchiedenheit des 
Objected der Beobachtung und in der Verfchievenheit der Stellung des 
Beobachters zu dieſem Object, denn das Luftförmige unterfcheidet fich 
jo weſentlich von dem Tropfbaren, daß felbft, wenn wir für beide gleich 


Die neueften Bortfchritte ver Hydrographie. 119 


zeſtellt wären, die erheblichften Unterfchiede fich geltend machen wür- 
tn; dazu fommt ferner, daß wir vom Meere nur die bewegte Ober- 
Bäche fehen, während wir nur die unteren Ströme der Atmofphäre 
fennen. 

Die ganze Maſſe der Atmofphare iſt ein wenig Heiner, als ein 
Aikontheil der Erdmaſſe. Unter der Vorausfegung, daß die Dichtig- 
kat der sberen Schichten diefelbe wäre, al8 die der unteren, würde ihre 
Höße eine deutſche Meile etwas übertreffen. Nur die Spigen des Hi- 
nalaia würden als einige Kleine Infeln daraus hervorragen. Das Luft- 
merr würde daher felbft unter der Bebingung einer nach oben unver: 
inderten Dichtigfeit faft uferlos fein. Welcher Unterfchied daher mit 
dem Tropfbaren, über defien Oberfläche fich fo viele Infeln, fo mäch- 
tige Eontinente erheben, während in der nach Oben fich verbünnenden 
Atmosphäre felbft vie höchſten Gebirge als Untiefen ſtets überftrömt 
werden! Daraus folgt unmittelbar, daß die Bewegungen des Luftmer- 
tes freier find, al8 die des tropfbaren, daß die Configuration des Fe⸗ 
Ken in der Hydrographie daher von viel größerer Bedeutung if, als 
in der Amofphärologie. Das Problem der Mieeresftröme iſt ſchon 
deswegen ein verwidelteres, ald das der Luftſtröme, abgefehen davon, 
daß das Luftmeer größtentheild einen vollfommen gleichartigen Boden 
an der Oberfläche des Meeres befikt, während das tropfbare Meer 
überall auf einer feften Grundlage ruft. Yür die Auffindung dieſer 
Unebenheiten ift aber außerdem der Meteorologe beſſer geftellt, da fie 
der unmittelbaren Beobachtung zugänglich find, während der Meeres: 
boden fich unjeren Bliden entzieht. 

Benwidelte Erfcheinungen, in welcher viele bewegende Kräfte ſich 
geltend machen, fie mögen nun in gleichem Sinne wirken oder einans 
der hemmend gegenüberireten, können nur allmälig dem Verſtändniß 
wgänglich werden. Der dabei von den Naturforfchern eingefchlagene 
Weg if dann in der Regel der, daß man zunächft einige dieſer Kräfte 
unberüdfichtigt läßt, um die Wirfung einer beftimmten zu erfennen. 
Das fo gewonnene Ergebniß weicht dann oft erheblich von der Wirk 
ihleit ab, aber das Erkennen diefer Abweichung ift ſchon ein Yort- 
Kritt, indem wir nun auf die flörenden Wrfachen geführt werben, 
weiche verhindern, daß die einfache theoretifche Vorausſetzung fich ver: 
wirkliche. Was nun bie bewegenden Kräfte betrifft, welche hiebei in 


120 9 W. Dove: 


Betracht kommen, fo find es vorzugsweife zwei, welche hier zu berüd- 
fichtigen find, die allgemeine Anziehung des Materiellen und die Wärme. 
Die Wirfung der erfteren hat man feit lange als eine weientliche er- 
fannt, die ber leßteren ift erſt fpäter in ihrer Bedeutung aufgefaßt 
worden. 

Daß die Erfcheinung der Ehbe und Fluth mit der Bewegung Des 
Mondes zufammenhänge, wurde ſchon von Ariftoteles ausgefpro- 
den, ja von Strabo eine dreifache Periode bereit in ihr erkannt, 
die jährliche, monatliche und tägliche. Noch beftimmter druͤckt ſich Po⸗ 
fiponius aus, indem er fagt, daß das Meer die himmlifchen Bewe⸗ 
gungen, in welchen jene drei Perioden erfcheinen, nachbilde, aber am klar⸗ 
ſten Blinius, welcher ausfpricht, daß in der Sonne und dem Monde 
die Urfache jener Bewegung zu fuchen fei „moventur aquae ut an- 
cillantes sideri avido trahentique secum haustu maria“. Diefes 
Gleichniß des Dienens hob endlich Keppler zu der Haren Vorftellung 
einer anziehenden Kraft. „Schwere iſt,“ fagt er, „eine gegenfeitige 
förperliche Affection zwifchen Körpern, die zur Bereinigung ftreben. 
Zwei Körper würden nicht gehindert an einem zwifchen ihnen geleges 
nen Orte zufammentreffen, indem jeder um fo viel ſich dem andern naͤ⸗ 
. been würde, als deſſen Maſſe im Vergleich zu feiner beträgt. Würde 
daher Mond und Erde nicht zurüdgehalten, jeder in feiner Bahn, fo 
würde die Erde auffteigen zum Monde um den funzigften Theil des 
Zwifchenraumes, der Mond zur Erde herabfleigen, um dort mit ihr 
zufammenzutreffen. Der Mond zieht die Waſſer der Erde an, wos 
durch Ebbe und Fluth entfteht, da wo die Buchten ded Meeres am 
weiteften find und den Gewäflern Raum geben, fi hin und her zu 
bewegen. Hört die Erde auf ihre Gewaͤſſer anzuziehen, fo würden die 
Waſſer der Meere fih erheben, um auf den Mondförper zu fließen.“ 

Aber duch die allgemeine Borftellung einer gegenfeitigen Anzie⸗ 
bung war der Werth der Löfung des Problems nur angedeutet; zu 
feinee Durchführung war es nöthig, daß erfannt werde, Daß die Ge- 
fammtanziehung eines Himmeldförperd das Endergebniß aller der An- 
ziehungen ift, welche jedes Theilchen auf alle übrigen materiellen äu- 
pet, und daß diefe Wirfung mit Zunahme der Entfernung der auf 
einander wirkenden Theile abnimmt. Erſt duch Newton wurde der 
Sag ausgefprochen, daß die flutherzgeugende Kraft eines Geſtirns nicht 


IN wm 7 


Die neueſten Fortfchritte ver Hydrographie. 121 


Ne ganze Anziehungskraft ift, welche daſſelbe auf die Erde ausübt, fon- 
dern der Unterfchieb der Anziehung auf den Mittelpunkt und die Ober: 
ſaͤche deſſelben. Dadurch wurde unmittelbar Kar, warum das Wafler 
jätlih nicht nur nach dem dem Monde zugewendeten Punktie hin ftrömt, 
ſondern eben fo nach dem von ihm abgewendeten, warum außerdem 
der Rond, deſſen Anziehungskraft auf die Erde 160 mal Feiner ift ale 
die der Sonne, Dennoch eine flärfere Fluth erzeugt, al8 die Sonne, da 
er mit einem Dreißigtheil diefer Kraft den ihr zugefehrten Punkt ver 
Erde ſtaͤrker anzieht, ald den Mittelpunkt, während dies die Sonne nur 
mit dem zwölftaufendften Theil ihrer Gefammtfraft thut. Cbenſo wurde 
einfach erläutert, warum die Fluthen innerhalb eined Monats zwei 
Marima und Minima der Höhe zeigen, die regelmäßig in einander 
übergehen, weil in der Wirfung der Sonne ſich die Länge des Son⸗ 
nentaged als Periode geltend macht, in der ded Mondes die des faft 
um eine Stunde längeren Mondtages, der jährlichen Periode und ver 
monatlichen aber auch dadurch Rechnung getragen, daß, da die abfo- 
Inte Entfernung beider Geſtirne von der Erde in ihren elliptifchen Bah⸗ 
nen ſich ändert, nothwendig auch ihre anziehende Kraft eine periopifche 
Anderung erleidet. Auf den Einfluß der Neigung der Bahnen gegen 
die Drehungsrichtung der Erde machte endlih Newton durch Die Bes 
merfung aufmerffam, daß ein in der Verlängerung der Erdaxe ftehen- 
des Geſtirn nicht ein periopifches Steigen und Fallen hervorrufen koͤnnte, 
fondern eine dauernde Anhäufung des Waflerd an einer beftimmten 
Stelle und eine entfprechende Erniedrigung an anderen, und macht 
dann geltend, daß nad dem Geſetz der Trägheit das einmal in Bes 
wegung begriffene Wafler nicht in dem Moment zur Ruhe gelangt, in 
welchem die bewegende Urſache zu wirkten aufhört, weswegen fowohl 
die Marima, ald au die Minima fich verfpäteten. 

Während Mac Laurin und Daniel Bernoulli die von 
Newton nur angebeutete Theorie ausführlicher erörterten, und Laplace 
fe näher entwidelte und erweiterte, war vom praftijchen Geſichtspunkt 
der Seefahrt und vom geographifchen aus Außerft wichtig zu wiflen, 
weiche Mopificationen in dem Zortjchreiten der Fluthwelle dadurch ein 
treten, daß die Erde nicht überall von einem gleichtiefen Meere bedeckt 
iR, daß vielmehr der Verlauf des Waſſers in Betten ungleiche Tiefe 
und höchft verwidelter Begrenzung erfolgt. Auf den wefentlichen Eins 


122 9 MW. Dove: 


fluß, den Dies auf die Höhe der Fluth Außere, hatte bereits Newton. 
felbft aufmerffam gemacht, und gezeigt, daß wenn die Fluthwelle durch 
zwei Kanäle von verſchiedenen Meeren nach demfelben Hafen fortfchrei- 
tet, und die auf den einen Weg verwendete Zeit um 6 Stunden län- 
ger ift, ald auf dem anderen Wege, dann innerhalb 24 Stunden nur 
eine Fluth und Ebbe eintreten kann oder ein Stagniren des Waſſers. 

Es iſt merkwuͤrdig, daß über ein Jahrhundert vergangen ift, ehe 
man dieſe empirifche Seite des Problems fchärfer in's Auge faßte. 
Allerdings hatte man ſchon im Anfange ded vorigen Jahrhunderts eine 
jechsjährige Beobachtungsreihe über die Fluthhöhen im Hafen von Breft 
angeftellt, aber erft die auf Veranlafiung von Laplace vom Jahr 
1806 — 1822 dafelbft angeftellten und von Bouvard berechneten Be- 
obachtungen lehrten Das Höhenverhältniß der Aequinoctial» Springs und 
Nippfluthen zu den Solftitial-Spring» und Nippfluthen fennen und 
die Verfpätung des Eintrittd der Marima nach der Eulmination des 
flutherzeugenvden Geftiind. Nachdem nun auf diefe Weife feftgeftellt 
war, welchen Einfluß in Beziehung auf einen beftimmten Ort, vie Con⸗ 
figuration der Küften und die unregelmäßigen Tiefen auf den Eintritt 
und die Größe der Erfcheinung Außern, war unmittelbar die Auffor- 
derung gegeben, durch eine Gejammtdarftellung des ganzen Phäno- 
mens das local ermittelte als Glied in ein größere Ganze einzureis 
ben. Died geſchah durch Lubbock und Whewell. 

Im Jahre 1832 veröffentlichte Lubbod in den Philosophical 
Transactions eine Karte, auf welcher die Zeiten des Hochwafjerd bei 
Neus und Vollmond für eine große Anzahl Orte angegeben waren, 
und zwar fowohl in der Zeit des jedesmaligen Beobachtungsortes, als 
auch in der Zeit von Greenwich. Diefed Lebtere ift Deswegen wich- 
tig, weil dadurch unmittelbar auf das gleichzeitig flattfindende hinge⸗ 
deutet wird. Schon im folgenden Jahre erfchien daher von Whewell 
eine Karte von Linien gleicher Fluthzeit (Cotidal lines), auf welcher 
die durch eine Linie verbundenen Orte unmittelbar den Rüden der 
fortfchreitenden flachen Fluthwellen bezeichnen. Es ift Har, daß die 
Geſtalt diefer Linien größtentheils hypothetiſch ift, da entfernt von den 
Küften der Gontinente nur ifolirte Infeln, wie St. Helena, Ascenfion, 
die Bermuden und Azoren, Punkte im Innern der Eurven geben, deren 
Endpunfte auf die Küften fallen. Aber vieler. erſte Entwurf veran- 


Die neueften Fortfchritte Der Hydrographie. 123 


laßte eine große Zahl von Beobachtungen in den Häfen zunächft des 
atfantifchen Dceans, fo daß eine fpäter erfcheinende zweite Karte fchon 
eine weſentlich verbefferte Form dieſer Linien zeigt, und feit diefer Zeit 
bat fi das Beobachtungsmaterial bedeutend vermehrt, da der Verein 
der britiſchen Naturforfcher die Förderung der Löfung des Problems 
Rh zu einer feiner Aufgaben geftellt Hat. Da mo die fortfchreitenve 
Futhwelle in eine ſich verengende Bucht eintritt, wird die Höhe der: 
felben gefleigert. Eine auffallende Fluthhoͤhe iſt ein fich zu einem lo⸗ 
calen Marimum fleigernder Effect. Hier das Gleichgroße durch Linien 
zu verbinden, wäre wiberfinnig gemwefen. Whemwell Hat daher fehr 
paſſend die Veränderung, welche die Fluthhoͤhe bei ihrem Kortfchreiten 
erfährt, durch die Anzahl der das Meerufer umfaumenden Striche, die 
den Küften parallel gehen, bezeichnet. 

Das, was im großen Ganzen als eine Welle erfcheint, vie mit 
ungeheurer Gefchwindigfeit Die Erde umfreift, und unter der Voraus: 
fegung einer gleichen Meeresbedeckung und einer Fluthhöhe von 3 Fuß 
aus dem Erbdviertel, welches Ebbe hat, in das, welches fluthet, 200 
Eubifmeiln Waſſer in 64 Stunden überführt, giebt an jeder beſtimm⸗ 
ten Stelle zu viel langfameren Strömungen Beranlaffung, deren Kennt: 
niß für die Seefahrt von größter Wichtigkeit if. In den Philoso- 
phical Transactions von 1851 p. 703 ift von Capitain Beechey 
die erfte fpecielle Unterfuchung dieſer Art veröffentliht. Es find in 
diefer Arbeit auf 8 Karten die compficirten Strömungen bargeftellt, 
welche im Canal und der Norpfee durch die Fluth und Ebbe perio- 
vifch hervorgerufen werden und durch erläuternde graphifche Darftel- 
fung zur Anfchauung gebracht, wie duch das Zufammenwirken zweier 
Ströme freifende Bewegungen neben den alternirenvden entftehen. 

Der mechanifche Effect folcher Strömungen ift an der Küfte be- 
ſonders merflich, welche nicht durch feftes Geftein gebildet werden, ob: 
gleich die taufendjährige Arbeit der Gefammtbewegung in der Zertruͤm⸗ 
merung der feſten Maſſen in dem feinen Seefand als Enbrefultat fich 
ausfpricht. Wir befigen in diefer Beziehung eine im Jahre 1849 in 
Bordamerifa vom Lieutenant Davis erfchienene Arbeit (a memoir upon 
he geological action of the tidal and other currents) und zwar 
über die Veränderungen der Infel Rantudet an der Süboftfüfte von 
Naſſachuſets, In welcher das ununterbrochene Vorruͤcken der Küfte von 


124 98. Dove: 


1777 — 1844 durch die aufeinanderfolgenden Aufnahmen von Hille, 
Barres, Keconte, Bache und Davis dargeftellt find. Auf folche 
Aenderungen des Meeresbodens und feiner Umgrenzung beruft es 
wahrfcheinlich, daß die Zeit des Hochwaflers in Klüffen fih im Laufe 
der Jahrhunderte wefentlich Ändert, wie dies 3.2. in London der Fall 
gewwefen, wo die im Codex Cottonianus wahrfcheinlich für das drei⸗ 
zehnte Jahrhundert berechnete Zluthzeit, mit der in Riddle's Navi- 
gation verglichen, eine Befchleunigung des Eintrittö von mehr als einer 
Stunde zeigt. 

Bon noch größerem Einfluß ift die Wirkung der Fluth und Ebbe 
da, wo fteil in das Meer abfallende Gletfcher unmittelbar das Meer 
begrenzen. „The constant rise and fall of the tide,“ fagt Suther= 
land in der eben erfchienenen Reife von Inglefield (a summer 
search for Sir John Franklin with a peep into the Polar Basin 
p. 1754) „exerts great power in detaching these floating ice is- 
lands. By it a hinge-like action is set up as soon as the gla- 
cier comes within its influence.“ Die auf dieſe Weife entſtehen⸗ 
den Eisberge werden dann von Meeresftrömungen ergriffen und bil- 
den in andere Breiten geführt ein Hauptglied in der Kette der die 
MWärmeunterfchiede abgleichenden Urfachen. Je fehärfer aber der Zus 
fammenhang aller diefer Iocalen Bewegungen in dem allgemeinen Fort- 
fchreiten der Fluthwelle erfannt wird, deſto entfcheidender werben die 
Auffchlüffe, welche tie Beobachtung ſolcher Strömungen in fcheinbar 
abgefchlofienen Meeren, wie die Baffinsbai, für den Zufammenhang 
derfelben mit anderen Meeren liefert. 

Obgleich durch die Unterfuchungen von Whewell fich bereits auf 
eine entfcheidende Weife herausgeftellt hat, daß die Configuration der 
Continente, befonderd Die auf der fühlichen Ervhälfte hervortretenden 
Suͤdſpitzen derfelben, zu der Ablenfung der Richtung der Fluthwelle im 
indifchen und atlantifchen Ocean die Hauptveranlaffung find, fo ift 
doch Außerft wahrfcheinlich, daß zu den fichtbaren Urfachen fo auffal- 
Iender Mobificationen noch andere hinzufommen, welche das Meer uns 
jeren Bliden entzieht. Dies gilt befonders in Beziehung auf die Größe 
der Erhebung des Waſſers zur Fluthzeit über bie tieffte Ebbe, deren 
auffallende Geringfügigfeit bei manchen Infelgruppen des ftillen Ocean 
wohl nur dadurch erläutert werben Fann, daß unter dem Meeresfpiegel 


Die neueften Bortfchritte der Hydrographie. 125 


verborgen große Niveaudifferenzen des Bodens die fortfchreitende Fluth⸗ 
welle mannigfach zerfplittern, wenn man nicht mit Redfield (remarks 
on tides and the prevailing currents of the Ocean and Atmo- 
sphere) annehmen will, daß die in der Mitte des Oceans nach Weſt 
fortrollende Welle an der Oberfläche in höheren Breiten, wie in einen 
heisformigen Strudel zurüdläuft. 

Bie dem auch fei, fo if, da die Höhe der Fluth im Ganzen be- 
Bingt wird durch die Mafje des Bewegbaren, alfo durch die Tiefe des 
Meeres, die Kenntniß diefer Tiefe ein Hauptmoment in der endlichen 
Erledigung des Problems der periodifchen Bewegungen des Meeres. 
Thomas Noung fagt in diefer Beziehung: „ehe wir überall die Tiefe 
der Sce lennen, wird es unmöglich fein, auch die richtigfte Theorie auf 
die Löfung jeder Schwierigkeit anzumenden, welche die Erfcheinung dar⸗ 
bietet.” Für diefe Phänomene fo wie für die Meeresftrömungen über: 
haupt ift es Daher hoͤchſt wichtig, daß in den legten Jahren die Kennt- 
niß der Meeresfläche fich fo wefentlich erweitert hat, daß wir den 2e- 
ſern des Journals den erſten Verfuch einer Tiefenfarte des atlantifchen 
Oceans vorlegen können. Sie ift entlehnt aus Maury Explorations 
and Sailing Directions 10 accompany the Wind and Current 
Charts. Washington 1853. 4. Die Tiefe ift in fathoms zu 6 eng- 
liſchen Fuß angegeben. Die Eleinen Kreife bezeichnen den Ort, wo die 
Sondirung erhalten wurde. Befindet ſich über der Infel ein Strich 
mit einem Punkt darüber, fo deutet Died an, daß fein Grund bei der 
entiprechenden Tiefe gefunden wurde. Die Schattirungen bezeichnen die 
von 1000 zu 1000 Faden zunehmende Tiefe, und zwar ſo, daß die dunkle⸗ 
ten Schattirungen die feichteren Stellen bedeuten, die helleren die tie- 
jeren. Betrachtet man den atlantifchen Ocean ald ein Längenthal, fo 
zeigt fich die tieffte Einfenfung der Thalfohle zwifchen Cap St. Roque 
und Sierra Leone, ziemlich in der Mitte zwifchen dem amerifanifchen 
und afrifanifchen Ufer, und fie bleibt, ſich immer tiefer herabſenkend, 
bis zu den Bermuden parallel. Das Thal, welches bei jener ſchmal⸗ 
fen Stelle nur eine regelmäßige Senfung in ver Mitte zeigt, fpaltet 
üch aber im Parallel der weftinpifchen Infeln in zwei Theile, von denen 
einer der afrifanifchen Küfte parallel geht, der andere an der Neu- 
fundlandsbank endet. 

Die Karte zeigt, daß füblich von dieſer Bank der Abſchuß in die 














126 Miscellen: 


Tiefe ſehr fteil if. Die englifche Aomiralitätöfarte giebt unmittelbar 
an der Süboftfeite derfelben die Tiefen 106 — 149 Baden, während 
der Ganal, der fie von der Infel trennt, 55 — 79 Faden tief ift. Geht 
man aber weiter nach Suͤdoſt, fo finkt der Meeresboden fo fteil von 
diefem von Wafler bedeckten Seehochlande, daß man vergeblich auf dem 
Feſtlande fich nach Ähnlichen Abſtürzen umfieht. Die den Querfchnitt 
darftellende Karte bringt dies freilich im exagerirten Maßftabe zur An- 
ſchauung, und dennoch find die hier gefundenen Tiefen noch nicht die 
größten; denn Goldsboroughs, Barrons und Walſh's Mefjun- 
gen werden übertroffen von der von Gapitain Denham, der in 36° 
49 ſ. B., 37°6 w. L. Gr. eine Tiefe von 43380 par. fand, alfo über 
3 Meilen unter der Spige des 26438 Hohen Kintſchindjinga. 

Bei folchen Einfenfungen ift e8 fehwierig fich vorzuftellen, daß das 
jene Tiefen füllende Wafler an den allgemeinen Bewegungen des Mee- 
res einen wefentlichen Antheil nimmt, und wir fommen auf diefe Weife 
zu dem Schluß, daß über diefe, wie mit flüffigen Gletſchern gefüllten 
Tiefen, das bewegte Wafler hingleitet, wie die Atmofphäre über den 
flüffigen Meeresfpiegel. 

In einem fpäteren Aufſatz werde ich die Würmeverhältniffe des 
Meeres in Zufammenhang mit den Strömungen vefielben näher bes 


ſprechen. J &. W. Dove. 


Miscellen. 


Söben auf dem Eichdfelde und in deffen Umgebung. Don 
den verfchiedenen Theilen Deutſchlands giebt es faft Eeinen, deſſen Oberfläche in 
Bezug auf Niveau» DVerhältnifie fo vielfach und gründlich unterfucht worden ift, 
als Thüringen. Wie weit diefe Beitimmungen ſchon im Jahre 1833 vogefchrit- 
ten waren, hat der um die Kenntniß feined Vaterlandes hoch verviente v. Hoff 
in feiner Schrift: Höhenmeffungen in und um Thüringen von K. €. A. 
von Hoff. Gotha 1833, worin ſich eine mühevole Sammlung der damals 
befannten Höhen befindet, erwiefen. Den größten Theil dieſer Beſtimmungen 
verdanften wir den barometrifchen Meflungen von Fr. Hoffmann, Berg- 
haus, Fils und von Hoff felbft, woran ſich neuerlichft abermals eine große 
Zahl barometrifch gemeflener Höhen des preußifchen, eigentlich zur alten frän= 
kiſchen Graffchaft Henneberg gehörenten Antheiles des Kreiſes Schleufingen 
und des Herzogthumes Gotha anfchloß, welche ver unermühliche Major Fils 
in zwei Fleinen Schriften: GHöhenmeffungen in der Graffchaft Henneberg preu⸗ 
Bifchen Antheils. Weißenfee 1849 (Wonatöberichte der berliner geogr. Ge» 


va 110 —— — 


⸗ 


Pr 
4 / 


Höhen auf dem Eichöfelve. 127 


ſelſch 1849 — 1850. N. F. Bo. VI, 221 —226) und Höhenmeffungen im 
derzogthum Gotha. Weißenſee 1850, befannt machte. Auffallend ift es, daß 
ki einer ſolchen Thätigkeit das Hohe Muſchelkalk-Plateau des Eichsfeldes, 
deſſen geftaltliche und ſtoffliche Verhältniffe ſich im weftlicheren und öftliche- 


a Deutfchland, in Dem paderborner und oberjchleflfchen Plateau in fo vie 
Im Beziehungen wiederholen, faft gar nicht berudfichtigt worden iſt. Selbſt 
Ku. Hoffmann, ver feine barometrifchen Meſſungen freilich nicht in dag 
Jarie ver Hochflächen des eigentlichen Eichsfeldes ausgedehnt hatte, vermochte 
ven deren Erhebung über den Meereöfpiegel nichts Beitimmtes in feiner bes 
fanntn audgezeichneten Darſtellung ver Oberflächen» DVerhältniffe des nord⸗ 
weſtlichen Deutfchlands zu fagen, fondern mußte fich begnügen aus Analogien 
zu fchliegen (Lieberficht der geographifchen und geognoftifchen Verhältniffe vom 
nordweſtlichen Deutfchland. Leipzig 1830. 115), daß vie hoͤchſten Punfte 
des Gichöfelded, Die er weſtwaͤrts zwijchen Dingelftent und Heiligenſtadt ober 
dahin verfeßte, mo aus der Gegend von Kreug-Ebra die letzten Quellen der 
Uuftrut berabfommen, nicht unter 1200 F. Meereöhöhe beflgen, eine Annahme, 
zu der ihn feine Ermittelung ded Niveaus am Norbrande des Eichsfeldes zus 
vörderft zwifchen Groß-DBodungen und Duberftadt zu 1220 %., dann in ben 
Ohmbergen über Hauröben bei Groß» Bobungen felbft zu 1567 F. abfoluter 
Höhe (a. a. O. 133), fo wie die Beſtimmung zweier öftlicheren Punkte, ver 
Höhe von Urbach als Scheitelpunft des Mufchelfalfrüdend zwifchen ver Helba 
und Unftrut zu 1030 %., und der von Almenhaufen SSO. von Urbach zu 10208. 
(ebendort 116) mohlberechtigten. Bon Hoff’s Schrift vermehrte unfere 
Kenntni in der Hinficht nicht, und felbft in ver fpäteren forgfältigen Arbeit 
Noback's über ven Regierungdbezirk Erfurt. Erfurt 1841, findet fich Feine 
neuere beitinnmte Meflung des hohen Eichsfeldes, fondern nur im Allgemei- 
nen, wohl nad) Fr. Hoffmann, bemerkt, daß die mittlere abfolute Erhebung 

tes Iehten 1200%. (I, 10) oder wie an einer anderen Stelle gefagt it, 1200 — 
1300 5. (II, 178) betrage, eine Vermuthung, die durch 2 erft in den letz⸗ 

ten Jahren gemachte Meffungen von Fils recht wohl ihre Veftätigung erhielt, 

intem tiefer Beobachter die Höhe von Klein» Keulas an der weftlichiten Grenze 

des Herzogthums Gotha zu 1412 %., und die des etwas ſüdlicher davon ge⸗ 

legenen Ortes Menterode zu 1367 8%. beftimmte. Es blieb demnach eine Lücke 

in der hypſometriſchen Kenntniß eines nicht unwichtigen Theils des mittleren 

Deutichlands, und diefe wurde erſt im verfloffenen Jahre ausgefüllt durch vie 

Reiungen des Föniglich preußifchen Generalftabes, dem wir nun die Kennt» 

nij des Niveaus von 23 im Eichöfelo trigonometriich beftimmten Punkten vers 

vanfen. Nach einer gütigen Mittheilung des Herrn Generalmajor Baeyer bes 

trägt nämlich die Höhe über der Oſtſee: 

1. Der Hafenburg (obere Flaͤche des 
Steinpfeilers im Centrum d. Signal) 250,78Toif. od. 1504,7 par. %. 
2. Des Ohmberged (unter v. Signal) 263,36 =» = 1580,2 » = 


128 


3. 
4. 


5. 
6. 
7 


8. 
9. 


10. 
11. 


12. 
13. 
14. 


15. 


16. 


17. 


18, 


19. 


20. 


21. 
22, 
23, 


24, 


*) Der Gaflhof zum Berliner Hof (1ſte ee liegt nach den⸗ 


Miscellen: 


Von Breitenworbid . . 
s SHodelrain (Knopf des Site 
thurms) . . 
⸗Leinefelde (ebenfo) . 
s Breitenbah . . 
Bodenftein (oberer Rand des 
runden Thurmes)... 
Dingelſtedt (Ricfurmtnon) 
Silerhaufen. -. . - 
Helmsdorf 
Kühlfiet . -. » .» .» 
Efflora . . ... 
Iberg bei Heiligenftadt (einges 
bauened Kreuz an der Nord⸗ 
feite de Thurmes) . 
s Dünmarte (Abfag eines eigen. 
thümlichen Mauerwerfes) 
s SHeiligenftapt (Knopf der neu⸗ 
ſtaͤdtiſchen Kirche) -. - - . 
:» Main (Signal bei Effeldra; 
obere Kante des Feſtlegungs⸗ 
fteing im Centrum) . . 
= SHülfenäberg Dante der 
Kirche) ... 
⸗Greifſtein Guinenthurm; ein- ; 
gefchnittened Kreuz in der 
Stange am Gelaͤnder) 
Bon der einzelnen Linde beim Gaft- 
hof zur guten Hoffnung (Kreuz an 
der Oſtſeite eingefchnitten) . 
Von der Katharinenburg (oberer 
Rand des alten Thurme) . . . 
Dom Vorwerk Karmberg (Schorn- 
fin). - - 
Bon Muhlhauſen (oberer Martt- 
thburmfnopf) .- . 
Der mittleren in Stein gefaßten 
Duelle der Unftrut bei Kefferhau⸗ 
fen (Nobad. Erfurt 160) 


un vv Mu 


175,77 


265,37 
185,72 
198,78 


237,80 
190,09 
182,49 
174,01 
253,78 
257,53 
263,71 


235,00 


. 223,03 


161,16 


264,58 


238,70 


. 232,19 


230,40 
252,75 
228,97 


141,56 


200,88 


felben Mefiuugen 50 Toifen oder 300 Fuß unter dem 


= 


s 


= 


- 1054,6 yar.$. 


= 


* 


1592,2 
1114,3 
1192,7 
1426,8 
1140,5 
1094,9 
1044,1 
1522,7 
1545,2 
1582,3 
1410,0 
1338,2 


967,0 


1587,5 


1432,1 


1393,1 


1382,4 


1516,5 


us a vv 1 Mm 


= 1373,82 = 


= 


849,4 


= 1205,3 = 


| VE vn 


*) 


E. Hoffmann’s linterfuchung des nörblichen Ural. 129 


Außerdem wurde die Höhe des Dün- 
beyfs (noͤrdlich Dingelitert, auf dem Bo» 
den im Gentrum des Signals) beflimmt, 
wem man den Hoͤhenunterſchied zwiſchen 
ber Uinfirutquelle und dem Dünfopf maß; 

ſie fand ſich .. 224,48 = » 1346,9 par. F. 

€ ergiebt ſich aus ben vorhergehenden Meflungen, daß Br. Hoffmann 
we Unfrutquellen ganz richtig nicht niedriger, als 1200 F. geſetzt Hatte, in⸗ 
vu ern Höhe fogar noch faft 150 F. mehr, ald 1200 beträgt, und ferner, 
dej tes ganze Muſchelkalk⸗Plateau des hohen Eichäfelves fich wirflich in einer 
ſeht bedeutenden abfoluten Höhe erhält, welche ver der gleichartigen Plateaus 
im Vaderborn ſchen und Oberfchleften gleichfteht, ja fte theilmeife übertrifft, da 
sah Sr. Hoffmann's Meflungen fein Mufchelfall-Punct der erften Hoch» 
fläche, ja ſelbſt feiner der ihr aufgefeßten Bafaltberge (a.a. DO. 172— 174) 
und ebeufo wenig eine Mufchellalf- Erhebung ver oberfchleftfchen Hochfläche 
ash von Barnall (Archiv für Bergbau und Huͤttenweſen XVI, 307— 319) 
em Riveau erreicht, wie das, welches im Eichsfelde zwiſchen Kühlftent und ver 
Katbarinenburg (Nr. 11— 21) dad gewöhnliche zu fein feheint. Auffallend 
iR Die nicht meniger ald 162,4 Fuß betragende Differenz zwifchen ven trigono- 
meiriicden und barometrifchen Mefjungen von Mühlhaufen, wovon jene bie 
Hohe dieſer Stadt zu 849,4 fanden, Hoffmann aber die Höhe der Unftrut 
bei Mühlhaufen nur zu 687 8. (a.a. O. 116) ermittelte, da fonft die Ergeb- 
niffe der neueren Eifenbahn-Nivelements und der barometrifchen Meffungen 
im fhäringfchen Becken im Allgemeinen auffallend gut übereinftimmen (Fils 
Getha, 45). Gumprecht. 


E. Soffmann's Unterſuchung des nördlichen Ural und 
ſein Werk darüber. — Prof. G. Roſe legte in der Juniſttzung der 
berliner geogr. Geſellſchaft eine in ſehr großem Maßſtabe und fchön ausge⸗ 
führte Karte des nörblichen Ural von E. Hofmann, Prof. der Mineralogie 
an Der Univerfität und Oberft beim Berg- und Ingenieur» Corps in Peters⸗ 
burg, vor. Diefe, unter dem Titel: „Karte des nörplichen Ural und des Küften- 
gebirged Bae= choi, entworfen nach Aufnahmen und aftronomifchen Ortäbeftim«- 
mungen, ausgeführt auf ber durch die Eaiferlich rufflfche geographifche Geſellſchaft 
suögerüfteten Ural» Expedition in den Jahren 1847, 1848 und 1850. Petersburg 
1852* bearbeitete Karte in 2 Blatt, von welchen jenes eine Höhe von 1%. 98. 
ven Norden nach Süden und eine Breite von 2%. 33. von Weften nach Often hat, 
mM das Reſultat einer Expedition zur Erforfchung des nörblichen Ural, welche 
sfprunglich nur auf die Dauer von 2 Jahren beftimmt wurde. Zum Führer ver 
Erpebitien war &. Hofmann erwählt worven, der ſchon in ven Jahren 1827 
up 28 in Berein mit &. von Helmerfen und im Auftrage des Bergrorps von 

9 


Zeitfegr. f. allg. Grofunde. Bo. 1. 


130 Miscellen: 


Peteröburg den fünlichen Ural von Minsk bis Ordk und Orenburg unters 
fucht Hatte, und fpäter, 1843, durch diefelbe Behörde zur geognoftifchen Un⸗ 
terfuchung der Goldwaͤſchen nach dem öftlichen Sibirien gefanbt worden war. 
Die Refultate der letzten Reife finden fich bekanntlich in einem befonveren Werke: 
Reiſe nach ven Goldwäſchen Oftfibiriens, Peteröburg 1847, zufammengeftellt. 
Beigegeben waren vem Berfaffer bei feinen uralifchen Unterfuchungen Stra⸗ 
ſhewoky, Major im Bergcorps, Dr. Kowalsky, ale Aftronom, der Lieu⸗ 
tenant in dänifchen Dienſten Branth als Botanifer und Zoolog, 2 Topo⸗ 
graphen und mehrere Bergleute und Diener. Die Erpedition ging von Tſcher⸗ 
pin aus mit 150 gemietheten Nennthieren und erreichte ven Ural noch füb- 
lich von den Quellen ver Betfchora, bis wohin Graf Keyferling auf ver 
Expedition zur Erforfcehung des Laufes der Petſchora im Jahre 1843 gekom⸗ 
men war. Bon bier fam man, fich Häufig theilend, nordwaͤrts, konnte aber 
im Jahre 1847 nicht mehr ald 4 Breitegrade beenvigen; vie größere Hälfte 
mußte man auf das folgenne Jahr verjparen und am Berge Kwosm Nijer, 
64° 30’ n. Br. die Unterfuchungen abbrechen. Die Erpevition wanbte fich 
über Berefow am Ob nad) Tobolsk, wo fie ven Winter zubrachte, 

Sobald in dem folgenven Jahre vie Klüffe vom Eife frei waren, Mitte 
Mai, ging man auf dem Ob wieber Tach Berefom und fofort gleich weiter 
bi zur Mündung des Woifar (65° 30’ n. Br.), und von da erſt weflwärts 
zum Ural. Da jevoh Hofmann mohl einfah, daß die Expebition zuſam⸗ 
menbleibend ihre Aufgabe nicht würde loͤſen Eönnen, fo wurde befchloffen die⸗ 
felbe zu theiln; Strafhemsty follte von bier fühlich Bis zu der im Jahre 
1847 erreichten Stelle gehen, Hofmann aber wollte bi8 zum Ende ded Ural feine 
Borfchungen fortjegen, und er hatte, dabei auf feine Ungebuld rechnend, zwei 
Drittheile ver Arbeit übernommen. Indeſſen mußten beive Abtheilungen, um 
den Ural überfchreiten zu Eönnen, wegen ver angejchwollenen Bäche noch wei= 
ter fünlich geben, fo daß bei ver endlichen Trennung ber Erpedition amı 
29. Juni Hofmann mehr, als drei Viertel der Arbeit zu beenden übrig blie- 
ben. Er führte indeſſen feine Aufgabe glüdlich aus und erreichte endlich un⸗ 
ter dem 68° 30’ das Ende des Ural, welcher mit einem von Hofmann Eon- 
ftantinow Kamen (Gonflantinfeld) nach dem Namen des erlauchten Beſchutzers 
der ruſſiſchen geographiſchen Geſellſchaft, Großfürft Gonftentin, benannten 
und 1600 8. Hohen Felſen ganz fteil in die Tundra abfällt. 

Bon dem Ural zieht ſich von bier nah NW. bis in vie Nähe der Iufel 
Waigatſch ein anderes Gebirge, Pae⸗Choi (Pae-Feld) von den Samojeden genannt. 
Es erſcheint von der Tundra aus geſehen, wie ein anſehnliches Gebirge, er- 
hebt ſich aber nur bis 1000 Fuß, und fo allmälig, daß wenn man ſich ihm 
nähert, man, wie Hofmann fagt, verwundert fragt, wo das Gebirge geblie- 
ben ift; von Brad und Moor bevedt, ift nur auf den Kuppen ber Berge an= 
ſtehendes Geftein fichtbar. Es ift ein von dem Ural ganz unabhängiges Ge⸗ 
birge, parallel dem weiter SW, liegenden und durch Keyſerling's Unter» 


Die Infel Biliton und die Karimoninfeln in Hinter-Indien. 131 


juchungen befannt gewordenen Toman» Gebirge. Auch diefen Pae-Ehoi be⸗ 
she Hofmann glücklich, worauf er nach Peteröburg zurückkehrte. Einen 
farzen Bericht dieſer in den Jahren 1847 und 48 ausgeführten Reiſen bat 
Hofmann bereits in der Zeitfchrift der deutſchen geologifchen Geſellſchaft 
9.1 ©. 43 gegeben, woraus das eben Angeführte entlehnt ift. 

Richt fo glücklich aber, als Hofmann, erging es Straſhewsky; kaum 
von ihm getrennt, überfiel ihn die Mennthierpeft, welche in der Gegend große 
Verhertungen anrichtete. Er verlor faft alle Nennthiere, mußte umfehren und 
fonnte nur mit großer Mühe Bereſow erreichen. 

So war noch eine Lücke in der Kenntniß vom Ural geblieben; vaher 
eutſchloß ih Hofmann im Jahre 1850 zur Aufnahme dieſes Zieles noch ein⸗ 
mal nach dem Ural zu gehen, und bie Frucht dieſer vreifährigen Unterfuchung 
iſt mm vie Karte, die fo eben fertig geworben ifl. Die Befchreibung der 
Reife, wozu vie im Eingange diefer Notiz erwähnte Karte gehört, wird noch 
im Laufe diefed Jahres von der geographifchen Gefellichaft in Peteröburg 
berauögegeben werden. Anfänglich follte dies nur ruſſiſch gefchehen, doch ges 
lang es Hofmann's Bemühungen zu erreichen, daß fie auch veutfch her⸗ 
auskommt. WBeigegeben werben verfelben mehrere Abbildungen der Uralfette, 
wie eine Anficht des Berges Mana⸗Raha von ver oberen Koſſ-Ju aus; 
2) der Uralkette und des Wangerei⸗Thales vom Berge Pare- Ko aus; 3) bes 
Konflantinew Kamen, mit welchem der Ural in die Tundra abfällt; ebenfo 
Abbiloungen anderer Gegenftände. 

Jetzt rüftet eh Hofmann zu einer neuen Erpebition nach dem Ural, die 
von dem Bergcorps ausgeht und vie nähere Unterfuchung der geologifchen 
Beichaffenheit der Bergwerks⸗Diſtricte zum Zweck hat, Lieber wäre er aller: 
dings, wie er in Briefen ſich Aufßert, nach dem Uft-Urt, dem fünlichen Ende 
des Ural, gegangen, der bier ebenfo in die Steppe abfällt, wie am nörblichen 
Ente in die Tundra; indeffen hatte zu einer folchen Erpebition die Bergbe⸗ 
hoͤrde Leine DBeranlaflung. 


— — 


Die Juſel Biliton und die Karimoninſeln in Sinter: 
Zudien. — Die im Jahre 1835 gegründete und zu Zalt Bommel erfchei- 
ame Tijdschrift van Nederlandsch Indie von W. R. van Hosvell enthält 
ein reiches Material zur näheren Kenntniß der zahlreichen, durch ihre Pro⸗ 
dacte wichtigen Infeln Sinter- Indiend. Namentlich giebt das Januar⸗ und 
debruarheft einige ſchaͤtzbare Nachrichten über die neuen Verhältniffe feit 1851 
ber zwifchen Sumatra und Borneo gelegenen Infel Biliton (S. 21 — 31 und 
14122), dann über die am Südende der Halbinſel Malacca liegenden 
feinen Karimoninfeln (S. 71— 75). Biliton war merfwürbiger Weife bis⸗ 
ber ziemlich unbefannt geblieben, obgleich es nur in geringer Entfernung von 

ver feit Entdeckung ihrer reichen Zinnlagerftätten berühmt gemworbenen und 
9 » 


132 Miscellen: 


häufig genauer unterfuchten und befchriebenen Inſel Bangfa ſich befinvet*) 
und die Niederländer ftets ihre Oberberrlichfeit über vie etwa 6000 Seelen 
ftarfe Bevölkerung behauptet hatten. Den ausführlichften Bericht über Bilis 
ton giebt noch Temminck's neuered Werk: Essai sur les possessions Neer- 
landaises dans l’Inde Archipelagique. Leiden 1847. O, 427, worin uns 
ter anderm auch benierft wird, Daß die Injel ungemein große (vastes) Zinn- 
lagerungen beſitze. Daß aber von dieſen Zinnerzen durch dad niederlänvifche 
Gonvernement in Invien bisher fein Vortheil gezogen wurde, erklärt Tem⸗ 
mind dadurch, daß die mit fehr leichter Mühe und geringen Koften auszu⸗ 
beutenden Erze Bangfa’8 dem biöherigen Handelsbedürfniſſe vollkommen ges 
nügt hätten, da die Zinngewinnung auf Bangka bier feit dem Jahre 1823, 
wo fie erft 11764 Pikuls (& 125 Pfo.) betrug, in neuerer Zeit enorm gewach- 
fen war, indem fie jich im Jahre 1844 fchon auf 70289 Pikuls belief, 
und daß man beabfichtigt Habe, Die Ablagerungen von Biliton bis zu «iner 
etwaigen Erjehöpfung der auf Bangfa zu confjerviren, ein Entfchluß, von dem 
man nun feit 2Iahren abgegangen ift. Die Befchreibung der Zinnerz = Lagerftel= 
len auf Biliton, wie wir fie dem nachfolgenven Aufſatz verdanken, ift ein fehr 
ſchätzbarer Beitrag zur geographifchen und naturbiftorifchen Kenntniß Hinter⸗ 
Indiens überhaupt, weil fich daraus deutlich ergiebt, daß die Vodenverhaͤlt⸗ 
niffe in einem fortlaufennen Zuge von wenigftens dem zehnten Grade n. Br. 
an, mo das Auftreten ver Zinnerze auf dem Feſtlande Hinter -Indiend nach 
Mac Clelland's Urtheil (Journal of the Asiatic Society of Bengal. 1842. 
XI, 25) productiv zu werben beginnt, bis wenigftend Bangfa und Biliton 
biefelben fein müffen, indem das Erz in Hinter= Indien, ganz wie in den zinn= 
führenden Ländern Europa's, in Cornwall, Devonfhire, der Bretagne, ven fpa= 
nifchen Galicien und dem Erzgebirge fat ausfchlieglih an den Granit gebun= 
den ift, der fi) alfo auch Hier von der Halbinfel Malacca und ihren benach⸗ 
barten vweftlichen Kleinen Infeln unter dent Meere ununterbrochen über Sin= 
gapore bis Bangka und Biliton **), melche fämmtlich in derfelben mit der Lanı= 
genrichtung Sumatra's genau übereinftimmenven Streichungslinie liegen, erſtrecken 
möchte. Sonach ift es im höchften Grade wahrfcheinlich, daß auch vie größe- 
ren fundifchen Infeln dieſer Streichungsare, Bintang, Battam, Rhio, Lingin 
granitifch und zinnreich find, worüber und jedoch noch nähere Kenntniß fehlt. 
Es ift aber bei dieſer Gelegenheit vieleicht nicht ohne Intereſſe darauf hinzu⸗ 


*) Bangka und feine Sinnablagerungen wurden in neuerer Zeit zuerfi gründli— 
her dargeftellt dur; Crawford in feinem ausgezeichneten Werk: History of the In- 
dian-Archipelagus. London 1830. III, 450; dann in des Obrift-Lieut. Lange Werf: 
Het Eiland Banka en zijne Angelegenheiden, Hertogenbosch 1850, 8; und end=- 
lih in Epp: Schilverungen aus Indiens Archipel. Heidelberg 1848. 114— 115. Die 
mineralogifchen Berhältnifje der Infel find endlich noch neuerlichſt in Ban Hosvell’s 
Tijdſchriſt 14. Jahrgang befchrieben worden. 

**) Die volltändigfte Zufammenftellung ber binterindifchen Sinnvorfommnifle ver⸗ 
Danfen wir Ritter's Gröfunde: Aſten IV, 78 u. f. w. 





Die Infel Biliton und die Karimoninfeln in Hinter-Intien. 183 


weiſen, Daß die Kenntniß und Gewinnung des binterinvifchen Zinns bis in 
Ye älteften Hiftorifchen Zeiten zurückreichen dürfte, indem bei dem verhältniß- 
mäßig geringen und auf eine einzige Stelle befchränkten Vorkommen von Zinn» 
eryen in Border » Indien *) hoͤchſt mahrfcheinlich Hinter» Indien e8 war, welches 
vie weftlicheren aftatifchen, fo wie die afrifanifchen Völker, und dann auch die 
ötliheren europäifchen, beſonders vie Griechen, mit dieſem Metall feit ven ur- 
älteiten Zeiten verſah und den lebten auch die Benennung für daſſelbe lieferte, 
veogegen das weftliche Europa, mit Einfchluß von Stalien, feinen Zinnbebarf 
vorzugäweile aus dem zweiten großen Probuctionslande von Zinn im Alter: 
ihume, namlich aus Britannien, bezogen haben mag, da felbft der römifche 
Rame (Stannum) des Zinnd darauf hinweiſt. Können wir nämlich nad) 
Laftew 8 gelehrten Unterfuchungen annehmen, daß vie woeftaflatifchen Völker, 
wahrſcheinlich alfo auch vie Phönicier und Griechen, ihr Zinn aus Indien 
bezogen, weil nach venfelben das Zinn im Sanserit mit Yavanilhta, d. h. stan- 
num a Yavanis (wie die Indier alle weftlich von ihnen gelegenen Boͤlker⸗ 
Ichaften, namentlih Meder und Perfer nennen) exoptatum bezeichnet wird 
(De Pentapomia. Bonnae 1827, 59) und auch das Zinn bei ven Arabern 
einen Sanöcrütnamen Kaftira (Indifche Alterthumskunde. Bonn 1847. I, 
en | 


239) **), welcher in deren Sprache nach dem Qämüs ald Qacdir ( a) 
/ 


und endlich in Sricchifchen fchon bei Homer ald Kaoairegos ſich wieberfindet ***), 
führt, fo ſtammt umgekehrt das Wort Stannum ſichtlich aus vem Welten 
von dem cornijchen Wort Stean (im Weljchen Istaen) für Zinn (Rev. 
Greathead in Transactions of the Geological Society of Cornwall II, 
362) nnd ijt mit diefem felbft wohl erit nad) Italien gelangt. Durch vie 
Verbreitung des Hinterindischen Zinnd auf dem Handelswege nach dem Wes 
fen läßt fich aber zugleich am Beften eine intereflante Thatfache erklären, auf 
tie zuerft Lichtenftein die Aufmerkjamfeit gelenkt hatte. Indem nämlich dieſer 
berühmte Zorfcher bei ven Batlapibetfchuanen- Stämmen des Inneren von 
Cid-Afrifa Schmudgegenftände fand, vie nicht aus reinem Kupfer, fonvern 
aus einer Legirung von Kupfer mit 7 p&t. Zinn nach Klaproth's Analyſe 


*) Nämlich in Mewar zwifchen der Parnaça und ihrem Norbzuflufle Kotaſari 
sah Todds Annals of Rajasthıan I, 12, 504. 

“) Schon A. W. von Schlegel (Berliner hiitorifcher Calender, 1829, 8) tventi- 
bite mit Kaoalreoos das Wort Kastira, welches ſich nach Herrn Prof. Bopp’s gefäl- 
iger Nittheilnug bei dem indiſchen Lericographen Hema⸗-Tſchandra findet, der nad 
7. wahrjcgeinlich dem 12. Jahrhundert unferer Zeitrechnung angehört. 

“.) 66 ergiebt fi hieraus, daß Tychſen's Anficht: es fei nicht wahrfcheinlich, 
kf mon für das Wort Kacolreoo; einen Urſprung aus ben öftlihen Sprachen er: 
gitelg werde, irrig iR -ferner daß auch Tychſen's Muthmaßung über ven Urfprung 
4 Rınıend ans dem Geitifchen, welchen er durch altgallifche und altbritifche Namen, 
we Caſſti Gaffivelaunns, Caſſibelanus glaubte unterftügen zu können (Beckmann's 
Beiträge zur Befchichte der Gutveung IV, 329) nicht minder unwahrſcheinlich if. 





134 Miscellen: 


beftanden (Lichtenftein Reifen DI, 587), mußte natürlich die Frage über ben 
Urfprung dieſes Zinns entftehen, da Süb- Afrika felbft, wie ſchon Lichtenftein 
bemerkt, Feine eigenen Zinnlagerftätten befigt. Der verdiente Forſcher glaubte 
died Zinn aus dem Norven ableiten zu koͤnnen, während der uralte Handel 
der Indier und Araber aus Indien nach ven Küftenplägen des dftlichen 
Afrika's die Herkunft des in Rede ſtehenden Metall viel natürlicher nach 
Hinter» Indien verweiſt. Yür eine Einfuhr des fremden Zinns nach Oſt⸗ 
Afrika fpricht aber nicht allein die Wahrfcheinlichkeit, ſondern fogar eine bes 
flimmte Thatfache, indem Arhians Periplus (Ev. Vincent 116) entſchie⸗ 
den fagt, daß Kaocizepog (freilich mit dem Zufahe 0Asyos) in ven Ha⸗ 
fen von Uvalites (jet den von Tadſchurra oder Zeila) eingeführt were. 
Vincent's Annahme in feinem gelehrten Commentar des Periplus, daß dies 
Zinn britifches gemwefen fei, hat nach dem Gefagten nicht viel Wahrfcheinlich« 
feit, obgleich allerdings im Mittelalter die Handelsverhaͤltniſſe des Morgen- 
Ianves fich fo verändert Hatten, daß nirgends mehr vie Einfuhr indischen Zinns 
nach Syrien und Aegypten, dagegen fehr beflimmt tie des englifchen über 
London, Brügge und Venedig nach Afre in Syrien berichtet wird. Jeden⸗ 
falls ift die außerorbentliche Verbreitung eined auf fo wenigen Stellen ver 
Erde vorkommenden Metall einer der für vie Geſchichte des Handels und der 
Cultur aller Zeiten interefianteften Gegenflände, ver einer genaueren Er⸗ 
forfchung fehr würdig wäre. Daß die Zinnprobucion Hinter» Indiens nie 
aufgehört Haben mag, ſcheint fich aber daraus zu ergeben, daß noch im Mit- 
telalter der arabifche Schriftftellee Abu Zeid dad Zinn Malacca's erwähnt 
(Renaudot Voyage de deux pelerins Arabes. Paris 1838. CDXVII), 
ferner daß e8 auch der befannte Al Warbi Caſdir ald ein Product aus In⸗ 
dien nennt, envlich daß wieder im Beginn ded 16. Jahrhunderts Ludwig Bar⸗ 
themia (Ramusio Viaggi 1613. I. fol. 1662) und Fernando Menvez Pinto 
(Algen. Hiftorie der Reifen X, 376) von dem Reichthum Malacca’8 an 


Zinn fprechen. Gumprecht. 


I. Die Inſel Biliton. Am 27. Juni 1851 landete auf Biliton eine 
Regierungd » Commifjlon, welche den mineralifchen Reichtum der Inſel un 
terfuchen follte, nebft zwei Privatleuten, die an einer Eoncefflon zur Ausbeu⸗ 
tung der dort befindlichen Minen betheiligt waren. Das Urtheil des Herrn 
Eroofewit in feiner Brofchüre, die Infel Biliton betreffend, ©. 39: „Die 
Haupfformation von Bangfa ift primair, Granit oder Syenit, während vie 
von Biliton aus fecondairen Gefteinen oder Sanpftein beſteht,“ hatte anfangs 
entmuthigenn gewirkt, da fich in den ſecundairen Gebilven felten oder niemals 
Erz findet *); aber bald Hatte man ſich überzeugt, daß mehrere Felsſtücke 


*) Gine Behauptung, die befanntlich nichts weniger als richtig id und außer 
durch die Vorkommniſſe von Eifenerzen noch durch zahlloſe Ablagerungen von Blei, 


ru Se 


Die Imfel Biliton und die Karimoninfeln in Hinter Indien. 135 


aus gutem fecunbairen Granit befichen, und noch an dem nämlichen Tage, 
va dies geſchah, erhielt man die volle Gewißheit über das Vorhandenſein von 
Zinnerzen. Herr Decker, Secretair der beiden Privatleute, brachte nämlich 
ee Kokosnußſchale vol guten Zinnerzed, das er am Fluſſe Saburih, einige 
hundert Elfen nörblich von dem Dorfe, wo man gelandet war, entdeckt hatte. 

Am folgenden Tage zerfireute fich vie Gefellfchaft nach verfchiedenen Rich⸗ 
tagen, um ven Boden näher zu unterfuchen, und Herr Decker fand an ver 
Weſtſpige der Infel, zu Zanjong Padan, nicht blos Kulit oder loſes Erz, 
fordern auch eine Horizontale Schicht oder Ader. „Wie auf Bangka, Tag Das 
Erz mehrere Zoll Did auf dem Kong (dem auf Bangfa alfo genannten, aus auf- 
gelöhen Feldſpath beſtehenden Thon), worunter bis jet werer in Cornwall, 
ach in Bangka eine Erzader gefunden worben iſt *). In Cornwall wird 
fegar an mehreren Stellen bis 50 Fuß Tiefe gegraben, aber nur um viefen 
Then in ven Porzellan» Fabriken zu gebrauchen. Der Kong bildet einen ho— 
rigentalen Boden, ver fo hart und feft ift, daß das Zinnerz nicht durchdrin⸗ 
gen kann; Doc) durch feine bedeutende Schwere arbeitet ſich das Erz mit ber 
Zeit durch den oberften Grund veflelben, ver aus Gartenerve, Sand, Granit 
u. ſ. w. beſteht. Die reichfien Fundoͤrter von Erz find ſtets auf dieſem har⸗ 
ten Shen, und dieſes bildet eine Schicht, deren Dicke von einigen Sollen 
bis zwei Fuß wechſelt“ **). 

Bei einer Beſichtigung der neuen Mine ergab es ſich, daß das Terrain 
and Alluvialboden beſtand, worin in einer Tiefe von 4 Fuß die Schicht von 
Zinnerz gefunden wurde. Sorgfältig war übrigens viefer Schatz von ven 
Eingebornen geheim gehalten worden, und Herr Decker hatte dem Chineſen, 


Kupfer⸗ uud Zinkerzen tiberlegt wird, wenn auch freilich die Binnerze Hinter» In: 
diens, wie erwähnt, faft ausfchließlich an ven Granit gebunden fein mögen. . 
©) Mach dem Berfafler des Artikels iſt der Kong der Chineſen identiſch mit 
vom Shelf ver Gornwaller. Da nun nad) de la Beche (Geological Report on Corn- 
wall, Devon and West Sommerset. London 1840, 399, 404) unter Shelf in Corn: 
wa zur die Oberfläche des primitiven Felſen verflanden wird, auf dem bie Zinnabla- 
gerungen gelagert find, der Fels aber immer granitifcher Natur nnd zuweilen fo at 
iR, daß er gewonnen werben fan, und fein zerſetzter Flußſpath ale Sorcellanerbe fünft- 
ish ausgefchlemmt wir, fo ergiebt fich, daß aucd der Kong auf Banca nichts als die 
zbere zerfepte Maſſe des anſtehenden Granits ifl. G. 
“=, Asch dies if unrichiig, da man in Cornwall, im⸗Erzgebirge und in ber 
foanifchen Provinz Balicien, wo, wie bemerkt, mit den hinterindiſchen übereinftimmende 
Serhältniffe vorfommen, noch jetzt Gänge und Adern derfelben Zinnerze, welche man 
hier gleichfalls ans den Schutimaffen, ehe fle erfchöpft wurden, ſtark anabentete, durch 
x fortwährend aufichließt (de la Beche XXX, 398). Wegen feiner Schwere 
het ſich das ioſe Zinmerz auch in den Schuitmaflen von Cornwall meift bis auf die 
tieferen Etellen derfelben herabgeſenkt und bildet hier eine Lage zunächft auf dem 
Ekif (ve la Bäche 398, 399). &8 ergiebt ſich zugleich Hieraus, daß der der geo: 
gelikhen Verhaͤliniſſe ſehr untundige affer ven Kong mit ver darüberliegenden 
Aueielen Bartenerde, Sand u. |. w. und den älteren, loſes Zinnerz führenden Schuits 
nefen irrigerweiſe für zufammengehörenve Gebilde Hält. Die alluvialen entftanden viel 
hiter, ale bie erwähnten Schuttmafien mit feinem Binn. Durch fie brauchte ſich das 
Ian elfo nicht einen Weg zu bahnen, um anf den Kong zu fommen. ®. 





136 Miscellen: 


ber ihm von biefer Mine Mittheilung gemacht, feft verfprechen mäflen, daß 
er feinen Namen nicht verratben wolle. Auffallend ift es überhaupt, daß 
die Eingebornen dieſe Mine nicht angebrochen Hatten, vie in ihrer Nähe lag 
und fich fo ergiebig erwies. 

Herr de Groot, Chef des Minenwefend in Invien, bemüßte fi an= 
fänglich vergebens, vie eigentliche Zinnlage in der Nähe des Fluſſes Tjirut⸗ 
jup aufzufinven, von der man eine Spur zu Tanjong Pandan entvedt hatte. 
MWährend man eben fo fruchtlos in dftlicher und nörblicher Richtung nach 
Zinn fuchte, wurde eine Eleine Mine am Flufie Pandjur, LM. SO. 
von dem benting oder Fort am Fluſſe Tjirutjup, wo die Landung flattge- 
funden Hatte, aufgefunden. Diefe wurde fpäter von einigen Arbeitern anges 
brochen und lieferte bis jegt ungefähr 100 Pikul Erz. Alles was gefchehen, 
war aber ohne Mitwirfung des Depatti (Oberhauptes der Infel), der ſich 
überhaupt der Bearbeitung von Zinnminen auf Biliton beftänvig abgeneigt 
gezeigt Hatte, in's Werk gefeht worden. Seine Antwort, ald man bei ver An⸗ 
funft der Commiſſion von ihm nähere Auffchlüffe über die Zinnvorkonmniffe 
auf der Inſel verlangte, Tann in ver That ald Mufter ver Diplomatie jener 
Gegenden des invifchen Oceans betrachtet werben. Sie lautete: „Wenn 
der bollänvifhe Gouverneur verlangt, dag Zinn auf Biliton 
fein foll, vann muß Zinn va fein, und will er es nicht, fo ift 
auch feins vorhanden.“ Sekt wurde fein Beiſtand ernfllich in Anſpruch 
genommen, und wirflich brachte er nach einigen Tagen etwas Zinn von einem 
Flügchen, das ungefähr 2 M. dftlich von dem Benting lag. „Den folgenden 
Morgen zug vie ganze Gefelfchaft dahin und fand in einem Braben, dicht an 
der Duelle des Flügchens, fchönes Kulit-Zinn*) in anfehnlicher Menge. 
Der Kong wurve in 4 Buß Tiefe erreicht, doch lag Feine Schicht darüber 
(sic! G.). Die Menge Erz auf der ganzen Oberfläche und das ganze Aus⸗ 
fehen des Thales ließ jedoch vie Unterſuchenden annehmen, daß etwas tiefer 
unten im Thale eine Schicht gefunden werden müffe, und in ber That wurde 
auch, etwa 150 Ellen tiefer, an einer Stelle, wo der Kong in 9 Zuß Tiefe 
gefunden ward, ber Anfang einer Heinen, 2—3 Zoll dicken Schicht, wahr- 
genommen. Am folgenden Tage grub man eine dritte Grube, wohl 150 EI- 
Ien tiefer im Thal, und war fo glüklih, in 13 Fuß Tiefe eine fohöne, auf 
dem Kong befindliche, einen Fuß vide Schicht zu finden. Diefe Iekte Grube 
erforderte eine Arbeit von 2 Tagen mit 15 Mann, und nur mittelft einer klei⸗ 
nen von Toboali, dem nächftgelegenen Hafen auf Bangfa, gebrachten Bumpe 
fonnte man des Waſſers Herr werden. — Dies gefhah am 12. Juli, und 


©) Nach einer fpäteren Erklärung des Verfaſſers ſcheint unter Kulit-Zium nur 
das Zinnerz verflanden zu werben, welches in ifolirten Sragmenten in den Schuttmaf- 
fen zerfitent vorfommt, und daß davon dasjenige Zinnerz unterfchieden wird, welches 
in der Lage auf der Oberfläche des Kong gehäuft if. @ 


‚> 


Die Infel Biliton und vie Karimoninfeln in HintersIndien. 137 


ve diefe Mine (Leſong Batang) überall ſowohl mit Waller, als mit Erz, 
was beides gleich nothwendig ift, verfehen fchien, wurde fie für tauglich zum 
Eröffnen erflärt, und es war demnach die Frage über die Exiftenz von bau⸗ 
würdigen Zinnerzen auf Biliton als gelöft zu betrachten; denn in der That 
mire es wohl ſehr feltfan geweſen, wenn wir binnen 14 Tagen die zwei 
cinzigen Erz» Ablagerungen auf der Infel entdeckt hätten.“ Die Gefellichaft, 
fchr erfreut über vie biäherigen NMefultate, gab nun dem Depatti und den an⸗ 
geſchenſten Einwohnern des Kampongs (Dorfes) ein Bet, an welchem auch 
bie Dfficiere des gerade auf ver Rhede liegenden Schooners Aruba Theil 
nahmen. An Der Front des Bentings, das vielfach mit Laubgewinden ges 
fhmüdt war, wurde die Eleine Quantität Zinn angebracht, welches man aus 
ven von der Commiſſion gefundenen Erz gefchmolzen Hatte. Vom ort ers 
vröhnten am Morgen des Feſttages die alten Kanonen, und die Infulaner 
führten triegerifche und andere Tänze aus. Nachdem die Hitze des Tages für 
einige Zeit die Feier unterbrochen, wurde fie am Abend durch eine Illumina⸗ 
tion und ein fröhliches Mahl, Heftchenn aus Reis mit Sambal (? ©), Ges 
Hügel, getrockneten Fiſchen, gebratenen Pifangs u. f. w. wieder aufgenommen. 
Während des ganzen Tages beobachteten die Eingebornen einen: folchen Ans 
Rand, daß ihr Benehmen mancher europäifchen Gefellfchaft, welche die fchlich- 
ten Injulaner an Bildung tief unter fich glaubt, Hätte zum Muſter dienen 
Tonnen. Wenige Tage nachher begab fich ein Mitglien der conceffionirten Ges 
ſellſchaft auf dem, Aruba“ nach Batavia, wo der erfreute Gouverneur be» 
reitwillig die Erlaubniß ertheilte, eine Anzahl Chinefen von Singapore nach 
Biliton zur Bearbeitung der erften Mine, Lefong Batang, Hinüberzuführen. 
Die Behörden zu Batavia waren verwundert über die rafche Löfung ver Frage 
in Bezug auf das Vorhandenſein von Zinn auf Biliton *). Es hielt zwar 
nicht fchwer, 50 Mann anzumwerben; da aber die chineftfche Emigration ſchon 
im Srühjahr zu Singapore angelommen war und bie beiten Arbeiter den 
Sommer über Arbeit gefunden hatten, fo mußte ein ziemlich Hohes Tagelohn 
bereilligt werben. — Bon Muntof wurden fie in inlänvifchen Kähnen fort 
sefchafft, und nicht lange nachher landeten fie auf Biliton. Nach dem üblis 
den Hefte, ohne welches Fein Ehinefe etwas unternehmen will, ſandte man fie 
nach Lefong Batang. Die liftigen Chinefen ftellen fich, als ob fle einem ſol⸗ 
hen Feſte einen gottesdienſtlichen Character beilegten, obſchon aller Wahr⸗ 
feinlichfeit nach ihr Cigennutz mehr im Spiel ift, als vie Gottheit, deren 
Haupt fie fich angeblich zuwenden wollen. Sie felbft fchmaufen das fette 
Feiſch der Schweine und Vögel und legen nur die Knochen und ven Abfall 


#) Die Behörben hätten hierüber nicht in Zweifel fein Fönnen, wenn fie ſich 
zit deu Berhältnifien Biliton's beſſer befannt gemacht hätten. Denn daß das Zinn 
ku früheren Behörden befannt war, ergiebt fih aus den vorhin angeführten beftimm- 
wa Worten Zemmind’s, welchem fehr gute Nachrichten und namentlich das Archiv 
xt damaligen niederländifchen Golonialminifters zu Gebote fanden. ©. 


138 Miscellen: 


an ven Buß einer Art Altar, worauf einige brennende Kerzen und das rohe 
Bild ihres Tapekkong geftellt find, während das Verbrennen von einigem Opfer 
papier die einzige Ceremonie ift, vie man ald ven gotteövienftlichen Theil des 
Feſtes anſehen ann, 

Die einfachen techniſchen Anſtalten zur Zinnerz⸗Foͤrderung gingen nur 
langſam von Statten, und die Thaͤtigkeit der Chineſen, die man unvorſichtiger 
Weiſe auf Tagelofn gebungen hatte, zeigte fich in fehr ungünftigem Lichte. 
Untervefien unterfuchten zwei Regierungd= Ingenieure das Land in NO. und 
SD. Richtung mit wechfelnden Erfolg, doch fanden fie. an den meiften Stel- 
len Kulit- Zinn, und Tleine Schichten davon, ja manche Streden verjprachen 
felbft, bei näherer Unterfuchung, reiche Minen abzugeben. 

Am 4. October wurde eine nähere Unterfuchung des Landes, theild zu 
Fuß, theils in Kähnen, auf welchen man längs der Infel fuhr und felbft in 
Mündungen ver Flüſſe an geeigneten Orten einprang, begonnen. Aus ben 
nach Art eined Tagebuches erflatteten Bericht heben wir zunächft ganz allge- 
mein die Ergebnifle Hinfichtlich de8 Zinns hervor, wonach, wie fich erwarten 
läßt, überall gefucht wurde. 

Die Felſen längs der Küfte fand man nämlich granitifcher Befchaffenheit 
und ganz fo gebaut wie die von Bangka. An fehr vielen Stellen nahm man 
theils Kulit, theild reiche Schichten von Zinn wahr, doch war das lebte nicht im⸗ 
mer mit dem nöthigen Waflervorrath verbunden, fo daß man Minen mit Bor- 
theil hätte anlegen können. Das eiferfüchtige Beftreben ver Bewohner, die mine⸗ 
ralifchen Schäße ded Bodens nicht zu verrathen, ungeachtet von ihnen felbft kaum 
irgend ein Gebrauch von Zinn gemacht wurde, ließ vie Gefellfchaft mit Sicher- 
beit fchließen, daß felbft vie Orte, wo fie einen großen Reichthum von Zinn» 
erzen fand, noch nicht die ergiebigften fein. Telok Padang liegt z. B. mit« 
ten in einem erzreichen Diftrict. Außerdem zeigte fich Zinn befonverd an dem 
Flüßchen Sinkali und Sungi Saban Rafu, wie überhaupt die Glieder der 
Commiffion die Anficht gewannen, daß Biliton einen Ueberfluß an Zinnerzen 
babe. Außerdem fand man noch Kupfererze an einer Stelle in dem Fels⸗ 
geftein, Eifenerze und, wie die Mitglieder ver Commiſſion glaubten, Titan 
Eiſenerz. Nach den legten Nachrichten werben jetzt 9 Minen bearbeitet, vie 
alle noch in viefem Jahre (1853) Zinn liefern follen. Inzwiſchen wurben 
mehr neue Vorkommniſſe entdeckt, ald Hände zur Gewinnung bed Erzes vor⸗ 
handen waren; doch follen auch dieſe Stellen durch die 500 Arbeiter bear- 
beitet werben, bie um dieſe Zeit ankommen müflen. Im Tanjong⸗Pandan⸗ 
Diftriet find die Minen von Leſong⸗Batang (von den Chineſen Lanfahin, 
d. 5. die Blume der Blumen, genannt), NRembing, Ajer, Krappa Klab, 
Laba Luar, Ajer Baik und Manpjembingan, weldye fämmtlich zum Frühjahr 
Erz zum Schmelzen in Vorrat haben werden. Ein neuer Diſtrict wurde zu 
Sidjuk im Norden gefunden, wo bereitd die Minen von Tifus, Balanfat und 


RESET _ 


Die Infel Biliton und die Karimoninfeln in Hinter-Indin. 139 


Dalan bearbeitet werden, während noch andere Stellen in vemfelben Diftrict 
auf Hände zum Eröffnen warten. Die Chinefen find Bier, wie faft überall 
in Hinter⸗Indien, die beften Werkleute und befonvers willig, aber, obwohl fie in 
rer Intelligenz ven Malaien nachfiehen, zum Betrug fehr geneigt. Es wur- 
ten bereitd auf Biliton zwei neue Padhäufer gebaut, ein gutes hoͤlzernes 
Hand wird rafch beendigt fein, indem mit dem Bau bis zu dem Weſtmouſ⸗ 
fen gewartet worden ift, weil die Sika's dann nicht auf das Meer fifchen ges 
ben können, alfo nichts zu thun Haben und fehr bereit find, Geld und Reis 
mit Behauen ver Balken, worin fle ſehr geſchickt find, zu verdienen. 
Der höchfte Berg ver Inſel iſt der Tadijam, von welchem aus fich eine 
Neihe Berge in immer geringerer Höhe bis zur Küfte erſtreckt. Durch vie 
wechſeluden Land» und Seewinde iſt die Hite nicht drückend, da das Ther⸗ 
muomeier Morgens und Abends gewöhnlich 72— 74°, und Mittags felten 
SA® Sahınd. zeigt. Zahlreichere größere, worunter der Lingan, wie e& fcheint, 
wer bedeuntendſte ift, und fleinere Fluſſe firömen ver Küfte zu, die bald aus feis 
nem weißen Sande, von fihönen Bäumen umgeben, bald aus Granitfelfen 
befteht und dem Seemann gefährlich if. Oft bedecken Rhizophoren das Ufer 
mund erfchweren den Zugang; namentlich gilt Died von der Suüdküſte. An Holz 
if durchaus Fein Mangel. Die Regierungscommiſſion war den Fluß Lin⸗ 
gan 20 Meilen weit anfwärtd gefahren. Diefer breite Fluß entfpringt auf 
Dem Tadjam, von wo auch der Tjirutjup kommt, der an der Mündung und 
mehrere Reilen vavon 400 Ellen breit und alfo ein fchöner Strom ifl. 
Die Inſulaner fagen, daß beider Quellen nur durch einen Baum von einander 
getremnt feien, obſchon ber eine Fluß nach W., der andere nach O. läuft. Die 
mubamedanifchen Bewohner leben in Kampongs oder Dörfern, die zum Theil 
ſehr romantifch gelegen find, und von denen die größten, welche man antraf, 
nur bis acht Haͤuſer zählten. Die Injel ift reich an wilden Schweinen, des 
ren Fleiſch, befonders wenn fie jung find, fo ſchmackhaft und fo zart und 
weis, wie dad befte Kalbfleifch ift, und an Hirfchen. Dem Depatti find vier 
Fagebei'd oder Diftrictöhäuptlinge untergeorbnet. Er felbft vegiert den Di⸗ 
ſtrict von Zfirutfup; die vier übrigen Diftricte, worin noch Biliton getheilt 
iR, und welche von Ingebei's verwaltet werden, heißen: Sidjuk, Bubing, Ba- 
dar und Blantin. Daß die hollaͤndiſche Megierung ſich in Anfehen zu erhal⸗ 
ta weiß, davon zeugt folgender Vorfall: Einige Monate nach der Ankunft 
ber Regierungscommiflion hatte Mannina, bad Oberhaupt von Blantu, und 
abe Gäuptlinge den Depatti um Würfprache bei den „Tuan Blanda“ 
(Iellänbifche Herren) erſucht, damit fie für ihre früheren Plünderungen Ver- 
van erhielten. Obgleich die Commiſſion mit feinerlei Art von Gewalt 
war, Gewilligte man doch den Bittenden eine Unterredung, welche 
nes Depatti ftattfand, und zu welcher fich außer den 3 Haͤuptlin⸗ 
ya noch um gefahr 80 Sika's einfanden. Sie führten befonders Mangel an 


140 Miscellen: 


Neid und Mifrathen des Trepangfanges*) als Gründe ihrer Vergehungen 
an, die vermuthlich in Plünvderungen, welche fie 3— 4 Jahre zuvor auf Java 
verübt Hatten, beftanden, und wovon ihnen übrigens gar nichts bewieſen wer⸗ 
ven fonnte. Sie verficherten, ihr Unrecht fehr zu bereuen, leifteten am fol» 
genden Tage vor dem Depatti, dem von den Nieverländern anerkannten Für⸗ 
ften der Infel, freiwillig in der Mofchee einen feierlichen Eid wegen ferneten 
Gehorfams, und verpflichteten ſich auf Verlangen, felbft ihre Kriegskaͤhne mit 
Geſchütz auszuliefern, wofür ihnen eine entfprechende Sunme an Gelb und 
Reis zugefagt wurde. Wirflich erfchienen fie nach einiger Zeit mit Weibern 
und Kindern in anfehnlicher Menge wieder und famen pünktlich ihren Ver⸗ 
pflichtungen nah. Es war das erfte Mal, fagte und der Depatti, daß viele 
Häuptlinge in der Bai an der Mündung des Tjirutjup erfchienen waren. 

U. Die Karimoninfeln **) Am ſüdlichen Eingange ver Straße von 
Malacca, zwifchen dem 1. und 2. Grave n. Br., liegen zwei Infeln, welche 
„Groß⸗Karimon“ und „Klein-Karimon“ heißen. Die erfte Bat eine Länge 
von 12, die letztere, fünmeftlich von jener und durch einen engen Canal von 
ihr getrennt, von 24 engl. Meilen. In der Mitte von Klein=Karimon erhebt 
fich ein mit vielem Gebüfch bedeckter Pick. Groß-Karimon bat dagegen auf 
feiner Nordſeite zwei Pils, von welchen ver höchfte 1500 Fuß erreicht, wäh 
rend das fie umgebende Land flach und eben if. Das Klima muß fehr an⸗ 
genehm und gefund fein. — Dies, und nicht viel mehr, Tiefe fich etwa von 
den Infeln fagen, wenn nicht fchon vor vielen Jahren ein mineralifcher Schaß 
enideckt worden wäre, der bei Fräftiger Anwendung von Kapital und Indu⸗ 
ftrie recht anfehnliche Vortheile verfpricht, ange Zeit aber fo gut, wie unbe⸗ 
kannt gewefen iſt. Die beiden Infeln gehören nämlich zum Gebiet des Sul⸗ 
tand von Ringa, und ſtehen unter der unmittelbaren Regierung bed Unter⸗ 
koͤnigs von Rhio, der als eine Art von Statthalter des Sultans, zugleich 
aber auch als Nebenbubler deſſelben betrachtet wernen Tann. Schon vor 
längerer Zeit ließ der Unterlönig von Groß- Karimon fir eigene Rechnung 
Zinn graben, woran die Infel, nach glaubwürbigen Berichten, fehr reich ift, 
fand aber dabei wenig feine Rechnung, da ihm die Mittel, die nöthigen Kennt⸗ 
niffe und die gehörige Verwaltung fehlten, vie Arbeiter auch Feine Chinefen, 
wie auf Bangla und Malacca, fondern Malaien und andere Eingeborene wa⸗ 
ten. Gr verpachtete daher die Zinngruben an den vormaligen Aufſeher ver 
Emoi⸗Chineſen zu Rhio, welcher in A Jahren nicht mehr als 821,32 Pifuls 


) Trepang iſt bekanntlich vie eßbare Holothurie (Holothuria edulis), 

in dieſen Gewaͤſſern fo haͤnfig vor den Malayen gefiſcht und meiſt anf ten chinefti⸗ 
ſchen Markt gebracht wird, wo man fie thener bezahlt. Der Trepang if deshalb nächft 
dem Pfeffer der wichtigfte Erportartikel der hinterindiſchen Juſeln nach &hina (Geueiar). 


*®) Diefe beiden unfern Singapore und Rhio gelegenen Karimoninfeln find von 
den Karimoniufeln an dem Nordende Java's wohl zu unſerſcheiden, welche Ießte man 
deshalb wohl die Karimon⸗Javainſeln nennt. G. 


Das Sprifche und Hebräifche als lebende Sprachen. 141 


Zinn gewann *) und im Jahre 1831, da er überdies einen zu hohen Pacht⸗ 
ind (3 Species für den Pikul) entrichten ſollte, das Unternehmen wieder aufs 
zab. Run kam die Zinnerz- Gewinnung auf Groß» Rarimon immer mehr in 
Berfall, die Arbeiter zogen fort, und in den legten 12 Jahren bat die Infel 
aicht einen Pikul Zinn geliefert. In der Testen Zeit jedoch, da man auch 
ia Indien über vie Thätigfeit und vie Kräfte von Privatleuten anders zu ur⸗ 
teilen anfängt, nahm der Unterfönig von Rhio, überzeugt von dem großen 
Zimmreichthum Der Infel, die Angelegenheit wiever auf, und hat nun vor Kur⸗ 
em mit Herrn van den Bergh unter billigen Bebingungen einen Pachtcon⸗ 
tract auf 25 Jahre zur Ausbeutung der Minen von Groß» Karimon gefchlof- 
fen, der nur noch der Beftätigung des General⸗Gouverneurs bevarf. 
Aber eben dieſe Beflätigung, meint der DBerichterftatter, die oft lange auf ſich 
warten läßt, vie läfligen Bormalitäten bei verjelben u. |. w. find den einhei⸗ 
miſchen Fürften fo verhaßt, daß fle lieber die reichen Schäße, die der Boden 
ihrer Länter birgt, geheim halten oder eö vorziehen, mit ven Englänbern, die 
ihre feindfelige Stimmung gegen die hollaͤndiſche Regierung zu nähren fuchen, 
in Verbindung zu treten, wie denn 3.3. für englifche Rechnung ver Sul- 
tan von Linga auf der Infel Singfep Zinn graben laßt. Es ift ein Ver⸗ 
dienft von van Hosvell's Zeitfchrift, daß es diefem falfchen Syſtem ver Re⸗ 
gierungsmonopolien und der zu ängftlichen Bevormundung der Privatindus 
Arie, woron fich die nienerländifche Verwaltung in Indien in Folge ihrer Ge⸗ 
wöhnung aus alter Zeit noch immer nicht ganz Iosmachen kann, möglichft 





Das Syrifche und Sebräifche als Iebende Sprachen. — 
€ war bisher allgemein angenommen, daß die urfprünglichen Landesſprachen 
m Syrim und PBaläftina durch die arabifche Eroberung bis zum Verſchwin⸗ 
von verprängt feien, während ſich Doch die erfte, wie man fchon im vorigen 
ahrhunderte durch Niebuhr erfuhr (Meife II, 352; II, 193), außerhalb 
ned jehigen Syriens in den Dörfern um Moful ald Herrfchende Sprache im 
Gebrauch erhalten Hat, und ferner die neueren fprachlichen Forfchungen der 
sordamerifanifchen Miſſionare, beſonders die von Perkins, in den Gebirge: 
zegenden zwifchen dem Wan und Urümiehfee erwielen, daß auch da ein Dia⸗ 
lect des Sprifchen bei der chriftlichen Bevölkerung allgemein geredet wird. 
Bir verbanten vie allgemeinere Kenntniß des lebten Iinguiftifchen Phänomens 
a Deutfchland beſonders Mitter (Monatöberichte der Berliner geogr. Geſell⸗ 
fait 1840. I, 6— 10). — Wenn verjelbe aber feinen Mitteilungen hin⸗ 


⸗ ich 1828...... . 186,91 Bifuls 
BELLE ER 
4 . . . . . . . ⸗ 8 
41831 - : : 2 20°. 215,89 = 


Im Ganzen 821,32 Biluls. 





142 Miscellen: 


zufügt, daß ungeachtet Niebuhr's Verficherung über die Eriftenz des Syrifchen 
bei Moful diefer Gegenſtand im Dunkeln geblieben fei, fo liefert die neuefte 
Zeit eine fehr beflimmte Beftätigung dieſer Thatfache, indem der amerifani« 
fche Mifflonar Marfh bei einer Reife von Moful nad Marvin, deren Bes 
fohreibung ſich in den amerifanifchen Mifjionsjournal Missionary Herald 
1852, XLVIO, 108 u. f. w. findet, ganz beflimmt verfichert, daß er bei ſei⸗ 
ner Abreife von Moful einen Dialeet des modernen, Fellah (wahrfcheinlich 
arabifh: Die Bauernſprache, da dad Sprifche, wie ſchon Niebuhr an⸗ 
giebt, fat ganz aus den Städten verſchwunden ift und nur noch in den Doͤr⸗ 
fern geredet wird) von ihm genannten Sprifchen, bis Jezireh gefunden babe 
und daß daffelbe auch in Khonduk und Butan im Gebrauch fei, während man 
fich zu Jezireh, Azakh und Jsphis des Arabifchen als Umgangsſprache bes 
diene. Bei Jezireh fei das Syrifche aber beſonders im Gebrauch, nämlich 
in dem zweifchen Iezireh und Marvin gelegenen Ausläufer des Furbifchen Berg⸗ 
Ianves, welcher oberhalb Jezireh ven Tigrid überfehe, dann über Martin und 
füolich von Diarbefir bis nahe zum Euphrat reiche und den Hauptfig und 
die Sauptburg der Jacobiten bilde, welche auf vemfelben in 200 Dörfern woh⸗ 
nen. Indeſſen fand Marſh auf feiner Bereifung des Tür, worüber leider 
der Bericht durch das amerifanifche Journal nicht mitgetheilt wird, daß der 
bei deſſen Bewohnern gefprochene und nad) dem Tür dad Torane genannte 
Dialect ein fehr verborbener fei. Er kommt bier in Berührung mit vem Kur⸗ 
pifchen, obwohl die Kurven in getrennten Dörfern wohnen (S. 108). Uns 
ter diefen Umfländen ift eine neuere Entvedung des gelehrten, im Augenblick 
auf einer Reife im Orient begriffenen armenifchen Sprachforfchere, des Pro⸗ 
feflor H. Petermann aus Berlin, die wir aus veſſen hierher gefandten Ori⸗ 
ginalmittheilungen Eennen lernen, um fo intereffanter, indem Petermann wäh- 
rend feined Aufenthaltes in Damascus im verflofienen Jahre erfuhr, daß fich 
in der Nähe diefer Stadt und mitten unter einer arabijch redenden Vevölke⸗ 
rung bei den chriftlichen Bewohnern des Dorfes Walüla dad Syrifche als 
gewöhnliche Umgangsfprache erhalten babe. Er fäumte nicht, fich balvigft 
von der Wahrheit dieſer merfwärtigen Nachricht am Orte felbft zu überzeu- 
gen, was ihm auch vollftänvigft gelang, obwohl er es fich vorbehalten mußte, 
fpäter genauere Uinterfuchungen durch einen längeren Aufenthalt in Malüla anzu⸗ 
ftellen. Es ift aber Malüla nach Petermann ein an einem Felſenabhange höchſt 
romantifch gelegener chriftlicher, ganz von Muhamedanern umgebener Ort, 
über welchen noch ein mehrere Hundert Buß hoher Belfen einporragt, und der 
von 3 Seiten durch Fahles Felsgeſtein umfchloffen wird. Neben ihm liegt ein 
von griechifch = Fatholifchen Mönchen bewohntes Klofter. Unſer Reifenver be 
merft Hierzu, daß die Rage des Ortes auf den bisherigen Karten falſch an⸗ 
gegeben fei, indem er dieſen gerade nörvlich von Damascus mit nur geringer 
Abweihung nad) Weften gefunnen habe, wogegen Kiepertvenfelben auf feiner 
Karte von Paläftina, Berlin 1842, nad) Nordoften von Damascud auf der 


Das Sprijche und Hebräifche ald lebende Sprachen. 143 


großen Straße von Damascus Über Menin (moher die Einwohner dieſer Stadt 
ihr Eis beziehen), Maarra, Debrup und Hemd nach Aleppo verlegt und bie 
Arrowſmithſche Karte, wie Petermann tabelt, ihn fogar in eine ganz entges 
gengeſezte Richtung, nämlich wetlih von Damascus, verfeßt. Der ſehr .ifos 
irten und wohl gefchügten Lage Malüla’8 fcheint nun vorzugsweiſe zugefchries 
ben weruen zu müflen, daß fich bei deſſen Bewohner das Syrifche fortwaͤh⸗ 
rend im Gebrauch erhalten bat. Kein einziger neuerer Neifenver giebt übri⸗ 
gens von dieſer Thatfache Kunde. Es ift demnach nicht unmöglich, daß fpä= 
tere Unterfuchungen felbft noch an anveren ähnlich gelegenen Puncten des ſy⸗ 
riſchen Gebirgslandes dieſelbe Spracheigenthümlichkeit nachmeifen werden. — 
Das au das Hebräifche gleichfam vafenartig noch im Gebrauch in Paläftina 
sorfommt, ift gleichfalls eine Entdeckung ver neueften Zeit. Um die Mitte 
des Monat Auguft d. I. kam naͤmlich der anderthalb Jahr in Jeruſalem ſta⸗ 
tionirt geweſene Judenmiſſionar Reichardt auf feiner Neife nad) London durch 
Berlm und berichtete hier über eine von ihm in Galiläa in Gemeinfchaft mit 
dem bekannten, lange Zeit in Paläflina wohnhaften Miſſtonar Nicolaifon ges 
machte merfwürbige Entdeckung. Beide trafen in ven Bergen von Galiläa 
im der Richtung zwiſchen Affa und Nazareth} nörvlich von Schefa⸗Anner ein 
ganz von Aderbau treibenden Juben bewohntes Dorf Bukeah, deſſen Bevoͤl⸗ 
ferung ſich von ihren morgenländifchen und abendlaͤndiſchen Blaubensgenof- 
jen in Palaſtina dadurch unterfcheivet, daß fie weder deutſch noch fpanifch, 
wie die meiften derſelben nach ihrer verſchiedenen Abſtammung, fondern nur 
SHSebraͤiſch neben der arabifchen Landesſprache redet. Der Sage nach wols 
len viefe Juden feit ver Zerftörung Serufalems und der Zerflreuung ihres 
Volkes durch die Nömer beftändig in ihrem Dorf anfäfltg geblieben fein. Lei⸗ 
der theilt unfere Quelle, das Berliner Correfponbenzblatt, nichtd weiter über 
diefe Entdeckung mit, die jedenfalls einer genaueren Erforſchung würdig ift, 
und wenn fle ſich, fo wie die von Petermann, beftätigt, ein neued Beifpiel 
ver Bivacität untergegangen geglaubter Sprachen geben bürfte, ähnlich dem 
intereffanten, welcheö vor etwa 13 Jahren Al. Burnes Entvedung eined von 
ten wegen ihres Nichtmuhamedanismus durch ihre muhamebanifchen Nachbarn 
allgemein lingläubige (Kafir) oder auch wohl Siah pol, d.h. Schwarz⸗ 
töde genannten freien Bewohnern der norpweftlichen Fortſetzung des Hima⸗ 
laya, des fogenannten Hindu Khofch, geredeten Sanscritvialects, nad) Bopp's 
Unterfuchung eines durch Burnes gefammelten TWörterverzeichniffes der Siah⸗ 
poͤſchſprache (Mitter und Bopp in den Berl. geogr. Monatöb. I, 1—6) ge- 
lieſert bat. Doch ift hierbei zu bemerken, daß Laſſens gelehrtes Werk (Indi⸗ 
fe Altertfumstunde. I, 19—21 und 421) bei ver Schilverung des Hindu 
Khef; und ver Siah poͤſch nichts von viefer philologifchen Entdeckung berich- 
it, indem er fie gar nicht erwähnt. 
Zufag. Spätere Nachforfchungen führten noch zu einigen beftätigen- 
den und erweiternden Zufägen zu ven angeführten Mittheilungen über bie 





144 Miscellen: 


Eriftenz und das Wieneraufleben des Syrifchen als lebender Sprache in Me⸗ 
fopotamien und Syrien. So berichtete bereits im Jahre 1840 der nordame⸗ 
rikaniſche Miffionar Dr. Grant (Missionary Herald 1840, 130), daß von 
den. Sacobiten, welche verfelbe ven zahlreichften Theil ver Bevölkerung des 
nörblicheren Mefopotamiens bei Moful und Marvin nennt, diejenigen, welche 
in diefen beiden Stäpten felbft wohnen, das Syriſche ganz vergefien hätten 
und ſich nur noch des Arabifchen ald Umgangsſprache bebienten, ja felbft bei 
ihren Prieſtern habe fich die Kenntniß des Alt Sprifchen, der Kirchenfprache 
der Sacobiten, fo verloren, daß nicht alle mehr viefelbe verfichen. Diefes 
völlige Verfchwinven ihrer alten Wutterfprache bei ven Chriften ver bedeu⸗ 
tendften Städte des nörblichen Mefopotamiens, fügt Grant Hinzu, fei jehr zu 
beklagen, weil Dadurch ein Band gelöft worden wäre, welches einft vie Chri⸗ 
ſten der affprifchen Ebenen mit ihren Stammverwandten im Gebirge zwifchen 
dem Urümileh- und Wanfee, verbunden habe. Indeſſen gebe es noch öftlich 
von Marvin eine beträchtliche ſyriſche Bevölkerung, welche einen Dialect des 
neueren Syriſch fpreche, der aber fehr verfchienen jei von dem Sprifchen ver 
Neftorianer; auch bevienten fich dieſe Syrier der Ebmen, wenn fie das Alt⸗ 
Sprifche fchrieben, ganz anderer Lettern, als die Neftorianer im Gebirge. In 
neuerer Zeit wurden Grant's Mittheilungen wieder burch ven fchon er⸗ 
wähnten amerifanifchen Miſſionar Perkins beftätigt, welcher aus eigener 'An= 
fhauung fich überzeugte, daß in Moful die Chriften und Juden einzig ara= 
bifch fprechen, daß aber in den Dörfern bei Moſul beine Gefchlechter ver 
Jacobiten und ver zur katholiſchen Kirche übergetretenen Neftorianer nur das 
neuere Syrifch reden. Für Emporhebung viefer in religiöfer und geiftiger 
Hinſicht feit vielen Jahrhunderten fehr berabgefommenen Syrer haben nun 
die amerikanischen Mifftonare feit 15 Jahren ungemein thätig und vortheilhaft 
gewirkt. Sie waren es auch, welche zuerft das neuere Syriſch der Schrift 
unterwarfen, währenp vie fatholifchen Miſſionare bei den von ihnen im vo⸗ 
rigen Jahrhundert gewonnenen Projelyten fehr zur Verbrängung dieſer Sprache 
beitrugen, indem fie flatt derfelben pad Arabifche zur Schriftfprache machten. 
In dem Neu=-Sprifchen verfaßten alfo die Amerikaner die erftien Erbauungs- 
und Oefangbücher, fo wie durch fie noch, und namentlich vurch Perkins, all⸗ 
mälig vie ganze Bibel überfegt worven if. So waren ſchon 1845 die vier 
Evangelien vollendet. Zwei Jahre fpäter befaßen die Syrer das vollfländige 
neue Teftament, welches in gefpaltenen Columnen gedruckt wurde, fo daß auf 
demfelben Blatt der altiyrifche Tert ſtets dem neufprifchen gegenüberfteht, um. 
dem Volk Gelegenheit zu geben, auf ver Bafld feiner alten reinen Sprache 
feine jeßige verborbene zu reformiren, in ähnlicher Weife wie es bie neueren 
Griechen mit der ihrigen gethan haben. Im Jahre 1849 war endlich auch 
die Ueberfeßung des alten Teftaments nach zweijähriger Arbeit durch Perkins 
beenvigt worben (Missionary Herald 1849, 197), ver dabei bemerft, daß 
die große Achnlichkeit de8 modernen Syriſch und bed Gebräifchen fehr Dazu 


— — ee SET 


Das Syriſche und Hebräifche als lebende Sprachen. 145 


hagetragen haben, ihm vie Arbeit interejlanter, leichter und angenehmer zu 
mie. Das gleichzeitige Beſtreben ver Mifjlonare durch Schulen für beide 
Geſchlechter und felbft für die Erwachſenen überall, wo fie Stationen baben, 
rie zu Uramieh, Geog Tapa, Marvin u. |. w. die Kenntniß des Syri⸗ 
ken zu befeſtigen und zu verbreiten, ſowie der Schuß, den die chrift- 
hen Syrer nunmehr überall in den afiyrifchen Ebenen fowohl, wie im ne= 
ſerianiſchen Gebirge durch die türkifchen Behörden genießen, giebt die erfreu- 
bee Ausficht, Daß Die alte, ehrwürbige ſyriſche Sprache nicht fobaln nem Unter⸗ 
gange erliegen wirn. Namentlich war e8 in neuerer Zeit möglich, die Seminare 
ud Schulen, in denen das Syrifche Unterrichtöfprache ift, allmälig der ftrengen 
Ordnung zu unterwerfen, wie fle in Europa und Nordamerika üblich ift. Die 
Schulen find jo zahlreich beſetzt, daß die Sonntagsfchule zu Geog Tapa, einer 
ver amerifanifchen Gauptftationen im Gebirgslande, von mehr ala 200 Schüs- 
lern bejucht wird (Missionary Herald 1852, 204). Außerdem ift zu Uruͤ⸗ 
mich ein Seminar, das bereitd 20 Jünglinge ausbilvet, zur Heranbildung 
von Lehrern in gutem Wortgang (Missionary Herald 1853, 142). Nod 
iſt es aber nicht gelungen, dieſe geiftige Thätigfeit unter ven Bewohnern des 
Dſcheble Tur (Fur Heißt, fo wie Dſchebel, Gebirge) zu verbreiten, und es fcheint 
nach den nordamerikaniſchen Miſſionaren auch nicht, daß, außer Merfh, irgend einer 
berfelben in das Innere des Tur gelangte, obgleich Iezireh, von dem Miſſio⸗ 
nar Wbrigt neuerlicht (Missionary Herald 1850, 132) vie Eingangspforte 
zu dem Gebirge genannt, dfterd befucht worden ifl. So blieb auch die geo⸗ 
graphiſche Kenntniß dieſer Gebirgäfette noch immer fo unbekannt, als damals 
(1840), wo Ritter (Erdkunde. Aſten XI, 139 —242) die wenigen Notizen 
über diefelbe fammelte und zufammenftellte. Faſt gleichzeitig mit Ritter er» 
warb fi .übrigend auch Roͤdiger in Deutfchland das Verdienſt durch feinen 
Auffag: Lieber die aramäifche Vulgarfprache der heutigen ſyriſchen Chriften 
(Ewald Zeitfchrift für Die Kunde des Morgenlanved. 1829. I, 77—84 
uud 314— 316) die Bortvauer des Syriſchen im alten Aſſyrien zu erreis 
fen, indem er gegen die Behauptungen ber fyrifchen Sprachforfcher Kaffe, 
Seffmann und Uhlemann, welche dad völlige Erlöfchen der fyrifchen Sprache 
als limgangsfprache behauptet hatten und gegen Volney's Abläugnen der 
Angaben Niebuhr's die verfchiedenen Mittheilungen von zuverläffigen Reiſen⸗ 
von im Orient, wie Berggren, Budingham, Rich und Ives, fowie die Erfah- 
ungen der neueften damaligen Korfcher: Eli Smith's, Dwight's, Perkins und 
Sonthgate zu Gunſten von Niebuhr's Angaben benutzte. — Auch Peter- 
mann's Erfahrung, daß ſich das Syrifche in Syrien noch bei Damascus im 
Gebrauch erhalten babe, fteht nicht ifolirt, indem bereits vor 8 Jahren ver 
serorbene preufifche Bonful zu Ierufalem, Schulz, in feinem Aufjag über 
Be ſyriſchen Ehriften im Orient (Monatöberichte der Berl. geogr. Gef. 1850. 
VL 275) nach feinen Erkundigungen berichtete, daß dieſe Sprache dort noch 
in den drei Orten Wälula (Petermann fchreibt Malüla), Bachah und 
Zeitſchr. f. allg. Erdfunde. Bd. 1. 10 


146 Miscellen: 


Dfcheba Adin gerevet werde, eine Notiz, die Petermann nicht befannt gewe⸗ 
fen zu fein fcheint, deren vollftändige Beftätigung aber durch ihn bei feinem 
langen Aufenthalt in Damascus wohl zu erwarten fteht. 

Gumprecht. 





Nene Bodeneculturen in Südrußland. — Seit ver ruſſiſchen 
Beſitznahme der Länder am ſchwarzen Meere hat es nicht an Verſuchen ge⸗ 
fehlt, neue Bodenculturen dafelbft einzuführen, wozu das milde Clima und 
der überaus fruchtbare Boden mannigfache Veranlaffung gaben. Es ift be⸗ 
fannt, wie glüdlich vergleichen Verfuche in Bezug auf den Weinftod in der 
Krim und im Lande der donfchen Kofaden ausfielen, jo daß jetzt ſchon nam⸗ 
bafte Ouantitäten von füdruffifchen Weinen probueirt werden und in den 
Handel kommen. Im taurifchen Gouvernement wird indeflen der Weinbau 
nur an dem fehr gebirgigen Sübrande der Krim in ven drei Diſtrieten 
Jalta, Theodoſia und Simpheropol betrieben. In ven 10 Jahren von 1811 
bis 1850 betrug der Gewinn an Wein Hier 5021047 Wedros à 11,1 Ber- 
linee Quart, die einen Werth von 1374650 Rubel hatten. Im Jahre 1851 
überftieg jchon die Production den mittleren Ertrag ver verfloffenen 10 Jahre, 
indem im Ganzen 558600 Wedros gewonnen waren, nämlich in dem Diftrict 
Jalta 258000, in dem von Theovofia 200600 und in dem von Simphero- 
pol 100000 Wedros, vie für 2533600 Rubel, d. 5. ver Wedro für 40 
bis 42 Copeken Silber verkauft wurden. In ven übrigen, in dem flachen 
nördlichen Theil des taurifchen Gouvernements gelegenen Diftrieten Perekop, 
GEupatoria, Dneprowet, Melitopol und Berdjanft findet fein Weinbau ftatt 
(Moniteur 1853. No. 148). Mit diefen, wie es fcheint aus franzöflfchen 
Gonfularberichten, und alfo wohl aus ruffifchen offlciellen Quellen gefloffenen 
Angaben flimmen jedoch diejenigen, welche Erman (Archiv für die wiflen- 
fhaftlihe Kunde Rußlands, VII, 118) vor einigen Jahren veröffentlichte, 
nicht überein, indem ihnen zufolge in den Jahren 1846 unv 1847 Weinbau 
im taurifchen Gouvernement fogar in 7 Diftricten betrieben wurde, freilich in 
4 von den zulegt genannten in verhältnigmäßig fehr geringem Umfange. So ge- 
wann der Kreid Dnoͤprowok (Dnjeprowfa) 1846 : 9690, 1847: 8709 Wedros, 
der Kreis Melitopol 1846: 3000, 1847: 3075, ver Kreis Berpjanft 1846 nur 
310, 1847 auch nur 300, der Kreis Eupatoria im Jahre 1846: 4000, im 
Jahre 1847: 4000 Wedros; die Gefammtgewinnung betrug 1846: 634000, 
im Jahre 1847: 621084 Wedros, woran noch Antheil hatten: 


1846 1847 

der Kreis Jalta mit 70000 65000 
= = Theobofla mit 292000 290000 

= = Gimpberopol mit 255000 250000 


Der Bergleich tiefer Ichten Zahlen mit ten für das Jahr 1851 gegebe- 
nen warde nun darthun, daß ver Weinbau im Difiriet Salte fehr bedeutend 


— — —— — — 


Neue Bodenculturen in Südrußland. 147 


zugenommen Bat, wogegen er im Diſtrict Simpheropol ſehr anſehnlich abge⸗ 
nommen haben müßte. Muthmaßlich liegt irgendwo in dieſen Angaben ein 
Fehler, der nicht zu ermitteln iſt. — In neuerer Zeit hat man ferner in der 
Krim die Cultur des Sefam :(Sesamum orientale), jener nüßlichen Oel⸗ 
vflanze, welche in fo großer Menge in Aegypten gebaut wird, verfucht, indem 
im Jahre 1848 in der Gegend von der Perefop ein loderer, an PBflanzenres 
Am reicher Boden nad Agyptifcher Weife damit beftellt wurde. Obgleich die 
Unfeminig des Verfahrens ſtoͤrend einwirkte, und die Verfuche bei Perekop 
und andere, die im Diftrict Eupatoria folgten, in zu Fleinem Maafftabe von 
1848— 1851 betrieben wurden, fo ergaben viefelben doch das beftimmte Re⸗ 
ſultat, daß die Cultur möglich ſei. Die Stengel der Pflanze erreichten in 
einem Jahre eine Höhe von 532, in einem anderen eine von 888 Millim. 
Achnliche Verſuche wurden envlich in ven heißen trandcaucafifchen Strichen 
mit dem Anbau des Yärberfnöterich8 (Polygonum tinctorium) und der 
Baummolle gemacht. Man unternahm nämlich dort ſchon feit dem Jahre 
1835 die Eultur der erſten Pflanze, vie bekanntlich in Ehina viel gebaut wir, 
um eine blaue Farbe daraus herzuſtellen. Die ruffifche Regierung ließ zu 
dem Ende mehrere Jahre hindurch anfehnliche Duantitäten des Saamens der⸗ 
felden aus China kommen, aber erft im Jahre 1841 begann ein gewifler Pe⸗ 
pineff AH mit diefer Eultur zu befchäftigen, worin er vom Grafen Kiffeleff 
unterflügt wurde. Der Anbau der Pflanze, für die nach dem Urtheil des 
Herrn von Meyendorff die Umgebungen Elifabethpold und Potis, der heißes 
fien und zugleich feuchteften Orte des caucaflfchen Gouvernements, vie ges 
eiguetfien Stellen find, gelang zwar, nicht fo aber die Darftellung ver Farbe. 
Bepinoff ſchickte deshalb einen ganz intelligenten Mann, den Kunfttifchler 
Iran Tumanoff, nach China, doch flarb er felbft während deſſen fünfjähri- 
ger Abweſenheit. Tumanoff kehrte erft im Jahre 1848 zurück und begann 
auch zu Eliſabethpol fich mit dem Bau des Bärberfnöterichd zu befallen, 
wozu er aus Indien 24 Kilogrm. Saamenkörner mitgebracht hatte. Indeſſen 
Rarb auch Zumanoff bald darauf, ald er kaum ven Anbau begonnen hatte. 
Im Jahre 1847 hielt fich jedoch glüdlicher Weile ein indiſcher Prieſter meh⸗ 
tere Wochen zu Elifabethyol auf und unterrichtete einen bortigen Einwohner, 
Antonoff, der von Tumanoff Saamen erhalten Hatte, in der Darſtellung ver 
Hauen Farbe, was vollkommen gelang, fo daß Antonoff gleich von 1847 
und 1848 an 17— 174 Pfund Indigo gewann, den er mit 14—2 Rubel 
Silber das Pfund verkaufte. Doch erlangt vie Pflanze bier Iange nicht die 
Ausbildung, wie in ihrem Vaterlande, da fie nur 1—14 Buß, dagegen in 
China 4— 44 Fuß hoc) wird. Als dieſe Verfuche im Kleinen geglüdt wa⸗ 
ren, beftinumte Herr von Meyenborff die Kaufleute von Moscau, ein Gapital 
vu 5000 Hubeln (1 Rubel = 1 Thlr. 2 Silber.) zu Eulturverfuchen im 
Großen anzuwenden, und man hoffte fon in vemfelben Jahre 60— 80 Pub 
(= 984 — 1312 Kilogrm.) Indigo zu gewinnen. Be würde 
* 


148 Miscellen: 


pie Hectare Land bei Elifabethpol, dem einzigen Ort, wo man bisher den Anbau 
unternommen Bat, 7 Bub (= 114% Kilogr.) Indigo liefern. Die Koften der 
Beftellung einer Hectare berechnet man auf 56 Rubel, die ver Babrication Des 
Indigo felbft pr. Hectare zu 38 Rubel 40 Copeken, die Gefammtfoften auf 
94 Rubel 40 Eopefen. Bei einem Ertrage von 7 Pud oder 280 rufl. Pfund 
Indigo auf die Hertare und einem Berfaufspreife von nur 15 Rubel pr. 
Pfund wäre alfo der Bruttogewinn 420, und der Nettogewinn 326 Rubel 
auf die Hectare, ein Ertrag, beveutend genug, wenn die Data richtig ſind, 
um zur Bortfeßung der Eultur einzuladen. Die Bereitung des Farbeſtof⸗ 
fe8 aus der Pflanze ift ganz, wie bei dem indiſchen Indigo. In fleinernen 
Bütten laßt man zuvörberft die jungen Pflanzen, fobalo fie vie erften Blät- 
ter zeigen, unter darauf gegoflenem Wafler 8— 10 Tage flehen; während die⸗ 
fer Zeit entwickeln fich Eupferrothe Kügelchen auf ver Oberfläche des Waflere. 
Man zieht Hierauf dieſes in eine andere tiefe Bütte, wo es 3 Stunden ru= 
ruhig bleibt und dann mit hölzernen Schaufeln 14 — 2 Stunden lang geſchla⸗ 
gen wird, um die Oxydation des Indigo und deffen allmäligen Niederſchlag 
zu beförvern. Hierauf erhält man die Flüfftgkeit wiever 2 Stunden in Ruhe, 
während welcher fich aller Indigo am Boden in Körnern nieverfchlägt. Nach 
dem Ablaffen des Waſſers fammelt man den weichen Farbeftoff, der dann an 
der Luft trodmet, forgfältig. Iſt dies gefchehen, fo breitet man über bemfel- 
ben eine aus grobem mollenen Gefpinnft gemachte Dede aus und beftreut 
diefelbe mit der Afche von Weiden over einem anderen weichen Holz, indem 
das Alkali der Afche die Eigenfchaft Hat, gewiſſe Theile des Inpigo zu abfor- 
biren und dieſen dadurch leichter zu machen, wobei dad Kali durch den Baunı= 
wollenftoff bindurch feine Wirkung Außer. Man glaubt, daß dadurch ver 
durch das Schlagen dem Indigo überflüffig zugeführte Sauerftoff entfernt 
werde, und nennt deshalb viefen dritten und Hauptproceß den der Desoxryda⸗ 
tion. (Diefe Anſicht ſcheint nicht richtig zu fein, invem nach Berzelius Das 
Kalkwaſſer, welches man in Invien der Invigopflanze aus ver Indigofera zu= 
feßt, dazu dient, eine Subflanz, die fih in dem neugebilbeten blauen Farbe» 
ftoff befeftigt und mit dem Kalk in eine fchmerlösliche Subftanz eingeht, dar⸗ 
aus zu entfernen. Sichtlich Hat ver Zuſatz des Kalkwaſſers venfelben Zweck, 
wie die Anwendung des Alfali im Caucafus nach erfolgter Bildung des blauen 
Sarbeftoffs. Die Hier folgende Darftellung des caucaflichen Proceſſes fcheint 
ſonach nicht vollftändig zu fein.) Alle halbe Stunde wird daſſelbe wieder» 
holt, indem man jedes Mal die Afche erneuert. Hat der Indigo einen 
Theil feine Gewichtes verloren, fo gilt die Operation für vollendet; je grö- 
Ber der Berluft war, deſſo befler wird auch vie Farbeſubſtanz. Bon dem Ge- 
Iingen des legten Verfahrens hängt alfo auch dad Gelingen der ganzen In⸗ 
digobereitung ab. War dies der Fall, fo erhält man im Gaucafus einen In= 
digo, der ungemein leicht und fein ift und fich dem beften invifchen nähert 
(Annales du commerce exterieur. 1852. No. 653, 23; 595, 22 - 24). — 


Neue Borenculturen in Südrußland. 149 


Andere Berfucdhe wurden in ben legten Jahren noch mit dem Anbau ver Baum- 
wollenftauren in Transcaucaſien angeftellt, und zwar ift dies ein Eulturzweig, 
welcher einer der wichtigften in dieſem Landſtrich für Rußland zu werden ver= 
fpricht. Bis 1830 betrug nämlich die Einfuhr der Baummolle in Rußland 
zur 250000 Bub, d. 5. 40950 Zollcentner, aber im Jahre 1849 war viefelbe 
ſchon auf mehr, als das Bierfache, auf 14 Million Bud geftiegen; Zahlen, welche 
am Schlagenvften vie Fortſchritte ermeifen, welche die Fabrik⸗Induſtrie Nußlands 
in ven legten 20 Jahren gemadyt hat. Es war deshalb von Wichtigkeit, daß 
man jich überzeugte, daß die Baummolle in Transcaucafien in guter Qualis 
tat and zugleich in beträchtlicher Menge gewonnen werben koͤnne. Wan hatte 
ort allervingd bisher, namentlich in Armenien, die Baummollenftaude culti⸗ 
virt, doch war Die gewonnene Baummolle (jegt etwa 130000 Pub im Gans 
zen) im Allgemeinen grob und für Spinnmafchinen untauglich, weshalb fie 
aur von ven Landeöbemohnern und zur Bereitung von Watte benußt wurde. 
Es war ein Verdienſt ded General Roſen während feiner Berwaltung Cau⸗ 
caiend, daß er im Jahre 1835 zuerft der Verbeſſerung dieſes Induſtriezwei⸗ 
ge8 feine Aufmerkfamfeit zuwandte und die Einführung von ägyptifchem Baum- 
wollm- Saamen anoronete; doc wurden die Verfuche damals nicht fortges 
fegt, bis Roſen's Nachfolger, der Fürft Woronzoff, im Jahre 1845 die Sadıe 
aufnahm, aus Aegypten, Maltı und Bourbon Saamenkörner kommen ließ, 
und die Anlegung neuer Pflanzungen veranlaßte, die fehr guten Fortgang hat⸗ 
ten. Beſonders bei Rion unfern Poti produciren 4 Dörfer bereits eine Baum⸗ 
wolle, die in nichts der Agyptifchen nachfteht, doch vient das ganze gewon⸗ 
nene Quantum, nur 500 Bud im Augenbli, einzig für das Beduͤrfniß 
ter Gegend. Eine mittlere Erndte giebt aber, wie man fich überzeugt hat, auf 
vie Deffjatina (= 4,3 Preuß. Morgen oder 1,09 Hectaren, menn die geonie⸗ 
trifche oder Krondeſſjatine gemeint ift, wie wahrfcheinlih) 16—20 Pud ge⸗ 
remigter Baumwolle, und man berechnet, daß das Pud nach Moskau hin 
geftellt, Hier nur 3 Rubel 45 Copeken koſten würbe, wohl aber mit 6 bis 
7 Rubel verwerthet werben könnte. Aus diefer Erfahrung befeitigt fich dad 
ach vor wenigen Jahren (Erman Archiv IV, 511) gegen die Entwidelung 
der Baummollencultur in Trandcaucafien ausgefprochene Bedenken, indem man 
glaubte, daß die Fracht bis in das Innere von Rußland ven Preis zu hoch 
Rellen würde. Welcher Auspehnung übrigens die ſüdruſſiſche Baumwolle faͤ⸗ 
big if, erweift der Umfland, daß es in Trandcaucafien mehr ald 400000 
Defjatinen (etwa 434000 Hectaren Land) giebt, welche für den Anbau ber 
Summsllenftaude geeignet find, und daß ſchon der fechöte Theil davon (alfo 
ra 70000 Deffjatinen) genügen wuͤrde, ven ganzen Baummollenbebarf Ruß⸗ 
(mb8 zu erzeugen ( Annales du commerce ext. 1852. No. 595, 21). 
Gumprecht. 


— — — — 


150 Miscellen: 


Gayitain Marcy’d Erforfchung ber Quellen des Ned⸗ 
River. — Bid vor Kurzem war die genaue Lage ver Quellen des Red⸗ 
River und die Befchaffenheit des oberften Laufes dieſes Flufied noch unbe⸗ 
fannt. Kein Entdeckungs⸗Reiſender war vorthin gevrungen, und alles, was 
man barüber wußte, berubte faft allein auf Ausſagen von Indianern; denn 
die unwirthbare Hochebene des Llano Eſtacado, in welcher diefe Quellen bes 
legen find, wird von den Indianer» Händlern möglichft vermieten, und die we⸗ 
nigen Reiſenden, welche viefelbe durchwandert haben, waren nicht auf vie Ge⸗ 
gend der Quellen des Red⸗Niver geftopen. Zwar waren ſchon mehrere Er⸗ 
petitionen eigend zu dem Zwecke ausgefandt, um ven oberen Red-River zu 
unterfuchen, aber feiner war ed gelungen, dieſes Ziel zu erreichen. Im Mai 
1806 wurde Gapitain Sparks mit dem Auftrage audgefandt, den Red⸗Ni⸗ 
ver bis zu feinen Quellen zu erforfchen. Nach vielen Schwierigfeiten gelang 
ed ibm, das fog. Great Raft zu pafjiren, aber etwas oberhalb deſſelben fließ 
er auf ein Tpanifches Truppencorpe, welches ihm verbot, weiter firomanfwärts 
zu fahren, und da er nicht daran denken Fonnte, gegen eine jo überlegene 
Macht Gewalt anzumenven, blieb ihm nichts übrig, als wieder umzufehren. 
Noh in demfelben Jahre wurde Lieutenant Pike mit einer Experition ven 
Arfanfas hinaufgeſchickt, mit dem ausprüdlichen Auftrage, „die wahre Lage 
der Quellen des Red⸗River auszumitteln“. Es gelang ihm aber nicht, die⸗ 
fen Punct ſelbſt zu erreichen, nach ven genaneften Erkundigungen, die er ein⸗ 
zieben Fomnte, gab er jenoch ihre Lage auf 33 N. Br. und 104° W. 2. an, 
eine Angabe, vie in beiden Richtungen um mehrere Grade faljch if. Dann 
übernahm es in ven Sahren 1819 und 1820 der Oberfl Long vom topo⸗ 
graphifchen Ingemieurcorps, auf feiner Rüdreife von ver Erforfchung ded Miſ⸗ 
fourifluffes und ver Quellen des Arkanfad die Quellen ved Red⸗Miver aufs 
zufuchen und den Fluß bis zu feiner Mündung binabzufteign. Gr gelangte 
an einen Fleinen Fluß, den die Kasfacas Indianer für einen Arm des Red⸗ 
River audgaben; nachdem er aber einige hundert Meilen abwärts gereift war, 
ftellte es fich beraus, daß ver Fluß ver Canadian war, und er fonnte ed we⸗ 
gen ver vorgefchrittenen Jahreszeit und der Grichöpfung feiner Pferde und 
Mannfchaft wicht wagen, nochmald wieder umzufehren. Seit dieſen verun⸗ 
gladten Berfuchen geſchah 32 Jahre lang nichts, um ven Red⸗Niver zu 
erforfchen. 

Endlich im Maͤrz 1852 beauftragte das Kriegd» Departement den Capi⸗ 
tain Marcy, einem Neffen des jehigen Staatd-» Serretaird Marchy, welder 
tamals in Fort Belfnay am Brazos in Terad flationirt war, mit einer Plei- 
nen Militair⸗Escorte und mit einigen Delaware» Indianern als Führen umb 
Tolmetfchern eine neue Recognoscirung des aberen Red-Biver zu unternch- 
mm. Tiefe Grpevition bat ten Zweck erreicht. Marchy fant, daß fich 
MD Meilen oberhalb ver Mündung des Caſhe-Creekt ter Red» River in zwei 
Arme theile, tie ungerähr vom gleicher Breite und gleichem Waſſerreichthum 


Gapitain Mar cy' s Erforfhung ver Quellen des Ned River. 151 


waren. Er verfolgte nun zuerſt den nörblichen Arm 40 englifche Meilen 
weit weiter aufwärts und gelangte hier wieder an den Zufammenfluß zweier 
wmgefähr gleich ſtarker Arme. Der nörblichfte derſelben, dem er folgte, hatte 
kine Quellen 37 Meilen Höher hinauf in einer hohen, aber nicht gebirgigen 
Gegend unter 35° 14’ N. Br. und 101° 51’5"7W.L. von Greemvich, Diefe 
Quellen find nur 25 Meilen vom Canadian entfernt. 

Bon bier aud wandte fi Marcy ſodann ſüdlich, um die Quellen ver 
asdern Arme aufzufuchen. Der Weg führte über ein hohes, mellenfärmiges 
Praitie- Land, in welchem er nad) einer Reife von 30 Meilen auf die mitts 
lere oder Saltforf ſtieß. Auch diefe verfolgte er bis zu ihrer Quelle, und 
er ging dann noch weiter ſüdlich, wo er in einer Entfernung von 50 Meis 
in ven fürlichen oder Hauptarm bed Ned River traf. Die Comanches nen⸗ 
un dieſen Fluß Ke-che-ah-que-ho-no, was fo viel beveutet, ald „Prai- 
regen Dörfer = Fluß”, nad) der ungeheuren Menge Prairiehunde = Erbhü- 
gel, die ih Hier finden. In der That ift das Land hier in einer Ausdeh⸗ 
zung von 25 Meilen mit ſolchen Erdhügeln vicht befäet, und March berech- 
nt, dag wohl 396,000 Ader Land von dieſen Thieren bewohnt wären 
und ihre Anzahl Hoch in die Millionen gehen müßte, Der Neb-River war 
bier noch ein anfehnlicher Strom von 3000 Fuß Breite; er floß in einem 
ſandigen Bett durch ein fehr raubes und gebrochened Terrain, welches für 
Bagen vollfommen unpaſſirbar war. Der Gapitain Tieß deshalb feinen Wa- 
gen⸗Train zurück und ritt, nur von einigen Mann begleitet, ven Fluß hin⸗ 
af. Bei einer umnerträglichen Hitze von 102 bis 110 Grad Bahrenh. im 
Schatten, erreichte er nach dreitägigem Marfch die Duelle des Hauptarms des 
Rede River unter 34° 1’! N. Br. und 102° 3 W. Br. Sie liegt alfo un- 
gefähr 225 Meilen ſüdöſtlich von Santa Be. 

Während das Bett bed Fluſſes von feiner Mündung bis nahe an ver 
Duelle aus Sand beſteht und das Waffer deſſelben einen Bitterfalzigen unan- 
genehmen Geſchmack hat, fließt das Waſſer die drei erſten Meilen von der 
Quelle Har und reißend durch eine Felsrinne und iſt von allen ſalzigen Thei- 
im frei. Das Slüßchen if in biefer Rinne häufig durch große Felsſtücke in 
feinem Laufe behindert, und bie äußerfte Quelle umfchließt eine gewaltige Sand⸗ 
Reimwarnd von etwa 800 Fuß Höhe. Die Duelle fpringt aus einem höhlen- 
artigen Mefervoir hervor und flürzt ſich windend über die zerftreuten Fels⸗ 
maften Hin, pie in ber Gebirgsſchlucht Tiegen. Die fchreffen Abhänge zu 
beiten Seiten, welche einen großen Theil des Tages über die Sonnenftrahlen 
von vem engen Thale abhalten, find durch die Wirkung des Wetter und des 
Bafferd zum Theil verfallen und vermittert und bieten phantaftifche Formen 
var, welche pie Meifenben, vie erften civiliſirten Menfchen, welche dieſe große 
Raturfcene fahen, mit Staunen erfüllten. 

Den Rüuckweg machte Marcy längs des füblichen Arms und er erreichte 
am 30. Juli das Bort Arbudle, im Lande der Ehidafäaw-Nation, wo ſchon 


152 Miscellen: 


lange das Gerücht gegangen war, daß feine ganze Erpebition von den Co⸗ 
manche8 ermordet fei. 

Man hat Iange geglaubt, daß der Red⸗River in einem hoben Gebirge 
entfpringen müffe, weil dieſer im Allgemeinen wafferreiche Fluß im Juni, wo 
gemeiniglich Fein Regen zu fallen pflegt, jehr fleigt, was man aus dem Schmel⸗ 
zen des Schnees in ven Hochgebirgen erflären zu müffen glaubte. Aber vie 
Duellen liegen auf vem Plateau des Llano Eftacado und nicht im Gebirge. 
Dagegen bat man 200 Meilen unterhalb der Hauptquelle eine Bergfette (ven 
öftlichen Abhang des Llano Eftacado?) zu pafjiren, und in diefer fallen zur 
Zeit der Flußanſchwellung Häufige und heftige Regengüſſe, weldye nad) Mars 
cy's Anficht das periorifche Steigen des unteren Fluſſes im Juni zur Genüge 
erflären. 

Berner war der bitterfalzige unangenehme Geſchmack des Red⸗River⸗ Waſ⸗ 
ferö oft dadurch erklärt worden, daß der Strom durch große Salz Ebenen 
laufen müffe, aber er trifft in feinem ganzen Laufe nicht auf Salz, geht da⸗ 
gegen mehrere hundert Meilen weit über eine Gyp&formation, die fi von Ars 
kanſas in fünöftlicher Richtung bis an den Rio Grande erſtreckt. Diefed aus⸗ 
gedehnte Feld von Gyps, welches Marcy viermal an verfchiedenen Punkten 
pafjirte, halt Dr. SHitcheod für das größte in der bekannten Welt und über- 
al, wo ſich ähnliche Formationen finden, wird das Wafler, welches dort ent= 
fpringt oder die Gegend burchläuft, bitter und Uebelkeit erregend. Die Flüſſe 
Arkanjas, Sanadian, Brazos, Colorado und Pecos ſtroͤmen gleichfalls durch dieſe 
Formation, und ihr Waffer hat mehr oder weniger venfelben Geſchmack. Auch 
laufen alle viefe Flüffe, wie der Red⸗River, am öfllichen oder fühlichen Ab⸗ 
hange des Llano Gftacado durch enge Thalfchluchten oder Canoned. Die des 
Ned -River ift 70 Meilen Iang und vie Felswände zu beiven Seiten find 500 
bis 800 Buß hoch. Dft treten fie fo nahe an das Flußufer hinan, daß man 
nicht daneben trodinen Fußes vorbeigehen kann, und zuweilen ift dad Wafler 
unnnttelbar am Ufer fchon fo tief, Daß man es nicht durchwaten kann und ge= 
zwungen ift, vie fteilen Thalränder Hinanzuflettern und einen weiten Umweg 
zu machen. Den Umfang ver Hochebene begrenzt Marcy durch 32° 30’ und 
36°20'n. Br. und 101° und 104° w. L. und ihre purchfchnittliche Höhe über 
dem Meere ſtellt er auf 3650 Fuß. Sie ift eine unwegfame wüfte Ebene, 
wo felten die Stimme eined Menfchen gehört wird, und wo fein lebendiges 
Weſen permanent zu wohnen fcheint. Weil es faft an allem trinfbaren Waſ⸗ 
fer fehlt, vermeiden alle Ihiere dieſe Region, und felbft die Indianer wagen 
ſie nur an zwei Stellen zu durchreifen, wo fich ein paar kleine Wafferpfügen 
finden. Die Ebene ift mit der Wüfte Sahara zu vergleichen. 

Die Gegend ded oberen Red River gehört, wie fchon bemerft, im All⸗ 
gemeinen gefchichteten Kormationen an; nur das Witchita (Wafhita?) » Gebirge 
beſteht aus Granit mit Quarz⸗Adern, die denen des goldführenden Geſteins 
von Californien ganz ähnlich find. Ein reiches Kupfererz findet man an vielen 


— — HT 


Capitain Marcy’S Erforfhung der Quellen des Red⸗River. 153 


Orten im Thal, und Marcy und feine Begleiter bemerkten in ven von den 
Vergen abgebrödelten Trümmern auch einige Kleine Golptheilchen. 

Ueber vie Indianer, welche in diefen Gegenden umbherftreifen, bat March 
manche intereffante Beobachtungen angeftelt. Der zahlreichfte und mächtigfte 
Etamm ift bier der der Comanches, welche in brei getrennte Abtheilungen 
zerfallen, in vie nordlicheren, die mittleren und die füblichen Comanches. Die 
keiten erſten leben faft ausſchließlich vom Kleifche der Buffalos und wan⸗ 
dern dieſe Thiere verfolgend von Ort zu Ort. Sie fennen feine andere Re⸗ 
gerung, als vie patriarchalifche, treiben niemals Aderbau, ſondern leben nur 
von der Jagd und dem Haube. Als Meiter werden fle von feiner Nation 
übertroffen. Bon früher Jugend an leben fie auf dem Pferde, und ihre Ge⸗ 
ſchicklichkeit in Reiter⸗Manoeuvern iſt außerorbentlih. Im Kampfe werfen 
Re ſich oft ganz auf die eine Seite des Pferdes und ſchießen fo unter ven 
Hals des Pferdes durch ihre Pfeile in der entgegengefeßten Richtung ab, und 
Died geſchieht im vollen Gallop. Jever Krieger bat fein Schladhtroß, wozu 
er das fchneflfte ausmählt, welches er erlangen kann. Er liebt ed auferor- 
dentlich und iſt faft nie zu bewegen, es zu verkaufen, ein wie hoher Preis 
ihm auch geboten werden mag. Er reitet e8 nur in ver Schlacht, auf ver 
Buffalojagd und bei feierlichen Belegenheiten, zum täglichen Gebrauch hat er 
ein anderes, weniger werthvolles Thier. Seine Weiber, vie alle Arbeit thun 
mänfen, find ihm nicht lieber, als fein Schlachtroß. Baft fein ganzes Eigen- 
thum befteht in Pferden und Maulthieren, von welchen die meiften von ven 
Mercanern geraubt find. Stehlen und namentlich Pferde ftehlen gilt für jehr 
chrenvoll, und ein junger Mann, ver nicht wenigftend einige Raubzuge in das 
mericanijche Gebiet mitgemacht hat, fleht in geringem Anſehen. JIs⸗ſa⸗keep, 
en Häuptling der nörblichen Comanches, rühnıte fich gegen Marcy, daß er 
Bater von vier Söhnen fei, die ihn in feinen alten Tagen ven Troft gemähr- 
ten, daß fie fchon mehr Pferde geftohlen hätten, als irgend ein anderer jun- 
ger Mann in feiner Bande. Ihre Streifzüge machen fte in Fleinen Rotten 
von fünf Bis ſechs Mann, die regelmäßig nur mit Lanze, Schild und Bogen 
um Pfeilen bewaffnet find; felten haben fie ein Schießgewehr. So überfals 
Im fie die einzelnen ranchos im nörblichen Merico und treiben die Pferbe 
und das Vieh verfelben weg. Nur wenn ver Beſitzer des rancho Wider⸗ 
Rand zu leiſten verfucht, töbten fie ihn und nehmen dann gewöhnlich auch 
ſein Weib und feine Kinder gefangen und halten fle in harter Sclaverei. Oft 
freichen dieſe Eleinen Trupps taufende von Meilen umber und kommen zu⸗ 
weilen erft nach zwei Jahren zu dem Hauptſtamm zurüd. 

Ginzelne der Comandyes» Häuptlinge haben ihren „Broßvater” in Was 
ſhington befucht und haben einen großen Einvrud von ver Macht und dem 
Vehlſtande der Weißen mit in ihre Heimath zurücdgenommen; aber die große 
Rehrjahl der Nation weiß gar nicht6 von den Amerikanern, ja viele haben 

wie einen Weißen geſehen. Sie haben einen großen Nationalftolz und Halten 


154 Miscellen: 


die Comanches für dad mächtigfte Volk auf Erden; inveffen fuchen die Chefs 
fie doch zu bewegen, mit den Amerifanern möglichft gute Freundſchaft zu hal- 
ten und lieber über die armen Mericaner herzufallen, von denen die Coman⸗ 
ches ihrerfeitd nichts zu befürchten haben. 

Zu Haufe find fle gaftfrei und liebreich unter einander, wenigftens fo 
lange es in ihrem Lager nicht an Nahrungsmitteln fehlt. Die Polygamie ift 
bei ihnen gebräuchlich; ein jeder nimmt fo viele Weiber als er ernähren zu 
fönnen glaubt. Die rauen find Flein, ſchmutzig und fehr haͤßlich, waͤhrend 
die Männer im Allgemeinen groß, wohlgebilvet und von anfprechenver Ge⸗ 
fichtöbildung find. Bon den Kindern fterben viele in der früheften Jugend; 
die Knaben werben mit großer Sorgfalt und Freunblichfeit behandelt; vie 
Mäpchen werben dagegen vernachläfligt und oft unbarmherzig gefchlagen. — 
Ihre Lebensweiſe ift fehr einfach. Sie effen faft nur frifches Fleiſch, felten 
einige wenige wilde Pflanzen; ihr Getränk ift Wafler und fie vermeiden ven 
Branntwein, dem fonft Eein Invianerftamm widerfichen Tann. Sie fagen: 
das Feuerwaſſer ſchmeckt nicht gut, und ed macht und verrüdt — wir wol⸗ 
Ien e8 darum nicht. Dagegen lieben fie ven Taback leidenſchaftlich; fie raus 
chen ihn mit getrodneten Blättern ber giftigen Sumachpflanze gemilcht. 

Ihre Wortfprache fol nach Marcy aus einer fehr Fleinen Zahl Worte 
beftehen, doch ift er nur durch feinen velawarifchen Dollmetſcher mit verfelben 
befannt geworben, und dieſer hat ſchwerlich felbft viel von ver von feiner Mut: 
terfprache fehr abweichenden Gomancheöfprache verſtanden. Außer ver Wort- 
fprache gebrauchen fie eine Zeichenfprache, vie allen Stämmen ver Prairie ge⸗ 
meinfam if. Sie ift gewiflermaßen vie viplomatifche Sprache ver großen 
Ebene, in welcher alle Verhandlungen zwifchen den verfchievenen Voͤlkerſchaf⸗ 
ten geführt werden. Sie ift ausdrucksvoll, fehr finnreich ausgedacht und leicht 
zu erlernen und wird vom Gila bis zum Columbia und auf einem großen 
Terrain der Prairie öftlich ver Gebirge angewanbt. 

Die Weißen werden dadurch die größten Feinde der Indianer ver Ebe⸗ 
nen, daß fie die Buffalos vertreiben und ausrotten, welche ven rotben Mann 
nähren und Eleiven. Vormals fand man zahllofe Buffalo⸗Heerden über ganz 
Nordamerika verbreitet, vom Champlainfee bis zum Zeljengebirge. Ihre ein 
zigen Beinde waren bamald die Indianer, welche freilich dieſe Thiere zu 
ihrer Nahrung und Kleidung gebrauchten, vie es aber für einen Frevel anſa⸗ 
ben, mehr von ihnen zu tödten, als fie für die Bebürfnifle ihrer Familie nö- 
thig Hatten. Sobald aber die Europäer kamen, wurde dies ganz anders. 
Sie fchoffen Taufende von Buffalos blos ver Haut wegen, ja häufig blos der 
Zunge wegen, die ſie als Leckerbiſſen berausfchnitten und das ganze übrige 
Thier ſelbſt mit ver Haut liegen ließen. Durch dieſe grauſame Verfolgung 
der Weißen, neben den Iagven der Indianer und den Wölfen, vie fich jenes 
verwundeten Thieres bemächtigen, welches fonft häufig noch am Leben geblie=- 
ben wäre, ifl die Berminverung ver Buffalo Heerden fehr fchnell erfolgt. Noch 


| 


arhalten- 


Cavitain Mar cy's Erforfchung der Quellen des Red⸗River. 155 


ver acht Sahren war bie weſtliche Grenze von Texas mit Buffalos bedeckt, 
jet findet man nur noch felten einzelne fürlich vom Red⸗NRiver und aud) 
adrdlich von dieſem Fluß Haben fie außerordentlich abgenommen, fo daß jetzt 
me noch ein nicht fehr breiter Streifen Landes zwifchen den Außerften Anſie⸗ 
telungen und dem Fuß des Belfengebirges ihr eigentliches Mevier if. Es ift 
rorauszuſehen, daß fie nach einem oder zwei Jahrzehnten fo gut wie ausge⸗ 
sottet find. Was wird dann aus den Indianern der Prairie werden? Sie 
mögen ihre Raubzüge nad) Merico eine Zeitlang noch weiter ausdehnen, aber 
bald werden fie dann doch auch bier auf einen für fie unliberwinplichen Wie 
derfiand flogen. ES fcheint ihnen dann nichtd anderes übrig zu bleiben, als 
ch zum Aderbau zu bequemen. Bis jeht Haben alle viefe Stämme einen 
großen Widerwillen gegen dieſe Lebensart. Sie halten den Aderbau für eine 
Sclavenarkeit, die ſie nicht einmal ihren Weibern zumuthen, wie viel mehr 
dann unter ver Würde eined Kriegerd. Diefed Vorurtheil unter ihnen aus⸗ 
zurotten, ift vie ſchwerſte Vorarbeit, um fie der Cultur zugänglich zu machen. 
Gapitain Marchy's Bericht ift noch nicht im Druck erfchienen, nur durch 
einzelne Borträge in der amerifanifchen geographifchen und ftatiftifchen Geſell⸗ 
Haft iſt das Weientlichfte feiner Entveddungen nebft einigen Bemerkungen über 
Eigentbümlichkeiten der Denfchen und der Länder, die er befucht Hat, befannt 
geworben. Ohne Zweifel wird der Congreß den Drud dieſes, wie anderer 
Berichte von Weifen, die auf Koften der Der. Staaten unternommen find, 
beſchließen und dann auch durch Mittheilung von Karten und Abbildungen 
das Werk noch nühlicher und intereflanter machen. Ob die Eirpebition von 
einem Raturforfcher begleitet geweien, over ob Gapitain Marcy felbft in Bes 
siebung auf Geologie, Zoologie und Botanik Erhebliches Hat Teiften Fünnen, 
geht aus den Bruchftüden feined Berichts, die veröffentlicht ſind, nicht mit Si⸗ 
cherheit hervor; wir möchten e8 invefien bezweifeln. (Theod. Olshauſen 
in der deutſchen Auswandverungd » Zeitung. Bremen 1853. Nr. 38). 


Das in dem Vorſtehenden nach de Marcy's Beobachtungen erwähnte aus⸗ 
geechnte Borfommen bittere, Uebelkeit erregenver Gewäfler in den ungeheu⸗ 
ren Ebenen, welche fi} durch das ganze weltliche Nord⸗Amerika vom Mif- 
ſiffippi bis zu den Rocky Mountains verbreiten, ift Keine viefen Gegen- 
ven ansfchließlich zuſtehende Eigenthuͤmlichkeit, ſondern findet ſich in ganz 
gleicher Weife, wie den Geognoſten wohl befannt ift, in vielen anderen ber 
größeren ebenen Landſtriche ver Erbe, namentlich aber ſolchen vor, welche in 
fer Art der norbamerifanifchen aus rothem, horizontal gefchichteten Sandſtein 

un Thon auf ihrer Oberfläche gebildet find. Der bittere Geſchmack fcheint 

imohl von Magneſiaſalzen, als von Glauberfalz herzurühren, vie in dem Bo⸗ 
den fein vertheilt find und von den atmofphärifchen Waflern auögezogen wer- 
durch pann auch die Klüffe, wie eben der Red⸗River, ven Geſchmack 

ben, wo Der Annahme fefter Steinfalzlager in folchen Ebenen bedarf es 


156 Miscellen: 


zur Erflärung des Phänomens nicht, und wirklich kennt man auch in feinem 
Theil des Continents von Afrika, wo die Fochfalzreichen oder bitteren Quel⸗ 
len fehr gewöhnlich find, auegedehnte Steinfalzmaflen, ja felbft oft nicht ein- 
mal Gypsablagerungen, wie vergleichen 3. B. in ven ſüdafrikaniſchen Ebenen 
wirflich gänzlich zu fehlen fcheinen. Völlig mit ven nordamerifanifchen über 
einftimmenve Erfcheinungen bieten namentlich die unermeßlich rothen Ebenen 
der argentinifchen Republik und bie der oftboliviichen Provinz Gran Chaco 
längs der rechten Seite ded Paraguay, die rothen Ebenen Perſiens und die 
ungebeuern rothen Hochebenen Süd - Afrifa’8, dann viele in ausgedehnten Stri= 
chen aus borizontalem Sanpftein beftehende wüfte Ebenen Nord⸗Afrika's, 
die am Indus, am Faßpifchen Meere und Ural, endlich Die Ebenen des cen= 
tralen Aſtens (Gobimüfte) und Ungarns dar, in denen überall eine Fülle 
kochſalz⸗ und bitterfalzhaltiger Wafler, und übervied in ven fübamerifanifchen 
Ebenen rothgefärbte Flüſſe (Nio Colorado, Rio Bermejo), Salzflüffe (Rio 
Salado) und Salzfeen ganz wie in den nordamerifanifchen vorfommen (Bump 
recht: Die Mineralquellen auf vem Feſtlande von Afrika. Berlin 1851, 184 — 
192). Earl von Raumer, der ſchon vor langer Zeit auf died Vorkommen 
alkalifcher Gewäfler in den großen Ebenen der Erde die Aufmerffamfeit ge= 
richtet Hatte, fagt deshalb wohl nicht ohne Grund: Es erfcheinen folche 
Länder ald ein unmirthbarer, allem Leben feinvlicher Boden bitterfalzhaltiger 


Meere (der Vorzeit). Gumprecht. 
Die Eiſenbahn vom Miffiffippi zum Stillen IBeltiueere. 
— Belanntlich find eben jet mehrere Ingenieure unterwegs, welche eine fahr- 
bare Route für die Anlage einer Eifenbahn nad) Californien auffuchen fol= 
len. Man wird auf jeven Ball eine folche finden, weil man fie braucht und 
haben muß, und weil diefe große Verkehrsſtraße auf jeden Kal gebaut wird. 
Allem Anfchein nach wird das aber in nördlichen Breiten nicht der Fall fein, 
indem bei der eigenthümlichen Bovenbefchaffenheit ver Weg während ver Win⸗ 
termonate nicht praftifabel fein würve; denn bei ven Schneewegen auf ver 
Prairie, wie im Gebirge, noch dazu in fpärlich oder gar nicht bevölferten Ge⸗ 
genden, ift auch den Fräftigften Locomotiven die Fahrt unmöglich. Darüber 
fcheint man in ven Vereinigten Staaten jetzt auch einig zu fein, und hofft da⸗ 
ber am meiften von einer fünlichen Route. In dieſer Beziehung hat jüngft 
Eapitain Marcy, verfelbe welcher im vorigen Jahre vie Quellen des Red⸗ 
Miver entvedte *) und das Land weftlich von Arkanfas bis tief nach Neue 
Merico Hinein fo genau Eennt, wie irgend ein Biberfänger, einige wichtige 
Winke gegeben, die auch geographifch nicht ohne Interefle find. Zunaͤchſt be= 
merft er ganz richtig, daß auf ver Route, welche den Großen Salzfee berührt, 


*) Es iſt die in dem vorangegangenen Anffape Dishanfens befchriebene Ent⸗ 
gemeint. G. 


Die Eifenbahn vom Mifflffippi zum Stillen Weltneere. 157 


een jo wie auf allen anderen, welche über die Sierra Nevapa führen, ver 
Schnee ein unbefiegbared Hinderniß in den Weg lege; er beruft fich unter 
auderen auf einige glaubmwürbige Reiſende, welche über den Sübdpaß gezogen 
waren und auf ihrer Reiſe nach Californien im Auguftimonat unterwegs an 
amgen Stellen ven Schnee zwanzig bis funfzig Buß tief liegen ſahen. Dies 
jer Umstand ift entſcheidend. March meint, man habe auch Feine zuverläffige 
Nachricht darüber, ob zwifchen dem 40. Grabe noͤrdlicher Breite und dem 
Stromthale des Gila ein fahrbarer Weg vorhanden fei; auch die Ausfagen der 
#allenfteller, welche vergleichen Strahlen over Paͤſſe gefehen haben wollen, 
müfe man mit Vorſicht aufnehmen, doch fei e8 möglich, daß feit 1849 hier 
ster port ein bequemer Paß aufgefunden worden fei. Sicheres und Genaues 
darüber ift aber bis Heute noch nicht befannt geworben. In dem genannten 
Jahre verkehrte Marcy zu Santa Be mit mehreren neumerifanijchen Gebirgs- 
jägern, welche weit und breit dad Land durchfireift Hatten; fie Fannten 
aber nörvlih von Gila feinen Paß, auf melden Wagen bis zum Stillen 
Ocean fahren können. March nimmt an, daß die Stadt Albuquerque am 
Hin grande etwas ſüdlich von Santa Be, einen Hauptpunct für jene große 
Weſtbahn Bilden jolle. Von dort beträgt die Entfernung nach St. Louis 
1145 englifche Meilen, und nach Memphis in Tenneffee, über Sort Smith, 
an ver Weftgrenze ned Staates Arkanfas, 1080 Meilen. Eine Eifenbahn auf 
tiefer Strecke kann ohne alle Schwierigkeiten gebaut werben. Der Weg, wel⸗ 
den Marcy 1849 von Bort Smith einfchlug, geht den Canadian entlang, 
an ter Süpfeite dieſes Fluſſes auf einer Strede von etwa 600 Meilen; dann 
gerläßt er denſelben und geht über eine mellenförmige Pairie gerade auf Al⸗ 
buquerque zu. Don Bort Smith aus geht viefer Weg durch einen leicht ge⸗ 
wellten, zumeift dicht mit Holz beſtandenen Landſtrich; Hin und wieder liegen 
grüne Prairien zerftreut, welche acht Monate im Jahr reichliches Butter ge= 
ben; es fehlt nicht an Wafler, und viele Gegenden find vortrefflich für den 
Ackerbau geeignet. So ift das Land auf eine Wegftrede von 180 Meilen 
vom Fort Smith ab befchaffen bis in vie Nähe des 99. Grades weſtlicher 
Lange; Tann hört dad bewalbete Land auf, und auf ven Ebenen weiter nach 
VWeſten findet man nur wenig Holz, außer dicht an den Flüfien. Der Bo» 
ven wird num fehr dünn und fandig, und wäre wegen der langen Sommer- 
dürre nur ba zu benußgen, wo man ihn bewäflern kann. Doc ift fo viel 
Beier vorhanden, wie man für vie Eifenbahn bevarf; auch etwas Brennholz 
® zu Beichaffen. Da wo ver Weg vie befannten ſehr eigenthümlichen Croſſ⸗ 
Imbers verläßt, etwa unter 99° w. L., zieht er über eine Bodenerhebung, 
wiche ben Canadian vom Wafhita ſcheidet und Läuft auf verfelben fort bie 
a den Quellen des letzten, eine Strecke von etwa 300 Meilen. Dieſe Land⸗ 
Nie zieht dann ziemlich gerade bis Albuquerque, iſt feſt und eben und bleibt 
ia ber beften nattrlihen Straßen, bie es überhaupt geben kann. Bon ber 
Oligegenb ves Waſſhita ab geht vie Route dem Thale des Canadian ent- 


158 Miscellen: 


lang etma 100 Meilen, und überfchreitet hin und wieder Fleine Waflerläufe. 
Der aderbaufähige Boden auf verfelben reicht etwa eben fo weit nach We⸗ 
ften, als auf der fogenannten Mifjouriroute, d. 5. auf den Wege, welchen die 
Karawanen von Indepenvence nach Santa Foͤ nehmen. „AB ic im Som- 
mer 1849 mit einer Anzahl Auswanderer nach Californien, welche ich von 
Fort Smith aus escortirt Hatte, in Santa Ye ankam, war dort Niemanp, 
welcher im Norden des Gila einen fahrbaren Paß durch dad Mimbresgebirge 
kannte; die Auswanderer mußten daher eine fünliche Richtung einfchlagen und 
300 Meilen am Rio grande abwärts ziehen, bevor ſie weitlih gehen konn⸗ 
tn. Natürlich drängte fi mir die Bemerkung auf, daß ein Weg von 
Fort Smith biß zu diefem Punct viel fürzer iſt, als jener den 
Ganadian entlang. Ich verließ alſo ven Rio grande an einer Oertlich⸗ 
keit, welche den Namen Donna Anna führt, und war fo glüdlich eine gute 
Straße zwifchen beiden Puncten ausfindig zu machen. Diefer Weg führt auf 
eine Strede von etwa 300 Meilen über hbochgelegenes Prairielann, das von 
drei Gebirgöfetten durchzogen wird. Diefe find mit Nadelholz dicht bedeckt, 
wir fonnten aber an der Balls dieſer Gebirge Hinziehen, wo wenige Depreſ⸗ 
fionen oder Erhöhungen vorkommen. Manchmal zeigt dad Land breite An⸗ 
fehwellungen, zwifchen welchen weite Thalgründe fich ausdehnen; doch ift das 
Anfteigen, wie das Auffteigen fo gering, daß ver Bau einer Eifenbahn auf 
£einerlei Schmwierigfeiten treffen wurde. Nachdem wir diefe Region durchwan⸗ 
dert waren, kamen wir in dad Quellengelaͤnde des Brazos und de terani= 
fen Ned -Hiver und zogen nun weitere 300 Meilen durch einen Landftrich, 
der guten Boden und reichlich Wafler Hatte, auch ſtark mit Mesquiteholz bes 
ftanden war. Dann gelangten wir auf dem Höhenzuge, welcher die Wafler- 
ſcheide zwifchen dem Red⸗River und dem Trinity bilvet, in die Croß Tim⸗ 
bers, und fanden auch Hier, ganz wie auf der Albuquerques Route im Often 
verfelben Croß⸗Timbers, einen ganz vortrefflihen Weg. Nach) forgfältiger 
Erwägung aller in Belracht kommenden Umſtaͤnde und Verhältniffe bin ich 
der feften Meberzeugung, daß eine vom Mifftfippi, etwa von Memphis aus- 
laufende Bahn über EI Paſo oder Donna Anna, und von da am Gila hinab 
bis zur Einmündung diefes Fluſſes in den Colorado, und weiter nach San 
Diego, große Vorzüge vor allen übrigen Routen bejist. Denn ber ackerbau⸗ 
fähige Boden erftredit ſich auf ihr um volle drei Grave weiter nach Weften, 
als Höher im Norden ver Fall if. Ber Fort Belfnap befindet ſich ein aus- 
gevehntes Kohlenlager, in veflen Nähe die Bahn ven Brazos überfchreiten 
würde; fehr bedeutende Streden haben Fülle an Mebquiteholz, das fehr dauer⸗ 
haft ift und beim Bau wie zur Feuerung benubt werben fönnte. Zudem 
liegt dieſe Route zwifchen 33 und 35 Grad n. Br., fle würde Feine Hinder⸗ 
nifje am Schnee finden, ver felten tiefer ald 3 Zoll liegt. Bis zum Mio 
grande fände fie weder Gebirge, noch tiefe Schluchten, und, was den Weiter- 
bau nach Weften betrifft, fo verfüchert mid) der Aſtronom der Grenzcommifiton, 


Zuftand ver Baummwolleninduftrie in Rußland. 159 


hen Grey, daß auch auf der ganzen Strede vom Rio grande, ven Gila 
atlang, 68 zum Colorado und weiter nach San Diego, gar Feine Schwies 
rigkeitn zu überwinden fein. Die Bahn würde durchaus auf dem Gebiete 
ver Vereinigten Staaten Taufen, mit alleiniger Ausnahme einer Biegung, welche 
tr Sila macht, Dort würde ſie auf eine Strede von etwa 20 Meilen durch 
mercaniiche® Gebiet gelegt werden müffen. Ein Blick auf vie Karte zeigt, 
daß der Louiſiana⸗Ned⸗Niver von feiner Mündung bis Fulton in Arkanfas 
nahezu eine Michtung von Süden nah Norden einhält; von da aber hat er 
ane ſolche von Oſten nad) Welten bis zu feinen Quellen. Die oben erwähnte 
Waſſerſcheide geht bei Fulton zu Ende; fie ift auf einer Strecke von 300 Mei⸗ 
len jo eben, daß nur geringe Ervarbeiten für eine Eifenbahn erforderlich fein 
würden. Die Entfernung von Zulton bis zum Rio grande beträgt etma 800 
Meilen, vom Mio grande bis nach San Diego am Großen Deean beträgt fie 
etwa 850 Meilen. Vom Ausgangspuncte in Miffouri, etwa am Indepen⸗ 
vence, über ven Suüdpaß bis nach Sacramento Eity wären dagegen 2250 Mei- 
Ien und nah) San Francidco noch 160 mehr, zufammen alfo 2410 Meilen; 
tagegen hätte man von Fulton nad) San Diego nur 1650 Meilen. Wollte 
man beide Bahnen nad) St. Louid und Memphis fortfeßen, fo würde ie 
erſtere etwa 2700, vie Iegtere etwa 1950 Meilen lang fein. Won Fulton in 
Arkanſas bis Fort Smith trifft ein Eifenbahnbau nicht die geringften Hin- 
derniffe. ” Andree. 





Zuſtand der Baummwolleninduftrie in Nußland. — Bereits 
früber (S. 149) murde auf die enorme Steigerung ver Baummolleneinfuhr 
in Rußland meährend ver letzten 20 Jahre hingewieſen; viefelbe war aber befon- 
terd in ven 3 Jahren von 1847— 1849 (neuere Data fehlen noch) unges 
mwöhnlich bedeutend. Denn betrug die Einfuhr der rohen Baummolle im Jahre 
1847 erſt 862000 Bud, fo erhob ſie ſich fchon im Jahre 1848 auf 1231400 
une 1849 gar auf 1551000 Pup over 25657500 Kilogramme, ein augen« 
iheinlicher Beweis zugleich, wie wenig Rußland von den politifchen Erſchüt⸗ 
terungen ber genannten 3 Jahre zu leiden gehabt Hatte. Mit der Vermeh⸗ 
rung red Baummollenimportd hielt natürlich vie Entwidelung des Manu- 
facturwefens gleichen Schritt, ſo daß Rußland im Jahre 1852 fchon 50 große 
Spinnereien mit 10000 Arbeitern und 600000 Spinveln befaß, welche jähr- 
lich 700000 Bub (11500000 Kilogr.) Baummollengarn in den Handel brin- 
gen, dennoch aber nicht dad Bebürfnig der Webereien zu decken vermögen, in 
dem Rußland jährlich noch immer einer Million Pud (164 Mil. Kilogr.) 
Sarı für feine Webereien bevarf, welche bereitd jedes Jahr an 6 Millionen 
Etüde verſchiedener Baumwollenzeuge liefern. 

(Annales du commerce ext. 1852. No. 595 8. 21—22.) 


160 Sigungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 


Sikung der Berliner Gefellfchaft für Erdkunde 
am 6. Auguft 1853. 


Herr Goſche hielt einen Vortrag über Sebaftian Frank, geb. 1500 (?) 
zu Donauwörth, geftorben gegen 1545, indem er den Character und die Le⸗ 
bensweiſe viefed durch fein zuerft im Jahre 1534 und dann in noch 3 Auf- 
lagen erfchienenen Werkes: Das Weltbuch, um die neuere Erdkunde wohl- 
verdienten Schriftftelers ald den Vorgänger für Sebaftian Münfter'd Kos- 
mographie und als dad Urbild eines modernen Literaten fchilvert und zugleich 
ald den Mitbegründer der neueren deutfchen Profa rühmt. (Der Vortrag wird 
in einem ber folgenden Hefte der Zeitfchrift mitgetheilt werden.) Herr Rit- 
ter theilt einen Brief des Herrn U. Petermann zu London vom 20. Juli mit, 
dem zufolge die Originalfarte Barth's über dad Innere von Nord- Afrifa 
baldigft erfcheinen wird und ein Negierungspampfboot beftimmt ift, am 1. Ja⸗ 
nuar 1854 an der Mündung ded Niger zu fein, um Barth bei feiner event. 
Ankunft dort aufzunehmen. Gleichzeitig berichtet bad Schreiben, daß Herr Pe⸗ 
termann vor einigen Tagen Gelegenheit gehabt habe, von einem englifchen 
Seemann, der mehrere Jahre dad Commando eined dem Imaͤn von Mascate 
gehörigen Schiffes hatte und den unter dem Aequator mündenden großen Jub 
( Dſchub) fluß eine gute Strede binaufgefahren mar (Gumprecht Geographie 
von Afrifa 115), zu erfahren, daß verfelbe dabei im Inneren eine beträcht= 
liche Kette von Schneebergen gefunden habe. (Beftätigt ſich viefe Nachricht, 
fo würden allerdings auch Krapf's und Rebmann's Nachrichten über die Schnec= 
bederfungen des Kenia und Kilimandſcharo nicht mehr bezweifelt werden kön— 
nen. ©.) Herr Ritter lad einen vom 25. Juni batirten Brief des Dr. Vo- 
gel aus Tripolis, worin berfelbe feine bevorftcehenne Abreife nah Murzuck 
anzeigt, fowie Herr Gumprecht ein ausführliches Schreiben de8 Herrn Pe 
termann aus London über Overweg's legte Unternehmungen und deſſen Teßte 
Tage mittheilte. — Herr Ritter berichtet endlich noch nach einem ihm zuge» 
gangenen Briefe des preußifchen Commodore Schröder über den neueren Zu= 
ftand, die Verfaffung und die Sanvelöverträge der vor wenigen Monaten von 
der unter feinem Commando ftehenvden preußifchen Fregatte Gefton befuchten 
Mepublif Liberia. (Die Mittheilung ver drei legten Vorträge wird in ben 
nächften Heften ver Zeitfchrift flattfinven. ) 


⁊ 


V. 


Ueber neue Entdeckungen und Beobachtungen in 


Guatemala und Yucatan. 
(‚Hierzu Taf. III und IV.) 





Bemerkung: Un Se. Majeflät unfern Allergnäpigften König wurden 
die folgenden Berichte des Obrift Mod. Mendez, durch ven Königlichen 
Geſchaͤftstraͤger in Gentralamerifa, Herrn Geh. Finanzrath Heffe, nebft def 
jen begleitenden und ergänzenvden Zufägen fammt ven zugehörigen Original« 
zeichnungen eingefandt und und die Veröffentlichung verfelben geftattet. Diefe 
enthalten: L Don Modeſto Mendez Bericht über eine Unterfuchungs»Er- 
pedition nach den Ruinen der alten Stadt Tifal, an das Minifterium des 
Innern in ©uatemala gerichtet. II. Erläuternde Bemerkungen zu ven er 
derzeichnungen der Monumente von Tifal und Dolores (von Mendez und 
Heffe). IH. Monumente von Dolored (nach Mendez von Heffe). IV. Er 
läuternde Andeutungen zu den obigen Alterthünmern von Tifal und Dolores 
(von Hefe). 

Zu diefen Original» Mittbeilungen fügen wir V. eine und gütig von dem 
Berfafir, Herm Joͤgor von Sivers, zur Veröffentlichung überlaffene 
Abhandlung, welche viefer jo eben aus Gentralamerifa zurüdgefehrte Mei« 
jende behufs einer Bearbeitung des fpanifchen Chroniſten Billagu- 
tierre entworfen hatte, ald wir ihm des Obrift Mendez Entdeckung mit 
theilten. Seine Iehrreichen Titerarifchen und antiquarifchen Vorfchungen auf 
demſelben ſpaniſch⸗ amerikanischen Gebiete find ein dankenswerther Beitrag zu 
einer fortfchreitenden kritiſchen Erfenntnip dieſes geographifch-antiquarifch noch 
wenig angebauten und Doch fo reichhaltigen Feldes und vürften, ald von einem 
Augenzeugen und Kenner ver darauf bezüglichen Literatur herrührend, fehr 
willfommen fein. Die mit 3. v. ©. bezeichneten Noten verbanfen wir 
ihm, wie die mit H. bezeichneten dem Einſender des Obrift Mendez’- 
hen Berichtes. Noch bemerken wir, daß die Form unferer Zeitfchrift zu 
einigen Abkürzungen in ver Einleitung des legten Aufjages nöthigte, ohne 
jevoch etwas zum Weſen des Inhaltes gehöriges dabei auszufchließen. 
| Diefe vom Obrift Mendez zu Tifal und Dolored zuerft entdeckten Mo⸗ 
numente find noch von feinem früheren Reiſenden gefehen oder befchrieben und 
auch nicht einmal ald vorhanden genannt worben. C. Ritter. 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. J. 11 


162 C. Ritter: 


l. Don Modeſto Mendez, Obrift, Corregivor des Diftricte 
Peten, Bericht über eine Unterfuchungss Expedition nach den 
Ruinen der alten Stadt Zifal!). 


An das Minifterium des Innern zu Guatemala. 

Am 23. Februar (1848) verließ ich die Stadt Flores in der Ab- 
ficht, die AltertHümer der Stadt Tifal zu beftchtigen. Eine Commif: 
fion der Municipalität, beftehend aus den NRegidoren Antonio Ma- 
tos und Eyndicus Jof& Maria Oarma, begleitete mich; außerdem 
gingen Bincente Diaz und Barnave Caſtellanos mit.?) 

Die Municipalität von San Joſé hatte eine andere Commiſſion 
ernannt, die uns auch begleitete. Von da, wo wir unjer Nachtquartier 
auffchlugen, lautet das Tagebuch der Erpedition folgendermaßen: 

Heute den 2Aften um 3 Uhr Morgens nahmen wir von ben 
Herren, die und bis dahin begleitet hatten, Abfchied. Wir fchifften uns 
in 2 großen Pirogua’s ein, und fliegen nach einer Fahrt von 5 Le- 
guas (16,6 gleich 1°) öftlih wieder an’8 Land °), von wo wir bie 
Reife nicht ohne Beforgniß fortjetten, weil einige Eingeborene, die dort 
am Ausfhiffungsplage wohnen, uns unter Thränen Fagten, daß ihre 
Männer mit dem Gobernador Ambrofio Tut fchon über 8 Tage 
zur Erforfchung des Weges nah den Ruinen fort feien, und fie be- 
fürchten mußten, daß diefelben ein Opfer der wilden Bewohner oder 
reißender Thiere, oder der Zauberer Cdiefe armen Leute find nämlich 
hinfichtlich jener Ruinen von allerlei abergläubigen Vorftellungen er- 
füllt) geworden wären. Wir tröfteten fie und fuchten fie zu beruhi- 
gen, indem wir ihnen fagten, daß wir Alle zufammen wicderfommen 
würden. 

Nah einem Wege von A Leguas ſchloß unfere erfte Tagereife bei 
dem Waflerplat Ta Tinta, wo wir bei herrlichem Wetter unfere Hänges 
matten im Schatten und in ber Kühlung des Waldes auffpannten. 
Ich mußte felbft argwöhnen, daß dem Gobernador und feinen Gefähr- 
ten ein Unglüd zugeftoßen fei, weil fie fchon feit A Tagen hätten zu- 
rüd fein fünnen. Doc ſchon am Nachmittage begegnete und der Go— 
bernador mit 4 bis 5 feiner Begleiter; er war nur durch die Schwierig« 
feit den Weg aufzufinden und durch die Jagd auf allerlei wilde Thiere 
gehindert worden. Auch das Suchen nach Waffer Hatte ihn aufges 


Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Ducatan. 163 


Kltn, denn daran fehlte ed durchaus, fo daß er zu zwei Arten 
fetter Binfengewächfe oder Schlingpflanzen, die dort im Ueberfluß 
wachlen, jeine Zuflucht nehmen mußte, indem aus diefen, wenn man fie 
vucchſchneidet, eine treffliche Fluͤſſigkeit hervorquillt.“) Auf meine Frage 
nah den Ruinen erklärte fi der Gobernabor bereit, mich ungeachtet 
jiner Ermübung bis an den Fuß derfelben zu geleiten, und wir hör- 
tin mit Spannung feiner Erzählung von der Großartigkeit und Pracht 
iner Gebäude zu. Inzwiſchen brach die Nacht an, und wir legten 
uns zur Ruhe. 

25. Febr. Heute fepte die Begleitung des Gobernador ihre Reife 
nach San Joſo fort, während er felbft mit uns weiter ging, nachdem 
er dorthin den Befehl gegeben hatte, mir 2 große Wafferfäffer nachzu- 
enden, da die Schlingpflanzen vorausfichtlich für 19 Perſonen nicht 
ausreichend waren. 

Nah einem Marie von etwa 6 Leguas machten wir Nachmits 
tags gegen A Uhr unter heftigem Regen Halt, und feßten am ande: 
ven Tage, den 26. Febr., bei Tagesanbruch die Reife fort, in der 
Hoffnung, die Ruinen baldigſt zu erreichen, da nach den von einem 
hohen Puncte angeftellten Beobachtungen biefelben nicht mehr entfernt 
fein konnten. Der Regen begann von neuem unter heftigem Donner 
und Dlis, was in dieſer Jahreszeit nicht gewöhnlich iſt. Völlig durch⸗ 
näßt gelangten wir Nachmittags in eine etwas lichtere Walbung, wo 
wir viele Stüde von alten Thongefchirren bemerften, was die Hoffnung 
neu belebte, daß wir unferem Ziele uns näherten. °) Bald darauf er- 
blickten wir von dem Gipfel eines ziemlich regelmäßig geformten Hüs 
geld wirklich den erften der alten Palläfte, gelegen auf dem höchften 
Bunct einer noch beveutenveren Bodenerhoͤhung. Der Anblid Tieß 
feinen von uns unberührt, und ich empfand ein ſtolzes Selbftgefühl bei 
vem Gedanken, in fo wenigen Tagen die Wünfche fo vieler Jahre, 
zum beträchtlichen Vorwurf meiner Vorgänger, erreicht zu haben ®). Wir 
räherten ung dem Buße einer fehönen Treppe (oder Terraffe), deren 
Stufen wir nur mit großer Mühe wegen der eingeflürzten Stellen und 
Trimmerhaufen Hinaufflimmen konnten. Diefe Treppe maß 50 Varas 
42695. Preuß.) Höhe und 25 Breite (150' Höhe, einige 40 

Breite). Oben auf der ‘Plattform angelangt ”) betrachteten wir auf 
aeıffam das, was an biefem Bauwerk wahrzunehmen Pen Auf einem 


164 C. Ritter: 


Theil der Mauern waren Figuren und Charactere verfchiedener 
Artz der übrige Theil war leer und mit dem feinften Gypsüberzuge 
befleidet. 

Die Höhe dieſes Bauwerkes betrug 32 Baras (75 — 76) 

Die Länge in der Front : 27 = (67) 

Die Tiefe ⸗ 9 = (einige 20’) 

Am Umfange deffelben befanden fih Spuren ehemaliger Bal- 
fone (?), denen die Trümmerhaufen am Buße deſſelben zuzufchreiben 
waren. Man genoß von diefer Höhe eine unbejchreiblich fchöne Auss 
ficht nach allen Seiten hin. Die Eingeborenen, welche mich begleite- 
ten, fagten in ihrer Sprache, die Eigenthümer dieſes Haufes hätten 
große Herren fein müffen, welche Millionen von Arbeitern befaßen. 
Leider fehlte uns ein Fernglas, mit dem wir viele intereffante Gegen» 
ftände, als Flüffe, Lagunen und Ranchos (offene Länderftriche) der Wil- 
den, unterfchieden haben würden.“) Wir erblidten von bier aus noch 
andere gleich hohe Pallaͤſte; da es indeß bereitd 5 Uhr Abends war, 
fo fliegen wir die Treppe (oder Terraffe) wieder hinab, entfchlofien 
morgen dieſe werthvollen Entdeckungen fortzufegen. 

Am 27. Gebr. war das Wetter eben fo bewölkt, wie am vors 
bergehenden Tage. Wir begaben und nach dem gegenüberliegenden 
Pallafte, bis zu welchem wir nur mit Außerfter Mühe hinaufflommen, 
da von einer Treppe faft gar feine Spur mehr vorhanden war. Das 
Gebäude ift zum großen Theil fehr befchädigt, doch fanden ſich auch 
einige noch beivohnbare Gemaͤcher. Die Deden derfelben find ſpitzbo⸗ 
genförmig gewölbt, und in gewifien Entfernungen bemerft man runde 
Querſtangen, wie um Hängematten daran zu befefligen. Höhe und 
Dimenfionen diefes Palaftes entfprechen denen des zuerſt erwähnten; 
die Mauern find 2! Vara did. 

Im Inneren find Gänge, 24 Varas breit und an 40 Varas lang, 
welche 3 bis A Abtheilungen unter demfelben Dache in fich fchließen. 
An verſchiedenen Stellen find Luftlöcher, 1 Vara lang und } breit, an- 
gebracht. Die oberen Deden der Eingänge oder der Architraven find 
aus unbehauenen Stämmen einer dunkeln Holzart conftruirt. °) An 
verfchiedenen Orten im Inneren find Schriftcharactere, Zeichnungen von 
Köpfen und unbekannten Thieren angebracht. 

Getäufcht in meinen Erwartungen, Gegenftände von größerem 


Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatentala und Yucatan. 165 


Interefie aufzufinden, flieg ich. wieder hinab, um einen Heinen, am 
Fuße befindlichen Hofplag in Augenfchein zu nehmen !°), und hier 
war dad Glück meinen Wünfchen günfliger. Wir gewahrten eine An- 
uhl in Stein ausgearbeiteter Statuen ( Basrelief’8?) von 5 bis 6’ Höhe. 
Ih ließ fie forgfältig reinigen, wobei ich felbft Hand anlegte, und 
chenfo rings umher Das Gebüfch nicderhauen, damit feit Jahrhunder⸗ 
ten vielleicht zum erſten Male wieder die Sonnenftrahlen auf fie fie- 
In. Am Umfange längs der Kante der Steintafeln (der Basreliefs) 
ind Eharactere befindlich, welche auf den anliegenden Copien von Fi- 
guren beider Gefchlechter wahrheitsgetreu dargeftellt find. ''). Sehr be: 
friedigt durch den gethanen Fund ließ ich ringsumher noch genauer 
juchen, und fo kamen elf Statuen der angegebenen Größe zum Bor- 
ichein. Drei fanden (?) auf großen runden Steinplatten; nod 11 
andere Platten fohienen wie zur ferneren Bearbeitung vorbereitet zu 
jein. Alle Steinplatten, auf denen fie fich als Reliefs befanden, wa⸗ 
ren in Zwifchenräumen von einander aufgeftellt; weiter fanden fich 7 
bi8 8 runde Platten ??), den Rädern einer Kutfche ähnlich, und an- 
dere, auf denen irgend Etwas dargeftellt zu fchein fehlen. Indeß ließ 
die Ermüdung der Leute nicht zu, weitere Nachforfchungen anzuitellen; 
denn wir hatten faft den ganzen Tag mit dem Auffuchen, Reinigen 
und Betrachten der Statuen zugebracht, indem wir bedachten, daß die 
dargeftellten PBerfonen nur vermöge ihrer höheren Bildung und Eivili- 
jation im Stande geivefen fein konnten, ihr Andenken durch fo viele 
Jahrhunderte bis auf uns zu bringen. 

Da ed nun dunfel wurde, begaben wir und zur Ruhe, ohne eine 
feſte Anficht über die Epoche jener Monumente und bie Rage ihrer 
Urheber gewinnen zu fönnen. 

Am 28. Febr. begaben wir und nad) einem anderen, nicht weit 
davon belegenen Pallafte, und erreichten mit Hülfe von Baumwurzeln 
ohne große Schwierigkeit die Plattform des Hügeld, auf welcher der⸗ 
ſelbe fand. Das Gebäude weicht In nichts Wefentlichem von ben 
übrigen ab. Einige Gemächer find völlig eingeftürzt; andere ftehen 
dazu in Begriff duch die Wirfung der colofjalen Baummwurzeln, bie 
indeß doch nicht bis in das Innere einzubringen vermochten. Doch fehlt 
es auch hier nicht an gut erhaltenen, bewohnbaren Gemächern. Die 
Mauern haben 3 Ellen in der Dicke. 





166 C. Ritter: 


Da wir genau auf alles Bemerkenswerthe achteten, fo entging es 
Niemand, daß merfwürbiger Weife die Bedeckung des Haupteingans 
ganges Chier wohl nur der Architrav gemeint) aus Balken von Chico- 
Sapote !?) beftand, auf denen mit bewundernswerther Zartheit Fi⸗ 
guren und viele Schriftcharactere angebracht waren, uͤbereinſtim⸗ 
mend mit den in der anliegenden Sammlung befinvlichen Gopien. Wir 
befuchten noch andere, nicht minder großartige, obwohl nicht fo hoch 
gelegene Baumwerfe, zum Theil gleich jenen durch das gewaltige Wachs⸗ 
thum der Bäume zerftört, wenngleich deren Wurzeln nur mit größter 
Mühe den feften Bau der Mauern und den feinen Mörtel 
durchdringen, weshalb ed auch hier nicht an noch bewohnbaren Ge⸗ 
mächern fehlt. Ermuͤdet von dem vielen Auf» und Abfleigen, und in 
melancholifche Betrachtungen bei dem Anblid fo vieler Trümmer und 
Auinen verfunfen, begaben wir uns zur Ruhe. Doch erheiterte fich 
unfere büftere Stimmung, ald wir in unferen Gemächern die Gefäße 
mit Waſſer vorfanden, Die inzwifchen angefommen waren, und die Leute 
des ferneren Suchens nach den Binfengewächfen fo überhoben wurden. 

Den 29. Febr. fandte ich Leute mit Brechſtangen nach dem 
zuerſt erwähnten Hauptpallafte '*), um an einer Stelle, welche ver: 
mauert zu fein fchien, einzubringen, und ſich zu vergewiflern, ob dort 
Idole und andere von den einfligen Herrfchern verborgene Gegen 
fände fich vorfänden. 

Die anderen Eingeborenen wurden auf die Jagd ausgefchidt, um 
und den nöthigen Mundvorrath für die Rüdreife zu filen Auch 
kamen dieſe am Abend mit einem großen Vorrath von Wild aller Art, 
Affen, Fafanen u. a. zurüd, und verficherten mir, fo wie auch Herrn 
Gaftellanos, daß mehr als eine Legua weit fich die Ruinen der 
Tempel und Palläfte Hinzögen. Sie brachten einen Pfeil mit und 
wollten viele Spuren der Lacadones gefehen haben. Die Arbeiter mit 
den Brechſtangen waren nur 2 Baras tief gekommen. 

1. März. Am heutigen Tage befreiten wir eine ovale Stein; 
platte von Geſtruͤpp und Wurzeln, welche mehr als 2 Varas Länge, 
Vara Breite und 4 Bara Dide hielt. Beim Umkehren derfelben zeigte 
fich eine Figur, welche nach allen Berzierungen zu urtheilen die Ge⸗ 
mahlin eines Herrſchers vdarflelln muß (ſ. die beiliegenden 
Tafeln). 


Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Yucatan. 167 


Unter dieſer Steintafel war eine andere gerundete Platte vorhan⸗ 
den, leider befchädigt, auf welcher eine Gottheit Dargeftellt war. Gleich 
tarauf entdeckte ich eine ähnliche andere, mit der Abbildung eines Ad⸗ 
ler8 oder einer Schlange. Auf beiden waren die dargeftellten Ge: 
genftände fo undeutlich, daß der Zeichner fie nicht wiederzugeben ver- 
mochte. Ich ließ von demfelben alle am Umfange der fteinernen 
Bilder, eben wie die auf den Balfen von Chico-Sapote befindli- 
hen SInfchriften mit möglichiter Sorgfalt copiren. 

Ohne Zweifel müflen diefelben Dinge von Wichtigkeit befagen, 
und mir würde es fchmerzlich geweſen fein, Anderen die Veröffentli- 
chung deſſen zu überlaffen, was ich hier mit eigenen Augen fah. Bei 
Sonnenuntergang famen die Arbeiter herunter, nachdem fie noch eine 
Bara tiefer eingedrungen waren, ohne ein Nefultat zu erzielen. Inter 
Gefprächen über den im Bolfe herrſchenden Glauben an Zauberei 
rücfichtlich diefer Ruinen brach die Nacht herein. 

Am folgenden Tage befuchten wir noch einmal zum Abfchiene die 
Steinbilver und die A Palläfte, die im Norden und Often desjenigen 
liegen, an deſſen Fuß wir uns befanden. 


Im Inneren des lehteren ließen wir unfere Namen und eine In— 
ſchrift, durch welche ich, als Corregivor und Commandant, jene Rui⸗ 
nen für Eigenthum der Republik Guatemala im Gebiete 
des Diftrictes von Peten erflätte. | 


Am Rande beiliegender Zeichnungen ift bemerkt, ob ber betref- 
iende Gegenftand in Holz oder Stein ausgeführt ift, und wenn in 
jenen Fehler enthalten find, fo Fönnen fie nur unbedeutend fein, indem 
die Mitunterzeichneten, welche Original und Copie gefehen haben, über 
ihre Genauigfeit übereinflimmen. 

Noch bemerfe ich, daß der Gobernabor Tut verfprach, mir an 
der Mündung einer nur 3 Leguas entfernten Lagune einen gut in 
Stein ausgeführten Stier zu zeigen, deffen Dafein bemweifen würde, 
dag jene alten Bewohner Rinderheerden hatten. 

Den 3. März bei Tagesanbruch trafen wir Anftalten zur Ab- 
reife und wanbten endlich nach Gtägigem Aufenthalt den hochachtba— 
ren Perſonen, vie wir täglich fo oft befucht hatten, wenn aud) wider: 








168 @. Ritter: 


firebend den Rüden, indem wir diefen Bericht aus Der Hauptftadt des 
alten Reiches Tikal bdatirten. 


Den 3. März 1848. 
(Unterfehriften. ) 


Anmerkungen zu Abhanvlung L 


2) Zifal beventet im der Maya-Sprache „zerfiörte Palläſte⸗. Die Tra- 
bition ſchweigt darüber völlig, wie über Palenque. (v. ©.) 

2) Die Männer der Erpevition von 1848 fuhren von Flores über die Lagune, 
und landeten an dem Norbufer in der Gegend ©. Iofe de les Iurice. (Heſſe.) 

3) Bei dem Paso de cet? ket? Ben da führte fie der Landweg nad) ven 14 Le⸗ 
guas entjernt in der Gierra de Ducatan belegenen Ruinen von Tifal Wenigſtens 
von diefer Geite find viefelben mur im den Monaten Januar bis Juni zugänglich; im 
den übrigen Jahreszeiten verwandeln die ungehenern Regenmafien einen Theil diefer 
Tropengegenb in eiuen großen Eee und machen das Durchkommen fo gut wie un= 
möglid. Vem Januar bis Zumi herrſcht, wie überall in Ducatan, eine große Dürre 
und größter Waſſermangel. ($.) 

*) Diefe Pflanze erreicht die Dide des Zuckerrohrs; durch zwei raſch auf ein- 
ander folgende Hiebe, oben und unten, muß ein Theil des Stammes herausgetrennt 
werben, weil der Saft jebesmal mit großer Geſchwindigkeit nach oben cover unten in 
den Stamm entweidht. (H.) 

°) Die umher zerfireut liegenden Scherben von Porcellan uud Thongefäße, welche 
zum Ziele führten, venteten and auf den Weg, dem die Atelen auf ihrer Bandes 
rung von Aztlan nach Tula und dem Thale von Tenochtitlan (Merico) nahmen, eben 
fo wie die Ruinen der Gafas graudes auf Zeiten höherer Menſchencultur jetzt verös 
deter Gegenden. Roc in menefter Zeit bat Lieutenant Abert an dem Uſern des Rio 
Gila, der zweiten Hauptſtation der Azteken, viefelbe Unzahl zierlidh bemalter Scherben 
auf großen Flächen zerſtreut wichergefunden, welche ſchon an denfelben Orten die Miſ⸗ 
fionare in Erſtaunen fegten. Al. v. Humb. Anf. d. Rat. I, 347. (58.) 

°) Das Hauptgebäude, auf welches die Erpedition zumächft ließ, Hand auf einem 
pyramidalen Hügel von 50 Baras Höhe, am vefien Seiten Spuren einer ehemaligen 
Belleivung von Mauerwerk fihtbar waren. Auf der Norvfeite war berfelbe wohl er⸗ 
halten, auf der Sübfeite jedoch eingeftürzt. (H.) 

Der Hauptpallaft erinuert lebhaft an Stephen’s Caſa del Adivino (Hans bes 
Zauberers) und Gafa Ar. 3 genannte Tempel zu Urmal und Palengue, im unteren 
Stod glatt, das obere gefchnörfelt. Nifchen, vielleicht mit Idelen und Vorhängen; 
doch fonft irgend tafelförmige Monolithe als Pantheon. (I. v. €.) 

2) Oben auf der Plattform angelangt, flanden fie am Fuße eines thurmartis 
gen Gebäudes von 3 Stockwerken, 32 Baras hoch, 9 Baras tief. Das untere Stock⸗ 
werk war einfah ans behanenen Eteinblöden gebilvet, die beiden cberen reich au 
Sculpturen und Ornamenten. (H.) 

*) Bon der Plattform Hatte man eine überrafchend fehöne Ausfiht und konnte 
in voller Deutlichkeit, nur wenige Legnas entfernt, im Wet ven Cerro de Eayal fe: 





Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Yucatan. 169 


ka; von dem Dache ans wollten bie Indianer fogar den Belize-Fluß und andere 
etierute Bumcte umterfchieden haben. (H.) 

?) Gegenüber dieſem Bebände liegt der Pallaſt, am deſſen Hausthüre fich der 
lirchitrav ans Chico⸗Sapote befindet, defien Ornamente die Zeichnungen 1 und 4 dars 
Relen. Durch diefen Singang kam man in einen langen, der Front parallelen Gors 
tter, in deſſen oberer Seitenfront, der Eingangsthür gegenüber, ein Fleineres Thor 
gleichfalls mit einem Architrav ans Ghica-Sapote fih zeigt. (H.) 

»2) Den man von der Plattform des Pallaftes entdeckt Hatte. (H.) 

2) Intereſſant ift befonders die Gruppe Nr. 7, eine weibliche Figur mit ber 
Sierogigphe des Froſches auf der Bruſt, in der einen Hand anfcheinend ein mufifalis 
ſches Inftirument Haltend; die andere Hand ift wie vor Schreck über die gleichfam aus 
der Erde fleigende Fleine Figur emporgehoben. (Die Hand ift in allen nordamerika⸗ 
niſchen Bildern ein Symbol der Macht und Herrichaft; f. Steph. Incid. of Trav. 
IL. App. p. 476.) Die ganze Gruppe iſt aus einem Steinblod gearbeitet. Die 
fleine Figur, ebenfo wie die aus der Erde hervorklommende Hand, find völlig getrennt 
von ber Ebene der Haupffigur. Alle viefe Bignren find anf tafelfürmigen Monolis 
then ausgehanen. Sie waren in einem mit ciner niebrigen Mauer umgebenen Hof: 
ranıne, in einiger Gntfernung von der Mauer, in Zwifchenräumen aufgeftellt, eine Art 
Sautheon der Beherrſcher Tikal's. In einiger Entfernung in einem anderen Hofraum 
fand fich die Statue Nr. 9. Die auf den Zeichnungen oben abgebildeten Hieroglyphen 
fiehen auf den Steinplatten im Umkreiſe der Figur längs des Randes der Platte. 
Alles bie anf Nr. 9 befindet fich in aufrechter Stellung (M.) 

2) Die anf runden und ovalen Blöden (7) gearbeiteten Basreliefs medaillen- 
artiger Form erinnern an Palenque nnd Chichen⸗Itza; die Siunbilder der geflügelten 
Schlange erinnern an die Sagen der Azteken und Toltefen. (H.) 

122) Gharacteriftifch ift die Verwendung hölzerner, mit Sculpturen bedeckter Bal⸗ 
fen von Ehico-Sapote- Holz zu den Architraven der Thore. Einige fehenswerthe 
Eremplare davon werben im Minifterium zu Guatemala aufbewahrt. Muh Ste: 
phens beobadıtete dergleichen zu Urmal. In der Caſa del Adivino hatten alle Ar- 
ditrave ans Holz beilanden, und die meiften waren noch an ihren Plägen über den 
Tnüren erhalten. Nur in Deoſingo hatte fich ein folher Balken, und in Palenque 
gar nur das Bruchſtück von einem ſolchen vorgefunden. In der Bafa bei Adivino 
waren ſchwere Balfen, 9 Fuß lang und 18 bis 20 Zoll im Quadrat, das Holz wie 
das in Dcofingo fehr hart und unter dem Schlage der Art Eingend. Es foll nad 
tem Führer nicht in der NRachbarfchaft wachfen, fondern nur in ven entfernten Wal- 
vungen in ber Umgegend bes Sees von Beten gefunden werden. Die Anwendung fol- 
dyen Holzes in übrigens ganz von Stein anfgeführten Bauwerken muß auffallen. Nach 
ver Angabe des Führers hätte jeder Balken auf den Echultern von 8 Trägern, aus 
einer Entfernung von 300 Miles herbeigetragen werben müflen; es war daher felten 
und koſtbar genug. Diefe Balfen tragen eine 14 bis 16 Fuß hohe und 3 bis 4 Fuß 
vide Mauer. Die meiften ſtehen noch gejund au ihren Stellen; andere von Würs 
mern zerfrefien wichen dem Drud der nachfinfenben Mauer. Die allgemeine Zerfti- 
rang rührte vorzugsweife von bem Brechen dieſer Balfen her. (H.) 

Wenn, was nicht wahrfeinlich, bei Ocofingo Fein Sapote wachſen follte, fo if 
es viel wahrſcheinlicher, daß dieſes Holz den Rio S. Pedro, oder den Rio de la Paf- 
fon herabgeſchwemmt wurde. (I. v. ©.) 

Chico⸗Sapote der Merifaner ift ein fehr geihägter Fruchtbaum. Sapota major 








170 C. Ritter: 


Gaerin. (S. Achras Mill.) Seine Saamen find officinell; das an den Saamenrän= 
dern ausgefchievene Harz liefert den von ben Merifanern Zajtle genannten Weihrauch. 
S. C. 3. Heller’s Reife in Merifo. Leipz. 1853. Abſchn. 11. p. 415. (C. R.) 

34) In der Front des nnieren Stodwerfes befand fich eine große Nifche, etwa 
5 bis 6 Fuß Tiefe Haltend, deren Wände mit Malereien und Schriftcharacteren bedeckt 
waren, und an deren oberer Dede fich hölzerne Riegel befanden, die dazu beſtimmt 
fhienen, einen Vorhang zu tragen. Der Corregidor hielt diefe Nifche, welche nach 
feiner jetzigen Anficht zur Aufnahme eines Idoles beftimmt war, damals für dem vers 
mauerten Gingang bes Thores. Hier wurbe der Verſuch mit Brechſtangen gemacht, 
der aber, nachdem man in bie Mitte bis 44 Varas Tiefe fortgefchritten war, aufge⸗ 
geben wurde, weil man fich überzeugte, daß das untere Stockwerk mafliv fei. Bei 
dem zweiten Befuche ließ der Corregidor einige Indianer auf das Dad) des Gebäudes 
Klettern, und bier fanden fie einen Eingaug, der Form nad einem Badofen ähnlich, 
durch welchen man in das oberfle Stockwerk gelangte. Diefes befieht in einem einzi= 
gen Gemach, an deſſen Wänden fih Bilder und Sculpturen befinden. Mittelft Durch⸗ 
bruch der Dede gelangte man in das zweite Stodwerf, welches von berfelben Beſchaf⸗ 
fenheit ift und leer war. (H.) 


ll. Erläuternde Bemerkungen zu den Federzeichnungen der 
Monumente von Tikal und Dolores. 


Die Provinz Bera Paz (Wahrer Frieden). Stadt Guatemala, 
zwifhen 15— 18° n. Br. 71 — 749 w.2. von Ferro, bei den Spaniern 
Tierra de Guerra, weil fie die Bevölkerung nie vollſtaͤndig unter- 
ischen konnten. 

Auh Las Eafas, im 16. Jahrh. Vicar des Dominicaner - Klo: 
fterd zu Guatemala, Berfuch fie auf frieblichem Wege zur Unterwer- 
fung zu bringen, gelang nur mit Einzelnen. — Doch findet fih in 
dem kleineren füblichen Theile des weiten Bezirks, 3.3. in der Stadt 
Caban (12000 Einw.), eine die Regierungsautorität anerfennende, 
wenn fchon gemijchte Bevölferung. Der nordweſtliche Theil aber 
zwiſchen den Eordilleren und der mericanifchen Provinz Chiapas, fo 
wie Jucatan gehört faft ausfchließlich heute noch freien und un- 
getauften Indianern, die jeve Berührung mit ven Weißen ver- 
meiden und in ihren alten Sitten fortleben. Theils noch innerhalb 
diefer Provinz, theils nur angrenzend, liegen die alten Reihe Ka: 
hiquel, Duihe und Maya, und die über biefelben zerftreuten 
Ruinen find Denkmale ihres früheren Glanzes. Nur wenige der: 
jelben wurden bisher befchrieben. 

Rah Stephens (Incidents of Trav. II, p. 193) liegt 4ALeguas 


Neue Enrdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Ducatan. 171 


on Coban Cin Bera Paz) eine alte Stadt mit gigantifchen Gebäu- 
vn und PBalläften, eben fo groß wie Santa Eruz del Quiche, 
öde, verlafien, aber fo wohl erhalten, wie eben erft geräumt. Sie ift 
noch nicht unterfucht. Ebenfo ſoll A Tagereifen vom Dorfe San To: 
nad, bei Santa Eruz del Quiché, an der Straße nach Merico, 
auf der anderen Seite der Sierra, eine alte Indianerftadt liegen, 
groß und volfreich, die fih noch in demfelben Zuftande, wie zur Zeit 
der Eroberung befinde. Die Einwohner des nahegelegenen Dorfes, 
Ehajul erzählen, daß viefelbe von dem höchften Kamme der Sierra 
deutlich fichtbar ſei. Man überblidt von dieſem Kamme, 10 — 12000’ 
hoch, eine ungeheuere, fih bis Yucatan und den Golf von Mexico 
außdehnende Landftrede. Im diefer liegt in weiter Entfernung die Stabt 
mit ihren weißen Mauern und Thürmen. Kein Weißer habe fie ie 
betreten; die Einwohner follen die Mayas Sprache reden. Nach an- 
deren Rachrichten foll Died nur eine Ruinenftadt fein. Doch ift die 
Sage, daß in der Provinz Bera Paz noch bevölterte alte Städte 
feien, deren Ur- Einwohner die alte Eivilifation bewahrt, und ſich 
von jeder Berührung mit Weißen freigehalten haben, In ganz 
Eentral- Amerika verbreitet, ohne daß der Urfprung derſelben bisher 
ermittelt wäre. Auch in Yucatan fand Stephens ähnliche Sagen. 

An der Südgrenze von Yucatan, im Dorfe Iturbide, nahe 
der alten Stadt Zibilnacac, von wo bis an den See Beten fich 
eine große Wild niß erfiredt, in der nur ungetaufte Indianer vom 
Stamme der Lacandones leben, fol fi) an den Gebirgen, nahe dem 
See, eine von freien Indianern bewohnte Stadt befinden, die 
bisher von keinem Europäer befucht warb und wo die Indianer angeb- 
lich noch ganz in dem Zuftande leben, wie zur Zeit der Entdedung. 

Diefen nördlichen Theil der Provinz Vera Paz bildet das 
große Departement von Beten. Es grenzt im Oft an Britiſh Hon⸗ 
duras, in R. an Yucatan, mn NW. an Ehiapas, den fagenreichen 
Staat der mericanifchen Union, befien Ruinen in neuerer Zeit von 
Stephens unterfucht worden find. 

Dort liegt auf einer hoch auffteigenden Infel in der Mitte der ma- 
lerifchen Lagune die Hauptflabt des Diſtrictes, „Flores“, das alte 
Itza. Heute reſidirt in ihr ein Gorregivor und Commandante, zur 
Zt Don Modefto Mendes, ein fehr verftändiger und edeldenken⸗ 





172 C. Ritter: 


der Mann, der den Bezirf am genaueften fennt und die dort gebräuch- 
lihen Indianer-Dialecte fpricht. 

Die Nordgrenze des Bezirfes Beten, Hier mit der Provin— 
zialgrenze zufammenfallend, wird felbft in der beften vorhandenen Karte 
unrichtig angegeben. Nach der detaillirtien Angabe des Corregidors 
Mendez gehören (nah Baily's Karte) von dem dort zu Yucatan 
gezogenen Gebiete die Lagune Balcab, der Rio Concepcion und 
die zu beiden Uferfeiten belegenen Pueblo8 San Felipe und San 
Antonio noch zu Ouatemala. 

Die Völkerfchaften weftlich vom See von Beten, zwifchen den 
San Pedro, dem Grenzfluß von Yucatan und dem Ufumafinta, dem 
Grenzfluß von Ehiapas (Tabasco), deren Gebiete biöher vollig 
unerforfcht geblieben find, erkennen die Staatögewalt von Guate— 
mala nicht an. Ihre herumftreifenden Tribus, welche noͤrdlich und öft- 
ih vom See Beten in der Gegend der Quellen des Balizeflufjes 
und weiter füdlich bis zu den Quellen der Ufumafinta angetroffen wer- 
den, heißen Lacandones und werben ein Stamm der Maya ge: 
nannt *). 

Für Heine Pirogues fleht die Lagune von Peten mit den be- 
nachbarten Heinen Lagunen und dem Balize-river in Verbindung. 
Die Hauptftadt Flores fleht in lebhaften Verkehr mit Balize, und 
nahe den Lagunen find Mahagonifchläge, deren Holz über Balize 
ausgeführt wird. — Am fürlichen Ufer der Lagune liegt das von 
Schwarzen (Karaiben) bewohnte Dorf San Joſé de los Ne— 
gritoß. 

Bon der Hauptftant Guatemala ift Flores an 100 Leguas ent⸗ 
jernt. Die Reife geht von Guatemala über Coban, und von dort bis 
Flores Hat man 60 Leguad. Bon Balize aus kann man ten Balizc- 
river mittelft Piroguen etwa 3 Tagereifen weit hinaufgehen, und von 
ta aus zu Lande in 4 Tagen Flores erreichen *). Tiefer Stadt (Flo: 
res) gegenüber liegt eine große Halbinfel des Feſtlandes, auf welcher 





*) Im 17. Jahrhundert verfianden ſich die Lucandenes um Itzaer nicht umfcı 
einander. Lehte reteten die in Nord: Dacatan gebräuchlihe Maya: Eprache. 
J. v. ©. 
e) Waller um Gadby brauchten mcht als 3 Wochen In S. 


Treue Entvelungen und Beobachtungen in Guatemala und Ducatan. 173 


zahlreiche Strapichen ( Zudermühlen) legen, deren Geräufch man in 
Flores hören kann. 

Am noͤrdlichen Ufer der Lagune, am Fuße der Vorberge der Sierra 
von Mucatan, liegt Das Dorf San Andrez mit 1400 Einwohnern 
(Ladinos und Indianern); öftlih davon San Joſé mit 800 Einwoh⸗ 
nen (Maya⸗Indianern). 

Eorregidvor Don Modeſto Mendes, der wenn auch nicht lite: 
tarifch gebildet, doch ein unermüblicher Alterthumsforſcher ift, vermochte 
e8, die dortigen ſtaunenswerthen Denkmale einer untergegangenen 
Eultur durch gelungene Entdeckungen wefentlih zu bereichern. Im 
Jahre 1848 fand er die Meberrefte von Tikal, einer großen, völlig 
unbefannten Stadt, nördlih vom See Beten, und fendete darüber 
feinen Bericht an das Minifterium in Guatemala. 1852 befuchte er 
diefelben Ruinen abermals, und auf feiner Reife von da nach Guates 
mala fand er, 2 Tagereifen füböftlihd von Flores, die Stadt Dolo- 
res mit mannigfaltigen Altertfümern und Monumenten auf. — Die 
Männer der Erpedition 1848 gingen von der Stadt Flores aus, 
fuhren dort über die Lagune, und landeten am nördlichen Ufer in der 
Gegend von San Zofe, wo fie das erfte Nachtquartier nahmen. 

Die Ruinen von Tifal nehmen einen großen Klächenraum ein, 
welchen der Gorregidor fich befchränfen mußte, in Einer Richtung, von 
Süd nach Rord, über eine Legua weit flüchtig zu recognosciren. In 
jever anderen Richtung ift die Gegend noch völlig unerforfht und als 
lee Wahrfcheinlichkeit nach ein reichhaltiges Feld von Entdeckungen. 

Die Monumente felbft beftehen in Tempeln und Palläften, zum 
Theil noch wohl erhalten, in tafelförmigen Monolithen bevedt mit 
Sculpturen und Schrift Characteren. 

Bon der Plattform des erften beftiegenen PBallaftes entdedte der 
Corregidor am Fuße deſſelben einen Plag, wo mehrere Statuen auf- 
geftellt zu fein jchienen. Bei näherer Unterfuhung und nad Reini- 
gung des Terrains fand man dort die in Stein ausgehauenen Figu- 
im Ar. 5— 8. In Bezug auf diefe letzten ift zu bemerfen, daß bie 
Ornamente des Oberſchenkels der Figur Nr. 5 nicht mit einem Bein- 
Heide verwechfelt werben bürfen, das durchaus nicht vorhanden ift. 


174 C. Ritter: 


II. Monumente von Dolores. 


Diefe lagen theils im NW. der Stadt Dolores, auch noch im 
Diftriet von Beten und dem Orte Peten, 3 Leguas von ihm entfernt, 
in der Richtung von Torribio zu, theild fünöftlih davon in gleicher 
Entfernung, in der Richtung auf Poptun. Der Character der Gegend 
ift der einer ununterbrochenen, zum Theil beivaldeten Ebene, und in 
diefer finden fi) an beiden Puncten Trümmerhaufen und Ueberreſte 
von Mauern alter Gebäude. Die nörblih von Dolores gelegenen Rui- 
nen nennen die Indianer Drcum, die füblich befinvlichen Yrtutz. 
Hier fließ der Corregidor auf einige, theils aufrechtftehende, theils 
umgeftürzte, mit Ziguren in Hautsrelief bededte Monolithen, deren 
einige in den Zeichnungen Nr. 10— 13 dargeftellt find. Auf einzelnen 
Blättern find die Dimenflonen der Monolithe angegeben. 

Rr. 12 fol eine weibliche Figur darftelen. Diefelbe ift um die 
Hüften mit einer furzen Tunica (Ragua der Indianer) aus Federn 
beffeidet, die fich dicht an den Körper anlegt und die Umriffe des Bei⸗ 
nes deutlich erfennen läßt. (An eine fpanifche Hofe iſt Dabei nicht zu 
denken; die Zeichnung ift hier unvollfommen. ) 

Auch dieſe Gegend von Dolores bietet dem Yorfcher ein reiches 
Feld der Entvedung. Noch viele andere mit Sculpturen bededte Stein- 
blöde finden fich in der Umgegend, unter ihnen eine freisrunde, zum 
größeren Theile in der Erde verborgene Platte, auf deren freiliegen- 
dem Theil außer vielen HierogIyphen mit Sonne und Mond 
auch eine Figur, welche gegen die Sonne gewendet in betender Stel: 
lung liegt, abgebilvet ift. 

In nicht allzugroßer Entfernung von dem Fundorte diefer Mo: 
numente hat man auf dem Wege nad) Paptun einen Fluß zu paffi- 
ten, welchen die Indianer Puxté nennen, der wahrfcheinlich mit dem 
Baligesriver identifch if. Bel fehr niedrigem Waſſerſtande wird am 
Ufer Defielben der Eingang einer Höhle frei, in welcher fich eine 
Menge von Idolen befinden, welche zur Zeit der Eroberung von den 
Indianern dort in Sicherheit gebracht worben find. Der Corregidor 
war noch nicht im Stande, diefelbe zu unterfuchen. 


Neue Entvedllungen und Beobachtungen in Guatemala und Ducatan. 175 


In Bezug auf Die Ruinen bei Dolores finden fich einige An- 
deutungen in Juarro's Hiftorien. Band I. c. A, wo bei Gelegenheit 
der Unterjochung der Indianer vom Stamme Chal, Lacandon und Ma- 
pan erwähnt wird, dag im April 1695 einem Pueblo der Lacando- 
nas der Rame Dolore® *) gegeben worden fei, und daß man im fol- 
genden Jahre den großen, dort befindlichen Tempel gefchleift und bie 
Idole verbrannt habe. Dies nahm der Cazique Eabral fo übel, 
daß er mit allen feinen Anhängern in die Berge flüchtete. (Billa- 
gutierre ©. 338.) Nahe bei Dolores feien 2 andere Pueblos ge: 
weien, genannt Beta und Mop, erftered mit 117 Samillen, lebteres 
mit 105. (Billagutierre ©. 360.) 

Ueber Tikal dagegen fchweigt die Tradition gänzlich, und felbft 
der Rame jener alten Stadt mit den mächtigen Trümmern iſt, wie 
bei den Ruinen von Palenque, verloren gegangen. Denn das Wort 
Tifal bezeichnet in der Maya-Sprache nichts weiter als „Zerftörte 
Balläfte”. Weder Herrera, noch Juarros, no Villagutierre 
erwähnen jene Stadt bei der Befchreibung der Eroberung des Rei- 


des Itza. 


IV. Ergänzende Andeutungen zu den Federzeichnungen ver Al- 
terthümer von Tikal und Dolores, 


Nach ihrem allgemeinen Character fchliegen fich die Ruinen von 
Tifal den großartigen Weberreften einer untergegangenen Cultur an, 
denen die Monumente von Quiche, PBalenque, Ocofingo, Urmal, Chi: 


©) Dies muß jedoch ein anderes Dolores gewefen fein, etwa zwifchen Ocoſingo und 
Beten, nuweit des Lacandon⸗Fluſſes. Gegen die Iventität beider Orte Dolores fpricht 
Billagntierre’s ©. 358 Beſchreibung des Weges, deu der Maeſtro de Campo Al⸗ 
toyaza von Dolores zur Entdeckung von Peten einſchlug. Peten wurde nicht gefun: 
den, dennoch banerte die gauze Fahrt 57 Tage. Das vom Obriften Mendez befuchte 
Dolores liegt aber im Diftricte von Cajabon, welcher bei allen jenen Cutdeckungs⸗ 
und Feldzügen der öfllichen Heeresabtheilung zugewieſen war, mehr als 14 Brad oͤſt⸗ 
licher als das Dolores des Villagutierre, welches, wenn nicht alle Berechnung 
trägt, in der jet völlig unbefannten Gegend zwiſchen dem Rio Ufumafinta und Rio 
San Pedro ungefähr 17° a. Br. nnd 91940 weil. Länge aufgefunden werben müßte. 

3. v. S. 








176 C. Ritter: 


chen⸗Itza und die Teocalid und gemwölbartigen Eonftructionen bei Ku 
bah angehören. Es find Gruppen grandiofer Bauwerke, unter gefchids 
ter Benutzung des Terrains luftig auf natürlichen Hügeln aufgeführt, 
deren Seiten theild terrafienformig abgeftuft, theil8 mit Mauerwerk be- 
kleidet find, und zu deren Gipfel ſtolze Treppen binaufführen. 

Wie bei diefen und anderen Ueberreften diefer Bauten find bie 
unteren Stodwerfe einfacher und oft fchmudlos gehalten, die oberen 
mit reicher Ornamentif ausgeftatte. Wie. dort, trifft man Bier große 
Niſchen an, die wahrfcheinlidd von Borhängen verfchlofien wurden. 
Hier wie dort jehr unvollfommene Berfuche zum Gewölbbau, der es nur 
bis zu einer fpigen, triangulairen, bogenähnlichen Conftruction gebracht 
hat. Doch Haben die Altertfümer von Tikal noch viel Eigenthümliches. 
Bei den tafelförmigen Monolithen daſelbſt, welche zu einem 
Pantheon vereinigt find, findet fi) nirgends etwas ähnliche. Ge⸗ 
nauer genommen, ftehen die Bilder und Zeichen von Chichan⸗Itza 
denen von Tifal am nächften; damit flimmen auch die Ueberlieferun- 
gen der Gefchichte überein. Nach der allgemeinen Empörung der Bas 
fallen oder Caziquen, in der fi) dad Land Maya befand, und nad 
der Zerftörung der alten Hauptftadbt Mayapan im Jahre 1420, nach 
Zuarros Th. II, p. 142 

„hielt fih der Cazique Canek, der an der Spite der Pro- 
vinz Chichen-Itza geftanden hatte, nicht mehr für ficher, und 
309 fich mit feinem ganzen Gefolge in den entlegenften und 
unzugänglichften Theil des Landes zurüd, wo er die Injeln 
und Geftade der großen Lagune (See von Beten) colonifirte 
und ein neues Reich, dad Reich von Itzak gründete. ” 

Diefem fcheint Tikal angehört zu haben. 

Vielleicht ift in diefer Angabe eine theilweife Beftätigung der von 
Stephens in Yucatan vorgefundenen Sage von einer Stadt weit 
im Süden, in der Gegend der großen Lagune, zu erbliden. Dann 
aber bleibt die Hoffnung, daß auch die in Covan uud Quiche verbrei- 
tete Tradition von alten Städten jenfeits der Cordilleren ihre Bertäti- 
gung finden, und neues Licht über das Weſen jener eigenthümlichen 
und reichen, aber untergegangenen Eultur verbreiten werde. 

Ganz verfchieven von den Bildern Tifal8 ift der Character der 
bei Dolores aufgefundenen Sculpturen. Er ift entſchieden 


⁊* 


Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Yucatan. 177 


originell und primitiv indiſch. Zwar begegnet man in den Zü- 
gen der dargeftellten Figuren nicht jener großnafigen Menſchen— 
race, die fowohl in den Reliefs von Palenque, als in azte— 
fifden Gemälden fo häufig vorfommen; dagegen verweifen Aus; 
trud der Gefichter und Form der Hieroglyphen auf jene Gruppe von 
Denfmalen, welche ihren characteriftifchen Typus in den Ruinen von 
Copon und Duirigua gefunden hat. Die Quirigua’s liegen im 
Tiftriet von Santo Tomas am linfen Ufer des Rio Montagun. 
der Camino realvon Yfabal nad) Guatemala paflict dieſen Strom 
bei dem Ort EI Pozo, nur wenig von den Ruinen entfernt, und zieht 
ih dann immer längs des rechten Uferd duch den Rüden einer Hü- 
gelfette fort, die mit zerftreuter Nadelholzwaldung bevedt iſt. Webers 
haut man von ihr das weite Thal der Montagua, fo erblidt 
man die reihe Wegetation der Palmen, mit welchen daſſelbe be- 
det ift, indeß Die andere nörbliche Seite durch die hohen Gipfel je⸗ 
ned Rebenzweiges der Cordilleren begrenzt wird, welcher oſtwaͤrts ge- 
bend in der Montana del Mico bei Yfabal und den Gerros de San 
SU bei Santo Tomas endet. Diefer ausgedehnte Theil der Monta- 
gua if unftreitig einft der Sib einer ausgedehnten Bevölferung und 
jmer Stufe der Halb-Eultur gewefen, von welcher die Ruinen von 
Quirigua nur ein vereinzeltes Zeugniß ablegen. In der That erifti- 
ven in diefem Thale auch noch andere, bisher nirgends erwähnte Denk⸗ 
möler, die Ruinen von Chapulco und Chinamite, beide am Ufer 
der Montagua, erfte am rechten, wenige Leguas unterhalb, letzte 
am finfen, etwa 6 Leguas oberhalb Duirigua belegen. Bei China— 
mite dehnt fich ein weites Terrain aus, das vol Spuren einer frü- 
deren Bebauung ift. Zerftreut liegen darauf Trümmer von Steinbauten, 


gebrannte Vaſen, Idole aus Thon und zun größten Theil mit Erbe 
bebefte Monolithen. Bei Chapulco erhebt fich ein grandiofer Teo- 
lali, aͤhnlich dem Sacrificatorio del Quiché, eine vierſeitige Pyramide 
mit terraſſenfoͤrmig abgeſtuften Seiten, von denen Treppen zu den 
Plattformen hinauffuͤhren. Auf dieſer finden ſich Trümmer und ber 
Mume Monolithen, welche von Erbreich und der üppig wuchernden 
Vegetation des Tropenreiches bedeckt find. 

Weiter aufwärts und unterhalb der Stadt Gualan ergießt ſich 
von der Iinfen Seite her ver auf einem hohen Berge des genannten Zwei⸗ 

Zeitſchr. f. allg. Srofunde. Bo. 1. 12 


178 C. Ritter: 


ges der Cordilleren entjpringende Fluß Santa Maria in der Mon- 
tagua. ine Legua von der Mündung entfernt verjchwindet die: 
fer Strom plößlih unter der Erde und Durdläuft eine halbe Legua 
weit auf feinem unterirdifchen Wege eine natürliche Grotte, deren 
Eingang mit Sculpturen aller Art bevedt iſt; ihr Inneres ift noch un- 
befucht. Der belgifche Ingenieur van der Gehüchte, der dieſe 
Mittheilung machte, wurde durch die abergläubige Furcht der ihn bes 
gleitenden Indianer, die, fobald fie Sculpturen anfichtig wurden, 
feinen Schritt weiter in die „bezauberte Höhle" vorwärts zu bringen 
waren, an der genaueren Unterfuchung Derfelben gehindert. 

Im Staate Guatemala begegnet man faft auf jedem Schritt groß⸗ 
artigen Monumenten einer reichen Vergangenheit; von den noch vor: 
handenen Ureinwohnern abergläubifch verehrt, werben fie von der Re— 
gierung nicht beachtet; Niemand erforfcht fi. Der Erzbifhof Don 
Francisco Garcia Pelaez, der jüngfte Autor über die Gefchichte 
Guatemala's, entfchuldigte feine Unbefanntfchaft mit diefen Monumen- 
ten durch die Bemerkung, daß er zu fehr mit Himmlifchen und 
hriftlichen Dingen befchäftigt fei, um der heidnifchen Vorwelt feine 
Aufmerffamfeit widmen zu können. Doch follte flatt feiner ein gewij- 
jer Schotte (er meinte Stephens) vor längerer Zeit diefe Denkmä— 
ler durchforſcht und darüber ‚viel Nüsliched mitgetheilt, auch Zeichnun- 
gen davon gemacht haben. 

Der Präſident des hiefigen Obertribunald, Don Jofe Maria 
Afmitia, der für einen Antiquario galt, Fannte feine der Ruinen des 
Landes aus eigener Anfchauung. Dagegen theilt er mit, daß neuer: 
dings auf feinen Ländereien am weltlichen Buße des Feuerberges eine 
noch gut erhaltene Wafferleitung aus behauenen Steinen, ohne 
Mörtel conftruirt, fowie neun, etwa 6 Fuß hohe Idole oder Statuen 
aufgefunden feien, und daß er nad) Ablauf der Regenzeit Dort wieder 
eine Durchforſchung dieſes Terrains verfolgen wolle. Er war ein eifti- 
ger Anhänger der Meinung, dieſe alt-indifche Cultur für cartha- 
gifhe zu halten, und bezog fich dabei auf des Abbe Charl. Bras- 
seur de Bourbourg Lettres pour servir etc. Mexico. imprenta 
de Murguia, portal del Aguila de oro. 1851. 

Obriſt Mendez ift vielleicht der einzige Mann im Lande, der 
Intereſſe für diefe Studien zeigt, dem es aber an Mitteln und Kennt- 





Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Ouatemala und Ducatan. 179 


men fehlt; Doch würde er auf das eiftigfte eine preußifche Er- 
forſchung Diefer Denkmäler unterflügen und fördern fönnen, wozu 
ac ih erboten Hat, während er den hinreichenden Einfluß befißt, jeder 
anderen Hierzu Die Wege zu verrennen. 


V. Yucatan, feine Literatur und feine Alterthümer, von 
Jegör von Sivers aus Livland. 


Rah einigen Vorbemerfungen über den Vortheil, ven der fremde 
Reiſende durch die Naturcontrafte, die ihn zur Beobachtung auffordern, 
vor dem einheimijchen Indianer, der gedanfenlos, nur inftinctmäßig bie 
Borzüge jeiner Heimath fich aneignet, wie vor dem Anſiedler hat, der 
nur nach dem Nutzen berfelben, die fie ihm darbietet, ihre Schönheit 
bemißt, geht ver Herr Berfaffer dieſer lehrreichen Abhandlung zur Land- 
shaft Yucatan über, die er feinem der fchwächlichen oder empfind- 
famen, bei Dorid aufgeführten Reifenden zum Ziel feiner Wanderung 
empfehlen möchte, felbft nicht den mehr abgehärteten practifchen, die nur 
nah Baumwolle, Häuten, Indigo, Tabad, Zuder u. |. w. fragen, wenn 
ihnen auch der feit 1843 dort herrfchende Kriegszuftand nicht hemmend 
entgegentreten follte. 

Yucatan, fagt v. ©., ift eines jener abgelegenen Länder, welche 
ſich hartnädig gegen Aufnahme europäifcher Bildung wehren, und das 
doch bei der milden Characterbefchaffenheit feiner Bewohner, bei ber 
Fruchtbarkeit feines Bodens, der Civilifation leicht zu unterwerfen ges 
wein wäre. 


Es folgen einige chronologifche Daten aus der früheften Periode 
Yucatan’d. 

Yuan Dias de Solig (mit Bine Yañez Pinzon Colums 
bus Geführte auf feiner erſten Reife), betrat 1506 zuerft die Küfte 
von Yucatan. 

1517. Der Zug unter Francisco Hernandezde Eordova, lan- 
dete am Gap Eatoche, deffen Bewohner den Spaniern in der 
Mayaſprache zuriefen: „coreix catoch“, d. h. kommt in un 
fere Stadt, fie aber durch Neberliftung verfcheuchten. Dann 
fegelten die Spanier weiter gegen W. und ©. bis zur Muͤn— 

12 * 





180 C. Ritter: 


dung des Champoton = Flufjes, wo fie durch Indianer: Heber: 
fälle zur Umkehr genöthigt wurden. 

1526 erhielt Francisco de Montejo die fönigliche Genehmigung, 
die Brovinz Yucatan mit der Infel Cozumel auf eigene Ko: 
ften zu erobern und zu bevölfern. Er wandte dazu fein gan- 
3e8 Vermögen an, drang endlich in das Innere, durchzog 
die Gegenden von Merida, Afe u. |. w. unter bejtändi- 
gen Angriffen der Indianer. Um dieſe Zeit lenkte die Ent: 
vefung Peru's zahlreiche Spanier von Yucatan ab, das 
feinen Goldreichthum aufzuweifen Hatte. Doch gelang es 
endlich der Kühnheit und Ausdauer Montejo’s, bleibent 
feften Fuß zu faſſen. Die Geiftlichfeit, welche zu allen 
Zeiten das Unterjochen des Volkes am beften verftant, 
weil fie fich unfichtbarer Waffen und Bande bediente, Tick 
fih nieder und brachte die Indianer unter fnechtifche Bot: 
mäßigfeit. Campeche, die erfte größere Niederlaffung der 
Spanier, fiheint um 1540 gegründet zu fein; von hier aus 
ergoß ſich der Strom der fpanifchen Invafton durd) die ganze 
nördliche Halbinfel. An Stelle der alten Maya-Stabt Tiboo, 
und aus deren Trümmern, entftand 1542 Merida, dic 
heutige Hauptftadt der Republik. 

Die Gefchichte weniger Länder hat fo lange im Verborgenen ge- 
Ihlummert, denn nur vor 15 Jahren begannen die erften Lichtfirahlen 
das Dunkel zu zerftreuen, welches über der Vergangenheit von Yuca- 
tan ſchwebte. 

Die am weiteften zurüdgreifende, leider nur fliggenhafte Urkunde 
über die Geſchichte Yucatan's ift ein altes Maya-Manufeript, deffen 
Mittheilung wir dem Herrn John Stephens (Deffen Reife in Yu- 
catan ©. 429) verdanken. Dies Manufeript beginnt *) mit dem Jahre 
144 nad Chrifti und fagt: die Toltefen brachten von 144 eine Reihe 
von Jahren bis 217 zu, um aus ihrer Vaterſtadt bis nah Chac- 
mouitan (Yucatan) zu gelangen. Sener Zeitraum bildete A Epochen 
(Katunes) der Maya-Zeitrechnung. Noch A andere Epodyen, bis 





— — 


*) Im Original der Maya-Sprache iſt es von Stephens mitgetheilt in 


deſſen Incidents of Travels in Yucatan. London. 8. 1843. Vol. II. Append. 
p- 465 — 469. 


Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Buntemala und Yucatan. 181 


360, ſaͤumten fie an ben erften Landungsorte, entdedten darauf Ziys 
ancan, oder Bacalar (?), und regierten dafelbit, bis fie in das im 
Innern gelegene Chichen-Itza famen (um 432). 6 Perioden lang, 
bie 576, verweilten fie dort und wanderten dann nad) Champoton, quer 
durch pie Halbinfel, an das Südende der Weftfüfte Yucatan's. 13 Epo⸗ 
hen vergingen (bis 888), als ihnen endlich felbft die Herrfchaft 
genommen wurde. 2 Perioden hindurch, bis 936, wanderten fie in 
ben Bergen herum und ließen fich endlich abermals in Chichen⸗-Itza 
nieder. In dem darauf folgenden Zeitabfchnitt colonifirte Ajcuitak 
Tutul Xiu den Ort Urmal, und herrfähte mit den Kazifen von Maya- 
yan 10 Epochen lang, bis zum Jahre 1176. Nach 3 Epochen wurbe 
Chacribchac, der Herrfcher von Itza, im zehnten Jahre der folgen- 
den Epoche, 1258, von Tunaczeel, dem Kazifen von Mayapan, 
und jeinen 7 Heerführern befiegt. Noch in derfelben Epoche zogen die 
Toltefen zum zweiten Male aus, um den König von Chichen, Ulmil, 
anzugreifen, der gegen Ulil, den Kazifen von Izamal, die Waffen erho⸗ 
ben hatte, aber auch bis 1272 befiegt wurde. Doch in der nächitfol: 
genden Epoche, nach feiner Erholung, fiel Ulmil wieder in das Ge- 
biet von Mayapan ein, erlag aber im Jahre 1368 den Bewohnern 
der Berge, welche Ehichen zerftörten. Andere 3 Perioden vergingen, 
bis die Spanier zum erften Male das Land betraten, dem fie den 
Kamen Yucatan beilegten. 

In der eifften und legten Epoche der erwähnten Urkunde began- 
nen die fpanifchen Angriffe um's Jahr 1527; 1540 warb die Erobe- 
rung vollendet und 1560 ließ fich der erfte Bifchof, Toral, im Lande 
nieder. Daß die mufteriöfe Urkunde durch einen fpanifchen Geiftlichen 
aufgezeichnet ward, der feine Nachrichten vieleicht aus dem Munde 
eines Mayas Priefters erhielt, ift kaum zu bezweifeln. Andere Mit- 
theilungen giebt das Tagebuch, welches unter Aufficht des Eroberere 
Brijalva von defien Hauptcaplan geführt worden. Eine Folge von 
Original » Erzählungen und Nachrichten (aus dem Jahre 1518) welche 
zuerft 1838 in Ternaux-Compans Recueil de pieces relatives & la 
Conquete de Mexique zu Paris gedrudt wurden, reihen fich daran an. 

Eine der umfaffendften und wichtigften Gejchichts Erzählungen 
bringt der Mönh R. P. F. R. Diego Lopez Cogolludo, in fei- 
ner 1687 zu Madrid ausgegebenen Schrift: „La Historia de Yuca- 


182 &. Ritter: 


tan“. Der Reijende Walded, welcher in Meriva ein Eremplar des 
Werkes durchblätterte, erklärte voreilig die ganze Chronif für confug, 
abfurd und unfähig irgend ein Licht auf die Gedichte der Mayapa- 
neques zu werfen. Die neueften Durchforfchungen der Halbinfel ha- 
ben erwiefen, daß die Unflarheit und Abfurdität nur in der Unwiſſen⸗ 
heit jenes Touriften ihren Urfprung genommen, ähnlich wie anderen äl⸗ 
teren Reifeberichten, 3.8. Marco Polo's, durch gewifienhaftere For: 
fcher ihr Recht geworden if. Berner liegt in dem Archive der Cathe⸗ 
drale von Merida, der Hauptfladt Yucatan’s, ein feltenes, zu Ma⸗ 
drid im Jahre 1701 gedrucktes Buch: Don Juan de Villagutierre 
Sotomayor Historia de la Conquista de la Provincia de Itza, de 
la de el Lacandon, y otros naciones de India barbaros de la 
mediacion de el Reyno de Guatemala a las provincias de Ju- 
catan (Folio). Auch diefed Buch ift gleich dem vorigen lange unver: 
ftändlich gewefen, bis es den unermübdlichen Forfchungen von Stephens 
gelang, eine Menge jener vergefjenen Städte dem Schutte von Jahr⸗ 
hunderten und der Vergeſſenheit zu entreißen, Ortfchaften, von denen 
jelbft in Yucatan nur die unmittelbar unter den Trümmern wohnen 
den Indianer, und felbft die nur die unvollfommenfte Kenntniß befaßen. 
Ueber die Verwaltung jener fpanifchen Provinz erfahren wir endlich das 
Nöthige ausderInstruction, que he de observar elMariscal de Campo 
Don Christoval de Kayas en el uso y exercicios de Govierno 
de la Provincia de Yucatan (s. I. a. 1760) fol., und aus ven bes 
kannten allgemeinen Werfen über Verwaltung und Verfaſſung der fpa- 
nifch-amerifanifchen Eolonieen. 

Damit endlih der Forſcher auch über die Maya-Sprache fich 
Raths erholen Fönne, befigen wir die von dem Moͤnche Francisco 
Bonaventura herausgegebene: Arte del idioma Maya 1560, und 
hoffen, daß das von einem gelehrten Yucatelen Don Rio Perez 
gefammelte und bearbeitete MayasWörterbuh von mehr als A000 
Morten bald der Deffentlichfeit übergeben werden möge. — Der Rafts 
(ofigfeit deſſelben Forfchers verdanfen wir die Antigua Chronologia 
Yucateca, Erläuterungen und Berechnungen der alten Maya-Zeits 
rechnung, eine Arbeit, welche Stephens in feinem Buche über Yu- 
catan in der Meberfegung uns mittheilt. 

3m Jahre 1838 erfchien Frederic de Waldeck’s Voyage pit- 


Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Öuatemala und Yucatan. 183 


toresque et arch6ologique dans les provinces d’Yucatan pendant 
les annees 1834 et 1836. fol. Diefer Reifende wurde vorzüglich 
trurch Lord Kingsborough unterftügt, der ſich um die Archänlogie, 
zumal des fpanifchen Amerika's, viele Verdienfte erwarb. Waldeck's 
Werk hat feinen Werth durch die erfte Veröffentlichung der Ruinen 
von Urmal in Europa; er felbft aber war weder ausdauernd, noch ge: 
wiſſenhaft in feinen Sorfchungen; feine Zeichnungen find voll architectos 
nifcher Unrichtigkeiten; doch enthält das Werk manches Wifjenswerthe, 
auch über Sitten und Gebräuche, über Land» und Völkerkunde. Ne: 
bel in feinem umfafjenden Voyage pittoresque et arch&ologique 
dans le Mexique (Paris um 1840) fügte ſchaͤtzenswerthe Materia- 
lien hinzu. Der Lord Kingsborough jammelte alles vorhandene 
Material zur Altertfumsfunde jener Lander und verausgabte fein gan— 
sed Vermögen zur wäürbigen Herftellung des bekannten Prachtwerkes 
(das Eremplar foftet 15000 Franfen), das er unentgeltlich vielen Bi- 
bliothefen zufandte. 

Das Intereffe, einmal angeregt, fchlief nicht wieder ein, und von 
nun ab ununterbrochen widmeten verfchiedene Männer Zeit, Geld, und 
was das Tiheuerfte ift, ihre Gefundheit, um die Geheimnifje jenes ent- 
fernten Landes mehr und mehr zu Tage zu fördern. 1841 unternahm 
der Superintendent und Gouverneur von britiih Honduras, Walker, 
ein verdienftvoller, wiſſenſchaftlich gebilveter Mann, fpäter britifcher Re- 
ident beim Könige der Moskito-Küfte, in Geſellſchaft des Lieutenants 
Caddy eine Reife von Balize durch das wilde Innere des füplichen 
Yucatan zu den Ruinen von PBalenque, und Fehrte über Meriva und 
auch wohl Uxmal zurüd. Seine Reifeergebniffe wurden der englifchen 
geographifchen Geſellſchaft mitgetheilt. 

In demfelben Jahre erfhien John Stephens erſtes Werf: 
Incidents of Travels in Central-Amerika, Chiapas and Yucatan, 
New-York 1841 in 2 Vol. Sein Begleiter und Zeichner 8. Ca— 
therwoon erkrankte, als beide Urmal erreicht hatten, wodurch Ste— 
phens zu einer unzeitigen Heimkehr genöthigt wurde. Dem Werfe 
ind 79 Kupfertafeln beigefügt. 

Unterdeß befuchte B. M. Norman die Halbinjel und legte in 
ſeiner Schrift: Rambles in Yucatan. New-York. 1843. 8. feine 
Erfahrungen und Beobachtungen über die dortigen Ruinen nieder; 


184 C. Ritter: 


34 ziemlich gut gezeichnete Steindrudtafen und Holzichnitte erläuter- 
ten das Werk, das 1844 eine zweite Auflage erhielt. 

Nach zweijähriger Abwefenheit konnte John 2. Stepheng mit 
feinen Begleitern, dem Maler und Architecten Catherwood und dem 
Arzte Dr. Cabot nach Yucatan zurüdfehren. Sie fliegen bei Sijal, 
einem Heinen Hafenplage an der NW.-Spite der Halbinfel, an’d Land 
und nahmen die früher unterbrochenen Studien wieder auf. Das Er: 
gebniß, derfelben war: Stephens Werf: Incidents of Travels in 
Yucatan Lond. 1843 mit 120 Kupfertafeln, wovon in Leipzig von 
Meißner eine volftändige Weberfegung erfchien, mit Karten. (Nach dies 
fem hat v. ©. feine Anführungen gegeben.) Neben den von Walded 
und Stephens mitgetheilten Karten find dem Verfaffer noch 3 andere, 
wie auch die von Thomas Lopez in Madrid herausgegebene bekannt. 
Stephens bringt im Anhange feines Werfed (Vol. II p. 265) eine 
fartographifche Seltenheit, nämlich eine indianifche Freisförmige 
Karte aus dem Jahre 1557 mit, deren Mittelpunct die berühmte in- 
dianifche Trümmerftadtt Mani ift®). 

Die Karte erinnert lebhaft an die vielen Reifebildern beigegebenen 
Panorama's oder Rundanfichten von hohen Bergen, und fcheint auf 
der Spige einer der Pyramiden zu Mani aufgenommen zu fein. Das 
Original der Karte ift im Beſitz des Kazifen von Mani, bei dem Ste⸗ 
phens auch ein altes indianifches Bild auf Baumwollenſtoff gemalt, 
vorfand, die Ermordung der Mani-Abgefandten durch den anderen 
Kazifen zu Zofkta vorftellend. Einem Rüdfalle der Indianer von 
Mani in den zuvor einmal abgeſchworenen Gögendienft folgte durch 
die zelotifchen Provinzialen in Meriva die öffentliche Verbrennung al- 
ler alten indianifchen Bücher und Handfchriften daſelbſt, wodurch vie 
ganze einheimifche Gefchichte der Vorzeit in Vergeſſenheit verfanf. 

Solorzano in der Politica Indiana und Torquemada (im 
Werfe Veinte y uno libros), fowie viele der Autoren, welche über 
Spaniſch-Amerika fchrieben, bringen mehr oder minder intereffante und 
ſchätzenswerthe Beiträge zur Kenntniß Yucatan's. 

Barcia, in ſeinen Origines de los Indios, Oviedo, Go— 


= mn — — 


*) Gin fo eben erſchienener Beitrag zur Kartographie Yucatan’e ſ. in G. B. Hel⸗ 
ler' Meifen in Merico. 1845 — 48. Leipz. 1853. 8. nebſt Karten von Ducatan. 


Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Ducatan. 185 


marra (1551 )*), Herrera in der Descripcion und Historia ge- 
neral, Anton de Soli in feiner Gefchichte der Eroberung Me- 
108, Bernal Diaz del Eaftillo in feiner Historia de la Con- 
quista de la nueva Espana, que descrivio como uno de sus 
Conquistadores u. A. bringen danfenswerthe Aufzeichnungen, die aber 
erſt durch ihre Ergänzung gegeneinander von Werth erfcheinen. Die 
Refultate der Borfchungen von Stephens in den Trümmern ver 
alten Städte Yucatan's und die Ergebnifje feiner Studien der übrigen 
Denkmale und der neueren Autoren find in kurzer Meberficht etwa fol- 
gende: 

Srühere Forſcher haben aus verfchiedenen Gründen den Xlap- 
pahk (alte Mauern), wie die Maya-Indianer ihre Ruinen nennen, 
ein hohes Alter von 3000 Jahren und darüber zugefchrieben, theils 
weil das altertHüümliche Ausfehen ver mit riefiger Vegetation bebedten 
Trümmer, theils weil die falfche Berechnung der Kalenderfteine, oder auch 
weil die Unwiſſenheit und Traͤgheit der jeßigen Einwohner, welche 
durchaus feinen Zufammenhang mit jenen Bauten und ihren Erbauern 
zu haben fchienen, zu diefer Annahme verleiteten. Allerdings iſt bei 
den heutigen Indianern kaum eine Nachricht über den Urfprung und 
die Beftimmung jener alten Mauern zu erforfchen, ja die nächften Um⸗ 
wohner geben venfelben ober verwandten Alterthümern, wenn ihnen 
überhaupt die Aufmerkſamkeit gefchenft wird, fpecififch verfchiedene Bes 
iihnungen. Stephens hatte ſchon bei Gelegenheit feines erften Bes 
füches der Ruinen Urmal (das bedeutet nur „aus alter Zeit”) in 
feiner Reife durch Gentral-Amerika, Chiapas und Yucatan, ausgefpros 
Gen, daß fein Grund vorhanden fei, auf irgend eine Nation der als 
im Welt als Erbauer dieſer Reſte zurüdzugehen, daß fie nicht die 
Verfe verſchwundener Voͤlker feien, deren Gefchichte gänzlich verloren 
ging, fondern, daß flarfe Gründe vorhanden wären, fie für die Werfe 
berielben Völfer zu halten, welche das Land zur Zeit der fpanifchen 
Eroberung befaßen, oder nicht fehr weit von ihnen entfernten Bor: 
ältern. 

Wer die 1787 von Antonio del Rio, 1805 von Dupair, 


®) Gomarra in Primera y scegunda parte de la Historia general de las In- 
das, con todo el descubrimiento y cosas notables que han accaecido donde que se 


salaron. 1551. 


y 


186 C. Ritter: 


1839 von John 8. Stephens und dem Maler Catherwood auf: 
genommenen Anfichten von Palenque mit einander vergleicht, die von 
beiden leßten befuchten Ruinen von Urmal in den wieberholten Dar: 
ftellungen von 1839 und 1842, neben einander halt, wird die in 55 
Jahren raſch vorgefchrittene Zerftörung der Ruinen gewahren und fich 
überzeugen, daß fo eilendem Untergange unterivorfene Gebaude nicht 
länger als feit der fpanifchen Invafton, von wo ab fie der Pflege benom- 
men waren, den Einflüffen der Witterung hätten widerftehen koͤnnen. 

Bedenfen wir die colofiale Triebfraft des tropifchen Clima's, ſe— 
hen wir Bäume, welche im Laufe von 8 Monaten die Dide eines Ar— 
mes, in 25 Jahren 174 Fuß Umfang (5 Buß vom Boden) erreichen 
(S. Stephens Yucatan ©. 130), finden wir an einigermaßen vor 
Sonnenglut und Regen gefchügten Stellen, jelbft an Außenmauern, 
noch Meberrefte von Malerei (Stephens Yucatan ©. 140. Deutfche 
Ausg.), haufig Farben in ihrem vollften Glanze, rohe oder mit Bild- 
nerei gezierte Holzfchwellen, die der Witterung wiberftanden, und er: 
innern und der im 16ten und 17ten Jahrhunderte zerftörten Burg⸗ 
ruinen in Deutfchland, Livland u. a. Orten, wo ich deren viele zu be: 
fuchen Gelegenheit fand, die troß unſeres milderen, trodenen Clima's 
faum irgendwo in ihren Mauern Meberrefte von Holz entveden laſſen, 
jo wird und die Bermuthung über den neueren Urfprung jener Trüm⸗ 
mer der Gewißheit ſchon näher gerüdt. Hieraus dürfte jedoch auf ein 
gleiches Alter fammtlicher Ruinen noch keineswegs geſchloſſen werben, 
obgleich id} die von früheren Forfchern angenommenen angeblichen Un- 
terfchiede in ihrem ganzen Umfange und an allen Orten nicht gelten 
lafien darf. So könnten 3. B. Palenque und Urmal Monumente glei: 
hen Alters fein; fie wurden nur durch die Bopenbefchaffenheit und 
die durch dieſe bedingten Baumaterialien verfchieden hergeftellt. Pa⸗ 
lenque befigt Reliefs in Stud, und nur hin und wieder zeigt es eine 
in Stein fauber und forgfam ausgeführte Bildhauertafel, während 
Urmal ganz aus Stein erbaut, mit Steinrelief8 in Weberfluß verziert 
it, die einer viel voheren, uranfünglichen Kunft anzugehören fchienen. 
Der felfige Boden von Nord -Yucatan, welcher fich in dem bebauten 
Landestheile bis auf 50 Breitegrade fünlich erftredt, mußte nothwendig 
anderes Material liefern, ald der Lehmboden der füblichen Niederun- 
gen um Palenque, wo Steine zu den Seltenheiten gehörten. Kein Wun— 


Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Yucatan. 187 


der, wenn am lebtgenannten Orte mehr Sorgfalt auf die Ausführung 
der kleinen Steintafeln verwendet wurbe, ald in Urmal, wo ganze 
Gebäude aus jenem Materiale errichtet wurden. Wenn auch bes 
Schlangengebaͤudes von Urmal bei den Conquiftadoren nicht Erwäh- 
nung gefchieht, fo fahe doch Bernal Diaz bei feiner Landung zu 
Bampehe große und wohlgebaute Häufer aus Stein und Kalf mit 
Figuren von Schlangen und von Gögenbildern an den Mauern ges 
mal Der Padre Cogolludo, der alte yucatanifche Ehronift, erzählt 
1687, daß er eine jener Teokalis bei Urmal beftiegen und in der Ka- 
pelle oben Weihegefchente von Cacao und Spuren von Copallad ge⸗ 
funden habe, ein Beweis, daß die Indianer furz vorher erft geopfert 
hatten. Hätten fie wohl Tempel einer der ihrigen fremden Nation 
verehrt? 

Unter den Eigentums» Documenten des jebigen Befikers der Rui- 
nen von Urmal, ded Don Simeon Peon, fand Stephens unter 
Andern einen in fpanifcher Sprache gefchriebenen Folioband, Datirt vom 
Jahre 1673. Diefed Document, ein Zeugniß föniglicher Gunft, be 
richtet über die Schenfung der Ländereien und Ruinen an den Negi- 
dor Lorenzo de Evia, vier Stunden „desde los edificios de 
Umal nach Süden, eine nah Often, eine nach Welten und eine 
nah Norden. Der Eingang des Documentes feßt auseinander, wic 
der befagte Regidor um die Schenkung gebeten, und wie nebft vielen 
anderen angeführten Gründen für die Verwilligung auch „ein großer 
Dienft Gott unferm Herrn gefchehe, weil Durch dieſe Anlage die In- 
dianer verhindert würden, in jenen Orten den Teufel in den alten 
Gebäuden, welche dort find, zu verehren, in denen fie ihre Götzen ha- 
ben, vor welchen fie Eopal brennen, und denen fie andere verabfcheuungss 
würdige Opfer darbringen, wie fie es täglich offenfundig und 
öffentlich thun.” Diefem Documente folgt ein anderes, 14 Jahre 
fpäter abgefaßted Cdemfelben Jahre, ald Cogolludo's Chronik zu 
Madrid im Drud erfchien), in deſſen Eingange, nad) wiederholter Mit- 
theilung der Bitte Don Lorenzo's und der oben bezeichneten Ber: 
wiligung, dargeftellt wird, daß ein Indianer, Namens Juan Can, 
mit Rechtsanfprüchen auf die verjchenkten Ländereien fich gemeldet habe, 
weil er ein Nachlomme der einftigen Beſitzer fei. Eine Abfindung mit 
dem Indianer wurde denmach getroffen und fchließlidd um wiederholte 


188 €. Ritter: 


Befiged-Beftätigung und um fürmliche Förperliche Einfegung in denſel— 
ben gebeten. — Es folgt dann das aus dem Jahre 1688 datirte 
Vebergabe- Document, welches mit folgenden Worten fchließt: „Kraft 
der Gewalt und Autorität, welche mir durch dafielbe Document vom 
befagten Gouverneur übergeben find und in Uebereinftimmung mit feinen 
Bedingungen, nahm ich den befagten Lorenzo de Evia bei der Hand, 
und er ging mit mir über ganz Urmal und feine Gebäude, öffnete 
und fchloß einige Thüren, die mehrere Gemächer enthielten, hieb 
innerhalb des Raumes einige Baume um, hob einige hervorgehobene 
Steine auf und warf fie hinunter, zog etwas Waſſer aus den Agua: 
da's des befagten Ortes Urmal, und verrichtete andere Handlungen 
der Bejignahme. ” 

Nehmen wir Eogolludo und diefe officielen Documente zufam- 
men, fo haben wir unverbächtige Zeugniffe, denen nicht widerfprochen 
werden kann, daß um jene Zeit von den Indianern in den Häufern 
von Uxmal den alten Gögen geopfert worden fei. Die Thüren bewie⸗ 
fen den guten Zuftand der Gebäude. 

Einen anderen Beweis giebt die ſchon oben erwähnte Karte ber 
Umgegend Mani’d, aus dem Jahre 1557, und liefern die alten Maya- 
Documente, weldde Stephens im Beſitz des Kazifen von Mani fand 
(Steph. ©. 309). Während in den Jahren 1673—88 Urmal fchon 
veröbet ftand, dennoch von Indianern zum Opferbienft befucht wurde, 
die Tempel noch Thüren befaßen, war um das Datum der Maya -Ur- 
funde, 1557, Urmal noch bewohnt, da mehrmals in den Papieren An: 
funft und Abreife verfchiedener Gerichtöperfonen zu Uxmal erwähnt 
wird. Daß der Ort damals Feine Hacienda, fondern im indianifchen 
Befige war, bemeifen die oben angeführten Schenfungs- Documente 
von 1673— 88. Wäre es eine fpanifche Stadt gewefen, wie hätte 
der Gößendienft, von dem die Rede ift, geduldet werden können. An 
jever neugegründeten Anfievelung war es die Kirche, welche zu den 
erften Gebäuden gehörte, und die Ausbauung des Chriſtenthums mit 
einer der Haupthebel zur Sicherung der Berhältniffe. 

Wie fommt es, daß auf der oben erwähnten Karte der Umgegend 
von Mani, auf der die meiften Orte durch das Zeichen einer Kirche 
angemerkt find, Urmal der einzige Ort ift, dem dieſes Zeichen fehlte, 
ja felbft mit einem Zeichen bemerkt ift, das man unfehlbar für eine tref- 


Keue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Yucatan. 189 


rende Nachahmung der alten indianifchen Tempelbauten halten muß, 
und durchaus für nichts Anderes ausgeben kann. Stephens und 
Don Simeon Peo haben ihre Anficht dahin entſchieden ausgefpro- 
hen, und mir gilt der Beweis für unumftößlid. Daß Urmal nicht der 
einzige Ort alt=indianifcher Baufunft, des Styled der heutigen Rui- 
nen fei, welcher zur Zeit der fpanifchen Invaſion von Indianern be- 
wohnt worden, dafür koͤnnte ich zahllofe Beweife aus dem Munde der 
alten Chronifer beibringen. An den Oftfüften von Yucatan Hinfegelnd 
jahen die Spanier an verfchiedenen Orten, die fich nachweifen laffen, 
und von Stephens neuerdings wieder bejucht und unterfucht wor: 
tn, „Thürme“, auch Dörfer, von denen eines fo groß war, daß 
„Sevilla nit größer oder beffer hätte erfcheinen kön— 
nen’; jo Grijalva's Bericht. Hätten wohl die Spanier Palmen⸗ 
hütten mit Sevilla’ Palläften verglichen? Schaaren von Indianern 
waren am fer, mit einer Fahne winkend, gefehen worden. Die dort 
noch heute ftehenden Bauten haben das Anfehen von Thürmen und 
werden von den jegigen Küftenfahrern mit denfelben jehr bezeichnenden 
Namen benannt, die Orijalva ihnen gab. Auch ich habe mit eiges 
nen Augen, aus kaum einer Seemeile Entfernung, denſelben Anblid 
diefer Gebäude gehabt, als ich die Küfte Yucatan’s befchiffte. Im 
Tagebuche Grijalva’s find zahllofe Beweismittel für ihre Beftim- 
mung, deren mehrere im italienifchen Original und deſſen franzöft- 
ſcher Meberfegung nachgelefen werden können. Grijalva fagt: „auf 
der Infel Eozumel, oder Cuzamil, wie fie urfprünglich hieß, 
fahen wir „ein weißes Haus”. Es hatte die Geftalt eines Flei- 
nen Thurmes und fchien 8 Palmen lang und von Mannshöhe. Leute 
famen vom Lande und meldeten, daß der Kazife kommen werde. Wir 
sählten 14 Thuͤrme von der befchriebenen Art. Die Indianer was 
ven auf der Inſel fehr zahlreich und machten mit ihren Trommeln 
großen Lärm. Darauf fliegen wir an einem anderen Orte der Spa- 
nier an’8 Land, wo neue Gebäude flanden. Den Aufweg zu dieſem 
Ihurme bildeten 18 Stufen; die Baſis war fehr maffiv. Auf dem 
@ipfel flieg ein Fleiner Thurm von 2 Mannshöhen empor; innerhalb 
waren Figuren, Gebeine, Bögen, die fie anbeteten. Während der Be⸗ 
tehlshaber mit vielen von unferen Leuten oben auf dem Thurme war, 
fam ein Indianer mit 3 Begleitern, welche den Thurm beauflichtigten, 





190 C. Ritter: 


und festen in das Innere eine Vaſe mit ſehr wohlriechendem Räucher- 
werf. Diefer Indianer war alt, er brannte viel Räucherwerf vor den 
Bösen, die fih in dem Thurme befanden und fang mit lauter Stimme 
einen Gefang immer in berfelben Melodie. Wir gingen in ein Dorf, 
in dem alle Häufer aus Stein gebaut waren. Sie ſchienen feit lan: 
ger Zeit erbaut zu fein, doch gab es auch andere. Diefer Ort war 
mit concaven Steinen gepflaftert, die Straßen, an den Seiten erhöht, 
fchrägten fi nach der Mitte zu abwärts, welche ganz mit großen 
Steinen gepflaftert war. Die Seiten hatten die Häufer der Bewoh—⸗ 
ner inne. Vom Grunde bis zur halben Höhe der Mauer find fie von 
Stein erbaut und mit Stroh (vermuthlich Palmenblätter) gedeckt. Wir 
drangen 3 bis A Meilen weit in das Innere vor und fahen Dort von 
einander getrennte Gebäude und Wohnungen, die fehr gut gebaut 
waren. ” 

An einer anderen Stelle wird erzählt: „wie vor einer großen, um 
die Teokalis verfammelten Volksmenge ein alter Mann in großem, los 
fen Mantel den Tempel befliegen und die Menge angerebet, oder eine 
lange Zeit zu ihr geprebigt habe. Darauf wurden von den Spaniern 
Belehrungsverfuche gemacht, allein die Priefter und Häuptlinge ants 
worteten, daß fie diefe Götter, wie ihre Vorältern, anbeteten, weil fie 
gütig feien, und daß, wenn wir ed verfuchten fie zu beläftigen, bie 
Götter und von ihrer Macht dadurch überzeugen würden, daß fie ung 
auf der See vernichteten.. Cortez befahl nun die Götzen niederzus 
reißen, was wir fofort thaten, indem wir fie einige Stufen hinunter 
rollten.“ 

Gomarra erzaͤhlt in feinem oben angeführten Werke von einem 
Tempel: „wie ein vierediger Thurm, breit an der Bafis, mit Stufen 
an der Seite, obenauf ein mit Stroh gedecktes Gemach mit A Thüren 
oder Fenſtern nebſt ihren Bruftwerfen oder Corridor's. In die Hös 
lung, welche wie eine @apelle ausfieht, ftellen oder malen fie ihre 
Götter. * ” 

Anton de Solid erzählt von einigen fteinernen Häufern, bie 
Orijalva unweit S. Juan de Ulloa, auf einer Infel fand, welche 
weit größer als die übrigen waren. Man traf in denfelben verfchie- 
dene Götenbilder von einer fcheußlichen und fürchterlichen Geftalt, die 
aber auf eine weit fahredlichere Art verehrt worden. Man fand naͤm⸗ 


Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Ducatan. 191 


lid an den Stufen dieſes Goͤtzentempels 6 bis 7 in Stüden zerhauene 
Leichname, welche eben erft geopfert ſchienen u. f. w. 

Aus einem Briefe des Caplan Fray Lorenzo de Bienve: 
nida an Philipp II. (damaligen Kronprinzen) aus dem Jahre 1547, 
hören wir, daß Meriva feinen Namen von den alten Steingebäuben 
erhielt, welche man am Plage der Gründung vorfand. Sie waren 
jhöner, als alle im übrigen bereits entbedten Lande. Es ſcheint, fagt 
der Mönch, fie feien vor Chrifti Geburt erbaut worden, denn es wach: 
in auf den Mauern eben fo ftarfe Bäume, al8 am Fuße der Ge- 
baude. Diefe Häufermaflen hatten 5 Toifen (30 Fuß) Höhe, und 
find mit Badfteinen erbaut; auf dem Gipfel dieſer Gebäude (Pyra⸗ 
miden genannt) finden fich A verſchiedene Gemächer, ähnlich den Zel- 
(en der Mönde, 20 Fuß lang und 10 Fuß breit. Die Thürpfeiler 
find aus einem Stüd und die Deden gewölbt. 

Zwanzig Jahre, und fpäter 7 Jahre, vor welchen Lorenzo de 
Bienvenida dieſes nieverfchrieb, hatte Montejo Die Gegend von 
Tihoo (fo bieß die alte Indianerftant) und Ake mit dem Blute der 
Indianer gefärbt, und wir entfinnen und ber beftändigen vorfpanifchen 
Indianerfämpfe, über weldhe dad Mayas Document berichtet. Geit 
jener Zeit mochten diefe Ruinen unbenugt ftehen, denn Bienvenida 
fand die Indianer der Gegend in Palmenhütten wohnen. Was aber 
die Tropenvegetation vermag, ift ſchon oben angegeben. 

Die alten Bauten von Eozumel und dem Feitlande von Yuca- 
tan find aber ganz im nämlichen Character, und die Beichreibungen 
aus den Erpeditionen von Cortes und Grijalva, wie wir fie dur 
Gomarra, Bernal Diaz del Eaftillo, Cogolludo u. a. Chro⸗ 
niften bejchrieben oder bewohnt fehen, flimmen genau überein mit dem, 
was heutige Reifende auf Yucatan an alten Gebäuden entdeden. 

Aus den Berichten über die Eroberung der Stadt Tayaffal 
auf der Infel Beten und der Villa de Nuestra Seüora de 
los Dolores, wie fie durch Juan de Villagutierre Soto- 
mayor, in dejien Historia de la Conquista de la Provin- 
zia de Itza*) auf und gefommen find, werben ung die Steingebäude 

#) ©. Liber IV c. 14, 263 u. f. Lib. I—4; III, 5, ©. 182; IV, 10, ©.251. 


Lib.V, 6, 311; über Peten⸗Itza ferner ©. 392, 402, 463, 489, 494, 495, 
500, 501. 


192 C. Ritter: 


bejchrieben, welche auf der Infel und im Lande der Lacandons noch 
150 Jahre nach der Unterwerfung Yucatan’d von den Indianern be- 
wohnt und ald Tempel benugt worden. Auch diefe Bauten von Pe—⸗ 
ten, deren legte Nefte, wie wir aus dem Reifeberichte ver Gouverneurs 
Walker erfehen, in unfenntlihen Trümmerhaufen beftehen, flimmten 
den erhaltenen Beichreibungen Billagutierre’s gemäß mit den übri- 
gen auf Yucatan und Cozumel überein. 

Im Jahre 1697 wichen die Indianer von Peten ver fpanifchen 
Waffengewalt und zogen fih ſuüdlich in die Wildniß einer Gegend, 
die uns bis auf den heutigen Tag wegen des üppigen Urwaldes und 
der rauhen Gebirgsform unbekannt geblieben if. Stephens vermus 
thet, daß wenn jene angeblich noch heute von heibnifchen wilden Ins 
dianern bewohnte Stadt, deren er in feiner Reife durch Central: 
amerika, Chiapas und Yucatan erwähnt, fein Märchen ift, fie nur in 
viefem Landestheile gefucht werden dürfte und möglicher Weife ihren 
Urſprung jenen vom PBetens See vertriebenen Indianern verbanfe. 

Während der bekannte Norbamerifaner €. ©. Squier in Nica 
ragua mit Entdedung der Alterthümer und Sprachforfhung ( 1850 — 
51) fich befchäftigte, hörte er von den Ruinen einer bis jebt gänzlich 
unbefannt gebliebenen Eingebornen- Stadt in obiger Gegend. Ein In- 
dianer, den er zur Kundfchaft dahin ausfandte, beftätigte die umlau⸗ 
fenden Gerüchte über ihre Eriftenz, wodurch das Gefpenft jener alten 
angeblich noch frei bewohnten Stadt immer mehr an Glaubwürbigfeit 
verliert. 

Die Gründung der von den Spaniern 1697 auf Beten zeritors 
ten Indianerftabt, rührt nach den Nachrichten, welche Villagutierre, 
Suarros Th. II ©. 142 und Cogolludo überliefert erhielten, aus 
dem Jahre 1420 von Canek, einem jener Kaziken her, welche gegen 
das Haupt von Mayapın fi) empörten, und an ber ſchon oben er- 
wähnten Zerflörung diefer Stadt Theil nahmen. Canek ward zuerft 
Beherriher von Cchichen-Itza, das er (S. oben) fpäter verließ, 
um auf Beten, welches demnach neueften Urfprungs gewejen wäre, 
die befannte Stadt zu gründen. 

Als die von Guatemala aus über Coban, ueguetenango und 
Iscatan in die Gebirge zur Entdeckung des Weges nach Chichen-Itza 
unternommenen Reifen gemacht wurden, entdedte man verfdies 


” 
Ö 








Neue Entdeckungen und Beobachtungen in Guatemala und Ducatan. 193 


dene Ruinenftäbte und bewohnte große Orkfchaften*), 
unter denen eine, von den Spaniern Dolores zubenannt, die meifte 
Aufmerkfamkeit auf ſich zog. Befefligungen wurben angelegt auf den 
Trümmern der Teocalis, die man zerftörte, eine Kirche erbaut und die 
Indianer aug den Dörfern der Umgegend ausgehoben und an biefen 
neuen Mittelpunct verfet. 


Beifolgende Tafeln III und IV geben in etwas verfleinertem Maaßſtabe bie 
vom Obriſt Mendez mitgegebenen Originalzeichnungen getreu wieder, „welche jedoch 
von dem deutſchen fehr unterrichteten und thätigen Arzt Dr. Ahrens in Guatemala 
gezeichnet find und denen das Zeugniß der Treue (f. oben S.165, 167), bis auf ein- 
zelne fchwieriger zu erfennende Züge, wie bei Fig. 6 (S. oben ©. 143), wiederholt 
gegeben wird. - 

Tafel IN, Abbildungen aus Tikal, Figur 1 bie 9 

Figur 1 und 4 ) von Architraven genommen, die aus Chico: Sapote = Holz 

Figur 2 und 3 ) gefchnittene Figuren zeigen; f. ©. 169 Anm. 9 und 13. 

Figur 5, 6, 8 und 9, in Stein gehauene Reliefs aus Monolithen, alle von 
6 bis 6 Fuß Höhe; f. oben ©. 168. 

Abbildungen ans Dolores Figur 10— 13. 

Sigur 11, 12, 13, alle in Stein gehauen aus Mouolithen, und an 

6 Sup hoch. 
Tafel IV, in etwas geringerer Berkleinerung der Originals Beichnung: 

Figur 7, ans Tikal, in Stein als Relief ansgehauen; f. S. 169 Aumer: 
fung 11. 

Figur 10, aus Dolores, desgleichen; Höhe des Steinbübes 18 Fuß, deſſen 
Breite 9 Fuß. 


®) En otra salida a Tierra que hizieron algunos de los Saldada, dieron con 

un Sitro, que se conocia, aver avido en &l Poblacion muy antigua, por los mu- 

- chos cimientos de Piedra, y ruinas antiquissimas de Edificios, que hallaron, la qual 

cogieria mas de una legua de circuito. — Villagutierre S. 362. Diefes Eönn- 

| ten die vom Obriſt Mendez entdeckten Ruinen von Tifal fein, welche den Angaben 

des Berichtes zufolge nicht allzumeit- nörblih vom Ufer des Rio ©. Pedro liegen 
mäflen. Anmerk. von 3. v. Sivers. 





Zeitſchr. f. allg. Erbfunde. Bo 1. 13 








194 A. Betermann: 


VI. 
Die letzten Tage Dr. Adolf Overweg's. 


Am Abend des 19. Februar 1853 ſtanden zwei Wagen vor der 
Preußiſchen Geſandtſchaft in Carlton Terrace, und drinnen war eine 
rege Gefchäftigfeit und haſtiges Treiben. Ungefähr ein Dutzend klei— 
ner, aber ſehr fehwerer Kiften wurden eiligft in die Wagen beförbert, 
dann ftiegen zwei Perſonen ein, zwei andere, mit Barometern verfehen, 
hatten fchon ihren Platz. Die Wagen rollten in möglichiter Schnelle 
dahin. Es galt die Abreife des Dr. Vogel nach Afrika zu befehleu- 
nigen, damit derfelbe mit feinen beiden Begleitern am nächftfolgenden 
Tage zur rechten Zeit am Bord des nad) dem mittelländifchen Meere 
beftimmten Dampfbootes in Southampton eintreffe. Die ſchweren, wohl: 
verpackten Kiftchen enthielten eine große Anzahl von Geſchenken oder 
Taufchartifel für die Bewohner Inner Afrifa’s, — größtentheild Eifen: 
waaren, die in jenen Ländern fo fehr gefucht und gefchägt find. Wir 
kamen gerade noch zeitig genug auf dem Eifenbahnhofe an, und als 
ich dem abgehenden Zug nachblikte, dachte ich lebhaft an Barth und 
Overweg und empfand die innigfte Freude in dem Gedanken über dic 
bedeutende und nicht minder unerwartete Verftärfung, Die ihnen fo eben 
nacheilte: — ein junger, thatenluftiger, talentvoller Afteonom und Bo: 
tanifer; feine beiden Begleiter, fcehöne, Fräftige, gebildete und liebens— 
wirdige *) Leute vom Königlichen Ingenieur: Corps, an tropifches 
Klima gewöhnt, mit Vermefjungen nicht unbefannt und befeelt von dem 
Unternehmen, an dem fie Theil haben follten; — von der englifchen 
Regierung mit großer Freigebigfeit mit zahlreichen Inſtrumenten erfter 
Güte **), ſowie verhältnißmäßig bedeutenden Mitteln ausgeftattet. 





*) Bogel fchreibt in einem feiner an mich gerichteten Briefe ven Tripeli: „Das 
Detragen meiner beiden Lente ift wahrhaft mufterhaft. Ich habe fie im Gebrauche 
von Inſtrumenten aller Art fleißig eingeübt, fo daß fie jebt Barometer, Thermometer 
und Öygrometer felbiftändig beobachten und auch mit dem Azimuthalcompag und den 
Sertanten ſchon fehr gut Befcheid wiſſen. 

**) Als Vogel feinen Sig eingenommen, zog er aus feinen Weftentafchen zwei 
Ehronometer mit den Morten: „Petermann, diefe beiden Heinen Längenbeitimmer fo: 
fen allein £ 80!“ — „„Die find gut für die Quellen des Nils!au — 


C 





Die letzten Tage Dr. Adolf Overweg's. 195 


D was für ein Jubel wird das für unfere Freunde am Tſad⸗See *) 
jin! dachte ich, für die Wackeren, die fih nun ſchon über drei Jahre 
mit Todesperachtung und ungefchwächten Eifer unter dem lüftigen Raub- 
gerindel der Tuariks und den gefährlichen Horden der fanatifchen Zu: 
lahs Herumgetummelt, faft ganz abgefchnitten von Europa und der 
übrigen civiliſirten Welt! Run werben fie endlich in wenig Monaten, 
mit verdoppelter Kraft, ihre große Reiſe ſuͤdwärts antreten! 

Diefe meine Freude war von furzer Dauer. Am nächſten Mor: 
gen, wo Vogel das Schiff beftieg, welches ihn nach Afrifa führen 
jolte, fommt Die Rachricht von Overweg's Tode und Barth’s Entfchluß, 
anftatt nach Süden, weitwärts nad Timbuktu zu gehen. Was find 
alle Pläne der Menſchen, wo Gottes Hand waltet! Die Depefchen 
enthielten außer der Todesnachricht die wichtigften Refultate der Er- 
yedition, die bisher nach Europa gekommen, nümlich die Karte von 
Barth, welche Eentral-Afrifa vom Kowara⸗Fluß bis Darfur umfaßt und 
die Entdedungen und Nachrichten in Adamaua, Bagirmi, Waday und 
darüber Hinaus, darlegt. Wohl durfte mir das Herz aufjauchzen beim 
Anblid dieſes geographifchen Schages, aber beim Gedanken an das 
ſchwere Opfer, welches felbiges gefoftet, Eonnte ich Thränen nicht zu- 
rüchalten. Schmerzlicher noch mußte die Nachricht fein, weil der Tod 
des Dahingefchievenen fo ganz unerwartet und plöglicd war. Denn 
während dreier ganzer Jahre hatte fih die Geſundheit Dr. Overweg’s 
ganz vortrefflih bewährt, ja es ſchien ald ob er ſich ganz acclimatifirt 
habe, und als ob fein Körper gegen die mörberifchen Eigenfchaften des 
afrikanischen Tropen⸗Klima's gefichert fei. In allen feinen Briefen, 
jelbft in dem lebten, giebt er die frohe Verficherung feiner vollkomme—⸗ 
nen Geſundheit und fo plöglich wurde er dahingerafft, daß er felbft 
nichts Schriftliches aufzeichnen konnte über feine Krankheit. Wenig⸗ 
ſtens befindet fih in feinen hinterlaffenen, von Barth heimgeſchickten 


— 


*) Seit Dr. Barth, der ſtets der Orthographie von Eigennamen befendere Auf: 
merffamfeit gewidmet, ausdrücklich bemerkt hat, daß die richtigere Schreibart Tſad 
und nicht Tſchad iſt, Habe ich mich bewogen gefühlt, dieſe Schreibart anzunehmen. 
Im Dentfchen Fönnte das Tf wohl richtiger durch 3 ausgedrückt werben. - Diefes ftimmt 
anch mit der Anficht Hormemann’s und Lyon's überein. Der eigentlihe Ton fcheint 
Di, oder etwas zwifchen dem Tſch und IT zu fein. So fehreibt Herr Kölle, der die 
mjaffenditen Forſchungen über die central = afrifanifhen Sprachen gemacht ve —J 


Eugliſch). 





13 * 


196 A. Betermann: 


und von der englifchen Regierung mir übergebenen Papieren fein Woͤrt⸗ 
hen, was auf Krankheit hindeutet. Noch betrübender wird der Tcd 
Dr. Overweg’8 durch den Umftand, daß er alle feine Tagebücher und 
Beobachtungen theilweife fehr Furz und abgerifien, theilweife aber auch nur 
mit Bleiftift auf einzelnen Blättchen aufgezeichnet hat, fo daß ein bedeu⸗ 
tender Theil feiner binterlaffenen Papiere unleferlich und unverftändlich 
bleiben müfjen. Alles Aufgezeichnete iſt augenfcheinlich in dem Sinne’ab- 
gefaßt, daß es erft daheim im Vaterlande follte ausgearbeitet werben. 
Deshalb muß leider Vieles, was der Verftorbene beobachtet und geſam⸗ 
melt dat, al8 unwiederbringlich verloren angefehen werben, und wenn 
man bevenft, daß er der befte Aftronom und Geolog war, der jemals 
Central Afrika erreicht hat, fo muß fein Tod von einem rein=wifjen- 
fchaftlihen Standpunkt innig betrauert werden, ganz abgefehen von 
dem nobeln Charafter, der den Berftorbenen auszeichnete. Aus feinen 
Briefen geht hervor, wie fehr er befeelt war für das Unternehmen, mit 
welcher ſtillen Hingebung und rührenden Beharrlichfeit er alle Entbeh⸗ 
rungen, Mühjfeligfeiten und Gefahren ertrug. Nie murrte er oder füllte 
jeine Briefe mit Jeremiaden aus, fondern fie gaben ftetö klare und in- 
terefjante, wenn auch oft fehr furzgedrängte Abriffe des Fortſchrittes 
der Erpebition, und fein eigenes Ich ift flets im Hintergrunde. Des⸗ 
Halb ift zu wuͤnſchen, daß feinem Namen derjenige Ehrenplab in der 
Geſchichte afrifanifcher Entdeckungen angewiejen werde, den er fo fehr 
verdient. 

Die legten Briefe, die Dr. Overweg an feine Familie (und jo 
viel ich weiß, überhaupt) fehrieb, reichen bis zum 14. Auguft 1852, 
alfo 6 Wochen bis vor feinem Tode. Sie erreichten nebft anderen feit 
dem 5. October 1851 London in der Mitte Novembers 1852, und 
aus ihnen find folgende Auszüge entnommen: 

Nr. 1. — Kanem, an der Norbküfte des Tichad *), im Lager eince 
Araberſtammes, October 5. 1851. 

„— — Ihe werdet es unbegreiflich finden, Daß wir ung bei einer 
Mittagshige von 39° Celfius im Schatten wohl befinden. Sch erfreue 
mich volftändigen Wohlſeins, das ich pflege mit Genuß fchöner Dat- 
ten und trefflicher Kameelsmilch.“ 


®) Die Shhreibart von Eigennamen in directen Mittheilungen Overweg's und 
Barth's iſt durchweg unverändert beibehalten worben. A. P. 


Die lebten Tage Dr. Adolf Overweg's. 197 


Mr. 2. — Am Brunnen Diggel in Kanem, October 26. 1851. 

„— — Einen Monat haben wir jeht in dieſem Lande verlebt, und 
ih müßte viele Seiten vollfchreiben, follte ich ein deutliches Bild un- 
jeres eigenthümlichen Lebens geben. Unſere Zelte haben wir neben das 
Zelt des Schichs eines Araberftammes von der Küfte des Mittelmee- 
es, der Auoläd Szuluman, gefchlagen, und ald wohlaufgenommene 
Säfte diefes Nomaden: und Räuberftammes machen wir alle Strei- 
fereien defielben mit. Unſer Lager ift immer über einem grünen Thal 
mit Brunnen und dichtem Wald auf beraster Höhe; an 200 Araber- 
familien lagern zufammen mit einem Tibbuftamme. Zeltreihen ver Ara⸗ 
ber und Mattenhütten *) der Tibbu’s find von einem Dornenver: 
hade rund umfchloffen ; jet am Abend ift die Luft erfüllt vom Gebruͤll 
der vielen heimgetriebenen und in den Verhack eingezwängten Thiere, 
die den ganzen Reichthum diefer Nomaden ausmachen. Wohl an 5000 
Kameele, mehrere Tauſend Rinder und Schaafe, mit den 200 Pferden, 
biden den PViehftand des Lagers und den Mittelpunft alles Thun und 
Treibend. Um für die Thiere eine gute Weide zu haben, wandert 
etwa jede Woche Das ganze Lager zu einem anderen Brunnen. Um 
die Zahl des Viehes zu vermehren und um Korn für Menfchen und 
Pferde herbeigufchaffen, müffen die Reiter zu Ghazzien, d. h. Kriege: 
und Raubzügen ausziehen. Wir ziehen mit den Arabern umher und vor: 
geftern find wir von einer Ghazzie heimgefehrt, die und Gelegenheit gab, 
fonft unzugängliche Thäler zu fehen. Solche Wanderungen bieten euro: 
päiſchen Augen den merkwuͤrdigſten Anblick; unfer Zug iſt oft eine halbe 
Stunde lang, und auf diefer Diftanz wimmelt die Ebene von Men— 
ihen und Thieren, Kameelen und Ochfen mit allem Hausgeräth bes 
laden; Frauen und Kinder auf den Thieren reitend, auf deren Rüden 
fie fih malerifch Schuß gegen die Sonnenftrahfen, eine Art von Hüt- 
ten gebaut haben. Die Reiter umfchwärmen den Zug, um ihn gegen 
Feinde, die nie fern find, zu fehügen. Unſere Geſundheit befindet fich 
vortrefflich bei diefem Hirten- und Räuberleben: Kameels⸗, Kuh- und 
Schaafmilch kommt und täglich mehr zu, ald wir trinken fönnen. Die 
Kameelsmilch Haben wir gefunder, als andere Mitch gefunden; fie ift 
fehr wohlfchmedend. Datteln find in großer Menge vorhanden, und 


— — 





*) Sie werden aus dem am Rande des Tſad wachſenden Graſe gemacht und 
beißen in Borno N’Gcim Kolunby und fatto-sugdiby. Denham I, 323. ®. 


198 A. Betermann: 


nachdem die Ghazzia reihen Raub macht, fehlt e8 nicht an Hämmeln. 
Die fihlechtefte Jahreszeit in Kufa ift die nach dem Negen (Auguft 
bi8 October). Traurig find die Befchreibungen der früheren engfifchen 
Reifenden Denham, Oudney und Glapperton über ihre Leiden in die: 
fer Zeit. Hier in Kanem haben wir, Gott fei Danf, nichts von Krank: 
heit zu leiden; die Luft ift rein und nur die Sonnenhige drückend. 
— — Ich habe Euch früher gefihrieben, daß wir von den Arabern, 
vie in Tripoli vom englifchen Conſul befchügt wurden, aufs freund: 
lichfte empfangen wurden; die einheimifchen Schwarzen, Tibbu's und 
Kanembu *) behandeln uns in verfelben freundlichen Weife, die wir 
bei anderen Stämmen im Sudan und Bornu gefunden. Und Boten 
aus dem fernen Chriftenlande wünfcht Jedermann zu fehen, um fich 
zu verfichern, daß wir zu demſelben Menfchengefchlechte gehören. Die 
uns allenthalben hin voranellende Kama bezweifelt letzteres Häufig; 
A Augen und andere Dinge werden und angebichtet, Zauberfräfte wer- 
ven und zugefhrieben; kommen die Leute in unfere Zelte, fo gelingt 
es uns leicht, fie durch Heine Gefchenfe zutraulich zu machen, und dann 
müffen wir von unferem Fabellande erzählen. Die chriftliche Religion, 
Sitten, politifche Einrichtungen, Induftrie, Aderbau, Viehzucht, Alles 
wird bis in's Einzelne befprochen, und die Intelligenteren mühen fich 
ab in viele Tage wiederholten Unterhaltungen, fih ein Bild der ihnen 
neuen Welt zu machen. Monogamie, Nichthalten von Sclaven, gere- 
gelte Staatsformen, dies find Dinge, die die größte Verwunderung 
erregen. Unſere Berichte werden von Mund zu Mund weiter erzählt, 
und mehre Male mußten wir herzlich lachen, wie Menfchen, die uns 
nie gefehen, wenn fie zuerft zu und kamen, in ihren Fragen wörtlich 
das wiederholten, was wir an entfernten Orten Anderen erzählt 
hatten. ” 
Nr. 3. — Kufa Mär 22. 1852. 

„Yon einem Kriegszug in die Länder der heidnifchen Musgow **) 
(December bis Februar 1833) find wir glüdlich heimgekehrt, und wäh- 
rend Dr. Bart) nach Bagirmi gezogen ift, wende ich mich jegt in die 
füplihen Provinzen von Bornu, weftlih von Mandara. Iſt e8 mir 


— — — 


*) Die Kanembu find die einheimiſchen Bewohner von Kancm. Denham I, 333 
und Monatsber. IX, 351. ®. 
*#) Don Overweg häufiger fo, und von Barth nur Musgo gefchrieben. AP. 


Die legten Tage Dr. Adolf Overweg's. 199 


möglich bis zur volfreichen Stadt Yacoba *) zu kommen, fv werde 
ih ſuchen, Euch Briefe via Fernando Po zufommen zu laffen. Seit 
8 Monaten (Auguft 1851) find wir ohne Zeile aus Europa; im De- 
cember 1851 Haben Zuarifs ein Briefpadet für und dem Kourier von 
Fezzan in Bilma abgenommen. — Wir haben Ausficht, daß Die Tuas 
tits die geraubten Briefe wieder herausgeben. “ 


Nr. 4. — Kuka, 23. Juli 1852. 


„Rah Abgang der Kafla, der ich diefen Brief übergebe, fendet 
der Veſir, fobald Nacrichten von Barth eingelaufen, einen Kourier 
nah Fezzan, und dieſem übergebe ich die Briefichaften, die ich für Pe— 
termann, Befe und Profeſſor Ritter vorbereitete — Che ich nun meine 
nadfte Ercurfion in füdliche Landftriche vielleicht nah Musgo, viel: 
licht nach Mandara made, habe ich noch das Problem der Oftufer 
bes Tichad zu löſen. Das Terrain ift der Dort fich feindlich begeg- 
nenden Staaten und Stämme von Bornu und Wadai wegen immer 
höchſt unſicher. Da vor ein Paar Tagen die Nachricht eingelaufen, 
daß jegt ganz Kanem ſich Bornu unterworfen hat, fo ift vielleicht gerade 
iegt ein günfliger Zeitpunkt, von Süben her die Umreifung des Tſchad 
zu unternehmen. Meine Gefundheit hat ſich Gott fei Dank bisher gut 
erhalten; ich habe mich acclimatifirt, d. h. ich habe gelernt ven Gefah⸗ 
ten, welche die große Hitze und der ſchnelle Wechfel der Temperatur, 
befonders in der Regenzeit, den Europäern bringt, zu begegnen. Da 
hiefige Speifen mir nur wenig zufagen, fo helfe ich mir mit Milch— 
diät. Kühe und Ziegen, die ich in meinem großen Hofe halte, geben 
den Bedarf." — 

24. Zuli 1852. — „Die Monate September, October und einen 
Theil des November 1851 brachte ich mit Barth) zufammen auf einer 
Ercurfion nach Kanem zu; December und Januar 1852 und ein Paar 
Tage des Februar ebenfalls mit Barth auf dem Kriegszug Bornu's 
gegen nicht-muhamedanifche Stämme im Südoften von Mandara und 
Musgau. Barth begleitete ich anfangs März eine Tagereife weit bei 
feinem Auszug nach Bagirmi, von dem er noch jegt nicht zurückgekehrt 
it, und ich felbft 309 am 24. März in die fünweftlichen Bergprovinzen 


*) Yacoba ift die Hauptiladt des großen Landes Boſchi. Gumprecht Geegr. 
von Afrifa 280 — 300; Monatsb. IX, 367, 377. ®. 


200 N. Betermann: 


von Bornu, fam bis Fifa, wenige Tagereifen nordöftlih von der gro- 
Ben Stadt Yacoba. Eine Anzahl von Verfteinerungen war die Beute, 
mit der ich am 22. Mai heimfehrte. Barth und ich wurden in unfe 
ren Unternehmungen fehr beengt durch Mangel an Mitteln, da vie 
Karawane von Fezzan fo unerwartet lange ausblieb. — Endlich fam 
fie am 30. Juni 1852 und brachte und Alles was ſich feit Jahr und 
Tag in Murzuf an Briefen, Geld und Waaren für und angefammelt. 
Mit dem Gelde, vom König von Preußen bewilligt, Fam ein Theil des 
von Lord Palmerfton an und gefandten. Barth ift aus Bagirmi, wo 
er nur 2 Monate warten wollte, noch nicht zurüdgefehrt, und täglich 
erwarte ich den Kourier zurüd, den ich mit den Briefen aus Europa 
zu ihm gefandt. Da der Sultan von Bagirmi auf einem Kriegözuge 
gegen fünliche Völker, fern von feiner Hauptfladt war, jo wurde Barth 
fo lange in diefer Hauptftabt aufgehalten. Reiſende Handelsleute, Die 
ihn in Bagirmi geſehen und befucht, melden mir, daß er fich ganz 
wohl befindet. Ich erwarte meinen Reifegeführten jegt um fo fehnli- 
cher, weil ich vor feiner Ankunft und ohne den Inhalt der Depefchen 
des Foreign Office zu fennen, Nichts unternehmen Tann. ” 

14. Auguft 1852. — „Eine arabifche Kafla bricht in diefen Ta⸗ 
gen auf; mit ihr fende ich Died Schreiben; einem Kourier, den der 
Befir von Bornu fenden will, fowie Nachrichten und Briefe von Barth 
einlaufen, werde ich andere Briefe an Euch übergeben. — — Die fo 
fräftigen Unterftügungen, die und von England und von Preußen zu 
Theil wurden, fpornen uns natürlich an, Alles aufzubieten, unfer gros 
ßes Ziel zu erreichen; welchen Weg wir aber dazu zunächſt einzujchla- 
gen haben, darüber kann ich jegt noch nicht beftimmt mich ausfprechen. “ 

Keiner von den Briefen an Profefior Ritter, Beke und mich, von 
denen Dr. Overweg unterm 23. Juli fagt, daß fie vorbereitet feien, bes 
fand ſich unter dem litcrarifchen Nachlaß des Verftorbenen. 

Barth muß kurz nach dem letzten Briefe Cdatirt 14. Auguft) nad) 
Kuka zurüdgefehrt fein, und am 29. deſſelben Monats machte Over- 
weg zur Erholung und Stärkung eine Ereurfion nach Weſten, deſſen 
Ziel der Hauptfluß von Bornu war. Auf diefer Reife, die 21 Wo⸗ 
chen dauerte, ſcheint Overweg nur wenige, größtentheild mit Bleiſtift 
gefehriebene, kaum leferlihe, und vom 29. Auguft bis 7. September 
reichende Anmerkungen aufgezeichnet zu haben. Bei feiner Ruͤckkehr 


Die Ichten Tage Dr. Adolf Overweg's. 201 


nach Kuka am 13. September giebt er indeß eine kurze Weberficht der 
Haupteefultate dieſer Excurſion, und fein Tagebuch ift regelmäßig bis 
zum 16. vefjelben Monats fortgeführt. Yünf Tage darauf wurbe er 
gefährlich Frank, und nach anderen fünf Tagen war er nicht mehr. Im 
Folgenden ift eine Abfchrift der legten von Dr. Overweg gefchriebenen 
Seiten gegeben, die nicht blos Deshalb, fondern auch wegen des geo- 
graphifchen Inhaltes mit Interefje werden gelefen werben, denn fle ent 
halten wichtige Auffchlüffe über den Hauptfluß Bornu's, der bei Do, 
(von den englifchen Reifenden Deu genannt) in den Tſad⸗-See fließt, 
und gewöhnlich Yeu genannt wird. Die den Haren Ausfagen 
Denbam’s und Clapperton’d ganz entgegengefehte vor einiger Zeit auf: 
gebrachte Fabel, Daß der Heu, anftatt in den Tſad⸗See hineinzufließen, 
aus felbigem heraus und in den Kowara fi) münde, ift noch einmal, 
und auf das Beftimmtefte duch Overweg widerlegt worden. 

Montag, 13. September 1852. — „Am Abend, 1 Stunde nad 
Sonnenuntergang, kehrte ich heim nad) Kufa von meiner Reife an 
den Komadugu *). Ich begegnete den vom Montagsmarkte heimfehrens 
den Schwaͤrmen des Landuolfes, manchen heimgetriebenen Heerden von 
unverfauften Hämmeln (das Ed el kebir, das jährliche Schlachtfeft, 
ift nahe), beladenen und berittenen Ochfen und Kameelen. Das große 
Wafler, das den ganzen Raum weſtlich von dem Schichhaus und weft: 
li der Stadt bebedte, als ich vor 17 Tagen Kuka verließ, fand ich 
ganz ausgetrodnet. — In's Haus eingetreten fand ich die Gefichts- 
farbe meines Gefährten Dr. Barth befonders weiß und die europäi- 
ſchen Geſichtszüge befonders hervortretend. 

„ Die Hauptrefultate meiner Reife find, daß ich den Komadugu, 
der nirgends Do heißt, allenthalben nach Often habe fließen jehen. Ein 
Zurüdfließen nach Weften findet nie flat. Das ließen des Ylufies 
hat an einem Orte am 22. Juli begonnen, an einem anderen am 
21. Juli, und fol 7 Monate währen (nach Anderen 6, nach Anderen 


*) Der Name Komabugu fommt, wie Ritter (Erdkunde 2. Aufl. I, 484) bemerkt, 
ton vor langer Beit auf Fadens Karte vor. Gr beveutet in der Vornuſprag ganz 
allgemein Fluß. Denham 11, 178; Burkhardt Tr. 491. 

Nah Dr. Bari beveutet Komadugn in ber Bornnuſprache ein ſamiget dluß⸗ 
beit oder Eee, zum Unterfchieve von Ingäljam, d. h. ſeichte Gewaͤſſer, die wenig 
oder Feine Strömung haben. Der von Overweg befuchte Hauptfluß des Landes iſt der 
Romabngn von Bern par cxcellence. A. P. 


202 A. Vetermann: 


8 Monate, alfo bi8 Januar oder März). Bom erſten ließen des 
Fluſſes bis zu feinem Webertreten über vie Ufer follen 90 — 120 Tage 
fein. (Das Webertreten beginnt alfo etwa im November.) Bis etwa 
10 geographifche Meilen (60 zu 1 Grad) weitlich von der Stadt Yo 
wohnen an beiden Ufern des Komadugu in Fleinen Orten die Ka- 
nembu=sMobber; weiter weftlich fiben die Kanembu⸗Jetko beſonders 
nördlich von Kanembu, und unter ihnen die Kanori, die beim Zufam- 
menfluß der beiden Komadugu's die ausfchließliche Bevölkerung bilven. 
Die Koiam figen allenthalben nahe füplich vom Komadugu, wohl nir- 
gends am Ufer. — Nördlich vom Komadugu find, — nördlich von Mob: 
ber und Jetko die Tibbus in mehreren Stämmen in einem ſchmalen und 
langen Strih von Weften nad) Often, immer noch eine Tagereife vom 
Komadugu entfernt. Die Tuaridd (Deggera) figen 5 — 6 Tagerei- 
fen hinter den Tibbu’s im Nordweften in Yelfen. — Vom Borhan- 
denfein von Efephanten habe ich nichts gehört. Ungurutus (Fluß— 
pferde) follen in den Armen des Komadugu bei Dutfiir, dem Orte 
des Charalla fein. Löwen, Giraffen, Büffel, befonderd bei Gambaru, 
wilde Schweine, weiß-graue Affen, Perlhühner und Kuye (eine graus 
braun gefprengelte Hühnerart) habe ich befonders zahlreich bei Dutfihr 
gefehen. — In dem von den Mobber bewohnten Theil der Ufer ift 
allenthalben bis nach Boſſo oftwärts Dorf an Dorf. Die Beivohner 
find eifrige Fiſcher; untertauchend fangen fie in weitgeöffneten Neben 
die vom Tſchad fommenden, den Fluß aufwärts ſchwimmenden Fijche 
ein. Herrlich große, dichte und fchattige Bäume ftehen am Ufer; die 
vorzüglichften find die Temszuli (Tamarinden) und Bürgum (mit Hei- 
nen, füßen, pflaumartigen Krüchten mit A Kernen). — Foͤrmliche Wal: 
dungen bilden an einzelnen Stellen die ſchlanken hochflänmigen Dom- 
palmen (Kirtſhi). Die eine angenehme Süßigfeit enthaltende Schale 
der Früchte (Birr genannt) der letzten, die Früchte der Temszulis und 
getrocknete Fifche und Weizen bilden die Hauptausfuhr, wofür Dochen 
(Guſſub), der nur felten Bier gedeiht, eingefauft wird. “ 

Dienftag, 14. September. — „Früh Morgens reiten wir zum 
Haj Beihir. Die Flaͤche zwiſchen der weftlichen und öftlichen Stadt, 
die ih ganz grün verlaffen, hat fchon dürres Anfehen; bald wird al: 
les welf fein. Die Wafferpfühle find aufgetrocknet, mit der Regenzeit 
ſcheint es ein Ende zu haben. — Der Hai leidet an den Augen; cr 


Die letzten Tage Dr. Adolf Overweg's. 203 


ehmdigt fich kurz nad den Orten, die ich gefehen; bebauert, daß ich 
tm See Muggubi bei Birni nicht gefehen; dahin feien die Sultane 
haufig geritten. Der Haf theilt und die neueften Nachrichten aus Ka⸗ 
nem mit: die Araber haben die Agide (Hauptleute), die Wadai ge 
ſchick Hatte Cim Ganzen 1600 Pferde mit Einfchluß der Deggena *) und 
Kerive), zurüdgefchlagen und etwa AO Pferde erbeutet. — Der Sclave 
des Haj, Kafchella Abvellai, der mich von Makkeri aus um den Tfchad 
bringen fol, ift noch nicht angefommen. — Befuh von dem Malem 
aus Kano, der nah Meffa geht, und von Ardo, dem Haupt einer 
Gefandtfchaft, die aus Soffatu über Adamaua gefommen if. — Der 
Malem erzählt, daß der Sultan von Adamaua jegt fo fehr bedauern 
fol, Bart} nicht in Adamaua ſich Haben aufhalten laffen. Ardo for: 
tert ung auf, Briefe an Bello nah Soffatu zu fchreiben, um unfere 
Abficht zu ihm zu gehen, ihm anzufündigen. — Er fagt, er fei in 2 Mo- 
naten gefommen und wolle in 14 Tagen wieder fortgehen. ” 

Mittwoch, 15. September. — „Die Uled Zuliman, die ald Eil- 
boten von Kanem gekommen, befuchen uns: Abdalla Bualaf Sidi 
Ibrahim und ein Anderer. Sie erzählen Ausführlicheres über den Her- 
gang des Kampfes, zu dem nur 120 Araber ausgezogen und an dem 
nur 60 Theil genommen. Sie laden und ein, jebt nah Kanem zu 
gehen. — Um Mittag fallen ein Paar Regentropfen. Nachmittags 
reite ich mit Barth aus, und wir fehen die dem Reifen nahe Dochen- 
jaat vor den Thoren. ” 

Dormerftag, 16. September. — „Der Kanembu Kanuri, den Haj 
Beſchir nach England fenden will, erzählt mir von feiner Reife von 
Birri über Kisfaua u. f. w. öftlih um den Tſchad herum nach Babbas 
lia und Mafferi. 


Er fagt von Kufa nach Do feien 2 Tage 
Do : Burua 1. 
Barua ⸗Wudi 
Wudi s Sngegmmi -» I > 
Ingegimmi = Bagele : 1 = 
Bagele s Bir 1 = 


— — — 
— — — 


#) Vielleicht Deggera (| oben), das Mannfeript iſt aber ohne Zweifel arm. 


204 A. Petermann: 


Er fagt von Biri nah Kiöfaua 
Targin 
Dima feien 6 Tage 
Fuli 
Bari 
Dari vom Tfchad ;s 1 = 
Bari bis Babbalia ⸗2⸗ 
Babbalia⸗ Malkeri Us 
weiter als Babbalia nah Bari). — 


(etwas 





Dr. Overweg war ber erfle Europäer der den Tſad⸗See be: 
fahren und die Bidduma⸗-Inſeln durchforicht hat. Seine fiebenmwöchent: 
liche Schifffahrt unter den unzähligen Infeln, bevölfert von einem cigen- 
thümlichen Heidnifchen Vollsſtamm, gehört zu dem intereffanteften und 
wichtigften Theile feiner Forſchungen. Mit Nachrichten über die Pe⸗ 
ripherie ded See's, die er von einem Eingebornen einzog, und mit eis 
ner Skizze deſſelben (wovon die obige eine genaue Eopie ded Drigis 
nales ift) fchloß er das Tagebuch, was Kunde giebt von breijähriger 
ununterbrochener Arbeit! Die Form und Ausdehnung des Sees dürfte 
fih, nach feinen eigenen Beobachtungen, die ich angefangen habe in 
einer Specialfarte feftzulegen, wohl ziemlich verſchieden herausftellen. 

Wie aus dem obigen und allen übrigen Papieren hervorgeht, ers 
fahren wir aus Overweg's Munde felbft nichts über feine Krankheit 
und feine „lebten Tage”, und nur die Briefe feines einzigen Gefähr- 
ten, Dr. Barth, geben uns einigen Auffchluß über das traurige Ende 
des zu früh Dahingefchievdenen. An mich fchrieb Bart) nur cin paar 
den Tod betreffende Worte, datirt Kufa, den 9. October 1852: 

„Wie werden Sie ftil in Sich jammern bei der Nachricht 
von Overweg's plöglicdem unerwarteten Tod; ein fechötägiges 


Die letzten Tage Dr. Adolf Overweg's. 205 


Erfchlaffungsfieber Hat ihn am Sonntag, den 27. September 
früh gegen A Uhr Morgens hingeraff. So ift das zweite 
Dpfer gefallen, und ich bin allein noch da, aber ich bin Gott 
fei Danf wieder bei Kraft und fühle mich frifcher und wohs 
ler als je, obgleich Alles um mich her Frank ift, Einheimifche 
und Fremde. ” 

An Seine Excellenz den Gefandten Ritter Bunfen fehrieb Barth 
unter dem 7. October 1852 einen ziemlich umfafienden, obwohl nur 
wenig den Tod Overweg's betreffenden Brief: 

„Es Hat dem göttlichen Rathfchluß gefallen, das zweite Opfer 
unfered fühnen Unternehmens zu fih zu nehmen. Am Sonntag Nach 
mittag, den 27. vorigen Monats, begrub ich bei Mabuäri, nahe dem 
Ufer des Tſad, meinen einzigen Genofien und Gefährten, von fechsti- 
gigem heftigften Siechfieber dahingerafft. So bin ich denn allein noch 
übrig, werthefter Freund, allein da, den Erwartungen, die das gelehrte 
Europa von und hegt, zu genügen. Und ich will ihnen genügen. Ans 
ſtatt mich durch den Tod meines Reifegefährten niedergebeugt zu füh- 
len, fühle ich meine ganze Kraft verdoppelt; in dem Berwußtfein, daß 
nun fernerhin nichts hier gefchieht, was ich nicht thue, fühle ich eine 
Rieſenkraft in mir, allen Anfprüchen felbft zu genügen. Nur das 
Geognoftifche natürlich wird gänzlich zurüdtreten; nur Gefteinproben 
werde ich, wo es mir merkwürdig fcheint, fammeln. Mein Schlacht 
feld aber wird der Weften und, fo Gott will, der Südweſten werben. 
Vielleicht gelingt es mir, da jeht Friede mit den Fellan, wenigftens 
vorläufig, wieder hergeftellt if, in Zeit von einem Monat einen Marfch 
nad Weften anzutreten. Mein erftes Ziel hierbei wird die Erreichung 
Timbuktu's fein, mein zweites Yakoba und die nad Süden angren- 
jenden Lande, mit dem unteren Lauf ded Benue. Meine Mittel be- 
fiehen in einer leivlichen Menge großer und Heiner Gefchenfe, in 200 
Dollars, dem Reſt meiner eigenen A00, in A Pferden und A Kamees 
Im. Mit diefen Mitteln und mit 5 feit längerer Zeit erprobten Leu⸗ 
ten, reichlich Waffen und reichlich Pulver und reichlich friſchem, unges 
brochenen Muth, trete ich getroft meine weite, nicht ganz unbefchiwers 
liche Reife an. Aber eins muß ich mir von Ihnen unbefchränft aus⸗ 
bedingen, daß nämlich ohne Verzug ein fühiger, des Arabifchen Fundi- 
ger und ehrenhafter Mann als Konful nah Bornu geſchickt wird, 








206 N. Betermann: 


theil8 um hier in biplomatifcher und humaner Hinfiht zu vollenden, 
was wir begonnen haben, theils um mir den nöthigen Beiftand zu lei- 
ften, deſſen ich nur zu bald entbehren werde, befonders in materieller Hin- 
ficht, da auf meine letzten nach Tripoli gefandten Anweifungen nach Ab- 
zug der großen Richarbfon’jchen Schulden der vielleicht nur kleine Reſt 
der von der Regierung zu meiner Dispofition geftellten, aber in Tri- 
poli zurüdgehaltenen £800 mit der nächften Gelegenheit heraufge- 
fchiet werden wird. Dies wird mir vielleicht noch in Kano zu Han- 
den fommen. Jedenfalls ift es bis jegt mein Plan, wenn Gott mein 
Unternehmen gelingen laßt, mich nicht von da auf Tuat zu wenden, 
was mir vielleicht das Leben foften würde, fondern auf demfelben oder 
möglichertveife einem anderen Wege nach Soföto zurüdzufehren, um 
von bier aus nach dem unteren Benue zu operiren, und vielleicht von 
hier aus ober ſonſt zurüdzufehren. Ich hege die fefte Hoffnung, daß 
Gott mich zu glüdlicher Heimkehr aufbewahrt hat, fo wie ich die Ueber: 
zeugung hege, daß die von unferer Expedition errungenen Refultate 
wohl zwei Leben werth find. Das, was ich mit diefem Mal nad 
Haufe ſchicke, der Bericht über Wadai und Bagirmi (der letztere 
noch nicht ganz vollendet), zufammen mit den Routen in jenen beiden 
Landern; dann meine 24 vergleichende centralsafrifanifchen Idiome *) 
und dann das umfaffende Kartenblatt, dad vollkommen unbefannte 
Theile diefer jegt ein früher ungeahnte Intereffe auffchließenden Lan- 
der, mit einem vollſtändigen Routennetz, für deffen möglichite Annähe⸗ 
rung an die Wahrheit ich bürge, — überziehft — alles dieſes wird 
hoffentlich ein neues großes Intereſſe für unfere Erpebition, die num 
wahrhaft zu der meinigen geworben ift, in England und Deutfchland 
erregen. Sie werben mit dem Kartenblatt zum gegenwärtigen Staate- 
Secretair gehen und mit der beften und ausführlichften Karte zur Ber: 
gleichung ihrer zeigen, was ich geleiftet Habe, wie ich den ganzen mitts 
leven und oberen Lauf des großen öftlichen Nebenarms des Quorra, 
größer und mafjenhafter als der Hauptftrom und mehr ald dieſer ber 
Eingang in das wahre Herz EentralsAfrifa’8 und in reiche von längft 
gebildeten und Funftfertigen Bewohnern bevölferte Landichaften, wie Kos 
vorröfa, mit der Hauptftadt Wufäri *), bie an feine Quellen hin⸗ 

®) Diefer, fowie der Bericht über Wadai und Bagirmi, it noch nicht angefen:: 
wen. a. P. (13. Sept. 1853.) 

aa) Zwei bisher völlig unbekannt gewefene Namen. ©. 


Die Tegten Tage Dr. Adolf Overweg's. 207 


auf, in allen feinen Einzelheiten und allen Nebenarmen und ven durch- 
Rofienen Landfchaften enthüllt habe, wie ich ferner das ganze durch 
Lander's ungenügende irrthumvolle Befchreibungen feiner Reife nach 
Darröro (von ihm Dunröra genannt)*), wo er fi ganz nahe an 
Yafoba wähnte, während er mehr als 100 englifche Meilen entfernt 
war, noch mehr verwirrte Gewirr der Bellataprovinzen im Süden Ka— 
no's enwwick elt und Har und treu in feinen Hauptzügen angelegt habe, 
und wie ich enbli das den großen Mutterfluß des Tſad bildende 
Strompaar,, von dem Denham gar feine Ahnung hatte, mit den an- 
liegenden Lanpfchaften bis nahe an ihr Quellland dargelegt habe. Aber 
ich betrachte Died mein Werk nicht als etwas Vollendetes; fo fern da- 
von dies ald abgemacht zu betrachten, wie Jomard nad) Fresnel's irr- 
thumsvollem Bericht Wadai hielt, wünfchte ich, daß es ſchon mir felbft 
gelingen möchte, durch eigene Anfchauung in jenen durch Forſchung 
aus Anderen enthüllten Ländern feteren Boden zu gewinnen. — Pe—⸗ 
termann hoffe ich wird fih gerne dazu hergeben, meine Routenfanm- 
lung duch Wadai und Bagirmi in's Englijche zu überfepen, wozu es 
mie an Zeit gefehlt hat, nachdem das Ganze einmal noch in troftlofer 
nngewijfer Lage in Mafena, für die Berliner Akademie beftinnmt, deutſch 
geichrieben war *). 

Overweg's literarifchen Nachlaß ſchicke ich Ihnen vollitändig zu; 
aber es wird ſchwer fein, daraus etwas Ganzes zu machen, da cr ſtets 
der Anficht war, ein Tagebuch auf der Reife aufzufchreiben, fei lächers 
ih, das müffe erft nach der Ruͤckkehr gefchehen. Ich habe alle Lap- 
pen von allem möglichen Werth, da mir Feine Muße zu genauerer Un- 
terfuchung blieb, mitgeſchickt. Die Steinproben von feiner Erpebition 
nah Gujeba, die er auffallender Weife nicht mit der Ichten Kafla ges 
ſchickt hat, fünnen nicht wohl mit dem Eilboten gehen, und werde ich 
fie bis zum Abgange der nächften Kafla beim Wezier deponiren *"*). — 
Sie werben zugleich, verehrter Herr Chevalier, während Sie mit dem 
Staats-Secretair die fehleunige Sendung eines Konfuld befprecdhen, 
meinen Antrag für ein anfehnliches Gefchent für Scheh und Wer 
jier unterftügen. Dies ift unumgänglich nöthig. Eine noble Karofie 


#) Clapperton Journ. 282. 
#3) Diefe Routen find auf der großen Karte von Gentral: Afrika, die ich unlängft 
für die Gnglifche Regierung in der Zeichnung beendigt, niedergelegt worden. A. P. 
e22) Dieſe Steinproben find noch nicht in London angelangt. A. P. 


208 A. Beiermann: 


würde dem Schech, ein Siiberflahlpanzer (weit) dem Wezier am be- 
ften gefallen; fonft ſchöne Waffen, vortreffliche Uhren, Kompaſſe u. dgl. 
Ich Hatte für mich immer 6 lange Dolche von fchönem englifchen Stahl 
und fehön und glänzend gearbeiteten Yutieralen mit Armring, um am 
linfen Handgelenk getragen zu werden, gewünfcht; aber es ift jet faft 
zu fpät, wenn in diefen Ländern anders, wo alles fo unendlich viel 
länger, als man berechnet fich Hinzieht, irgend etwas zu fpät ifl. Al 
les an Briefen, Schriften und fonft wird mir nachgefchidt werben; 
jept nach Kano, wo ich nun einen zuverläffigen Agenten anftellen werde. 
Der Handelsvertrag iſt fhon gerade vor einem Monate zur vollkän- 
digften Genugthuung der Regierung unterzeichnet, und man wollte 
durchaus, daß ich nun meine Rolle als Konſul fpielen ſolle. Aber ich 
hege das beflimmte Verlangen, nach noch mehr dahier erreichtem in 
meine Heimath ſtracks zurückzukehren. Die Kifte mit den englifchen 
Eifenwaaren, worin auch Briefe von Berlin fein follen, ift noch nicht 
angelommen, wird aber hoffentlich vor Ablauf eines Monats ankom⸗ 
men. Morgen zieht die aus 500 Pferden, wobei 100 Flinten, befte 
hende Heertruppe nach Kanem aus, das feit dem Siege über den Wa- 
dal'ſchen Agit cl bahar mit anfehnlicher Heeresmacht am 20. Auguft 
diefes Jahres gänzlich in den Händen Bornws ift. “ 

Ein von Barth an Fräulein Wilhelmine Overweg gerichteter Brief, 
datirt Kuka 28, September 1852, enthält endlich die näheren Umftände 
über die Krankheit und den Tod des Dahingejchiedenen: 

— — „Als ih gegen Ende vorigen Monats aus Bagirmi zu 
rüdfehrte, fand ich ihn, ald er mir vor dem Thore entgegenfam, aller: 
dings etwas angegriffen, er Hatte auch nur fchwachen Appetit. Da 
füßte er den Entſchluß, um ſich den verberblichen Ausbünftungen dies 
fer Stabt zu entziehen, einen Ausflug nach dem Bahar *) zu machen, 
defien Ufer jept, wo er in feiner ganzen Länge einen wirklichen fluß- 
artigen Character hat, überaus frifch und vom regen Walbleben bes 
deckt find, während das ganze Land in faſt gereifter Saat prangt. Er 
verließ die Stadt am lehten Sonnabenp des Auguſtmonats und kehrte 
erſt am Montag den 14 September zurüd, überaus zufrieden wit jeis 
wem Mudtlug; er batte fich die ganze Zeit vortrefflich befunden, aber 


*) Ser Kemadagu, den Gaupiluf von Dermn, geuitelih Yen gemimni. 
(F.WL 8) uı$8 


Die letzten Tage Dr. Adolf Overweg's. 209 


der lezte forcirte Tag muß ihm angegriffen haben, und er hatte die fol- 
genden Tage wenig Appetit. Wir machten jest faft täglich Feine Aus⸗ 
ritte und befchloffen, auch am Sonntag den 20. dieſes einen längeren 
Ausritt zu dem flehenden Waſſer von Dauerge, etwa 24 Stunde Ritt 
norbweftlich von der Stadt, zu machen. Am Morgen diefes Tages 
war fein Kopf eingenommen, aber auf meinen Vorſchlag, den Ritt aufs 
zuſchieben, entgegnete er, die frifche Luft fönne ihm nur wohlthun. Es 
war jedoch in ver Mittagshige, daß wir hinausritten, obgleich Die Sonne 
meift verdedft war, und er befonders feinen Kopf fehr wohl gefchüst 
hatte. Wir Hatten uns im frifchen Schatten gelabt, während ein leich- 
te8 Gewitter über und Hinzog, al8 Ihe Bruder nach dem Waſſer giny, 
um wo möglich einen Vogel zu fchießen. Er benette dabei feine Klei- 
ber weit hinauf, erwähnte aber den Umftand nicht und blieb ruhig in 
feinen nafjen Kleidern, die er erſt am Abende, als wir lange nad) Son- 
nenuntergang in die Stadt zurüdgefchrt waren, trocknete. Er hatte 
feinen Appetit, klagte fonft aber nit. Am Montag Morgen jedoch 
fühlte ex fich fo ſchwach, daß er fich nicht allein erheben fonnte, und 
fein Zuftand verbefferte fich nicht, eben da er nicht gehörige Medicin 
anmwandte; jedoch meinte er am Dienftag (22. September) Morgen, 
daß er etwas Fräftiger wäre. Es war jedoch an Diefem zweiten Tage, 
daß fih ein nicht eben erfreuliches Symptom einftellte, nämlich ein 
gaͤnzliches Gebunvenfein feiner Zunge, fo daß feine Reden ſtets unver- 
ſtaͤndlicher wurden, was natürlich noch die fchlimme Kolge Hatte, daß 
feinen Wünfchen nicht immer nachgefommen werben fonnte. Am Mit: 
tag, als feine Schwäche ſtets zunahm, und er gewahr wurbe, daß das 
fein Letztes werden Fönnte, außerte er mir, daß es jo unmöglich blei⸗ 
ben fönnte, daß er hier in der Stadt nicht beffer werden würbe, und 
daß es für ihn durchaus unumgänglich nothivendig fei, die Luft zu 
verändern; er wünjche daher, nach Maduäri gebracht zu werden, wo 
er im Haufe unſeres Freundes, des Kafhella Fugobo Ali, ſchnell zu 
genejen hoffte. Maduäri, ein weitläufiger, von vielen Bäumen befchat- 
teter Ort, etwa 24 deutſche Meilen öftlih von Kufa nach dem Tſad 
zu gelegen, war ftets fein liebfter Ausflug geweſen, und es mar ber 
genannte Fugobo Ali, unter defien Schupe er die Budduma bejucht 
hatte. Der Transport wurde alfo auf Donnerſtag feſtgeſetzt und wir 
festen und am Morgen in Bewegung, indem 3 flämmige Burfche Ih⸗ 
Zeitfhe f. allg. Erdkunde. Br. 1. 14 


210 A. Betermann: 


ven fieberfranfen Bruder auf dem Pferde hielten. Dennoch fonnte er 
nicht vor Freitag Morgen den Ort erreichen, wohin ich vorausgeritten 
war, um ihm gute Ragerftätte und Pflege zu bereiten; ich Fehrte in 
die Stadt zurüd, wo ich mit meinen Papieren befchäftigt war, die in 
wenig Tagen mit einem Kourier fortgehen follten; bei ihm blieben A 
an ihn gemwöhnte treue Leute. Einer derfelben ftellte ſich ſchon am Frei: 
tag Abend nad Sonnen=Untergang bei mir ein, mit der Nachricht, 
daß der Tabib, wie Ihr Bruder hier zu Lande heißt, ſehr unwohl fei 
und nur in unferer Landesfprache rede, fo daß fie ganz außer Stande 
feien, ein Wort zu verftehen. Ich faß fogleih auf und hinaus und 
fand Ihren Bruder in beflagenswerthem Zuftande, er lag draußen — 
vom Schlafen in der Hütte wollte er nichtd wiffen — in kaltem Schweiß 
und hatte alle Deden von ſich abgeworfen; er Fannte mich nicht, wollte 
nicht von mir wiſſen und duldete nicht, daß ich ihn zudeckte. Er 
fprach oder phantafirte vielmehr fortwährend auf deutfch, aber nur we- 
nig war verftändlih. Köla und Kufa verfchmolz zu Einem Bilde Er 
ftob mehrmals wild auf und wollte fih von Niemanden halten Laffen. 
Es war eine fehmerzhafte Scene. Endlich gegen Morgen ward er ru— 
higer und blieb ſtill in feinen Deden liegen; ich hoffte, die Krifis fei 
vorüber, und eine Weile bei ihm figend, fragte ich ihm, ob ich ihm 
außer Reis und Ardeb, defien Fühlendes und blutreinigendes Waſſer 
er befonders trank, noch fonft etwas aus der Stadt fhiden follte; cr 
hatte feinen Wunſch, Hatte mir aber fonft etwas zu fagen; e8 war mir 
jedoch unmöglich, ihm zu verſtehen. Nachdem ich ihm dann eine neue 
Fagerftütte, von der Erde erhaben, hatte bereiten laffen, wo er auch bei 
Nacht gefchüst fchlafen Fönnte, kehrte ich in die Stadt zurüd, aus der 
ih ihm am Nachmittag noch einen meiner Leute hinausfchidte. Früh— 
am Sonntag Morgen jedoch fam Overweg's Hauptmann zu mir, mit 
der betrübenden Botfchaft, daß deſſen Zuftand fehr beunruhigend fei, 
daß er, feit ich ihn verlafien, fein Wort gefprochen habe und unbe: 
weglich liege. Ich ſetzte mich fogleich zu Pferde und ritt hinaus — 
Ihr Bruder jedoch war nicht mehr. Schon bei dem erften Morgen: 
grauen, als fein Diener kaum den Ort verlaffen, war er nach Furzen 
Seelenkampf, nad) wenigen kurzen Athemzügen verſchieden. Ruhig und 
mit unverzerrten Zügen lag er da; feine linfe Hand ruhte auf dem 
Herzen; es war das Bild eines ſchönen Todes. — Am Nachmittage 


Die legten Tage Dr. Adolf Overweg's. 211 


beerdigten wir Ihren Bruder, nachdem fein Leichnam wohlgewafchen 
wert in Kalliko eingewwunden und dann in ein Dfcherid gewidelt war; 
feinen Teppich gebrauchten wir als Unter-, feinen Haik und Bornus 
ald Ucherlage. Das Grab, gegraben im Schatten einer Habfchibifch, 
war 6 Fuß tief, davon 2 Fuß tief ein durch eine Bretterlage abgefon- 
derter Raum, wo hinein der fo eingewidelte Leichnam Ihres Bruders 
gelegt wurde. Nachdem dann der Bretterraum gefchloffen, wurden zus 
erft große Dornbüfche aufgelegt und darauf der Sand aufgehäuft, fo 
daß das Grad Hinlänglich gegen wilde Thiere und Menfchen gefichert 
thien. Zugleih wurden alle Sachen von allgemeinem Werth, die Ihr 
Bruder mit hinausgenommen, dem VBorfteher des Drted, Fugobo Ati, 
geſchenkt, um ihn zur Einzäunung und Bewachung des Grabes zu 
verpflichten. Auch wurde fogleih im Dorf ein feifter Stier ala Al- 
mofen vertheilt; morgen gebe ich hier den Bewohnern der Stadt ein 
größeres Almofen von 6 Ochſen und 10 Ochfenlaften Korn. — So 
ftarb Ihr Bruder, gewiß ein unerſetzlicher Verluft für Sie und bie 
Ihrigen, aber er fiel als Opfer einer großen Sache, fiel, nachdem es 
ihm gelungen, auch feinen Antheil zu eben dieſem großen Ziele beizu- 
tragen; er ftarb, beweint und betrauert von vielen Eingeborenen Dies 
fer Länder, bei denen fein Name noch lange fortleben wird. Er ftarb 
an der Seite des Booted, auf dem er den See befchifft, deſſen Fluthen, 
wenn er hoch fteigt, den Ort beplätfchern, wo fein Leichnam ruht. Mich 
hat er allein und einfam unter diefen unebenbürtigen Volferfchaften zu⸗ 
rüdgelaffen; unfere Wohnung, die er während meiner Abivefenheit er- 
weitert und verfchönert hatte, fiegt jegt Halbleer und lebenlos da. Aber 
feine Leute habe ich alle bei mir behalten unter denfelben Berhältnifs 
fen, wie fie bei ihm geftanden. Weber feinen literarifchen Nachlaß werde 
ih Ihnen in den nächſten Tagen einige Zeilen Hinzufügen; aber nach 
feiner ganzen Weife zu ſchließen, fürchte ih, daß das fehr ungeorbnet 
und unvollfommen fein wird, bloße Noten. Er war fletd der Mei- 
nung, daß das Journal ganz bis nach der Ruͤckkehr bleiben muͤſſe.“ — 

Fräulein Augufte Overmeg, eine Schwefter des Berftorbenen, hat 
gütigft mir Die folgende biographifche Notiz mitgeteilt: 

„Mein einziger Bruder war 30 Jahre alt, am 24. Juli 1822 in 
Hamburg geboren (der Vater ift aus Rheinpreußen, zu Wefthofen, einem 
Orte in der Nähe von Unna, gebürtig; meine Mutter war Hamburge- 

14* 


212 A. Petermann: 


rin), wo er vom 13. Jahre an das Johanneum (Gelehrten Schule 
in Hamburg) beſuchte. Mit 21 Jahren, nachdem er die legten zwei 
Jahre im Haufe des Herrn Herk in Hamburg, deſſen Sohnes Stu⸗ 
dien zu leiten, zugebracht hatte, ging er auf die Univerfität zu Bonn, 
ftudirte dort 2 Jahre, und darauf nach Berlin, wo er nach noch einem 
Jahre Studien fein Eramen machte und den Doctortitel erhielt. Er 
blieb in Berlin und wollte eben ein Braunfohlenwerf bearbeiten laffen, 
das er entdeckt zu haben glaubte, und wovon er fich viel Vortheil ver- 
ſprach, als fein Schickſal ihn nach Afrifa berief. O daß fein frühzei- 
tiger Tod das Ende fo Fühner Hoffnungen, fo muthiger Begeifterung 
fein mußte; daß fein Körper, den er von Jugend auf abgehärtet hatte, 
dem er Kraft gegeben hatte durch Turnen, durch weite Fußreifen, nicht 
dem fchäplichen Einfluß des Klima’8 widerſtehen fonnte! O daß wir 
ihn hätten zurückkehren fehen fönnen, der Hinging in Fülle der Kraft 
und Geſundheit, unfer Stolz, unfere Freude, defien Ruhm den Lebens: 
abend unſeres alten Baterd verherrlichen ſollte! Gott wollte es an- 
ders. Sein Werk ift Faum zum Theil getban, und Anderen iſt es 
aufbehalten, fortzufahren und zu vollenden. Gottes Segen fei mit Ss 
nen und mögen Sie glüdlicher fein, ald mein armer Bruder.“ — 

Der literarifche Nachlaß Dr. Overweg’8 wurde mir in einem chao- 
tiichen, mit MWüftenfand und Staub ſtark untermifchten, unorventlich 
unter einander geworfenen Haufen von Papieren und Papierfetzen 
übergeben. Nachdem ich fie etwas geordnet, ftellte fich die folgende Lifte 
heraus, die eine gedrängte Weberficht giebt über das, was der Berftor- 
bene aufgezeichnet hat, und die als Beitrag der vorfiehenden nefrolo- 
giichen Notiz beigegeben werden dürfte: 


4 Vollſtändige, forgfältig und deutlich mit Tinte 
gefhriebene Journal: Hefte 

1) Bom 9. November 1849 Bis 30. Juli 1850. — Reife von 
Europa über Tripoli, Murzuf nach Ghat (Der Inhalt Die- 
ſes Heftes zeichnet fich Durch eine große Anzahl von regelmäßigen 
aſtronomiſchen, hvpſometriſchen und meteorologiſchen Beobach⸗ 
tungen vor allen übrigen aus, in denen die beiten letten 
Abtheilungen faſt ganz fehlen.) 

2) Vom 31. Juli big 13. Augur 1550. — Reife in der Mürte 

3) Vom 14 Auguſt bis 27. Auguſt 1830 — Reife in der Würe 


Die legten Tage Dr. Adolf Overweg's. 213 


Vom 28. Auguft bis 3. September 1850. — Reife in der 
Wüſte bis zur Anfunft in Tin-Teluft. 
9) Bom 29. October bis 17. November 1850. — Aufenthalt in 
Tin⸗Telluſt. 
6) Vom 18. November bis 22. Dezember 1850. — Reiſe von 
Ahir nach Sudan. 
Vom 25. November bis 28. November 1850 (Fragment), und 
vom 25. Juni bis 12. Juli 1851. — Beſchiffung des Tſad—⸗ 
See’8. (Einer der intereffanteften Theile des Nachlaffed. Lei: 
der bildet diefes in's Reine gefchriebene Heft nur den dritten 
Theil der Reife auf dem Tfad, während der größere, in den 
anderen Heften enthaltene Theil nur hie und da wird entifs 
fert werden fönnen. ) 
8) Vom 24. März bis 26. Juni 1852. — Reife nach Fifa in 
der Richtung nach Yafoba. 

B. Journalhefte und Notizbücher, deren Inhalt faſt aus- 
ſchließlich mit Bleiftift geſchrieben und größten: 
theils unleferlich ift. 

I) om 9. bis 29. Mai 1851. — Ankunft und Aufenthalt in Kufa. 
10) Vom 25. Juni bis 9. September 1851. — Beſchiffung des 
Tſad⸗See's und Aufenthalt in Kufa. 
11) Bom 15. September bis 14. November 1851. — Reife nad 
Kanem und Aufenthalt in Kufa. 
12) Bom 18. Dezember 1851 bis 17. März 1852. — Aufenthalt 
in Kuka (mit einigen anderen Fragmenten). 
C. 
Skizzen Buch, enthaltend landſchaftliche und naturhiftorifche Skizzen 
bezüglich auf die Reife von Tunis bis Ohat. 
Karten» Fragmente, Itinerarien und Beobachtungen, die zur Con- 
Rruction einer die durchforſchten Länder darftellenden Karte nüglich 
fein möchten. 


4 


Nur 


7 


— 


D. 
Vokabularien, Ueberſetzungen und philologiſche Papiere überhaupt. 
E. 


Notizbücher mit unzufammenhängenden Anmerkungen, einzelne Dlät- 
ter und Fragmente. 





214 Neuere Literatur: 


Zufolge der großartigen Refultate, die bereitd aus der Erpebition 
hervorgegangen find, hat die englifche Regierung bejchloflen, eine neue 
Erpedition in Dampfboten nächftes Frühjahr den Tſchadda-Benue hin- 
aufzuſchicken, um die fchon gemachten Entdedungen mit Nachdruck zu 
verfolgen, und zu verfucchen auf dem mächtigen Strome von Adamaua 
in das Herz Afrika's zu gelangen, dahin wo, wie man mit Recht ver- 
muthet, die Quellgebiete aller großen Klüffe diefes Erdtheils — des 
Tſchadda und Eongo, des Nils und Der Speifer des Tſad⸗Sees, zu⸗ 
fammenftoßen. Jetzt oder niemals wird der Schleier, der bisher die my- 
fterieufe „terra incognita“ Inner⸗Afrika's vor unferen Bliden verhüllte, 
zertheilt werden. Wenn dieſes einmal erreicht und ſomit ein großer Theil 
unferes Planeten den Einflüfien der Religion, Civilifation und ded Han: 
dels geöffnet fein wird, dann dürfen die Namen Derjenigen nicht ver: 
gefien over verfannt werden, die ihr Leben freudig zur Erreichung die 
je8 großen Zieles darbrachten, und unter jenen wird dann mit befon> 
derer Theilnahme genannt werden der Name: Adolf Overweg. 

MH. Betermann. 


Neuere Literatur. 


Exploration and Survey of the Valley of the Great Salt Lake of 
Utah, including a Reconnoissance of a new Route through the 
Rocky Mountains. By Howard Stansbury, Capt. Corps To- 
pogr. Eng. U. St. Army. Printed by Order of the Senate of the 
United States. Philadelphia 1852. 


Bekanntlich hat Herr U. von Humboldt bereitö vor vierzig Jahren durch 
ſcharfſinnige Combinationen aus dem Neife- Journal des Pater Escalarite pas 
Vorhandenſein eined großen Binnen» Seeds im Norven von Mejico faft ges 
nau an berfelben Stelle nachgewiefen, welche fpätere Beobachtungen ergeben. 
Diefer See, auf Herrn von Humboldt’ Karte „ Timpanogod= See ” genannt, 
liegt in dem großen Baffin, das im Often von ven Nody Mountain ober 
vielmehr von den Bergketten Wahſatch und Timpanogod, im Weften von ver 
Sierra Nevada, im Norden und Süden von Gebirgäfetten begrenzt wir, 
welche die genannten Hauptfetten verbinden; es bildet ein Hochland, deſſen 
Oberfläche einen Wechfel von Bergfetten und Ebenen barbietet. Das Vor⸗ 
handenſein dieſes großen Baſſins oder der „Galifornifchen Wüſte“ wurde zu» 
erft in den Jahren 1826 und 1827 von I. ©. Smith nachgewiefen; näher 


Stansbury's Reife nach tem Thal des großen Utah-Salzſees. 215 


erterjcht wurde es aber erft durch Yremont in ven Jahren 1843 und 1844. 
Es bat nach dieſem ausgezeichneten Forſcher einen mehr aflatifchen, ald ame⸗ 
rifanifchen Character und gleicht in vielfacher Beziehung dem Hochlande zwi⸗ 
ichen tem kaspiſchen Meere und dem nörblichen Perjien. In der norböftli- 
Ken Ede dieſes großen Baſſins liegt der große Salzfee, 3940 Fuß über dem 
Meere; fünlich von demſelben ift der etwa 90 Fuß höher liegende Utah= See, 
welcyer fein ſüßes Waſſer durch den Utah- oder Jordan» Fluß in den Sal;- 
fee ergieht. 

Da der gerabefte Weg von den Vereinigten Staaten nach Californien 
durch dies Bafjin Hindurchführt, fo beauftragte der Kongreß der Vereinigten 
Staaten ven Capitain Standbury, den großen Salzſee aufzunehmen und den 
für die Verbindung mit Californien nächften und bequenften Weg ausfindig 
zu mahen. Gapitain Standbury erfüllte feinen eben fo fchwierigen, ald un 
vanfbaren Auftrag mit dem größten Gifer und unter ben obwaltenden Um⸗ 
Händen mit der dankenswertheſten Umficht und Energie, fo daß er ein wür⸗ 
Diger Nachfolger des Major Long und der übrigen amerifanifchen Offlciere 
genannt werden kann, welche von der Gentralregierung zu verfchiedenen Zei⸗ 
ten mit ver Unterfuchung ver ungeheuren Wüften im Welten des Miffifippi 
beauftragt worden waren. Die Reſultate der Arbeiten Stansbury's find nun 
in dem oben genannten Werfe enthalten, welches, wie alle von dem Kongreß 
heraudgegebenen Reportö der amerifanifchen Officiere, ungemein reich ift an 
ven wichtigften Beobachtungen fowohl für Geographie, ald für die Naturwife 
ienfchaften. Don den legten ift, wie die Appendices zeigen, Fein Zweig ganz 
vernachläfftgt worden, obgleich, die Reiſenden mit den größten Mühfeligfeiten 
und Entbehrungen zu kämpfen hatten, Es möge bier eine kurze Ueberficht 
ver Anhänge folgen. 

Anhang A enthält eine Ueberſicht der Entfernungen, welche längs des 
im Jahre 1849 von der Expedition zurüdgelegten Weges gemefjen wurden, 
und zwar auf dem Hinwege vom Fort Leavenwortd am Miffouri bis zu der 
Stadt am großen Salzfee; eö bildet diefe Ueberficht einen Wegweiſer für ven 
Meifenden zu den verfchienenen Wafler- und Lagerpläßen, wonach jeder Tage- 
marſch fich veguliren läßt. ine ähnliche Ueberficht für die Nüdreife von ver 
Stadt am großen Salzjee giebt die Entfernungen längs des im Jahre 1850 
nen erforfchten Wege vom Bort Brivger quer über die Laramies Ebene bis 
zu den Quellen des Lodge Pole» Ereef und von da über Bort Laramie big 
zum Fort Leavenwortd am Miffouri. Außerdem enthält viefer Anhang noch 
die gemefjenen Entfernungen auf einem Wege von der Stabt am großen Salz- 
fee bis zum Fort Hal im Oregon» Gebiete. 

Anhang B giebt die Länge und Breite der Haupt» Dreiedö > Stationen 
im Thale des großen Salzjeed und eine Tabelle geographifcher Poſitionen. 
Die in dieſer Tabelle enthaltenen Längen gründen fich auf biejenigen, welche 
Ricollet und Froͤmont für Fort Leavenworth und einen Punkt im Thale des 





216 Neuere Kiteratur: 


Großen Salzjeed angegeben haben. Lieutenant Gunnifon, welcher ven Capi⸗ 
tain Stansbury begleitete und mit den aftrenomifchen Beobachtungen beauf- 
tragt war, bemerkt, daß die Winkel mit einem flebenzölligen Theodoliten von 
Draper gemeffen wurben, daß aber das Inftrument wegen ver geringen Stärfe 
der Fernroͤhre kaum zu diefer Arbeit tauglich gemefen, Die auch noch durch 
die großen Entfernungen zwifchen ven einzelnen Stationen, durch die Luftſpie⸗ 
gelung und durch den beftändigen Dunft in der Atmofphäre erfchwert wurde, 
fo daß, um die erforberliche Genauigfeit in den Reſultaten zu erlangen, viele 
Nepetitionen nöthig waren. Herr Gunnifon glaubt indeß, daß dieſe Arbeit 
Binreichend genau fein werde, um bei einer Fünftigen Triangulirung dieſes in⸗ 
neren Baffind zur Grundlage dienen zu können. Das Land eigene ſich zwar 
feiner Bodenbeſchaffenheit nach fehr zu einer folchen Arbeit, indem es reich 
fei an Hohen, durch weite Ebenen getrennten Punkten, vennoch aber werte 
die Ausführung mit fehr großen Beſchwerden und Entbehrungen verfnüpft 
fein. Mehrere viefer wüften Ebenen würden fich ihrer Horizontalität wegen 
trefflich zu einer Gradmeſſung eignen. 

Anhang C enthält vie Beichreibung ver während der Erpebition ges 
fammelten Säugethiere, Vögel, Reptilien und Infecten. Die Befchreibung ver 
Säugethiere und Vögel ift vom Profeffor Spencer F. Baird, die der Rep⸗ 
tilien vom Brofeffor Baird und Charles Girard, die der Inferten vom Pro» 
feſſor Haldeman. Obgleich die Erpedition nad) dem Großen Salzfee unter 
Umftänven ftattfand, welche das Sammeln naturhiftorifcher Gegenſtände fehr 
erfehwerte, — wozu namentlich auch ver ſchnelle Aufbruch von Waſhington 
gehörte, venn es blieb ven Reiſenden kaum die Zeit von 24 Stunden, um fich 
zu der Reiſe vorzubereiten — fo hat doch, wie der Profeffor Baird bemerkt, 
feit den Tagen von Major Long's Reife nach dem Miffouri Feine Regierungs⸗ 
erpetition fo wichtige Beiträge für die Naturgefchichte geliefert, wie die des 
Capitain Standbury. Hinfichtlih der Sängethiere, welche natürlich größ⸗ 
tentheild der Rocky Mountaind » Bauna angehören, ift dad wichtigfte Factum, 
bag das Vorkommen des großfchwänzigen Buchfes, Vulpes macrourus Baird, 
welcher oft von Reiſenden erwähnt, aber noch nie befchrieben wurve, im 
Utah= Gebiete nachgeriefen worden if. Die mitgebrachten Vögel gehören 
zu den Sumpf» und Schwimmvögeln. Die Zahl verfelden ift zwar nicht 
groß genug, um daraus allgemeine Bolgerungen in Bezug auf die Fauna bes 
Salzſee⸗Thales zu ziehen, indeß geht doch daraus hervor, daß dies Thal ein 
Verſammlungsort der Specied vom Saskatcheman, vom Großen Ocean, vom 
Miffouri und von Neu Mejico if. Am Schluffe dieſes Anhanges ift ein 
Berzeichniß aller jenfeit des Driffifippi vorkommenden Species mitgetheilt, die 
ih in Audubon's American Ornithology nidyt finden, auch find vie feit 
Audubon’3 Zeit im Dften viefer großen Naturgrenze aufgefundenen Species 
Dinzugefügt worvden. Herr Baird rühmt fehr die Unterflügung von Seiten 
des Herrn John Eaffin in Philadelphia, welcher gegenwärtig mit ver ‚Her: 


Stansbury's Reiſe nach dem Thal des Großen Utah⸗-Salzſees. 217 


audgabe einer Fortſetzung von Audubon's Ornithology befchäftigt ift. Die Rep- 
tilien find, mit Ausnahme von zwei Species, ſaͤmmtlich neu. Auch einige 
aene Specied aud Oregon, Terad und NeusMefico, welche von amerifanis 
fhen Dfficieren gefammelt wurben, find bier befchrieben. Die gefammelten 
Infecten find leider auf der Rückreiſe theild verloren, theils beichäbigt wor⸗ 
ven. Das wichtigfte Refultat für Eniomologie ift die genaue Beſtimmung ver 
Ihäplichen Heuſchrecke (Oedipoda corallipes Hald.), welche der DBegetation 
im Thale des Großen Salzfeed fo verberblich wurde. 

Anhang D mihält ein Verzeichniß der während ver Erpebition gefam- 
melten Pflanzen vom Profeffor John Torrey. 

Anhang E. Ein Schreiben des Profefford James Hal in New-Morf, 
weldyed Beobachtungen über die Geologie und Paläontologie des von 
der Erpedition bdurchreiften Landes und Bemerkungen über einige unterweges 
gefammelte Geſteine enthält. Durch Farben find unterfchieven: 

1) auf ver Karte, welche vie Meiferoute enthält, Kohlen Kalfftein, 
Geſteine der Kreide» und Tertiärgruppe, Kohlenlager, metamorphifche 
Gefteine; 

2) auf der Karte vom Großen Salzfee metamorphifche Gefteine, Kalte 
ftein, Sandſtein und Gonglomerat unter dem Kalkftein. 

Anhang F. Chemifche Analyfe des Waflerd aus dem Großen Salz⸗ 
fee und anderer Mineralmaffer und falinifcher Subftanzen, welche währenn 
der Reiſe gefammelt wurven, von 8. D. Sale. 

Anhang G enthält die meteorologifchen Beobachtungen. 

Der Reifebericht beginnt mit dem Aufbruch vom Fort Leavenworth, wel⸗ 
ches die Erpetition am 31. Mai 1849 verließ. Die Reiſenden folgten zuerft der 
großen „Auswanderer « Straße”, vie bereitö fo breit und betreten ift, wie eine 
Landftraße in dem cultivirteften Theile ver Union. Lieutenant Gunnifon, wels 
her dem Capitain Stansbury beigegeben und, wie bereit8 erwähnt, mit ven 
aftronomifchen Arbeiten beauftragt war, litt fo fehr am Fieber, daß er das 
Reiten nicht vertragen Tonnte und daher gefahren werden mußte. Das Land, 
welches fie Hierbei durchzogen, war durch Schluchten zerriffen, mit Wieſen von 
wellenförmiger Oberfläche bedeckt und auch durch laubreiche Bäume reichlich 
befchattet. Der Boden erfcheint im Allgemeinen von Falfiger Natur; bin und 
wieder fand die Expedition kryſtalliniſch⸗koͤrnige Gefteine anſtehend. Am 
19. Juni erreichte man das am Platte⸗Fluß gelegene Fort Kearny, deſſen 
Gommandant, ver durch feine Abenteuer in den Nody Mountains befannte 
Oberſt Bonneville, die erfchöpften Reiſenden auf alle Weife unterftüßte. Zwei 
Compagnien Infanterie und eine Schwadron Dragoner bildeten bier die Bes 
ſahung. Nach einem befchwerlichen Marfche aufwärts des wenig tiefen und 
durch vie weißliche Faͤrbung ſeines Waſſers dem Miffouri ähnlichen Platte 
und durch wellige und ebenfalls coupirte Wiefenlanpfchaften, deren Boden 
theils thoniger Natur war, theild auch aus gefchichteten Gefteinen (vorzüglich 





218 Neuere Riteratur: 


Sandftein mit viel Verfteinerungen) und aus Granit beftand, erreichte die Ex⸗ 
pedition am 12. Juli ort Laramie. Ehe aber noch vie Reiſenden hierher 
famen, ftießen fle zum erſten Male zu ihrer Freude auf Büffel und auf eine 
Horde Siours Indianer, welche ven Verheerungen ber auch unter ihnen aus⸗ 
gebrochenen Cholera fih zu entziehen fuchten. Am 7. Juli befanden fie fich 
erft an dem von ven Meifenven in viefen Gegenden wohl gefannten Chimney⸗ 
river, wo fie lofe Blöcke von Lignit fanden, ein werthvolles Kennzeichen für 
das Vorhandenfein einer größeren Ablagerung deſſelben Minerals. Ueberall 
ftießen fie auf viefem Wege auf Züge von Auswanderern, die mit Mühfelig- 
feiten aller Art zu Fämpfen Hatten. Laramie ift ein noch am Platte gelege- 
nes, einft Sohn genanntes Fort, das urfprünglich ein von der amerifanifchen 
Belzbanvel» Compagnie (American Fur Company) angelegter Poſten war, der 
durch Kauf an die norbamerifanifche Negierung überging und jeßt ebenfalls 
durch 2 Compagnien Infanterie und eine Schwadron reitender Jäger befegt 
if. Der Boten in der Umgebung ift außerorbentlich unfruchtbar. Auch 
bier fand Capitain Stansbury überall Reſte von Wagen, Küchengeräthen, 
Meubles und felbft eine Fülle von Nahrungsmitteln, welche die Emigranten 
zurückzulaſſen genöthigt gewefen waren. Am 25. Juli fließ er an dem Deer 
Greek, einem Zufluß des Platte, auf eine Steinkohlenaver; am 27. verließ bie 
Expedition den Platte ganz und zog nun durch ein immer fanviger uud wü⸗ 
ſter werdendes Terrain mit alfalifchen Quellen. An einem einzigen Tage fand 
man die Nefte von 17 Wagen und von 27 gefallenen Ochfen. Rothe und 
weiße Sandfteine und Thonfchiefer find das herrſchende Geftein, auf deſſen 
Oberfläche viel Salpeter und Tohlenfaures Natron effloredcirt waren. Cine 
den Reiſenden wohl bekannte ungeheure Granitmaſſe, ver Indepenvence od, 
wurde bier auch von der Erpebition gefehben. Am 1. Auguft erreichte man 
einen audgetrodneten See over Teich, deſſen Boden von einer weißen Lage 
von Fohlenfaurem Natron, wie mit einer Schneclage, bedeckt war. Am 1. Aus 
guft zog man endlich bei ven Quellen deö Green River oder Colorado vor- 
über und erblicte zum erften Male das Windriver- Gebirge fern am Horizont. 
Hierauf gelangte man am 11. Auguft zum Fort Bridger. Dom Plattefluß 
bis zum Fort mechfelte die geognoftifche Befchaffenheit des Bodens öfter. Gra⸗ 
nit und marmorartiger Kalk berrfchten; endlich wurde Thon zum herrſchenden 
Gebilde. Berfleinerungen gab es überall, oft fogar fehr zahlreich. Vom 
Fort aus führten zwei Wege nad) dem Humboldt's- oder Mary's⸗Flufſe. 
Der alte Weg berührt ven Bear River, folgt dann dem Ihale vefielben ab» 
wärts über die Soda Springs bis nach ort Hal, von wo er ſüdweſtlich 
nach dem Humbolbt= Sluffe geht. Diefer Weg macht eine Abweichung gegen 
Norven von etwa zwei Grad und wird dadurch weit länger. Der andere 
Weg, den die Mormonen= Gemeinde im Jahre 1847 einjchlug, und ver nad) 
ihrer Hauptſtadt im füplichen Theile des Salzſee⸗Thales führt, macht eine 
Abweichung von mehr ald einen Grad, weshalb man einen gerade nörblichen 


Stansbury’3 Reife nach dem Thal des Großen Utah⸗Salzſees. 219 


Gas einfchlagen muß, um ven Bear River nahe dem Nordende des Sees 
ww überfchreiten, dann muß man in norbiweftlicher Richtung fortgehen, bis 
man die alte Straße vom ort Hal trifft. Capitain Stansbury wollte ſich 
überzeugen, ob es nicht einen Fürzeren Weg gebe, wenn man birect nach 
dem Ende des Seed gebe oder nad) dem Punkte, wo ver Bear Niver aus 
ven Sache» Thale der Wahlatch» Kette in das Baſſin eintritt. Ein folcher 
De, wenn er fich übrigens ald gangbar erwiefe, würbe die Umwege auf 
den erwaͤhnten Straßen vermeiden und zugleich von Einfluß fein auf die An⸗ 
legung des für jene Megion beabfichtigten Militair- Poftene. Der Capitain 
beſchloß Daher, dieſe Unterfuchung in Begleitung des Majord Brivger, ver 
bereits ſeit dreißig Iahren in viefer Gegend an den Quellen des Miffouri un 
des Eolumbia » Stromed den Handel mit den Indianern leitete, felbft vorzus 
nehmen und feine MHeifegefelichaft unter Führung des wienergenefenen Lieute⸗ 
nautd Gunniſon auf der Mormonen- Straße nad) Fort Hall vorauszufenden. 
Durch diefe Unterfuchung gewann Stansbury wirklich vie Ueberzeugung, daß 
vom Fort Brivger bid zum Anfange des Salzjeed eine gute Straße ſich anlegen 
laſſe, doch ift er der Meinung, daß biefelbe etwas nörblicher zu legen fei, ale 
der Weg, den er genommen; fie müfle nämlich durch Blackſmith's Kork in 
das Sache Thal einmünden und daſſelbe durch ven Canon (Schlucht) wieder verlaf> 
fen, welcher von dem Bear Miver da gebildet wird, wo biefer Fluß fich feinen 
Weg aus dem Thale in dad See⸗Baſſin bahnt. Außerdem, daß dieſer Weg 
fürzer ift, bietet auch dad Cache» Thal den Reiſenden unerfchöpfliche Hülfs⸗ 
quellen an Holz, Waſſer, Fifchen und Viehweide var. Es iſt mithin erwies 
fen, daß durch die Rocky Mountains ein fahrbarer Weg eriftirt, und zwar 
an einem Punkte ſechs engl. Meilen füplicher, als ver gegenwärtig allgemein 
benußte, und daß berfelbe viel Directer ift, und zwar ungefähr in vemfelben 
Verhältnifie, wie die Sehne zum Bogen. Ein Bli auf die Karte und bie 
Zafel ver gengraphifchen Breiten zeigt, daß von der Stadt am Großen Sal;- 
fee bis zu dem Urfprunge des Lodge⸗pole Creek, eine Entfernung von 484 
englifchen Meilen, der Breiten» Unterfchied nur 35’ 42” beträgt, und daß, waͤh⸗ 
send die größte nördliche Abweichung ver vorgefchlagenen Linie nur wenig 
mehr, ald 20’ nörblich vom Lodge⸗pole Creek beträgt, vie größte fübliche Ab⸗ 
weichung drei engl. Meilen wenig überfteigt, fo daß ver ganze Weg auf die⸗ 
fer langen Strede nur um ein Geringes von der geraden Linie abweicht. 
Wird diefer neue Weg ausgedehnt bis zu der Vereinigung des Lodge⸗pole 
Greek mit dem Sübarme des Platte» Flufjes, fo erfcheint er als die Sehne 
zu dem Bogen, welchen vie gegenwärtige Auswanderer» Straße bildet. Die 
Entfernung vom Fort Brivger bis zum Fort Laramie auf dem jegigen Wege 
beträgt 408 engl. Meilen, während -le auf dem neuen Wege vom Yort Bridger 
bis zu dem Oftfuße der Bla Hills (ein Punkt, der eben fo weit entfernt 
ift, wie das Wort Laramie von den Armen bed Platte Flufied) nur 347 
engl. Meilen beträgt, jo daß alſo auf der ganzen Strede genau 61 Meilen 


220 Neuere Literatur: 


erfpart werden. Ermwägt man, Daß diefe Entfernung im Laufe einer ſehr 
fehnellen Recognosarung und ohne alle nähere Kenntniß ver Localitäten mit⸗ 
telft eines Odometers gemeflen wurde, fo leitet e8 feinen Zweifel, vaß bei 
einer genauen Unterfuchung ſelbſt die angegebene Verkürzung der Entfernung 
ſich noch bedeutender herausſtellen wird. 

Am 27. Auguſt, als Capitain Stansbury in einem Paß vie Wahſatch⸗ 
Gebirgskette hinabzog, ſah er zuerſt den Großen Salzſee, und am folgenden 
Tage erreichte er das Ziel ſeiner Reiſe, die Mormonenſtadt ſelbſt, nachdem er 
in 3 Monaten weniger einigen Tagen eine Reiſe von etwa 1160 engl. Meilen 
zurückgelegt hatte. Hier ſollten feine Arbeiten eigentlich erſt beginnen. Sein 
Aufenthalt in ver Mormonenſtadt gab ihm Gelegenheit, über dieſe merkwür⸗ 
dige Secte und ihre Gefchichte in ver neueften Zeit eine Reihe interefjanter 
Thatfachen zu erfahren, die wir in feinem Werf mitgetheilt finden und von 
welchen ein Auszug in den Miscellen gegeben werben fol. Nachdem Capi⸗ 
tain Stansbury ſich mit dem Präfiventen des Staated und ver Kirche der 
Mormonen, Brigham Young, über ven Zwed feiner Ankunft — über welche 
allerhand beunruhigende Gerüchte unter den Hormonen verbreitet waren, und 
welche bei den legten um fo mehr Glauben finden Tonnten, als ſie felbft in 
ihren früheren Wohnfigen in Miffouri und Illinois Gegenftand vieler gewalt- 
famen Verfolgungen geweſen waren, denen fie erſt durch ihre Auswanderung 
in tiefe abgelegene Gegend entgangen zu fein hoffen vurften — verfländigt 
batte, begann Gumiſon mit dem größten Theile der Mannfchaft die Auf- 
nahme des Sees, während Standbury fi aufmachte, um einen Weg vom 
Ende des Sees nad Fort Hall ausfindig zu machen. Das Refultat dieſer 
Unterfuchung war, daß es ſehr wohl möglich fei, vom Fort Hall bis zur 
Mormonen= Anfievelung am Großen Salzfee eine für Wagen fahrbare Straße 
anzulegen. Mit Ausnahme der Kette, welche tie Wafler des Pannad von 
denen eined anderen Zufluffes des Port Neuf (eined entfernteren großen und 
fhönen Zufluffes des Golumbiaftroms) feheivet, bietet die ganze Linie Feine 
Sinderniffe dar, und felbft dieſe find nur unbereutend. Bei hohem Waffer- 
flande würde man den Bear River und den Port Neuf auf Kähren pafjiren 
müffen, und ſollte es nöthig fein, eine Brüde zu fchlagen, fo ift in der Nähe 
beider Localitäten Holz in Menge vorbanten. Auf dem ganzen Wege fand 
Stansbury Kalkftein vorberrfchenn, der Hin und wieder zahlreiche Verfteine- 
rungen enthielt. Merkwürdiger Weife traf er hier auch Bruchſtücke von Ob- 
ſidian und von vulcanifchen Waffen, ſowie einen beträchtlichen, aus Trachyt 
mit aufgelagertem Kalk beftehennen Berg am Malavefluß (dem Rofeaurfluß 
Sremontd). 

Während der Abweſenheit Stansbury's hatte der Lieutenant Gunnifon 
tie Punkte für die Baſis ausgewählt, um daran das Syſtem von Dreieden 
zu knüpfen, vie den Salsfee und das Utah: Thal umfaffen follten. Die Baſis 
wurde forgfältig gemeſſen; ihre Länge betrug 31680 Fuß. Vierzehn Haupt⸗ 


. 


Stansbury's Reiſe nach dem Thal des Großen Utah-Salzſees. 221 


Dreiecks⸗ Stationen wurben errichtet. Die Dreiecke erſtreckten ſich bis an das 
Südende des Utah-Sees und umfaſſen einen Raum von etwa 80 engliſchen 
Kelen Länge und 25 engl. Meilen Breite. Der Utah⸗See und ver Fluß, 
welcher ihn mit dem Salzfee verbindet (der Jordan» Fluß), waren aufgenom- 
men und fondirt worden. Die Ausführung aller dieſer Arbeiten in ver Zeit 
von zwei Monaten würde ſchon unter gewöhnlichen Umſtaͤnden ver Energie 
und Fähigkeit des damit Beauftragten Ehre gemacht haben, wie vielmehr nicht 
in jenen Gegenven, wo ed an Allem, felbft an Holz und Wafler fehlt. Bei 
der Mefiung ver Balls, welche fteben Tage angeftrengter Arbeit erforberte, 
mußte alles Wafler zum Kochen und Trinfen auf Maultbieren aus dem eine 
englifche Meile von dem Oſtende ver Balls entfernten Fluſſe berbeigefchafft 
werden. Die Hauptfchwierigkeit aber war der Mangel an Holz, welches nir« 
gends auf Der Ebene wäh. Alles zum Kochen im Lager und zur Errid)- 
tung der Signale erforberliche Holz mußte aus dem Gebirge, zuweilen aus 
der Entfernung von 15—20 engl. Meilen über ein unebened Land ohne 
Wege geholt werben. Hierzu kommt noch die Schwierigkeit, in Die Canons, 
wo allein das Holz wächſt, einzubringen, das Faͤllen der Bäume und das 
Sinaußfchaffen verfelben durch Menfchenhänve bi8 zu dem Bunfte, wo bie 
Maulthiere fanden. Died Alles erforverte einen Aufwand von Zeit und Ar⸗ 
beit, den man, wie es in den Bericht Heißt, feldft erfahren Haben muß, um 
ihn gehörig würdigen zu Fönnen, und doch mußte died Alles gefchehen, wenn 
das Unternehmen überhaupt zur Ausführung kommen folte. 

Der Winter, welchen die Erpebition in der Mormonenftabt zubrachte, 
war lang und firenge. Die Nähe fo vieler hohen Berge machte dad Wetter 
äußerft veränderlich; auf ven Bergen fiel beftänvig Schnee, und in der Ebene 
lag derſelbe oft zehn Zoll Hoch. Die Cañons füllten fich bis zu 50 Fuß 
hoch mit Schnee, und die Auswanderer, welche fich verfpätet hatten, wurden 
in den Engpäfien fo plößlich von den Schneeftürmen überfallen, daß fle alles 
Gepaͤck und felbft das Vieh zurücklaffen mußten, um nur zu Buß das Leben 
zu retten. Alle Verbindung des Thales mit ver Außenwelt war auf biefe 
Beife vollfommen abgefchnitten. Dies währte bis zum 3. April 1850. Die 
Reiſenden mohnten währenn des Winterd in einem Heinen Haufe von unge⸗ 
brannten Ziegeln, vefien Dach aus leicht angenagelten Brettern beftand, zwi⸗ 
fen venen bei jedem Schneefall oder Negen das Wafler firommeije eindrang. 
Der Capitain Stansbury rühmt es jenoch, daß die Mormonen, fowohl ver 
Präfivent ald die Bürger, Alles aufboten, um ihm und feinen Gefährten das 
Leben fo angenehm zu machen, als es ihre befchränften Mittel erlaubten. Es 
war nach den Angaben des Berichterftatterd in dem Benehmen ver Mormo⸗ 
nen gegen ihn und feine Begleiter das Beſtreben veutlich erfennbar, ſich den 
Abgefannten der Vereinigten Staaten in einem möglichft günftigen Lichte dar⸗ 
zuſtellen. 

Am 3. April des Jahres 1850 war endlich das Wetter fo günflig ge⸗ 


222 Neuere Literatur. 


worden, daß die Arbeiten beginnen konnten. Am 27. Juni war die Aufnahme 
des Sees vollendet; ſie hatte drei Monate unausgeſetzter Arbeit erfordert. 
Anderweitige Beobachtungen beſchaͤftigten die Reiſenden noch bis zum 16. Juli, 
an welchem Tage ſie den Salzſee verließen. Auf die Einzelheiten der Meſſung, 
fo wie auf die Schilderung der großen Muͤhſeligkeiten und Entbehrungen, wel⸗ 
chen die Reiſenden ausgefebt waren, Tann bier nicht eingegangen werben, man 
muß dies in dem Höchft anziehenn gefchriebenen Neifeberichte felbft nachlefen. 
Nachftehenve Ueberficht zeigt, welche Arbeiten ausgeführt wurben: 

1) Die Auswahl und Meffung einer Baſis von ſechs englifchen Meilen 
Länge. 

2) Die Errichtung von 24 Haupt-Dreiedid» Stationen, zu denen dad Ma⸗ 
terial oft aus einer Entfernung von mehr als 30 engl. Meilen her⸗ 
beigefchafft werden mußte. Diele viefer im Herbft 1849 errichteten 
Signale mußten im Sommer 1850 erneuert werden, da fie theild von 
den Indianern, theild von den Einwohnern ald Brennmaterial waren 
verbraucht worden, indem fle wahrfcheinlich glaubten, viefelben hätten 
ihren Zweck bereits erfüllt. 


3) Die Aufnahme des Großen Salzfeed, vefien Ge⸗ 

flade= Linie, mit Ausſchluß der Einbiegangen be⸗ 

tät .- .. . . 2901 engl. Meilen 
4) Die Aufnahme ber Juſein res Se nen. 96 =» = 
5) Die Aufnahme des Utah-Sed . . . - 76 » . 


6) Die Aufnahme des Jordan = Fluffes, welcher die Seie 
den Seen verbindet, fo wie einiger Nebenflüffe . 50 ⸗ = 
Zufammen 513 engl. Meilen. 
7) Die Beobachtungen auf verfchievenen Dreiedd-Stationen von dem Nord⸗ 
ende des Salzſees bis zum Südende des Thales des Utah= Sees, 
welche einen Slächenraum von mehr als 5000 engl. Quadrat⸗Mei⸗ 
len umfaſſen. 

Die Triangulirung des Thaled im Süden des Salzfeed, und die Beob- 
achtungen für dad Azimuth der Baſis waren am 12. Auguft vollendet; bie 
Zeit bi zum 28. Auguft wurde mit den Vorbereitungen zur Rückkehr aus⸗ 
gefüllt, welche die Neifenven an dem zulegt genannten Tage antraten. Am 
6. November erreichten fie Fort Leavenworth am Miffouri, und am 6. Des 
zember trafen fie wieder in Wafhington ein. 

Dad hier kurz Heiprochene Werk des Capitain Stansbury, welches mit 
Ihönen Karten, gut ausgeführten Iandfchaftlichen Anfichten und Abbildungen 
naturbiftorifcher Gegenftänve reich ausgeftattet ift, enthält auf jever Seite des 
Intereffanten für Geographie und Naturwiffenfchaften fo viel, daß es fich 
den früheren Reports der norbamerifanifchen Ingenieur « Officiere würdig an⸗ 


Miscellen. 223 


ihliept, über deren wiflenfchaftlichen Werth Aleranver von Humboldt fich be= 
ras fo anerfennend geäußert hat, daß jede weitere Bemerkung darüber un- 


pfimd erfcheinen würde. Nehbbod. 


Miscellen. 


Berbältnuiffe des ländlichen Beſitzthums in Preußen. — 
Nah ver am Ende des Jahres 1849 veranftalteten amtlichen Aufnahme wa⸗ 
rm nach den Angaben ver Königlichen Regierung im preußifchen Stante 
überhaupt 1790018 ländliche Befigungen, und darunter 871693, welche einen 
Faheninhalt unter 5 magd. Morgen enthielten, d. h. 48,7 pCt. Dies Ver: 
haltniß geftaltete ſich aber in den einzelnen Provinzen fehr verfchienen; es befan- 
ben fih nänılich unter 100 Bellgungen unter 5 Morgen in ver Provinz Pofen 
19,33, in Preußen 24,53, in Bommern 33,09, in Brandenburg 37,23, in 
Schlefien 44,02, in Weftphalen 44,34, in Sachfen 44,71, am Rhein 66,42. 
Hiernah bilden alfo die Nheinprovinz und Pofen die Extreme, indem auf 
1000 folcher Beſitzungen in der Nheinprovinz nur 291 in Poſen kommen. 

nn Berl. BI. 1853. 

Steintohlen: und Eifengewinnuung in Schlefien. — Schon 
Ariftoteled behauptete im Altertum, daß das Eifen ein viel wichtigered Mes 
tall ſei, als Gold. Die Gefchichte des letzten Jahrhunderts Hat diefen Aus- 
ſpruch in Bezug auf England und die pyrenäifche Halbinfel bekanntlich glän- 
zend beftätigt, indem jenes Land wefentlich durch feine Eifenproduction auf vie 
jeßige Höhe feines Reichthums emiporgeftiegen ift, wogegen Portugal und 
Spanien, troß der Fülle der Jahrhunderte hindurch ihnen aus Amerika zu⸗ 
gefloffenen edlen Metalle, volftändig verarmten. Aber erft vie Benußung 
ver Steinfohlen zum Betriebe ver Eijen= Hüttenmerfe feit dem zweiten Drits 
tel des vorigen Jahrhunderts (zuvörberft im Jahre 1760 auf den Carron iron 
works, nachdem 100 Jahre früher vie erften DVerfuche der Art durch Lord 
Dudley, der auf die Erfindung ein Patent genommen hatte, durch den unwif- 
fenden Pöhel unterbrochen worden waren, indem viefer Dudley's Werke zer- 
flörte), Hat in England vie jetzige riefige Ausdehnung der Eifenprobuction 
moͤglich gemacht. Bor viefer Verwendung ver Steinkohle hatte das felbft zur 
Hömerzeit, beſonders in Bloucefterfhire, blühenve Eifenhüttenwefen in England 
fo fehr abgenommen, daß man fchon zu Königin Eliſabeths Zeit vie Anle⸗ 
gung neuer Eifen= Küttenwerfe in einigen Graffchaften wegen des Holzman⸗ 
geld verbieten mußte, daß die Zahl ver Hochöfen von Jacob I. bis auf Georg II. 
Zeitn von 300 auf 60 herabfanf, und daß endlich die Einfuhr großer Maf- 
fen rufjiichen Roheiſens in England in ver erften Hälfte des vorigen Jahr: 


224 Miscellen: 


hunderts zur gebieterifchen Nothwendigkeit wurde. Es waren demnach die 
Steinkohlen, welche in Gemeinfchaft mit dem Gifen auf die Imbuftrie, den 
Mohlftand und die ganze Entwidelung der Bevölkerung Englands ſowohl, 
wie anderer Länder Europa’d, in neuerer Zeit den wefentlichfien Einfluß 
ausgeübt haben. Eine Vergleihung ver beiden Haupttheile von Schleflen im 
Norden und Süden giebt davon gleichfalls ein überzeugendes Beifpiel. Als 
Preußen die Provinz Schleften in Befik nahm, war Nieder» Schleften ſchon 
ein wohlcultivirtes, wohlbewölfertes und in Folge feines meift fruchtbaren 
Bodens felbft wohlhabendes Land, deſſen weitere Entwidelung in dem Jahr⸗ 
hundert preußifcher Verwaltung nur einen allmäligen, aber keinesweges über 
rafchennen Gang verfolgte. Ober⸗Schleſien fand dagegen vie preußifche Ver⸗ 
waltung in einem völlig verwahrloften, man möchte fagen, verwilderten Zus 
ftande vor, ver einer völligen Umgeftaltung dringend bedurfte. Die unterirdifchen 
Schäte des Bodens waren damals bier theild unbekannt, theil3 unbenußt; 
ver Aderbau befand ſich auf einer überaus niedrigen Stufe, und fo war auch 
vie Bevölferung nur dünn im Lande zerfireut und in Bezug auf ihre Eri- 
ftenzmittel in fehr traurigen Verhältniffen, Eurz biefer Theil ver Provinz war 
dem preußifchen Staate faft mehr eine Laſt, als ein Gewinn (Der gegenwär- 
tige Zuſtand Ober» Schlefiens juridiſch, dfonomijch, paͤdagogiſch und ftatiftifch 
bearbeitet. Dredven 1789). Seit Einführung eined geregelten Gijen= Hüt- 
tenbetriebeö mit großartigen Mitteln, der Aufnahme des Steinfohlen» Berg- 
baues und dem Beginn der Zinfgewinnung aus den Galmey am Schluffe 
des vorigen und dem Beginne dieſes Jahrhunderts haben fich dagegen vie Zus 
ftände Ober Schleflend wunderbar geändert, fo daß dieſer Landestheil bereits 
zu einen fchönen Iumel in der Krone Preußens geworben ift und mit dem 
Fortfchreiten ver Tiefbaue in den Steinfohlengruben, welcher vie Förderung 
einer immer befieren Kohle in Ausſicht ftelt, einer Zukunft entgegengeht, wie 
fie in Europa ficherlich nur den in bergmännifcher Hinſicht begünfligften Dis 
ftricten zu Theil werben vürfte. Schon jetzt hat vie Babrifthätigkeit in ver 
Gegend von Gleiwig und Königshütte fich fo emporgefihwungen, daß ver 
Reiſende bei dem Anblid der dort angehäuften Werke mitten in das Herz 
von Stafforpfhire, nach Wolverhampton, verfeßt zu fein glaubt. Zur Erflä« 
rung dieſer riefenmäßig fleigenden Entwickelung dient am beiten eine Verglei⸗ 
hung der Steinkohlen- und Hoheifen- Gewinnung ver Provinz Schlefien 
während ver legten Jahre (movon der bei Weiten größere Theil auf Ober- 
Schleſien fallt) mit ver Production früherer Jahre. Lieferte nänılidy nach 
amtlichen Duellen in ven jährlich erfcheinennen Ueberfichten der Pro— 
dbuction ded Bergwerks-, Hütten» und Salinen= Betriebes in 
den Preußifchen Staaten ver fihlefifche Ober » Bergamts > Bezirk im Jahre 
1826 erft 2614199 Tonnen Kohlen (zu 4 preuß. Scheffel), fo war ver 
Ertrag ſchon: 


Steinfohlen» und Eifengewinnung in Schleflen. 225 


i Jahre im Werth von in ObersSchleften allein im Werih von: 
1837 3062430 on. 761256 Ahlrn. 2100356 Tonn. 436499 Thlrn. 
1840 4238664 - 1141579 - 2937575 ⸗ 649763 = 
1845 6230603 - 1469796 + 4467232 = 812478 = 
1848 6593484 = 1824226 =» 4765673 = 1139435 ⸗ 
1849 6793422 „ 1836439 = 4996016 » 1152351 = 
1850 7212516 - 1996841 = 3320369 = 1277904 ⸗ 
1851 7966982 = 2082664 = 3966821 = 1344515 = 
1852 9745888 - 2459413 - 74738319 = 1637421 = 


Es hatte demnach der Ertrag der Steinfohlen- Gruben in ganz Schles 

fen in pm Jahren von 1826 bis 1852 fih um 7130689 Tonnen erhoben; 

der Ertrag von Ober ⸗Schleſien allein aber in 16 Jahren, von 1837 bis 

1852, um 5373463 Tonnen Kohlen und um einen Brutto=Grirag von 

1200922 IHalern. Gleiche Fortſchritte zeigte wie Hoheifenproduction. Dieſelbe 

betrug nämlich im Jahre 1826 in ganz Schleflen erft 383685 Gtr., wovon 
freilich wieder der beveutenpfte Theil auf Ober» Schlefien fiel; ſodann 


i. Jahre im Werth von in ObersSchleflen allein im Werth von 
1837 625650 Etr. 773891 Thlr. 580798 Gtr. 731179 Xhlr. 
1840 774930 = 1385382 = 530896 = 1325304 = 
1845 763791 » 1141029 > 712361 - 1046945 - 
1848 917658 = 1495790 = 860873 = 1390050 ⸗- 
1849 894643 » 1368350 ⸗ 829208 - 1242790 = 
1850 1048095 » 1433971 = 1014637 ⸗ 1373440 = 
1851 1176007 - 1590914 ⸗ 1122739 = 1492664 - 
1852 1211244 = 1838657 = 1179234 = 1778844 = 


Es hat fich demnach die Noheifen» Production in Schleflen in ven ers 
wähnten 27 Jahren um 827559 Etr., und bie von Ober-Schleflen in ven 
lezten 17 Jahren um 598436 Etr. und um einen Brutto⸗Ertrag von 
1047665 Thlr., erfte alfo um faft das Dreifache erhoben. Bon welchem un⸗ 
ermeßlichen Einflug überhaupt ver Reichtum eines Landes an Steinfohlen 
if, Davon geben auch die Betrachtungen des Berghauptmannd von Oeynhauſen 
in Bezug auf Schleften Zeugnig. Schon im Jahre 1826 ſprach ſich derſelbe 
dahin aus (Geognoftifche Befchreibung von Ober» Schlefien. Eſſen 1822, 
157), daß mehrere 100 Dundratmeilen Wald in ver Provinz nicht zu» 
reichen würden, die allein zwiſchen Gleimig und ver polnifchen Grenze auf 
wenige Quabratmeilen Raum zufammengebrängte Steinkohlenmafle zu erfeßen. 
Im der neueften Zeit nahm v. Deynhaufen diefe Betrachtungen von Neuem 
auf. Set man nämlich, fagt derfelbe (30. Jahresbericht der Schleflfchen Ge⸗ 
ſellſchaft für vaterlaͤndifche Gulter. Breslau 1852, 24), die Tonne Steine 
fehlen wie gewöhnlich zu 7,1 Aubik⸗Fuß, fo Hatte die Steinkohlen« Beförbes 
rung Schleftens, vie er nur zu 7745050 Ton. fegt, im Jahre 1851 54989855 
Kubil- Fuß betragen, und da nach Verſuchen vie Heizkraft der Kohle dem Vo⸗ 

Zeitſchr. f. allg. Erdlunde. Bo. 1. 15 


226 Miscellen: 

iumen nach zu der des Kienholzes wie 1:7 ift, fo erfeßte alfo dieſe Koh⸗ 
Ienmafie 384928985 Kubif- Fuß, d. h. 3564157 Klaftern (& 108 Kubik⸗ 
Fuß) Kienholz. Berüdfichtigt man ferner, daß die Quabrat» Meile 222222 
Morgen bat, und daß 1 Morgen Wald jährlih etwa 1 Klafter Nutzholz ges 
währt, fo Hätten die im Jahre 1851 geförverten Kohlen vie jährliche Nugung 
eines Waldes von 164 Duabrat= Meilen vertreten, deſſen Bläche hiernach durch 
den Steinfohlens Bergbau andermweitigen Culturen gemonnen worden ift. 


Gumsrecht. 


Schiffe und Schiffsthätigkeit. — Hamburg's Handelsver— 
kehr im Jahre 1852. — Nah ven vom handelsſtatiſtiſchen Bureau dieſer 
Stadt mit der größten Schnelligfeit am 1. Januar 1853 veröffentlichten Zus 
fammenftelung zeigte ver Handelsverkehr Hamburg's in den letzten 5 Jahren 
von 1848 bis Ende 1852 wiederum eine außerorbentliche Zunahme, indem 


1) von Seefchiffen 
1849 1850 


Zahl Ladungsfäh. Zahl Ladungsfäh. Zahl Labungefäh. 


a. am 1. Januar im 
Hafen lagen 184 9012 190 9222 233 11868 


b. eingingen 3304 197878 3459 188094 4094 243532 
3488 206890 3649 197316 4327 255400 
Desgleich. abgegangen 3298 197668 3416 185448 4114 243062 


Blieben am 31. Dechr. 
im Hafen 190 9222 233 11868 213 12338 


1851 1852 
Zahl Ladungsfäh. Zahl Labungefäh. 
a. am 1. Januar im Hafen lagen 213 12338 253 12805 





b. eingingen 4169 248179 4440 280600 

| 4382 260517 4693 293405 
Desgleichen abgegangen 4129 247712 4480 281793 
Dlieben am 31. Decbr. im Hafen 263 12805 213 11612 


Die Ladungsfähigkeit ift nach Commerzlaften & 6000 Pfo. berechnet. 
2) von Seedampfbooten 
1848 1849 1850 1851 1852 
eingingen nach Zahl der Neifen 383 593 535 607 7235 
Zahl der einzelnen Dampfböte 83 49 38 4 52 


Die Vergleihung der Ränder, woher die Seefchiffe kamen, ergiebt einige 
intereffante Reſultate. So vermehrten fich von 1848 bis 1852 die auftrali» 
ſchen Schiffe von 1 (1848) auf 4 (1852), vie chineflfchen von 3 (1848) 
auf 16 (1852), die javanefifchen und Macaffarfchiffe von 5 (1848) auf 13 


Schiffe und Schifförhätigkeit. 227 


(1852), die britifch= oflindifchen von 4 auf 14, die aus ven norbamerifani- 
ſchen Freiſtaaten kamen von 36 auf 69, vie britifchen von 1590 auf 1920, 
die bremifchen und Weferfchiffe von 253 auf 459, vie oftfrieftfchen von 132 
auf 236, die norbrufflfchen von 6 auf 26, die belgiichen von 60 auf 102, 
die nieverländifchen von 262 auf 350, die aus der Türkei kommenden von 8 
auf 25. Faſt flationär blieb Die Zahl ver franzöflichen Schiffe, vie 1848 
132, 1852 nur 141 betrug, der fpanifchen und Gibraltarfchiffe: 39 (1848), 
38 (1852), der triefliner und venetianifchen: 10 (1848), 10 (1852), ja felbft 
die der brafilifchen: 111 (1848), 119 (1852) und ver Eubafchiffe: 64 (1848), 
69 (1852). Es ergiebt fich ferner aus dieſem officiellen Verzeichniß, daß ver 
lebendigſte Verkehr des verflofienen Jahres mit Großbritanien ſtattgefunden 
bat, indem faft vie Hälfte der eingegangenen Schiffe von da anlangte, und 
daß die Schiffe mit hamburger Flagge (625) in der Zahl ver angefonme- 
nen den erſten Rang nach den britifchen une Bannöverfchen (1118) ein» 
nehmen. Auch hierin hat eine fortwährenve Steigerung feit 1848 fattgefunden, 
indem im Jahre 1848 nur 370, im Jahre 1852 ſchon 652 Hamburger Schiffe 
einliefen, vie Zahl ſich alfo um etwa drei Viertheile ver früheren erhob. An⸗ 
fangs 1851 Hatte Hamburg 326, Ende 1852 fchon 369 eigene Schiffe. 

Bremend und Altona’8 Schiffe Das Verzeichniß der Bremer 
Schiffe von 1852 weiſt 243, das der Altonaer Ende 1851 21, Ende 1852 
22 Schiffe nad, Hamb. Gorresp. 


Bevölkerung von Preußen. — Nach ver neueften Zählung im 
Jahre 1852 (3. Decbr.) Hatte ganz Preußen eine Bevölkerung von 16935420 
Seelen auf 5103,7 Quadratmeilen, alfo purchfchnittlich 3318 Seelm uf LM. 
Die Zunahme feit ver Iehten Zählung (1849) betrug 537972 Seelen, d. h. 
112 Einwohner oder 3,28 Et. auf vie UM. Es Hatte demnach Preußen 
in diefer Periode gegen Frankreich und England fehr günftige Bortfchritte in 
Bezug auf feine Bevölkerung gemacht, indem vie Zunahme des erften Staates 
m 3 Jahren von 1846— 1851 nur 1551450 Einwohner oder 4,54 pCt., 
und die von England (mit Ausfchluß natürlich von Irland) in ven 10 Jahren 
von 1841 — 1851 auch nur 1068441 Seelen betrug. 








Bevölkeruug von Baier. — Nach, ver Iehten Zählung hatte das 
Kodnigreich Baiern im Jahre 1852 4559452 Einwohner; im Jahre 1849 
4520751. Die Zunahme betrug alfo in 3 Jahren nur 38701 Seelen. 

Münchener 3. 





Bevdllerung von Sachen: KBeimar. — Ebenfalls nach der 
lezten Zählung hatte das Großherzogthum Weimar im Jahre 1852 262524 
Cinwohner. 


— — — — 


15* 





228 Miscellen: 


Bevdlkerung des KRönigreichd Sachfen. — Dieſelbe wurde 
am 3. December 1852 zu 1987882 Seelen gefunden, wovon 970142 männ 
lichen und 1017690 weiblichen Gefchlechts waren und zugleich 704782 auf 
die Städte fielen. Der Zumachd betrug feit 3 Jahren 91401 Seelen, d. h. 
4,93 pCt. Nimmt man die Größe des Landes zu 272 IM. an, fo fommen 
auf die IM. 7308 Einwohner. Deutſche U. 23. 





Bevölkerung von Baden. — Nah ven auf DVeranlaffung des 
Zollvereind ausgeführten Volfszählungen Hatte dag Großherzogthum Baden 
im Jahre 1846 1367486, am 3. December 1852 aber nur 1356937 Ein« 
wohner, im lebten Sabre alfo 10549 weniger. Karlsruber tg. 





Landesvermeflung in Naſſan. — Im Lauf dieſes Sommers fol 
endlich im Herzogthum Naſſau eine allgemeine Landesvermeſſung beginnen. 
Die dazu ernannte Commiffton, beftehend aus dem Major Heilmann von 
Wiesbaden, dem Bau⸗Inſpector Born von ebendaher und dem . Geometer 
Wagner, bat unter der Leitung des Minifteriumsd bereitö ihre Arbeiten be» 
gonnen. | Navenftein. 





Bevölkerung der Lombardei. — Nach officiellen Ausweiſungen 
in ber Gazetta di Milano betrug die Bevölkerung fämmtlicher Tombarbifcher 
Provinzen im Jahre 1852 2773907 Seelen, wovon 1401687 männlichen 
und 1372220 weiblichen Gefchlechtes waren. Der Zuwachs feit 1851 bes 
trug 29789. Mailand Hatte 161962 Einwohner; Zuwachs feit 1851 2685. 





Dr. Salftedt uub die Landenge von Darien. — Deffent- 
liche Blätter haben gemelvet, daß auf der Stelle, wo einft Alt-Panama ftand, 
alte Münzen zu Tage geförvert wurden. Der Binder ift ein veutfcher Arbeis 
ter, Klein, ver in einer Ziegelei befchäftigt war, und den Topf, in welchem 
der übrigens an Gelowerth nicht fehr bedeutende Schng verwahrt lag, mit 
in feine Hütte nahm. Klein befam das Fieber und fandte zum Hospitalarzt 
Dr. Salftedt, der indeſſen einen Reifeausflug unternommen hatte. So er= 
ſchien flatt feiner Dr. Autenrieth, welcher den erkrankten Landsmann be= 
bandelte und von demfelben mit feinem numismatiſchen Bunde befchenft wurde. 
Herr Autenrieth fchiekte die Münzen durch Dr. Halftent nach New-Nork an 
Dr. Sermann ©. Ludewig, einen Gelehrten, ven feine ausgedehnte Praxis als 
Rechtsanwalt und feine Stellung ald Serretair der deutfchen Gefellichaft, wel⸗ 
eher er uneigennützig große Dienfte Teiftete, nicht verhindert, mit großem Gifer 
treffliche Bücher über amerifanifche Bibliographie zu verfaffen und den Fort⸗ 
ſchritten der geographifchen Willenfchaft, namentlih in Bezug auf die weſt⸗ 
liche Erphälfte, aufmerkfam zu folgen. Herr Lubewig fchreibt mir unterm 





Dr. Halftebt und die Landenge von Darien. 229 


12. Zuli aus News Mor Folgendes: „Die Münzen mag ein Spanier nach 
Banama gebracht haben, denn es ift eine fpanifche mittelalterliche Münze va» 
ki; die meiften find Fupferne und aus den Zeiten ver römifchen und griechi» 
fhen Raifer. Sch werde fle entweder in unferer Hiftorifchen Gefelfchaft oder 
im Smithfon » Infiitute zu Wafhington deponiren. Sehe intereffant war mir 
tie Bekanntſchaft Halftedt’&, ver mir diefen Fund überbrachte. Er ift ſchon 
als ganz junger Mann in den Belfengebirgen gewefen, trat zu Anfang des 
mericanifchen Krieges als Militairarzt ein, avancirte, ging fpäter mit Oberft 
Hughes nach dem Iſthmus, war mit diefem Soldaten auf dem Zuge nach 
ter Mantingabat (etwa 95 ' n. Br. und 782° w. L.), wurde fpäter Vor⸗ 
fand des Krankenhaufes zu Panama und Hat ven Iſthmus gefehen, fo weit 
derſelbe purchziehbar if. Er war auch in der Provinz Choco und hat den 
Rio Atrato und den Napipi miterforfcht. Seiner Meinung nach ift das be» 
kannte Gulfen’fche Project, einen Kanal durch Darien zu graben, weiter nichts 
als ein HSumbug. Er kennt Eullen gut und glaubt gar nicht, daß dieſer den 
Iſthmus von Darien überfihritten habe; noch fei Fein Weißer im Stande ge: 
weien, dies zu thun. Dem ſtillen Weltmeer entlang ift auch Halſtedt am Iſth⸗ 
mus geweſen, und am atlantifchen Ocean ift er bis Punta Escoſez an der 
Caledoniabai gefommen, d. b. zu Schiff. Dort hat er dem Sohn eines Haͤupt⸗ 
linge, ver ſich Durch Manſchenillebohnen vergiftet Hatte, das Leben gerettet, 
und der dankbare Vater bot dem Weißen Alles an, was er beſaß. Halſtedt 
verlangte weiter. nichts, als über den Iſthmus geleitet zu werben; das aber 
wollte oder konnte der Häuptling nicht; dort, fagte er, wohnen andere Stämme, 
auf welche er keinen Einfluß Habe, und die ihn toͤdten mürben. Halſtedt's Be⸗ 
Bauptung zufolge find die Berge in jener Gegend höher, als zwifchen Aspin⸗ 
wall und Panama, und dad Kanalproject halt er für unausführbar. Inter- 
effant war mir auch, was er über Veragua erzählte. Gin Bewohner vie 
ſes Landes von der Chiriquilagune, der nad) Panama gekommen war, hatte 
ihm gefagt, er habe im Walde behauene, bilpfäulenartige Steine gefunden. 
Der Beichreibung zufolge, meint Halftent, müflen fle Achnlichkeit mit denen 
in Copan und auf ver Zapatero⸗Inſel in Nicaragua haben, welche Sie aus 
Squierd Buche Fennen. Der Mann von der Chiriquilagune hatte dem Dr. 
Halſtedt verfprochen, ihm eins dieſer Bildwerke nach Panama zu bringen, 
wohin H. am 5. d. M. fich wieder eingefchifft hat. Ich werne Ihnen Nähe: 
res tarüber mittheilen. ” 

Sp meit Herr Ludewig. Ich will hier noch bemerken, daß Anfang Juli 
der durch feine trefflichen Kosmoramen bekannte Maler Sattler aus Ame— 
rifa zurüdgefehrt ift; er wird in Salzburg feine Sfizgen ausarbeiten, und 
wir dürfen hoffen, getreue farbige Darftelungen aller Bauwerke in Mexico 
und Ducatan zu erhalten. Herr Sattler hat inäbefondere den Trümmern von 
Urmal große Sorgfalt zugewandt. Sie fein, fagte er mir, ungemein im» 
ponirend; auf einen wit den Denktmälern ver alten Welt, namentlich mit den 


230 Gumpredt: 


äghptifchen Bauwerken Vertrauten, mache es einen eigenthümlichen Eindruck, 
dag den altamerifanifchen Monumenten vie Säule völlig mangele. 


® 





Goldlager in Peru. Große Aufregung fand neuerlichft zu Callao 
und Lima wegen der Entdeckung einiger Golvablagerungen an einem klei⸗ 
nen Hafen noͤrdlich von Callao flat. Sofort gingen einige Dampfichiffe 
mit Paffagieren dahin ab, um vie Entdeckung genauer zu unterfuchen. Große 
Maflen von Duarz waren dafelbft gefunden worven, die aber wenig Gold 
enthielten, und man fagt, daß fich diefe Ablagerungen nur mit Mafchinen wür⸗ 
den bauen laſſen. Times. 


Schnee und neue Schneeberge im tropiſchen Afrika. 


Daß es im tropiſchen Afrika Schnee und beſonders mit Schnee und Eis 
bedeckte Gebirge giebt, wußte man bekanntlich bereits im Alterthum, wie die 
merkwürdige und oft wiederholte Stelle bei Ptolemäus lib. IV cap. 9 von 
dem mit Schnee bedeckten Monpgebirge an ven Quellen des Nils (ro dvouar 
dujnet To vis Selnens Öpos, dp od vnodsyorsaı zus yiovas ai zoD 
Neilov Also) und eine andere eben fo claſſiſche, ſpeciell aber auf vie ho⸗ 
hen Berge des nörblichen Abeffiniend in ber Landſchaft Samen bezügliche der 
abulitanifchen Infchrift (... xai Zepivar E0 vos nigar zov Neilov Ev dug- 
Pros x xı0dsocır 0pE019 olxoüvzag, ir oic dia narcög yıparos 
Xu xoUN Xu Yıövag Badsraroı, VG exp Yorazay xuradvrsır 
ardon bei Coſmas Indicopleustes in Montfaucon Collectio nova Patrum 
et script. Graec. II, 142, was noch einmal der mit Abefjinien aus eigener 
Anfchauung bekannte Coſinas S. 144 mit ven Worten wiederholt: al xai 
Zeujvar, 0a Asyeras rag yıövag xai za xpvn yivecdaı) darthun. Bei 
den arabifchen Schriftftellern des Alterthums findet ſich nur wenig Beftäti- 
gendes in dieſer Hinficht, da die Araber damals fo wenig, wie heute, tiefer 
in die Aquatorialen Gebirgäländer des Inneren eingevrungen waren. Doch 
giebt cd eine merkwürdige Stelle in Abulfeda's Geographie, die um fo mehr 
Intereſſe bat, als fle nicht au dem den Drientalen fonft fo wohl befannten 
Ptolemäus entlehnt zu fein fcheint, fonvern cher aus ven Erfunbigungen ber 
fhon im 10. und 11. Jahrhundert unferer Zeitrechnung in ben Handels⸗ 
plägen an der Küfte Oft» Afrika’8 zahlreich angeflevelten arabifchen Geſchäfts⸗ 
leuten hervorgegangen fein dürfte. Indem nämlich Abulfeva von dem nach 
ihm in 41° |. Br. gelegenen Berg el Eomr, wo ſich die Quellen des aͤgyp⸗ 
tifchen Nil befanden (lieb. von Reinaud II, 1, 52), fpricht, fügt er Hinzu, 
daß ein arabifcher Schriftfteller, Ibn Motharraf in feinem Werf Altartyb ven 
Namen des Berges von dem Wort Camara ableite, was das Geſicht blen— 
den (eblouir la vue) bedeute, ferner daß cin anderer arabifcher Autor, Nas 


Schnee und neue Schneeberge im tropifchen Afrifa. 231 


ſtreddin von Thous, in feiner Schrift Tadzkiroͤ angebe, daß vie Farbe dieſes 
Berges nach dem Zeugniß von Mehreren, welche venfelben von Weitem uns 
terfucht Hätten, weiß fei, indem fle von dem ven Gipfel des Berges bedecken⸗ 
den Schnee herflamme *). Diele Anficht, jagt jedoch hierbei ausprüdlich Abul⸗ 
feda, jcheint mir unmoͤglich. Denn in ver That unter einer Breite von 11° 
muß die Wärme außerordentlich fein, wenn man nad) der nörblichen Breite 
von 11°, welche auch die von Aden in Demen ift, fchließen darf. Niemals 
Bat man aber von einem Schneefall unter einer Breite, wie die von Aden, gehört. 
Denn es ift mit ber füblichen Breite, wie mit der nörblichen; fie muß fehr 
heiß fein, da bier fogar die Sonne in ihren Perigaͤum ſteht. Es ift aber 
wirklich bei dieſer Stelle höchft auffallend, daß ver forifche Fürft, welchem der 
Schnee des Libanon doch fo nahe lag, nicht den Schnee der tropifchen Re⸗ 
gionen durch die Möglichkeit der Eriftenz noch Höherer vortiger Berge, als 
die in feiner Heimath, zu deuten verfuchte. Seit dem Mittelalter war nun 
Sahrhunderte hindurch nicht mehr von dem Schnee und Eis des tropifchen 
Afrifa die Rede. Zuerſt follen wieder nach der Verficherung des befannten 
afrifanifchen Reiſenden Salt die älteren Berichte der portugiefifchen Jeſuiten⸗ 
mifjionare von dem Schnee Abeſſiniens reden (A voyage to Abessinia 351 ), 
boch ift allerdings deſſen Erfcheinung in dem größten Theil des Landes fo 
felten, daß die meiften Bewohner Abeſſiniens ihn gar nicht fennen, und daß 
durch feine Seltenheit fogar neuere europäifche Reiſende zu ver Angabe ver- 
leitet wurden, daß die abeffinifche Sprache fein Wort dafür befike. So er⸗ 
Elärt es fich, daß Hiob Ludolf auf die Ausfage feines Gewaͤhrsmannes, des 
Abts Gregorius, der aus ver relativ tief gelegenen und warmen Lanbfchaft 
Ambära flammte, die Behauptung aufftellte, daß es in Abeffinien fehr wenig ober 
gar keinen Schnee gebe (Historia Aethiopiae I, c. 5), und daß auch Bruce, 
aber irrig, wie eine gleich anzuführende Stelle feines eigenen Werkes zeigt, 
verficherte, e8 fei nie in Amhãra Schnee gejehen worden (Travels to dis- 
cover the sources of the Nile. Ausg. von 1790. IH, 583), und man 
babe hier fogar daſelbſt Fein Wort dafür. Hiob Ludolf führt nämlich felbft 
das freilich, wie ich glaube, fonft nirgenns vorkommende Wort Hamera ald 
die altsabefjinifche Bezeichnung für Schnee auf die Autorität des Gregorius an 
(Comm. ad Hist. Aethiop. 100; Lex. Aeth.29), und ebenfo berichtet Bruce, daß 
bie abeſſiniſchen Ehronifen von einem eigenthümlichen weißen Regen bei dem 
in Ambara in der Nähe des Dembeafeld gelegenen Dorf Zinzenam reven, 
wobei die ganze Umgebung des Dorfes einige Tage lang mit einer weißen 
Subflanz bedeckt gewefen fei, die zulegt wie Thau wegging (Ebenbort II, 
296). Nach viefem Regen habe auch das Dorf feinen Namen erhalten **). 


*) Der arabifche Name erinnert auffallend an Ariftoteles Angabe des Vorkom⸗ 
mens eines Silberberges an den Nilquellen (Meteor. Ed. Ideler I, 51). 

**) Zename heißt in ver Ambärafprache nach dem von dem franzöflichen Mari: 
neofficier Lefebre in Abeffinien gefammelten Amhara : Borabular überhaupt Regen 
(Voyage en Abyssinie III, 341 ). 


232 Bumpredt: 


In Bolge dieſer Seltenheit des Schnees in manchen Gegenden Abeſſiniens 
und felbft auf den höheren Punkten des Landes, 3.8. auf der Tafelfläche 
bed Lanalmongebirged und dem hohen, unter dem Namen bes. Taranta bes 
fannten Oftrande des abeffinifchen Plateaus, welche, wie Bruce erzählt, fich 
nie nit Schnee bedecken, wurde enblich viefer Reiſende ohne Zweifel noch 
beftimmt, eine Ihm zugelommene Nachricht, daß die Berge ver zu ven alt» 
abefftnifchen Reiche einft gehörig gewefenen großen Lanpfchaft Käfı Schnee 
trügen, zu bezweifeln, denn, fett er fonverbarer Weife Hinzu (HI, 312): „S 

etwas Pönne wohl nicht von einer Subftanz von fo lofer Tertur, 
wie der Schnee ift, angenommen werden, und ed möge hier wohl 
eine Bermechfelung mit Hagel flattfinden.“ Bezüglich dieſer letzten 
Angabe dürfte Bruce's Zweifel einigen Grund haben, da nach. ven Ermities 
lungen des befannten neueren abeſſiniſchen Meifenten Abbadie die Berge Kä- 
fa’8 wenigftend nicht mit ewigem Schnee bedeckt find (Bulletin de la soc. 
de Geogr. de Fr. 2=* Ser. XVII, 356). Viel beftimmter wurde aber 
die Sriftenz des Schnees diefer Gegenden befannt, als man die nörblichen Theile 
des Landes und befonders der Landſchaft Samen, wo ſich tie höchften be- 
kannten Berge Abeifiniens befinden, genauer erforfchte. Schon im Laufe des 
17. Jahrhunderts erfuhr der berühmte franzöfiiche Reiſende Thevenot von 
einem abeifinifchen Geſandten, mit dem er in Indien zufammentraf, daß die 
Berge Samen’d das ganze Jahr den Schnee erhalten (Dans les dites mon- 
tagnes d.h. von Samen il y a toujours beaucoup de neige. Relation 
fait d’un voyage au Levant. Paris 1655, 481), und befonvers in den leß- 
ten 20 Jahren wurde dieſe alte Nachricht, wie fo trefflid mit der abulituni- 
ſchen Inſchrift übereinflimmt, Bruce jedoch vöollig unbefannt geblieben zu ſein 
jcheint, auf das PBeitimmtefte durch Pie emrepätfihen Forſcher begründet. So 
enrähnte zuerft Salt, daß er ſelbſt am 8. umd 9. April 1810 ven Amba Hai 
und den Béyeda, die beiten nach feiner Anficht höchften Berge Samcen's mit 
Schnee bedeckt geſehen. indeſſen irrte er he feiner Leidenſchaftlichkeit gegen 
Bruce bei tem dieſem gemachten Vorwurf (Voy. 350), taß derſelbe ven Schuee 
Abeſſiniens gänzlich geläugnet habe, weil er nur den verhältnißmäßig mierri- 
gen und fihreefreien Lamalmen und nicht auch die Berge Samctu's kermen ge⸗ 
lernt habe, va Bruce, reie tie gename Anſicht ter prägnameſten Stelle m 
deſſen Wert (III, 585) temtlich zeigt, wirflich nur von wer Schreelofigkeit 
Aurbäras, nicht aber rom ter des ganzen abeſſiniſchen Lanze) poſttis Spricht. 
Sult fügt ferner gegen Bruce hinzu. daß die Abchjinier auch ein cigenes Wert 
für Schwer, nümlich das Wert Berrit*), beſaßen, former daß ter bekaunte 
Reifente Rathanael Bearce im Octeber gleichfalls hehen Schwer auf den Ber» 
gen Samens und im dem dortigen Thalſchluchten Ablagerungen ron Schme 


*) Dead (uidt Berrit) iR mach Leſebvres Vecabuhar cin Amharaweort uud be 
dentet Raget (Ca a. O IN, 337), fe up die amhariſchen Abdeſſinier fein Wort für 
Gguce zu Degen hbeinen Dad Rerztalır Int wullid füns für Schuce 





Schnee und neue Schneeberge im tropifchen Afrika. 233 


md Eid wahrgenommen (Voy. 328), envlich nach ver Behauptung des Kürften 
von Tigre, daß bei der Eroberung des hohen Gideonberges (Amba Gideon) 
in Samen -auf den Gipfeln eine Art Glas (EIS natürlich) gefunden worven 
fi. Daß ed Bruce nicht in den Sinn fommen fonnte (III, 663), die Exis 
fienz des Schneed in Abeffinien ganz Hinmegzuläugnen, laßt ſich mit Grund 
auch and deſſen Mittheilmmg abnehmen, daß die alte, mit der Tigrefprache 
am meiften verwandte Gheezſprache, welche nach Abbadie's Erkundigungen fich 
ſogar noch jegt in einem Winkel Oſt-Abeſſiniens im Gebrauch erhalten Hat, 
ein eigened Wort für Schnee befitt, nämlich das Wort Tilze (II, 583), 
welches merkwürdig mit dem arabifchen Wort Teldſch, d.h. Schnee, über- 
einftimmt und unzweifelhaft auch einft damit iventifch war. Don den neues 
ren Reifenden in Abeffinien ſoll zuerft wieder der Mifflonar, jet Bifchof 
Gobat, den Schnee Tigre'3 gefehen haben, aber vie genaueften Unterfuchun⸗ 
gen verdanken wir hierüber Rüppell (Meife in Abyifinien I, 400— 414) und den 
frangöfifchen Generalftabs» Dfflcieren Weret und Galinier (Voyage en Abys- 
sinie II, 207), nach welchen die höchften Berge Samen's und Abefjiniens, 
der Buahat, Abba Jaret und Dedſchem (Dedjem) mit Schnee und Eid bedeckt 
find, und der Schnee am Abba Jaret fich fogar big 1500 F. unter deſſen Gipfel 
berabzichen fol. "Die beiden letztgenannten Forſcher wiverlegen fogar die Behaup⸗ 
tung von der Schneelofigkeit Abeffiniens in den beftimmteften Ausprüden, in⸗ 
dem fie fperiell von dem Schnee des Detfchem ausfprechen: Nous l’avons 
vue, nous l’avons touchee, und fügen Hinzu, daß, wenn vie Berge Samen’s 
auch nicht in die ewige Schneeregion Hineinreichen, fle doch bei den eigenthüms 
lichen atmofphärifchen Verhaͤltniſſen Abeſſiniens den Schnee das ganze Jahr 
bindurch behalten (les montagnes de Samen gardent de la neige toute 
Vannde a. a. OD. IH, 208, 210). Dagegen ift es merfwürbig genug, daß 
eine andere Landſchaft Abeſſiniens, nämlich Laſta, ungeachtet ihres bedeuten⸗ 
ten, ven höheren Theilen Samen’3 nicht viel in der Erhebung über dem Mee⸗ 
teöfpiegel nachflehennen Niveaus gar feinen Schnee zu tragen feheint, wie 
fhon Bruce beftimmt bemerkte (II, 296). Denn obwohl Lefebre in Lafta 
Eisrinden von einigen Zollen Stärke fah (III, 46), fo findet fich weber bei ihm, 
noch bei einem anderen der zahlreichen Reiſenden, welche Abeffinien in neuerer 
Zeit durchfuchten (Murchifon zählte allein 42 auf, J. of the geogr. Soc. of L 
1844, CXVD, vie mindefte Erwähnung von einer Schneebedeckung Laſta's, nur 
dAbbadie Härte von kurz dauerndem Schnee auf dem Wara Zahayberge 
Laſta's (Bulletin de la soc. de Geographie. 4“ Ser. I, 247). Uns 
zweifelhaft ift hieran die tafelförmige Befchaffenheit der Oberfläche ber 
Landſchaft Schuld; welche die Luft für vie Schneebildung zu troden erhält. 
— So wie bei Abeffinien, fehlt e8 auch von anderen Theilen des tro⸗ 
pifchen Afrika nicht an Berichten‘ über die Exiſtenz des Schneed. Iſt auch 
die Erzählung eincd Sclaven aus Dar Für, daß ed in feinem Vaterlande jedes 
Jahr ſchneie, der Schnee indeſſen nicht lange liegen bleibe (Seetzen in von 


234 - Bumpredt: 


Zach's monatlichen Correſpondenzen 1810, XIX, 431) wenig wahrfcheinlich, 
fo giebt es doch andere ähnliche Berichte von daher, vie mehr innere Wahr- 
fcheinlichkeit Haben. So theilt der vänifche Geiflliche Monrad von der Weſt⸗ 
feite de8 Eontinentd mit, daß ver faft unter dem Aequator bis 10000 Fuß 
hoch auffleigenve Gipfel des Eamerongebirges mit Schnee bedeckt fei (Bidrag 
til en Skildering of Guinea Kysten og dens Indbyggere. Kiöbnhavn. 
1822. 331), und da ed nun im höchften Grabe für wahrfcheinlich gelten Tan, 
daß der Cameron nur der äuferfte weſtlichſte Ausläufer eined hohen Gebirgs⸗ 
zuges im Inneren ift, fo dürfen die Berichte eines Einheimifchen, des Thomas 
MWogga, welcher im Binnenlanve nörblich vom Aequator viel Berge und zum 
Theil von folcher Höhe gefehen Hatte, daß fle ganz weiß von Schnee und 
Sagel waren (Journal of the geogr. soc. of London XV, 375) gar nicht 
auffallen. Ebenfo wenig unmahrfcheinlich find unter viefen Umſtaͤnden bie 
Nachrichten, welche ver befannte franzöfifche Reiſende Mollien von ven Ein» 
geborenen des weftlichen Afrika erhielt, nach venen es im Inneren eine mit 
einem weißen Hut beflänvig bevedite Gebirgskette, d. h. aljo Berge, die in Die 
ervige Schneeregion reichen, gebe (Voyage dans l’interieur de l’Afrique IL 
137), befonvers da neuerlichft auch die proteftantifchen Miſſionare zu Sierrakeone 
und in vefien Umgebung (Karte zu Walker Missions in Western Africa 
among the Soosoos; Bullam etc. Dublin 1845) ganz damit übereinſtim⸗ 
mende Angaben veröffentlicht haben. Bei folchen nun aus ven verfchienenften 
Zeiten und den verfchienenften Gegenden des tropifchen Afrifa ſtammenden 
Notizen, wozu vielleicht noch von Müller’3 Nachricht über weiße Berge 
am oberen Bahr el Abiad gehört *), durfte vie zuerft im Jahre 1850 befannt 
geworbene Mittheilung des Miſſionar Rebmann (Missionary Intelligencer 
I, 17, 18, 22) über einen 2 Jahre vorher von ihm im Innern der Oſtſeite 
des Gontinents und in der Breite von Mombas erforfchten hohen, mit ewi⸗ 
gem Schnee bedeckten Berge nicht in Verwunderung ſetzen, und wirklich fand dies 
felbe in ver wifjenfchaftlichen Welt, mit wenigen Ausnahmen, fehr günftige 
Aufnahme. Beſonders lebendig erklärte fich in England Beke dafür (Athe- 
naeum 1849, 357— 358, 488), da die neue Entdeckung mit feinen Vorſtel⸗ 
lungen über die Lage der Nilquellen und mit den alten PBtolemäifchen An- 
gaben jehr wohl übereinflimmte **), währenn andererfeits D. Cooley fie mit 
nicht geringerer Lebhaftigkeit beftritt (Athenaeum 1849, 516—517), va 
biefen ganz verfchiedene Anfichten über vie Localität ver Nilquellen leiteten. 
Rebmann's Bericht folgten fehr bald zwei anvere beflätigende als Nefultate 
zweier neuen Erpebitionen in diefelben Gegenden, worin Nebmann namentlich 


*) Atbenium 1829, 142 und Sipungeberichte der Kaiferlihen Akademie ver 
Sergei. Sin. EL. 1849, 327. ©. jedoch hierüber Monatsber. der Berl. geogr. 
ſ. 1850. N.F. VI 


“=) Befe fagt deshaib fogar mit Beſtimmtheit: This information sets at rest 
the question of the existence of snowy mountains almost under the Line in Eastern 
Aſrica. 


Schnee und neue Schneeberge im tropifchen Afrika. 235 


einen wichtigen Irrthum feines erflen Berichtes in ver Angabe, daß die dor⸗ 
tigen Eingeborenen Fein Wort für Schnee befäßen (Miff. Int. I, 17) wibers 
ruft, da e8 ihm gelungen war, bie einheimifche Bezeichnung dieſer Subſtanz 
in dom Wort Kibo aufzufinden (Miff. Int. I, 151, 273— 274). Rebmann's 
beide Mittheilungen entbehrten aber leider in fehr beflagenswerther Weile ver 
wifienfchaftlihen Schärfe in der Auffaffung ver beobachteten Exrfcheinung, 
weshalb fie nicht ohne Grund zu vielen gegründeten Ausftelungen Beranlafs 
fung gaben (Ebendort I, 272), doch wurden fie fpäter durch Rebmann's 
Genoſſen, Krapf, bei deſſen wiederholten Reifen in pas Innere beflätigt. Tie 
früßeften Berichte Rebmann's über dieſe Erfcheinungen finden fich in ven Mo⸗ 
nat&berichten der Berl. geogr. Geſellſch. 1850. N.F. VI, 285—297 nebft 
den Mittheilungen Beke's und Cooley's von mir gefammelt und erläutert. 
Krapf gelang es fogar, zu dem erften Schneeberge, dem Kilimandfchäro, vie 
Kenntniß eines zweiten, des Kenia (Ebenvort I, 470; III, 77), und enplich 
fogar noch vie eines dritten, des Nourfenia over Kirenia, des Weißberges 
(Montblanc; ebenvort TU, 17, 80, 232, 233 hinzuzufuügen. Aber auch viefe 
Berichte fanden, gleich denen Rebmann's, Fein Vertrauen bei Cooley, welcher 
fie vielmehr in feinem für vie Geographie des inneren Afrika ungemein ſchaͤtz⸗ 
baren Werke: Inner Africa laid open. London 1852, 5, 93, 117, 118, 
125, mit der Fritifchften Schärfe angriff, indem er fich beſonders darauf ftüßte, 
daß, obwohl ter Kilimandfcharo den Suahelihänblern von Montbas fehr wohl 
befannt fei, Niemand unter dieſen etwas von der Schneedecke des Ber⸗ 
ges erfahren Habe, und daß fogar Rebmann's Begleiter und ebenfo zwei 
mit dem Innern dieſer Gegenden fehr wohl vertraute und gebildete Araber 
nichts von allen viefen Schneevorfommniffen wüßten, ungeachtet einer ver 
beiven letzten verficherte, daß vergleichen Erfcheinungen in Oft» Afrifa gar 
nichts Ungewöhnliches feien, und verfelbe vie phHfifche Geographie fogar mit 
einem bis dahin gang unbekannten Bactum, den nämlich, daß auf ver in etwa 
12° f. Br. im indifchen Ocean gelegenen Groß⸗Comoroinſel (Gumprecht 
Afrifa 350) jährlich Schnee falle, bereicherte. Unter diefen Umſtaͤnden iſt eine 
neuerlichft durch U. Petermann im Londoner Athenäum vom 27. Auguft dv. 93. 
veröffentlichte Mittheilung über die einem englifchen Seeofficier, dem Capitain 
Short, geglüdte Auffinvung von Bergen mit weißen Gipfeln, welche dieſer 
bei einer Fahrt auf dem faft unter dem Aequator in ven oflinvifchen Ocean 
mündenben großen Strom, ven Dſchub (Jub), und zwar im Süden deſſelben, 
entdeckt haben will, und für ſchneebedeckte zu Halten geneigt ift, von hohem 
Intereffe. Wäre die Iehte Bermuthung richtig, fo Fünnte man allerdings Leicht 
bei der nur etwa 34 Grad betragenden Entfernung des Kilmandſchäro und 
der noch geringeren ded Kenia und Ndurkenia vom Aequator vermuthen, 
daß die drei Schneeberge mit den von Short gejehenen eine zuſammenhängende 
Kette bilden, wenn nicht gerade Krapf's Verficherung, ver Kilimanpfcharo und 
Nourfenia Händen in gar feiner Verbindung mit einander, und Achnliches fei 











236 Gumprecht: 


überhaupt bei den Bergen dieſes Theils von Afrika allgemein der Fall (Miss. 
Int. III, 234), der Annahme entſchieden entgegenträte. Petermann's Mitthei⸗ 
lung ift nun folgende: 

„ Die Mifflonare, diefe Pioniere geographifcher Entdeckungen *) begans 
nen ihre Meife im Jahre 1847, und obgleich Die Reſultate ihrer Unterfuchun- 
gen burch Feine in neuerer Zeit gemachten Entdeckungen an geographifchem In⸗ 
tereife und Wichtigfeit übertroffen wurben, fo muß man doch fehr bevauern, 
daß es bis jegt nicht gelungen ift, durch dieſelben wifjenfchaftliche Unterfucher 
‘ nad) diefen viel verfprechenden Gegenven zu ziehen. Gine hoͤchſt intereffante 
Mittheilung veranlapt mich indeſſen, vie Aufmerkfamkfeit des Publicums von 
Neuem auf viefen Gegenfland zu leiten. Gapitain 3. H. Short, ver eine 
Zeit lang verfchievene, dem Imaum von Muskat gehörige Schiffe befehligte, 
war fo freunvlih, mir Einiges über feine eigenen Erfahrumgen an ver oſt⸗ 
afrıfanifchen Küfte, vom Aeauator im Norven bis zur Delagooabai im Sü⸗ 
den, mit Einfchluß Zanzibars, Mozambique und den Küften von Sofala, 
mitzutheilen. Der Bericht enthält wichtige Auffchlüffe über die Hydrographie 
diefed ausgedehnten Landſtrichs, feine Bewohner, Naturerzeugnifie und fein 
Clima, fowie über die Verhältniffe des vortigen Handels. Vorlaͤufig will ich 
mir bier einige in unmittelbaren Zufammenhang mit unferem Gegenftand fte- 
benve Auszüge aus demſelben mittheilen. 

Genau über dem Aequator tritt der Juba oder Jub, ein bebeutenver 
Fluß, in den inbifchen Ocean. — „Die Einfahrt in dieſen Fluß,“ fagt Capit. 
Short, „ift von ver See aus offen und kann in der guten Jahreszeit mit 
Sicherheit gefchehen. Ich bin ven Fluß fehr weit binaufgefahren und Habe 
die Einwohner fehr ruhig und zum Kandel, befonvers in gebrudten Baum⸗ 
wollenzeugen, geneigt befunden. Das Land liegt nicht fehr Hoch und befigt 
gute Weiden. Aber ich bemerkte in einiger Entfernung im Innern hohe Berge 
mit weißen Gipfeln, die nörblich und fühlich von dem Zluffe lagen. Diefe Berge 
follen Bergwerke enthalten. Die Eingebornen fagten mir, daß der Fluß fich 
weit in das Land erftrede, und daß Arme deſſelben fich in verfchiendenen Rich“ 
tungen im Lande verzweigten. Ich fuhr ihn in einem Fleinen Schoner Hinauf, 
und fand eine hinreichende Tiefe veffelben, obwohl mein Fahrzeug zumeilen 
auf Ben Grund aufſtieß, doch ohne daß fich daſſelbe beſchädigte. Die Tiefe 
des" Stromed reiht für Fleine Kahrzeuge bin. In einiger Entfernung von 
der Mündung fah ich ein Riff im Fluß, das aus hartem, rotheifenfteinähnli- 
chen Geftein beftand; doch Liege ſich wohl eine Durchfahrt fingen. Meine 
Bemannung beſtand aus Gingeborenen ver Küfte von Zanzibar, welche vie 
Anftrengungen fehr wohl ertrugen. * — Gapit. Short beflimmt vie Enifer⸗ 
nung, die er von der Mündung des Fluſſes in der Richtung von WNW. 





*) The indefatigable pioneers of discoveries and civilization. Thompson Tra- 
vels and adventures in Southeru Africa. London 1822, Il, 94. ®. 








Schnee und neue Schneeberge im tropifchen Afrika. 237 


ERW. befahren, zu ungefähr 210 engl. Meilen. Don dem äuferften durch 
im erreichten Punct erfchienen ihm nun mit weißen Spigen beiseite Berge 
gem Süden mit etwas Abweichung nah Weſten in etwa 60 Meilen 
Entfernung. Short Iegte die Reife im November: des Jahres 1849 zurüd, 
und er fügt feinem Bericht Hinzu: Ich glaubte eine Skizze viefer weißgegip- 
feltlen Berge Eönne von Nutzen fein, im Kalle Jemand dieſe Gegenden zu be 
ſuchen beabfichtige. Ich Hatte nie daran gedacht, Schnee in viefen Gegenden 
zu finden; vie Berge hatten aber wirklich weiße Gipfel und waren fehr hoch.“ 


Süd . Nord 
„[_ Weisse r. Gipfel_ab4. Linie > > Weiss N, 
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— —— —— — — — — —— — 











Skizze der von Capit. Short gesehenen Berge. 


Vorſtehende interefiante Skizze iſt nun eine treue Copie verjenigen, welche 

ich von Cavit. Short erhielt, und file erhöht außerorventlich dad Intereſſe in 
Detreff der „weißgegipfelten Berge”, indem man in ver That nicht zweifeln 
fann, daß das, was das Auge des geübten britifchen Seemanns fah, wirklich 
„ſehr Hohe Berge mit weißen Gipfeln,“ waren. Die Skizze zeigt nun fer⸗ 
ner, daß dieſe Berge eine zufammenhängenve Reihe bilden, und daß vie Linie 
der weißen Gipfel in verfelben Höhe verharrt, fo daß es hoͤchſt wahrfchein- 
Ih ift, daß dieſe Linie eben vie Schneegrenze bezeichnet. Es ift zugleich 
ſehr natürlich, dag Capit. Short, dem die Entdeckung der Mifflonare ganz 
unbefannt war, und ber wahrfcheinlich niemals Schneeberge in den Tropen 
gefehen Hat, hier nicht an Schnee dachte, fondern ſich nur über die „weißen 
Gipfel wunderte” — und daß er die Thatfache fo, wie fie ihm erfchien, 
darſtellte. 
Ob aber dieſe Berge beſtaͤndig oder mur periodiſch mit Schnee bedeckt 
find, ift noch fehr ungewiß. Da nämlich Short ven Fluß in einem ver Wins 
termonate binauffuhr, fo ift es nicht unmöglich, daß die Berge nur in biefer 
Jahredzeit und nicht im ganzen Jahre mit Schnee bebedt find. Bon ben durch 
die Miffionare gefehenen Bergen fcheint mir wenigftend ganz ficher zu fein, 
daß der Kilimandſchãro eine fortwährenne Schneebede trägt. 

Obgleich vie Eriftenz des Schnees in den tropifchen Gegenden von Oft« 
Afrika an ſich ſchon von großer Wichtigkeit für die Erdkunde ift, jo würbe biefe 
Gegend ſelbſt ohne Schnee ein hohes geographifches und commercielles Ins 
tereffe darbieten. Ich erlaube mir deshalb folgende Bemerkungen bier anzu⸗ 
ſchließen. Bon dem weiten unbekannten Inneren Afrika's ift deſſen ummittel- 





238 Bumpredt: 


bar weftlich von den Schneebergen gelegener Theil wahrfcheinlich der intereſ⸗ 
fantefte, da er die Duellen des Nild und anderer großer Flüffe, die berühm⸗ 
ten Mondberge und aljo ven Kern verjenigen gengraphifchen Phänomene ent- 
hält, welche ſchon feit Erbauung der Pyramiden bis zu unferer Zeit ragen 
von hoͤchſter Wichtigkeit waren, vie bis jetzt noch fo wenig beantwortet fin, 
als zur Zeit ver Ptolemäer. Reiſende, welche es verfuchten, von Abeffinien 
oder Nubien den Nil aufwärts, oder vom Tfapfee oder endlich von ver weft- 
lichen Küfte in dad Innere einzubringen, fanven unüberfleigliche Ginverniffe. 
Entweder mar e8 die große Entfernung, over die Natur des Klima’d, ober 
der Character der Eingeborenen, welche viefe Hinderniſſe veranlaßten. Selbſt 
der furchtlofe und glückliche Neifenvde, Dr. Barth, fand feine Mittel, eine 
Meife nach jenen Gegenden zu unternehmen, unzulänglich; für ihn lag bie 
Hauptfchwierigkeit und faft die einzige weiter über vie Grenzen ver muhame⸗ 
danifchen Länder hinaus in die der Heiden einzubringen, darin, daß die letz⸗ 
ten alle vie, welche aus ven benachbarten muhamedaniſchen Staaten fommen, als 
ihre bitterften Feinde anfehen. Ein Verſuch, tiefer in das Innere einzubringen, 
hätte natürlich eine größere Begleitung erforvert, als ihm zu Gebot ſtand. 
Die Küfte von Zanzibar bietet in der That die vortheilhafteften und be⸗ 
quemften Punkte zur Erreichung dieſes interefianten Lanpftrichd. ine Meife 
nach dem Berge Kilimanpicharo würde fihon ver höchften Ehrfucht eines je⸗ 
den Forfchers genügen. Gine folche läßt fich aber kaum anders, als eine Ver⸗ 
gnügungsreife anfehen, und man überfchreitet dabei nicht vie Mittel von Pri⸗ 
Yatperfonen. Sie läßt fich in zwei Theile theilen, den erften, der von South⸗ 
Hampton über Aden bis Mombas reicht, und den zweiten, der die Reiſe von 
Mombad nad) dem Kilimanpfchäro begreift. Don Mombas bis zu dem leht⸗ 
genannten Berge ift aber vie Entfernung nicht größer, ald von London nad) 
den Gehirgen von Wale. Nah Mombas kann man in furzer Zeit und 
mit nicht zu großen Koften gelangen, und von Mombas ift wieder ver Kilis 
manbfchäro ohne befonvere Gefahr und Anflrengung in acht oder zehn Tagen 
erreichbar. Da die Miflionare viefen Weg zu verfchienenen Malen mit Feiner 
anderen Waffe, ald mit einem Megenfchirm verfehen, zurüdgelegt haben, fo 
vermöchte ein wifjenfchaftlicher, wohl au&gerüfteter Forſcher fehr Leicht, daſſelbe 
Wagniß zu unternehmen. Und wenn man bebenkt, wie Sir Roderich Murs 
hinfon erklärte, daß ver erfle Reiſende, welcher die wahre Lage dieſer aͤqua⸗ 
torialen Schneeberge ficher beftimmte, unter vie größten Wohlthäter viefes 
Zeitalterd in Bezug auf geographifche Wiffenfchaft gerechnet werben vürfte, fo 
muß man fich wirklich wundern, daß bi jeßt noch Niemand die Reife, und 
wäre e8 auch nur, um die fo bereitwillig und lockend gebotenen Lorbeern zu 
pflüden, unternommen bat. Der Character der Einwohner fcheint zugleich 
viel befier für Reiſende, als in anderen Theilen Afrika's zu fein, und nad 
der Erfahrung ver Mifflonare muß auch das Klima fehr günftig fen. Als 
ſich die deutſchen Reiſenden dem Kilimanpfchäro näherten, erinnerte fie vie 


Schnee und neue Schneeberge im tropifchen Afrika. ‚239 


Rirfende Luft an die Schweiz *); Krapf fagt, daß das Klima Ufambäras, 
aner Gebirgägegend von alpinifchem Character an ver Meeresküfte, wo eine neue 
Kifftonsflation in Anlage begriffen ift, eben fo gut, als das von Shoa 
iſt. In der That dürfte ver jeht beinahe fechöjährige Aufenthalt ver Miſ⸗ 
flonare in der Nähe von Mombas mit viel geringeren Schwierigkeiten ver⸗ 
nüpft geweſen fein, ald vie früheren Reiſen der Mifflonare in Abefiinien und 
Shoa, obgleich es faſt Feinen Theil des tropifchen Afrika giebt, welcher in 
Iehter Zeit mehr von Forſchern befucht worden ift, als Abeffinien. Das uns 
geheure, durch die deutſchen Mifflonare im Weiten von Mombas eröffnete 
Feld if in gleichem Maße werth ſowohl der Aufmerkfamkeit des wiſſenſchaft⸗ 
lichen, geographifchen Entdeckungen nachforfchennen Mannes, wie des gemöhn- 
lichen, neue Abenteuer fuchenden Touriſten, over auch des Jägers, welcher 
einer äbnlichen Jagd nachgeht, wie vie, welche Harris oder Gordon Cumming 
zu ihren viel ausgenehnteren Reifen in Suͤd⸗Afrika veranlaßte. Der Imäum von 
Muscat (Mafeate), unter deſſen Herrſchaft die Küfle von Zanzibar fteht, ift 
überdies befanntlicy Europäern, und beſonders Englänvern, fehr gewogen. 

In ver That, die Hier vorgefchlagene Reiſe wäre von hoͤchſtem Intereſſe 
und der größten Wichtigkeit, fei e8, wir bevienen und bier ver Worte Bes 
ke's, welcher fich ſelbſt in dieſer Sache fchon fo fehr bemüht Hat, um ein 
geographifches Problem zu Löfen, welches zu allen Zeiten der Aufmerkfamteit 
der Zürften und Philofophen werth gehalten wurde — oder auch um einen 
Teil von Afrika zu eröffnen, ver fich eines Klima’ und Characterd ganz 
entgegengefegt dem ungefunden an ver Weftküfte erfreut, und welcher von 
Millionen Menfchen bewohnt wird, die viel geeigneter erfcheinen, die Segnuns 
gen der chriſtlichen Givilifation zu empfangen, ald andere in ven meiften Ges 
genden des ausgedehnten Continents.“ 

So intereſſant aber auch vorſtehende Mittheilungen, vie wir Peftermann 
verdanken, find, fo bleibt e8 immer auffallend, daß zwei Berichterftatter über dieſe 
Gegenden, die britifchen Seeofficiere Chriftopher und Eruttenden, über folche 
ungeheure, nicht weit von der Küfte gelegenen Berge von den Eingeborenen gar 
nichts erfahren zu haben fcheinen, va ſich in ihren Wittheilungen wenigftens 
nichts darüber vorfindet. Dies ift um fo mehr auffallend, ald nadı ven 
bekannten hiefigen Terrainverhältnifien die Berge durch ihr fchroffes Anſtei⸗ 
gen ohne alle Vorberge aus ven unermeßlichen tiefen Ebenen den Landesbe⸗ 
wohnern von allen Seiten ungemein in die Augen fallen müflen, und alfo 
einer der bemerfenswertheften Gegenftänve des Landes wären, über welchen bie 
Gewährsmänner der genannten Offlciere ſchwerlich ganz gefchwiegen bätten, 
wäre derſelbe wirklich von ſolcher Bereutung, wie ihn Gapit. Short varftellt. 
Aber noch viel befremdender ift es, daß felbft der Bericht eines Europäer, 


©) 1] felt as if I walked in the Jura mountains in the canton of Basel, so 
cool was the air, so beautiful the country, fagt Rebmann von bem Berglande Taita 
(Miss. Int. I, 14). G. 





240 Neuefte Berichte über die Unterfuchungs-Expebition in Nord⸗Afrika. 


den wir bereits feit 8 Jahren über eine Befchiffung des Dſchub und einen 
längeren Aufenthalt des Verfaflerd unter ven Gala viefer Gegenden beiten 
(United Service Magazine 1835. I, 278— 283) *), nämlich der des Eng⸗ 
anders U. €. Arc Angelo, nichts Beſtaͤtigendes in ver Hinſicht mittheilt. 
Angelo's Bericht ift zwar fehr kurz, bei ver Aufmerkfamkeit aber, welche varin 
den Terrainverhältnifien gefchenft wird, und bei der fperielen Erwähnung 
von Bergen, welche dieſer Neifende in etwa 165 engl. Meilen Entfernung von 
der Mündung des Stroms nach Südweſten gefehen hat **) und die muthmaß- 
lich die Shortfchen find, laͤßt ſich mit Grund annehmen, daß wenn viefelben 
wirklich eine fo coloffale Höhe hätten, als ihnen nach Short's Angaben zu= 
fommen müßte, auch er fle einer ausführlicheren Darflelung gewürdigt haben 
würbe, da fle jedenfalls der merkwürdigſte Gegenfland feiner Reife gemefen 
wären. Unter folcden Umſtaͤnden ſcheint alfo ver angeregte Gegenſtand erft 
einer weiteren Betätigung zu bebürfen. Gumprecht. 


— ——— — — —— 


Neueſte Berichte über die Unterfuchungs- Erpedition in 
Nord- Afrika. 


Dr. Bogel’8 Brief an U. Petermann. . 


Tripolis, 14. Juni 18593. 

In wenig Tagen werde ich meine Meife nad) Mourzuk enplich antreten 
fönnen. Mein langer Aufenthalt bier war ganz unvermeidlich, — Sie has 
ben feinen Begriff davon, was alles dazu gehört, um eine Erpebition für eine 
Ijährige Ueberlandreiſe anzutreten, und wie dieſes Gefchäft erfchwert wird 
durch die Unzuverläffigfeit der Araber und durch die Schwierigkeit, die es 
macht, auch vie Fleinfte Kleinigkeit bier aufzutreiben. Faſt alles mußte von 
Malta verfchrieben werden. Jetzt ift aber alles foweit fertig, daß die Kara⸗ 
wane bereitd in Ainzara bivoualirt und in 3 Tagen abmarfchiren wird. Sie 
befteht aus 30 Kameelen, 15 davon babe ich gekauft, 15 gemiethet. Ich gebe 
zu Pferde, mein erfter arabifcher Diener auf einem Dromebar. Linter meinem 
Commando habe ich, außer ven beiden Sappeurs, 2 fchwarze Bediente, 1 Koch, 
12 Kameeltreiber und 2 Burfchen für „all work“. 

IH Habe Borräthe aller Art genug, um 3 biß 4 Jahre aushalten zu 
fönnen, und in fo langer Zeit, Hoffe ich doch, wird es möglich fein, bis an 


*) Da rc Angelo’s Bericht niemals in Deutfchland gebrucdt worden ift, fo fell 
es im naͤchſten Heft der Zeitichrift mitgeteilt werben. ®. 

“0) Der um die Kunde diefer Gegenden fehr verbiente Martnelientenaut Chris 
flopher erfuhr zwar durch die Gingeborenen von der Griftenz von Bergen im Sunern 
(Journal of the Geogr. Soc. of London XIV, 100), aber auch bei ihm findet fid) 
a. was zu. Gunften der Short’jchen Angabe von weißgegipfelten Bergen zu beus 
en wäre. 


Neuefte Berichte über die Unterſuchungs⸗Erpedition in Nord» Afrika. . 241 


den indifchen Dcean zu kommen. Die Gefchenke, die mir von England aus 
geſchickt worden, find prächtig *) und werben mir eine vortreffliche Aufnahme 
am Hofe von Bornu fichern. Der fchwarze Befandte **) und fein Diener 
find in meinem Gefolge. Der Diener iſt ein Sclave, geraubt aus den füh- 
ih vom Tſhadſee gelegenen Laͤndern, — ich werbe fehen, daß ich ihn in 
meine Dienfte nehmen kann; er Fönnte mir von großem Nuten ald Dolmet- 
fer u. f. w. fein. Wenn feine Landsleute alle find, wie er, fo babe ich von 
den „Wilden“ nichts zu befürchten; er ift ungemein gutmüthig und mir fehr 
ergeben, — eine Schnur blauer Glasperlen bat das Band unferer Freund⸗ 
ſchaft vorzüglich geknüpft. 

Wie ich fo eben höre, wird meine Karawane übermorgen unter dem Com⸗ 
mando von Friedrich Warrington (ver ven Capt. Smyth beftens zu 
grüßen bittet, er ift mit ihm bei feinen Ausgrabungen in Lebda gewefen) 
ohne mich abgehen müflen; ich Hatte nämlich geflern Abend, von Ainzara 
heimkehrend, das Unglüd, mit dem Pferve zu ftürzen und meinen linfen Fuß 
zu verleken, fo daß ich 3 over 4 Tage zu Bette werde Liegen müflen. Indeſ⸗ 
fen Hoffe ih am Mittwoch von Hier abgehen zu koͤnnen und meine Leute nach 
etwa 3 Parforges-Märfchen einzubolen. Jedenfalls wird man in Benoulid ***), 
wo Meifevorbereitungen einigen Aufenthalt nöthig machen, auf mich warten. 
Der Doctor verfichert mich fo eben, dag mein Unfall höchftens 1 over 2 Tage 
die Erpedition aufhalten werde. Friedr. Warrington geht ficher bis nach 
Mourzuf, hoffentlich bis Bilma mit mir. Er ift, wie weiland Napoleon, 
mit feiner einen Perſon ein ganzed Corps d’armee werth. 

Alles was ich von wifienfchaftlichen Beobachtungen Hier gemacht habe, 
babe ich Durch dad Foreign Office an Eol. Sabine abgefchidt, von dem 
Sie Sich meinen Bericht zeigen laſſen Eönnen. Ich bin mit der Außerften Gaſt⸗ 
freundfchaft und Freundlichkeit vom engl. Conſul Eol. Herman bier aufge 
nommen und die ganze Zeit meines Aufent“alts über im engl. Confulate ver⸗ 
pflegt worden. Er und der Vice⸗Conſul Reade haben alles gethan, was für 
die Erpedition zu thun war, und ich babe in ihnen nicht nur für meine Per- 
fon, ſondern auch für unfere gute Sache zwei warme Freunde gewonnen. 

(Bonplandia vom 1. Auguft.) 


Dr. Bogel’8 Schreiben an C. Ritter. 


Tripolis, 25. Juni 1853. 
Wenn Sie vielleicht, che viefe Zeilen Sie erreichen, gehört Haben fol» 
ten, ich fei in Bolgen eines Sturzes mit dem Pferde, trank in Tripolis zu⸗ 
rüdgeblieben, währenn meine Garavane unter dem Commando des Mr. Fried⸗ 


*) Siehe hier S. G. 
20) Der Bruder des Scheiks von Bornn. ®. 
“., Soll unzweifelhaft Denioled heißen. G. 
Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. J. 16 


242 Neuefte Berichte über die Unterfuchungd-Erpedition in Nord⸗Afrika. 


rich Warrington (Sohnes des ehemaligen Confuls Hier) bereit3 abgegangen, 
fo will ich Ihnen nur mittheilen, daß ich mich von ver Quetſchung meines 
linfen Fußes, die ich durch den erwähnten Unfall erlitten, bereits fo weit er= 
holt habe, daß ich am Montag Abend meinem Zuge nad) Benoulid nacheilen 
werde. Diefen Plag wird Herr Warrington erft morgen erreichen, und muß 
verfelbe, um Waſſer und andere Vorräthe einzunehmen, etwa 4 Tage daſelbft 
verweilen. Da ich nım die 120 Meilen bis dahin zu Pferde in 3 Tagen 
machen Fann, fo wird die ganze Sache die Erpebition hoͤchſtens 48 Stunven 
aufhalten. Die einzige Unannehmlichkeit ift Die große Schwäche, vie ich am 
Fuße fühle und wohl noch 3 oder 4 Monate lang fühlen werde. Sonft ift 
meine Geſundheit vorzüglich geweſen, und babe ich 103 bis 104° F. (31 bis 
32° Raum.) Wärme ohne viel Beſchwerde ausgehaltn. Dagegen ift einer 
von meinen beiden Leuten dermaßen erfranft, daß ich ihn nach England zu= 
rüdfenten muß. Ich babe bereit? um einen Erfagmann gefchrieben und hoffe 
mit demfelben in Mourzuf zufammenzutreffen. Dem biefign Gonful und 
Bireconful Col. Herman und Mr. Reade bin ich zum höchften Danfe vers 
pflichtet für die viele Mühe, die fie fih um die Ansrüftung meiner Grpevition 
gegeben haben. Ich bin durch die Sorge viefer beiden Herren mit allem was 
für eine drei⸗ oder vierjährige Landreife etwa nöthig, aufs Beſte und Glaͤn⸗ 
zendfte verfehen, und da auch die mir zu Gebote ſtehenden Gelomittel ſehr be- 
deutend find, fo Hoffe ich eine fchnelle, bequeme und glüdliche Reife zu ma⸗ 
hen. Hadgi Uctfen, der Bruder des Sultans von Bornu, wird von Mour⸗ 
zuf aus mit mir gehen; bis dahin begleitet mich Mr. Warrington, ver bei 
feinem langen Aufenthalte in ver Barbarei fich einen großen Namen unter 
den Arabern gemacht bat und bei ihnen in hoher Achtung fteht. Ich gehe 
zu Pferde, meine Begleitung und mein Gepäd auf 34 Kameerlm, von denen 
ich 17 gefauft, ven Reſt gemiethet habe. Nach Sofna und Mourzuk find 
fhon lange Briefe abgegangen, um Alles für meine Weiterreife vorzuberei⸗ 
ten, und fo hoffe ich denn in 3 Monaten den See Tſad zu erreichen, da ich 
mich in Fezzan Höchftens einige Wochen aufhalten werde. — Unter meinen 
Inftrumenten befinden ſich 3 vorzügliche Duedfilber- Barometer, vie ich bis 
jegt durch alle Anfälle glüdlich vurchgebracht habe. Ich Hoffe ficher, wenig⸗ 
ſtens zwei wohlbehalten nach Kuka zu bringen. Gin Aneroid hatte ich von 
England mitgenommen; ich Habe vafjelbe aber bier zurücklaſſen müflen, da es, 
wie ich voraudgefehen, die Grfchütterung beim Transport nicht aushalten kann 
und in Folge verfelben ganze Zolle fteigt und fällt. Ich bitte Sie Herrn 
Baron von Humboldt mitzutheilen, daß ich Hier eine Meihe magnetifcher Be⸗ 
obachtungen angeftellt und viefelben an Col. Sabine eingefchidt habe. Die 
nächfte Station wird Sofna fein, dann Mourzuk, Bilma und Kouka. Ba- 
riationd- Beſtimmungen mache ich häufiger, faft täglich; auch die Inclination 
werde ich öfter beſtimmen, — die Inſtrumente zur Beflimmung ver horizon⸗ 
talen Kraft dagegen kann ich nur an Orten, an denen ich einige Tage ver⸗ 





Sitzungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 243 


welt, auspaden und zufammenfegen. — Bon Barth haben wir nichts ge⸗ 
hört feit dem Briefe des Vezirs an Gagliuffi, in welchem derſelbe fchreibt, 
dag Barth im Januar Kano verlafien babe und daß es unmöglich fei ihm 
Briefe von Kouka aus nachzuſchicken. Wir haben indeß über Maroffo und 
fonft mit jeder Gelegenheit, die fich darbot, gefchrieben, fo daß er ficher Nach⸗ 
riht von meiner Meife erhalten wird. Bon Mourzuf (woſelbſt ich Enve 
Juli einzutreffen gevenfe) aus werde ich mir die Freiheit nehmen, noch ein» 
mal an Sie zu fchreiben. 


nn 


Situng der Berliner Gefellfchaft für Erdkunde 
am 3. September 1853. 


Hear GBumprecht berichtete über eine Mittheilung U. Petermann’d über 
Schneeberge, welche der englifche Capit. Short etwa unter dem Aequator bei 
einer Auffahrt des Dſchub (Jub) firomes, alfo auf ver Oftfeite Afrika's in ei= 
riger Entfernung gefehen hatte (Die Notiz über dieſe Entdeckung ift S.230— 240 
bereits abgedruckt). — Herr Walter las hierauf eine kurze Notiz über Aus 
ftralien. Demnähft trug Derfelbe ven erften Bericht des Herrn Balduin 
Moͤllhauſen vor, welchen viefer bei ver großen, von der norpamerifanifchen 
Regierung zur Auffindung einer practicabeln Linie behufs der nach dem Stil- 
In Ocean zu erbauenven Eiſenbahn abgeſandten Erpedition ald Zeichner an- 
geftelte Reiſende an vie Gefellfchaft eingefandt Hatte (Der Vericht wird in 
einem der nächflen Hefte der Zeitichrift erfcheinen). — Herr Ehrenberg 
theilte einige Mefultate über feine neueren Forſchungen im Gebiet der kleinen 
Wierwelt und über geognoftifch intereffante atmofphärifche Erfcheinungen mit. 
Sie betrafen zuvorderſt eine von dem befannten Arzt Dr. Margowan zu 
Ningpo (in China) eingefandte Probe eines im April und Mai d. J. bei 
beiterem Simmel gefallenen Staubregend. Erfcheinungen der Art follen fich 
dort jährlich wiederholen, fo daß bei den Eingeborenen das Sprichwort herrfcht: 
Fremde Erde befruchte ihr Land. Margowan forfchte felbft in ven 
Ginefifchen Geſchichtswerken Erwähnungen folcher Phänomene nad) und fand 
folgende bemerft, die er in feinem an den Vortragenden gerichteten Brief 
vom 31. März 1853 aufführt: 

1154 vor Chr. ©. regnete e8 10 Tage hindurch Erbe in ver Provinz 

Honan. 

140 »= = = 8 regnete weiße Haare; um dbiefelbe Zeit wird ein 
Fall von Bohnen und Körnern erwähnt. 

83 = » = Ein Ball von gelber Erve, der 1 Tag und 1 Nacht 
dauerte und fo ſtark war, daß er dad Firmament 
verdunkelte. 

16 * 


244 Sigungöbericht ver Berliner geographifchen Gefellfchaft. 


9 vor Chr. G. Ein Fall vegetabilifcher Faſern. 

150 nah Chr. G. Im nörblichften Theil des Landes ereignete fich ein 
Niederfallen von Fleiſch, ähnlich Schaferibben (fall 
of flesh, like sheeps ribs) von der Stärfe eines 
Manndarınd. 

502 « = s Gelber Staubfall, dem Schnee ähnlich; ein Kal von 
Aſche wird erwähnt. 

630 =» = = Ein Fall gelben Sanves in ver Brühjahrszeit. 

Im zehnten Jahrh. gab es einen anderen Fall gelben Sandes. 

1572 nach Chr. G. fand wieverum ein mehrere Tage dauernver Fall gel⸗ 
ben Sanves nahe bei Ningpo flatt, der ſo flark war, 
dag er die Ohren und Nafenlöcher erfüllte und bie 
Haare des Volkes bedeckte. 

Ich ſollte, ſetzt Macgowan in feinem an Herren Ehrenberg gerichteten 
Schreiben Hinzu, noch die wohlbeglaubigte Nachricht (well attested record) 
eined Falls von Gold in ven Jahren 2205— 2197 vor Chr. anführen, ver 
zweifellos Goldſtaub war (? G.), und emblich ift hierbei noch ein Ball hei⸗ 
Ben Waſſers erwähnenswerth, ver fich zu Hiapey 34° 35’ n.Br. 1° 55’ öſtl. L. 
von Peking ereignet haben fol und Vögel tödtete. — Bei biefen Angaben 
will ich mich aber gleich vor der Annahme verwahren, daß ich jedes in ven 
chineſiſchen Gefchichtöbüchern aufgeführte Ergebniß ver Art Bier mitgetheilt 
hätte; vielmehr muß ich ausdrücklich bemerken, daß die Bälle fich jenes Jahr 
ereignen, freilich aber in Quantitäten, die kaum bemerkbar find. Findet ein 
reichlicher Fall ftatt, fo pflegt nach Anficht ver Chinefen eine fruchtbare Jah⸗ 
zeözeit unmittelbar zu folgen. Die oben angeführten Bälle waren felbft für 
die Ehinefen von ungewöhnlicher Stärke; vie, melche ich hier (zu Ningpo) 
beobachtet, waren ebenfalls hoͤchſt bemerkenswerth, doch nur für die Frem⸗ 
den, nicht aber für die Chinefen, woraus ich fchliegen muß, daß immenfe 
Mengen der erwähnten Materie in ven aufgeführten Yällen berabgefommen 
fein müflen. Am 28. Sebruar d. I. bei NW.- Winde zeigte die Atmofphäre 
etwas Sand. Den 1. März fiel gleichfalls etwas Sand bei SSO. —NO.⸗ 
Wind. Den 2. März war dies nochmals ver Kal bi ONO.⸗Wind, nicht 
minder endlich am 3., wo fich der Himmel aufflärte. Diefelbe Erfcheinung 
fand auch zu Shang Hay flatt, aber in einer bedeutenderen Stärke. Seit- 
dem ereignete ſich noch eine Stauberfcheinung,, doch nur in geringer Menge; 
es war fein eigentlicher Sandfall.“ Schon im Jahre 1850 Hatte berfelbe 
thätige Naturforfcher Staubregen von Ningpo dem Bortragenden gefanbt, 
der darin 38 organifche Formen fand, wie fie auch bei und maſſenweiſe vor⸗ 
fommen, aber von denen bie Pafjatflaube durch einige characteriftifche For⸗ 
men abweichen. Dies war namentlich bei dem ausgebehnten Staubregen ver 
Val, ver im Jahre 1848 von Wien bis Glogau fich erſtreckte. Die Bei⸗ 
mengung von Pflanzenfafern, Haaren u. |. w. erwies, daß die in China gefallenen 


Sigungäbericht der Berliner geographiichen Gejellfchaft. 245 


Materien beſtimmt einen terreftrifchen Urfprung haben. Auch ver chinefiiche ſo⸗ 
genannte gelbe Saud, der eigentlich graulich ift, ſcheint terreftrifch zu fein, 
indem die Färbung muthmaßlich nur von organifchen eingemengten Bartifeln 
herrührt. Bei der Gelegenheit bevauerte der Vortragenve, noch nicht Gele: 
genheit gehabt zu haben, ven feinen von Henry Pottinger in Belupfchiften 
beobachteten ziegelrothen Staub, welcher daſelbſt große Wüftenflächen wellen- 
förmig bedeckt und fo fein ift, daß er, ohne vom Winde erregt zu fein, ſich 
bei ter Mittagöhige in vie Luft erhebt, zu unterfuchen. Demnächft berich- 
tete Herr Ehrenberg über feine Uinterfuchung von Rückſtänden abfiltrirten Yluß- 
waſſers, ſowohl aus dem großen chinefljchen, nördlicher fließenden, fogenann- 
ten gelben Strom, ald aus dem Mhein. Erftere waren aus einem Theil 
des Hluffed genommen, wohin noch die Wirkung der Meeresfluth reicht; es 
fanden fich deshalb unter ven 30 organifchen Formen ver Rückſtände neben 
einigen Zlußthieren vorzugsmeife marine Formen vor. Die gelbe Farbe dies 
fer im Flußwaſſer fuspendirten Materien gicht Veranlafjung zu der gelben 
Barbe des Waſſers und zu dem Namen des Fluſſes felbfl. Bei dem Nhein 
war Ehrenberg fo bevorzugt, daß er filtrirte Reſte aus allen Monaten uns 
terfuchen Eonnte. Es ergab fich dabei eine neue Beflätigung des ſchon durch 
Leonhard Horner’3 im Jahre 1834 angeftellte Unterfuchungen über die Quan⸗ 
tität der im Rheinwaſſer bei Bonn fuspenvirten feften Beftanptheile gewonne⸗ 
nen Reſultats, daß nämlich des Hollänvers Hartfoefer im Jahre 1706 aufge= 
ftellte Behauptung über den großen Gehalt des Rheinwaſſers an feiten Be- 
ftanptheilen eine völlig irrige ift, obgleich die Menge ver lebten noch immer 
anfehnlich genug erfcheint. Horner erwies nämlich, Daß ver Rhein in 24 Stun- 
den etwa 145980 (145981) Kubiffuß feiter Gemengtheile bei Bonn vorbeis 
führt. Ehrenberg's Forſchungen Ichrten ihn nun, daß die Menge der feiten 
Gemengtheile nach den Monaten fehr verfchieven ift; fo waren der Auguft 
und September am reichften, e8 erfolgte hierauf eine allmälige Abnahme bis 
in den Mai, worauf die Trübung des Rheins fid, in den Ießten Monaten bie 
zum Auguft wieder fleigerte. Februar und März hatten die geringften Ge⸗ 
halte an feften Subſtanzen. Währenn Horner, der im Auguſt „sts, und 
im November 5:55 Feſtes fand, die feten Partikeln ihrer gelben Farbe 
wegen vom Loeß ableitete, fand Ehrenberg in den von ihm unterfuchten 
Filterrückſtaͤnden flarfe Antheile organifcher, von nicht weniger als 125 
Arten lebender Weſen, vorberrichenn Kiefelthieren, dann Phytolitharien, ab» 
ſtammende Mefte, mit denen fich aber Feine Kalkthiere vorfanden. Der Ge⸗ 
balt an Kiefelthieren variirte fehr; im Mai betrug er mehr als die Hälfte, 
in anderen Monaten 1—+, im jährlichen Durchfchnitte aber gar nur 75 — 
vom Volumen der feſten Subſtanz. Endlich fügte Chrenberg Hinzu, daß wäh» 
end ihm ſchon vor vielen Jahren die Natur der in dem trüben Wafler des 
Ganges und des Bramaputrad fuspendirten feften Partikeln durch Ueberſen⸗ 
dung des Waſſers aus allen Monaten des Jahres genau bekannt geweſen fei 


246 Sitzungsbericht deg Berliner geographifchen Geſellſchaft. 


und er Achnliches noch vom Nil und Wiſſiſippi behaupten könne, ver Rhein 
der einzige europäifche Fluß wäre, deſſen Uinterfuchung, ungeachtet feiner viel- 
fachen, nach allen Seiten gerichteten Aufforverungen, er erft durch die Bermit- 
telung eines hochgeftellten Goͤnners folcher Korfchungen habe möglich machen kBn⸗ 
nen. — Ein von Dr. Bogel bei einer Reife nach Murzuf in der Wüfle geſam⸗ 
melter roter Staub zeigte feine mitroßfopifchen Formen, fonbern ergab ſich 
als eine aus ungemein feinen, mit Rotheifenoryb überzogenen Quarzkoͤrnern 
beſtehende Subflanz, die mit durch die Loupe fogar ertennbaren und im mit⸗ 
telländifchen Meere vorkommenden Bolythalamien erfüllt war. Ein Sank- 
gebilde in ganz ähnlicher Weiſe kommt nach von Hauer's lnterfuchungen 
eined durch Ruſſegger mitgebrachten afrikaniſchen Wüſtenſandes an noch 
anderen Punften Nord⸗Afrika's vor und fann als ein in das Innere getrie- 
bener Dünenfand gelten, aber nicht mit dem Scirocco ober dem atlantiſchen 
Staub verglichen werden. Dagegen hätte die zur Aufſuchung Franklin's abge» 
fandte Expedition unter Capit. Benny im Jahre 1850 zwifchen dem 73— 74° 
4’ n. Br. einige fchleimige Subflanzen des Meeres gefammelt und dieſelben 
auf Slimmerblättchen getrodnet nach Europa gebracht. Es fanden ſich darin 
39 Formen, meift thierifche, zum Theil neue Meereöformen, zum Theil aber 
auch mit vegetabilifchen Reſten gemifchte Süßwaflerformen des hoben Nordens 
vor. — Endlich trug Herr Gumprecht einen Bericht von R. Reimer aus 
Süb-Auftralien vor (er wird in dem 4. Hefte erfcheinen). 


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VII. 
Erläuterungen 


zu einem Profile durch den nördlichen Abhang 
ded Kaufafus 
vom Elburuz bis zum Befchtau. 
( Hierzu Taf. V.) 





Wenn graphifche Darftelungen im Gebiete der Geologie über: 
haupt den Zwed verfolgen, einigermaßen genügenden Erfah für den 
Mangel directer Anfchauung bei der Schilderung von Naturverhält- 
niffen zu geben, fo ift man berechtigt von geologifchen Profilen zu vers 
langen, daß fie ein wahres und fein verzerrtes Bild der zu beſchrei⸗ 
benden Dertlichkeit liefern. Diefem Grundfage gemäß find in dem vors 
liegenden Durchſchnitte des nörblichen Abhanges der Kaufafusfette zwi⸗ 
fhen dem Elburuz und der Betfchaugruppe die verticalen und hori⸗ 
sontalen Dimenfionen nad einem und demfelben Maaßſtabe ausgedrückt 
werden — Die Einheit diefes Maaßſtabes bildet die Werft mit 3500 
engl. Fuß, die abfolute Größe diefer Einheit aber beträgt etwas weni⸗ 
ger, als 3 engl. Zoll. 

Zur Erhöhung des geologifchen Verftänpniffes für eine Totalan⸗ 
fdauung ift die nach directen Meffungen und Beobachtungen conftrufrte 
profilartige Darftellung nicht auf den einfachen Durchichnitt innerhalb 
einer Berticalebene befchräntt, vielmehr ift eine Anzahl unter ſich pa- 
ralleler Schnittebenen dergeftalt hintereinander geftellt worden, daß bie 
Aufprüche der Perſpective der Beibehaltung der abfoluten Höhen, dem 
Begriffe des Profiles gemäß, im Bilde untergeordnet erfcheinen. — 
Sämmtliche Höhenbeftimmungen find von mir mit Gorrefpondenz auf 
gleichzeitige Beobachtungen angeftelt worben, welche mir befreundete Per⸗ 


248 H. Abich: 


ſonen mit unter ſich verglichenen Inſtrumenten in Wladikavkas, Päti⸗ 
girſt und Wladikavkas ausführten. 

Die horizontale Baſis der Hauptfchnittebene bezieht ſich auf die 
Karte des Kaiferl. Generalftabes von 10 Werft auf 1 Zoll. Zur Er- 
leichterung der Drientirung überhaupt ift für jeme Bafis ein befondes 
rer Maapftab unmittelbar unter der Linie verzeichnet, welche auf dem 
Profile dem Meeredniveau entfpricht. — Der Nullpunct der Zählung 
nah Werften beginnt auf diefem Maafftabe vom Mittelpunct des EL 
buruz. Aus dem folchergeftalt conftruirten Profile wird es deutlich, 
wie die phufifalifche Eigenthümlichfeit desjenigen Theiles des kaukaſi⸗ 
ſchen Gebirges, welches den Elburuz einfchließt, wefentlich von dem Cha⸗ 
rafter und der räumlichen Vertheilung einer primitiven Formation ab» 
hängt, die den fundamentalen Träger des Gefammtbaues darftellt. 

Koͤrnig⸗kryſtalliniſche ungefchichtete Maffengefteine aus den Fami⸗ 
lien des Granit und Diorit, in engfter Verbindung mit Fryftallinifchen 
Schiefern der fogenannten metamorphifchen Reihe, bedingen einen aus 
gedehnten, aber flachen Unterbau, auf defien höchſtem Rüden der Tra⸗ 
chytporphyr⸗Dom des Elburuz mit den Nebenerfcheinungen der groß- 
artigften eruptiven Wirkungen emporfteigt. 

Die von der lithologifchen Ratur jener ungefchichteten und gefchich- 
teten kryſtalliniſchen Gefteine größtentheild abhängige orographiiche Kor: 
menentwicelung führt in die centralen Gebirgstheile hier eine Kamm⸗ 
und Thalbildung ein, welche derjenigen gleicht, deren lithologifche und 
phyfiognomifche Charaktere in den Alpen die Meifterhand Sauflure's 
zuerft fo unübertrefflich gezeichnet hat. — Diefem Gebirgsbaue zu Folge 
gewinnt auch das Phänomen der Gletſcher im Umfreife des Elburuz 
eine ganz befondere Bedeutung für den Kaufafus. 

Innerhalb einer verhältnigmäßig ſehr jungen Entwidelungsperiope 
dieſes Gebirges, ald eine von der heutigen nur wenig verfchiedene 
Thalbildung für daffelbe beftand, hat das Eintreten eines echt vulfas 
nifchen Bildungsmomentes an den Stellen des heutigen Elburuz, wie 
des Kasbel, dad Marimum eruptiver Thätigfeit ausgeprägt. Zu ders 
jelden Zeit, als die Eruptionen des Kasbek an der Stelle des nört- 
lihen Gebirgsabhanges flattfanden, wo die geringfle Breitenentwide: 
lung des legten mit der ftärfften Aufrichtung der gefrhichteten Maſ— 
ſen und der größten Wildheit in der Gliederung der fryftallinifchen 


Erläuterungen zu einem Profile durch den noͤrdl. Abhang d. Raufafus. 249 


Gebirgskaͤmme überhaupt in einen beachtungswerthen Zufammenhang 
tritt, Hat die Vulkanität an der Stelle der größeften Breite deffelben 
nördlichen Gebirgsabfalles, ſowie feines Fryftallinifchen Grundbaues auf 
den Urgebirgsfänmmen, felbft unter theilweifer Ausfüllung tiefer Thäler, 
jenes 12 bis 14 Werft ausgedehnte flache, plateauartige Gewölbe her- 
vorgebracht, welches von dem koloſſalen Eruptiondfegel des Elburuz 
mit einem Berhältniß der Höhe zur Bafid wie 1:7 überragt wird. 
— Die weiten Schnee⸗ und Firneisfelder, welche jene flachen Höhen 
und die mit ihnen zufammenhängenden circusartigen Hochthäler beveden 
und ausfüllen, bilden die Refervoire für die größefte Gletſcherentwicke⸗ 
lung am Kaufafus. — Die Eisftröme nehmen von dort her Diefelbe 
Richtung zu den Hauptthälern, welche breite Lavaftröme vorzeichneten, 
die einft auf denfelben Höhen aus Fegelförmigen lateralen Eruptions- 
Öffnungen ſich ergoffen haben, die noch Heute mit der größten Deuts 
lichfeit, objchon meiſtens vom Schnee verhüllt, zu erfennen find und 
von denen einige an dem öftlichen Kegelabhange felbft bis in die Gi⸗ 
pfelnähe des Elburuz hinaufreichen. — So werden die wild empor- 
ftarrenden Schladenmaflen des prächtigen Lavaftromes, der über fteil- 
aufgerichtete Fruftallinifche Schiefer im oberen Badjan- Thale fich mit 
einer Friſche der Erfcheinung, die Bewunderung verdient, cascadenar⸗ 
tig herabftürzt, zum Theil vollig von dem mächtigen Gletſcher bebedt, 
der im Hintergrunde des Thaled von Uruspi in dem Profile angedeu⸗ 
tet if. — Die jenen Gfetfcher feitlich begleitenden Moränen beftehen 
aus den Trümmern einer pechfteinartigen Trachytlava, welche ven Ge⸗ 
feinen von Pichincha und Antifana gleicht. — An dem Ende de 
Gletſchers, deſſen Breite ich 1500 Fuß fand, bewiefen in 7070 engl. 
Fuß abfoluter Höhe zahlreiche, im poröfen Eife eingefchloffene Bäume 
von Pinus Pallasii mit noch frifch hervorragenden Kronen das Vor: 
wärtsrüden des Eisftromes im Herbft 1849. 

Der große Granitzug, welcher in oftweftlicher Richtung vom Bad- 
fan-Thale bis zum Malfa-Thale AO Werft als ſelbſtſtaͤndiger Gebirgs- 
rüden verfolgt werben fann, dann unter dem Elburuz fortfegt und 
auf der Weftfeite defielden das Quellengebiet des Kuban einfchließt, 
erfcheint in dem Profil im Querdurchſchnitt. Beſonders deutlich laͤßt 
das Profil die Ausdehnung des fundamentalen Urgebivged gegen Nora 
den erkennen, deffen Außerfle Grenze in jener Richtung auf der Thal 





250 H. Abich: 


fohfe des Eſchkakon⸗Fluſſes in 3889 Fuß abfoluter Höhe und in 27 Werft 
nörblicher Entfernung vom Elburuz zu erkennen ift. 

Das fecrundäre Gebirge, welches diefe primitiven Yundamentalge- 
fteine regelmäßig überlagert, prägt über venfelben eine fanft ſich ver: 
flaͤchende Wölbung aus, deren Uebergang zur völligen Ebene durch das 
angelagerte Tertiärgebirge ganz allmälig vermittelt wird. 

Diefe Wölbung, deren regelmäßige Krümmung aus der nörblis 
hen Kerne, zumal vom Gipfel des Befchtau, deutlich zu erfennen ift, 
umfaßt ein hemifphärifches Berggebiet, welches der centralen Kauka⸗ 
fusfette wallartig vorliegt und ähnliche Dimenfionen befigt, wie das von 
gleichfalls bogenförmiger Umwallung eingefchlofiene merkwürdige Thal⸗ 
ſyſtem des dageftanifchen Berglandes. 

In ähnlicher Weife, wie fih das avarifche, von tiefen Thalſpal⸗ 
ten durchfurchte Kreideplateau mit einer wahrfcheinlichen mittleren Er: 
hebung von 7500 Fuß im Inneren Raume jened Berglandes einem cen- 
tralen, Bogoziſtavi genannten Gebirgsftod anlagert, deffen wahre litho⸗ 
logifche Natur noch problematifch ift, deffen Gipfel aber die Schneeli- 
nie berühren, fo liegt dem Elburuz nördlich das plateauförmige, mit 
tiefen Thaleinfenfungen verfehene Hochland von Betichaffin von mehr 
als 20 Werft Breite mit einer mittleren Höhe von 7240 Fuß vor. 

Eine dem unteren Jura angehörende Sandfteinformation, die weis 
tee hinab in 2700 Buß mittlerer Erhebung baumwürdige Steinfohlen 
am Kuban und an der Laba einfchließt, überlagert hier unmittelbar den 
Granit, den Glimmerfchiefer und andere kryſtalliniſche ſchiefrige Ge 
feine der metamorphifchen Abtheilung. — Diefe Gefteine haben die Ele⸗ 
mente für die Eonglomerate geliefert, welche das Liegende der Kohlen 
fandfteinsYormation bilden und ſchon die Spuren der in den höheren 
Lagern eingefchlofienen Kohlen zeigen. — Die Kohlenſandſtein⸗Forma⸗ 
tion wird bereits in 10 Werft Entfernung vom Mittelpuncte des El⸗ 
buruz fihtbar und zeigt ihre auf das flürffte Dislocirten und gekruͤmm⸗ 
ten Schichten gegen den nördlichen Abhang des Tafchly- Syrt im Fluß⸗ 
thale der Malta fteil aufgerichtet. Die Streichungslinie diefer Dislo⸗ 
cationen ift eine oftweftliche und befindet ſich im Parallelismus mit der 
Laͤngenachſe des Tafchly-Syrt, wie mit der des vorhin erwähnten Gras 
nitzuge®. 

Der Taſchly⸗Syrt bildet die naͤchſte nörbliche Vorkette des EL 


Erläuterungen zu einem Profile durch den noͤrdl. Abhang d. Kaufafus. 251 


buruz. — Seine höchfte Partie wird Tſchuͤſch⸗gur⸗Achtſchat genannt; 
fine weftliche bis zum Kubanthale reichende Verlängerung heißt Kif- 
fl=Tol. 

Die Maffen, welche diefe Vorkette zufammenfegen, find größten- 
theils ſehr feinförnige grünfteinartige Gebilde, in welchen gebänderte 
fiefelreiche Schiefer von dunkeler Färbung (Diabasfchiefer) in engfter 
Verbindung mit quarzreihen Mandelfteinen von Aphanitgrundmaffe 
vorherrfchen, welche quarzige, chloritifche und ferpentinartige Mandeln 
einſchließt, die 5 bis 6 Procent Waffer in der Glühhige verlieren ( Dias 
basporphyre zum Theil). — An diefe Selsarten fchließen fich protos 
gunartige Feld ſpathgeſteine nebft röthlichen Felfttporphyren mit fehr eifen- 
reichen dichten und amorphen Nebengefteinen an. Eine äußerft wilde phy⸗ 
fiognomifche Entwidelung charakterifirt die Diabafe des Tfchüfch-gur 
Achtſchat, deren fcharffantige Felsmauern die Schneelinie berühren, und 
die Eruptivgebilde des Elburuz verhinderten, ſich über das Hochland 
von Betichaffin auszubreiten. — In dieſen pfeilers und zadenförmig 
emporftarrenden dunklen Felögebilden, welche durch nahe fenfrechte, zu 
Thalſpalten ausgeweitete Klüfte in ſchmale Grate zerlegt werden, iſt 
die einftige Bewegung des fenfrecht aufgeftiegenen Eruptivgefteins mit 
beſonderer Deutlichfeit firirt. 

Die Achnlichkeit mit Dolerit und Metaphyrmaſſen, die auf vulfa- 
nifhem Wege über Spalten aufftiegen, ift fo groß, daß überall eine 
genaue mineralogifche Prüfung des Geſteins erforderlich ift, um nicht 
zu Fehlfchlüffen veranlaßt zu werben. 

Der flache Eruptionsfegel des ZTufchtuba, der am Fuße des Ta- 
ſchly-⸗Syrt die Kohlenfandfteins Formation durchbricht und lichtgraue 
Trachyt⸗Doleritlaven über einen Fleinen Raum des Hochlandes von 
Betſchaſſin verbreitet hat, befitt eine abfolute Höhe von 8406 Fuß; 
er bezeichnet die Stelle der weitelten Entfernung, in welcher eine vom 
Elduruzfpftem ausgegangene Lateral- Eruption gegen Norden überhaupt 
gewirkt hat. 

Der Tſchüſch⸗gur⸗Achtſchat iſt in phyſikaliſcher Beziehung noch 
deshalb wichtig, weil er den Ausgangspunft jener merhwürbigen Waf- 
jerfcheide bilvet, welche im Norden des Kaufafus fümmiliche Zuflüffe 
zum ſchwarzen und zum caspifchen Deere von einander trennt. Diefe 
Waflerfcheive erſtreckt ihre Wirkungen in nahe füdsnörblicher Richtung 





252 H. Abich: 


auf mehr als 300 Werſt Entfernung bis zum Maneiſch und vermit⸗ 
telt eine deutliche orographiſche Verbindung zwiſchen dem Kankaſus und 
dem ausgedehnten Plateaugebiet von Stavropol und Tjemmolesk 
(2455 Fuß abſ. H.), an deſſen nur aus mitteltertiüren Schichten ges 
bildeten Bauen die fogenannte araloscaspifche Formation durchaus kei⸗ 
nen Antheil nimmt. 

In einer nörblichen Entfernung von 25 Werft von dem Gebirgs⸗ 
zuge des Taſchly Syrt wird die in merkwürdiger Horizontalität ſich 
forterftrerfende juraflifche Kohlenfandftein-Kormation in einer Höhe, 
welche zwifchen der Birken⸗ und Fichtengrenze liegt, noch einmal von 
einem oftweftlich ftreichenden Zuge von Grünftein ähnlichen Labrador: 
porphyren durchbrochen und zwar unter geognoftiichen Verhältnifien, 
welche beweifen, daß diefen eruptiven Erjcheinungen innerhalb derſel⸗ 
ben Zone ältere vorangingen, welche in die Abfaßperiode der obers 
ften Glieder jener Sandfteinformation zu fallen fcheinen. 

Der Gelammtcharacter diefer von einer ſchwachen Etage eifenreis 
cher Oolithe überlagerten Sandfteinformation erinnert an die Liasfors 
mation in Deutfchland; indeß ift das Wenige, was bis jebt in den 
eifenreichen Schichten jener Oertlichfeit paläontologifch einigermaßen er: 
fennbar gefunden worden, 3.3. Trigonia signata, Pecten discifor- 
mis, Terebr. impressa, mehr geeignet, dad Terrain oxfordien in- 
ferieur zu beweifen, welches durch characteriftiiche und zahlreiche For⸗ 
men in Schichten äquivalenter Stellung in anderen Gegenden des 
faufafifchen Nordabhanges außer Zweifel geftellt worden ift. 

Nach dem Urtheile des Herrn Profefjor Göppert in Breslau über 
Bflanzenabvrüde aus den Kohlenfchiefern von Dageftan und Imeretien, 
wie aus den höchft wahrfcheinlich völlig Aquivalenten Schichten am 
Kuban und der Laba find dieſe Abdrücke identifch mit Farrnkräutern, 
Equifeten und Calamiten, die in dem Lias von Baireuth, in Defterreich, 
fowie in dem von Whitby, Grisfope, Scarborough u. f. w. vorfommen. 

Die Kohle aus Jmeretin und Dageftan ift der Liadfohle aus 
Oeſterreich überaus ähnlich, trennt fi) dagegen entfchieven von der 
alten Steinkohle durch Mangel an Schichtung und das Fehlen ber 
fogenannten mineralifchen Holz⸗ oder Faſerkohle. 

Die 800 bis 1000 Fuß mächtige Kalktufe, welche die Sands 
fteinformation überlagert, umfaßt mächtige Schichtenfolgen von Dolos 





Erläuterungen zu einem Profile durch ven noͤrdl. Abhang d. Kaufafus. 253 


mit mit mächtigen fphäroidiichen Einfchlüffen von Alabafter, von dichtem 
dunfelgrauen Kalt, bald flachmufchelig, bald fplittrigsfpröde und klin⸗ 
gend, wie Phonolith, bald mit fchiefrig fich ablöfenden Structurverhält- 
niffen; in den oberen weißen und dichten Schichten aber gewinnen Ko: 
rallen- und Nerineenkalfe eine bedeutende Mächtigfeit. Die Beweiſe 
von der Richtigfeit der geologifchen Stellung, welche das Profil jener 
Kalkftufe al8 oberer Jura anweift, ftüben fich eines Theild auf bie 
an Ort und Stelle gefundenen Verfteinerungen, anderen und größten 
Theild aber auf die unzweideutige juraffifche Facies Aquivalenter Schich- 
tn an anderen Orten des nördlichen Gebirgsabhanges. 

Diefe obere Juraftufe befolgt nun mit fämmtlichen ihr aufge: 
lagerten jüngeren Bildungen, d. h. Neocomien, Gault, Grünfund und 
Kreide, ein fanftes und allmäliges Anfteigen gegen den Elburuz, und 
bat das Eigenthümliche, daß fie mit großer Gleichförmigfeit eines wohl 
begrenzten Yormationd «Ganzen unter der Kreideformation weit gegen 
Süden hinaufrüdt, eine breite SPlateauftufe formirend, die der Haupt 
achſe des Central⸗Gebirges parallel läuft und deren Steilabfälle dem 
Letzteren fenkrecht zugeiwendet find. — Das relative räumliche Verhal⸗ 
ten der beiden Hauptabtheilungen der Kreideformation wiederholt nun 
über dieſer Terraffe diefelbe Erfcheinung. — Eine jede Abtheilung rüdt 
unter der jüngeren gegen Süden hinan und veranlaßt ihrerfeitd eine 
neue Plateauſtufe. 

Das Hervortreten der unteren, Durch die grüne Farbe angedeu⸗ 
teten Abtheilung der Kreideformation in gleicher Schärfe, wie diejenige 
des falfigen Jura und der weißen Kreide, wird durch Die Incohärenz 
der Gault⸗ und Grünfandfchichten verhindert. 

Demgemäß findet für diefe untere Kreiveabtheilung ein fucceffives 
Zurücktreten von den älteften Schichten der falfigen Neocomien- Etage 
iu denen des fandigen Gault, des Grünfande, und endlich bis zur 
weißen Kreide Statt. — Die beiden oberen Glieder der unteren Kreide: 
abtheilung, der Gault, der Grünfand, fowie Die weiße obere Kreide 

werden bei der Staniza Kislovonsf (von der Feftung gleiches Namens 
ju unterfcheiden, in deren Nähe die Narfanquelle fich befindet) in un- 
geftörter Aufeinanderfolge gefehen. 

Die Tertiirformation bildet die lete, auf dem Profile mit T be- 

zeichnete Stufe der flachen Wölbung. Wenngleich vermöge der gerin- 


254 Erläuterungen zu einem Profile durch den noͤrdl. Abhang d. Kaukaſus. 


gen Neigung der Oberfläche nur ſchwach marfirt, tritt fie dennoch bei 
Efientudi, ſcharf von der Kreideftufe abſetzend, orographifch deutlich 
hervor. 

Die Rummulitenformation, welche als Bafis der tertiären Bildun⸗ 
gen auf der Süpdſeite des Faufafifchen Gebirged eine fo umfaflende und 
mächtige Entwidelung befigt, fehlt auf der Nordſeite des Gebirges al 
ler Wahrfcheinlichfeit nach gänzlich. 

Den Felsinſeln eined Archipels vergleichbar erheben fi an dem 
äußerften Ende des Profil in 100 Werft nördlicher Entfernung vom 
Elburuz die eigenthümlichen Gebilde der Beicdhtaus&ruppe aus der 
Tertiärformation empor. 

In den nicht fehr zahlreichen Varietäten der ausfchließlich körnig 
Eruftallinifchen, Tichtgefärbten Yeldfnoten, welche die Mehrzahl der Glie 
der der Beichtaugruppe zufammenjegen, finden fich bald die lithologi⸗ 
fhen Eharactere Achter quarzreicher Zelfitporphyre mit tombadbraunem 
Glimmer und mehr oder minder milchigem und opafem Feldſpath, bald 
diejenigen wirklicher quarzführender Trachytporphyre mit dunklem Glim⸗ 
mer, Hornblende und Sanidinkryftallen ausgeprägt. 

Jene Gefteine der Befchtaugruppe repräfentiren fomit ein fehr be 
achtenswerthes Mebergangsverhältniß zwiſchen den beiden genannten Ge⸗ 
fteinsfamilien. 

Während eine gemeinfame Achfe antiflinarer Reigung den in; 
neren Schichtenbau der auf dem Profile angegebenen Kreidehöhen des 
Pſchinskaja, des Diutfiger und der Mafchufa in fühwefllicher Rich 
tung durchfegt und Die metamorphofirten und bunfeler marmorartigen 
Kalle des lebten Berged nur durch fparfam in denfelben eingefchlofs 
jenen Inoceramen richtig als Kreide zu deuten find, zeigen ſich nor: 
male Glieder derſelben Formation innerhalb einer füpöftlichen Erhe⸗ 
bungsachfe durch die Felſit- und Trachytporphyre des Beichtau flarf 
dislocirt und von dem Fryftallinifchen Geftein in beveutende Höhe ge 
hoben, ohne von Tertiärbilvungen bedeckt zu fein. 

S. Abich. 


N. Goſche: Sehbaftian Frank als Geograph. 255 


VII. 
Sebaftian Frank ald Geograph. 


Es ift ſchwer, für einen Geographen des fechszehnten Jahrhun- 
derts Intereffe zu erweden, und vielleicht noch Fühner, es zu beanſpru⸗ 
hen, nachdem die Wiffenfchaft der Erdkunde eine nach allen Seiten 
hin glanzvolle Entwidelung vollendet hat. Denn mit Hülfe der Aftro: 
nomie hat fie endlich den beveutfamen archimediſchen Bunft gefunden, 
von welchem aus die Erde nach großen Gefeßen in Bewegung gefeht 
erfcheint; durch die weitgreifendſten Entdeckungsreiſen ift fie auf allen 
Punkten des Wohnplages der Menfchheit heimifch geworben, und ges 
genwärtig ift fie unter allen realiftifchen Wifienfchaften dem hoͤchſten 
Ziele der Wiffenfchaft überhaupt am nächften gerüdt, wo fte die dis 
veftefte Beziehung auf die Gefammtentwidelung des Menfchengefchlechs 
tes und defien Schiefale nimmt. Aber Sebaftian Franf’s Name 
verfegt uns mitten in das Zeitalter, das für die Entwidelung der 
Geographie überhaupt eines der epochemachendften gewefen ift, in Das 
herrliche Jahrhundert von 1450 — 1550. 

So heftig damald auch das Gefammtgebiet der Wiffenfchaften von 
der gewaltigen Bewegung berührt wurde, deren Ausgangspunkt ein in 
der ganzen Weltgefchichte einziges Zufammentreffen von Entdedungen 
und Erfindungen bildete, fo war es doch die Geographie vor allen, 
welche fih gleihfam neu erzeugen mußte. Die übrigen Wiſſenſchaf⸗ 
ten, und unter ihnen die am meiften blühenden, die Humaniftifchen und 
die theologifchen, durften fih an ein längft Gegebenes nur wieder an- 
lehnen und konnten ſich durch eine glüdliche Reaction vollenden; auch 
die Raturwifienfchaften und die ihnen verwandte Medicin, beide noch 
fange ihrer Tünftigen großen Aufgaben nicht im Entfernteften bewußt, 
durften genügfam damals noch an dem Material fefthalten, welches fie 
in paffender Weberarbeitung von den Depofitären der Wiffenfchaft des 
Mittelalters, den Arabern, überfommen hatten. Aber die Geographie 
verlor buchftäblih den alten Boden unter den Küßen und mußte durch 
kuͤhnes Borwärtsfchreiten einen neuen und fichern fich erobern. Was 


256 R. Goſche: 


halfen der neu fich emporringenden Zeit und ihrem faſt handgreiflichen 
Streben nah Erfenntniß der Erde alle fchriftlichen Aufzeichnungen, 
welche die klaſſiſchen Geographen des Altertfumd und dann die gelehr- 
ten Araber in Spanien und Sicilien, ſchon feit el-Samah Ben Ma- 
lik am Anfang des achten chriftlichen Jahrhunderts, dieſe befonders über 
Spanien, Sicilien und Afrika geliefert hatten? Es konnte, wenn das 
von auch altfpanifche oder lateinische Bearbeitungen vorhanden waren 
und ein noch ziemlich reger wifienfchaftlicher Verkehr deren Vermit⸗ 
telung möglich gemacht hätte, für die Gefammtgefchichte dee Geographie 
in dem chriftlicden Europa und fperiell in Deutfchland eigentlich nichte 
heifen, daß der kundige Abu Obaid el⸗Bekri in dem ſpaniſchen Al- 
meria um 1080, und der ungleich größere Idriſt um 1150 am Hofe 
des ſiciliſchen Normannenkönigs Roger's II. geographifche Werke von 
jo allgemeinem Charafter verfaßten, wie er den erweiterten neuen, ruͤum⸗ 
lichen Anfchauungen bei mäßiger Nachhülfe vielleicht ein wenig ent 
ſprochen hätte; die Grundbegriffe dieſer überlieferten Geographie 
jelbft aber waren durchweg unhaltbar geworden, und die aufgezwun- 
genen Erweiterungen fanden dem noch feftgehaltenen Ptolemäus fehr 
übel an. Durch die großen Seefahrten der Portugiefen und Spanier 
war die wifienfchaftliche, Fosmifche und geographifche Betrachtung zum 
erften Male in den vollen Belig der Erde gelangt; es gab feinen 
Ocean mehr, der als eine ewige Scheide am Horizonte dahinfloß; Der 
Often und der Weiten reichten fich die Hand, und das Bewußtfein Dies 
ſes gefundenen Zufammenhanges, das Gefühl der wiſſenſchaftlichen Er⸗ 
oberung der Welt fand (und zwar natürlich unter den immer univers 
falen Deutfhen) den erften einigermaßen entfprechennen Ausprud in 
dem MWeltbuche des Sebaftian Frank. 

Wann dieſer Mann, welden alle Zeitgenofien fennen, von dem 
fie aber nur Gelegentliches und nichts Näheres berichten, geboren fei 
und wann geftorben, ift gleich unbefannt; am ficherften nimmt man als 
fein Geburtsjahr etwa 1500 an. Der Beiname, welchen er führt, 
Woerdensis, Hat manche Literarhiftorifer veranlaßt, ihn zu einem Nies 
berfünder zu machen; er flammte aber aus dem ſchwäbiſchen Donaus 
wörth, denn er fagt in feinem Weltbuche *): „vie Hüß aber fo in Die 


*) Tübinger Ausgabe von 15834, BL. 32”. 


Sebaftian Frank ald Geograph. 257 


Thonaw einfließen, feind. die Iler. Die Wernitz Bernicus genant bei 
Thonaw Worb meinem vatterland.” Ueber feine Jugendgefchichte und 
Bildungsverhältniffe willen wir nichts. Sein ganzes Leben aber ift im 
Allgemeinen der Art, daß wir Sebaftian Frank für das entfchiedene 
Prototyp eines modernen Literaten, im freieften, beiten und fchlechteften 
Sinne des Wortes halten müfjen. Vielfach in Conflict mit den ftäbti- 
ſchen Polizeien von Ulm und Nürnberg und ihren hochadyibaren Bürs 
germeiftern; reich für kurze Tage, mittello® für fange Monate und dann 
auf Beftellung überjegend — damit ift die Charafteriftit feines Auße- 
ren Lebens erfchöpft. Glänzender Scharflinn, paradorenfuchenvder Witz, 
bis zum Ertrem fchreitende Schwärmerei, Luft an Fühner und freier 
Bewegung, Daher fogleih von vorn herein die waͤrmſte Anhänglichkeit 
an die Reformation, trog aller Noth niemald (und darin blieb er ein 
ehrenhafter Literat) ein feiger Rückſchritt zur lockenden Partei des be: 
quemen Browerdienſtes — das find die Grundzüge feines geiftigen 
Weſens. Er flarb flüchtig vor dem motivirten Anathem des prote- 
ſtantiſchen Kirchentages von Schmalfalden und halbverjchollen, fo daß 
man nur weiß, er habe nach 1545 nicht mehr gelebt. 

Dem entfprechend ift auch allem, was er gefchrieben hat, der 
bligende Reiz eines unftäten Talents und eines reichen Wiſſens verlie- 
hen; neben einigem ernften Quellenſtudium Luft an beißender Charak⸗ 
teriftit und halbphantaſtiſchen Eombinationen in feinen Hiftorifchen Wer- 
fen; aber bei einem kernhaften Mittelpunkt immer vielfeitig wirkend, 
wie das allemal den wahrhaft bedeutenden Menfchen eigen ift. Eine 
tolle Myſtik hat Frank um den begründeten Ruhm gebracht, den feine 
Weltchronit und fein Weltbuch wohl verdient hatten, und bie Gefchichte 
der Theologie hat ihn tief im Gedaͤchtniß als einen dbogmatifchen und 
myftifchen Flagellanten, daß ich fo fage. Schon der gediegene gebil- 
dete Melanchthon und überhaupt Männer von Fach fprachen fich min- 
der günftig über ihn aus; nichts deſto weniger ift aber Sebaftian Frank 
neben Luther und dem anderen großen Kosmographen des fechszehn- 
ten Jahrhunderts (Sebaftian Münfter) der Mitbegründer der beut- 
ihen Proſaſprache geworben. 

Wir können und den befferen Genuß verfchaffen, von den my⸗ 
fijch-theologifchen Tollheiten des Mannes abzufehen und feine geogra⸗ 
phijche Thätigkeit zu betrachten. 

Zeitfehr. f. allg. Erdkunde. Bo. 1. 17 





258 NR. Goſche: 


Nachdem er einige Ueberjegungen und eine Bejchreibung der Tür: 
fei geliefert butte, die aber auf den befannten, jpäter weit verbreiteten 
und faft normal gewordenen lateinischen Tractaten der Holländer be⸗ 
ruhte, erfchien von ihm zuerft im Jahre 1534, in Tübingen geprudt, 
das „Weltbuch: jpiegel vnd bilttniß des gangen erdbodens“ *). 

Trotz aller bizarren Wunderlichkeit, welche dieſem Buche bei dem 
MWiderftreit von Sprache, geographifchem Inhalt und Gevanfen eigen 
zu fein feheint, feijelt und dennoch von vornherein ein friicher Odem 
der Humanität und der wiſſenſchaftlichen Aufrichtigfeit, wie er den Be 
ftrebungen des fechszchnten Jahrhunderts überhaupt eigenthiimlich war 
und wie er auch Das bunte Material diefer Kosmograpbie durchzieht. 
Es war in der That nichts Geringes, den Sag auszuſprechen, daß 
alle die verfchiedenen Völker und? Stämme, bei aller Differenz des 
Glaubens, der Eitte und der äußeren Erjcheinung immer Menfchen 
fein. Damit bejchämt der ehrliche Mann der fosmographifchen Rai: 
vetät gelehrte Männer des 19ten Jahrhunderts, welche aus der Form 
der Wade oder des Fußes für den Neger das thicriiche Heimatsrecht 
ableiten und damit Apoftafie an dem naturwiftenfchaftlichen Adel des 
herrlichen Alerander v. Humboldt verüben. 

Das Weltbuch bildet einen natürlichen Pendant zu der wenige 
Jahre früher erfchienenen, gewiß bedeutenderen Weltchronif, auf die der 
Pf. ſich öfter bezieht; aber es jcheint, daß er mittlerweile die verjchul: 
deten Folgen feiner kecken Aufrichtigfeit habe empfinden müfjen **). 
Richtödeftoweniger will er auch hier unparteiiſch fein, und eine folche 





*) Bon diefem Jahre giebt es zwei ziemlich gleiche Drucke, 4 Blätter Verrede, 
237 DU. Tert und 7 Bll. Regifter, «Getruckt zu Tübingen durch Vlrich Merbart -; 
dann mit wenigen Abweichungen 1542, ohne Ort, und endlich vermehrt nach bes Ber: 
faflere Tode als erſter Theil von Feyerabendts Weltbuche, Frankfurt a. M. 1567. 
Eine hier und da citierte holländiſche Bearbeitung von Bolswaert (1649) ift mir nicht 
näher befannt geworben. Ich Felge der Lriginalansgabe ven 1534, die auch frradh: 
ih die allein gültige fein mn. Für die Aenderungen in Feyerabendt's Trad if 
rauf ſelbſtverſtaͤndlich nicht verantwertlid. 

“2) 86 heißt in der Verrede zum Weltbuche fehr charafteriftiih für bie Zeit: 
„Ich bezeug mit Gott, dz ich nicht auß haſß gefchriken bab witer yemant, ich lich 
zugleich alle menſchen vmb Gottes willen, mwölte andy ich möcht yn mit meinem le 
ben helffen, Gedenck ein jeder dz des liegens vnd hofierens vorhin gnug if, will man 
aber dife freiheyt ben büchern nemmen, wider jemant juichreiben, jo werten tie bü⸗ 
her voller Ingin vnd affert, ja nicht, funft im bapſtumb ift man vil freyer gewefen, 
bie lafler auch Fürften vnd Herren zw flraffen, yeht muß es alles gehofiert fein, eder 
es ift auffrurifch, fo zart ift die etft welt werden. ij Timeth. im. Gott erbarme.“ Ueber: 





Sebaftian Frank als Geograph. 259 


Berfiherung erklärt fih duch den ganzen Charakter feines geographi- 
fhen Werkes. Es kam ihm hauptſaͤchlich auf etinographifche Schilde⸗ 
rungen an; was bamald als das fpecififch Wiffenfchaftliche in ber 
Geographie galt, das Aftronomifche, lag, wie er offen befennt, über 
fein Bermögen und fein „Profefi " hinaus. Den LXefer will er dage- 
gen durch Die Mannigfaltigfeit des Stoffes gewinnen und intereffiren, 
und gewiß Hat ihn, ungeachtet feines Strebens nach gefunder Kritik, 
hie und da Die Luft am Wunderbaren berüdt, welche alle geographi- 
fhen VBoltsbücher des ausgehenden Mittelalters charafterifirt und in 
den neuen Seefahrten reichliche Nahrung fand. Er warnt auch da- 
vor, alles Seltjame fofort für unwahr zu halten, da es eigentlich nur 
auf die Gewohnheit der Betrachtung anfomme. Mit der Vorliebe für 
ethnographiſche Charakteriſtik war natürlich auch die Befchränfung auf 
die Hauptländer der Erde gegeben, die er nach Weife der Maler gleich- 
fam mit einer „kolen“ gezeichnet; weiter zu gehen, mahnte ihn feine 
Beicheidenheit ab, denn auch das Endliche hat feine Tiefe*). Diefe 
Ehrfurcht vor den Dingen bildet einen fchönen Contraft gegen die my- 
ftifche Ueberſchwaͤnglichkeit, die fih in anderen Werfen des Vfs. Fühn 
an das Göttliche drängt. Davon ift das vorliegende Buch frei, und 
nur fehr felten redet er von einem tiefen, inneren Sinn. 

So hatte denn der Pf. ein Recht zu fagen, daß fein Buch der 
Art fei „wie vormals dergleichen in Teutjch nie außgegangen.” Um 
von vornherein eine gute Meinung von der Zuverläffigfeit deffelben zu 
erweden, fagt er fhon auf dem Titel: „nitt aus Berofo, Joanne de 
Montevilla, Brandon’s hiſtori, vnd dergleichen fabeln“. Der Tadel 
des Berofus trifft nicht die koſtbaren Fragmente des alten Geſchicht⸗ 
fchreibers, fondern gilt von den Haffifchen Fabrikaten des Annius oder 
Johannes Ranni von Biterbo **); die Zurüdfegung des Joannes von 


haupt fcheint er am den Wendungen bes Proteftantismus feine Freude gefunden zu 
haben, man vergleiche nur, was er im zweiten Theil Von der angebornen eygnen 
terheit des wufläten wanckenden pofels Herromnes (d. i. Herr Omnes)* fagt. Durch 
das ganze Kapitel geht die ſchueidendſte Verachtung des großen Haufens. 

*) „Dann die welt, Gottes werd und gefchöpff, wiewol enbtlich yedoch tieffer 
vollfammmer vnd verborgner, dann eynich feber erzenchen oder eim zung außfprechen 
mag.» (Borrebe.) 

“) Sch bemerkte übrigens, daß bei Frauk noch ein Nicolaus Berofus aus Vene⸗ 
big erwähnt wird, über den mir alle näheren Nachrichten fehlen. 


17 * 





260 MR. Goſche: 


Manteville befremdet, weit ſie ſich im entjchietenften Gegenſatz zu der 
damals geltenden Volksmeinung befindet, welche fich feit mehr al8 einem 
halben Jahrhundert an der Lectüre dieſes geographiichen Romans er: 
quiet fatte, wie er bejonder3 in der von Gerpinus mit Recht getatels 
ten Bearbeitung des Otto von Diemeringen umging; tie Gerchichte 
Brandon's endlich oder vielmehr Des heiligen Brandan offen zu ver: 
werfen, that north, Da Dad Buch in neuen Bearbeitimgen gebrudt und 
gelejen wurde und ſogar Einfluß auf geograpbijche Entvedungsreijen 
hatte*). Schon daß unfer Gcograph den Muth batte, fo belichten 
Darftellungen, zu denen noch die von ihm auch hart getatelte Beer: 
fahrt und Reife Tietribs von Bern kommt, entichieden entgegenzutres 
ten, fann uns im Ganzen günftig für ihn und feine Quellenbenugung 
ſtimmen. Freilich wird er in Abjchägung der Quellen oft verwegen. 


*) Ich meine bier beſenders die Fahrt des Fernante de Troya und des F. Al: 
varez vom Sabre 1526, wozu man tie franifch: pertugieftichen Friedensartikel von 
Evora halten muß. Die Ginwirfung des genannten Wunderbuchs auf die geographiichen 
Anjchanungen tes Mittelalters if eine ungeheure geweien; and) in den geographiichen 
Merken der Araber läßt fie ſich wiederfinden. In ber Mitte tes zwölften Jubrhun: 
derts, als die Nermamenherrſchaft auf Zicilien fi in ihrer beſten Blute befand mr 
der Verkehr zwiſchen muhammeraniicher und remanifcher Gultur ein höchſt lebendiger 
war, ſchoͤrfte der kundige Idriſi jeine Netizen über die Infeln welich von Afrifa ans 
dieſen geegraphiſchen Legenden, vgl. Reinaud's Fundiges Urtheil in der Ginleitung zu 
feiner Uckeriegung bes Abuljera, p. CXVI; beſenders aber die Anmerfung zu I 
p. 263. Weiteres über vergleichen Mittbeilangen zwifchen Arabera und Chriſten werte 
ih an einem anteren Orte zufammenftellen; bier bemerfe ich nur noch, was zur Zeit 
unjeres Franf in Dentſchland von Brandan im Druck verbreitet war. Der erfie Druck, 
welchen Panzer und Hain nicht fenuen, findet fi chne Ort and Jahr zuſammen mit 
tem Herzog Ernſt unter den v. Meunſcbach'ſchen Schätzen der Kal. Bibliothef, in Hein 
Folio: "Die hebt fi au fan? Brandens Bud was er wunders erfaren bat“, leider de⸗ 
jet. Es felgen zwei Trude, die ich nicht gefehen habe, Panzer I Rr. 435 und 454, 
Augsburg, bei Ich. Froſchauer 1497 und 1498, 4%. Wieder in der v. Meunſebach“⸗ 
chen Bibliethek fintet fih: „Ten fant Branden ain hübſch lefen. was er wunders 
auf tem mer erfaren bat«, Ulm kei Hanes Zainer 1489, 4°. vgl. Banzer I Nr. 480. 
Es fcmmt der mir nicht näher befanute Trud bei Panzer I Nr. 675: »Sant Brau⸗ 
den's Leben“, Straßburg, Math. Hüpfuff 1510, 4°., danı: » Sant Brandons bad 
vund Ichen mas wunders er erfarenn hat auf dem mere neun gautze jar⸗, Grfferit, 
turh Hanns Kuappen 1513, 4°. mit Helzichnitten (in 2 Eremplaren auf ver Rol 
Biblicthef); endlich ver bei Panzer fehlende, wahrfcheinlich gegen 1520 gemachte Oruck: 
"Bon fant Brandon ein hübſch lieblichs leſen, was er wunders anff dem Meer erfa⸗ 
ren hat⸗, o. O. m. J. Die echte Form des Namens if Braudaunéc, Brandan; 
dann tauchen auf Brandenns, Brandaines, Brendan m ſ. w. bis im 15. zur 
16. Jahrhuudert für Deutfchland Brandon fich ſeſtſetzt. 


Sebaftian Frank ala Geograph. 261 


Weil allen Menſchen ein natürlicher Geift der Blindheit innewohne, 
und doch die Bücher meift von natürlichen Menfchen gejchrieben wür- 
ven, fo fei Deren Wort immer zweifelhaft; felbft um die H. Schrift 
richtig zu faffen, bevürfe es eines ganz eigenen Sinnes *). Aber er 
hat doch aus zahlreichen Schriften ein vecht mannigfaltiges Bild zu: 
\ummenzuftellen gewußt. 

An die alten Kosmographen lehnt er jich mit Vertrauen an, weil 
lie allgemein angenommen waren und ihm darum glaubwürdig erfchie- 
nen. Voran fteht Ptolemäus, der, wie er überhaupt der Ausgangs: 
punft der Kartographie ift, zur Zeit der großen Entdeckungen noch die 
Grundlage der Erpbefchreibung bildet. Sein Anfehen war fo groß, 
daß Frank beforgt ift, ihm eine Vermechjelung, einen Irrthum Schuld 
ju geben, weil folches die Kosmographen nicht gern zulaffen oder hö— 
ven würden. Neben diefem fteht dann Strabo, Der zur antiten Böl- 
ferbefchreibung vieles hergeben muß; aber noch häufiger, als ber 
legte, wird Plinius genannt, der in feiner compilatorifchen Weife 
viele Achnlichfeit mit Sebaftian Frank hat, wie Sebaftian Münfter, 
Franfs Nachfolger, wieder gern mit dem Strabo verglichen worden 
if. Auch die ganz von Plinius abhängige Compilation des Solinus, 
der das mehr Naturhiftorifche feiner Quelle aber ausgefchieven hat, 
wird nicht verfchmäht; ebenfo finden wir den Pomponius Mela ver: 
haͤltnißmaͤßig oft ausgefchrieben. "Zur Beftimmung aftronomifch- geos 
graphifcher Begriffe Haben außer Ptolemäus unter den Alten noch be- 
jonders Eudorus und Eratoſthenes gedient; auch von Marrobius ift 
Manches genominen. Das mannigfaltige Detail zumal zu ethnogra- 
phiſcher Charakteriftif Kiefern Herodot und Diodor von Sicilien, aus 
welchem legten wir fogar über den Urfprung des Agyptifchen Kairo 
unterrichtet voerven. Wir begegnen den Namen Theopompus, Polybius, 
Jofephus, Hyginus; fogar griechifche Philoſophen, deren Kenntniß ziem⸗ 
ih ein Jahrhundert vorher das wiflenfchaftliche Leben in Italien zu 
vermitteln begonnen hatte, werben ald geographifche Auctoritäten auf- 
geführt: Plato, Parmenides, Ariftoteled. Die römifche Hiftoriographie 
darf ihre Beiträge ebenfowenig verweigern, uub wir finden hier und 





2) „Darumm auff fein buch fi ficher zumerlaffen ift auch mit der H. fchrifft, 
mon hab dann von Bott gelert das vrteyl bei fich, und verftee es nach dem geyft und 
Ann EHrifi, wie es Bott gemeynt hab.“ (Vorrede.) 





262 R. Goſche: 


da Fragmente des Livius, des Cäfar, ſelbſtverſtaͤndlich bei Deutſchland 
des Tacitus, ferner des Juflinus und Ammianus Marcellinus, des 
Barro und Valerius Marimus, ja fogar des Ovid, Senefa und Lu⸗ 
fan, von denen nur dad mittelalterliche Anfehen des erfteren die Ans 
führung in einem Weltbuche erklärt. 

Wenn er ſich auf lateinijche Tichter des alten Heidenthums bes 
ruft, fo kann es auffallen, daß er den Kirchenvätern weniger traut. 
Ich zweifle keinen Augenblid, daß dem wirklich ein mehr theologifch- 
polemiſches Intereſſe zu Grunde liege. Dem ungeachtet feiner vies 
len Mängel ftofflih fo intereffanten und einer literarijch -philologi- 
chen Unterfuchung fehr bebürftigen encyklopädifchen Werfe des Iſido⸗ 
rus durfte er feine Anerkennung nicht verfagen; vor dem 5b. Auguſtin, 
defien er an polemifchen Stellen gedenkt, hat er ſich gern gebeugt; die 
Werke des h. Hieronnmusd waren für vorberafiatiiche Geographie zu 
wichtig, um übergangen zu werden; Fühler gebt er an Chryfoftomug, 
Tertullian und Lactantius vorüber. Bon Hiftorifhem Werth war Oros 
fius, und um dieſen noch hier gleich zu erwähnen, Beda Benerabilis, 
defien Weltchronif und englifche Kirchengefchichte reichlihed Material 
boten, und zwar ein Material, welches die Interpolationen der zablrei- 
hen Handfchriften immer auf dem Riveau der Zeit zu erhalten fuchten. 

Doch auch an wirklich geographifchen Quellen fehlte es unſe⸗ 
rem Frank nicht; eine Reihe von Reiſewerken, auch ſchon aus dem 
Mittelalter, hat ihm vorgelegen, an die er aber nicht ohne Vorſicht ge⸗ 
gangen iſt. Es iſt charakteriſtiſch für Die tendenziöfe Weiſe des ſechszehn⸗ 
ten Jahrhunderts, daß Frank beinahe leichtgläubiger gegen altheidni⸗ 
fche Poeten, ald gegen die Land- und Seefahrer des chriftlichen Mit 
telalters if. Unter ihnen weiß er aber wohl den fo adhtungswerthen 
Marco Paolo von Benedig zu fchäben, den man auch fchon feit dem 
Nürnberger Drud von 1477 in Deutſchland ald Bollsbuch las. Auch 
waren ibm die Rejultate der Fahrt unter Mongolen und Tataren bes 
fannt, welche einige Dominikaner, unter ihnen bejonders Adcelinus und 
ein Franziskaner, Joanne de Plano-Carpini, um die Mitte des 13ten 
Sahrhunderts unternommen hatten und für deren Berbreitung fchon durch 
die Bearbeitung im Speculum historiale ded Bincenz von Beauvais *) 


*) Buch 31. Dal. Halluyt Br. 1. 


Sebaftian Frank ald Geograph. 263 


Sorge getragen war. Desgleichen finde ich Spuren, daß auch die 
Reife des friauler Minoriten Oderico von Porbenau, welche fich un: 
gefähr auf Das von Marco Paolo durchwanderte Rändergebiet erſtreckte, 
von ihm benutzt worden ift, obgleich der lateinijche Bericht zuerft durch 
Ramufio *) befannt wurde. Zür die Nachrichten über Aegypten und 
den Drient im engeren Sinne dient befonderd die KNeifebefchreibung 
Bernart's von Brayttenbach, welche feit 1486 deutfch und lateinifch 
vorlag und Frank's Lobiprüche fo ziemlich verdient **); ebenfo der ch- 
renvefte Hans Tucher von Nürnberg, defien liebenswürdigen Bericht 
man feit 1482 öfter gevrudt hatte. Neben diejen beiden beutfchen 
Quellen find auch die Berichte des Bolognejerd Ludovico de Bar: 
thema ***) ausgebeutet, die in dem erften Viertel des 16ten Jahr⸗ 
hunderts fchon durch ganz Europa befannt waren, italienijch 1510, 
lateiniſch 1511, deutih 1515, fpanifch 1520. Endlich tritt für die: 
fen geographifchen Kreis, befonders aber für die osmanifchen Verhält: 
niffe, oft auf ein „Sibenburger, XXI jar in der Türdey in gefandnis 
geweſen“, defien Perfönlichfeit mir aber fonft ganz unbefannt if. Es 
gab gewiß damals folcher Unglüdlichen nicht wenige Bon ihnen er: 
hielt Frank bei weiten das meifte Material, wenn er mit chriftlichem 
Groll gegen ven Türken ftreitet, noch mehr aber, wenn er türfifche Ber: 
hältniffe zur Polemik gegen den damaligen Stand der chriftlichen Kirche 
verwendet, wie wir fehen werben. 

Was aber für einen Geographen des 16ten Jahrhunderts das 
Interefjantefte und Wichtigfte war, die aufgefundene neue Welt zu be— 
fchreiben: dazu dienten Die Berichte der großen Seefahrer +), von denen 
damals die ganze europäifche Leferwelt bewegt war. Hier war mehr 
Wunder, ald in S. Brandan’s fo gern gelefener Wundergejchichte, und 


*) Bd. 2 und Hafluyt Bd. 2. 
“) Ihm gilt dieſer „Kammerer« als ein „ſeer gelert und weit erfarner⸗, als 
ein "glaubwärbig dapfier Mann“ vgl. befonders BI. 15. 

#34) oder Barthema, bei unferm Frank natürlich unter dem Tatinifirten oder germas 
nifirten Namen Ludovicus Vartamannus, Ludwig Fartoman; er heißt öfter der „ge: 
ſtrenge⸗, der „edle Ritter». Aus ihm find ganze Abfchnitte entnommen, 3. B. der 
über Aethiopien. 

+) „bie ihr veyß vnd hyſtorien groß mechtigen Künigen und Keyſern haben be: 
diciert, da ye mitt zu vermutten if, des fy diſen Iugen haben zu gichriben, vnd mit 
eitteln erdichten worten hoffiert“ fagt Frank irgendwo gewiß grade mit Beziehung 
auf biefe. 


264 R. Goſche: 


das Intereſſe der Reiſenden wandte ſich raſch von dem gelobten Lande 
nach dem Lande einer neuen Verheißung. Frank erkannte in den Meer⸗ 
fahrten der Portugieſen und Venezianer, welchen letzten er mit Härte, 
aber nicht ohne Wahrheit Fürwitz und Geldhunger ald Motiv unter⸗ 
legt, die dritte, Epoche der Erſchließung der Welt, deren Borgänger 
das Reich Alcranderd des Macedonierd und die römijche Weltherrfchaft 
geweſen feien. Niemand hat tie Bebeutung diefer neuen Entdedun- 
gen für geographifche Wiſſenſchaft und Literatur herrlicher gefchilvert, 
al8 Alcrander von Humboldt in feinem Werke, das zugleich die Ent- 
widelungsphafen der Menſchheit mit in die Betrachtung gezogen bat. 
Bon dem großen dort aufgebedten Reichthum tritt und nur wenig in 
dem bürgerlichen Haushalt des Frankſſchen Weltbuchs entgegen, wir 
finden beſonders die Berichte der drei: Chriftoph Columbus, Ferdinand 
Cortez und Amerigo Veſpucci. Bon Columbus gingen bald nach ſei⸗ 
ner Reife populäre Erzählungen in Deutfchland um, nämlich feit dem 
Straßburger Drud von 1497; von den Relationen des Ferdinand 
Eortez ift befanntlich noch nicht alles gebrudt, ja die erfte und gewiß 
wichtigfte jogar verloren; in der Originalfprache erfchien einzelnes fchon 
1522 zu Sevilla und 1523 zu Toledo: ob es aber jchon frühzeitig 
deutfche Bearbeitungen gegeben und in welchem Verhultmiß etwa Frank 
zu dieſen geftanden habe, weiß ich durchaus nicht zu jagen. Eine ähns 
liche Unficherheit findet rüdjichtlicd der Reifeberichte des Amerigo Be 
ſpucci ſtatt; nur der dritte ift 1506 in deutſcher Sprache zu Straß 
burg und Leipzig gedrudt worden. Sonft mochten übrigens auch al- 
lerlei Rachrichten vielleicht mündlich verbreitet fein, 3. B. durch die Bes 
netianer, welche im Orient noch feite Stationshäufer hatten und von 
denen fpäter das Zeitungswefen ausging; einiged Andere werde ich 
nachher bei Amerika felbft noch nennen. 

Was dis auf Sebaftian Frank zur Verarbeitung des nach und- 
nach gelieferten Materials gefchehen war und dieſem daher als wills 
fommenes Hülfsmittel dienen Fonnte, bewegt fich vorzugsweife in der 
Richtung der aftronomijchen Geographie. Mid) duͤnkt, Daß es über: 
haupt ein charakteriftifches Merkmal für die Gefchichte der Geographie 
und für ihre Weſen felbft ift, ob fie auf Aftronomie oder Hiftorie ba⸗ 
fire. Das erſte ift der Kal in den Jahrhunderten, in denen der 
Menfch mit fi) und feinem irdiſchen Wohnhaufe noch nicht vertraut 


Sebaftian Frank ald Geograph. 265 


it; manche Bölfer find aus diefem Stadium nicht herausgetreten, wie 
bei aller fonftigen Bortrefflichfeit die Araber; bei den maßlofen An- 
ſchauungen der Inder ergänzt eine gefhäftige Phantafie in den genau 
beftimmten Sphären des Jenſeits, wovon die reale Anfchauung ihnen 
im Dieſſeits verſchloſſen war. Die neuere Zeit hat die ethifche Aufgabe 
des irdifchen Planeten verflanden und Hier wird die Geographie vie 
tegitime Schwefter der Gefchichte der Menſchheit. 

Frank Fonnte nur folche Erbbefchreibungen benuben, welche von 
Aſttonomen und Mathematifern verfaßt waren. In dieſe Claſſe ges 
hört der von ihm öfter citirte Joann Künigfperger, der eigentlich Muͤl⸗ 
ler hieß, aber unter den latinifirten Namen NReglomontanus und Mo- 
liter bekannter ift *). Er flammte aus dem fränfifchen Königsberg 
und flarb, ausgezeichnet durch mathematifche und aftronomifche Kennts 
nifie, al8 Bifchof von Regensburg. Bon derfelben Seite find wichtig 
bie beiden Zeitgenoſſen unferes Geographen, Pelicanus und Laurentius 
Srieß, beſonders aber der Ingolftädter Profefior der Mathematif und 
Aftronomie Petrus Apianus, eigentlich) Bienewis oder Bienemann **). 
Nah ihm, der wieder zum Theil von dem Nürnberger Johannes Wer: 
ner abhängig it, hat Krank an fehr vielen Stellen gearbeitet, ja ganze 
Gapitel aus ihm entlehnt, fo daß wir ihm rüdfichtlih der Redaction 
der neuen geographifchen Daten für den hauptfächlichiten Vorgänger 
Franfs Halten müſſen. Er fchrieb aber feine 1524 in Landshut er- 
ſchienene Kosmographie lateinifch und ift daher für die Gefchichte der 
deutfchen Bildung überhaupt viel weniger wichtig, als Frank. Seba⸗ 
ſtian Münfter, welcher fpäterhin unfern Frank weit überflügelt, konnte 
auch nur für aftronomifche Punkte vor der Hand von Bedeutung fein 
Endlich ift noch zu erwähnen der erft neuerdings eingehender gewür⸗ 
digte Martin Hylacomylos (Ilacomilus), von dem Frank mit gro- 
ßem Recht es als etwas fehr Bedeutjames Hervorhebt, daß er die Au- 
topfie der neuen Seefahrer der alten Kosmographie vollftändig gleich 
geachtet habe — ein Urtheil, dad dem allmächtigen Ptolemaͤus gegen: 
über für das 16te Jahrhundert von Bedeutung war. 

Reben viefen allgemeinen Werfen bedurfte natürlich Frank, wie 


=) Lebte vom 6. Juni 1436 bis 6. Juli 1476. 
se) 16. Mpril 1495— 21. April 1552. 


266 R. Goſche: 


neben den antiken Geographen der Hiſtoriker, ſeiner ganzen Richtung 
nach noch manche Notizenſammlungen. Als ſolche dienten ihm Gio— 
vanni Boccaccio's Schrift über die Namen der Berge, Wälder u. f. w.; 
des Minoriten Bartholomäus Anglicus *) Buch über die Eigenthüm- 
lichfeiten der Dinge; Petrus de Aliaco oder Alliaco **) aftronomijch: 
theologifche Arbeiten; Bartholomäus Sacchi's ***) Biographien der 
Papſte, die bei den Interefien des fechözehnten Jahrhunderts durch ve: 
netianifche, parifer, leybner, Fülner und andere Drude jeit 1479 große 
Verbreitung gefunden hatten; des Antonius Coccius Sabellicus uni- 
verjalhiftorifche Enneaden und venetianifche Defaden, welche beide feit 
1487 in Venedig gebrudt wurden; die mehr philologifchen Schriften 
des bolognifchen Gelehrten Philippus Beroaldus +), der fi) beſonders 
mit Plinius befchäftigte und unter Anderem Vergleichungen zwifchen 
dem römifch-Fatholifchen und dem ägyptischen Ceremoniell anftellte ++). 
Wie aber begreiflicher Weije in dem Weltbuche Europa den Mit: 
telpunft bildete und in Europa wieder Deutfchland, fo hatte auch 
Frank mancherlei zur näheren Kunde dieſes feines von ihm ebenfo ge- 
ſchmähten, als vielleicht geliebten WVaterlanded gefammelt, wozu aud) 
fein wechfelnder Aufenthalt in Ulm, Nürnberg und Bafel Gelegenheit 
geboten. Wir finden den herrlichſten deutichen Gefchichtichreiber Des 
Mittelalter, Otto von Freifingen, benugt; desgleichen die Schriften 
des Aeneas Sylvius, deſſen geographifche Werfe mit ihren reichlichen 
Notizen über Deutſchland noch im 17ten Jahrhundert veröffentlicht 
worden find; ferner die „Ehronica Herr Jacobs, Firchherr zu Treu: 
fenheym " aus dem Jahre 1386, welche befonderd von Elfaß und 
Straßburg handelte; die Unterfudhungen über deutfche Gefchichte und 
Altertjüümer von Beatus Rhenanus Fr) aus Schlettftabt, einem ch: 
venwerthen Philologen, der für alle Punkte altveutfcher Gefchichte 
Frank's Hauptauctorität iſt; bie verfchiedenen hiftorifchen Werfe des 


*) Gigentlih Glanvil, um 1360. 

**) Gigentlih d'Ailly cder d'Arliac ans der Pifardie, 1380— 1419, 20, 25. 
**) Aus Piodena, daher PBlatina genannt, 1421 — 80. 

1) 1453 — 1505. 

tt) Dergl. Frank BL.9v. 
tr) Gigentlih Bilde, 1485 — 1547. 





Sebaftian Frank als Geograph. 267 


bayerifchen Gefchichtfchreibers Johann Aventinus *), der befonders für 
Schwaben und Bayern Ausbeute gab, und endlich den fo vortreffli- 
den Wilibald Pirkhaimer an vielen Stellen. 

Ich könnte noch manche mehr oder minder befannte Namen hin- 
zufügen; aber ſchon aus diefer Reihe von Quellen und Hülfsmitteln 
kann man den gerechten Schluß ziehen, daß Frank in der That mehr 
Bücher gelefen Hatte, als viele, die im 19ten Jahrhundert Handbüs 
der der Geographie jchreiben, und daß er es nicht gerade verdient, 
von feinen fachgelehrten Zeitgenofien hin und wieder verachtet zu werben. 
Es giebt genug Yachgelehrfamfeit, welche für ihr Wefen nur die Maffe 
des Gelefenen hält. Was Frank kannte und nicht Fannte, fagt er ohne 
Scheu; ich Habe ſchon bemerkt, daß das Aftronomifche ihm ferner lag. 

Daher geht er denn auch nicht, wie fein Nachfolger Sebaftian 
Münfter, der dazu auch gerade durch fpeciellere aftronomifche Studien 
befühigt war, von einer weitläufigen Auseinanderfegung der aftronos 
miihen Grundbegriffe aus, fondern giebt, mit Berufung auf die latei⸗ 
niiche Kosmographie ded P. Apianus, nur einige allgemeine Begriffs: 
beftimmungen. Was er über die Gradmeſſung und danach über die 
Größe der Erde fagt, fchließt fich, genau betrachtet, an die Eratofihes 
niſchen Argumentationen an; denn auch nach diefen wurde der ges 
fammte Erdumfang 250,000 Stadien betragen. Frank ſcheint alfo gar 
nichtd von der verhältnißmäßig jehr genauen Gradmeſſung des fran- 
zöfifchen Arztes Jean Zernel vom Jahre 1525 gewußt zu haben, ob- 
gleich deſſen Werke feit 1526 gebrudt vorlagen. Man fieht aus dem 
Ganzen, beſonders aus den Sägen über die Größe der Erde, daß er 
wirklich fein mathematifcher Kopf war. 

Die Geographie defmirt er fo, daß fie fei „ein befchreibung der 
welt, wie ſy erfaren, gefehen, vnd yr gelegenheit erfent wirt, vnd gleich 
ein abmalung der fürnempften ort, berg, wald, flüfß, wie es an ein- 
ander ſtoß vnd hang, mit jren grengen vnd mardfteynen, und wird 
von Coſmographia vnderſcheyden, Das ſy das erbtrich mißt, vnd vn- 
derfcheypet mit bergen, flüffen vnd mör, Cofmographia aber durch Die 
eirdel des Himmels, und Geographia ift fat nug denen, die die Bibel 
und allerley gſchicht und fabel zuuerfteen begeren. Corographia funft 





*) Bon 1466— 1534. 


268 NR. Goſche: 


Topographia genant, befchreibt fundere örter (als Petrus Apianus Das 
Benerlandt) eygentlich vnd volfummen, ald ftee ed vor den augen da, 
fogar, dz fy Fein berg, hof, bechlin, hauß, thurn, maur, holt und vold, 
eiwan anzuzeygen vnderlaßt "*). Dann kommt er zur Befprechung 
der Winde und der Zonen, deren Verteilung eine wunderliche Erdge⸗ 
ftalt vorausjegen laßt, und nachdem er eine kurze Notiz über die In— 
jeln Europa’s und Afrika's gegeben, tritt er mitten in bie Sache Bin- 
ein, um in dem erften Theile Afrika, im zweiten Europa, im Dritten 
Aften und im vierten, legten und fürzeften Amerifa zu behandeln. 

Sn der Darftellung Afrifa’s ift die Verwirrung, die Zufam- 
menmifchung von Altem und Reuem, von VBermuthetem und Wirkli⸗ 
chen befonderd groß, wie fie es eigentlich in den folgenden drei Jahr: 
hunderten immer mehr oder weniger gewefen ifl. Er geht von Aethio- 
pien aus und unterjcheidet ganz richtig ein doppeltes Land tiefes Na— 
mens, ein afrifnnifches und ein indifches, welche Unterfcheivung für 
manche geographiiche Beftimmung von den KHomeriden bie zu dem 
chriftlichen Sprachgebrauh des beginnenden Mittelalterd herab von 
Wichtigkeit if. Darin freilich irrt unfer Geograph, wenn er meint, 
daß Diejenigen, welche nach den Nilquellen fuchen, nad) Indien kom⸗ 
men **). Nachdem er mit Benugung des Plinius, Iſidor, Sabellicus 
und Johannes Aubanus Bohemus Einiges über die Sitten und Ge 
brauche der Aethiopier und Mohren beigebracht hat, läßt er aus Lud— 
wig de Varthema's Bericht vom 3. 1507 einen Abfchnitt über Aethios 
pien folgen **). In dieſem fällt die Befchreibung der Weife des 
Sprechen bei den Eingebornen auf, welche uns ganz an die Geficht- 
verzerrungen der Ehhkili- oder Himyariſch-Redenden bei Fresnel erins 
nert +). Weiterhin fpricht er über das alte Aegypten mit großer Aus— 
führlichkeit, und ich glaube, daß den proteftantifchen Volemifer dort bes 
ſonders das Verhaͤltniß zwifchen Koͤnigthum und der zahlreichen Bries 
fterichaft angezogen habe. Wirklich Authentifches bringt er erft bei der 


e) Bl. 3. **) Dal. Bl. 16. #4) Bl. 7. 

+) Es heißt bei Frank: „Dig land hat auch vil Imfeln gar einer frembden 
ſprach, was ſy Zreden das thun ſy mit groſſer arbeit, ex truckt vnnd Frimmet fi) und 
redet mit allen glidern, biß es fein ſprach herauß nötet, das ynen zumal ubel anſteet, 
aber doch die gewonheyt die macht ein wolſtand bey yn daranß.“ Dazu halte man 
Fresonel's Bericht im Journal Asiatique, 1838 T. 6. S. 538 ff. 


Sebaftian Frank ald Geograph. 269 


Beihreibung von Kairo vor, die bei ihm Chayrum oder Alkeyr Heißt 
und als die größte und volfreichfte Stadt in der Welt gilt; feine Nach- 
richten beruhen befonders auf der Neifebefchreibung des Bernart von 
Brayttenbach, dann wohl auch auf venetianifchem Handelöverfehr und 
den Erzählungen gefangen gewefener Chriften. Wir erfahren, daß ſich 
in Kairo über 15000 Juden, welche allerlei Gewerbe und Handel trei- 
ben, und über 8000 Wafferträger befinden. Diefelben Quellen und 
außerdem noch der Reifebericht Hans Tucher's von Nürnberg liegen 
der darauf folgenden Beichreibung von Aleranprien zu Grunde, deffen 
Größe auf anderthalb Nürnberg gefhäßt wird *); Brieftauben, Brüt- 
öfen u. |. w. werden gegen den Verdacht der Lüge vertheidigt. 

An Afrika reiht ſich die Befchreibung der Injeln des mittelländis 
hen Meeres, welche fat nur auf den alten Geographen beruht. Mit: 
ten hinein tritt Scandinavia oder Scandia, woher nach Frans Mei- 
nung die Langobarden gefommen find **). Daran wird eine Aufzäh- 
lung der „53“ Meere gefnüpft; aber zu bemerfen ift, daß hier bie 
Nachrichten der portugiefifchen Seefahrer noch feine Stelle gefunden ha- 
ben, fondern erft fpäter bei Aften benupt werben. 

Nach einigen zerftreuten Notizen beginnt das zweite Buch über 
Europa, deſſen allgemeines Bild nach Petrus Apianus gegeben wird. 
Er wendet fich natürlicherweife von vornherein fogleich an Deutfchland, 
und man fann fagen, e8 zeigt fich ſchon bei unferem Frank, dieſem 
Prototyp des modernen Literaten, jene fpäter fo modiſch gewordene 
unpatriotifche Unnatur, welche ein rechter Seribent des jungen Deutſch⸗ 
lands Haben mußte, nämlich die frappante Sitte, auf fein eigenes Va⸗ 
terland zu fchmähen. 

Frank verdient aber einige Entfchuldigung. Denn man kann kei⸗ 
nen Augenbli zweifeln, daß bei ihm ein tiefer fittlicher Ernft mitwirfte, 
und Nienand darf es ihm verargen, wenn er an die Spige feines 
zweiten Buches die Worte ftelt: „Wilibaldus Birdheymerus fchreibet, 
in erplicatione Germanie, es reim fich nichts wenigers, dann daß die 
Teutfchen die weitten welt befchreiben vnd durchreyßen, vnd Germa- 
niam yr eygen vatterland nit wiſſen **). Das ift die uralte vater- 
laͤndiſche Streitfrage bis hinein in das Arndi’fche Lied mit feinen zwan— 


®) BLIG”. *2) B.19. **60) BI. 22. 


270 R. Goſche: 


zig Fragen. Bitter und hart iſt Frank gegen ſein Volk, ſo daß man 
die ſcharfe Charakteriſtik felbft nachlefen möge. So ſagt er*) von 
und: „Weiter ift daS Teutjch vold Germanie ein zeerlich vatlich vold, 
dz Eoftlich herrifch lebt, bawet vnd gekleydet wil fein, ym feer vil dar⸗ 
legt, vnd allzeit mer verthun will dann es hat. Deshalb ed an gold 
und gelt gemennflich nit ein habhafft flattlich vold ift wie die Walhen, 
Türden. etc. Darzu faufft e8 undhriftenlidh zu, wein, bier, vnnd was 
es hat, fpilt, braßt, vnd wann es hat fo thut es, doch an einem ort 
mer dann an dem andern, dann wie Germania mancherley prouing in 
fih Hat, alfo auch an mancherley volds, fitten, breuch, glauben, kley⸗ 
dung. Es iſt auch fo ein vachgirig, anhebig, vnleidenlich vold, gegen 
fein feinden (doch langfam zu erzümen) das yhm fein grewlich⸗ 
feit zu vil ir, funderlich in Friegen, das fy wol neben dem Türden 
bleiben. Es ift auch fein volck, darbey die gotölefterung yres Gots 
fo gemeyn ift, vom find an bis auff den alten, ald bey den Teutjchen. 
Es heyßt aber Germania das difes vold an farb, gfagen, glauben, 
geftalt etc. gleichfame bruder feind, welche Germani genent werben.“ 
Zur Belebung der Schilderung dienen vielfach Sprücdhwörter, in deren 
Sammlung und Behandlung Frank bekanntlich Meifter war; ja fein 
Stil, wo er freier vom Stoff erfcheint, hat ganz die prägnante Weiſe 
derjelben. 

Nach den allgemeinen Bemerfungen über Deutfchland und Europa 
folgt mit befonderer Beziehung auf W. Pirdhaimer eine Zufammen- 
flellung alter und neuer Namen von Flüfien, Bergen, Völkern und 
Ortſchaften Deutichland’s **), und diefe wird mit einem Bericht über 
altdeutfche Sitten gefchlofien. Der gefchichtliche Zufammenhang führt 
auf eine allgemeine Befprechung des franzöfifchen Reichs, von welcher 
Frank zu einer heftigen Erpofition über den Pöbel überhaupt weiters 
geht **). Es it eine arge Invective auf die Vollsmafie, und ich 
glaube wohl, daß man dieſe in fo aufgeregten Zeiten, wie das 16te 


“) Bl. 425. 

“er, Bol. Bl. 24°. Darunter findet fi) manches Bemerkenswerihe; z. B. 
in Rhätien Enblavio = Briren, Abufiacnm (Abodiacum) = Füſſen „gwiß* (alfo nicht 
Abach), Tragetium = Stülingen (nach neueren Unterjuchnngen if dies Juliomagus), 
Bracodurum = Phullendorff u. f. w. 

en*) B37V. 


Sebaftian Frank als Geograph. 271 


Jahrhundert war, gruͤndlichſt verachten lernen mußte, wie ſie Neuerung 
liebte und in nichts beſtaͤndig war, und daß Frank geradezu des ge- 
meinen Mannes Lob als eine Unehre bezeichnen konnte. Nach ver 
Befprehung der kirchlichen Verhaͤltniſſe, bei denen die große Zahl ber 
Klöfter in erfter Linie fteht, kommt er auf die Stände; hier zeigt er 
im Ganzen große Sympathien mit der Bürgerfchaft, welche damals 
das motorifche Element der Zeit bilden ſollte. Dann folgen die eins 
jelnen Länder: Defterreih mit Wien, dem 50,000 €. gegeben wers 
den; Mähren und Schlefien mit der damald größten Stadt „Brünn“; 
Schleſien, in welchem die Oder (Ader) die Sprachgrenze gegen die 
Polen bildet; Franken mit einem „hochtrabenden Volke”, über deſſen 
Aderglauben manches Interefiante beigebracht wird; das fehr gelobte 
Schwaben; Bayern, bei welchem mancherlei gefegliche Beftimmungen 
mitgetheilt, der Kirchliche Sinn und die Grobheit hervorgehoben wer⸗ 
den *). Bon da fpringt er nach dem Norden über und behandelt Lit⸗ 
thauen, Livland, die Maffageten, Preußen, Moskowiten und Ruſſen. 
Dann fährt er in Deutfchland fort. Zuerft kommt Meißen; er lobt 
die Einwohner diefes Kreifed als ganz von der grimmigen und wils 
den Art der Deutfchen überhaupt abweichend: fie feien zwar Fräftig 
und flarf, aber fchön und gerade, gütig, friedfam, freundlich und zahm **). 
Thüringen wird nur furz berührt, dann aber wieder Land und Stamm 
der Sachſen hervorgehoben. An diefem Namen haftet nun einmal al- 
ter Ruhm und es hat fih auch diefer alte Stamm mit feinen Ausläus 
fern in dem Fortgange: der Gefchichte al8 der zur Meer- und Welts 
berrichaft präbeftinirte gezeigt. Frank fommt dabei auf unfern geographis 
hen Lebensfreis, weiß aber im Ganzen nur wenig zu fagen ***): 
„die Brandenburgifchen werden in zwo mardt geteilt, durch die alt 
int die EIb, Die neuwe mardt teylt der flufß die Ader genant, daran 
ligt Srandfort dz edel gewerbhauß, vnd zu Keyſerlicher wal erwölten 
ftatt, Die mard hat den nammen von der ftatt Brandenburg, alda ift 
ein Bifchoflicher ftul und der Mardgrauen gerichtszwang.“ Als die 


“) Es heißt BI. 54°: » Die Beyer feind ein gut Roͤmiſch andaͤchtig vold, das 
gern wullet, vnd (wie man mit jnen fcherget) che zu mitmacht in die kirchen fig che 
es daranß blieb +; und weiterhin: nicht feer ein hoͤflich vol, funder grober fitten 
vwd ſprach. 

*8) Bol. BI.58. #49) Bl. 59. 


272 R. Goſche: 


echten Sachſen werden die magdeburgiſchen bezeichnet, als größte Stadt 
Deutſchlands aber Braunjchweig. Die geographifche Wanderung geht 
weiter durch Dünemarf, Schweden, Norwegen, Lothringen, Island, 
Friesland nebft Utrecht, Holland, Weſtphalen, Heflen, Seeland, Bras 
bant, Burgund, Flandern, Elfaß (das ziemlich ausführlich behandelt 
it), Schweiz, Geldern, das alte und neue Frankreich, Großbritannien, 
Epanien, Portugal und Italien, bei defien Beichreibung das Alterthum 
viel Raum wegnimmt. Unter den nun folgenden Abfchnitten hebe ich 
hervor Böhmen, defien religiöfer Zuftand befonders intereffirte, Pos 
fen *), Griechenland mit Kleinaften, die Küftenländer des adriatifchen 
Meeres, Scythien, an welches fehr lehrreich die Tataren gereiht wer⸗ 
den, und endlich den Befchluß Europa’s bildend, die Türkei. 

Mit diefer, ihrem Volk und defien Sitten und Einrichtungen befchäftigt 
er ſich in großer Ausführlichkeit. Er hat hier gewiß befonders aus den 
Berichten der Pilger und der türfifchen Gefangenen, fo namentlich aus 
der Erzählung eined nicht weiter befannten Siebenbürgers gefchöpft, 
der 22 Jahre in der Türkei geweſen war und eine Zeit lang fich felbft 
zum Islam befannt hatte. In den reichlich gegebenen Berichten über 
Islam und Muhammed finden ſich ähnliche wunderlide Mißverftänd: 
niffe, wie fie in den Schriften fonft fundiger älterer Verfaſſer auftres 
ten, 3.2. in ded Petrus Alphonft Dialogi contra Judaeos, Aleran- 
der Dupont's altfranzöfifchem Roman de Mahomet, in Raymundus 
Lullus Livre de la loi au Sarrazin, Werfen von Männern, welche 
fonft das Arabifche vollftändig beherrfcht haben. Während Die ganze 
damalige chriftliche Welt den Türken fürchtete und verabfcheute, und 
in Gebeten, geiftlihden und weltlichen Liedern verfluchte, tritt unfer Ses 
baftian Frank nicht felten für ihn in die Schranfen. Er chrt die Ei- 
nigfeit und den Gehorfam in der wahrlich fehr naiven türfifchen Bers 
waltung, meint, daß nur die Uneinigfeit der chriftlichen Reiche den Tür 
fen babe groß werden und in Europa fich feftjegen laſſen **); er liebt 


— — 





*) Bl. 79: "über all andere völder ein ſauffend volf. = 

*®) Ich erinnere mich Hierbei eines ſonſt unbeventenren Vorfalls aus der Mitte 
des 17ten Jahrhunderts, der fih in folgender Heinen, fehr feltenen Brofchüre erzählt 
Rubel: »Bollführung der fonderlihen und wunderlicken Gedanken, welche bie vornehm: 
fen Potentaten und Herrfchaften in Guropa, wie auch in dem benachbarten Aka, über 
dem pehlniſchen Kriege Theile getragen, Theile noch tragen“, ehne Dradort 1657, 4°, 





Sebaftian Frank ald Geograph. 273 


der Nuhammedaner Ernft und Schweigfamfeit, da Niemand auf der . 
Gaſſe im Begegnen mit Büden, Schreien und Begrüßen viel Laͤrmen 
machen dürfe, ja er hebt fogar ihre Ehrbarkeit gegen bie Leichtfertig- 
keit der chriftlichen Mitwelt firenge hervor, und benupt endlich die Er- 
zaͤhlung von dem Anjehen des geiftlichen Standes im Islam zu einem 
harten Ausfall gegen das chriſtliche Moͤnchthum. So erfcheint auch 
biefer Mann Der Ertravaganz wechfelnd ald Gegner deutfcher Weife und 
als Freund ver Türken. Ueber die allgemeinen Berhältniffe des tür- 
fiſchen Reiches entnimmt er bei weitem das Meifle unmittelbar ver 
Koömographie des Apianus; um die Weife Muhammeds, an deſſen Ge- 
ſchichte er eine Darftellung der türkifhen Glaubensartifel anfchließt, 
deutlicher zu machen, reiht er *) zwei Fragmente türfifcher Predigten 
ein, welche, obgleich fie für Auslegungen und Abfchriften ausgegeben 
werden, Doch nur ihrer ganz allgemeinen fententiöfen Form nach für 
authentifch zu Halten find. 

Die Betrachtung dieſes mächtigen, chriftenfeindlichen Glaubens 
bifvet einen leichten Uebergang zu der chriftlichen Kirche und ihrer da⸗ 
maligen Lage. Es war die Zeit beforglicher Zerwwürfniffe; Deutfchlanv 
ſelbſt wird geradezu als in die vier Sekten der Päpftlichen, der Lu⸗ 
therifchen, der Zwinglifchen und der Täuferifchen eingetheilt angefe- 
ben **); Das veranlaßt unfern Geographen, die Darftellung des rö- 
mifchen und griechifchen Katholizismus mit einer Erpofition über den 
wahren chriftlichen Glauben *%*) zu eröffnen, welche von dogmenhiſto⸗ 
rifchem, noch mehr von religionsphilofophifchem Intereſſe if. Mit ei- 


Zu jener Zeit nämlich, als Oeſtreich fchon das Freunbfchaftsverhältnig zur Türkei an: 
knüpfen wollte, welches für biefe nie von weiterem Nutzen war, unb beide Meiche fi 
fon gegenfeitig mit bisweilen fehr fchmeichelhaften Legationen beſchickten: fam auch 
ein türfifcher Geſandter, Ibrahim, nach Frankfurt, dem dann die Dentfchen auf alle 
Beife ihre Nacht rühmten. Er aber fagte mit orientalifher Ruhe: „Er zweifelte 
zwar nicht fowol an ber Teutichen, als an deren andern chriftlichen Potentaten Macht, 
aber mit ihren Aufchlägen und Fürnehmen Fämen fie ihm nicht anders für, als ein 
Thier, welches viel Köpfe und viel Schwänze hätte. Denn wenn fo ein Thier durch 
einen Zaun kriechen wolte, fo fuchte ein jedweder Kopf ein fonverlich Loch, welches 
dan verhinderte, daß ber andere Leib nicht vollends Fönne hindurch kommen. Der 
türfifche Kaifer aber wäre wie ein Thier, das nur einen Kopf und viel Schwänze 
hätte, wenn er ſich mit dem Kopfe nur ein wenig Lufft machete, fo bringe ber ander 
Leib folgente hinnach und fchläge denn mit denen Schwängen frifch um fich. « 
*), 31.113. #9) 31.52. #40) BI. 123, 
Zeitſchr. f. allg. Srofunde. Bo. 1. 18 


274 R. Sofche: 


nigen Bemerkungen über bie chriftlichen Sekten ded Orients wird Dad 
weite Buch befchloflen. 

Das dritte handelt von Afien*). Die allgemeine Einleitung 
überfchüttet ung mit einer ungeordneten Mafje von Namen aus Pli⸗ 
nius und dem Abacus des Petrus Apianusd. Inter den aufgezählten 
Infeln begegnen wir wieder Taprobane **), über welches erft Ehr. 
Laſſen's fchone Unterfuchung das nöthige Licht verbreitet Hat; bei Frank 
war dieſe Infel ſchon einmal nach der Befchreibung von Stalien vor: 
gefommen, wo zerftreute Rachrichten aus alerandrinifchen Hiftorifern, 
römifchen Gefchichtichreibern und Ludwig de Varthema zufammenge- 
ftellt wurden; bier wird der Fluß Ganges auf fie verlegt; am Schluß 
Des dritten Buches wird fie ohne Weitered mit Sumatra identifidirt. 
Für das Kerngebirge Aliens gilt, wie bei den Alten, der Taurus, der 
fich in unfäglicher Länge von Often gen Weften erfirede, und viele 
naive Auffaffung wird fich zulegt in der That mit der geograpbifchen 
Wiſſenſchaft ziemlich auseinanderjegen fünnen. 

Sn der Specialbefchreibung handelt es fich natürlich vorzüglich 
um diejenigen Länder, welche für die Bibel und das Haffifche Alter: 
thum, und durch die neueften portugiefifchen Entdeckungen interefiant 
waren. Frank beginnt mit Afivrien und Syrien, an welches fich von 
ſelbſt Paläflina reiht. Died giebt Gelegenheit, ſehr weitläufig von den 
Auden überhaupt zu fprechen, und er fchaltet einen jehr großen Ab⸗ 
fchnitt über diefelben „in diſen binftod der hiſtori“ ein, weil nicht je: 
dermann alle Bücher haben könne ***); vie Grundlage bilden Das alte 
Teftament und der Talmud. An der Stelle, wo er von den Sabbath 
und den Feiertagen der Juden überhaupt redet, macht er die Bemer⸗ 
fung, daß das Papfttfum und das Mönchswefen nicht3 weiter fei, als 
ein reines Judenthum +). Rachdem er fid) lange mit den verjchiebe- 
nen Geremonien und Sitten befchäftigt, kommt er auf den Wucker der 
Juden, über den er vielfache und bittere Klagen erhebt. Nichts deſto 
weniger finden fich hier einige Anfüge zur Emancipation derfelben ++); 
ed wird erzählt, daß Antonius Margarita, ein getaufter Jude und Leb- 
rer zu Augsburg, gerathen habe, die Juden einfach zur Arbeit zu trei⸗ 


*) Bl. 139*. *#) Bl. 140, vergl. oben 58 m. unten 207. #em) W142. 
t) DL 145. +4) Bl. 156. 





Sebaftian Frank als Geograph. 275 


ben, ihnen Bucher ſtreng zu verbieten, fonft aber in Allem brüberlich 
mit ihnen zu handeln: dann würden fie gewiß im fich gehen. Er ge- 
denft dabei Der unfeligen Judenverfolgungen und fihließt mit einigen 
weiteren Bemerkungen über Gebräuche und Anfichten derfelben. Dann 
fährt er mit der allgemeinen und befonderen Befchreibung Baläftina’s 
fort, in der wir außer den alten Geographen und mittelalterlichen Reis 
ſebeſchreibungen auch Luther's eregetifche Schriften, befonders den Com⸗ 
mentar zum Jeſaia benugt fehen; unter den Reiſenden treten befon- 
ber Bernhart von Brayttenbah und Hand Tucher auf. Freilich bes 
wegten ſich alle Nachrichten noch in dem gefchloffenen Kreife der Tra- 
bition (Cootwyk's Buch, das erfte kritiſch anzweifelnde, war noch nicht 
erſchienen). Auf die Ortfchaften folgen die Berge, und auch von bie: 
jen if jeder Durch irgend eine heilige Gefchichte bemerfenswerth. Nach 
den Nachbarländern kommen noch einige Eeinaftatifche Landfchaften, 
Armenien, Bactrien, Aria, Colchis; weiter Parthien, dann wieder ein 
kurzer Abſchnitt über das Todte Meer, das fchon mehrfach erwähnt 
war, und einige ausführlichere Nachrichten über Arabien, die zum gro- 
Ben THeil Ludwig v. Varthema entnommen find, mit Ausnahme ber 
foftematifchen Entlehnungen aus Joanned Boemus Aubanus; aber «6 
herrſcht allenthalben die größte Verwirrung, wie auch in der darauf 
folgenden Befchreibung von Berfien. 

Den Beſchluß Aftens macht Indien*). So gut glei zu An- 
fang des Weltbuchs ein afrifanifches und ein indifches Aethiopien un 
terſchieden war: fo fehen wir doch hier, wie Frank manche Dinge, 
welche dem eigentlichen Aethiopien gehören, nad) Indien verlegt. 
Alle Wundergefchichten und feltfamen Berichte von neuen Seefahrern 
drangen fich verwirrend zufammen, fo daß troß der langen Aufzählung 
der vielen Landfchaften dennoch Fein deutliches Bild Indiens fich ergiebt. 
Die Menge der Notizen über Galicut **) erklärt fih aus der Ent 
defungsgefchichte; intereffant ift, was über Einfuhr und Ausfuhr von 
Spezereien an diefem Orte gefagt wird ***). Die Befchreibung, welche 
auch Sitten und Gebräuche berührt, geht nach Hinterindien über, fpringt 
aber mit Banghella Cd. i. Bengalen) wieder zurüd und fchließt mit 
Chatai, Pegu, Ava, Sumatra, Borneo und Java ab. Noch wird des 


=) Bl. 191. **) B.198°. EM) BI.203”, vergl. 220. 
18* 


276 N. Goſche. 


ganz gemeinen muhammebanifchen Gebet der Muedſoſin ald eines 
einheimifchen indifchen Pater-Rofter gedacht, ein Seegefecht zwiſchen 
den Bortugiefen und dem König von Galicut erzählt, und die Haupt 
ftationen der oftindifchen Meerfahrt genannt: außer den „Infeln ber 
Habich“ Aſcenſion, Lorenz»Infel, Capo de Bona fperanza, Sofala, 
Mozambique. 

Endlich in dem vierten Buche giebt Frank eine Darftellung Ame⸗ 
rika's *), die wegen des zufammenhangslofen Charakters der zum Theil 
in das Abenteuerliche ausfchweifenden Berichte ſehr ungeorbnet erfcheint. 
Doch dünkt mich, daß dem Verfaſſer eine allgemeine Anficht der älteren, 
jebt von Alerander v. Humboldt und Ghillany bekannt gemachten Globen 
und Planigloben vorgeſchwebt haben muͤſſe. Das hat feine gute Wahr⸗ 
ſcheinlichkeit. Wir willen, daß Frank am 17ten März 1528 in Nürn- 
berg ſich mit Dttilie Behaim vermählt hat, und können demnach ver- 
muthen, daß er zu der hochberühmten mäcenatifchen Familie wenigftens 
in vorübergehendem Verkehr geftanden habe. Ganz Amerika aber iſt ihm 
Inſel; ald „Erfinder“ deſſelben gilt ihm Amerigo Veſpucci; fo tief hat 
fih in einem Zeitraume von 15 Jahren demnach durch den wohlges 
meinten Borfchlag eined Pädagogen, des Hylacomylus, jener Irrthum 
ſchon feſtgeſetzt. 

Die Verwirrung der neuen Berichte uͤber Menſchen und Thiere, 
Produkte und Ausdehnung der neuen Welt iſt fo groß, daß ſich durch⸗ 
aus Fein einheitliches Bild gewinnen läßt. Ich Habe die drei Haupt 
namen der Berichterftatter (Columbus, A. Veſpucci und Yerbinand 
Eortez) ſchon vorhin genannt: Krank fpricht auch noch von „Aloyfio **), 
Petro Altaris **), Herr Peters von Sincia (Syncia) +), Alon- 


©) BL 120”. 

**) „Auno M.CCCC.LV ſchiffet der gefireng vnd weit gewandert Ritter Aloh⸗ 
Aus von geburt ein Benebiger, auf verlegung vnd vnkoſten bes Künigs von Portugal 
... hinweg, auf den. XXII. tag des Mergen x.“ Die Fahrt ging von S. Vincenz 
aus, vgl. BI. 211, und erſtredte ſich befanntlich über die Iufeln im Wehen Afrika's 
und über einige Küſtenſtriche biefes Erdtheils ſeibſt. 

“ee) Bol BL 218: »Bom der mörfart Petri Aliaris des oberſten Hauptmans 
bes Känige von Portugal im Jahre 1500 über die Gapverbifchen Juſeln m. f. w. 
nah Calicut.“ 

t) Bol. Bl. 217: "Gin andere ſchiffart herr Peters vom Syncia, eines Truch⸗ 
ſeſſen von Lißbona gen Calicut, was jhn begeguet fey, vub was fy für ſeltzame land 
vnderwegen gefunden haben.“ Auf dem folgenden Blatte beißt es vom der Stadt Gas 





Sebaſtian Frank ald Geograph. 277 


fo*), Jambolo *), vnd Ludouico Vartomanno, den geſtrengen Rit- 
tem, Möhrherren vnd Haubtleuten, der mörfart vnd ſchiffreyß, Ken. 
May. Caroli. V. vnd des Künigs von Portugals. etc.“ 

Nach einer Furzen allgemeinen Einleitung werben ohne den ge- 
ringſten Verſuch einer ſyſtematiſchen Verarbeitung die Berichte dieſer 
Seefahrer neben einander hingeftellt. So fommen denn an diefer 
Stelle die Entdeckungen zur Sprache, welche von mehr Bedeutung für 
Alien und Afrika waren, als für Amerifa, aber gleichfam die Einlei- 
tung zur Auffindung des leßteren gebilvet haben. Zuerſt wird bie por- 
tugieftfche Erpedition unter dem Venetianer Aloyfius abgehandelt und 
nach deren Berichten mancherlei über Madeira, die kanariſchen Inſeln, 
„Senega und Arpin”, den Kalfer von „Melli”, „ Senega vnd Capo 
Verde“, „Gambra“ und „Budomel” beigebracht; befonders über bie 
zuletzt bezeichnete „Infel”, weldhe muhammedaniſch if. Dann folgen 
die Reifen des Petrus von Syncia und des Petrus von Aliaris; auch 
diefe Haben noch nichts mit Amerifa zu thun: deſto reichlicher werben 
wir dafür nun aber mit den Mittheilungen des Chriftoph Columbus 
bedacht, welcher fehr paffend als „ein Fürft der fchiffart” **®) bezeich- 
net wird. Ich habe fchon vorhin bemerft, daß von Columbus Ent- 
dedungsreifen jchon frühzeitig populäre Berichte in Deutfchland umlie- 
fen; Hier ift beſonders viel über die erfte und dritte Fahrt beigebracht. 
Der kurzen Erzählung des Alonfus folgt die weitläufigere über bie 
Schifffahrt des angefehenen Amerigo Veſpucci, der eigentlich die ans 
dere Welt gefunden Haben fol. Nachdem Frank einiges nicht an 
diefe Stelle Gehörige über Chriſtenthum und Heidenthum eingefchaltet 
hat, läßt er Auszüge aus der „Epiftel” oder „Narration“ des Yerbi- 


licat: „bie om vmbgefaren den gerichten weg von Lißbona ligt. III tauſent und. VII. 
C. lege, vnd iſt ein lege. IIII Welfche meil, vnd das macht XV. tanfend vnd. CC. 
Welſche meil vnd fo vil wider beym. Die reyß mag man auff das wenigſt under. 
XV. oder XVI. Monaten nit volbringen. Wir aber fuhren ang zu Lißbona am. IX. 
tag des Hewmonats anno. M. CCCC. XCVII. und famen wider anheymfch den. X. tag 
des Hewmonats im Jahr. M. CCCCXCIX. bliben auf zwey ganker jar. « 

=) Bol. BL 224: „Etlich Infeln an dem from des nidergangs gelegen, fo 
Alonfus gefunden hat.» 

“e) Bol. BI. 234°: „Bon den Infeln in dem mör Oceano gegen mittag er: 
funden, von Iambolo dem kanffmaun, anf Joanne Boemo Aubano gezogen. * Der 
Rame erinnert an ven gleichnamigen griechiichen Kaifernamen. 

„u, Bl. 224. 


278 N. Goſche: Sebaflian Frank als Geograph. 


nand Cortez an den Papſt und einige andere Berichte deffelben über 
die gemachten Eroberungen folgen. Die Erzählung von dem Kaufs 
mann Jambulus, der auf einer Fahrt nach Arabien verfchlagen wurde, 
befchließt diefe Entvekungsgefchichten, denen anhangsweiſe noch der 
Bericht des Alphonfus von Albiecher *) nach einem Sendfchreiben Des 
portugiefifchen Könige Emmanuel an Papſt Leo beigegeben wird. Ei- 
nige zerftreute Notizen aus Ariftoteles und Anderen über unbefannte 
Erdtheile und Heidentfum bilden den Schluß. 

Wirft man nun einen Blick rückwärts auf die Raivetät biefer 
Compilation und dann einen Blid aufwärts nach der Höhe, zu der 
die Anfchauung des Kosmos und die Geographie im Verlauf dreier 
Jahrhunderte fi) aus den befcheidenen Elementen der Komosgraphie 
des 16ten Jahrhunderts erhoben hat, jo hat man nur eined der vies 
(en Merkmale, welche ungeheuren Wege die Wiffenfchaft genommen 
babe. Aber Franks Weltbuch hat auch feinen befcheivenen Werth für 
ſich. Obgleich es in verhältnißmäßig wenig Druden erfhhien, fo war 
e8 doch gewiß die Anregung, daß feit 1550 in einer wirflih unzählis 
gen Reihe von Auflagen die von Karten begleitete Kosmographie Des 
Sebaftian Münfter hervortrat, Die ein fchon vorbereiteteds Publikum 
fand. Berner, indem wir die pfeudotheologiiche Wirffamfeit unferes 
Geographen gern vergefien, werden wir feinem Weltbuche eine für 
die Gefchichte der deutfchen Sprache ziemlich Hohe Bedeutung beilegen 
dürfen. Endlich ift e8 fo wohlthuend, daß diefer Mann, den fonft die 
Geſchichte der entarteten deutſchen Myſtik nennen muß, uns bier mit 
den fchönen Worten des Pfalmiften zur Betrachtung der Welt einladet: 
„Kommt her und ſchauet die Werke des Herrn, der fo wunderbarlich 
it über die Menſchenkinder!“ — 


*) So beißt er BI. 235"; fonft Albiecheta. 
N. Goſche. 


Neuere Kiteratur. 279 


Neuere Literatur. 


The Cape of Good Hope Almanac and annual register pro 1852. Com- 
piled from the best authentic sources by B. J. van de Sandt de 
Villiers. Cape Town 1851. 8. mit einem Plan der Gapftadt. 


Bei dem ungeoroneten Zuftande der meiften Ränder Afrika's war bier 
an fortlaufende ftatiftifch=geographijche Arbeiten, wie fie feit geraumer Zeit 
die meiften europäifchen Länder, und unter den außereuropäifchen befonvers 
die norbamerifanifchen Breiftaaten befaßen, natürlich nicht im entfernteften zu 
denfen. Selbit von Beſitzungen, welche fich feit Jahrhunderten in Händen der 
Europäer befanden, wie von den canarifchen und agorifchen Infeln, fehlten 
fortlaufende, aus amtlichen Quellen gefloffene Berichte über den Stand ver 
Bevölkerung, die Erträge und Hilfsquellen, den Fortgang ver Inpuftrie, des 
Handels und Aderbaues, mit einem Worte alfo über alles, was von Veräns 
derungen den Staatööfonomen, Statiftifer und Geographen interefliren Eonnte, 
bi8 zum Heutigen Tage gaͤnzlich. Selbſt vom Caplande, in deſſen ungeftör- 
ten Befig fich Die Nieverlänvder anderthalb Jahrhunderte befanden (1652 — 
1795), gab es bis zur erften Occupation durch die Engländer am Schlufie 
des vorigen Jahrhunderts Fein Werk hollaͤndiſchen Urfprungs, was einer Geo⸗ 
graphie oder Statiſtik des Landes nur im Entfernteften ähnlich gefehen hätte; 
ja ſelbſt die im Ganzen dürftige Kenntniß, vie wir bis zur englifchen Ero- 
berung von den niederländischen Befitungen in Süb-Afrifa befaßen, war be: 
fanntlich durch den Fleiß und die Unterfuchungen nichtholändifcher Forſcher, 
namentlich durch Kolbe, Sparrman, Thunberg und Patterfon gewonnen wors 
den. Selbſt über die Einwohnerzahl des Caplandes fcheint die nieberlänbi- 
ſche Aominiftration gänzlich im Dunkeln gewefen zu fein; wenigftens finvet 
ſich meines Wiffens in feinem ver älteren, bis zum Schlufle des vorigen Jahr- 
hunderts reichenden Werke vie mindefte hierüber Aufſchluß gebende Andeu⸗ 
tung. Erſt mit Ankunft der Engländer auf dem Cap erhielten die abmini- 
firativen Formen des Landes ein beftimmteres Gepräge, und es gab ſich ſo⸗ 
fort das Beftreben der englifchen Verwaltung kund, über die Bevölkerung, 
vie Hilfäquellen des Landes und deren Benußung eine Flarere Anfchauung zu 
erlangen, als ihre Vorgänger fie befeffen hatten. Aus Ermittelungen der Art 
ging auch meiſt dad befannte Werk I. Barrow's hervor, das uns in Yolge 
der begünftigten Stellung feines DVerfaflers als Privatfecretair des damaligen 
Gouverneurs, des Earl of Macartney, zuerft in genügenderer Weiſe mit bem 
ganzen Caplande innerhalb feiner damaligen Grenzen befannt machte und in 
welchem fich auch die erfte beftimmte Angabe über bie Ginwohnerzahl des Lanz 
des vorfindet. Nach der zweiten Belegung des Caplandes durch bie Eing- 
länder im Jahre 1806 wurden diefe Ermittelungen durch die Behoͤrden fort: 


280 Neuere Literatur: 


gefegt, und wir erhielten z. B. feit vem Jahre 1807 bereits ununterbrochene 
Mittheilungen über den Stand ver Bevölkerung *), fo wie in neuerer Zeit 
die Behörve ſich noch angelegen fein Tief, mittelft ausgebehnter, von den Ge⸗ 
neralftab3- Offizieren und den Eivil» Ingenieuren auögeführten Aufnahmen zu 
einer genauen Kenntniß ver Terrainverhältniffe und zu den Materialien be» 
hufs Eonftruction einer bisher gänzlich fehlenden, vem Bedürfniß ver Zeit 
entfprechenven Karte der britifchen Beflgungen in Sud⸗-Afrika zu gelangen. 
Bon den Ergebnifien ver meiften folcher Arbeiten ift bis jet leider nur fehr 
wenig veröffentlicht worden, und wir möüflen deshalb dem Herausgeber des 
in der Ueberſchrift viefer Notiz genannten Cap⸗Almanachs, Herrn 3. J. van 
te Sandt de Villiers, Vorftcher ver Gouvernements⸗Druckerei, großen Dank 
wifien, daß er dem Mangel durch den Inhalt feines alljährlich feit einer ge⸗ 
taumen Reihe von Jahren (ich Fenne vie Jahrgänge feit 1842) in einem mä= 
figen Octavband erfcheinennen Almanach möglichft abzubelfen gefucht Hat. 
Ban de Sandt's Arbeit bejchränft fich nänılich nicht auf den gemöhnlichen 
Inhalt von Schriften folcher Art, fondern er enthält auch eine Fülle der Be⸗ 
völferung nüßlicher und wichtiger Angaben und neuerbingd auch eine Ueber⸗ 
ficht der wichtigften Ereigniſſe des Caplandes im leßtverfloffenen Jahre, vie 
dem Anfchein nach und, wie ſich aus der Stellung des Herausgebers fchlies 
Ben laͤßt, meift aus amtlichen Quellen gefloffen fein dürfte. Ebenſo giebt 
der Almanach eine werthvolle fortlaufende Ueberſicht der Verhältnifie bes 
Gaplandes, die dem geographifch- ftatiftifchen Forſcher über füpafrifanifche Ver⸗ 
hältniffe ganz unentbehrlich fein dürfte, und durch deren Bearbeitung Herr 
van de Sandt Villierd fich nicht allein ein Verdienſt um feine Mitbürger, 
fondern auch ein dauerndes um den Portfchritt der wiſſenſchaftlichen Kennt» 
niß eines höchſt intereffanten Theils des Continents erwirbt. Leider fleht 
der neueſte nach Deutfchland gefommene Jahrgang, nämli der für 
1852, den früheren darin nach, daß in ihm die geographifche Abtheilung nicht 
mehr fo vollſtaͤndig behandelt ift, was wir fehr zu beflagen haben, ta 
durch diefelbe und das von dem franzdflfchen Kriegsminifterium feit 1837 jähr- 
lich herausgegebene, überaus fchäßbare und reichhaltige Tableau de la si- 
tuation des Etablissements francaises en Algerie das Capland und Als 
gerien vie beiden einzigen afrifanifchen Länder waren, über welche wir in neue- 
rer Zeit fortlaufende Kenntnifje nach ven Anfprüchen des wiffenfchaftlichen Be⸗ 
dürfniſſes erhielten. In dem Folgenden fol nun ein Auszug ver intereffan- 
teften und wichtigften Mittheilungen aus dem van de Sandtſchen Almanach 
gegeben werben, den ich noch einige Notizen aus früheren Jahrgaͤngen und 
einigen neueren Schriften über dad Gapland Hinzufügen will. 

Die Grenze des Gaplandes, foweit daſſelbe unter britiicher Civilverwal⸗ 


*) Mit Ausnahme des Jahres 1851, wo ber Kafferfrieg die Zählung er: 
[werte und zum Theil fogar unmöglich machte. 


Cape of Good Hope Almanac für 1852. 281 


tung fleht, wurde am 7. December 1847 durch Die Verorbnung des bamali- 
gen Gouverneurs, General Lieutenant Sir Harry Smith, feflgeftelt. Sie 
Beginnt im Often an der Münbung des Keisfamma in den Ocean, ſteigt mit 
dem Fluſſe in nörblicher Richtung bis in vie Nähe von Fort Wiltfhire, d. h. 
bis zu der Vereinigung beffelben mit dem Chumie (Tſchumie) auf, folgt fos 
vann dem legten bis zu feiner nörblichften Quelle und envlich vem Kamm ber 
Kapenberge (Kat⸗Berg Range) bis zu einem feiner audgezeichnetften Gipfel, 
dem Luheri oder Gaikakopf (Gaikakop). Vom Gaikakopf zieht ſich die Grenze 
nach der am nörblichen Abhange der Katzenberge entſpringenden nächften Quelle 
des Kliv Plaats Miver und erſtreckt fich ferner in nörblicher Richtung längs 
dem Lauf dieſes Fluſſes bis zu deſſen Verbindung mit dem Zwartkei (ſchwar⸗ 
zen Kei). Die weitere Grenze bildet ver Zwartfei felbft, bis verfelbe den von 
Weiten kommenden Klaas River aufnimmt, und endlich auch ver Klaas River 
bis zu feiner Quelle an dem fühlichen Abhange ver hohen Gebirgäfette ver 
Stormberge. Demnächft überfleigt Die Grenze die Stormberge, erreicht an 
dem Norvabfalle der Iekten ven Kraai River und folgt hierauf dem noͤrd⸗ 
lich gerichteten Lauf des Fluſſes bis zu deſſen Eintritte in ven füböftlichen 
großen Quellſtrom des Oranje Rivier (Garip), ven fchwarzen Garip. Zus 
letzt fchließt fle fih genau dem Lauf des letzten und dem bes vereinig- 
ten Gariy felbft in jeinem langen Lauf durch den größten Theil der Breite 
des Gontinents bis zu der Mündung im atlantifchen Ocean an. Außerhalb 
Diefer Grenzen giebt es noch 2 große, unter britifcher Oberberrlichkeit ſtehende 
Gebiete; im Suͤden nämlid, dad von Britifch Kafferland (Britifh Kaffraria) 
zwifchen dem Keiskamma und dem Kneiba oder Keifluffe*) und nörblich vom 
Garip einen ungeheuren, auch erft in neuerer Zeit (im März 1848) durch 
Sir Harry Smith als britifches Eigenthum angefprochenen Landſtrich, wel⸗ 
cher ven Namen des Orange Miver Sovereignty erhielt, muthmaßlich aber 
wegen der geringen Probuctivität und der foftbaren und ſchwierigen Verwal: 
tung nächftend wieder aufgegeben wird **), Diefe beiden großen Terraind 
fichen abweichend vom übrigen Caplande unter militairifcher Verwaltung ***). 
Ohne viefelben begreift pas Capland (Cape Alm. 1852, 94) etwa 1183564 


*) Kei foll in der Sprache der Hottentoten, die bier einft wohnten, ehe fie von 
ben ans dem Norden einwandernden Kaffern verbrängt wurben (Napier Excursions 
in Soutbern Africa 2B. Lond. 1849. I, 121 — 122, 190; Lichtenstein I, 401), Schmerz 
bebenten nach J. Centil. Chase Map of the Eastern Frontier of the Colony. 2" Ed. 
1838. GE wären demnach die Ramen Kei River und Keislamma faft viefelben, ba 
Kamma im Hottentotfhen Waſſer heißt. 

20) Mach den neneſten Berichten aus dem Caplande (Berliner Miffionsberichte 
1853, 127) ift Sir Georg Klerk, früher Gouverneur von Bombay, nad dem Gap: 
Iande gefandt worden, mit dem ſpeciellen Auftrage, zu unterfuchen, ob bie Sovereigaty 
aufzugeben fei oder nicht. 

*s#) In meiner Beographie von Afrika S. 142 hatte ich die Grenze des Gap: 
landes ansgebehnter, als oben, angegeben, indem dabei dieſe beiden Diftricte mit in das 
Gapland gezogen wurden. 


282 Neuere Literatur: 


engl. IM. (21 IM. auf die geogr. UM.) *). Bei der wachſenden Größe des 
Landes und der gefteigerten Schwierigkeit der Verwaltung, welche dadurch noch 
gar fehr vermehrt wurde, daß fich der Sitz des Gouverneurs in der Eapflabt, 
alfo in einem der Außerften Punkte des ungeheuren Landes befindet, wurde 
diefes in neuerer Zeit in 2 große Abtheilungen (Provinzen) gefonvert, woyon die 
weftliche 726824 IM. begreift, ver im Flaͤcheninhalt noch nicht genau feftgeftellte 
Heft Dagegen die öftliche bildet. Die erſte Abtheilung enthält, außer einem 
Bezirk um die Capftabt, 10 kleinere Verwaltungsbezirke oder Kreife, fogenannte 
Divifionen, divisions, einft Drofteien genannt, vie öftliche ebenfalls 10, va man 
es allmälig nöthig befand, vie alten großen bollänviichen Drofteien in klei⸗ 
nere zu zerlegen. Bon ven Kreifen der weftlichen Abtheilung begreift jeder 
wieder zwei, die Cap⸗Diviſion fogar drei Fleinere Bezirke, fogenamnte 
Diftriete. Die Feldcornetien find endlich die Fleinften Berwaltungäbezirke; es 
exiftirten deren im Gaplande im Jahre 1851 nicht weniger ald 275. Bon 
der Oberfläche nehmen vie größeren Bezirke ein (Cape Alm. f. 1852, 94): 
Der ver Sapflatt . . » > 2 2 2.2 2.2 HOM. Oberfl. 


1. Der Capkreis, Cape divisio 

2. Malmedbury _ 
3. Steenbofch zufammen 5864 = 
4. Paarl 

5. Worcfer . 2 2 2 2020202. .20000 = 
6. Klanwilliam . -» > 2 2 20000. All = 
7. Zwellendam 

8. Caledon 7616 * 
9. Georrgegeeee. 4032 = 


10. Beauforttt... 13050 ⸗ 
11. Uitenhage 
12. Fort Gligabeth nenn. 8960 
13. Albany 
14. ort Beaufort ** J 1792 — 
15. Somerſte. .4000 
16. Cradock.... 8168 
17. Graaf Neynett . - 2 2 2 0°. ..8000 
18. Colebag -»- . . 2 2 200020. 11654 
19. Met > 2 2 2 2 2 2 2 2.8000 
20. Victoria (mit noch nicht feftgeftellter Größe) 
Gefammtheit: 1182564 IM. 


un a u \ 


— (on 


*) Der Cape Alm. für 1845 ©. 377 giebt die Oberfläche nur zu 1102564 ZM 
an, da feitdem große Landſtriche im Norden und das Terrain des Diftricts Victoria 
in den Bereich der Givilabminiftration des Caplandes gezogen werben find. 

*#) Nicht zu verwechfeln mit der Nr. 10 genannten Divifion Beanfort. 


Cape of Good Hope Almanaec für 1852. 283 


Bon biefen Kreifen find ver capifche, der von Zwellendam und Stel- 
Imbofch die älteften, indem fie fchon zur hollaͤndiſchen Zeit beftanden, ver 
von Graaf Reynett wurde dagegen erft im Jahre 1786 durch die Holändifche 
Regierung zugleich mit dem Hauptort der Droftei, dem Dorf gleiche Namens, 
gegründet. Da die Bewohner dieſes damals öftlichften Theils des Caplandes 
zu den unrubigften und ungehorjamften des ganzen Landes gehörten und zu 
entfernt von dem Site der Megierung lebten, als daß man ftreng genug über 
die Befolgung der Geſetze hätte wachen können, envlich faft aus lauter 
Fremden beftanden, die fich Hier zuerft nievergelaflen Hatten (Lichtenftein I, 
609), fo wurde deshalb die Grimdung der Droftei Graaf Neynett eine ganz 
merläßlihe Maßregel, welche früher ergriffen ven ununterbrochenen räus 
berifchen Einfällen ver Eingebornen und den unjicheren Zuftänden unzweifel- 
haft Einhalt gethan hätte, bei ver Spärlichfeit ver Bevölferung und dem 
geringen Anbau jener Gegenden aber nicht wohl früher zur Ausführung zu 
bringen war. Aus ähnlichen Gründen entftand während der kurzen Zeit, 
daß fich die Niederländer wieder im Beſitz des Caplandes befanden, im Jahre 
1803 die Droftei Hitenhage (Lichtenftein I, 380; II, 246) und envlich durch Abs 
ſonderung des noͤrdlichen Theil der Droftei Stelenbofch die Droftei Tulbagh 
(Lichtenftein II, 247), welche legte fpäter durch die Engländer den Namen 
der Diviſion Worcefter erhielt. Ale übrigen Kreife wurden erft durch die 
Engländer gegründet. So im Jahre 1808 ver von George, eine längs ver 
Südfüfte zwifchen den Diftricten Zmellendam im Weften und Ujtenhage im 
Dften gelegenen Landftriches, dann im Jahre 1820 ver Kreis Albany in» 
nerhalb des großen, durch die im Jahre 1812 erfolgte Vertreibung feiner Kaf⸗ 
ferbevölferung ganz menfchenleer geworbenen und verdveten Landſtrichs, wel: 
her bei ven hollaͤndiſchen Coloniften den Namen Zunrevelvden (Sauerfelv) 
führte; ferner durch die im Jahre 1836 erfolgte Abtretung des nörblichften 
Theils von Worcefter der von Clanwilliam (Cape Almanac pr. 1852, 198), 
welcher feinerfeitö zum nordweſtlichſten des Caplandes wurde; endlich Durch 
mehrfache Theilung des ungeheuern Diftrictd Graaf Meynett*) die beiben 
nördlicheren Diftricte ded Caplandes, Beaufort im Jahre 1819 und Coles⸗ 
berg im Jahre 1828, ſowie vie beiden öftlichften, Cradock im Jahre 1837 und 
Sommerfet im Jahre 1836. Die übrigen Diftricte errichtete man erft in 
den letzten Jahren, 3.3. den von Albert, jet den norpöftlichften des Caplandes, 
aus einer Abtrennung von Colesberg, Victoria faft um viefelbe Zeit (1847) 
aus Lanpftrichen, welche bie Kaffern zwifchen dem Großen Fifchfluffe und dem 
Keiskamma befeilen Hatten und wozu noch der Fleine, an ver Mündung bed 
Büffelflufjes ifolirt in Britiſh Kaflraria gelegene Bezirk von Oſt-London in 





*) Die Engländer fehreiben immer Reynet. Lichtenftein dagegen, welcher deu 
Urfprung dieſes Namens berichtet (1, 608), Reynett; ich habe die letzte Schreibari 
ale die  ahrjcpeintich tichtigere hier beibehalten. 





284 Neuere Literatur: 


adminiflrativer Hinficht gezogen worven iſt. Zuletzt entſtanden die Kreife Sort 
Beaufort (aus einem den Kaffern an ver linken Seite des Kagenflufies (Kat 
River) abgenommenen Lanpftriche), Malmesbury (bis etwa 1850 ein Theil 
der Cap⸗Diviſion), Paarl (bis jüngft ein Theil von Stellenboſch), Bort 
Elizabeth (bisher ein Theil von Liitenhage) *) und Caledon (noch vor Kurzem 
zu Zwellendam gehörig). Gar keinem Berwaltungäbezirt war bisher ver 
große und faft völlig wafler- und menfchenleere Lanpftrich zwiſchen den nörb« 
lichen Grenzen ver Diviflonen Clanwilliam, Beaufort, Graaf Reynett, Coles⸗ 
berg und dem Orange River zugetheilt worden. Leberhaupt haben in ven 
Grenzen der größeren und Hleineren Bezirken in ven letzten Jahren fo zahl⸗ 
reiche Veränverungen flattgefunden, daß fchwerlich eine neuere Karte viefelben 
richtig angeben möchte. 

So groß der Verluſt ift, ven dad Capland feit dem Jahre 1836, vor⸗ 
züglih aber feit 1840 durch vie faft zur Manie gewordene Auswanderung 
der Gapbevölferung hollaͤndiſcher Abkunft erlitten Bat, fo blieb doch vie Ein- 
wohnerzahl in beftändiger Zunahme. Wurden auch manche Theile, befonvers 
bie an der Oſtgrenze dadurch auf das Empfindlichſte betroffen, und felbft faſt 
menfchenleer (ed follen über 30000 Individuen in dem angegebenen Zeitraum 
ihre Heimath verlafien haben), fo erfeßten doch englifche und farbige Einwanderer 
deren Stelle fehr bald wieder. So wanderte faft vie ganze Bevölkerung des 
zu Somerfet gehörigen Diſtricts Tarka aus, aber ſchon ift viefer Diſtrict wies 
der mit Farmen einer neuen Bevölkerung bevedit**), da der Boten deſſel⸗ 
ben ver Schafzucht außerorbentlich günftig if. Nach ven befannt gemorbe- 
nen Bevoͤlkerungsliſten Hatte nun ver Genfus des Caplandes feit ver erften 
Zählung folgende Reſultate. Es fanden fich nämlich: 

Im 3. 1798 61947 Em. (mit Einfchluß v. 14447 Hottentoten) N. Barrow 


= 4806 75145 > U, 378. 
=» 1807 73663 = = ⸗ ⸗17657 ⸗ 
= 1808 73876 = = ⸗ ⸗16720 ⸗ Nach 
= 1809 75807 =» = = =» 18162 ⸗ Moreau 
=» 1810 81122 = = ⸗ ⸗19764 ⸗ Bull. de 
s 41811 87919 = = = = 20165 ⸗ la soc. de 
⸗ 1812 82024 = = ⸗ ⸗19830 ⸗ Geogr. 
= 1813 83207 = ⸗ ⸗ = 19611 ⸗ de Fr. 
» 41814 84069 =» = = s 18485 ⸗ VII, 70. 
=» 1815 83518 = = ⸗ = 18358 ⸗ 
*) Port t c 
geführt; r der a a Byree en ar Fr Aa Per fort * 
in vom Werte ſelbſt erfcheint das Terrain von Port Elizabeth noch mit Nitenhage 
vereinig 


“+, Mündlide Mittheil des übe fani Mi :6 
Eiyulißeiß, der Diefe Orgenoen Genam kennt "r Miſſtene · Guperintenbenten 


Cape of Good Hope Almanac für 1852. 285 
3m 3.1816 86965 Ew. (mit Einfchluß v. 20919 Hottentoten) 
. 1817 94766 = >» = WU = Nah 
J 1818 956 - =. 7 - Morcan 
. 1819 933900 = =» = 23170 » ull. de 
:» 1820 104481 » > = 25420 ⸗ la soc. de 
: 1821 110970 = = =: 28008 » Geogr. 
de Fr. 
ne Alban vH, 70 
(ohne Albany) 109138 ⸗ = 430669 ⸗ ‚70. 
m 3.1844 173000 Ew. (mit Einfehl. v. 12604 $remb.). C. A.1845, 367. 
s 1846 166480 = 
. 1847 177888 » (mit Einfchluß von 12243 Fremden). Nach Sim- 


- 1850 *) 217921 


Die Bevölkerung des 


mond’s Colonial Mag. XII, 220. 


Cape Almanac 1852, 94. 
Ießtgenannten Jahre war nach ven 


Diviflo- 


nen folgendermaßen vertheilt (Cape Almanac für 1852, ©. 94). Es fan⸗ 


den ſich vor: 


a. In der weflliden Provinz: 


In ven Eapflabtterrain . . 23749 Einwohner 
= der Cap - Divifion 0.200 8798 = 
s Malmesbury oo... 8520 ⸗ 
3 Stellenboſch W 4950 ⸗ 
⸗Paarl... en. 8975 = 
= Worcefter . Fe 9351 ⸗ 
⸗Clanwilliam. .. 9399 ⸗ 
⸗ Zwellendam 12122 3 
= Galeon . 6558 ⸗ 
= George 15333 ⸗ 
= Beaufort . .. 7131 ⸗ 


⸗ Port Elizabeth 


s 


s Bort Beaufort . 


%) Die bier angegebene, auffallend niehrigere 


Albany 


Someritt . 


Wr von 1847 (meine 


rungen ber, da diejelben im weftlichen Gaplande im Ganzen immer nur fpärlich ges 
weien find, ſondern von der Abtrennung der Divifion Paarl. ſparlich 8 


fes n. 


*) 


**) 


Geſammtzahl: 114886 Einwohner. 


b. In der öftlihen Provinz: 
In Ujtenhage 


7477 Einwohner 
A246 = 
8037 = 
0. 4970 ⸗ 
FE 6091 P 


bie von Afrika 


Berölferung im Verhältnifie 
160) rührt nicht von Auswanbes 


22) Gleiches gilt für den Kreis Bwellendam wegen ver Abfonverung bes Kreis 





286 Neuere Literatur: 
In Erod . » 2» 2 2 0 0.6491 Einwohner 


⸗Graaf Reyndt . - . 2.» 8594 ⸗ 
s» Colöbrg . - 2 220. 6765 ⸗ 
⸗Albertttte 8247 ⸗ 
⸗Victoria.... 42117 ⸗ 


Geſammtzahl: 103035 Einwohner *) 

Der Eap- Almanach für 1845 giebt folgende Benölferungslifte, vie jet 
noch dadurch intereffant ift, daß fie die weiße und farbige Bevölferumg ges 
fondert aufführt, was in dem Almanach von 1852 nicht mehr gefchehen ift. 
Es hatte nämlich im Jahre 1844: 

Der Capftantbert. . -» . 22543 Em. **) 


Der Capfriid - - - . . 12880 - (darunter 7301 Barbige) 
Stelenboh. - -» -» » » 15357 = ⸗ 8357 = 
Worceſter...8879 = ⸗ 4671 = 
Sanmwilim. . » ... 9511 = ⸗ 6858 = 
Swellennam. . . . .. 1716 = ⸗ 10017 = 
George -» > 200. 1144 » ⸗ 5788 = 
Beaufort... 2 0. 6389 ⸗ ⸗ 3080 = 
Ujtenhag... 11019 = ⸗ 6391 = 
Albtan . . 2 2 202. 15346 ⸗ ⸗ 6620 = 
Somrft . . 2.2. . 4929 ⸗ = 1756 = 
Srdod . - 2 2 200. 7395 = 3 3945 = 
Graaf Reyndtt . . - . . 7633 = ⸗ 3838 ⸗ 
Colesberg... 7335 ⸗ ⸗ 3262 = 


Gefammtzahl mit 12604 Fremd.: 173000 Ew. (darunter 71884 Barbige). 

Für alle Hier aufgeführte Bendlferungsliften des Caplandes gilt aber 
die auch im Cape Almanac von 1852 ©. 94 ausdrücklich ausgefprochene 
Benierfung, daß fie nicht als ganz verläßlich, fonvern nur ald annähernd 
richtig anzufehen find. Namentlich ift bei dem durch Feine Geſetze zu regeln- 
den, unftäten Leben ver farbigen Bevölkerung es faft unmöglich, deren Zahl mit 
einiger Sicherheit zu beftinnmen. Es gehören aber zu ver farbigen Bevölferung 
die Malayen, die farbigen Bewohner ver Miffiondftationen, die Hottentoten, vie 
Abfümmlinge der Sclaven, die vor etwa 17 Jahren eingemanverten Finguͤs ***) 


*) Für Britifch Kafferland führt der Cap⸗Almanach von 1852 eine Bevölfe: 
rung von 67358 Seelen auf, eine Zahl, die nicht im Gntfernteften für richtig gelten 
fann, da es hier befonders an ver Oſtgrenze nach Schultheiß große Flächen giebt, 
welche ein europäiſcher Fuß vielleicht noch nie betreten hat, und wo alfo eine Ermitte⸗ 
lung der Bevölferung nie gefchehen fein fann. 

*=) Das Fehlen der farbigen Bevölferung in der Berölferungsjahl des Cap⸗ 
ftadtbezirks iR fchr auffallend, umd dieſe kann nur durch Irrthum ausgelaſſen fein, 
da es fehr wohl befannt ift, daß ſich eine ſtarke muhamedaniſche Ginwohnerzahl, bes 
ftehend zum Theil aus Malayen, in ver Capſtadt befinden. 

"er, Geographie von Afrifa 155. 





Cape of Good Hope Almanac für 1852. 287 


und bie in ber letzten Zeit als Hirten im öftlichen Caplande beſonders zahl» 
reich gemorbenen Betichuanen aus verfchienenen Stämmen dieſes Volks. Invef- 
ſen ergiebt fich doch aus der nächft vorftehenven Tafel, daß vie farbige Bevölfes 
rung ziemlich gleich groß mit der der Weißen ift. Früher war das Verhälts 
niß der Weißen gegen die Barbigen nicht fo gimflig, da nad) Moreau's Zus 
jammenftelungen (S. 284) noch in ven Jahren 1807, 1812, 1816 und 
1819 fih die Weißen zu ben Barbigen, Hottentoten und Sclaven ( Mozanı- 
biquer, Gongoer u.a.) *) wie 26720, 32707, 36114, 40524 reſp. zu 
46943, 49737, 50981, 54032 verhielten. Die Zahl ver Weißen ift invef- 
ien erft feit dem Beginn der größeren Einwanderungen ver Engländer over 
feit 1820 jo geftiegen, daß jie jetzt nicht mehr von ver farbigen bominirt 
wird *). Zu der Veränderung dieſes Verhaͤltniſſes mußte auch der Um⸗ 
Hand wefentlich beitragen, daß die weißen Frauen hier weit fruchtbarer find, 
als vie farbigen, indem 12 Kinder in einer weißen Ehe eine ganz gewöhn- 
liche Ericheinung, 6 Kinder in einer bottentotfchen aber fchon etwas fehr Un» 
gemöhnliches ſind ( Burchell Account of the interior of South Africa. 2 Vol. 
4. London 1824—27. II, 9, 144). Was ven Hottentotfchen Antheil an 
der farbigen Bevölkerung betrifft, fo ergiebt fich ebenfalls au Moreau's Ta⸗ 
fel, daß derſelbe wenigftend bis 1822 micht abgenommen, fonvern in der eng⸗ 
liichen DBerwaltungszeit fich faft fogar um die Hälfte vermehrt hat, wenn 
auch die Race immer mehr durch fremde Glemente und namentlich Durch 
europäifche verändert wird **). Hier ift alfo in neuerer Zeit gar nicht 
die bei vielen anderen farbigen Bevölferungen europäifcher Colonien bemerfs 
lihe Erfcheinung eingetreten, daß mit Zunahme ver Weißen die farbige Bes 
völferung verſchwunden wäre ***). Die Abnahme ver Hottentoten in ber 
altholländifchen Zeit Tag Überdies nicht in deren graufamen Behandlungs⸗ 
weife durch Die europäifchen Einwanderer, fondern in anderen unvermeiblichen 
Umſtänden, namentlich in ven Verwüſtungen, welche nach ven Zeugniß ältes 


=) Daß die Hottentoten felbft unter dem alten hollaͤndiſchen Gouvernement 
nah dem Geſetz niemals als Sclaven galten, iſt eine bekannte Thatfache (S. auch 
Napier Excursions I, 110 und Lichtenftein I, 109— 110), aber allerdings wußten 
die Gapbanern die zu Gunften der Hottentoten fprechenden Geſetze meilt fo zu umge: 
ben, a fie diefelben in einer oft lebenslänglichen Dienftbarfeit erhielten ( Barrow 
‚1486). 

”*2) Schon Barrew verfiherte (T, 145) am Schluſſe des vorigen Jahrhun⸗ 
dert, daß ſich damals nicht ein einzige unveränderte Hottentotenbanve in dem fehr 
großen Landflriche des Caplandes, der Droftei Graaf Rennett, erhalten habe, und 
daß die Hottentoten der Colonie ihre urfprünglicye Sprache bereits ganz verlernt 
hätten. Doc fand Lichtenjlein wenige Jahre darauf noch einige Reſte unveränderter 
Hottentoten ziemlich in der Nähe der Capſtadt (T, 100 — 110). 

“or, Beſonders war es wieder Barrow (1. 145), der diefe Befürchtung aus: 
ſprach und meinte, daß das Volk und felbit der Name der Hottentoten in furzer Zeit 
erlofchen fein würde, wogegen ſchon Burchell ( Account 11, 549) fi) ausſprach und 
für die Jahre 1809— 1811 eine Zunahme der Hottentotenbevölferung nach den offis 
tiellen Regiftern erwies. 





288 Neuere Literatur: 


rer unbefangener Berichterflatter, 3. B. Sparrman's und Thunberg's, euro- 
päifche Krankheiten, vor allen vie Poden und Mafern, unter venfelben an⸗ 
richteten (Napier I, 105). Die von Rapier aus einem für die ältere Ge⸗ 
fehichte des Caplandes ungemein ſchaͤtzbaren, aus officielen Quellen und Documen⸗ 
ten gefchöpften Werk von Moodie (Authenticated Cape Records. Lond. 1841) 
mitgetheilten Auszüge (I, 97, 106, 107, 109) zeigen in ver That fchlagend, 
daß es von der Begründung ver Cap-Eolonie durch den vervienftvollen und 
tüchtigen Ban Riebeck an immer das Beflreben der neuen Einwanderer und ver 
Regierung war, die Gingebornen gut zu behandeln, ja Le Vaillant (I, 84), 
ungeachtet feiner befannten Vorliebe für die Eingebornen, fagt fogar aus⸗ 
drüdlich, daß Feine Gegend in ver Welt mit fo viel Humanität behandelt 
worden fei, ald das Capland. 

In Folge des ſtarken Zuwachſes der Bendllerung und der beſonders 
durch die Einwanderer engliſcher Abkunft bedeutend vorgeſchrittenen Cultur 
haben ſich natürlich auch vie Finanzquellen und der Handel des Landes ſehr 
anſehnlich vermehrt. Im Hinſicht ver Einnahmen und Ausgaben ver Cap⸗ 
Eolonie theilt ver Almanac von 1852, 73 für ven 18jährigen Zeitraum von 
1832 — 1850 eine ſehr intereffante Tabelle mit, wonach 


Die Einnahmen: Die Ausgaben: 
1832 130808 Liv. St. 126889 Liv.©t. 
1833 fehlt fehlt 
1834 119583 ⸗ 120925 = 
1835 133417 = 134576 = 
1836 158697 ⸗ 147579 » 
1837 167037 = 145816 ⸗ 
1838 188450 ⸗ 168508 ⸗ 
1839 17485 + 192689 = 
1840 171205 = 181653 = 
1841 179590 = 173422 = 
1842 226261 = 226025 = 
1843 221721 » 250266 = 
1844 229604 = 223460 = 
1845 247369 = 223672 = 
1846 201624 > 189494 = 
1847 222013 = 193688 - 
1848 234375 = 245985 = 
1849 237805 = 274235 = 
1850 24575 - 245654 = betrugen. 


Es fliegen demnach die Einnahmen in 19 Jahren um faft das Doppelte, 
ein beveutfames Zeichen für vie Entwidelung des Landes, und, wenn auch 
die Ausgaben jich faft gleichmäßig vermehrten, fo ift nicht zu vergefien, vaß 
die Eolonie in der erwähnten verhaͤltnißmaͤßig kurzen Reihe von Jahren vie 


Cape of Good Hope Almanac für 1852. 289 


Laſt dreier großen und langevauernden Kriege mit den Kaffern zu tragen hats 
ten*), ferner Daß in dieſen Kriegen die blühendſten und einträglichften Land⸗ 
Ariche (Albany, Eradod, Somerfet) faft gänzlich verheert wurben **), und 
dag envlich in ven legten Jahren durch die gefeßgebende Verſammlung ber 
Golonie große Summen zur Einziehung und Vernichtung des früher faft aus- 
fchlieglich courſirenden Colonial⸗Papiergeldes und zur DVerbefferung des ma⸗ 
teriellen Wohlſtandes des Landes, 3.28. zum Straßen- und Brüdenbau und 
zur Einführung europälfcher Coloniften (in Jahre 1846 namentlich 16000 
Liv. Sterling; Byrne Emigrants Guide 64) verwandt worden find. Die 
Einnahmen floffen früher vorzugsweife aus: 1. directen Steuern (Kopfiteuer, 
Dienerfchaftsr, Pferde» und Wagenfteuer, Capitals⸗, Gewerbe: und Ein- 
fommenfteuer) und 2. inbirecten Steuern (von Stromgelvern und Zöllen, 
Licenzen für Betreibung von Gefchäften, Auctionen und DBermögensübertra- 
gungen); 3. dem Zehnten von Wein, Branntwein und Getreide; 4. aud Den 
Berpachtungen und DBerfäufen von Staatölänvereien (dieſe letzten Erträge 
waren befonvers in ven Jahren 1847 und 1848 fehr bedeutend); 5. den 
Ueberfhüflen ver Waifengeldervermaltung, der Lombard⸗ und Discontobant 
und der Poſt; 6. zufälligen Einkünften verfchievener Art. Im Jahre 1837 
wurden jedoch die Abgaben auf Dienerfchaften, Eapitalvermögen und Ge⸗ 
werbe und im Jahre 1822 auch ver Zehnte von allen in die Eapftabt ges 
brachten Producten abgefchafft. Der Ertrag der Zölle ftieg von 19399 Liv. 
St. im Jahre 1835 auf 41670 im Jahre 1840, auf 82372 im Jahre 1845, 
auf 102106 im Jahre 1846, envlich gar auf 105458 Liv. St. im Jahre 1848. 
Die beiden letzten Kaffernfriege hinderten ven weiteren Fortſchritt, fo daß die Zoll⸗ 
einnahmen 1849 fogar auf 84256 Liv. St. zurückſanken und fich erft im Jahre 
1850 wieder bis 102173 erhoben. Die Zölle bilden auch noch den wefent- 
lichſten Theil der Eolonialeinkünfte. Der Ertrag der Stempelgebühren und 
Licenzen flieg von 13790 im Jahre 1835, auf 15879 im Jahre 1840 und 
auf 20886 Liv. St. im Jahre 1850; die Gebühren von Eigenthumsüber⸗ 
tragungen von 8264 Liv. St. im Jahre 1835 auf 19343 im Jahre 1845, 
auf 24494 im Jahre 1848, und endlich gar auf 24928 im Jahre 1850. 
Der Landverkauf brachte in den Jahren 

1835 nur 2252 Liv. St. 

1840 =- 4614 ⸗ 

1845 = 5487 = 

1846 ſchon 8514 = 





2) Der Krieg von 1835 verurfachte der Golonie allein eine Ausgabe von 
30000 iv. St. Cape Almanac pro 1852, 74. 

22) Bon den ungehenern Verluſten, welche bie öflihen Provinzen in den 3 
lebten Kafferfriegen durch bie blinde Inverfiht und die Sorglofigfeit der Behörden 
erlitten hatten, iſt denſelben nichts erftattet worden. Byrne Emigrants Guide to the 
Cape of Good Hope, 65 

Zeitſchr. f. allg. Erofunde. Bd. J. 19 





290 Neuere Literatur: 


1847 gar 15061 Liv. St. 
1848 » 11292 - 
1849 nur 160 = 
1850 = 89 > 
Es find aber die anfehnlichen aus dem Verkauf von Coloniallaͤndereien 
in den Sahren 1835 bis 1848 geflofienen Summen um fo bemerfenöwer- 
ther, als gerade in vbiefelben Jahre die Auswanderungswuth ver holländi⸗ 
ſchen Bauern fiel und deren Beiigungen, beſonders in den Grenz⸗ Diviflonen, 
um wahre Spottpreife zu haben waren, was dann auch die faR gänzlidye 
Angliftrung ver öftlichen Lanpftriche zur Kolge hatte. So blind war damals 
der Eifer der Bauern, ihre Heimath zu verlafien, daß einer glaubwürdigen 
Privatmittheilung zufolge einer verfelben fein ſchoͤnes But in Tarka nur für 
einige Säle Kaffee an einen Englänver verfaufte, dem Furze Zeit darauf 
einige Taufend Liv. Sterling dafür geboten wurden. Außer den Zöllen und 
Zanpverfäufen gewähren noch die Bofteinnahmen jehr fichere Beweismittel für 
das Aufblühen des Landes in den letzten Jahren, aber eine noch größere 
reine Einnahme von den Poften ift zunächft von ver Beichleunigung des 
Verkehrs mit Europa und Indien durch Schraubennampfer, deren erfter, ver 
Bosporus, am 27. Januar 1851 in ver Tafelbai anfam, und von ver erſt 
vor Kurzem erfolgten Ernievrigung des Porto's zwifchen dem Caplande um 
den nichtenglifchen Ländern Europa's zu erwarten. 


wegen ver Kaffernfriege. 


Die Poft brachte ein in ven Jahren: Ausgaben waren: 
1835 3689 Liv. St. 3505 Liv. St. 
1840 5682 = 5727 = 
1845 8889 = 5562 = 
1846 8262 = 8806 = 
1847 9724 = 9978 ⸗ 
1848 10936 = 10383 ⸗ 
1849 16097 = 11569 = 
1850 11341 = 11761 = 


Abgefehen von dem durch die in Folge des zweiten Kaffernfrieges ftatt- 
geiundene Anfammlung großer Truppenmaffen in Gaplande abnormen Jahr 
1849 ergiebt ſich doch aus ver Ueberfiht, daß ſich die Pofteinnahme in ver 
Epoche 1835 —1848 faft verbreifacht hat (C. A. pr. 1852, 75, 261). 
Die Zahl der durch das Generals Poftamt des Caps der guten Hoffnung be» 
förterten Briefe flimmt ganz damit überein, indem fie betrug: 

1844 1845 1846 1847 1848 1849 1850 

Inlant: 111075 119598 173941 202038 203577 199627 208026 
Seewaͤrts: 68366 69315 82202 109616 97517 93422 92482 
(Ebendort 261). — Unter den außerorbentlichen Ausgaben für 1848 finvet 
ji) eine beveutende, aber überaus nüßliche, nämlich von 21904 Liv. für Stra- 
Benverbeflerung, welche Ießte endlich die Aufmerffamkeit der Regierung in 


Cape of Good Hope Almanac für 1852. 291 


ninfchendwerther Weiſe auf ſich gezogen Hat. Wenn nämlich 1835 dafür 
ur 2045 Liv. Sterl. auögegeben wurden, fliegen die Verausgabungen dafür 
fräter (C. A. pr. 1852, 76): 
1840 auf 4079 Liv. St. 
1845 ⸗ 16747 — 
1846 19873 ⸗ 
1847 ⸗ 18884 ⸗ 
1848 gar auf 21904 - 
849 
* fehlt. 
Mit Einſchluß der ebenſo noͤthigen Brückenbauten betrugen die Ausga- 
ben für Straßenbau im Ganzen (O. A. pr. 1852, 86): 
1844 22453 Liv. St. 
1845 83195 = 
1846 19518 


1847 283447 = 
1848 29065 ⸗ 
1849 24513 — 
1850 25403 = 


Es if aber aus allen Neifebefchreibungen bekannt, in welchem vernach- 
Läßigten Zuftanve fich die Wege und die Uebergänge über vie Flüſſe früher 
im Caplande befanden, ja daß die Baffagen durch vie Gebirgsketten und nach 
den Plateau's im Innern fogar fo fürchterlicher Art waren, daß fie nur mit 
Magen ver fefteften Eonftruction, wie die capifche Bevölkerung fie faft allein 

berzuftellen weiß, und vermöge der außerorventlichen Gefchidlichkeit der hot⸗ 
tentotichen Wagenlenker und der großen Kraft der vorgefpannten Ochfen zu⸗ 
rüdgelegt werden Eonnten. Einzelne folcher Päfle und Wege, wie der durch 
Die Hottentotd Hollands Kloof (jetzt Weit- Somerfet) und andere, waren in» 
deſſen in ven letzten 25 Jahren durch frühere Gouverneurs wefentlich verbeſ⸗ 
fert worben, und eine befonders wichtige Straße, die große Queens Road, 
Hatte enplich das Militair- Ingenleurcorps längs ver früheren Oftgrenze des 
Zandes von Grahamd Town, dem Hauptort ver oͤſtlichen Provinz, über Fort 
Beaufort mit Ueberwindung unfäglicher Schwierigkeiten bis Tarfa, und aljo 
faft bis zur fonfligen Norbgrenze des Landes gebaut; aber noch war faft das 
Meifte zu thun. Der C. A. von 1852, 80— 85 giebt nun Nachricht, was 
in der Hinficht in ver letzten Zeit gefchehen ift. Beſonders in ver Nähe ver 
Capftadt mußten die gewaltig rollenden Sandmaſſen durch Anpflanzungen von 
Zuurvygen (Sauerfeigen, Mesembryanthemum edule) ®) fe gemacht werben, 


— — 


*) Dieſe Pflanze iſt mit ven Citrillen (Citrillus amarus, auch Bitte rappel we⸗ 
gen ihrer bittern Frucht genannt) die einzige, die auf dem dürrſten Sande wächft, wo Fein 
anderes Sewächs fortfommt uud die in ſolchen Gegeuden Südafrika's fehr verbreitet 


19* 





Neuere Lütereter: 


292 

che an cimen Wegeban gedacht werden frante Beides iR ſchen im ſoweit 
gelungen, daß jegt täglıh Cmmikuiie vom ter Hauvtſtadt nach Pasıl, Stel- 
lenboſch un? Weſt⸗ EScmirict geben. Un antırın Runfien war man geprun- 
gen, grade Arlicamanın weyzuirtengen, um tun mögen Raum für die An- 


Bea den Freraten des Luntes, die zur Autiuhe geriet finb, minzunt 
jet Gmführunz ter verkrieren Schaitacr Welke re ae Serclle im. ec 
dien reijcaden Yrtiteunz aber tür Unliufr ter legten iu 1333 gensm- 


1885 21246002 

1846 114568 

1887 3 1037 

1888 0 

1849 HILLILE 

10 31T 

Tier Sardake seh Bert Gisheih. jene für ter welehe, terje für die 
sAbir Free, fir tie mim Grrenziige It Gelee üür Miele, fewie 


WR (Ferre da ber metichuien I ter Gear: Rurriteem ihadrilamiihe 
un. Non 153, 131): ie rue —— ter Rate En a 


men bat. eraicht cine rom C. A. für 1552, 77 mitgetbeile lcherficht. Sie 

trans: 
1833 11T Pr. 
1834 NEN - 
1535 215668 - 
1836 373203 =» 
1837 BIS = 
1838 THE >» 
1%39 NT > 
130 911118 - 
1841 101607 - 
1812 1RN =» 
18853 IT - 
184 II =» 


Cape of Good Hope Almanac für 1852. 293 


zugleich faft für alle anderen Eolonialprobucte, und zwar in ber Weife, daß 
von der gefammten Wollenausfuhr vie Capſtadt etwa 4, Port Elifabeth 
dagegen * verlabet, indem im Jahre 1850 von der Capftabt 1589277 (im 
Werth von 73444 Liv. St.), von Port Elifabeth aber 4323650 Pfund Wolle 
(im Werth von 212166 Liv. St.) ausgingen. Die übrigen Erportartifel ver⸗ 
ſchwinden dagegen faft ganz in ihrer Bedeutung, obgleich in neuerer Zeit vie 
Weinausfuhr nach Auftralien und vie Pferveausfuhr nach Indien nicht un« 
anfehnlich zugenommen Bat, da die englifcheinvifche Cavallerie einen Theil 
ihrer Rmonte aus dem Caylande bezieht. Im Jahre 1850 wurden näm- 
ih für 35890 Liv. St. Weine, Hauptfächlich aus der Capſtadt ausgeführt, 
weil befanntlich nur die Weine der weftlichen Provinz folchen Werth haben, 
dag fie fich zur Verſendung eignen *). Der Werth der Pferdeausfuhr be» 
trug aus beiden Haupthaͤfen zufammen 8230 Liv.; Elfenbein aus dem tiefen 
Innern ging beſonders von Port Elifabeth aus für 11486 Liv., von ver 
Capſtadt für 1128 Liv. Mehl verſandte die Capſtadt im Jahre 1850 für 
10906, Ziegenhäute für 13258 (nämlich 118663 Stud), Schafhäute für 
8012 Liv. (207044 Stück), wogegen eine Ausfuhr von Mehl aus Elifabeth 
noch nicht ſtattfand, die von Schafhäuten von ebenvort gering war (für 628 
Liv.) und nur die von Biegenhäuten (73323 St. für 7775 Liv.) zu einiger 
Bereutung gelangte. Im Jahre 1851 führte die Capſtadt an Colonialpro⸗ 
ducten im Banın für 203702, Simonstown für 200 Liv., Port Elifabeth 
für 258396, Eaft London für 419 Liv. St. feewärts aus (C. A. 1852, 
69— 70). Der ganze Export betrug im Jahre 1851 594920, im Jahre 
1851 ſchon 637252 Liv. St. an Werth (C. A. für 1852, 68) 
nämlich aus der Capſtadt 1850 400324 Lin. 
1851 339942 » Abnahme 60382 Liv. 


Simonsſtadt 1850 777» 
1851 1986 » Zunahme 1209 = 

Port Elifabeth 1850 193794 = 
1851 294905 =» Bunahme 101111 ⸗ 

Eaft- London 1850 25 ⸗ 


1851 449 » Zunahme 394 > 
Es beträgt alfo die Zunahme der Erporte im Jahre 1851 42332 Liv. 
gegen das naͤchſt verfloffene Jahr, wogegen bie Gefammtausfuhr einige Jahre 
früher vom 5. Juli 1842 bis ebenvahin 1843 nur 302838, und vom 5. Juli 
1843 bis 5. Juli 1844 auch nur 384217 Liv. (C. A. für 1845, 121) aus- 
gemacht Hatte, Sichtlich Hat das erft im Jahre 1820 angelegte Städtchen 


*) Zu den 4 Jahren von 1799— 1820 betrug der Werth bes ausgeführten 
Beins jedes Jahr im Durchſchnitt 10000 Liv. St. (Barrow II, 292); in dem Jahre 
1842 (5. Juli) bis 1843 33800 Liv., und endlich von 1843 (5. Juli) bis 1844 
(5. Juli) gar 53065 Liv. St. (C. A. für 1845, 121). 


294 Neuere Literatur: 


Bort Elifabeth durch feine günflige Lage in ver Nähe des fruchtbaren öſtli⸗ 
den Theils des Caplandes Ausjicht auf einen noch viel größeren Aufſchwung 
feine Handels, während ver ver Capſtadt flabil bleiben oder ſich nur wenig 
heben dürfte. So betrug die Ausfuhr ver Gapflaut vom 5. Januar 1843 
bis 5. Januar 1844 205607 Liv. 8 Sh. 2P., die von Port Elifabeth im 
Sabre 1822 nur erft 5200, 1832 ſchon 90304, 1842 94676, aber 1843 
bereitö 118860 Liv. (C. A. für 1845, 127, 357). Der Export ver Capſtadi 
ift alfo in 7 Jahren nur auf das Doppelte, der von Port Elifabeth dagegen 
faft auf das Dreifache geftiegen. 

Die Einfuhren feerwärts geben die Zoll⸗Liſten an (C. A. für 1852, 68) 
für die 
Capftadt 1850 zu 682235 Liv. an Werth 

1 


851 - 912343 =» > ⸗ Zunahme 230107 Liv. 

Simonsſtadt 1850 - 8615 - = = 
1851 = 9954 = >= ⸗ Zunahme 1339 = 

Port Elifabeth 1850 » 2536855 - » = 
1851 = 354749 = = + Zunahme 101046 - 

Eaſt⸗London 1850 = 55 ⸗ — 
1851 >» 0 =: » Abnahme 55 „ 


alfo betrugen fle im Sabre 1850 944590, im Jahre 1851 ſchon 1277046 
Liv., und die Zunahme erreichte danach eine Höhe von nicht weniger als 
332456 Liv. St. in einem einzigen Jahre. Die verfchievenen, von den fee 
wärt® eingegangenen Waaren im Jahre 1850 erhobenen Abgaben betrugen 
100779 Kid. St., die reinen Zölle nur 93044 Liv. St. (C. A. f. 1852, 68). 
Die Ueberſicht ver Schifffahrt ergiebt (ebendort 71), daß 

im Jahre 1835 nur 341 große Schiffe 


1840 ſchon 455 ⸗ 
1845 ⸗655 = ⸗ 
1846 « A467 » ⸗ 
1847 = 426 = ⸗ 
1848- 506 = ⸗ 
1849 - 4793 = - 
18550 » 486 ⸗ = 
aus ven Häfen der Colonie ausliefen, während eingingen *): 
im Sabre 1835 345 große Schiffe 
1840 ART ⸗ ⸗ 
1845 652 = ⸗ 
1846 508 = ⸗ 
1847 41 = ⸗ 


) Im Jahre 1850 beirng die Zahl ſämmtlicher in die Tafelbai einlaufenden 
Sir bereits 607 (C. A. 1852, 66), im 3. 1809 83; 1816, 131; 1828, 192. 


Cape of Good Hope Almanaec für 1852. 295 


im Jahre 1848 515 große Schiffe 
1849 41 > ⸗ 
1850 54 ⸗ 


In gleicher Weiſe flieg der Küſtenhandel. Im Jahre 1835 war die Zahl 
ber ausgehenden Küftenfahrer nur 127, im Jahre 1845 ſchon 279, im Jahre 
1850 292; vie der anfommenden Küftenfahrzeuge im Sabre 1835 125, im 
Jahre 1845 302, im Jahre 1850 auch 275. Der Handel findet überdies 
eine Fräftige Linterftügung in den zahlreich vorhandenen und fich immer meh⸗ 
renden Geldinſtituten. Bon venfelben befanden fich nämlich im Jahre 
1851 allein in der Eapftadt 4 Banken (die Cap der guten Hoffnung Bank 
feit 1837, die ſüdafrikaniſche feit 1838, vie Colonial⸗ und Unionbanf), 
fammtlich in blühenden Umſtaͤnden. Demnächft gab «3 eine Bank zu Graaf 
Meynett, eine Weſtprovinz⸗Bank zu Paarl, eine Oftprovinz= Bank zu Gra⸗ 
hamotown, eine Bank zu Bort Elifabeth und endlich noch eine Grenz⸗Com⸗ 
mercial» und Agriculturbant (C. A. für 1852, 167— 171), letzte wahr: 
Heinlih auch zu Graaf Reyneit; endlich noch in der Capſtadt und im Bin 
nenlande verfchievdene Rettungsbanken (Riversdale, Graaf Reynett). Aſſecu⸗ 
ranzgeſellſchaften verſchiedener Natur hatte man im Jahre 1851 nicht weniger, 
als 6. Ueberhaupt ift die fleigende Entwidelung des Caplandes in ven Ich» 
ten Jahren, ungeachtet der Bauernauswanderung und der in den wieder 
holten Kaffernkriegen erlittienen Vermüflungen, ein neuer Beweis ver alten 
Erfahrung, wie die Verwaltung und Gefeßgebung in den der britifchen Krone 
angehörigen Ländern aller Hemifphären ſtets geeignet ift, Wohlfahrt und da⸗ 
ber meift auch Zufrievenheit unter den betreffenden Bevolkerungen hervorzu⸗ 
rufen. 

Das in der hollandiſchen und felbft noch in der früheren englifchen Vers 
waltungszeit arg vernachläffigte Schuls und Erziehungsweien hat gleichfalls 
in den legten Sahren bedeutende Bortfchritte gemacht, wenn auch der ganze 
Sinn der Bevölkerung mehr auf Gelvermerb, ald auf geiftige Ausbildung 
gerichtet it *). Zur Organifation des Schulmwefend beviente fich die Negies 
rung des Raths und der Beihilfe des berühmten Aftronomen Herſchell mäh- 
tend deſſen Tängeren Aufenthalts im Caplande. Herſchell's Plan Tiegt feit 
1841 allen neueren Maßregeln in ver Hinftcht zu Grunde. Eine eigene Schuls 
commiſſion unter dem Batronat des jeßtmeiligen Gouverneur wacht über ven 
Unterricht; ähnliche Schulcommiffionen befinden fich zu Wynberg, Grahams⸗ 
toren, Malmesbury, Zwellendamm, Riversdale, Stellenboſch, überhaupt an 
allen bereutenden Ortfchaften des Caplandes, in Thätigkeit. Für den hoͤhe⸗ 
ten Unterricht ift allein das am 1. October 1829 in der Capſtadt errichtete 


*) „Specnlation und Goldmachen erfüllt jeden Raum im Hirnfaflen des Colo⸗ 
niſſen. Der Math des Juden: mache Geld, ehrlih wenn Du kannſt, aber 
vage Geld.“ ift Hier alfgemeine Marime ohne Unterfchied bei dem Engländer, wie 

bei dem Holländer. Kretzſchmar 12. 





296 Neuere Literatur: 


South African Colledge beftimmt, dad im Jahre 1851 zwar einen Verwal- 
tungdrath von nicht weniger ald 17 Mitgliedern, auffallender Weife aber nur 
drei (C. A. von 1852, 156) Lehrer (1 für clafjiiche und englifche Lite- 
ratur, 1 für Mathematit und Phyſik und 1 für bollänvifche Literatur und 
Sprache und Hebräijch, keinen alfo für Gejchichte, Geographie und Naturges 
ſchichte), und im Jahre 1844 gar nur 2 Lehrer Hatte, aljo im höchften Grabe 
unvolftänvig feinen Zweck erfüllen kann. Die weſtliche Provinz fcheint jogar 
gar Feine höhere Lehranftalt zu befiten. Nievere Schulen giebt es dagegen 
mehrere, die theild aus Privatmitteln, wie die zu Rondeboſch durch General 
Sir 3. Bol _ und die Mädchen» Induftriefchule zu Plumſtead durch die Lary 
d’Urban, beide im Capkreis (C. A. 1944, 216, 218), theild vom Gouver- 
nement als Breifchulen, zu Colesberg, Grahamstown, Malmesburyg, Simons 
town, Stellenbofch u. f. w. gegründet wurden. Mit ven zahlreichen Miſſtons⸗ 
anftalten find meift gleichfalls Schulen für Kinder und Erwachſene, die zum 
Theil vom Gouvernement jährliche Unterflügungen von 40 und mehr Liv. St, 
beziehen, verbunden. Die Katholiken befigen zu Grahamstown zwei Freiſchu⸗ 
Ien, eine für Mäpchen unter Leitung der soeures de l’Assomption, eines 
Zweiged des Gentralinftitut3 zu Paris, und eine für Knaben. Ebenſo bes 
figen die Wesleyaner tort eine Inpuftrie= und Kinverfchule. Zur Beförderung des 
Schulunterrichts, ſowie zur Verbreitung von Kennmiſſen, beſtehen endlich eine 
eigene Geſellſchaft in einem Zweige ver Colonial Church und School So- 
ciety in der Gapflabt, und mehrere öffentliche Bibliothefen: vie South Afri- 
can Public Library, im Jahre 1851 mit 31000 Bänden, vie täglich geöff- 
net wird, jehr werthuolle Werke befikt, und deren Einnahmen in ven Jah⸗ 
ren 1850 — 1851 690 Liv. St., ihre Ausgaben im Jahre 1851 711 Liv. 4 Sh. 
5 P. betrugen (C. A. für 1852, 153) und 3 andere zu Graaf Reynett, Gra⸗ 
hamstown und Port Elizabeth *). Außerdem giebt es eine wiflenfchaftliche Ge⸗ 
felichaft in der Capſtadt: die South African Literary and Scientific Insti- 
tution **) und einen botanifchen Garten, beide in ver Capſtadt. Der bata- 
niſche Garten, welcher früher jehr verwahrloft war, befindet fich aber jetzt 
nach der Schilderung eines neueren Berichterftatters (Kretzſchmar 7) in fehr 
gutem Zuftande. Endlich Iaffen ſich hierher vie Aderbaugefellfchaften rech⸗ 
nen und eine Gentralgejellichaft in ver Capſtadt mit mehreren Zweigen zu 
Stellenboſch, Caledon, Zwellendamm (letzte verbreitet Fleine Schriften über 
den Aderbau und hat auch bereitd Auöftellungen veranlaft (C. A. für 1844, 
259). — In religiöfer Hinficht gehört befanntlich der größte Theil der Bevol⸗ 
ferung dem protejtantijchen Glaubenöbefenntniß an, ıheild dem reformirtshol- 


— 





*) Außerdem beſteht eine Friends School and Free Library in der Capſtabt. 
*2) Die früher in der Capſtadt beflandenen Gejellichaften: vie Medical Society, 
die Society for Promoting Civilization and Literature und eine zur Erforſchung Gers 
tral:Afrifa’s (C. A. 1845, 197) mögen ſich aufgelöft haben, inden fie im C. A. ven 
1852 nicht mehr ericheinen. 





Cape of Good Hope Almanac für 1852. 297 


laͤndiſchen oder dem fchottifch«reformirten, theild dem englifch»epiecopalen. 
Außerdem giebt es zahlreiche Individuen ver freien Kirche, befonvers in ver 
Eapftadt. Alle chriftlichen Glaubensparteien finden gleichen Schuß bei ven 
Behörnen, welche aber nur die Geifllichen ver Holändifch-reformirten, ver 
engliſch⸗ episcopalen und ver römifch-Fatholifchen Kirche aus Colonialfonds 
befolvet. Die englifchen Episcopalen ſtehen unter einem Bifchof in ver Cap⸗ 
ſtadt. Sehr vermehrt Haben fich vie Katholiken in neuerer Zeit (Byrne 13), 
und ſie befigen in ver Capſtadt und in Grahamstown fogar zwei päpft- 
liche Vicare. Zwei ihrer Kirchen in den beiden genannten Stäpten gehören 
zu den fchönften und größten Firchlichen Gebaͤuden des Landes; außerdem ha⸗ 
ben die Katholiken Geiftliche und Gemeinden in Simons» und George Tomn, 
Bort Elizabeth, Graaf Reynett, Uitenhage, Fort Beaufort, und felbft außer 
dem eigentlichen Caplande in Britifh affraria zu King Williamsſtown, und 
in der Sovereignty zu Bloemfontein. Zu den zahlreichen Miſſionsgeſellſchaf⸗ 
ten, welche ihre Thätigkeit auf das Capland richten, gehörten am 24. Juni 
1851 51 Stationen mit 13430 Bewohnern. Die beiden alten Herrenhuter- 
Etationen Genadenthal im Kreis Caledon und Groenerkoof im Kreis Malmes- 
bury, endlich Siloh im Kreis Victoria, mit refp. 2932, 1341 und 739 Bewoh⸗ 
ner find darunter die bevölfertfien und nütlichften, dann die ver rheinischen 
Miſſionsgeſellſchaft. Von nicht chriftlichen Meligionsparteien haben fich vie 
Muhameraner in neuerer Zeit gleichfalls fehr ausgebreitet, indem fie fich 
nicht mehr auf die Malayen befchränfen, ſondern auch viel Profelyten unter 
Den Hottentoten in den der Capſtadt zunächft gelegenen Diviflonen gemacht 
haben. In der Capſtadt gab es allein 6435 Malayen nach dem Eenfus von 
1852 (Krepichmar 292). Außer ven Mofcheen und Prieftern, welche dieſel⸗ 
ben in der Capſtadt befiten, haben die Muhamenaner des Caplandes Mo⸗ 
fcheen in Uitenhage, am Eerfte Nivier im Kreis Stellenbofch und zu Clare⸗ 
mont (einem neuen Dorf in ver Nähe ver Gapftabt (C. A. 1852, 235). 
Juden giebt ed in großer Zahl nur in ber Capftabt, wo fle vier Synagogen 
befigen. Heiden find noch bie meiften, im Caplande befindlichen Fingüs, die 
Nama (Namaqua) am Orangerivier, die Saaabs (Bufchmänner), die einges 
wanderten Betfchuanen und zum Theil die Amakoſa und Tambuliekaffern. 
Heidniſche Hottentoten aber giebt es, wie es fcheint, gar nicht mehr. 

Die höhere Verwaltung lag bisher formell in den Händen des von der 
Krone ernannten Gouverneurd. Da verfelbe aber zugleich dad Commando 
der Truppen hatte, fo hing die Leitung der Eivil-Aominiftration thatfächlich 
von dem Gouvernementd» Secretair, dem höchften Eivilbeamten ver Eolonie, 
ab. Adminiſtrative File von größerer Wichtigfeit waren der Entfcheivung 
des erecutiven Eonfeild übergeben, in welchem der Gouverneur präflvirte und 
worin außer dem Secretair der General- Schagmeifter, der Attorney »Gene- 
ral und der Zolldirector Sig und Stimme Hatten. Für die Geſetzgebung, 
einem wunderlichen Gemifch alt⸗-hollaͤndiſcher Beſtimmungen und neuerer 








298 Neuere Literatur: 


gouvernementaler Verordnungen wurde im Jahre 1825 ein eigener, aus 
den angegebenen höheren Verwaltungsbeamten, vem Autitor General und ei: 
nigen nicht beamteten angefehenen Bewohnern des Landes beſtehender gefeg- 
gebender Rath errichtet. Die Beichlüffe dieſes letzten unterlagen ver Gench- 
migung des Gouverneurs oder felbft ver ber Minifter der Krone; fie find 
bis zu tem Jahre 1844 in vem C. A. von 1845, 70—82 aufgeführt *). 
Zu den wichtigſten feiner Beſchlüſſe gehörte der über vie Errichtung von Mu⸗ 
nicipalitäten, welche feitvem in allen größeren Städten erfolgt ift. ferner ver 
über Einführung von Krievensrichtern, beftätigt am 14. März 1829, und ber 
Beichluß von 1825, promulgirt am 14. Mai 1829, über die Einziehung bes 
capifchen Papiergelves, welches früher faſt das einzige Circulationsmittel des 
Caplandes war und von nun gänzlich durch wie britifche Silbermunze, als 
die Iegale Baluta, erfeßt werben ſollte. Aber der wichtigfte Beſchluß war 
der durch die 50. Ordinance des interimiftifchen Generals Bourerneurs Gene 
ral⸗Lieut. Bourfe am 17. Juli 1828 zum Gefetz erhobene über vie fünftigen 
geſetzlichen Zuftänte der Hottentoten und der übrigen farbigen Bevölferung, ta 
dieſen dadurch völlig gleiche Rechte mit ven Weißen eingeräumt wurben, eine 
Verordnung von folcher Wichtigfeit, daß fle nicht mit Unrecht die Magna 
Charta der Farbigen genannt wurde (Freemann a Tour in S. Africa 138), 
fih aber als zu philantropifch bei ven noch wenig entwidelten geiftigen 
Zuſtaͤnden ver betreffenden Bevölkerung und als jchäplich für das Wohl des 
Ganzen ergeben hat. Der unftete Charakter der Farbigen und deren angebo- 
rene Trägheit hat nämlich vie weiße Bevölkerung eines großen Theils ver 
nölhigen Arbeitsfräfte beraubt und das Land und die Gefängniffe mit Baga- 
bonden angefüllt, fo daß feit langer Zeit ein Bagabondengefek fich ald noth« 
wendig beransgeftellt hat (von Meyer Reiſen in Süd-Afrifa während der 
Jahre 1840 und 1841. Hamburg 1843, 179, und Kregfchmar 211 — 213). 
Bei der bisherigen Verfaſſung war die Geſammtzahl der Bevölferung gänz« 
lich von der Mitwirkung an den über ihr Wohl und Wehe von dem Gon- 
verneur erlafienen Verordnungen ausgeſchloſſen, ein Zuſtand, ver bei der ge= 
fleigerten Entwickelung des Landes in immer höheren Grade gefühlt wurke 
und weſentlich zu der Bleichgiltigfeit beitrug, welche vie Bevölferung em 
ven öffentlichen Angelegenheiten und bei dem Kaffernfriege zeigte **). Das 
Beiſpiel der mweftindifchen Golonie, namentlich Jamaica's und Canada's, mo 
ſich feit Tanger Zeit repräfentative Inftitutionen vorfinden, blieb nicht ohne 
Ginflug auf die Benölferung, vie feit Ianger Zeit, befonvers aber feit Ein⸗ 
wanderung zahlreicher britifcher Elemente, Aehnliches von ver britifchen Krone 


®) Die neueren finden ſich in jedem Jahrgange des C. A, fo duß biefer zugleich 
gewiſſermaßen ein:n Auszug der capifchen Geſeßſammlung enthält. 

“*) Giner der lepten Gouverneure, &. Napier, fagte dies ſchon ausdrücklich im 
Jahre 1846 in einer an das Miniſterium gerichteten Depeche und unterflüßte bie 
Wünfcge der Colonialbewohner. Colomial Magazine 1851, XXI, 184. 





Cape of Good Hope Almanac für 1852. 299 


erfirebte. Schon im Jahre 1841 wurden deshalb Petitionen an vie Krone 
gerichtet, aber ohne Erfolg, da der damalige Colonialminifter Stanley, jet 
Earl of Derby, ſich weigerte, dieſelben ver Königin vorzulegen *). Stanley's 
Nachfolger Grey war dieſen Beftrebungen viel günftiger, und verfelbe befragte 
im Sahre 1846 den vamaligen Gouverneur Sir Pottinger um feine Anſich⸗ 
ten hierüber **). Mittlerweile wurden aber die Beflrebungen ver Capbewoh⸗ 
ner um Erlangung einer Conſtitution fo intenſiv, und die Petitionen mehr⸗ 
ten fich fo fehr, daß der vorlegte Gouverneur, Sir Harry Smith, ald Pot- 
tinger’3 Nachfolger, in der Beantwortung der Minifterial- Anfrage ausprüd- 
lid fagte: There is but one opinion in the desirableness of representa- 
tive governement ***). Go erließ endlich die Königin von Windſor aus 
am 29. Mai 1850 den Befehl, daß der Gouverneur im DBerein mit dem durch 
angefehene und einſichtsvolle Capbewohner verftärkten legislativen Eonfeil als 
eonftituirendes Parlament eine Berfafiung für das Capland bearbeiten follte. 
Al Baſis ver Berfaffung wurde vie Herftellung eines Parlaments, beftehend 
aus denn Gouverneur, dem legislativen Conſeil ald eine Art Oberhaus und 
einem Unterhaus (dem House of Assembly) aufgegeben und zugleich bes 
flimmt, daß der Oberrichter (Chief Justice) ftetd die Präftventfchaft des le⸗ 
gislativen Confeild Haben folle; vie entworfene Conflitution habe der Gou⸗ 
verneur Durch eine Orbinance einzuführen und durch eine zweite Orbinance 
ven Wahlmodus feftzuftellen, vorher aber das Ganze den Miniftern der 
Krone zur Billigung vorzulegen. Hiernach ließ ver Gouverneur Sir 9. 
Smith eine Verfaffung durch den Attorney General ausarbeiten und dieſelbe 
dem conflituirenden Parlament bei feiner Verfammlung in ver Capſtadt am 
6. September 1850 vorlegen. Die Grundzüge derfelben waren folgende: Das 
Parlament befteht aus dem Gouverneur der Bolonie, dem Tegislativen Conſeil 
und dem NRepräfentantenhaufe. Das Iegislative Conſeil befteht aus dem Ober» 
richter, als dem Präfiventen, und 15 gewählten Pitglienern, 8 für den weft- 
lichen und 7 für ven öftlichen Diſtrict. Bon den für das erfle Eonfeil ges 
wählten Mitgliedern ziehen fich nach Verlauf von fünf Jahren biejenigen 8, 
welche die geringfte Stimmenzahl für fich Hatten, zurüd, vie anderen 7 nach 
Ablauf von zehn Jahren, In ver Folge wird die Wahl blos alle zehn Jahre 
vorgenommen, außerdem, daß das Bonfeil vom Gouverneur aufgelöft wird. 
Jedes Mitglied muß wenigftens 30 Jahre alt fein und unverpfännliches Eigenthum 
im Werthe von mindeſtens 1000 Liv. St. beſitzen. Das Mepräfentantenhaus 
ft aus 46 Mitgliedern, die für 5 Jahre gewählt werben, zuſammengeſetzt. 
Jeder Wähler ift auch fähig gemählt zu werben. An ver Seite des Praſi⸗ 
denten flieht ein aus 7 Mitgliedern zufammengefeßtes Eomite. Das Haus 


— 


*) Colonial Magazine 1851. XXI, 184. 
“*) Gbenvort XXI, 185. 
se) Gbenvort 185. 





300 Neuere Literatur: 


wählt feinen Sprecher (Präftventen). Jedes männliche Individuum, welches 
für eigene Rechnung binnen 12 Monaten bis zum Tage der Wahlvermerfung 
ein Haus im Werth von 25 Liv. St. gemietet hat, iſt zur Wahl für beide 
Häufer berechtigt. Dienflleute und für Andere Angeftellte find in ſolchen Faäl⸗ 
len ausgefchloffen. Das vorgefchriebene Alter, um Wähler zu fein, if 21 
Jahr. Das Indivivuum muß entweder als britifcher Unterthan geboren fein, 
oder wenn er vor 1806 holländifcher Bürger mar, britifcher Unterthan ge⸗ 
worden fein, oder enplich das englifche Bürgerrecht durch Naturalifation er- 
langt haben. Golonialbeamte im Dienfte der Krone vürfen nicht mitwählen, 
desgleichen überwiefene Verbrecher; fie müßten denn begnabigt worten fein. 
Die Wahl für das Eonfeil gefchieht vor ver Wahl für das Repräfentantenhaue. 
Der Gouverneur but den Ort und den Tag der Sigungen zu beflimmen, an 
welchem beide Häufer binnen 12 Monaten fich zu verfammeln haben. Das 
Barlament ˖ haͤlt in jedem Jahre wenigftens Eine Sefllon. Der Gouverneur 
kann nach eigenem Ermeſſen beide Käufer provociren, eines ober beide zugleich 
auflöfen. Der Colonial»- Serretair, der Staatöprofurator, der Schagmeifter 
und der Aubitor haben das Hecht, in beiden GHäufern zu figen und fprechen, 
aber nicht zu flimmen. — Gefehgebung: Alle Geld⸗ und Steuerbewilligun- 
gen geben vom Repräfentantenhaufe aus. Der Gouverneur kann deſſen Be 
fchlüffe genehmigen, oder aud) nicht, oder fie bis zur Königlichen Genchmi⸗ 
gung zurüdlegen. Aber ein vom Gouverneur genehmigter Beſchluß kann bin 
nen 2 Jahren durch eine Ordre von Ihr. Maj. Staatsrath außer Kraft ges 
feßt werden. Die Verhandlungen werven in englifcher Sprache geführt. Reiſe⸗ 
diäten: Jedes Mitglied des einen oder anderen Haufed, das mehr ala 10 Mei» 
Im vom Verſammlungsorte des Parlaments wohnt, erhält täglich 1 Liv. St. 
Reifeviäten und dieſelbe Summe täglich während der Sigungsperiope und ſei⸗ 
ner Rückreiſe. 

Schr bald brachen flarfe Spaltungen in ver conflituirenden Berfamm- 
lung aus; die unabhängigen Mitglieder blieben bei den Abflimmungen gegen 
die Regierungsbeamten in der Winorität, bis endlich die meiften verfelben (5) 
austraten und die Golonialbemohner nun befchloffen, 2 verfelben als Des 
putirte nach Guropa zu jenven, wo fie im Jahre 1851 anlangten und dem 
britifchen Minifterium einen Gegenentwurf zu einer Berfaffung vorlegten. Der 
damals alle Thätigfeit ded Cap⸗Gouvernements abforbirende Iepte Kafferfrieg 
ſcheint die Einführung der Gonflitution in den Hintergrund gefchoben zu has 
ben, indem mir wenigfiend nichts über eine ſolche Ginfährung befannt ge= 
worden iſt. 

Bon ven 10 Divifionen ver Weſtprovinz des Caplandes if: 

1. Der Kapkreis mit fenen 3 Diſtricten, Capdiſtriet, Wynberg und 
Simonstown und 20 Feldcornetien der ältefte und wichtigfle. Der Boren if 
bier in dem Ebenen fehr fandig und unfruchtbar, fo daß, wie erwähnt (S. 291), 
außer einigen geeigneten Pflanzen nicht darauf gedeiht, zum heil aber auch 


Cape of Good Hope Almanac für 1852, 301 


fehr fruchtbar und reich bewäffert, wie in den bergigen Strichen zwifchen ver 
Tafel» und Simonsbai, woher ehr große Maſſen Weizen, Gerfle und Ha⸗ 
fer auf den Markt der Capſtadt kommen. Angebauted Land giebt es im 
Sanzen im Diftriet 11000 Acres (C. A. 1852, 180). Die Wollprobuction 
it Hier ebenfalls fehr beveutend und vie Wolle fein (Byrne 19; C. A. 1844, 
215). Der Fifchfang an der Küfte und in ver Kalk⸗, Tafel» und Simons⸗ 
bai befchäftigte 1851 300— 400 Mann und erwies fich fortvauernd fehr eins 
träglih. Gute Baufteine (Granit und Sandſtein) werden häufig in Stein- 
brüchen gewonnen. Der gebirgige Theil des Kreifes bei Rondeboſch, Wyn⸗ 
berg und Greenpoint ift in neuerer Zeit mit zahlreichen und fchönen Villa's 
der reichen Capſtadtbewohner und ver reichen Engländer, die aus Indien hier⸗ 
berfomen, um ihre zerrüttete Geſundheit herzuſtellen, erfüllt. Nanıentlich koͤn⸗ 
nen Rondebofch und Wynberg als vie fchönften Pläbe Sud⸗Afrika's gelten. 
Deshalb find auch in diefen Orten die Miethen enorm Hoch; für ein mäßi- 
ges Haus zahlt man 700—1000 Pr. Thaler (Kretzſchmar 15). Außerden 
erwähft Plumſtead auf dem Wege von der Capſtadt nach Simonstown we⸗ 
gen feiner gefunden Luft allmälig zu einem bedeutenden Ort (C. A. 1844, 218). 

2. Der Kreis Malmesbury, früher unter dem Namen Zwarteland 
nnd der Hauptort gleiches Namens ald Zwartlandskerk befannt, umfaßt 2 Dis 
flricte, Malmesbury und Pifetberg, mit 20 Feldcornetien; zu ihm gehört vie 
fhöne Saldanhabai. Sein Boden ift ungemein fruchtbar und galt deshalb 
immer als eine Kornkammer der Eolonie (C. A. 1844, 215; 1852, 186). 
Etva 40000 Acres find hier unter Eultur. Der Hauptort Malmesbury Tiegt 
40 engl. Meilen von der Capſtadt. In ihm befindet fich eine warme Duelle 
von 33— 35° C., die Kalk, Natron, Magnefla und viel Schwefelwaflerftoff- 
gas enthält und abführenn wirft (C. A. 1852, 186) *).| 

3. Der Kreis Stellenbofch, ſchon im Jahre 1681 errichtet, mit treff⸗ 
lichem Klima, fehr fruchtbarem, gut bewäflerten Boden und ſtarker Bevoͤlke⸗ 
rung. Die Wärme ift fehr gemäßigt, indem ber Thermometer felten über 
27° €, in ver heißeften Iahreszeit fteigt. Ein Hauptprobuct bildet der Wein. 
Am Eerſte Rivier giebt es eine ſtark mit Schwelfelmafierftoff gefättigte Quelle 
und eine ähnliche zu Paarl, Die erfte fol nach dem Urtheil von Aerzten 
in Magens, Leber- und Hautkrankheiten fehr nütlich wirken (C. A. 1845, 
231) **), Der Kreis beſteht aus 6 Feldcornetien, aber er bildet, wie es 
feheint, nur einen Diftrit. Der Hauptort Stellenbofch mit etwa 4000 Ein⸗ 
wohnern im Jahre 1851 beilgt außer der Gouvernements⸗Freiſchule eine 
gute englifche Mäpchenfchule, eine treffliche Schule ver rheinifchen Miſſionare 


*) Im C. A. von 1845, 46 findet ſich diefe Mineralguelle fo wenig wie in 
anderen älteren Werken vermerkt. Sie konnte deshalb auch nicht in meiner Schrift: 
Die Mineralquellen auf dem Feſtlande von Afrika, Berlin 1851, aufgeführt werben. 

a2) Für dieſe und die gleich noch zu erwähnenve Drauenfteiner Quelle gilt das 
eben Geſagte. 








302 Neuere Literatur: 


in 3 Clafien für Farbige mit 400— 500 Schülern und eine 50 — 100 Schü- 
ler ſtarke Wesleyanerſchule (C. A. 1844, 230). 

4. Der Kreis Paarl, fruchtbar und durch dad granitifche Paarlgebirge 
von fehr pittoreöfem Charakter. Ein Theil veffelben producirt viel Getreide, 
doch bildet der Wein einen Hauptertrag. Bosman's füßer Wein foll fogar 
dem berühmten Eonftantia, und der Bier bereitete Branntwein dem beften eu⸗ 
ropäifchen Sprit gleichen. Etwa 11576 Acres befinden fi im Kreife ſchon 
unter Cultur. Im dem weinreichen Ort Klein Trakenftein, 2 M. nörvlich 
vom Dorf Paarl, giebt e8 eine in Haut=, Leber- und Magenfranfheiten wirf- 
fame, ſtark gefättigte Falte Schwefelquelle (C. A. 1845, 233). Zu viefem 
Kreife gehört das reigenve und weinzeiche Thal Wagenmabkersvalley, jeht Wel- 
lington genannt, mit dem aufblühenden Dörfchen gl. N. 

5. Der Kreis Worcefter umfaßt die Diftricte Tulbagh und Worceſter, 
von denen der erfte die flärkite VBevölferung bat, da er fehr waflerreich, 
fruchtbar und in einzelnen heilen fehr pferdereich iſt. Außerdem enthält er 
23 Feldcornetien. In dem Kreife entipringen aus Kalkboden die flarfen und 
heißen Thermen des Brand Valley, dann die lauwarme Jordansquelle un Thal 
Goubinie aus Sanpflein*). Gleichzeitig findet ſich Hier der einzige und fehr 
fifchreiche Süßwaflerfee des Caplandes, das Verkeerde Valley (C. A. 1845, 
243). Der Hauptort Worcefter bat eine Schule der rheinifchen Miſſtonare 
für farbige Kinder mit 150 Schülern. 

6. Der Kreis Elanmwilliam, größtentHeild mit ſehr unfruchtbarem und 
faft nur zur Weide nugbarem Boden, und darum auch ungemein fpärlich be⸗ 
völfert. Nur die niedrigen Nänder des unteren Laufs des in den atlantifchen 
Ocean münbenven weRlichen Elephantenfluffes (Olifant rivier) find, wenn fie 
vom Fluſſe überſchwemmt werden, ungemein fruchtbar und gewähren dann 
ſelbſt das hundertſte Korn. Deshalb nennt man ven weſtlichen Elephan⸗ 
tenfluß zuweilen den Nil Süb- Afrikas. Er kann 30 engl. M. aufwärts ber 
feHifft werden (was auf eine ſolche Länge, außer bei dem Breeve Rivier, in 
keinem anderen Fluſſe des Caplandes möglich ift. C. A. 1845, 250). 30 engli- 
ſche Meilen von dem Hauptort gl. N. des Kreifes liegen im Diſtrict Bi» 
doun die nach ihren fehr intereffanten, jet aber fehr devaſtirten Walvungen 
von Cedern (Callitris Ecklonii 8. Schubertia Capensis) genannten Geber: 
berge **). Bon Pflanzen kommt hier beſonders das fogenannte Wolvegift ***), 
deren Wurzel den Bewohnern zum Vergiften ver Gyänen bient, in Menge 


*) Minerolguellen von Afrifa 19, 34. 

”*) Es iſt dies die einzige Localität des Gaplandes, wo Cedern wild wachſen 
C. A. 1845, 249. Schon Capit. Alexander erwähnt dies Borfonnnen. 

“..) e globosa andy Welveboom genannt, eine Euphorbiacee, nach 2. 
zumde in * hen bene der Gapflabt er . am Giepbanten- 

e und an aflammabergen end; die Frucht if ſehr giftig und enthält 
wahrſcheinlich Strychnin. Bee; dr giftis 


Cape of Good Hope Almanac für 1852. 308 


vor (C. A. 1845, 251). Endlich gewinnt man Salpeter in der Feldcornetie 
Dnder (inter) NRoggeveld. Bei dem 168 engl. M. voh ver Capſtadt ent⸗ 
fernten Hauptort tritt eine gute Gifenquelle, und m dem oberen Thal des 
Elephantenfluſſes eine von Haut⸗ und rheumatifchen Kranfen vielfach befuchte 
Therme zu Tage (C. A. 1845, 247, 248; 1852, 199) *). Won technifcher 
duftrie Hat man nur Spuren im Hauptort, wo mit Hilfe von Straußfeder⸗ 
flaum Hüte gemacht wurden, und in ver rheinischen Miſſionsſtation Wupper- 
tbal, wo fich Gerbereien, Leverarbeiter und eine Mädchen- Inpuftriefchule fin« 
den. In dem durch feine trefflihe Pferdezucht feit langer Zeit befannten Dis 
ſtrict Hantam wurde neuerlichft ein neued Dorf, Calvinia, dad einzige dieſer 
entfernten Gegend, mit einer refornirten Kirche angelegt. 

7. Der Kreis Zwellendam, 1745 errichtet und früher noch Graaf 
Meynett, Uitenhage und George begreifenn, mit fehr gefundem Klima und fehr 
fruchtbarem Boden und von dem 40 M. aufwärts fchiffbaren Breede Miver 
durchſtrömt. Schafe und Pferde gebeihen ausgezeichnet, nur leiden bie letz⸗ 
tem zuweilen an der Pferbefeuche. Getreide, Wolle und Pferbe (für die ins 
difche Gavallerie) find von Hier aus Saupterportartifel. Der Kreis befikt 
2 warme Quellen, eine mit Chlornatrium, die andere mit KalE**). Der 
Kreis begreift die beiden Diftricte Zmellendam und Riversdale und 23 Feld⸗ 
cornetien. Der Hauptort gl. N. bat 450 Häufer und 2000 Einwohner, eine 
öffentliche Schule für Weiße und eine für Farbige. — Riversdale, ein 
60 M. oͤſtlich von Zwellendam angelegter Ort am Bette River, mit etwa 
1000 &w. — Port Beaufort, neuer Hafenort an ver Mimbung des 
Breeve River in vie St. Sebaftiandbai; Haupterportplat der Producte des 
Kreifes durch Küftenfahrer nach der Capſtadt. 

8. Der Kreis Caledon, ebenfalls fehr fruchtbar und viel Wolle und 
Getreide erzeugend, da die Schafzucht immer mehr in Aufnahme kommt. 
Diefe Producte werden von der Struys⸗ und Walkersbai durch Küftenfah- 
rer nach der Eapflabt verführt. Der Kreid umfaßt 11 Feldcornetien und bes 
figt 2 außdgezeichnete Ehlornatriumthermen bei dem Hauptort gl. N. ***), 

9. Der Kreis George, ein höchſt pittoreßfer Landſtrich, ver zugleich 
reich an den dem Gouvernement gehörigen Waldungen, längs ver Küfte fließen- 
den Gewällern, Weideland, und an ver Küfte der großen Moſſelbai aud) an 
Zifchen und Auftern if. Es ift dieſer Kreis fogar der beftbemäflerte des 
ganzen Landes. An ver Mündung des Gaurig und Klein Brak Miver giebt 
es 2 Salzfeen. Holz und gute Butter für den Markt ver Capflabt find 
Hauptprobucte. In neuerer Zeit bat fich befonderd die Schaf = und Pferdezucht 
gehoben, indem die hier gezogenen Roſſe fehr brauchbar und Fräftig find 


— —— — — — — 


®) Mineralquellen 60. 
=) ine davon iR die im Kogmansfloof. Dineralquellen 49, 57. 
»s#) SDineralquellen 37. 





303 Neuere Kiterabur: 


(C. A. 1845 272). Die Mofielbai bildet nebſt ter Simonsbai den Ichten 
Ankerplad in tem oͤſtlichen Theil der Süpfüfe, fo daß der Handel an der⸗ 
felben eine große Ausbehnung zu nehmen verjpricht, wenn bie im Bau bes 
fintliche Fahrſtraße nach tem Innern durch die fürchterliche Cradockſchlucht 
en Vinnenkreis Beaufort mit der Kaſte verbunden haben wirb (Byrne 26; 
C. A. 1845, 272) Auch tie ſichere und von mehreren bunbert Zuß hohen 
Felſen faſt gamı umfchlofiene Mündung des Kupinafluffes bürfte in ber Za⸗ 
Punft ein wichtiger Hafen werden. Ia George befinden ſich 2 ſehr wirftame 
warme Mineralquellen am oberen öflichen Glephautenfluß"), umb im ker 
Ataywatflcoi; andere nügliche Minrralguelien giebt es bei tem Tofelöfreal 
Tier Kreis begreint Vie een Tiiiricte Gesrge uns Mofielbei (jet Ylnmel 
genannt), jomen wit 16, tieien mit 3 Seltcoraetien (C. A. 1852, 206 — 207). 
Greerge, er Hanrtort, batte 1849 1400 Gm. 

10, Der Krris Beaufort beñebe in feinem nörtlihen Iherle anS dem 
jograanatın Rörmwereltgelirge, & 5. aus dem Eürrante wei heben fütafri- 
famiten Qiamnlanted, in icmeız mitileren and cmem 60 — 100 enzlnde 
Kulm in wertiätiter Aeterang Freie banlıya Pameärske ut zuüihen- 
aan auigtehutm Rihde, Dem jeyenzmmm Geurb, uar th m Ei» 
ne aut mm Eınir ur Sue ber Retee der Jerarseherge. Tummıh yerialli 
der Kr a 3 Srürzite, ten des Kunrerdließ, des GeuzbS war ter Imarte- 
tur, wer yanlınt ua 12 Erhueream Era Bern wi ich weiieles: 
ermummir Alidt war Sem che e& für mir, zur ba war weiter Uimel- 
im. kur et nıräome, ja gäm;iuf weriänreeten, us ür Ad aber erhalten, 
Guun- war Bührhea ardamm une ter Gurüchema üfram? inseldibanır Da» 
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eMarrotacalte Hs 


Cape uf Good Hope Almanac für 1852. 304 


tes ganzen Caplandes ift. Gleichzeitig gebeihen tropifche und europäifche Ge⸗ 
wähle gut. Der Kreis zerfällt in die beiden Diftricte Albany und Ba 
thurf. Außer der Hauptſtadt Grahamstown, dem Emporium ver öſt⸗ 
lichen Provinzen, Tiegen hier noch die Orte: Bathurft, zwifchen Port Fran⸗ 
ces und Grahamstown, wegen feiner ſchoͤnen Lage das Richmond Suüͤd⸗Afri⸗ 
fu‘ genannt. 

2. Uitenhage, war bei feiner Errichtung im Jahre 1804 viel grö« 
Ber, indem bie damalige Droftei dieſes Namens noch die jetzigen Diviſtonen 
Albany, Port Elizabeth, George und Sommerjet begriff (C. A. 1852, 223). 
Das Elima ift bier fehr gefund; Winterfröfte find nicht ungewöhnlich, und 
die höheren Berge erjcheinen Häufig mit Schnee bedeckt. Der Boden ift zus 
gleich fehr waſſerreich, außer in ver Nähe der Küfte, und, befonvers nach dem 
Inneren zu, thonig und ſehr fruchtbar. Ein großer Theil zeigt fich zur Schafe 
zucht wohl geeignet. Unter den Bergen des Kreifes ift ver 80 Meilen noͤrd⸗ 
ih von Port Elizabeth gelegene und von ben Seefahrern weit zu fehenve 
Cockscomb⸗ oder Örenadiermügen= Berg, ber bei etwa 4500 Fuß Höhe einen 
Theil der Sandfteingebirgd» Kette des Winterhoek bilvet, einer der bedeutend⸗ 
fin. Lieut. Sherwill beftieg eine von deſſen Spigen im Jahre 1840 und 
gab von feiner Unternehmung eine Befchreibung (C. A. 1844, 347 — 350); 
er war nicht allein ber erfte Europäer, ſondern vieleicht ver erſte Menſch 
überhaupt, der den Gipfel des Piks erreicht hatte *). Nächfivem gehört zum 
Kreife ver Winterhoet ſelbſt von 2752 %. Höhe. Uitenhage fcheint reich an Miz 
neralfchäßen zu fein. Die längft bekannte Bleierz-Lagerftätte am van Stades 
Nivier (Lichtenftein I, 374) war im Jahre 1851 in bergmännifchem Bes 
triebe und hatte bereitd eine Mafle guter Bleierze und einige reiche Ku⸗ 
pfererze geliefert (C. A. 1852, 235). Außerdem giebt ed in ver Nähe des 
Sauptorted gl. N. Mineralquellen, vie in gutem Auf ftehen; eine davon ift 
lau **). Zu dem Kreife gehören 21 Feldcornetien und 2 Salzfeen. 

3. Bort Elizabeth, vor Kurzem noch ein Theil von Uitenhage. Der 
Hauptort gl. N. Hatte 1820 erſt 35 Einwohner, wogegen er jebt 4000 mit 
450 Häufern zählt und noch fortwährend im Wachſen ift. Gleichzeitig ift 
Bort Elizabeth der Sig einer Bergwerks⸗Geſellſchaft für die Oftprovinz. 

4. Fort Beaufort bildete vor dem Jahre 1812 mit dem jegigen Kreis 
Birtoria ven Wohnfig der Kaflern aus dem Geikaſtamme, und nach dem Kriege 
von 1819 einen Theil des fogenannten neutralen Terraind, wo weder Euros 
päer, noch Raffern fefte Wohnfite erbauen ſollten. Er ift theils bergig, theils 
in einem Becken gelegen, indem eine Kette beträchtlich Hoher Berge ein gro⸗ 
e8 Baſſin bildet, das von fließenden Gewäflern reichlich befeuchtet und befruch⸗ 


#) I have seen grand and beautiful scenery in Europe, Asia and Africa, but 
i have never scen any sight so grand or approaching to the view obtained from the 
Cocks Comb, fagt Sherwill a. a. DO. 350. 
“*) Mineralguellen von Afrifa 54. 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. 1. 20 


306 Neuere Literatur: 


tet wird. So trägt der Boden hier viel Korn, und er ift zugleich ganz zur 
Schafzucht geeignet, weshalb er eine anfehnliche Bevölkerung aufnehmen Eonnte. 
Die Berge find mit prächtigen Waldungen des fchönften Bauholzed bedeckt. 
Der Kreis umfaßt 2 Diftricte, ort Beaufort und Stodenftrom. Der Haupt⸗ 
ort gl. N. Tiegt fehr fchön auf einer durch eine Biegung des Kat River ges 
bildeten Halbinfel und ift in wenigen Jahren aus einem reinen Militairpoften 
zu einem verbältnigmäßig bedeutenden Ort angewachſen (C. A. 1852, 224). 

5. Somerfet, ift theilmeife eben, größtentheild jevoch eine Bergland⸗ 
fchaft, und zwar erfüllen befonberd den Norden und Often des Kreiſes Berge 
und Bergfetten, während der Süten, am Meiften aber ver Sübmeften, bie 
Natur einer Ebene hat. Im äußerften Südweſten trennt die lange Kette ver 
Zuureberge (Sauerberge) Somerfet von Uitenhage. Nach Norden zu be= 
ginnt die Berglandſchaft fchon Dicht bei dem Hauptort gI.N., ver am Buß 
der langen Kette der Bofchberge, eined ver höchiten und am weiteften flcht- 
baren Theile ver Bergfette, welche viefen Theil Afrika's durchzieht (C. A. 
1845, 326), liegt. Im nordweſtlichen Theile des Kreifes befindet fich vie 
Hohe, zerriffene und fchön bemalvete Bergkette des Zwagershook und giebt 
denselben einen alpinifchen Charakter (C. A. 1852, 229). Außerdem gehö- 
ren bierher in Norden des Hauptortd der hohe und imponirende, Brunt⸗ 
jes Hoogte genannte Pik, nach dem die ganze umliegende Gegend ihren Nas 
men führt, ferner der majeftätifch aus feinen Umgebungen auffleigende und 
bis zu feinem oberen Theil prächtig bewaldete Kagaberg, deſſen Gipfel aus 
einer nackten Felsmaſſe mit fenfrechten Wänven befteht, enplich ver Tandeberg, 
d.h. Zadenberg, nad feiner fpiten und zerriffenen Form alfo genannt. 
Durch diefe zahlreichen Berge ift der größte Theil des Kreifes fehr reich an 
fliegenden Gewäflern und außerorbentlich fruchtbar, im gebirgigen Theil 
aber im Winter zugleich fehr kalt. Den Quellenreichthum des Bofchberges 
kannte ſchon Kichtenflein (IT, 595), und er hat fich bis Heute erhalten (C. A. 
1845, 329). Wo dagegen die Ebenen vorherrfchen, ift ver Waſſerreichthum 
viel geringer, der Boden durch fein füßed Gras aber immer noch zur Vieh⸗ 
weide fehr geeignet. Dies ift 3.8. um den Buß des Bruntjes Hoogte der 
Ball, von mo jedes Jahr ausgezeichnet ſchönes Schlachivieh nach Grahams 
Zown und der Gapfladt gebracht wird. Einen ver fruchtbarften Striche des 
Kreifed bildet das Thal des kleinen Fifchfluffes, worin der Hauptort So⸗ 
merjet felbft liegt. Außer ven genannten Waldungen findet fich Bier noch ein 
jehr großer und fchöner Wald am Fuße des Kagaberged (Kowiewald. C. 
A. 1845, 325). Auch viefer Kreis bevölkert ſich allmälig mit britifchen Ein⸗ 
wanderern, fo daß ver fchöne Landſtrich zwifchen dem Koonap und einem 
feiner Zuflüffe, dem Manfazana, und noch weiter weftlich 6i8 zum Baviaand« 
river ſchon faft außfchließlich durch Briten befegt ift, die bereits fehr große 
und felbft die werthvollſten Schafheernen der Kolonie befigen, in dem Kaf- 
fernfriege von 1850— 1851 jedoch ungemeine Verluſte erlitten. 


Cape of Good Hope Almanac für 1952. 307 


6. Erapod, beſteht großentheild aus thonigen Ebenen (Karroͤ) *), 
die nur bei gehöriger Bewäfferung fruchtbar find, doch werben in dem Braak⸗ 
Riviers Bezirl große Maſſen verfchiedener Arten von Obft und Getreive 
gewonnen. Der Bezirk Achter Sneumberge ift reih an Nindvieh, der von 
Tarfa an Schafen. So bebeutend ift die Viehzucht, daß um das Jahr 
1822 ein einziger Schlächter von hier 40000 Schafe und 2000 Ochſen jähr- 
li nach der Capſtadt fandte (C. A. 1845, 337). Im Ganzen ift ver 
Kreis nicht zur Aufnahme einer dichten Bevölkerung geeignet. Warme und 
kalte ſchwefelreiche und bei Hautkrankheiten überaus nügliche Mineralquellen 
giebt e8 mehrere, vorzüglich bei dem Hauptort gleichen Namens **). 

7. Graaf Reynett. Ein Theil des Kreifes liegt mit Beaufort auf der⸗ 
felben Terrainftufe, ein anderer dagegen auf der höchften Stufe des Eontinents, 
fo Daß er mit dem Kreis Colesberg wohl ver höchfte Theil des Eaplanves 
if, weshalb er ein fehr gemäßigtes und zugleich fehr gefundes Klima hat 
und vie Bevölkerung ein hoͤchſt geſunder und Fräftiger Menfchenfchlag ges 
worben ift (Byrne 37). Der Kompaßberg, der höchfte des Kreifes, Toll bis 
10000 &. Höhe anfteigen, doch wurde er bisher noch nicht gemeflen. Der 
Boden ift von ſehr verfchienener Befchaffenheit, jedoch ungemein reich, bes 
fonverd in ven am Sonntagäfluffe gelegenen Strichen. Nur hindert der Mans 
gel an Wafler, wie in dem benachbarten Beaufort, oft die Einführung des 
Feldbaues, wogegen der Boden wenigftend meift ausgezeichnet zur Weine von 
Vieh aller Art geeignet if. Der auf der unteren Stufe gelegene wärmere Theil 
bat namentlich Ueberfluß an dem Speckboom (Portulacaria afra), der Scha⸗ 
fen und Ziegen ein treffliches Futter gewährt. Der vorzüglichen Weide we⸗ 
gen Bat man in den lekten Jahren große Anftrengungen verfucht, durch Eins 
führung fpanifcher und fächfifcher Boͤcke Merinoheerden aufzuziehen, und 
man machte darin fogar folche Kortfchritte, daß ver Kreis in wenigen Jah⸗ 
sen den größten Theil der Capwolle wird liefern fönnen, was noch dadurch 
begünftigt wird, daß die Merino fehr harter Natur find und ven bier in 
manchen Gegenven des höheren Theils des Landes im Winter berrfchenden 
Froſt ertragen koͤnnen, ja daß die Kälte fogar vortheilhaft auf die Wolle ein» 
wirft, indem ſie ihr drei wefentliche Eigenfchaften verleiht, nämlich fle Länger, 
fefter und dauerhafter macht. Auch Pferde gebeihen trefflich, und mandıe 
Gegenden find von der in einigen Theilen des Caplandes fo große Verhee⸗ 
rungen anrichtenden Pfervefeuche ganz frei (C. A. 1852, 226). Dages 
gen iſt der Kreis faft völlig entblößt von Holz, dad zum Brennen aus weiten 
Enifernungen, 3.8. aus den Wäldern von Somerfet, berbeigeholt werden 
muß. Als Feuerungsmaterial dient deshalb meift getrodneter Viehdüunger. 
Der Kreis ift in die beiden Diftricte Graaf Reynett und Richmond getheilt. 


*) Geographie von Afrika 145. 
”*) Mineralquellen von Afrika 79, 203; Byrne 46. 


20 * 





308 Neuere Literatur: 


8. Golesberg. Das Land ift von überaus einformigem Anfchen, va 
es größentheild aus einer waldloſen Hochebene befteht, vie nur bin und 
wieder durch einzelne hohe Berge (Bofchberg, Toverberg) und vereinzelte Hö- 
henrücken unterbrochen werven. Biele ausgedehnte Streden haben kaum ei- 
nen Bufch, weöhalb die Bewohner fich auch hier allgemein des Viehdüngers 
als Feuerungdmaterial bedienen. Da ver Kreis ſchon ganz auf der innerften 
Hochterrafie Sübd=- Afrika’3 liegt, fo ift er verhältnigmäßig Falt, und ter von 
Schneeflürmen begleitete Winter oft fehr fireng, woburd ver Mangel an 
Feuerungsmaterial um fo mehr empfinvlih wird. Indeſſen geteiben tie 
meiften Bruchtbäume der Colonie, und in den Gärten ded Hauptortes fogar 
Drangenbäume und Wein fehr üppig. Der großen Wafferlofigfeit wegen ifl 
die Bevölferung meift zum nomadifchen Leben gezwungen; dieſelbe bat einen 
fo reichen Viehſtand, wie ihn kaum eine andere Divifion befigt, und ter Di- 
flrit New» Hantam überdied eine überaus Fräftige Pferderace, vie nicht von 
der Pfervefeuche leidet. In commercieller Hinſicht iſt der Kreis durch feine 
Lage wichtig, da der Weg nad) dem Oranje Rivier (Barip) und dem tiefe» 
ren Inneren des Kontinents, namentlich nach den Betichuanenländern, ſowie 
ter Landweg nach Natal hindurchführt. So wird bier ein bedeutender vor⸗ 
theilhafter Handel mit ven Eingeborenen im Binnenlande betrieben, und ber 
erft im 3. 1839 angelegte und nach dem vamaligen Gouverneur Sir Lorery 
Gole benannte Hauptort gI. N. des Diſtricts nimmt dadurch fortwährenn an Bes 
deutung zu (C. A. 1852, 231 — 232). Die Bufchmänner, welche früher vie 
Bevölkerung fehr beunruhigten, find faft ganz vertrieben oder ausgerottet. 
Noch giebt ed in dieſem Diftricte wenig englifche Anſiedler, obgleich ter Hans 
del ſchon faft ganz in den Händen ber Engländer ift (C. A. 1845, 333), 
Bon warmen Wineralquellen hat der Kreis einige reiche in New Hantam. 

9. Bictoria, ein fehr langer, aber fehr ſchmaler Streifen Landes, ver 
fih von ver See, an welcher er eine Küfte von etwa 35 englifchen Meilen 
Zänge bildet, zwifchen dem Großen Fiſchfluſſe, ver früheren öſtlichen Grenze 
des Gaplandes, und dem Keiskamma, ver feit 1847 neu erworbenen Grenze, 
in nörblicher Richtung bis zu tem Kat River und dem Chumie (Tſchumie) 
fluffe, wovon der erfle in den Großen Fiſchfluß, ver zweite in ten Kat 
River fällt, endlich nörblich von jenen beiden Ylüffen bis zu den Bergrüden ver 
BWinter-, Kat» und Chumieberge erſtreckt. Ienfeits viefer Bergrüden gehört 
zu der Divifion noch ein Terrain, das von dem Zwartekei und tem Klip⸗ 
plaats River begrenzt wird. Außerdem erkennt ein noch nörblicherer, zwiſchen 
dem weißen und ſchwarzen Kei bis zu den Stormbergen gelegener, das Bufch- 
mannsLand genannter Landſtrich, vie britifche Oberherrlichkeit an ( Free- 
man a tour in South Africa. London 1851, 85), und zugleich iſt ver 
fon erwähnte, ganz getrennte Fleine Bezirk von Caſt⸗London der Civilver⸗ 
waltung des Kreifed zugetheilt worden. Im Oſten grenzt der Kreis an Bri⸗ 
tiſh Kafferland, wovon er durch ven Lauf des Keislamma, Ghumie, und 





Cape of Good Hope Almanac für 1852. 309 


weiter im Norden ven Klipplaats River, getrennt wird. Victoria hat unges 
fahr 1 Million Acres Land und ift zahlreich bevölkert, befonderd von etwa 
50000 Farbigen. Sein Klima ift überaus gefund, und große Streden des 
Bodens find fo fruchtbar und gewähren für Auswanderer einen fo trefflichen 
Wirkungskreis, daß fie darin von keinem anderen Theil ver Erde übertroffen 
werden möchten. Auch das Hiejige Weideland ift für Rindvieh und Schafe 
trefflich geeignet. Dies gilt beſonders von ven Strichen am Klaas Smitd 
River, welche durch waflerreiche, perennirende, von ven Bergen herabkommende 
Ströme, reihen Graswuchs und durch offenen, fofort zu Agriculturarbeiten 
tauglichen Boden fi ausgezeichnet erweifen. Zugleich bat der Kreis durch 
die Auffindung eined ausgedehnten Steinfohlenlager8 nahe bei der 1847 neu an⸗ 
gelegten Stadt Whittlefen am Kraafluß neue Vorzüge vor allen anderen Re⸗ 
gionen des Caplandes, wo man dies nütliche Mineral bisher noch nicht gefunden 
Bat, erhalten. Eine gute Straße, die von Eaſt London über King Williams 
Town, dem Hauptort von Britifch Kafferland, führt, durchzieht den Kreis 
(C. A. 1852, 246). Die farbige Bevölkerung befteht vorzüglich aus Fin⸗ 
güs, Hottentoten und Tambufiefaffern. Hauptort des Kreijes ift die aufblü- 
hende Stadt Alice, doch erft mit einer Bevölferung von 40 — 50 Yamilien, 
an der Bereinigungdftelle des fchönen und waiferreichen Chumie und des Kaya, 
zugleich an der Außerften Oſtgrenze des Landes und am Fuß des jenfeits des 
Chumie in pittoreöfn Maffen auffteigenven Amatolagebirges*), der feften 
natürlichen Citadelle der Geifafaffern in allen ihren Kriegen gegen die Eng⸗ 
länder. Dicht bei Alice liegt ort Hare (Godlonton and Irwing A nar- 
rative of the Kaffir war of 1850—1851. London 1851, 70). Zum 
Kreife gehört ferner das eben erwähnte, neu angelegte Whitlefea an 
der Grenze des Landes der freien Tambufie und auch in der Nähe der feit 1823 
beftehenden und blühenven Herrnhuter» Station Siloh. Eaft London, an 
ter rechten Seite der Mündung des Büffelfluffes, ift das alte Fort Glamor⸗ 
gan und in neuerer Zeit ein überaus wichtiger Punkt geworden, da auf der 
von bier nah King Williams Town führenden Straße dem englifchen Heere 
während des Kafferfrieged die nölhigen Lebensmittel und Kriegsbedürfniſſe zu⸗ 
geführt werden konnten **). 

10. Albert, ift öftlich von dem Kreife Colesberg 'gelegen und auch 
mit ihm von fo gleicher Befchaffenheit, daß der Kreis ausfchließlich ein ges 
fundes, warmes Weideland beſitzt. Derfelbe ift zugleich der norböftlichfte Theil 
des Caplandes, und im Norden durch den fchwarzen Fluß (Nu Garip, einen 


®) The wooded fastnesses of the Amatola Mountains Napier II, 147. 
“@) Durch den Befig der Mündung des Büffelflufjes erhielten die Engländer in 
dem letzten Kafferkriege einen überans wichtigen Stüppunft, der ihnen in den frühe» 
ren Kriegen, wo alle Lebensmittel und Kriegsbebürfuifie ven weiten Weg von der Als 
goabai, dem Ansichiffungepunfte, herbeigefchafft werben mußten, gefehlt hatte Nas 
pier empfahl deshalb fchen nach Beendigung des vorleßten Kafferkrieges (II, 113) viefe 
Mündung zur Ausladung der Militairbebärfnifie flatt der Algoabai. 


310 Altamerifanifche Denfmäler am Coloradoſtrom in Nord: Amerika. 


ber Hauptquellſtroͤme des Oranje River), dann im Süden durch bie Kette der 
Storm», Bamboos⸗ und Zuureberge, welche ten Kreid von Victoria tren- 
nen, begrenzt. Das Klima ift, gleich dem von Eoleöberg, wegen ber bo» 
ben Lage gemäßigt und im Winter jelbft fehr rauf. Da Regen hier felten 
fallen (in neuerer Zeit war died 2 Jahre hindurch nicht gefchehen), und alfe 
Waſſer fehlt, fo ift es wenig wahrfcheinlidh, daß Albert Fünftighin einen An- 
ziehungspunft für englifche Anflenler abgeben wird. Ueberdies flcht einer ra⸗ 
ſchen Eolonifation die Entlegenheit des Landftrich6 von jedem großen natür« 
lichen Communicationdwege fehr entgegen. Der ganze Flächeninhalt if im 
308 Farms getheilt. Aliwal, der neue Hauptort, ift nody am günfligften 
gelegen, um zu einer wichtigen Binnenſtadt zu werben (C. A. 1852, 248). 
& 


Altamerifanifche Denkmäler am Coloradoftrom *) in 
Nord - Amerika, 


Durch tie Forſchungen Clavigero's (Historia antigua de Mexico. Span. 
Ueb. London 1826. I, 104) und anderer Hiftorifer in ven wenigen, ver 
Zerflörungsmuth der fpanifchen Eroberer, bejonverd aber dem Yanatitmus 
tes erften Erzbifchofd von Mexico, Zumarraga, und eincd ſpaͤteren, des Don 
Juan de Palafor y Mendoza im Jahre 1641 (Brantz Mayer Mexico, Az- 
tec and Republican. Hartford 1852. I, 92, 200) **) entgangenen alten me⸗ 
zicanifchen Hiftorifchen Denfmälern wurde befanntlich tie Höchft intereffante That⸗ 
fache gewonnen, daß vom 6. bis 13. Jahrhundert unferer Zeitrechnung im mitt⸗ 


=) Der bier genannte Coloradoſtrom if derjenige unter den norbamerifanifchen 
Flüſſen gleiches Namens, welcher in die Nordſpitze des californiihen Golfe mündet. G. 

“e) „Die allgemeine Vernichtung der chineſiſchen Bücher durch einen Barbaren, 
defien Name nicht ausgefprochen werben foll (es war ein Kaifer von China, ber feis 
nen Untertbauen bei Strafe des Lebens befahl, alle Bücher und Handichriften zu ver: 
Erennen), die Berbrennung der alerandrinifchen Bibliothef unter Julius Gäfar, die 
Verbrennung eben diefer zum Theil wiederhergeftellten Bibliothef unter dem Kalifen 
Omar, die Bernihtung der alten griechifhen und römiſchen Echriftiteller, namentlich 
bes Gicero und Livins, in ber ganzen Ghriftenheit auf Veranlaſſung bes Papftes 
Gregorius, ſind meiner Meinung nad) die traurigften Begebenheiten der Geſchichte 
des menſchlichen Geſchlechts, weil fie uns eine Menge Kenntniffe geraubt haben, melde 
die Menfchen niemals wieder befommen werben; die Archive der Welt find daſelbſt 
verloren gegangen.” De Pauw Recherches philosophiqucs sur les Americain- 
Deutſche Ueberf. Berlin 1769. 11, 279. Der berühmte Autor Hätte das zerfö- 
tende Berfahren des Gardinal Zimenes gegen die arabifchen Bücher in Spanien 
hinzufügen köͤnnen. Den Erzbiſchof Mendoza fcheint er nicht gefaunt zu haben, 
—* erwähnt er noch an einer anderen Stelle ſeines Werks (11, 155) den Biſchof 
Summarica (Zummaraga) als einen unerbittlichen Zerſtörer der mexicauiſchen hiſtori⸗ 
ſchen Tafeln, welche dieſer überall aufſuchen ließ, um fie zn verbrennen, indem er 
nad, dem Borgange bes Papftes Gregorius meinte, alle nidhthriftlihen Bücher müß 
ten verbrannt werden. 


Altamerikfanifche Denkmäler am Coloradoſtrom in Nord⸗Amerika. 311 


Ieren Amerika eine Auswanderung von Nord nach Süden, welche Elavigero 
(I, 84) und Al. von Humboldt (Essai politique sur la nouvelle Espagne. 
2. Aufl. I, 347) der mittelalterlichen in Europa und Nord-Aſien an die Seite 
ſtellten, flattgefunvden habe. Die hieroglyphiſchen Tafeln ver Azteken haben vie 
Erinnerung an die wichtigften Epochen diefer großen Wanderungen uns erhalten. 
Aber während die Züge der barbarifchen Völker meift nur von Zerftörungen 
der früheren, aus dem Altertum erhaltenen @ultur und ver Monunıente 
griechifcher und römifcher Kunft in Europa begleitet waren, bezeichneten vie 
amerifanifchen wandernven Völker ihren Weg durch granviofe, von ihnen hin⸗ 
terlafiene Werke ver Givilifation und Kunſt. Zwei Völfer waren es befon- 
ders, welche, außer einigen anderen von Glavigero (I, 84) genannten, an dies 
fen Wanderungen nad) Mexico Theil nahmen, die Toultefen over Toltefen 
und vie Azteken, beides Friegerifche Stämnie, welche auß ihren Wohnfiten im 
Norden des Gilaſtroms, des feit 1848 feftgeftelten norpweftlichen Grenzfluffes 
zwifchen ven DBereinigten Staaten von Nord⸗Amerika und der mericanifchen 
Republik, ihren Weg nad) Süden auf dad Plateau von Anahuac nahmen. 
Die Tolteken erfchienen ald die früheren befannten viefer Einwanderer zum 
erfien Male um das Jahr 648; volle 5 Jahrhunderte nach ihnen, erft im 
Jahre 1196, folgten die Acolhues und Azteken (Essai I, 347; Vue des Cor- 
dilleres. Tert 318). Die Toltefen müffen ziemlich hochgebildet gewefen fein, 
weil fie die Maid» und Baunmollencultur einführten, Städte und Wege, 
befonder8 aber die bewundernswürdigen Piramyden bauten, die fich noch bis 
heute erhalten haben, va fie hierogIyphifche Malereien fertigten, Erze verarbeite 
ten, die bärteften Steine zu bearbeiten verftanden und ein auögebilveted Regie⸗ 
rungsfyftem bejaßen (Glavigero I, 80). Don einem fo intereffanten Volk den 
Urfprung aufzufinden, war eine hiftorifcher Forſchung vollfommen würbige Auf» 
gabe, die auch nicht verfehlt Hat, in Amerika und Europa gleichmäßig ven 
Scharfiinn auögezeichneter Männer zu befihäftigen. Indeſſen war die Löfung 
einer folchen Frage keinesweges leicht, da die Spanier bei ihren erften Unter⸗ 
ſuchungen nörblih vom Gila nur rohe wandernde Nomaden gefunden hat- 
ten und, wie Humboldt ausdrücklich fagte, gegenwärtig nichts bekundet, daß 
einft eine Höhere Einilifation in jenen Gegenden geherricht habe (Essai I, 
348). Es konnte hiernach nicht fehlen, daß fich bei der Aehnlichkeit ver alt⸗ 
mericanifchen Denkmäler mit den Buphamonumenten des öftlichen Aftend und 
der hinterindiſchen Infeln *) die Anſicht bald dahin neigte, vie Erbauer der 
amerifanifchen Monumente aus Aften abzuleiten, wozu im vorigen Sahrhun- 
dert der befannte Sinologe und Hiftorifer de Guignes durch eine unrichtig 
gedeutete Stelle eines chinefifchen Autors, wie erſt in neuerer Zeit I. Klapp⸗ 


*) Es fcheint mir unzweifelhaft, daß die Denkmäler, die Zeiteintheilungen, bie 
Kosmogenien und mehrere Mythen (der Bevölkerung Amerika's) auffallende Ueber- 
einflimmung mit den Ideen des öfllichen Aflens darbieten. Al. von Humboldt's kri⸗ 
tifhe Unterfuchungen über die Entdeckung von Amerifa. Berlin 1852. 1, 335. G. 


312 Altamerifanifche Denfmiler am Coloradoſtrom in Nord⸗Amerika. 


roth zeigte ( Humboldt Fritifche Unterfuchungen I, 335), wefentlid) Beigetra» 
gen haben mag, indem de Guignes irriger Weile glaubte, daß die Chineſen 
bereitd feit dem Jahre 458 Amerika bejucht hätten. Von höchflem Intereſſe 
für die Unterſuchungen und Hypotheſen der Art waren deshalb die im Jahre 
1773 erfolgte Wiererauffindung einer alten und fehr großen, nur eine Le 
qua fürlich von Gila in einer weiten und fchönen Ebene gelegenen Azteken⸗ 
ſtadt durch die fpanifchen Priefter F. Garced und Font, wovon Al. v. Hum- 
bolet (Essai I, 241) aus ver zu Merico im Jahre 1792 erichienenen 
Chronica serafica y apostolica del colegio de propaganda fide de Que- 
retaro escrita por el P. Fr. Juan Domingo Arricivita II, 462 Kunde gab. 
Mitten in viefen Ruinen erhebt noch fich ein gewaltige, bei ten Indianern 
jener Gegenden unter dem Namen ver Casa grande de Montezuma befanntes 
Gebaͤude. Zahlreiche Refte bunter Töpfergefchirre, von Obiiviangerätbfchaften 
(Slavigero I, 106) und mericanifchem Bayence liegen in ver Gegend zerfireut um⸗ 
ber. Mit Grund turfte man erwarten, daß weitere Forſchungen zu ver Ent⸗ 
derung noch anderer ähnlicher Ruinen in jenen bisher faſt völlig unbefann- 
ten Gegenten führen würten, was in ber That nun geſchehen fein vürfte, 
wenn nämlich die folgende Notiz aus dem Francisco Herald vom 15. Auguf 
d. J. weldhe Herr Al. von Humboldt durch Herm Silas E. Burrows zu⸗ 
geſandt erhielt und für vie Zeitfchrift gütigft mitgetheilt hat, ihre weitere Bes 
ftätigung erhalt: 

„Die angekündigte Entdeckung einer großen Piramyde in ver Wüſte des 
Goloratoftroms, Hunderte von (engl.) Meilen nörtlih vom Fort Duma *) 
bat große Aufmerffamfeit erregt. Gefiele es dem Herausgeber des Placer- 
ville Herald (d. 5. der Zeitfchrift, worin ſich diefe Anfünvigung findet), feinen 
Derichterftatter zu nennen, jo könnten alle Zweifel an ver Richtigkeit der Ent- 
deckung befeitigt werten. In Bezug auf die letzte türfte ver folgenne, an 
den Serauögeber des Francisco Herald gerichtete Brief des Herm Silas 
Burrows von Intereffe fein, und man möge fich zugleich dabei erinnern, daß 
fon Herr Speer in feinen Borlefungen eine Rachricht aus einem alten chi⸗ 
neftichen Werk über eine dem Berfafler veflelben von Japanern zugegangene 
Nachricht mitgetheilt hat, wonach einige Landsleute der lehten ein fernes, weit 
im Oſten liegendes Land beſucht hätten. Nach Burrows Anſicht müflen vie 
Japaner in Verbindung mit ver Königin Eharlotteninfel und ver Nordküſte 
von Amerifa geftanven haben. 

Schreiben Silas Burrows an den Herausgeber des St. 
Francisco Herald. — Eine dem Piacerville Herald entiehnte Ritthei- 
lung aus San Bernartino Valley vom 23. Juni 1853 im St. Francisco 


*) Rad Humbolbt’s Karte von Merico wohnen Zumasindianer zwiſchen dem 
unteren Colorado und dem unteren Gila an ber Rordfpige bes californifchen 
Bater Garces erwähnt bereits die Yumasindianer am Gila Käufiger (Arricivita II, 
421, 423, 489 u. f.w.). ®. 


Altamerikanifche Denkmäler am Coloradoſtrom in Nord⸗Amerika. 313 


Herald vom 20. Auguft über vie Entdeckung einer großen Piramyde nahe 
dent Colorado betrifft ven interefianteften, mir bisher in Galifornien vorge- 
kommenen Gegenfland, wobei ich nur bevauere, daß ihr Verfafler feinen Nas 
men und den feiner 3 Gefährten verfchwiegen hat. Ich erfuche Sie, Sich an 
diefe Männer zu wenden, um ihre Namen, vie Zeit ihrer Entdeckung und ven 
beften zu der Piramyde führenden Weg zu erfahren. Es bedarf einer Eifen- 
bahn, um den legten dahin zurüdzulegen, und, da vie Piramyde fich wahr- 
fcheinlich nahe dem Wege befinden wird, welchen vie Eifenbahn einft nach 
dem Stillen Ocean zu nehmen hat, fo EZönnte die Auffindung des Monus 
ment? Danches zur Befchleunigung des Baues der Eifenbahn felbft bei⸗ 
tragen. Die Entdeckung in der neuen Welt eines folchen Kunſtwerks, wie es 
von den Reifenven befchrieben wird, bürfte vieleicht dem Geift Al. von Hum⸗ 
boldt’3 in deſſen vorgerüdten Jahren einen neuen Aufſchwung geben und ihn 
zu abermaligen Ernten, reicher als fle das Gold Ealiforniend gewährt, leiten, 
da dad Monument das erfte große Glied in der Verbindungskette einer alten 
Civiliſation zwifchen den Ufern des atlantifchen und flillen Oceans ift, welche 
fich vielleicht von den Beftungswerfen am Obio *) bis zu den Piramyden Ca⸗ 
liforniend verfolgen läßt. — Bei meinen faufmännifchen Verbindungen mit 
der Königin Charlotteninfel im 53° n. Br. erhielt ich einige fchöne, von ben 
dortigen Eingeborenen aus dem Material ihrer Thonfchieferbrüche (Slate) 
gearbeiteten Sculpturgegenflände. Die Art der Arbeit ift rein japanifch und 
erweiſt, daß Japaner die Injel erreicht haben müflen **). Manche ver letzten 
mögen durch Schiffbruch dahin verfchlagen worven fein und vie Kunft ihrer 
Heimath dahin gebracht haben. Bergleicht man in ver That vie Bewohner 
der Königin Charlotteninfel mit den Japanern, fo erfcheinen beide als ein 
und daſſelbe Volk, und fie unterfcheiven fich zugleich ſehr von der inbifchen 
Bevölkerung Californiens. — Die Entdecker der Piramyde find angeblich ames 
rifanifche Deferteure, die fich fcheuen, ihre Namen befannt werben zu laffen. 
Unter einer Verwaltung wie die des General Pierce, haben fie aber nichts zu 
fürchten, und ift die Entdeckung fo, wie man fle darſtellt, fo dürfte viefelbe 
ihnen durch die Stimme der Nation fogar für ihr ganzes Leben von Vor⸗ 
theil fein. 

Daß eine Race von beveutend höherer Bildungsſtufe, als die zur Ent⸗ 
deefungszeit in dem zwifchen dem Mifftfippi und dem Stillen Ocean gelegenen 
Theilen Nord» Amerika’8 bei den Bewohnern vorgefundene einft in jenen 
Gegenden eriftirte, unterliegt feinem Zweifel. Sat die uralte Bevölkerung 


#) Ueber die überaus merbwürbigen norbamericanifhen Monumente eines unter: 
egangenen Volkes hat befanntlih in den legten Jahren Squiers und Davis Be⸗ 
f teibung: Ancients monuments of the Mississippi Valley Licht verbreitet. ©. 
*#) Herr von Humboldt fieht fi jedoch veranlaßt, den japanifchen Charakter 
der erwähnten Begenftände, fowie die einftige Eriftenz einer japanifchen Eolonie auf 
der Königin Eharlotteninfel zu bezweifeln. ®. 


314 Altamerifaniice Denkmäler am Golorarefitem in Rorramerifa. 


aud feine ſchriftlichen Denkmäler binterlaffen, fo beweiien koch autere ihrer 
Denkmalert im zertrümmerten Städten, Feftungswerken, Reierveiren, gerflafter- 
sn Wegen un» Piramoden, die man an das Tageklicht gebkradı bat unr 
welche den Altertbumtioriber zu meuen Feriibungen reizen miien, ib Daſtin 
Gine hochn ntereffante Entreckung er Art wurke jüngit gemacht. linter ven 
Eingeborenen Neu⸗Merico's hatte ſich befanntlich eine Sage von ter Grifen: 
son Ruinen einer großen, ın einer abgelegenen Gegene des Lanted vorbante- 
an Statt erbulten, relchet ver Namen Groß» Duirira *) gegeben wurte, 
tech vermochte man bi neuerlichit nichts Defiimumtied darüber zu erjahren **) 
Jetzt iſt es nun zur Gmigbeit geworben, daß eine ſelche verfalleme, jichtlich 


*) Die Stadt un das Sand Quivira waren im 16. Jahrhundert darch ter 
lezeahanıen Berichte des Franztefanerminds Kran Marcos de Rıza über ungeheure 
tarelen verbandene Etige Gegernaud behartiicher Beribungen Erürms ter geiz: 
gierigen Eranier. Als man ſich ent lich überzeugte, daß dieſe Angaben Fügen we: 
ren, warde man geneigt, fett Quivita's Grüßen; in Zweifel zu zieben, wur 
es 3. B. durch ve Paum (tes Sant Quivita iR cine Ehimire De Pamm I Rex 
Kır) uxi früber aud tur nen Hemkeltt (Quinta valle fabuleuse Essas IV, 362) ze: 
ſteb, tech Wellre der legte Fericher irüter ſchen Duirire ım tie Reihe ter ala 


Nasrubten tech den ven Ternaut Cenrans wverögeatlisen Bericht Grkiiera 
te Ragerasſs, cines Thriinchmer® an tem ım 16. Yabrbuntert Tabız warnen: 
Kruzsjuge des iranırdca Germermeurs Vasauez Gerenate (Vorzers, reisten «t 


memeires origimaux pour sersir a Fhistoire de la decouverte de 7 Amerique. Par 1835, 
141 — 223. Gerenate's eigener Bericht au den Kaiier Carl V. Rute ut Itca br Ra: 
wizk> (115, 200 — 204}, werat$h tie Untichtigkeu ter Saarı ven Dsicrae Shigen 


kexatigt wurde (Vor. 142), tech in Tinem Berükte Aabıt ih rise Granibemmg 
der Grrüca; michensaruiber Bauwerke dee Landes eder icımer Haurtũadt Gahamı 
ta Edrifi in übrigens im mebriachet Hinkcdie ven bedentendem Iuterefe für tie Gke- 
grarbıe tes american dem Cennacats. weil bei ter Grdeditien. wceran ex Theil zaber, 
gleidzeitig mit ver Kükemmmteriucdung Calerniens terıh Ten Memiral Alarces um 
jenen Eiruermuma Deminge de Gaiille ( Ramane III. 303b) man friimmi ım Gx- 
fabrung bracte. ta5 Galifernien cuae Haltinjel jei (Voy. 50, 153) Tommi Kr- 
vet mh datin eime deutliche Eiif ferung ber Gala” granke, wıelde bereits um 
Sabre 1540, alie TaR 24 Jabthunderte ver den B. Garces zu Fra darch Gerne: 
tes Greditien auf ihrem Wege nad; Rerten ım der Räübe der j 
ferriden Gelis geſeben warte Rab Caftancta war tie 
retenen Berihten, tie Me darüber von ten Ginzekermen erbrelt, 
ver Gafa gramte ſebr emttimicht, ta fie zur ein ein Hans in Rumen ebar Dach 
ans ıciben Zirgelz erbaut (terre ronge) wahrnıhen, weldes aber dtlich Das 
arfintter, ven wet ber gelcmmmener Weajden war, als Feſturg gedien batte ur 
angetlid vea amd tem Merten gefcnmenen Barbaren jeden wurte. Gatzüete fügt 
* das Gans werte von den Gingeborrarm Cbidcilncale genannt ( Verages 41, 168 
— 161), ein Rame, den tie Ghrenica Arrizrua's mc bat GEcremate werjegte emi- 
Dxirira ın den 40° m Br. und im 950 Legua’s von Merur. ®. 
=#) Der Gesaztgeber des Placerrilie Herasd bemerkt, Daf Reifenbe im Gehiere 
des Celerade una ſeiner Zuiuae von der ſch 
Eulen der amerlanı ira Küñe —— anf auf der Benjcite des Gelerate, zwi: 
ten ik uud deu Gerdilleren gejrrochen bätten Leider nram er tie Ramım Tucjeı 
Meitemeen nid, inteen fama damit nicht gut Garche wur Keai armeim jein, da 
ven dieſes eatdeckten Aschureinen chlih edet cigtlich juitich vom Ola an G 





Altamerifanifche Denkmäler am Coloradoſtrom in Nord⸗Amerika. 315 


von einer gebilveten Race bewohnt gemwefene Stadt mitten in einer Wüſte 
eriftirt Bat. Bei einer neulichen Sigung der hiftorifchen Gefellfchaft von Ma⸗ 
tyland wurde nämlich ein von Fort Fillmore in NeusMerico vom 15. Juni 
1853 datirtes Schreiben des Colonel U. S. A. D. ©. Miles vorgelefen *), 
welches ein fehr lebhafte Intereffe unter ven anweſenden Mitglievern hervor⸗ 
rief. Sein wefentlicher Inhalt war folgender: 

Lieutenant Albert, von dem topographifchen Ingenieurcorps, ift der ein» 
zige DOfficier der Armee, der die Gelegenheit hatte, Groß⸗Quivira zu fehen. 
Derfelbe gelangte nach einem verlaflenen Dorf Namens Abo, das in 34° 25’ 
n. Br., 106° w.2. und 14 M. von dem oͤſtlich davon liegenden Quivira 
ſich befand. Letztes mag richtig fein, obwohl meine eigenen Erfundigungen 
mich zu der Anficht Teiteten, daß Quivira füböftlich von Abo zu fuchen fei. Seit- 
dem mein Aufjag in der Arkanfas- Zeitung erfchien, wurde ich mit einem als 
ten, mir als achtungswerth und zuverläfftg bezeichneten Mann, Namens 
Campbell, bekannt, weldyer Duivira zwei Mal befucht Hatte, zuerft im Jahre 
1839, als er den Indianern entlief, dann im Jahre 1842, als er fich mit 
einer größeren Geſellſchaft dahin begab und eine Woche vafelbft verweilte, um 
Schäge zu graben. So weit mein Gedaͤchtniß zurüdreicht, will ich bier 
Campbell's Beichreibung mit feinen eigenen Worten geben. Derfelbe fand 
Duivira auf einer Meſa (Tafelland) an ver norbweftlichen Spige der Sacra⸗ 
mentoberge, ganz mit dem Charakter einer großen, volfreichen und wohlgebauten 
Stadt, deren breite Straßen regulair angelegt waren und fich rechtminfelig 
fchnitten. Die Stadt erfchien ihm wenigftend 3 M. n NO. — SW. Richtung 
lang und 14 ober mehr M. breit; einige Häufer fanden noch aufrecht und 
waren von behauenen Steinen erbaut *). Die Größe viefer Häufer ließ 
fih klar erkennen; viele davon waren fehr groß. Ein Gebäude hielt Campbell 
für einen Palaft, ein anderes für einen Tempel oder fonft für eine gottes⸗ 
dienflliche Localität, wo er auch am erften Schäbe zu finden meinte. Des⸗ 
halb fonvirte er bier und entdeckte eine hohle Stelle. Als er den Schutt 
wegräumte, flieg er auf einen Fußboden, nach deſſen Durchbrechung er in 
einen Keller (cellar) zu gelangen glaubte, während er flatt deſſen ein ganz 
leeres, 16— 18 Ruß großed Zimmer mit polirten Wänden, vie überall 
mit Gemälden over farbigen Figuren bedeckt waren, antraf, und zugleich fah 
er, daß er fih arft in dem 10—15 8. unter ven jehigen Boden Tiegenven 


*) Auffallender Weife giebt Oberft Miles von des Lieut. Albert Auffindungen 
in Duivira gar keine Nachricht, fo daß alles, was wir von den Monumenten dieſes 
Orts wiffen, einzig auf den Ausſagen Campbell's beruht, deren Zuverläffigfeit noch 
zu conflatiren ill. a} 

“#) Ganz abweichend hiervon wird in Coronado's den Anſchein völliger Zu: 
verläffigfeit beffgenbem Bericht an den Kaifer in Bezug Quivira's, das, wie es ſcheint, 
fpäter nie wieber von den Gpaniern aufgefucht worben ift und völlig verſchollen 
war, geſagt, daß er die ihm zugefommenen Nachrichten über dieſe Stadt und ihre 
feinernen, wohlgebauten Häufer bei feiner Anwefenheit völlig faljh befunden habe, 
indem Duivira nur aus Strobhäufern beflehe (Voyages 359). G. 


316 Altamerifanifche Denkmäler am Coloradoſtrom in Nord⸗Amerika. 


Niveau der alten Straße befand. Gampbell und feine Begleiter benutzten 
ties Zimmer während ihrer Anweſenheit ald Wohnung, Jener verfuchte ſo⸗ 
dann fein Heil an einem anderen Punkt, den er für ten Altar hielt, wo er 
aber auf ven bloßen Feld ſtieß. Beim Wegräumen des Schuttes bemerkte er 
eine Stelle, wo im Felſen eine durch eine genau anpaffende, behauenet 
Eteinplatte gefihloffene Höhlung gemacht war. In der beflimmten Erwar⸗ 
tung, bier eine Belohnung feiner Mühe zu finden, hob er die Steinplatte auf 
und traf in ver Felsvertiefung das Skelett eines volljtändigen Körpers, wie 
es fchien, von einem Intianer, an, dad aber, ald es von der Atmoſphaͤre be⸗ 
rührt wurte, in Staub zerfil. Bei weiterem Nachgraben fanden ſich 4 fol- 
cher Nifchen und menſchliche Sflette vor. Als Campbell hierauf vie Stadt 
verlieg und zurüd nach ven Bergen ging, fah er eine Höhle, die nur das 
Mundloch einer Art Stollen (shaft of a mine) war. Er folgte dem Ich- 
ten faft + Meile weit und bemerkte darin überall deutliche Zeichen eines ſchim⸗ 
mernden Winerald *)., Am Ende des Stollend lag eine Eleine Kammer, 
worin Campbell eine ganz ſchwarze, aus einem befonveren Metall (nicht Ei⸗ 
fen) gemachte Brechflange (crowbar), einen Meißel, einen Hammer ober 
eine Art Art, vie gleichfalls fchwarz war, und ein fonverbares thönernes Ge⸗ 
faß vorfand. Cr ließ tiefe Gegenflänte an ihrer Stelle und begab fidh wie⸗ 
der nach der Stadt, vor deren weſtlichem Theile er ein elliptiſches Reſer⸗ 
boir, teilen Längenare etwa 150, vie kurze Are wenigfiend 80 Vards und 
die Tiefe gegen 50 Fuß betrug, entdeckte. Der Boden des Reſervoirs war 
gepflaftert, vie Seiten beftanven aus behauenen Steinen. Am fürlichten 
Ende ded Reſervoirs beobachtete der Berichterftatter ein fehr großed, mehrere 
Stockwerk hohes, aus behauenen Steinen erbauted Haus, welches zu einer 
Art Waffenplag und unzweifelhaft auch zur Sicherung des Reſervoirs bes 
fimmt gewefen zu fein fcheint, va Quivira's ganze Umgegend auf viele Mei⸗ 
len Entfernung eine troftlofe Santwüfte ohne Wafler und Holz iſt, und va 
in den 4%. viden Mauern des Gebäudes, wovon noch eine Ede (etwa bie 
Hälfte des Gebäudes) aufrecht ſteht, fich lange Einfchnitte und eine Art loch⸗ 
artiger Thüren vorfanden. Am Nordende des Reſervoirs tritt eine Waſſer⸗ 
leitung in vaflelbe. Campbell folgte verfelben 40 Meilen weit nach Nordwe⸗ 
fien bis zu ven Weißen Bergen. Sie it etwa 12%. breit und 10 8. tief, 
genügend daß fie einft einen Bergfirom, ver jegt nicht mehr darin flieht, in- 
tem die Mündung der Leitung mit Schutt verftopft ift, in die Stadt führen 
fonnte, wogegen der Strom feinen Lauf nunmehr nach dem Pecosfluß nimmt. 
In ihrer ganzen Länge ift vie Waflerleitung mit Elein gehauenen Steinen 


=) Welder Ratur das ſchimmernde Mineral war, geht aus dem Gefagten nicht 
hervor; inbefien möchte man an Bleierze denken, da in Caſtaſeda's Bericht wieder: 
holt ven Erzen, einmal auch von ſchimmernden Erzen, die Rede iſt, deren fidh die 
Gingeberenen diefer Gegenden zum Glaſiren ihrer Thongeſchirre und Fayence bedien⸗ 
ten und wevon fie bedeutende Verräthe aufbewahrten (a.a. O. 138, 185). ©. 





Altamerifanifche Denfmäler am Coloradoftrom in Nord⸗Amerika. 317 


(nicht mit Ziegeln) von beiden Seiten unb auf dem Boben belegt und ces 
mentirt. Don Duivira geht ferner eine breite gepflafterte Heerftraße von 
nicht weniger als 100 F. Breite in öftlicher Richtung aus, die von Campbell 
40 M. weit verfolgt wurde und ihm nach Nacogobofches in Texas zu führen 
fhien. Ungefähr 20 M. von der Stadt auf der Norbfeite dieſes Weges 
fand endlich Campbell noch ein großes Dorf von Stein gebaut, fowie er auch 
zu Duivira felbft eine Fülle von gemaltem Töpfergefchirr und Thongefaͤ⸗ 
gm *), aber Feine von Metall gearbeitete antraf”. 

Schreiben aus San Bernardino Balley vom 23. Juni 1853 
an den Geraudgeber des Placerville Herald. — Kürzlich gab «8 
bier große Aufregung unter den Alterthumsforſchern und Neugierigen in Bes 
treff der Entdeckung einer alten Piramyde in der großen Coloradowüſte, ins 
tem dadurch die MWahrfcheinlichfeit von dem einftigen Vorhandenſein eineg 
untergegangenen civilifirten Volkes, von dem alle Gefchichte fchweigt, zur Ges 
wißheit erhoben wird **). Fünf Männer folgten nämlich dem Colorado bie 
200 M. oberhalb feiner Vereinigung mit dem Gila in der Abficht, einen weſt⸗ 
lichen Zufluß des Stromd zu entdecken, dadurch einen Weg durch die Wuüſte 
zu finden und fo Californien auf einem fürzeren und leichteren Wege zu 
erreihen. Zu dem Verſuche leitete vorzüglich die Kenntniß, die man von der 
Eriftenz zahlreicher fleiner Ströme an dem öftlichen Abhange ver Berge Hatte, 
wovon ein Theil ſich im Sande verliert, ein anderer aber ven Colorado mit⸗ 
telft Zuflüflen erreicht, vie bisher unbefannt waren. Die Abenteurer ftellen 
das ganze Land zu beiten Seiten des genannten Stromd ald gänzlich vege⸗ 
tationdlo8 und als fo eben und monoton dar, daß jedes Ding, das nur die 
Aufmerkſamkeit erregt, gleich auch von hohem Intereffe wird *%*), und fo ges 
langte mann zur Entdeckung und Unterfuchung von bis jeßt unbefannt gebliebenen 
Ruinen einer vergeflenen Periode der Geſchichte. Es erjchien nämlich ver 
Geſellſchaft auf der Ebene im Weſten ein Begenftand, welcher durch die Re⸗ 


=) Alſo daffelbe, was Barces und Font an der Caſa grande fanden (S. 312). 
“o) AL. von Humboldt Hatte bekanntlich ausgefprocdhen, daß man die Azteken⸗ 
Wanderungen nur nörblih bis zum Gila verfolgen könne (Kritifche Unterfuchungen 
I, 335). Durch die angefündigten Entdeckungen zu Quivira und nörblich vom Co⸗ 
lotado würde fih der monumentale Gutvedungsfreis um ein fehr Beträchtliches 
ausdehnen. Dürfte fih aber hier nicht zuleßt Achnliches, wie bei Meroe und Na- 
pata, troß der entgegenftehenven aztekiſchen Hiftorifchen Zeugniſſe herausftellen, daß 
nämlich die Givilifation nicht aus jenen wüften, aller zur Erweckung einer Cultur 
nöthiger Mittel ermangelnden Landftrihen in ſolche gezogen ift, wo die Natur 
dergleihen in großer Fülle darbot, fondern daß fie umgefehrt aus den legten in 
Felge von Eroberungs- und Hanbelszügen in die Wüften drang und fi den Weg 
zum Mifffippt und zum norbiweftlichen Meere oder zum golbreichen Balifornien ge: 
bahnt hat. So ließen fid) auch die von Glavigero erwähnten, ben mericanifchen 
aͤhnlichen Obfiviangeräthfchaften am Gila am natürlichften erklären. ®. 
vo, Ganz dafjelbe it auch in anderen Wüſten der Fall. So fagte der fran- 
zoͤſiſche General March aus eigener Erfahrung von den fühalgerifchen Wüften: La 
vue d’un cavalier, d’une troupe fait sensation dans le Sahara, comme celle d'une 
volle, d’une flotte ä la mer. Nouv. Ann. des voy. 1845. II, 72. ®. 


318 Altamerikaniſche Denfmäler am Coloradoſtrom in Nord⸗Amerika. 


gelmäßigkeit feiner äußeren Form und wegen feiner ifolirten Stellung ganz 
das Anfehen eined Kunſtwerks hatte, jo daß fle ihn zu umterfuchen befchloß. Als 
die Geſellſchaft über eine faſt völlig öde, fandige Flaͤche 5 Meilen weit gezo⸗ 
gen war, erreichte fie die Baſis eines in Bezug auf feine Lage mitten in einer 
völligen Wüfte (home of desolation) fo wundervollen Begenftanves, daß er 
taum zu begreifen if. Es war derſelbe nämlich eine ungeheure Stein» Bis 
ramyde, beftchend aus Lagen von 18 Zoll bis faſt 3 Buß Diele und 5— 18 F. 
Lange. Oben hatte die Piramyde zwar eine ebene Kläche von mehr ald 50 I F., 
aber e8 war Flar, daß dieſelbe einft vollendet war, und daß nur eine gewalt- 
fame natürliche Convulſion den Gipfel zerrüttet hat, weil jebt eine ungeheure, 
zerbrochene, und fafl ganz mit Sand bedeckte Maſſe auf eine der Seiten ver 
Pyramiden aufruft. Die Pyramide weicht übrigend einigermaßen von den 
ägpptifchen ab; fie ift oder war fchlanfer oder fpigiger. Während die ägyp- 
tischen aus Lagen over Stufen beftehen, deren Breite allmälig nach oben zu ab» 
nimmt, hatte die amerifanifche unzweifelhaft eine vollendetere Form. Die äußere 
Fläche erfcheint nämlich unter einem folchen Gipfel behauen, daß die Pira- 
myde, als jle neu und vollflänbig war, von ver Baſis bis zum Gipfel eine viel res 
gulairere und gleichmäßigere (smooth) Oberfläche hatte. Bon ver ſandigen 
Fläche am Fuß giebt (gab) es 52 Steinlagen von vurchfchnittlich wenigſtens 
2 Fuß Stärke, was aljo 104%. auf vie Höhe der ganzen Pyramide aus⸗ 
macht. Diefe war demnach vor Zerflörung ihres Gipfeld 20%. Höher als 
fie es jetzt iſt. Wie tief die Piramyde unter den Sand hinabreicht, iſt ohne 
große Tiefgrabungen nicht mehr zu beflimmen. So alt ift dies ungeheure Mo⸗ 
nument, daß die ſenkrechten Zwifchenräume zwifchen ven Blöden an dem ums 
teren Theil jeder Fuge 5— 10 Zoll durch die Zeit erweitert find (worn 
away). Die Jahrhunderte dauernden Zerflörungen durch vie Atmofphäre 
und andere Einflüffe haben auf das Ganze des Monument fo zerflörend 
eingewirft, daß ed nun, befonderd auf einer Seite, leicht zu erfleigen if. 
Mir fagen auf der einen Seite, weil ed eine auffallende Thatſache bei die⸗ 
fen merkwürdigen Bauwerk ifl, daß es faft um 10° von ver fenkrechten 
Stellung abweicht. So wurde ed gewiß nicht urfprünglich erbaut. Wer es 
errichtet hat, in welcher Periode ver Weltgefchichte und zu welchem Zwecke, 
pürfte muthmaßli für immer ein Geheimniß bleiben. Die reifende Gefell- 
ſchaft entdeckte außerdem, ungeachtet ihres mißlungenen Verſuches vie Wüſte 
an dieſer Stelle zu durchziehen, in ver nämlichen Gegend mannigfache Spuren, 
die e8 ihr klar machten, daß vie jegt meift öde Landſchaft am Colorado einft 
der Garten und die Kornfammer des Gontinentd und der Wohnfig von Mil 
lionen Menfchen geweien fein muß. (Delaware.)* Gumprecht. 


Neueſte Berichte über die Unferfuchungs = Erpebition in Nord » Afrifa. 319 


Neueſte Berichte über die Unterfuchungs-Erpedition in 
Nord-Afrika. 


Die neueften, in England eingegangenen und durch N. Petermann im 
Ahenaum vom 1. October d. J. mitgetheilten Berichte über die veutfche Un⸗ 
terſuchungs » Erpebition im Inneren Nord⸗Afrika's Iauten überaus günftig. 
Barth Hatte nach einem Briefe, den er zu Kafchna, ver befannten großen 
Stadt im Öfllihften Theil des Sakatuͤ⸗VFellahreichs, am 6. März fchrieb, den 
britten Theil feiner ſchon früher profectirten Reife nach Timbuktu zurückge⸗ 
legt. In einem von ihm bald nach Overweg's Tode am 7. October an Herrn 
Yunfen zu London gerichteten und in biefer Zeitfchrift S. 205 bereits mit- 
getheilten Briefe zeigte Barth nämlich feine Abſicht an, nach Timbuftu zu 
gehen, und daß er fi von da gegen Süboften nach Yakoba wenden 
wolle. Bald darauf fcheint er jedoch feinen Plan moriflcirt zu haben, in« 
dem im feinem Schreiben an Seren Al. von Humboldt (Zeitfchrift ©. 77) 
vom 20. November von Timbuftu nicht mehr die Rede ift, fondern mit bes 
fimmten Worten gefagt wird, daß der Reiſende nach einer guten Aufnahme 
zu Safatu feine Rückreiſe antreten und fich auf verfelben in einem weiten 
Umwege nach der fchon einmal befuchten Landſchaft Adamaua (Adamawa) 
wenden wolle. Die Grenze des Fellahreichs Hatte er bereits in ver Pro⸗ 
vinz Kafchna, die zunächft im Often an das Bornureich ftößt, überfchritten, 
und er befand ſich unter dem befonveren Schuß des Galadima oder Premier: 
minifterd von Safatu, welcher ihm eine Escorte von 200 Reitern zugefagt 
batte, um ihn ficher auf dem Meft feines Zuges nach der Hauptſtadt des 
Fellahreiches zu geleiten *). Die Escorte follte etwa eine Woche nach ver 
Abfafjung des Briefes eintreffen, aber da frühere Erfahrungen hinlänglich er- 
wiefen, daß dergleichen Verfprechungen nie pünktlich innegehalten werden, jo 
war auch Barth’ Abreife von Kaſchna noch unbeftimmt. Den Aufent⸗ 
halt zu Kafchna benugte ver unermüdliche Meifende zur Abfaffung feines 
Tagebuches, wovon er das Iehte Stüd nach Tripolis fandte, indem er dieſe 
Stadt zum Depot für feine Tagebücher und Papiere gewählt hatte, fowie er 
auch dort große Vorräthe von Kanoͤ⸗ und Nyffewaaren **) ankaufte, die ihm 
ald Geſchenke bei ven zahlreichen Chefs und einflußreichen Perfonen dienen 


=) Es if dies derfelbe Weg, den im Jahre 1824 bekanntlich ſchon der zu früh 
Kanaren Gapitain Elapperton auf feiner Reife von Bornu nad Sakatu gmacht 


“e) Kans und die große, am unteren Kuära (Riger) gelegene Landichaft Tappa, 
gewöhnlich Nuffy oder Ryffe (Clapperton Journ.’ 103) genannt, find im centralen 
aiela durch ihre Fabrikthaͤtigkeit —*— bekannt, ja das —* der Webereien der 
anti it fo vorzüglid, daß es für das befte feiner Art in Eentral: Afrika gilt, 
er und bee verführt und gut bezahlt wird. Gumprecht Geographie von A ifa 
292, 3 


320 Neuefte Berichte fiber die Iinterfuchungs » Exrpebition in Nord⸗Afrika. 


follten, welche er auf feinem Wege nach Timbuftu anzutreffen glaubte. Doch 
berührte ihn Das Nichteintreffen ver von Tripolis zu erwartenden Unterflügungs- 
gelver fehr unangenehm, va fich viefelben auf dem Wege nad) dem Innern 
in faft unglaublicher Weife verzögerten *). Bon Dr. Vogel's nachgeſandter 
Erpedition Hatte er bis dahin noch nichts wahrgenommen, doch war feine 
Geſundheit und fein Geift von befter Beſchaffenheit und beſonders befriedi- 
gend und aufrechterhalten für ihn die ununterbrochene Anhänglichfeit und 
Treue feiner Dienerfchaft. 

Bleich erfreulich find vie Nachrichten von Dr. Bogel nach defien Schreis 
ben aus Murzuf vom 12. Auguſt d. I. **). Der jugenvliche Forſcher Hatte 
glücklich den erften Theil feined Weges nach dem Tſad⸗See, nämlich den 
von Tripolis nach Murzuf in Fezan zurückgelegt ***) und er erreichte Die Stabt 
am 5. Auguft d. J. Er dürfte fomit der erfte Europäer fein, welcher viele 
Gegenden mitten im Sommer durchzog, und ed Tann daher Bogel’3 Freunden 
nur angenehm fein, zu erfahren, vaß feine Geſundheit bei der ſchrecklich 
drüdenten, bi8 92 — 100° J. im Schatten und auf 120° in der Sonne ges 
fliegenen Hige nicht gelitten hatte. Das Wafler war auf ven Bergen fehr fel- 
ten und immer fehr ſchlecht. „Während 15 Tagen,“ ſchreibt Bogel, trafen 
wir bloß 3 Brunnen, und was e8 heißt ein Waſſer zu trinfen, das 5 Tage 
hindurch in ledernen Schläucdhen aufbewahrt wurde, kann nur ver mit Grund 
beurtbeilen, ver felbft ein ſolches gefoftet hat.” Auf dem Wege nah Kufa 
it das Waflervorfonmen viel befier, da fich immer Brunnen in je 1—2 
Tagemärfchen beſinden. Nur einmal fehlt das Wafler auf einer 3 Tage lan» 
gen Strecke. — „Während meined Weges hierher (Murzũk),“ fagt Bogel 
weiter, „babe ich viele Beobachtungen gemacht und fowohl bie aftronomifche 
Lage, ald auch die Höhe über dem Meeresſpiegel von allen Plägen, zu Denen 
ih Kam, beſtimmt. Ich werde Ihnen dieſe Beobachtungen ſenden, ſobald fie 
berechnet find, ſowie einen Bericht über einige fehr intereflante meteorologifche 
Erjcheinungen ter von mir burchreiften Lanpflriche.” — Bogel glaubte, Mur: 
zuf im September verlaſſen zu fönnen. Er wünfdhte zwar, wies früher thun 
zu Fönnen, aber ta er mit tem Bruder des Sultans |) von Bornu, weldyer 
dad Beiramfeſt zu Nurzũk zu feiern beabfichtigt, reifen fol, mu er unter 
deſſen Schutz vie Wüfle ohne Gefahr uud beſondere Beſchwerde zu durchzie⸗ 


“) GEs ſind dies muthmaßlich die Gelber, ren Darih's Brief am Geren Bun, 
fen vom 4. Ocieber 1852 ſrridt ( Zeitibrift 206). 
un aD Die On Beice Bogefa übe feine Grein uhät Bfe Zeig 

...) Font mat Rucies Zug mad Murzuf fan: nämlih im März 1819, ber 
von Denbam und Glarreriea im Jahre 1822 gleidtalls im März, vie Rüdfchr im 
Jemar 1824, Ribarticns Reife von Burzul nad Trirelis im März 1846, die 
Haie Ridrrtica? mit Bart un) Dvermez vom März bes Bei 1850 kl. ©. 

T) Bobl Des Shrifbs von Beruu, des fartrichen Beberrſchers tes Landes 
on ber Euiten mer ber nominede Segent char veliiiäe Bebentung iR 
Denham ©. 





Die Auffindung der Norpweft- Baflage durch Gapitain M'Clure. 321 


ben hoffen darf, fo ift er gezwungen, auf ihn zu warten. Zugleich rühnt 
Vogel in feinem Schreiben außerorventlich die ſehr wefentlichen, ihm durch 
Herm Fr. Warrington, den Sohn des befannten Tangjährigen britifchen Ge⸗ 
neralconfuld zu Tripolis zu Theil geworvenen Beiltand *), da Warrington von 
allen Stämmen der Wüfte wohlgefannt und hochgeachtet ift und unferen Rei⸗ 
ſenden bis Murzuf begleitet hatte. Durch feinen Beiftand gelangten aud) des 
Neiſenden Effecten und Inftrumente ſämmtlich im beften Zuftande nach Murzüf. 
Gumprecht. 


— —— — 


Die Auffindung der Nordweſt-Paſſage durch Capitain 
M' Clure. 
(Hierzu Tafel VI.) 


a Aus einer Zuſchrift Al. von Humboldt's an C. Ritter. 


.... Anbei überſende ich Ihnen die neue Admiralitäts⸗Karte der North- 
MWeft- Paffage**), über welche die Zeitungen fo widerfprechenve, mit kei⸗ 
ner Karte übereinflimmende Nachrichten gegeben hatten. Alles mußte unver- 
ftäntlich bleiben, fo lange man ignorirte, daß das ehemalige, die Barrows⸗ 
Straße ſchließende Banks⸗Land in zwei Infeln, Baringd= Infel (nach 
einem der Chefs der Apmiralität, Sir Alexander Baring, alfo genannt) und 
Prince» Albert’8-Land, gefpalten ifl. Der Kanal, ver beide Infeln trennt, 
und den M'Clure auf dem Inveftigator durchfegelt if, um von den Waflern, 
die Kotzebue's⸗Sund und das weftliche Norp » Amerifa befpülen, in vie Banks⸗ 
und Melvilles⸗Sunde zu gelangen, ift das eigentliche Theater der Durchfahrt. 
Der Dann der Durchfahrt blieb aber im Eife fleden und vie Nachricht ges 
langte durch den apitain der Travelling- Parties, vie längs der nörvlichen 
Küfte der Banks» Melvilles -Barromw »Lancafter- Straße ſich an Inglefielv’s 
Erpedition anfchloflen, nach England ***). 


— 


*) S. diefe Zeitfchrift 241. ®. 
a2) Der Titel diefer am 11. April d. 3. in London erfchienenen Karte ift: Chart 
shewing the North West Passage discovered by H. M. Ship Investigator, also 
the Coast explored in Search of Sir J. Franklin, by Sr James Ross 1848 — 49, Capt. 
M° Clare 1850, Capt, Austh 1850, Mr. Penny 1850, Mr. Rae 1851, Mr. Ken- 
nedy 1852, Capt. Inglefield 1852 — 53, by E. A. Inglefield Commander H.M. S. 
Phoenix. Hydrogr. office Admiralty 11. Oct. 1853. Die in diefer Notiz gehörende 

Tafel iſt ein verlleinertes Stüd derfelben. Al. von Humboldt. 
”.n) MM Clure, der Entdeder der Norbiveft -Paffage, wurbe im December 1849 
mit dem Invefligator nad) der Behringsftraße gefandt, und folgte vom Juli bis Sep: 
tember 1850 der Küfle Nord-Amerika's vom Gap Barrow (156° w.2. von Er.) 
an bis Gap Bathurſt (127°). Hierauf fegelte er im nordweſtlicher Richtung nad) 
dem jogenannten Banfslande und fand —*8 aus 2 großen Inſeln, einer weſtli⸗ 
chen, von ihm Baringsinſel genannten, und einer oͤſtlichen, dem Prinz Alberts-Land, 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Br. 1. 21 


322 Die Auffindung der Nordweſt⸗Paſſage durch Capitain M’Clure. 


b. Weiterer Bericht über M’Elure’8 Entdeckungen *). 


Die Rückkehr des Dampfſchiffs Phönix, welches der zur Aufſuchung Sir 
James Franklin's beftimmten Erpevition Sir E. Belcher's neuen Proviant 
zuführen follte, hat uns bie intereffantefte Kunde aus den Nord» Polargegen- 


beitehend. Die beide Infeln trennende Meerenge nannte M' Clure Prince of Wales 
Strait. Jetzt heißt fie North West Passage, und fie wurbe durch M' Clure im Som- 
mer 1850 unterfudyt. Diefer ging dann aurüd in die Straße und überwinterte von 
1850 — 1851 an deren Norbmündung. Nachdem er envlih um bie ganze fübliche 
und weflliche Eeite der Baringsinfel herumgegangen war, blieb er den zweiten Winter 
1851 — 1852 in der Mercy: Bat am Nordrande der Infel, wo die legte durch Banks: 
Strait von Melville-Island getrennt wird. Die Travelling Parties waren ihrerfeits über 
Banks: Strait nad) der Melville- Infel gegangen und Hatten im Sommer 1853 bis 
Auguft die ganze Küfte der letzten Juſel und die Fortſetzung der Barrowsſtraße bis 
Wellington Channel verfolgt, wo apitain Juglefield mit feinem Schiff Phönir den 
Lieut. Ereswell von Inveftigator aufnahm und nach England mit feinen Depefchen 
brachte. Die Nordweit-Paffage geht von 114 — 120° 2.6. in SSW-NND.: 
Richtung; die Nordoftfpige von Prinz Alberts:Land liegt im 73° 5’. 
AL. von Humboldt. 


—— m. 


M'Clure if, gleich dem Norbfahrer Capitain Kellet, nad) einer Notiz des Nor- 
thern Whig, ein Srländer und zwar aus der Provinz Ulfter gebürtig. Ueber feine 
Entdeckungen fpricht fid) neuerlichht A. Petermann in folgender ehrenvollen Weife ans 
(Athenäum vom 22. October 1853 Nr. 1356): „Unter den geographiichen Reſulta⸗ 
ten, die bis jeßt in den arctiſchen Regionen erzielt wurden, ift die Entvedung der 
Mordweit: Baffage eine der augezeichnetiten. Es ift ein ehrenvoller Triumph für Eng: 
land, durchgeführt zu haben, was faft unmöglich ſchien. M’Elure nimmt eine der 
erften Stellen im Range der arctiichen Gutdeder ein. Dem wahren Geographen 
wird feine Cuideckung für mehr als eine geographifche Euriofität, viel mehr für eine 
geographifche Hauptfornmation der Grocherfliche (Geographish feature) gelten müfs 
je Denn die Paſſage ift unzweifelhaft nur einer der unzähligen Ganäle und Paſ⸗ 
agen, die für die arctifchen Negionen fo characteriftifh find. — Wellingtons 
Channel, welder das öſtlich gelegene North Devon nebſt Alberi-Land von dem 
weitlihen Gormwallis: Land, Bathurſi-Land und The Queens-Land in MWeften trennt, 
wurde nebſt feiner nördlichen Yortfeßung, dem The Queens: Channel, bekanntlich Durch 
Capit. Peuny's zur Auffuhung Sir Yobn Franklin's ausgefandten Grpebition im Jahre 
1850 — 1851 fehr gründlich unterfucht, indem Bapit. Pennys Travelling parties beſon⸗ 
ders dem Weſtrande der Etrafe bis Steward-Point und Sir Robert Inglis-Bai, alfo 
bis 76° 25'n. Br. folgten, während Sutherland den Ofttand erforfchte. Die ganze Folge 
der wichtigen Unterfuhungen von Penny's Grpebition findet fi fehr auſchaulich dar: 
geftellt in 9. PBetermann’e, unter dem Titel: A Chart of Arctic Regions shewing the 
recent discoveries and illustrating Dr. Sutherlands account of a voyage performed by 
an cxpedition under ihe command of Capitain Penny in search of Sir John Frank- 
lin 1850— 1851 zu Loudon vor Kurzem erfchienenen Ueberfiht. — Banks: Land 
galt bisher als der noͤrdlichſte, durch die von Capit. Perry entdeckte Mellville: Strait 
von Melville- Island getrennte Rand eines ununterbrochenen, ungepeuern, von OR 
wach Weiten fortfependen Laudſtrichs, welcher duch das Nord-VPolarmeer von ber 
Nordküſte des Kontinents gefchieden wurde, und deſſen ſüdlichſte Ränder man Wolla⸗ 
ſton⸗ uud Victoria⸗Land genannt hatte. Bunpredt. 

*) Der nachfolgende Bericht ift im Drigimal von einer Skizze begleitet, die we: 
niger vollſtaͤndig und genau iſt, als die unferem Auffab beigefügte Karte. 

Bumpredt. 


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Die Auffindung der Nordweſt-Paſſage durch Eapitain M’Clure. 323 


ven, gleichzeitig aber auch Nachrichten ver betrübenpften Art gebracht. Das 
Athenäum vom 15. October Nr. 1355 ©. 1224— 1227 giebt einen fichtlich 
aus officielen Quellen geflofienen Bericht über ven ganzen Gang diefer Un 
terfuchungen, welche enblich zu der Löfung eines Problems führte, das drei 
Jahrhunderte Hindurch den Unternehmungsgeift der feefahrennen Nationen, na⸗ 
mentlich aber ver britifchen, befchäftigte. Mit der M’Elure gelungenen Auf» 
findung der Nordweſt⸗Pafſage zwifchen dem Atlantifchen und Stillen Ocean 
it fo die Iange Reihe ver Korfchungen rund um ven Gontinent von Ame- 
rifa endlich zum Abfchluffe gefonmen. M'Clure gelang ed nämlich, von der 
Behringd- Straße im Werften bis auf 60 engl. Meilen von ver Melville- 
Straße vorzupringen. Nach den legten Nachrichten erwartete er dort nur 
den Aufbruch des Eifes, um Durch dieſe Straße auf dem Oſtwege nach Eng⸗ 
land zurüchzufehren. Zwar hatte viefes Problem Hinfichtlich ver früher von 
feiner Löfung erwarteten Handelsvortheile bereitö laͤngſt alles Intereſſe verlo- 
ten. Doch ift die envliche Loͤſung viefer fehmierigen Aufgabe ein wiſſenſchaft⸗ 
licher Triumph, welcher ver englifchen Flagge zu neuer Ehre gereicht. 

Zu ver Einfiht in die Nuglofigkeit der Nordweſt⸗Pafſage für Handels⸗ 
verhaͤltniſſe kam noch die Trauerbotfchaft über das fpurlofe Verſchwinden der 
Brankflin’fchen Erpedition. In der That wurde das glänzende Reſultat der 
wirklichen Auffindung der NW.-Paflage der wiffenfchaftlihen Welt dadurch 
bitter getrübt, daß feine Aufflärung über das Schickſal Franklin's und feiner 
Unglüdögefährten hatt: erlangt werden können. Al M'Clure England vers 
fies, erflärte er mit Zuverficht, er werde Sir I. Franflin mit Gapit. Erozier 
wieberfinden oder die NW.» Paffage entdecken. Das letzte ift ihm geluns 
gen, das erfte nicht. Das Schiefal. Franklin's und feiner Unglüddgenofien 
it in dem früheren Dunkel verblieben. 

M' Clure war erft Lieutenant in Sir James Roß Expeditionsſchiff Enter⸗ 
prife. Nach feiner Beförverung ging er ald Volontair mit der zweiten Ex⸗ 
pebition zur VBehrings- Straße. Invem er mit dem Commando des Inveſti⸗ 
gator unter dem Ober- Commando des Capit. Gollinfon von der Enterprife 
betraut wurde, folgte er viefem Führer Anfang des Jahres 1850 nach der 
Vehringd= Strafe. Da Bapit. Eollinfon das Packeis nicht durchbrechen 
fonnte, trennte er fich von M’Elure und fegelte nach Hong⸗ kong, wo er uͤber⸗ 
winterte. M'Clure gehorchte jedoch dem von Eapit. Kellet, Befehlshaber des 
Herald, gegebenen Signal zur Rückkehr nicht und beharrte fühn auf feinem 
Entſchluß, nah NO. zu fchiffen. Cr nahm fo die ganze Verantwortlichkeit 
feine Ungehorſams auf ſich. Glücklicher Weile wurde feine Kühnheit mit 
Grfolg gekrönt, und merkwürdig ift es, daß Gapit. Kellet, ver legte Mann, 
ben er bei feiner Einfahrt in das Eis im Weften gefehen, auch derjenige war, 
ter nach Verlauf von 3 Jahren ihn im Often ver Melville's⸗Inſel wieder 
aus dem Eife erretten follte. 

Gapit. M’Elure's fehr voluminöfe Berichte vom 5. Huguft 1850 lehren 

21* 


324 Die Auffindung ver Norbmweft- Paflage durch Eapitain M’Elure. 


und zuvörberft, daß er bie Barrow⸗Spitze am NO. Ente ver Behrings⸗ 
Straße umfchiffte, daß er dann zuerft nach Oſten zu immer Dicht am Ufer forts 
fuhr und fo dem norvamerifanifchen Eontinente folgte. Den 9. Auguft paſ⸗ 
firte er die Mündung des Golville. Den 11. veffelben Monats wurde eine 
Notiz auf dem ganz mit Treibholz überlagerten Jones Iöland nievergelegt. 
Hier trat man in Verkehr mit den Eingebornen. Einer von ihnen hatte eine 
Flinte mit dem Namen Barnett und der Jahreszahl 1840 auf dem Schloß. 
Die diebiſche Art dieſes Volkes fand auch M'Clure beftätigt. Bür Tabad 
taufchte man Lachſe und Enten ein. Von ta wand man fich weiter durch 
enge Wafferftraßen -bi8 zu den Pelly-Injeln an der Mündung des Maden- 
zie, die am 21. Auguft erreicht wurden, worauf man dann am 24. Augufl 
bis Warren, nahe Cap Bathurft, gelangte. Hier trug fich ein Umſtand zu, 
der näher unterfucht zu werben verbiente. 

Indem man nämlich zu landen verfuchte, voiefen zwei Eingeborne mit 
drohenden Geberven vie Fremblinge zurüd. Nur mit großer Mühe konnte 
man fie befchwichtigen, worauf fie erzählten, daß ihr ganzer Stamm, mit 
Ausnahme ihres Häuptlings und defien kranken Sohnes, beim Anblick des 
Schiffes entflohen fei; als Urfache gaben fie an, das Schiff möchte vielleicht 
den Tod eines Weißen rächen wollen, ven fie vor einiger Zeit ermordet haͤt⸗ 
ten. Durch den am Bord des Inveftigator befinplichen Dolmetfcher berichte 
ten fie, daß einige weiße Männer in einem Boote dahin gekommen und fich ein 
Haus gebaut hätten, worin fie lebten. Zuletzt ermordeten vie Eingeborenen 
einen von biefen; - die anderen feien entflohen, wohin, das wußten fle nicht. 
Der Ermorvete ward in ein Grab gelegt, dad fie zeigten. Gapit. M’Elure 
fagt, daß ein dicker Nebel ihn in der Unterfuchung des Grabes verhindert habe, 
und daß er zu feinem Schiffe zurückkehren mußte. 

Es ift fehr zu bedauern, daß die Nichtigkeit vieler Erzählung nicht er⸗ 
mittelt werden konnte. Die Fabeleien Adam Beck's von der Ermordung weis 
Ber Männer durch Eskimo's und die befannte Uebertreibung dieſer letzten in 
allen Erzählungen muß freilich foldye Angaben vervächtig machen. Doch lag 
bier die Möglichkeit der Berichtigung ganz nahe. Schwerlich werben fich bie 
Eingeborenen eines Mordes felbft anflagen; wenn ſie ihn nicht begangen hät- 
ten. Eine ähnliche Ausfage wurbe ſchon einmal mitgetheilt (im Jahre 1848, 
Nr. 1094 ©. 1029 des Athenaͤums) und erweckte zu ihrer Zeit große Theil⸗ 
nahme. Ein Brief wurde deshalb am 1. März 1848 vom Chief» Factor 
Macpherfon an die Aomiralität gerichtet, worin es heißt: 

„Eine Nachricht vom Peeld- Fluß *) fagt, die Eslimo's erblickten zwei 


*) Der Peels⸗Fluß if ein von Süden kommender und faſt genau unter dem 
135° w. L. Gr. nad Norden fließender Strom, der ſich unterhalb Fort Macpherſon in 
ſeinem unterſten Lauf mit dem Mackenzie nahe an defien Delta verbindet und mit ihm 
vereinigt das Mord: Bolarmeer erreicht. Bumpredt. 





Die Auffindung der Norpweit- Baffage durch Eapitain M'Clure. 325 


große Boote (Erforſchungoͤſchiffe?) im Often des Madenzie- Bluffes, 
voN weißer Männer. Dieje Eskimo's zeigten den Peels⸗Fluß⸗In⸗ 
dianern allerlei Meffer, Draht u. a., die fle von ven Weißen erhalten 
hätten. — Konnten diefe von Franklin oder von Rae erhalten fein? 

Bon Rae konnten fie nicht herſtammen; vie Localität würde aber ber 
Route vollkommen entfprechen, welche ein zurückkehrendes Boot der Frank⸗ 
Im=&xrpebition über ven Madenzie genonimen haben vürfte. 

Die Uebrreinftimmung der Localitäten ift überrafchend. Da M’Elure felbft 
hierüber Feine nähere Unterfuchung anftellen konnte, fo ift zu erwarten, daß 
die HubjondsBai- Compagnie nachträglich eine genauere Erforfchung viefer 
Angaben fich angelegen fein laſſen wird. 

Bei Hortfegung von M'Clure's Küftenfahrt gegen Often ward das Meer 
fehr feicht, doch blieb vie Fahrt ficher, und fo erreichte man am 6. Septbr. das 
Cap Parry. Bon hier aus erblidte M'Clure ein Hochland gegen ONO.; er 
nahm davon Belt und nannte e8 Baring-Infel. Zwei Tage fpüter ſah er 
in NNO. wieder Land, das er Prince Alberts⸗Land nannte. Diefes fteht 
im Zufammenhange mit dem Wollaſton⸗ und Victoria⸗Land, und dehnt ſich 
nordwaͤrts bid 73° 71’ n. Br. und 112°48’ w. 2, aus. Hier befand fich 
M Elure nahe an Rae's Entdeckungen vom Jahre 1851. 

Der Invefligator wurde nun durch den Prince of Waled- Strafe ges 
nannten Canal gefteuert, welcher die Baring=- Infel von Prince Alberts⸗Land 
fcheidet. Er zieht nach NO. und zeigte fich hochſt günflig, um die See im Süden 
von der Melville- Infel zu erreichen. In der Mitte der Straße entdeckte man 
eine Menge Infeln, die man Prinzeß⸗Royal⸗Inſeln nannte. Auf einer der⸗ 
felben wurde ein Magazin mit dreimonatlichem Proviant für 60 Mann ange- 
legt, wobei man zugleich ein Boot und Munition zurüdlied. Weiter ven Gas 
nal aufwärts fchiffend, gelang dies wieder bei fehr ficherer Fahrt bis zum 
11. Sept. wo das Schiff von Eisfchollen umlagert, mehrmals kaum ver Zer⸗ 
flörung entging. Dies dauerte bis zum 8. Detbr. An diefem Tage fror das 
Schiff nahe am Norvofts Ausgange der Straße ein. Während ver hier ver- 
brachten Winterftation wurden mehrere Ercurfionen in die Umgebung gemacht, 
welche bald zu der Erfenntniß führten, daß die Straße in die Barrow » Strafe 
einlaufe, und daß die NW.⸗Paſſage beftimmt ermittelt worden ſei. Wäre 
die See nur wenige Tage länger offen geblieben, fo hätte vie Fahrt in Ei⸗ 
nem Sommer und in nicht längerer Zeit, ald 24 Monat, zurüdgelegt werben 
fönnen. 

Aengftlich wurde auf den Sommer 1851 gewartet. Im Frühlinge erforfchte 
man die Küfte in NO. und SO. in der Richtung gegen Banfd-Land und 
Wollaſton⸗Land, wobei man Esfimo’d- Stämmen begegnete, vie niemals einen 
Weißen gefehen hatten. Sie waren völlig harmlos. Mehrere Moſchus-Och⸗ 
fen wurden auf Prince Alberts-Land gefchoffen und gaben guten Proviant. 
Endlich brach das Eid am 14, Juli 1851, ohne Drud auszuüben, auf, und 





326 Die Auffindung ver Nordweſt⸗Paſſage durch Capitain M'Clure. 


der Invefligator wurde wieder flott. Diele Verfuche wurden jetzt weiter zu 
fchiffen, aber vergeblich, 6i3 zum 16. Auguft gemacht, wo heftige Nordoſt⸗ 
winde große Eismaffen gegen Suden trieben. Damals ftand das Schiff un» 
ter 73° 14’ n.Br. und 115° 327’ w. L. Dies zwang Gapitein M'Clure ge⸗ 
gen Süden zu geben und in nörblicher Richtung die Weftfeite der Baring⸗ 
Infel zu umfchiffen. Mit unfäglichen Hinverniffen kaͤmpfend gelang dies end» 
fih, und am 24. Sept. erreichte man die NO.⸗Seite ter Baring= Infel. 
Märe dort Dad Meer frei geweſen, fo Hätte man leicht durch die befannte 
Barrows Strafe gegen Often bis zum Lancafter- Sunde jchiffen fönnen. Aber 
in der Nacht zum 24, fror dad Schiff unglüdlicher Weife ein und blieb bie 
zum 10. April 1853 feftfigen, von welchem Tage vie legten von Gapitain 
M' Clure eingelaufenen Depefchen vatiren. Die Station war 74° 6’ n.Br. und 
117° 54’ m. 2. ©r.*). Capit. M'Clure befihreibt vie Rocalität als vortreff⸗ 
lich; das Schiff war vor den fchmeren Eismaffen durch ven Vorfprung eines 
Riffs, melches daſſelbe Schiff bis 600 Darbs weit freibielt, gut gefchüßt. 

Im April 1852 feßte eine Partei nad) der Melville-Infel über und 
legte vafelbft einen Bericht über vie Fahrt des Inveftigator und feine dama⸗ 
lige Stellung nieder. Died Document wurde glüdlicher Weife von Eapit. 
Kellet's Dfficieren entdeckt, nur wenige Tage zuror, ehe Capit. MElure feine 
Vorbereitung zur Verlaſſung des eingefrornen Schiffes begonnen hatte. So- 
gleich traf man Anftalt, die im @ife eingefrorenen Gefangenen aufjufuchen. 
Lieut. Pim, im Dienfte des Capit. Kellet, warb dazu beorbert, und welche 
hohe Freude den fich Begegnenven in dieſer Eiswüfte zu Theil warb, ift leicht 
begreiflih, zumal da Die im Eife Eingefchloffenen fich fchon mit dem verzwei⸗ 
felten Entfchluffe vertraut gemacht Hatten, auf irgend eine Weife ihrem eiſi⸗ 
gen Gefängniffe zu entfliehen. Ob ver Inveftigator noch in demfelben Jahre 
vom Eife befreit wurde, ift unbefannt; wahrfcheinlich ſchien dies nicht, da die 
Barroms Straße und die SW.-Seite von Melville -Infel von zahllofen Eis⸗ 
maffen auf ungewöhnliche Weiſe gefperrt waren. 

Welche Gefahren vie polare Schifffahrt hat, geht aus ver kühnen, aber 
auf allen Ausgang ver Dinge gefaßten Inftruction hervor, tie Gapit. M'Clure 
das Jahr vorher in folgenden Worten gab: 

„Es ift meine Abficht in dieſem Jahre (1852) nach England zurädzu- 
fehren, indem ich bei MelvilesInfel und Port Leopold anlege; follte aber 
nicht veieber etwas von und gehört werden, fo find wir am wahrscheinlich“ 
ften in das Polarpadeis over auf die Weftfeite von Melvile« Infel gera- 
then. In beiden Fällen würde das Nachſenden von Hülfe nur das Uebel ver: 
größern, da jedes Schiff, welches in das Polarpadeis geräth, unwiderruf⸗ 
lich zerprüdt wird. Daher müßte eine Nieverlage von Vorräthen ober ein 
Schiff zu Winter Harbour (Winterhafen) das befte fein und das einzige Ret⸗ 


*) Es if dies die Mercy-Bai. Eiche hier ©. 322. Gumprecht 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Paſſage durch Eapitain M'Clure. 327 


tungdmittel für die etwa noch Überlebende Schiffsmannfchaft." Die in dieſer 
Inftruction angegebenen Maßregeln waren glüdlicher Weife die, welche man 
befolgte, und durch fie wurden M'Clure und feine Gefährten gerettet. 

Hinfichtlicd der Beichiffung der NW. Paflage bemerkt Capit. M’Clure: 
Ein Schiff, das von Oſten ber in die Polarfee einpringt, um gegen Welten 
zu gehen, findet nur enge Straßen, Gegenwind und Padeis, das undurch- 
dringlich ift; aber durch Prince of Waled- Straße und entlang der amerifa- 
nifchen Küfte, alfo von Welten ber, würbe vie Beichiffung zu Stande kom⸗ 
men Fönnen. Treibholz giebt es bier in Ueberfluß, fowohl an der Prince of 
MWaled- Straße, wie an der continentalen Küfte Amerika's, felbft Wilnpret. 
Auf den Anhöhen in ver Nähe find Mennthiere und Hafen in Menge, die 
den ganzen Winter über bleiben. Wir haben uns über 4000 Pfo. davon 
verschafft. Aus den von und gemachten Beobachtungen ergiebt fid) klar, daß 
die Strömung entfchieden nach Often zu gebt. Einmal, fagt M’Elure, fan» 
den wir doch bei völliger Winpftille die Strömung von 2 Knoten, und daß 
die Fluthen ebenfalls von Weften kommen, davon haben wir und bei un« 
ferem langen Aufenthalte an ven Weſtküſten vollfommen überzeugt. Das 
find wichtige Nefultate, weldye für Fünftige Schifffahrten von ver Behringe- 
Straße aus fprechen. 

Bis zum April 1852 war die Mannfchaft ded Invefligator vollfommen 
gefund; im letzten Winter zeigte fich einiger Scorbut, und im Frühjahre ſtar⸗ 

ben daran 3 Individuen. Nach den letzten von C. Kellet erhaltenen Nachrich- 
ten hatte viefer feinen Chirurgen zur Unterfuchung des Geſundheitszuſtandes 
der Mannfchaft des Inveftigator mit dem Befehle abgefchidt, daß wenn fich 
nicht 20 völlig Befunde, die freiwillig noch einen Winter dort überwintern 
wollten, vorfänden, Capit. M’Clure fein Schiff verlaffen folle. Es fcheint, 
dag man diefe Anweiſung befolgt habe, denn Capit. Ingleflelo berichtet, daß 
der Intreprid steam tender ( Dampf» Schleppfchiff ) zu Beechey⸗Inſel *) mit 
der Mannfchaft erwartet werde, und Sir E. Belcher Hatte den Nord- Star 
zur Rückfahrt nach England vorzubereiten befohlen, dagegen den Intrepiv an 
feiner Stelle auf Beechey- Island flationiren zu laſſen. 

Sir E. Belcher's Depefchen, welche den Schluß des Berichts im Athes 
näum bilden, haben nicht daſſelbe geographifche Interefie, wie die von M'Clure, 
doch enthalten fie manches Wichtige. Erftlich fegen fie über allen Zweifel 
feit, daß es eine Polar» See (Fein bloßes Eiscontinuun) dafelbft giebt, und 
zweitend geben fie die Hoffnung nicht auf, noch fernerhin Spuren von Frank 
lin’d Exrpebition aufzufinden. In einem der nächftfolgenven Hefte der Zeitfchrift 
joll ihr Inhalt mitgetheilt werben. C. Nitter. 


— — — — — — 


325 ae liegt im füblichen Eingange zu dem Wellington: Channel 


(6 Gumprecht. 





328 Sigungäbericht der Berliner geographifchen Gefellichaft. 


Sitzung der Berliner Gefellfchaft für Erdkunde 
am 12. October 1853. 


Herr Walter fprach feine Anfichten über die Zukunft der früheren Golonie 
oder der durch beventende Opfer von Seiten ver Bereinigten Staaten jetzigen 
Republik Liberia aus. Da im Allgemeinen die Eontinente Afrifa und Aſien 
fi) nicht der vielen Einfchnitte in ihre Küften, wie Europa und Amerika, er⸗ 
freuen, da außerdem in jenen beiden nicht, wie in diefen, die Quellen ver 
größten Ströme einander naheliegen, was der Vortragende einerfeitd durch 
die Nähe ver Quellen der beiden großen füdamerifanifchen Ströme, des Ama- 
zonenſtromes und des Rio de la Plata und auch der großen ruffifchen Flüſſe, 
anvererfeit8 durch die Entfernung ver Quellen ver chinefifchen Ströme und 
der beiden großen meftaftatifchen, in den Araljec fallenden Flüffe erläuterte, fo 
daß bier Feine Wafferftraßen herbeizuführen find, fo war der Vortragenve auch 
der Meinung, daß man in den beiden erften Kontinenten nur an den Raͤndern 
eine nachhaltige Eivilifation werde erwarten dürfen. Er bezweifelt daher, daß 
Liberia ein Thor für den Eingang europäifcher und chriftlicher Eivilifation in 
Das Innere von Afrifa werde fein können. Hierauf theilte derfelbe Auszüge 
aus einem Briefe mit, weldyen der aus Berlin gebürtige Anſiedler Kawerau 
am I. Mai d. I. aus Auftralien gefchrieben hat (vie Mittheilung dieſes Brie- 
fe8 wird in dem nächften Heft erfolgen). Die Meinung des Schreibers, daß 
das Klima feit dem Goldgraben mehr ein See» Klima geworben fei, wird, in 
Bezug auf Adelaide und Melbourne, von tem Vortragenven erflärt, wogegen 
nach dem Schluffe des Vortrages Herr Wolfers bemerkte, daß ver Schrei- 
ber wahrfcheinlich einen einfeitigen und falichen Schluß gezogen habe, indem 
der von Herrn Kamerau beſonders berüdfichtigte naffe Sommer Süd «Au- 
ftraliens mit einem Winter in Europa gleichzeitig war, der ſich grade Durch 
ungewöhnliche Näffe auszeichnet. — Herr Erbkam bielt hierauf einen Vor⸗ 
trag über die Menmond»Koloffe, welche nach feiner Meinung in der Nekropolis, 
wie die Sphinr- Koloffe in Memphis, ald Wächter ver Sriephöfe betrachtet 
werben müffen. Die Bilonerei war in Aegypten von ter einzigen, dort befte- 
henden Kunft, der Architeftur, abhängig, und nur in zwei Beifpielen Fann 
man die Koloſſe als unabhängig von den Gebäuden anfehen. Die als vor» 
derftes Eingangthor zum Tempel zu betrachtenden MemnondsKoloffe find 
fißend dargeſtellt, während man fonft nur ſtehende antrifft; ihre Dimen⸗ 
fionen von 33’, 17’ und 13’ find faft die größten, welche man finde. Wie 
diefe ungeheuren Waffen bewegt worden find, ift T.um zu begreifen; man 
müßte denn annehmen, daß der Nil früher einen weftlicheren Lauf gehabt over 
bei Hochwaſſer diefe Stelle erreicht habe. Aus der Höhe, in weldyer Die Ko⸗ 
loffe bereit8 von Erde bedeckt find, fchließt ver Redner nach ven hierüber 
von Herrn Chrenberg neuerlichht angeftelten Forſchungen, auf eine jährliche 
Schlammanhäufung von + Linien. In Betreff des am Schluffe befprochenen 


Sigungäbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 329 


Klanges der Wemnond- Säule wurde erwähnt, daß er von Sprüngen her⸗ 
rühre, welche in Folge einer urfprünglich mangelhaften Aufftelung der Säule 
in derfelben entſtanden feien, und es würben biefe fortwährend größer, und fo 
das fcheinbar noch unverjehrte Denkmal zuleßt, wenn auch erft nach Jahr⸗ 
taufenden, gänzlich zerftört werden. — Herr von Sydow zeigte feine neu 
bearbeitete Wandkarte von Europa vor, worin nach feiner Mittheilung vie 
nöthigen, übrigens nicht zahlreichen Berichtigungen angebracht worben ſind. 
Die Binnenwafler find ſchwarz, und nur dad Meer blau gehalten, wodurch 
das Feflland um fo deutlicher aus dem lebten bervortritt. Wie die ver- 
ichiedene Bormation des Landes angegeben worden ifl, wurde von dem Vor⸗ 
tragenden dargethan. — Herr Dove theilte nach einem Briefe des Dr. Pfund 
in Aleranpria an Herrn v. Humboldt mit, daß jener günftige Ausfichten babe, 
mit Erfolg nach dem oberen Nile vorzudringen, Er hegt nämlich vie Abs 
ficht, fi dem Generals Bicar der Iefuiten in Kartum anzufchließen, welcher 
ich vor Kurzem in AWerandria befunden bat. Diefer ift bis 4° n. Br. ges 
langt, Hat viele Schulen gebilvet, ift ver Sprache der Wilden mächtig und 
findet bei diefen eine günftige Aufnahme im Gegenfag zu früheren Reiſenden, 
welche ſich ven Elfenbeinhändlern angefchloffen hatten und mit dieſen, den 
Eingeborenen wegen ihrer Unreblichkeit verhaßten Männern unfreundlich behans 
delt wurden. Berner zeigte Herr Dove die Beobachtungs » Journale vor, welche 
auf den preußifchen Kriegsfchiffen, ver Beflon und Amazone. geführt worden 
find, und rühmte deren Ausführlichkeit. Er erwähnte hierauf die vielen Be⸗ 
obachtungen, welche man gegenwärtig aus den Polargegenven erhält, in Folge 
ter mannigfachen, zur Auffuchung Branklin’3 ausgerüfteten Expeditionen, ſo⸗ 
wie die durch amerifanifche Mifflonäre und die Gründung rufflfcher Mifflo- 
nen am kaspiſchen Meere und dem Aralſee erweiterte Kenntniß der Elimatis 
fchen DVerhältniffe Vorder⸗Aſtiens. Auch befprach Herr Dove die Entdeckung 
der Nordweſt⸗Paſſage in Bezug auf ihre geographifch Wichtigkeit. Derfelbe legte 
zugleich daß dänifche Werk vor: De Danske handelsdistrikter i Nordgrönland. 
AfH. Rink. Kjöbenhavn 1852 und erwähnte, daß durch den Verfaſſer dieſes 
von ihm als ungemein reichhaltig und für die phyſikaliſche Geographie wichtig 
geſchilderten Werfes Grönland näher erforfcht und darin gewiffermafen eine 
Eismauer aufgefunden worben fei, wodurch fich das Erfcheinen der ſchwim⸗ 
menden Eiöberge auf eine ganz neue und wie es ſcheint richtige Weiſe erklaͤ⸗ 
ren laſſe. (Bon dem Rink'ſchen Werk wird eins der nächften Hefte der Zeit⸗ 
ſchriſt die weientlichften Thatfachen feines Inhaltes in einem Auszuge liefern.) 
Endlich Iegte Herr Dove noch folgende Werke zur Anflcht vor und befprady 
biefelben: „Maritime conference at Brüssels for devising an union of 
meteorological observations at sea. August and September 1853. Karte 
des Telegraphenneged ver Schweiz, Bern 1852. Notice sur la grele, qui 
a ravag6 le Canton de Vaud le 23. Aoüt 1850 et sur quelques pheno- 
menes meteorologiques du bassin du Leman. Par Rod. Blanchet. De 


330 Situngsbericht ver Berliner geographifchen Gefelljchaft. 


Hagel door P. Harting. Zum Schluß ermähnt er die große Ipentität ver 
Normalbarometer auf den vorzüglichften meteorologischen Stationen, welche er 
bei jeiner diesjährigen Infpectionsreife der meteorologijchen Stationen im preußis 
fchen Staate vermittelft feines Reiſebarometers erhalten dat. — Hr. Gumprecht 
begann die Vorlefung eined Briefe von U. Petermann in London, eine Expes 
dition in Dad Innere von Auftralien betreffend, worin vie bisherigen verfchie- 
denen Vorftelungen von der Form dieſes Landes, das Klima und bie herrſchen⸗ 
ven Winde befprochen werden. — Herr X. von Treskow ſprach envlich über 
das von ihm neuerlichit herausgegebene Werk: Sir Th. F. Burton Bar. Ein 
Bild des englifchen Lebens im Parlament, in der Stadt und auf dem Lande. 
Berlin 1853, und bob beſonders dabei die DVervienfte Burton’d um bie Frei⸗ 
laffang der Sclaven in den englischen Golonien hervor, wodurch verfelbe das 
von Wilberforce begonnene große Werk endlich zu einem erfreulichen Abſchluſſe 
gebracht habe. J 


IX. 


Reiſe von Sumatra nach Pontianak auf Borneo 
im Sjahre 1846. 


Im Juli 1846 wurde mir durch die niederlandifch s oftinbifche Re⸗ 
gierung der Auftrag zu Theil, mich nach PBontianaf, einem der Haupt 
pläge der Weftküfte von Borneo zu begeben, um von hier aus fo weit 
als möglich in’d Innere der Infel vorzudringen und eine topographis 
ide Aufnahme der zu durchreifenden Länder auszuführen. Ich befand 
mi, als ich diefen Befehl erhielt, zu Padang auf der Weftfüfte Su- 
matra's und machte die Ueberfahrt nach Batavia auf demſelben Dampf» 
ſchiff, weiches den Befehl für mich überbracht hatte. 

Der Schiffsverkehr im Archipelagus ift noch immer fehr mangel- 
haft, indem die in diefen Gewäflern ſtets herrfchenden Winpftillen ihn 
verzögern und ungemein erfchweren. Es ift deshalb nichts Ungewoͤhn⸗ 
liches, Daß eine Reife von Batavia nad Sumatra oder Borneo AO 
bis 50 Tage, nach den Moluden fogar bisweilen 3 bis A Monate 
dauer. Es giebt deshalb auch feine Gegend der Welt, wo die Ans 
wendung von Dampffchiffen nothwendiger wäre und größeren Nutzen 
bringen würde, al8 hier. Erſt in den lebten zehn Jahren feheint man 
dies einigermaßen begriffen zu haben, doch find die wenigen Dam⸗ 
pfer, welche man in diefem Zeitraum nach und nach angefchafft hat, 
noch lange nicht ausreichend, und erft Dann, wenn die Zahl drei⸗ und 
vierfach fiärfer fein wird, würde das nothwendige Berürfniß erfüllt 
fein. Ein anderer großer Vortheil ergäbe ſich dadurch noch für Die 
nieberländifche Regierung, daß fie einige Taufend Mann Landtruppen 
erfparen fönnte, indem man durch die Dampfichiffe im Stande wäre, 
mit großer Schnelligkeit Truppen nad) den verfchlevenen Punkten des 
Archipelagus zu jenden, welches jegt nur mit großem Zeitverluft mög- 
ih if, ſo daB die Regierung fi noch immer genöthigt flieht, auf 


332 DO. von Keifel: 


allen Infeln und befegten Punkten mehr oder weniger große Garnifo- 
nen zu unterhalten. 

Eine directe Handeldverbindung der verſchiedenen Injeln unterein- 
ander findet eigentlich gar nicht ftatt. Wer 3.3. von Sumatra nad 
Borneo reifen will, muß immer erſt nach Java gehen. Gleicherweiſe 
muß Seder, der die Abficht Hat, fih von Vorneo nach den Moluden 
oder einer anderen Infel zu begeben, über Java reifen. Java ift fo- 
mit der Eentral-PBunft der Schifffahrt und des Handeld, wohin von 
allen Richtungen Schiffe fommen und von wo fie wieder abfahren. Doch 
ſelbſt diefe Schiffe find, mit wenigen Ausnahmen, in arabifchen, malaii- 
ſchen oder chinefifchen Händen. Obgleich zu den Fahrten an der Küfte und 
nach den benachbarten Inſeln feine fehr ausgebreitete nautifche Kennt: 
niffe gehören, fo mangeln dieſen Schiffern doch gewöhnlich felbft die 
unentbehrlichften.. Die niederländifche Regierung bat daher die Maß: 
regel getroffen, daß jeder der Schiffspatrone einen europäifchen Steuers 
mann in Dienft haben muß; doch dieſelben find weit entfernt, das 
zu fein, was fie auf europäifchen Schiffen find; gewöhnlich find es nur 
etwas routinirte Matrofen oder Steuermannslehrlinge von holländifchen 
Sahrzeugen, welche ihre Garriere aufgegeben haben. Die Matrofen 
beftehen aus Javanen und Malaien, welche bei gutem Wetter ziemlich 
brauchbar, bei Sturm und Seegefahr dagegen verzagen und die Arme 
hängen laſſen. So ſchlecht alfo auch im Allgemeinen Yahrzeuge und 
Bemannung find, fo ift die Regierung doch gezwungen, fie zur Ber: 
fendung von Beamten und Militair, fowie von Regierungseffecten nach 
den verfchiedenen Garnifonen und Küftenftädten des Archipelagus zu 
gebrauchen, da bei dem täglichen Wechſel des Beamtenperfonals die Re: 
gierungsfchiffe nicht ausreichen. 

Um nah Pontianaf zu gelangen, mußte ich mich zuerſt nach Su: 
rabaja, der befannten Handelsſtadt auf Java, begeben, weil von Bas 
tavia aus feine directe Schifföverbindung mit der Weftküfte von Bor: 
neo befteht. Ich übergehe die Seereife von Batavia nach Surabaja, 
welche ich auf einem arabifchen Küftenfahrer machte, weil fie feine Ber- 
anlaffung zu befonderen Beobachtungen darbot. 

Surabaja erreichte ich den 9. Auguft und erfuhr, daß ich wohl 
einige Wochen auf Schiffsgelegenheit nach Pontianaf würde warten 
müffen. Surabaja ift eine fchöne, regelmäßig, beinahe im holländifchen 


Heife von Sumatra nach Pontianak auf Borneo. 933 


Styl erbaute Stadt; Hier, wie in Batapia und Samarang, wohnt der 
größte Theil der chinefifchen Bevölkerung in eigenen Stabttheilen, woran 
ich Die Vorftädte oder vielmehr invifchen Dörfer, vermifcht mit Bil: 
la's und Landhäufern, anfchliegen. Außer den europäifchen Beamten, 
Offuieren und Kaufleuten befteht die Bevölferung zum großen Theil 
aus Mifchlingen, d.h. aus Kindern von Europäern mit javanifchen 
oder malaiifchen Frauen, welche Race eigentlich bis jetzt feinen Namen 
erhalten Hat, da der holländifche Name Liplap mehr ein Schellmame ift 
und auch für eine Beleidigung angefehen wird, wenn man benfelben 
gebraucht. Diefe Mifchlinge felbft umgehen dies und gebrauchen ge: 
wöhnlich Das Wort inländifch Geborener oder inlandifch Kind, 
wenn fie ihre Race bezeichnen wollen. Surabaja ift für den Militair - 
eine beliebte Garnifon und Das gefellige Leben gemüthlicher, al8 auf 
Batavla. Nach einem Aufenthalt von beinahe 8 Wochen wurde mir 
am 10. endlich die erfehnte Nachricht zu Theil, daß ein Schiff aus 
Bontianaf angelommen fei, um eine Ladung Tabad einzunehmen, und 
daß ich mich bereit halten fönne, den 18. September mich einzufchiffen. 
Das Schiff, welches mid, nach Pontianaf überführen follte, ein großer 
Dreimafter, führte den Namen Fatil⸗Salem; leider aber traf ich den 
Schiffspatron nicht, fondern nur einige Matrofen und einen Verwandten 
des Eigenthümers, welcher für jet die Aufficht zu haben und eine Alrt 
Araber zu fein fchien. Mein Interefie erregte auf dem Schiffe befon- 
ders ein balbausgewachfener Orang-utang, welcher einem der Matro- 
fen gehörte und mir für 50 Gulden zum Kauf angeboten wurde; Da 
ih aber felbft in’8 Land der Drangsutang’s hinüberfchiffen wollte, fo 
{ehnte ich den Handel ab. Einige Tage vor meiner beftimmten Ab⸗ 
reife ftellte fih mir der Eigenthümer des Dreimafters Batil- Salem vor, 
um mir einen Gegenbefuch zu machen, da er gehört, daß ich ihn ſchon 
an Bord aufgefucht hätte. Es war ein junger Mann von etwa 
25 Jahren, von augenfcheinlich malaifcher Abkunft, in arabifcher Tracht 
und zwar in ziemlich fchreienden Farben. Seine Haltung erfchien mir 
ewas fteif und gezwungen, welches ich jedoch feiner, wie ich zu erfen- 
nen glaubte, ungewohnten Kleidung zufchrieb. Da ich fuchen mußte, 
auf der Ueberfahrt mit meiner Umgebung, wo möglich, auf gutem Fuß 
zu ftehen und fi mir hier das Haupt derfelben präfentirte, fo fing ich 
damit an, ifn „lieber Gapitain ” zu nennen und ihm eine Gigarre zu 


334 D. von Keifel: 


präfentiren. Das wirfte vorzüglich gut; er bot mir alle feine Dienfte 
an, um mir den Aufenthalt auf dem Schiff bequem zu machen. Durch 
ven Platzmajor war ihm mitgetheilt, daß außer mir noch 17 Soldaten 
und 1 Unteroffizier zur Verftärfung der Garnijon von Pontianak mit- 
gingen, worüber ich den Befehl während der Reife führen follte, deren 
Küchternheit der Capitain aber nicht recht traute, weshalb er mich erfuchte, 
den mitzunehmenden Genever unter eigene Verwahrung zu nehmen. 
Ebenfo erflärte er mir, daß er nicht im Stande fei, für mich kochen zu 
laffen. Ueber den erften Punkt berufigte ich ihn vollfommen, und was den 
zweiten anbelangte, fo hatte ich eben einen neuen Kochfünftler halber 
bengalifcher Abftammung engagirt. Derfelbe hatte fehr lange Beine, 
das Kennzeichen feiner Race, womit er allen Gefahren Trotz bieten 
wollte. Endlich erfchien der erfehnte Tag meiner Abfahrt, und nach⸗ 
dem ich.noch einige Vorräthe eingefauft, begab ich mich nach der Rhede. 
Zahlreihe Tambangan *) liegen hier jederzeit bemannt mit zwei Rus 
derern, wenn der Wind zu ungünftig ift, um zu fegeln. Die Eigen 
thümer diefer Kähne find Javanen, welche bei dieſer Befchäftigung 
ihre Landestracht abgelegt haben und meift mit langen Beinfleivern, 
Strohhüten und Matroſenhemden bekleidet find. Der Preis der Ueber: 
fahrt nach einem auf der Rhede liegenden Schiffe betrug 1 Gulden. 
Sp kam ih denn Rachmittagd A Uhr am Fatil-Salem an. Das Des 
tachement war bereits feit einigen Stunden an Bord, und die glühende 
Geſichtsfarbe der meiften meiner Soldaten ließ mich glauben, daß ich 
zu fpät gefommen und die Befürchtungen meines würdigen Capitains 
bereit8 in Erfüllung gegangen feien; der Unteroffizier erflärte mir je- 
doch, daß der mitgenommene Genever unter gutem Verfchluß fei, daß 
aber der Abfchied von Surabaja von Einigen vielleicht zu ftarf gefeiert 
worden wäre. Die Berpflegung der Soldaten foll eigentlich von den 
Schiffseigenthuͤmern gegen eine fehr anfehnliche Vergütigung der Re 
gierung gefchehen; viele derfelben ziehen es jedoch vor, ſich Damit nicht 
zu befafien, und in dieſem alle beziehen die Soldaten die Vergütis 
ung und machen felbft ihre Einkäufe an Lebensmitteln, welche dann uns 
ter Verwaltung der Unteroffigiere oder Detachements-Yührer am Bord 
gekocht werden. Ebenfo wird für die gebräuchliche tägliche Genever- 
ration eine verhältnignäßige Menge mitgenommen. 


*) Tambangan ift der malaiifche Namen für einen Kahn. v. K. 


Heife von Sumatra nach Pontianak auf Borneo. 335 


Da die Zufammenftelung und Einrichtung der niederländifch-oft- 
indiſchen Armee wenig befannt ift, fo Halte ich es für pafiend, mit eis 
nigen Worten deren Befchaffenheit anzubeuten. 

Saͤmmiliche regulaire Truppen in Indien mögen etwa 20000 Mann 
betragen, wovon ungefähr der vierte Theil aus Europäern und ein ans 
dered Viertel aus Negerfolvaten befteht, welche vor einigen Jahren in 
der niederländischen Befitung EI Mina auf der Weftfüfte Afrika's ans 
gekauft, angeivorben und ald Refruten nach Oftindien verführt wurs 
den. Diefe Werbung hat jedoch feit einigen Jahren aufgehört, und, 
wie ich meine, auf Grund von Reclamationen der englifchen Regies 
rung, welche darin eine Art Sclavenhandel zu erbliden glaubte. Die 
eigentliche Abficht war vielleicht, die niederlaͤndiſchen Colonien dadurch 
indirect zu ſchwaͤchen. Außer diefen europäifchen und afrifanifchen Corps 
befteht die andere Hälfte der Armee aus indifchen Soldaten von den 
verfchiedenen Infeln, meiftend aber aus Javanen, zum Heineren Theil 
aus Bugis und Amboinen. 

Die ganze Armee ift in Bataillone zu 6 Compagnien getheilt, wos 
von die beiden Flanqeur⸗Compagnien gewöhnlich Europäer oder Afri⸗ 
faner find, während die A Eentrum-Compagnien aus Indiern beftes 
ben. Bei den indifchen Compagnien find die Unteroffiziere zur Hälfte 
Europäer, zur Hälfte Indier. Zn Offizieren werben nur wenig indi⸗ 
ſche Unteroffiziere befördert; entweder nur im Kriege ausgezeichnet brave 
Soldaten oder in Friedengzeiten Söhne aus verarmten vornehmen Fa⸗ 
milien. Drei Biertheile der Offiziere find daher auch bei den indiſchen 
und afrifanifhen Compagnien Europäer. 

Bei den europälfchen Soldaten bleibt in moralifcher Beziehung 
allerdings viel zu wünfchen übrig. Der Holländer felbft tritt nicht in 
indiſche Militairdienfte, wenn er nur irgend eine andere Eriftenz fin- 
det. Ein zu flarfes nationales Vorurtheil herefcht nämlich bis auf den 
heutigen Tag im Mutterlande gegen den Colonial⸗Militairdienſt. Die 
befannte Seelenverfäuferei im 17. und 18. Jahrhundert beweift hin⸗ 
länglih, daß man damals außergewöhnliche Mittel anwenden mußte, 
um fich militairiſche Kräfte für die Eolonien zu verfchaffen, und ebenfo 
it Holland heute noch in der Nothwendigfeit, Werbungen im Auslande, 
namentlich in Deutfchland, zu veranftalten, und man fann wohl ans 
nehmen, daß von den Truppen, welche nach Indien gehen, die Hälfte 





336 O. von Keilel: 


Ausländer ind. Was die für den Dienft angeworbenen Holländer 
betrifft, jo ift der größte Theil aus den Straf-Compagnien gewonnen, 
alfo ver Ausfchuß der holländischen Armee; die Ausländer find zum 
Theil von demfelben Kaliber, ein anderer Theil aber befteht aus an- 
ftändigen Leuten, welche, unbefannt mit den indifchen Berhältnifien, in 
der Hoffnung auf Avancement in Dienfte treten. Namentlich rechne 
ich dazu eine bedeutende Anzahl gewejener Offiziere und Fähndriche, 
welche durch eigene Fehler oder Unglüd ihre Garriere in Europa hat: 
ten aufgeben müflen. Die meiften dieſer Leute täujchen fi, und nur 
einem etwa von 20 gelingt es, fich wieder zum Offizier emporzuarbei- 
ten. Der Grund hiervon if, daß Holland felbft genug Aspiranten 
bat, welche ald Offiziere in Indien angeftellt zu werden wünfcdhen, und 
daß, wenn man vor 30 und mehr Jahren vielleicht eine zu große An- 
zahl Ausländer zu Offizieren beförderte, dies in neuerer Zeit den Miß⸗ 
muth der Ration erregt zu haben fcheint, fo daß man ſich veranlaßı 
fühlte, zu dem anderen Ertrem überzugehen, d. h. gar feine Ausländer 
oder nur mit fehr wenig Ausnahmen zu befördern. Ich kann hierbei 
den Wunfch nicht unterbrüden, daß die überaus biedere und rechtliche 
holländische Ration fi auf ihre eigenen Kräfte befchränfen ober bei 
den Werbungen gleich feftftellen möge, daß fein Ausländer Offizier 
werden dürfe. Dadurch wüßte jeder Har und deutlich, was er zu erw 
warten hätte, und bie Werbung würde dann nur jenen kleinen Iheil 
einbüßen, welcher bisher mit chimärifchen Hoffnungen auf Avancement 
in den Dienft trat. 

Aus dem Obengefagten möge man übrigens nicht fchließen, daß 
die oflindifche Armee ihrem Zweck nicht entfpreche, indem ich nur vom 
moralifchen Standpunft und in der Hinficht auch nur von dem euro⸗ 
päifchen Theil gefprochen habe. Die drei übrigen Viertel der Armee, 
weiche aus Indiern beftehen, zeichnen ſich durch ein ruhiges und ges 
horſames Betragen aus, und was perfönlichen Muth anbelangt, fo 
find die Bugis *) den Europäern beinahe überlegen, und auch die Ja⸗ 
vanen und Amboinen *) koͤnnen ihnen vielleicht gleichgeflellt werden. 


*) Bugis, ein Bolksfamm anf Gelebes von muhammebanifcher Religion, ver 
mit den Javanen auf gleicher Bilbungeftufe fteht. v. K. 

e) Die verſchiedenen Bewohner der Molucken bezeichnet man at dem allge: 
meinen na Anboinen, wenn fie als Soldat engagirt find; en Rad viele [open 





Reife von Sumatra nad) Pontianaf auf Borneo. 337 


Das Offizier» Corps ift in den legten zehn Jahren durch fühige und 
gebildete junge Holländer vecht fehr verbeflert worden; beſonders aber 
bilden die Offiziere der Artillerie ein ausgezeichnetes Corps. 

Es werden jährlich 1000 bis 1200 Mann von Holland aus, und 
zwar in fleinen Transporten von nicht über 200 Mann, nach Indien 
beförbert. Wenn diefelben in Batavia ankommen, werden die foliveften 
zurüdbehalten; der Reft geht nach Samarang, Surabaja, Padang und 
den übrigen größeren Garnifonen und Depöts. Hier werben wieder 
die Beſten zurüdbehalten, und den Weberreft verfendet man enblich nach 
entlegeneren, Fleineren Poſten Die lebten haben in der Regel noch 
mehrere Fleinere Bolten von 10 bie 40 Mann zu befeten, wozu noch 
einmal eine Auswahl getroffen wird. So war alfo die nad Bons 
tianaf beftimmte Mannfchaft wirklich eine ausgefuchte Waare. 

Der Name meined Schiffspatrondg war Abdarachman, von Ges 
burt ein Bugis, defien Großvater fih vor 50 Jahren auf PBontianaf 
al8 Kaufmann nievergelaffen und bier Reichthümer erworben hatte, fo 
daß er im Beſitz von mehreren Schiffen war. Eben jebt fehrte er 
wieder mit einer Ladung javanifchen Tabads nach Pontianak zurüd. 
Außer ihm waren 5 bis 6 Bettern und Verwandte und 12 bis 15 javani- 
ſche Matrofen an Bord, Einer diefer Vettern war der Steuermann und 
daß eigentliche Factotum, d. h., ex Hatte die Reife nad) Surabaja mehr 
als 20Mal gemacht; zugleih war er im Belik einer alten Seefarte, 
eined Transporteurs, Zirkeld und Compaſſes, und mit Hilfe dieſer 
A Inftrumente fand er feinen Weg nach Java und wieder nach Haufe. 
Die Matrofen waren ziemlich geübt und bei gutem Wetter brauchbar. 

Rah und nach machte ich Bekanntfchaft mit meiner Umgebung. 
Außer den 6 Vettern waren noch A arabifche Kaufleute ald Pafjagiere 
mit, welche jeder auf eigene Rechnung eine Heine Fracht Tabad und 
andere Waaren an Bord hatten. Einer von ihnen war ein Neffe des 
Sultans von Pontianak; allen jedoch konnte man anfehen, daß fie nicht 
rein arabifcher Abkunft waren. Wirklich erfuhr ich fpäter, daß fie von 
malaiifchen Müttern abftammten. — Abdarachman mit feinen Bettern 
waren reine Bugis, und obwohl die Bugis ebenfalls zur malalifchen Race 
gehören, und Ihr Aeußeres fih wenig von dem der Malaien unter 
ſcheidet, fo ſteht dieſe Nation Doch im Allgemeinen in größerer Achtung 
im Arcchipelagus, weil fie durch ihren anerkannten perfünfichen Muth 

Beitfche. f. allg. Erdkunde. Br. I. 22 | 





338 D. von Keffel: 


von den Malnien und Javanen fich vortheilhaft unterfcheiden und fo 
eigentlich die Spartaner des Archipelagus genannt werden Fönnten. 

Sowohl bugifche, als malaiifche Kaufleute legen, wenn fie nach 
Java kommen, die arabifche Kleidung an, weil man ihnen dann mehr 
Ehrfurcht bezeigt, und, wenn fie ſich auch nicht für reine Araber aus⸗ 
geben, welchem ihr Aeußeres wirerfprechen würde, fo laſſen fie doch 
hierdurch errathen, daß fie Abfönmlinge von Arabern fein Tönnten. 
Auf dieſe Weife lernte ich alfo meinen Abdarachman in arabifcher Klcis 
dung fennen. Er wäre mir ald Bugis cben fo werth und noch lies 
ber gewefen, da ich weit mehr Achtung vor der bugifchen Nation, als 
vor Dem geizigen und unrühnlich befannten Charakter der arabijchen 
Kaufleute im Archipelagus habe. 

Man erwartete den Landwind um die Anfer zu lichten; hierzu 
war jedoch erft gegen 10 bis 11 Uhr Nachts Ausficht. Während die⸗ 
fer Zeit ftellte ich meine Betrachtungen an, und machte die Bemerkung, 
daß alle 2 Stunden 3 Stunde gepumpt wurde. ©o erfuhr ich endlich, Daß 
das Schiff, ein altes, für größere Neijen nicht mehr brauchbares euro: 
päisches, in Surabaja für 3000 Dollars angefauft worden fei, und 
daß Abdarachman's Vater außer viefem noch A ähnliche Fahrzeuge 
hätte, welche auf diefelbe Weile gepumpt werden müßten, endlich, daß 
man dies gar nicht mehr anders gewöhnt wäre. Im Grunde war bei 
ruhigem Wetter Feine Gefahr, und da in diefen Gewäſſern fehr jelten 
Stürme vorkommen, fo war ein folcher auch diesmal nicht wahrſchein⸗ 
lich. Abdarachman's Reichthum fanf aber durch die Auffchlüffe, die ich 
fo erhielt, bei mir um 90 Procent. 

Die Soldaten hatten feit einer halben Stunde aufgehört, franzo- 
ſiſch, deutſch und Holländifch zu fingen, denn alle 3 Nationen waren 
unter den 47 Mann vertreten. Die deusfche Partei war die flärffte 
und hatte bis zuletzt ausgehalten; fie waren endlich ermüdet und halb 
benebelt Morpheus in die Arme gefunfen. Hin und wieber hörte 
man noch einzelne dentfche Lieder aus dem unteren Raum herauffchals 
len; — die Mehrzahl fehnarchte fer, alle ihre Hoffnungen umgaufel- 
ten fie in ihren Traumbildern, und diefe waren weder auf Heldentha- 
ten, noch auf Avancement gerichtet, fondern auf die fchöne Gewißheit, 
daß der Benever in Bontianaf das Glas 5 Cent fofte, und fomit 
1 Gent weniger, ald in Surabaja. 


Reife von Sumatra nach Bontianak auf Bornen. 839 


Es war 6 Uhr Abends, und die Stunde des Gebetes gefommen. 
Die A Araber, Abdarachman und feine Vettern verfammelten ſich 
auf dem Gallion; nur einer oder zwei der Matrofen hatten fich ans 
geichloifen, denn der gewöhnliche Javane und Malaie, obſchon Mus 
ſelmann, verrichtet Die vorgefchriebenen Gebete nicht; nur die höheren 
Stände und Priefter thun dies. Das Gebet hatte ! Stunde gedauert, 
und unfer Steuermann Si⸗Kaſſim hatte fich bei mir eingefunden, wäh- 
rend die übrigen einen nüfelnden Geſang nad) anjcheinend arabifchem 
Tert anftimmten, welcher durchaus nicht erhebend Hang. Als ih Si⸗ 
Kafim fragte, warum er allein fich abjondere, bedeutete er mir, daß 
das Singen wohl die ganze Nacht anhalten Fönnte, daß er jedoch nad) 
dem Schiff fehen müfle, um fertig zu fein, wenn der Wind auffüme. 
— Das war ein fehr fhlechter Troft für mich, da ich bei dieſem wi« 
drig Hingenden Geſang nicht allein nicht fchlafen Fonnte, jondern auch 
im Wachen auf eine unangenehme Weile gejtört werden mußte — 
Es war ungefähr 8 Uhr, ald auch Abdarachman fi) an meine Seite 
ſetzte, um etwas Luft zu fchöpfen, weldde ihm bei dem langen Gefange 
wahrfcheinlich ausgegangen war. Nachdem er meine Vermuthung be- 
flätigt, daß die lange Andachtsübung den Zwed hätte, eine glüdliche 
Reife zu erfleben, beruhigte er mich etwas mit der Nachricht, daß um 
11 Uhr, mit dem Auffommen des Windes, diefelbe beendigt fein würde. 

Abdarachman's natürliche indifche Neugierde trieb ihn zu ter Frage, 
was ich In Pontianaf zu verrichten Hätte; ich erklärte es ihm fo gut 
wie möglich, und nachdem ich Durch mein fertiges Sprechen des Ma- 
latifchen feine Freundlichkeit und fein Herz gewonnen zu haben jdhien, 
mußte ich ihm von Europa erzählen, und, was hauptfüchlich feine Bes 
wunderung erregte, woran er aber Immer noch zu zweifeln fchien, war 
der Umftand, daß die Bewohner von Europa nicht alle ſolche Trun⸗ 
tenbolve feten, al8 die europälfchen Soldaten in Indien. Im Allges 
meinen ift dem Indier ein tiefes Gefühl von Haß gegen alle Euro- 
päer eingeprägt, und man muß fi} durch ihre feheinbare Freundlich⸗ 
keit nicht taufchen lafien. Ein Hauptgrund liegt wohl darin, daß Die 
Bekenner Mahomed's geborne Ehriftenfeinde find, Die in Archipela⸗ 
gus befindlichen Araber, fowie einige Hundert jährliher Walfahrer 
nach Mekka von den verfchienenen Infeln geben dieſem Haß fletö neue 
Rahrung. Jedoch auch vom rein moralifchen Standpunkt fpricht fich 

22 * 








340 D. von Kefiel: 


eine unbefchreibliche Verachtung gegen ben europäifchen Soldaten aus. 
Sp groß aber der Haß gegen die Europäer ift, eben fo groß ift zus 
gleich die Yurcht vor diefen taumelnden Marsföhnen. Der von Ras 
tur fchlaue, fchmiegfame und ftille Malaie und Javane findet den Eus 
ropaͤer ſchwerfaͤllig, den Soldaten gar zu rauf, und die durch Gene 
ver erregte Gefangsluft oder wohl gar eine Prügelei find ihm em 
Gräuel. Anerfannt ift aber wohl, daß ein ganzes Bataillon Indier 
bei gleicher Gelegenheit weniger Laͤrm macht, als 10 europäifche Sol 
daten. — Der europäifche Tanz erfcheint ihnen läacherlih, und na⸗ 
mentlich dad Umfaflen der Frauen dabei unanftändig. 

Die beinahe jährlich wiederholten Empörungen auf den verfchie- 
denen Infeln, namentlid auf Sumatra, werden immer bald wieder 
durch Gewalt der Waffen bezwungen. Die dabei verhängte Strafe 
wirft nach Maaßgabe ihrer Yühlbarfeit längere oder Fürzere Zeit, bie 
unerwartet ein neuer Aufruhr ausbricht. Während dies aber befon- 
derd auf Sumatra Anwendung findet, haben fich die VBerhältnifie auf 
Java anders geftaltet. Die legte Inſel ift nämlich feit Jahrhunderten 
eine niederländifche Beſitzung, und die Macht der Niederländer hier ans 
fcheinend allerdings mehr befeftigt. Die javanifche Bevölkerung unter- 
ſcheidet ſich zugleich nicht allein durch ihre Sprache und höhere Cul⸗ 
tur von den zahlreichen und verfchievenen malalifchen Bölfern des Ar- 
chipelagus, fondern fie unterfchied fich auch von jeher durch eine an- 
dere Berfafiung und Regierungsform. 

Die Javanen waren, ſchon ehe fie die Holländer als ihre Her- 
ren kennen lernten, ein unterprüdtes und ihren Yürften ſclaviſch un- 
terworfenes Voll, und der Abſtand zwiſchen Adel und Bolf ift nur 
mit der Verehrung zu vergleichen, welche letztes den Fürften zollt 
Die Macht der javanifchen Fürften ift jetzt allerdings direct gebrochen, 
ihr Einfluß ift aber geblieben, und die nieverländifche Regierung hält 
fih auf Java nur in Folge ihrer fehr feinen Politik Die ihrer Macht 
beraubten Fürften ſtehen nämlich in nieverländifchem Sold, find fcharf 
beobachtet und haben auch Feine anderen Ginnahmequellen, fo daß fie 
wohl gezwungen find, Diener der niederländifchen Regierung zu fein. 
Es ift nur diefem Mittel und der Anwendung dieſes Einfluffes zu⸗ 
zufchreiben, daß Java mit wenigen Truppen bis jest in Ruhe erhals 
ten wurde. Außerdem beruht die allgemein angewendete Politif noch 





Reife von Sumatra nach Pontianaf auf Borneo. 341 


hauptfächlich auf der Feindfchaft der an Sprache und Gewohnheit ver- 
ſchiedenen hundert Volksſtaͤmme des Archipelagus. Diefe Feindſchaft 
untereinander erfpart den Nieherländern 40000 Mann Truppen, und 
täglich fieht man die practifche Anwendung Wird heute ein Volks⸗ 
ſtamm durch Hilfe des Nachbars bezwungen, fo leiftet der Ueberwun⸗ 
dene morgen Diefelbe Hilfe gegen den gefälligen Nachbar. Natürlich 
trägt dies dazu bei, daß die Feindſchaft der Volksftämme untereinan- 
der immer mehr zunimmt. 

Der Javane unterfcheidet fih vom Malaten durch feinen fanfte- 
ren, liebevolleren Charakter. Das javanifche Volk ift überhaupt mehr 
als eins würdig, daß die Morgenröthe der Bipilifation, der moralifchen 
und chriftlichen Freiheit ihm anbricht. Es ift Bier ein fruchtbarer Bo⸗ 
den für chriſtliche Miſſionen, doch nur, wenn derfelbe durch vorherge- 
hende Schulbildung vorbereitet if. Ich kann deshalb der englifchen 
Regierung nur meine Bewunderung für ihr Beitreben, wiflenfchaftliche 
Bildung in den Eolonien zu verbreiten, zollen. Ich felbft bin der Mei- 
nung, daß die Colonien hierdurch früher die Unabhängigkeit erreichen 
werden, aber um fo evelherzjiger und anerfennungswerther iſt dieſes 
einer chriftlichen Ration wuͤrdige Verfahren. — Borhergegangene wif- 
fenfchaftlihe Bildung und die Hieraus folgende Eultur find allein im 
Stande zur Annahme des Evangeliums vorzubereiten; die Mifftonen 
unter Heidenvölfern erfcheinen bei der Vernachläffigung diefer Prins 
dipien deshalb aucd wenig belohnend und finden fo viele Gegner. 
Eine Parallele zwiſchen ihnen und den erften Belchrungen zu Zeiten 
der Apoftel läßt ſich durchaus nicht ziehen. 

Holland befolgt von dem durch England gegebeneu Beifpiel in 
Hinterindien gerade Das entgegengefegte Prinzip, und wendet alles an, 
die Golonien fo lange wie möglich in Dummheit und Stumpffinn zu 
erhalten. Als Politif mag dies fehr richtig berechnet fein, aber ob 
Bott feinen Segen für die Zufunft geben wird und menfchliche Berechs 
nung nicht zu Schanden werben dürfte, ift etwas anderes. 

Daß nicht allein für das indiſche Schulwefen nichts, für die 
Kinder von Europäern fo blutwenig gefchieht, daß felbft die Beamten 
ihre Kinder zur ganz gewöhnlichen Ausbildung nad Europa fenden 
müffen, dies allein ift fchon an und für ſich traurig. Daß aber die in- 
diſchen Voͤlker von ihren chriftlihen Herren foftematifch demoraliſirt 


342 D. von Keſſel: 


werden, ift abjcheulih. Einem Voll, defien Schweiß fo und fo viel 
Kaffee und Zuder jährlich produeirt, reicht man zur Erholung eine 
Opiumpfeife, um fich zu betäuben; ein ‚anderer ihm gewährter Zeitver- 
treib find die Hazardfpiele. — Opium und Hazardfpiele find die Mo⸗ 
nopole der Regierung und werben von chinefiichen Speculanten gepadds 
tet, wofür die Regierung allerdings eine jehr anſehnliche Summe zieht. 

Irog der übertrieben angeftrengten Arbeit der Javanen und der 
Fruchtbarkeit De Bodens ift das Elend auf Java, Danf den oben⸗ 
angeführten Mitten und den zum großen Theil in Kaffee» Plantagen 
verwandelten Reisfeldern, außerordentlich groß. — Durch javanifche Bas 
taillone halt Holland die übrigen Beſitzungen im Archipelagus in Zuum, 
und eine Quelle von Reichthum fließt jährlich dem Mutterlande zu. 
Möchte doch die harte Stiefmutter Mittel fuchen, die geiftige Wohl⸗ 
führt dieſes armen, gedrüdten, aber anerfannt gutmüthigen Volkes zu 
befördern, damit nicht Gott in feinem Zorn einft Gericht halt zwifchen 
Mutter und Kindern. 

Wenn einerfeits ein Vorwurf in Obengefagtem liegt, fo bin ic) 
doch andererfeits überzeugt, daß viele rechtliche Holländer meine Ge 
fühle theilen werden. Weberhaupt kann man der Nation wohl dieſe 
Mißbräuche weniger zur Luft legen, als einzelnen hohen Vertretern der: 
felben. Die niederländifchen Colonien waren bisher nur eine Hans 
belöfperulation, und werben in diefem Geifte heut noch verwaltet. — 
Oder verdienen überhaupt Länder den Namen von Cofonien, wo durchs 
aus Feine Anfievelung ftattfindet, und wo allein cine Verwaltungsbe⸗ 
hoͤrde fich befindet, welche unterftügt von 20000 Bajonetten die beſieg⸗ 
ten Bölfer arbeiten läßt? 

Mit Vergnügen hörte ich, wie auf Java einzelne Beamte in ihren 
Diftrieten fich mit Erfolg der Verbreitung des Opiums entgegenftells 
ten, und ich finde dies um jo großherziger, als dieſe Münner im Dienfte 
der Regierung die Einführung zulafien mußten, und dennoch vom mos 
ralifhen Standpunkt aus fo auf die Bevölferung wirkten, daß Niemand 
den Giftbecher nehmen wollte. 

Die Demoralifirung des Familienlebens ift ebenfalls ein großer 
Krebsfchaden auf Java. Bon alten Zeiten her fonnten zwar die Gros 
Ben des Landed nad Belieben unter den Töchtern wählen, dennoch 
blieb das Familienleben im Volke gewöhnlich rein. Dies ift nicht mehr 


Reife von Sumatra nach Pontianak auf Borneo. 343 


ber Ball; die Lüderlichfeit hat in diefer Beziehumg reißende Yortjchritte 
gemacht, und ich führe hier eine charafteriftifche Unterhaltung an, die 
id mit einigen Javanen auf Bogor hatte. Diefe wagten zwar nicht 
in laute Klagen über die überhäufte Arbeit, die täglich weniger wer- 
denden Neisfelder und vermehrten Kaffee» Plantagen auszubrechen, 
dennoch konnten fie folgende Aeußerung nicht zurüdhalten: „Das 
Traurigfte in unſerer Lage ift nicht die übermäßige Arbeit, fonvern 
daß unfere jungen Töchter genöthigt find, nach entfernten Kaffee - Blan- 
tagen arbeiten zu gehen, wo fie wochenlang ohne jede Aufficht fich 
ſelbſt überlajfen bleiben.” Jeder, der mit indischen Verhältniffen be- 
fannt ift, weiß, das Mädchen, der elterlichen Bewachung entzogen, un- 
rettbar der Verführung preiögegeben jind. Diefes leicht zu befeitigende 
Uebel, weldyes nothwendig Bitterfeit und Unmuth in allen Familien er⸗ 
regen muß, und wovon die Regierung wohl feine Kenntniß hat, em⸗ 
pfehle ich, wo möglich, zur Abhilfe. 

Ich bin weit entfernt zu behaupten, daß fümmtliche Beſitzungen 
im Archipelagus gleich gedrüdt find. So verfchieden die Volksſtämme, 
frühere Regierungsform und örtliche Verhältniffe, langiührige oder neuere 
Beiignahme, jo verjchieden find natürlich auch die Verwaltungsmnaß- 
regeln, und es ift nichts verjchiedenartiger, ald die Anwendung dieſes 
Maaßſtabes auf Java, Sumatra, Borneo, Gelebed, Bali, die Mo— 
lucken u. ſ. w. So gedruͤckt und unglüdlich ich chen die Perle der nies 
derlaͤndiſchen Befipungen, Java, gefchildert habe, jo wenig iſt Dies 3. B. 
bei Sumatra der Fall, deſſen Befignahme durch die Holländer für Die 
Bevölkerung eine große MWohlthat geworden ift, obwohl dieje es eben 
nicht fehr verdienen. Die freien malaiifchen Bölfer Sumatra's Ichten 
vor der Befisnahme in jteten Bürgerfriegen. Raub und Mord war 
an der Tagesordnung; jet durchziehen ſchöne Landſtraßen das Land, 
die Freiheit des Volkes ift in Feiner Hinficht beichränft, Ordnung und 
Recht wird gehandhabt, und mit Plantagen hat man nur eben anges 
fangen, Kleine Berfuche zu machen, die Arbeit iſt daher fehr gering und 
dennoch find immerwährende Empörungen zu dämpfen. Gern möchte 
man hier mit der geprüften und gut befundenen Politik vorwärts ſchrei⸗ 
ten, nichts übereilen und allmälig es fo weit, wie auf Java zu brin- 
gen fuchen. Daher trug auch Sumatra bisher nur wenig ein. Ob 
man Zeit haben wird, Sumatra auf den Standpunft von Java zu 





344 D. von Keffel: 


bringen, ift ſchwer zu beſtimmen. Worläufig müßte man die überaus 
weife und fchöne Berwaltung der Regierung auf Sumatra mit Bes 
wunderung anerfennen, wenn man eben nicht im Boraus wüßte, daß 
nach und nach aus dem fchönen Gebäude ein flarfer Thunn werben 
fol, von dem aus man fohwere Ketten nach allen Richtungen zu zie⸗ 
hen gedenkt. 

Wieder anders ift es mit Borneo. Diefes fchöne Land hat man 
bis jet ignoriert und nur die Küften befebt, weil die Kriege und Oc⸗ 
rupirung Sumatra’d Millionen gefoftet haben und man auf Borneo 
ein Gleiches erwartete, ein fehr einfeitiger Maaßſtab, von Händen an⸗ 
gelegt, welche mit den wahren Hilfsmitteln Borneo’8 unbelannt geblie- 
ben waren. 

Es war 103 Uhr Abends und eine von jenen fehönen inpifchen 
Naͤchten, welche für die Hitze des Tages entfchäbdigen, auf dem Deere 
aber doppelten Reiz haben. Die Speichen waren bereits hervorgefucht 
und lagen bei der Anferfpille, um fie fogleich gebrauchen zu koͤnnen. 
Si Kaffim pfiff ſchon feit einer Viertelftunde nach dem Winde, und 
obgleich ich dieſe originelle WVeife, den Wind zu rufen, wohl bei euros 
päifchen Seeleuten beobachtet hatte, fo war es mir Doch etwas Reue, 
fie auch hier in Anwendung zu finden. Endlich fam ver erfehnte Aus 
genblid; ein leifer Luftzug, welcher zuſehends flärfer wurde, fam vom 
Lande. Si Kaſſim hörte auf zu pfeifen, blidte mich wichtig an und 
lächelte zufrieden über feine Kunft; ich nickte ihm anerfennend zu, drüdte 
dem Gebieter der Winde dankbar die Hand für feine Gefälligfeit und 
ging fehlafen. 

Es war 65 Uhr, als ich am anderen Morgen erwachte. Entzüdt 
von meinem geflrigen Beifall, daß er den Wind ſo geſchickt heranlockte, 
bot mir Si Kaffim dringend an, fein Gaft zu fein. Obſchon dankbar 
für feine Freundſchaft, wäre mir Heißes Waſſer lieber geweſen, da die 
Art Kaffee, welche die Malaien trinken, fehr entfernt von dem arabi⸗ 
ſchen if. Dennoch konnte ich nicht anders, als fein Anerbieten dank 
bar annehmen. Wahrſcheinlich um ſich in würdigem Glanze zu zeigen 
führte er mich nach der Kajüte, welche die A Araber und die 7 Bugis 
gemeinſchaftlich bewohnten. GEs war das erſte Mal, daß ich bier eins 
trat, da ich eine Heine Hütte außerhalb hatte, welche in Feiner Ber 
bindung mit diefem Raume fland. — Es wäre vergebens geweſen, 


Reife von Sumatra nach Pontianak auf Borneo. 345 


hier orientalifchen Lurus zu fuchen, vielmehr herrfchte eine ziemliche Uns 
reinlichkeit. In einem Winkel lagen zwei der Araber auf Kleinen Mat⸗ 
tm, noch immer befchäftigt ein Manufeript, wahrfcheinlich ein Stüd 
des Koran’d, in dem früher erwähnten näfelnden Tone abzufingen. 
Sie ließen ſich durch mein Eintreten nicht unterbrechen. Während 
einige Waarenballen und Heine Kiften an den Wänden zerftreut ums 
herlagen, fand an einer Seite eine Balie-Balie*) als einziges Möbel 
diefes Raumes, worauf vier der Neffen faßen, zwei zu meiner Ber: 
wunderung mit Schachfpielen befchäftigt, während die zwei anderen fich 
mit Bethel- Kauen **) unterhielten und eifrig zuſchauten. Das Schach⸗ 
brett war aus feiner europälfchen Fabrik hervorgegangen, fondern ein 
einfaches Stüd Brett mit den gewöhnlichen Quarree’d bezogen. Die 
Figuren, obfchon roh, waren dennoch gefchidt gefchnitten, aber von ganz 
anderer Form, als unfere in Europa gebräuchlichen, ebenfo die Namen 
berfelben von unferen europäifchen abweichend. Ich fah hier zum er- 
ſten Mal in malaiiſchen Händen dies durch Araber eingeführte Spiel. 
An dieſe eben befchriebene Kajüte ftieß noch eine zweite Abtheis 
(ung, weldhe nur halb ſo groß war. Den hinterften Theil des Schif-- 
fes einnehmend , enthielt fie ein breites, die ganze Front ausfüllendes 
Genfer, welches die Ausficht auf die Hohe See und unfer Fahrwaſſer 
volländig gewährte. Diefer Raum war die bevorzugte Wohnung von 
Abdarachman und Kaffim, doch auch bier fland nur eine hölgerne Ba⸗ 
fie mit einer bunten Tikar⸗ rottang *"*) bededt, worauf eine offenftes 
hende Schreibfifte mit umherliegenden Bapieren, wahrfcheinlich Die Fracht⸗ 
und Schiffspapiere, mit der oben erwähnten Karte und 4 Inftrumen- 
ten, wobei ich noch einen Maafftab und ein Lineal erblidte. Abdarach⸗ 
man faß hier in voller Gelehrſamkeit begraben, und es ſchien, als hätte 
er diefen Augenblick vorbereitet, um die Wichtigkeit feines Amtes und 


*) Vigentlich Bettſtelle — jeboch wird viefes Möbel während bes Tages ges 
Brandt, um daranf zu efien m. f. w. v. K. 

“e) Bethel⸗Kauen, im Malaiiſchen Zirie, beſteht aus einem gewürzhaften Blatt 
der Zirie⸗Schling⸗Pflanze, einem Stückchen Piſang-Nuß, auch von erregender und 
gewurzhaſter Cigenſchaſt, einer aus Gambir⸗Blaͤttern verfertigten gallenbittern Sub: 
Ranz und einem lleinen, zur Verſchärfung dienenden Zuſatz von feinem Kalf, Alle 
Biertelftunde nimmt man eine neue Portion in den Mund, fo groß, daß mau dabei 
aiht am Sprechen gehindert wird. v. K. 

eae) Bine von ſpaniſchem Rohr geflochtene Matte, v. K. 


346 D. von Kefiel: 


feine Schreib- und Lejefenntniß im günftigften Lichte zu zeigen. Auf 
feine Einladung nahm ich einen Augenblid neben ihm Platz und be- 
tichtigte ihm einige Zweifel über mehrere Holländiih gejchriebene 
Papiere. 

Indeffen war auf dem Fußboden eine Tifar ausgebreitet worden, 
worauf SisMara, der als Steward fungirende Matroje, eine große 
geblümte chinefiiche Kaffeefanne mit einem Dugend winzig Feiner chis 
nefifcher Taſſen aufgeftelt Hatte; diefem folgte noch eine gleiche Anzahl 
Heiner Teller mit chinefifchem und malaiiſchem Badwerf, unter dem 
Namen Due hinlänglich befannt, welches aber die Wirkung auf mic) 
hervorbrachte, daß ich mir eine @igarre anjtedte und erklärte, ich hätte 
die Gewohnheit, des Morgens zum Kaffee zu rauchen, ohne ehvad zu 
ejjen. Ich muß bemerfen, daß der in Indien friſch angekommene Eu: 
ropaͤer manchmal diefe Bädereien gern ißt; der längere Zeit in Indien 
anweſende aber zieht ein ſolideres Frühftüd von Schinfen, Käfe, Eiern, 
Brodt und Butter vor. Unter diefen Umſtaͤnden rechnete ich auf meine 
mitgenommenen Vorraͤthe, an welche ich nach beendigtem Kaffeetrinfen 
in meiner Hütte mid) halten wollte. 

Si-Kaſſim nöthigte indefien mit einem tiefen Büdling Platz zu 
nehmen. Obſchon ich meinen eigenen Rohrftuhl mit hatte, fo verlangte 
die Höflichkeit, daß ich den Gebrauch dieſes Möbels ablehnte. Ich nahm 
daher mit kreuzweis untergefchlagenen Beinen Platz, welches mir um 
fo leichter fiel, als ich während meiner Reifen auf Sumatra mir dieſe 
Art zu figen vollfommen angeeignet hatte, und jahrelang fowohl tüg- 
lich auf diefe Weife effen, als auch meine Zeichnungen anfertigen 
mußte; auf der anderen Seite verlangt die malaüifche Höflichkeit ſtreng, 
daß man fich nicht höher, 3.2. auf einen Stuhl feht, während die 
übrige Gefellfchaft auf der Erde ſitzt; die geringfte Erhöhung, eine 
Fußbanf oder dergleichen, würde dieſelbe Beleidigung fein. Nur bei 
fehr hochgeftellten Perſonen, als Fürften, habe ich dies als ein ihnen 
gebührendes Recht fehen in Anfpruch nehmen, und dann oft felbft 
nacht ihnen, bei folchen ceremoniofen Gelegenheiten, einen Stuhl oder 
erhöhten Siß annehmen müfjen, während die übrige zahlreiche Gefell- 
haft, worunter die nächften Verwandten, auf dem Fußboden faßen. 

Den 20. war ich Zeuge, auf welche geniale Weife Si-Kaſſim 
mit Transporteur und Zirkel umging. Wir fteuerten namlich in der 


Meile von Sumatra nach Pontianak auf Borneo. 347 


edlen Abficht die Südwefts Spike von Borneo zu erreichen, um als⸗ 
dann, wo Fein Irrthum mehr möglich war, längft der Weftfüfte norb- 
wärts bis Pontianaf zu ſegeln. Si⸗Kaſſim gab auf feiner Karte durch 
eine gerade Linie genau den Cours an, unter welchem wir von Java 
abjegelten. Da fich die Anzahl Meilen, welche wir in der Stunde 
zurüdlegten, ziemlich genau berechnen ließ, fo wurden biefelben auf der 
gezogenen Linie mittelft eined Maapftabes und Zirfeld eingetragen; 
machten wir eine Wendung weſtlich oder öftlih, fo wurbe fogleich dieſe 
neue Cours⸗Linie unter dem abweichenden Winfel eingetragen, und 
auf diefe Weiſe erblidten wir Morgens den 22. zwar nicht die Süp- 
weſt⸗Spitze, aber die Suüdküſte von Borneo, und mußten nun einen 
ganzen Tag damit zubringen, weftlich Hinzufteuern, un den Fehler wie- 
der gut zu machen. 

Ich muß hier einer Naturerfcheinung erwähnen, welche für mich 
neu war und die ich auf meiner Rüdreife von Java auch beobachtete. 
Nachdem wir Java fehon eine Tagereife Hinter und hatten, erblicte 
ich des Abends und ebenſo noch die folgende Nacht ein ftarfes Wet- 
terleuchten über den Gipfeln der höchften Berge des Landes; daſſelbe 
Schaufpiel gewährten die Berge der CalimatasInfeln, als wir uns 
näherten, und Si⸗Kaſſim erzählte mir, Daß dies Jahr aus Jahr ein 
alle Nächte zu fehen wäre, jo daß fie jchon immer einige Tage vors 
ber, ehe fie Java zu Geficht befämen, an dieſen Bligen fehr gut die 
Richtung der Höchften Punkte von Java erfennen fönnten. 

Ausgenommen den Umftand, daß wir, wenn irgend der Himmel 
trübe ausfah, des Abends vorfichtiger Weiſe Anker warfen und fo drei 
verfchledene Nüchte nutzlos an der Küfte zubrachten, fließ uns nichts 
Erhebliche8 zu, und wir rubten endlid den 29. September auf der 
Rhede von Pontianaf, vor der Kapuas Mündung, von unferen 2ors 
beeren aus. 

So wenig der ganze Theil der Weitlüfte, langes welcher wir hin⸗ 
gefegelt waren, einen erfreulichen Anblid gewährte, indem mur an eis 
nigen wenigen Punkten einige Gebirge fichtbar hervortraten, und wir 
eigentlich nur einen ununterbrochenen ſchwarzen Küftenftrich zu Geficht 
befamen, eben fo wenig wurde und hier eine Abwechfelung zu Theil. 

Bontianak felbft liegt 3 geogr. Meilen den Kapuas aufwärts; 
einige wenige malalifche Dörfer, welche am Meeresſtrande zerftreut lies 


348 D. von Keffel: 


gen und zu Pontianaf gehören, erfennt man mit Mühe mit bloßem 
Auge, und nur mit einiger Anftrengung bemerkt man die dazu gehö- 
rigen Balmbäume. Wir waren nämlich 3 engliſche Meilen von der 
Küfte entfernt. Ein kleines Boot war fogleich bei unferer Ankunft 
abgegangen, um das Eintreffen des Schiffes in Pontianaf zu melden. 
Der Erfolg hiernon war, daß den 30. ein größeres Regierungsboot 
erfchien, in welchem ich mich mit meinem Gepäd zur Weiterreife an⸗ 
ſchicke. Die Mündung des Kapuas ift durch mehrere Heine Inſeln 
geſchloſſen, zwiſchen welchen wir mit Hilfe der eben anfommenden 
Fluth fehnel dahinfuhren. Die Reife von der Mündung bis Pontia- 
naf gewährte einen eben fo einförmigen Anblid, als ich bereits auf 
der Fahrt längs der Küfte gehabt hatte Die Ufer zu beiden Seiten 
des Fluffes werden mit der Fluth unter Waffer gefegt, find Daher 
moraftig und nicht bewohnt; nur 1 oder 2 malaiifche Häufer bemerft 
man an einigen Stellen, wo das Ufer zufällig höher ift, unter Diefen 
Batuslajang unterhalb PBontianaf, den alten Begräbnißplap der Fürs 
ftenfamilte daſelbſt. — Einige Familien Naasaffen und Meerkagen ges 
ben der oͤden Gegend etwas Leben. Nach einer vierſtündigen Fahrt 
langten wir endlich am Ziel unferer Reife an. 

Sch befand mich nun auf Grund und Boden von Borneo; che 
ich aber zur Befchreibung von Pontianaf und zur Weiterreife in's Ins 
nere übergehe, halte ich es für dienlich, einen allgemeinen Weberblid 
des Landes vorauszufchiden. 

Borneo enthält befanntlich einen Klächenraum von etwa 10000 OM., 
zu welcher anfehnlichen Größe die geringe Bevölferung von 23 Millior 
nen nicht im Verhältniß ſteht. Obfchon an den Küften, namentlid) im 
Weften und Norden, das Land abgeflacht erfcheint, jo find diefe Ebes 
nen doch nur ſchmal, und ſchon wenige Meilen von der See beginnt 
fih das Terrain allmälig zu erheben und bildet über die ganze Inſel 
ein umunterbrochenes Gebirgsland. Haben vulcanifche Erhebungen ftatt- 
ftattgefunden, fo waren deren Wirkungen im Verhältniß zu denen auf den 
benachbarten Infeln Sumatra und Java nur ſchwach, und fanden wahr: 
ſcheinlich Hier almälig ftatt. Die ganze Gebirgsformation hat einen fanfs 
ten und mehr zufammenhängenden Charakter, ald auf den erſtgenann⸗ 
ten Infeln. Ein wellenförmiges Terrain, welches gewöhnlich 1000, ſel⸗ 
ten 3000 Buß erreicht, bedeckt die ganze Anfel; dazwiſchen fteht, beinahe 


Heife von Sumatra nad) Pontianak auf Borneo. 349 


regelmäßig vertheilt, eine große Anzahl ifolirter Kegelberge, von welchen 
allerdings 20 bis 30 eine anfehnlichere Höhe von 4 bis 6000 Fuß 
erreihen. Noch thätige Vulcane findet man nicht; dagegen Spuren 
von Lava und eine geringe Anzahl warmer Quellen im Innern. 

Die Bewäflerung des Landes ftcht im Verhältniß zur Gebirgs⸗ 
formation und ift außerordentlich veih. Die 3 Hauptftröme des Lan- 
des entfpringen im Mittelpunkt, wahrfcheinfich dem Höchften Theil der 
Infel; hier concentriren fich mehrere hohe Berge in einer Art Gebirgs⸗ 
Inoten, welche aber von den benachbarten dajaPfchen Stämmen mit ver- 
fhiedenen Namen benannt werden, indem die öftlichen Bewohner hierin 
von den weftlichen, und diefe von den nördlichen und füdlichen abwei- 
hen. Es fcheint mir daher zwedinäßig die Namen beizubehalten, welche 
bie entfernter wohnenden Malaien und Dajafer für dieſelben haben, 
namfih Gunong UlusKapuas, ©. N. Kotte und ©. U. Banjar, wört- 
lid Berg Der Quclle des Kapuas, Katte und Banjar. So heißen 
bie Ströme, welche die 3 großen Handelsſtraßen Borneo's bilden, ver: 
mittelft welcher die Mulaien Elfen, Tabad, grobe Stoffe, Salz, Kup- 
ferdraht, rohes chinefifches Gefchirr u. ſ. w. auf zahlreichen Fahrzeu⸗ 
gen in's Innere führen. 

Ih kenne feine andere große Infel, in weldhe man vermittelft 
ſolcher ſchöͤner Waflerftraßen von drei Seiten bis beinahe in den Mit: 
telpunft des Landes eindringen kann. In der Mitte der Inſel ent- 
frringend, vertheilen fie ihren Lauf beinahe concentriſch, der Katte 
nah Often, der Banjar nach Suͤden und der Kapuas nach Weften. 
Im Jahre 1848 fuhr das erfte holändifche Dampfboot den Kapuas 
bis Rangasbunut aufwirts, d. h. eine direrte Entfernung von unges 
führe 50 geographifchen Meilen von der Küfte, aber man kann noch 
10 Meilen weiter eindringen. In gleichem Maaß wird dies von Suͤ⸗ 
den und Often möglich fein. Diefe Entvedung fängt an ungemein be- 
deutend zu werden, ſeit ermittelt ift, welche reiche und ſchoͤne Stein- 
fohlenlager die Inſel befigt und feit der oftindifche Archipelagus durch 
die anfangende Dampfichifffahrt ein neues Leben erhält. 

Bis jebt hat nur ein europäifcher Fuß jenes Gebirge betreten, 
we die drei Ströme ihren Urfprung haben; ich meine den Major Mül- 
ler, welcher durch Verrätherei der Malaien von Katte, nicht der Da- 
iafer, in den zwanziger Jahren fein Leben dabei verlor. Ich werde die 








350 D. von Keifel: 


Umftände feines Todes fpäter mittheilen. Ich felbft wäre jedenfalls in 
jene Gegend vorgedrungen, indem ich nur 10 Tagereifen davon ents 
fernt war, wenn nicht mein Gefunpheitözuftand in dieſem Zeitraume 
mich daran gehindert hätte Ich Mitt ſchon feit 8 Monaten an dem 
Borneo’fchen Milzfieber und war fo abgemattet, daß ich unmöglid) eine 
Fußreife von 10 Tagen und zurüd auf ungebahnten Wegen unternchs 
men Fonnte. Die Aufgabe bleibt fo immer noch zu löfen, und er⸗ 
icheint mir doppelt intereffant, weil ich in jenem gaͤnzlich unbefannten 
Landestheil, etwa 3000 UM. einfchließend, reiche, edle Metalllager ver: 
muthe. Die Bewohner jener Gegend find entweber wilde Nomaden 
oder einige aderbautreibende freie Dajafer; beide Theile bejigen 
feine Senntniß vom Goldſuchen. Malaien und Chineſen haben fich 
dorthin nie gewagt; der übrige Theil der Injel Hingegen ift beinahe 
hinlänglich befannt, und wird, was Gold anbelangt, ftarf ausgebeus 
tet; nur ift die Art und Weile, wie Malaien und Chincfen hierbei 
verfahren, indem fie nur die Oberfläche der Erde einige Buß tief be 
arbeiten, nicht geeignet wirkliche Goldadern zu entveden. Man fann 
wörtlich jagen, daß jobald man den Fuß auf den Grund von Bor 
neo feßt, man auf Golderde ſtehe; fo allgemein verbreitet ift dieſes 
Metall über die ganze Infel. Im Nordweiten des Landes in Sums 
bas, Landak und Sekajam werden fchone und große Diamanten ges 
funden, ebenfo im Südoften der Infel; im Inneren hat man nicht ges 
nug Sachkenntniß, um den Diamantboden zu erfennen, und es ifl 
ſehr wahrfcheinlich, daß auch in den übrigen Lündern, ald Gintang, 
Nangabunut, Melavie u. |. w., fich diefelben vorfinden. — Antimon 
kommt in mehreren ſehr reichhaltigen Lagern und fo günftig an Flüſ—⸗ 
fen gelegen vor, daß der Transport nur mit wenig Mühe verbunden 
it. Ich Halte es für wahrfcheinlih, daß man nicht weit zu fuchen 
nöthig hätte, um in diefer Gegend auch Eilber zu finden, da befannt- 
lih Antimon meift damit Hand in Hand geht. Jedenfalls fteht es 
feſt, daß in feiner Beziehung hierin etwas gefchehen if, und obſchon 
ih die Regierung von dem Dafein der reichen Antimonlager in 
Kenntmiß fegte, find dieſelben bis jegt unbeachtet geblieben. Dagegen 
wurden die Steinfohlenminen, welche ich am oberen Kapuas zu ent: 
deden das Glüd Hatte, bald darauf eröffnet und bearbeitet. 

Was nun eine Reife in jene unbefannten Theile der Infel an- 


Heife von Sumatra nad) Pontianaf auf Vorneo. 351 


belangt, fo erfcheint folche mehr gefahrvoll, als fie es wirklich ift. 
Jedoch muß diejelbe allerdings von Jemand unternommen werden, der 
gewöhnt iſt mit malaiifchen Völkern umzugehen und fich gefchieft von 
den SIntriguen der mualalifchen Fürſten loozumachen weiß und deren 
vorgefpiegelte Einflüffe entbehren Fanı. Bon Norden aus find zwei 
Wege; entweder über Batangslupar in den Flug Ambalauw, diefen 
abwärts bie in den Kapuas und weiter bis zum dajafffchen Stumm 
Taman. Mit Hilfe diefed Stammes ift es am leichteften, die Weis 
terreife von 20 bis 30 Meilen zu machen, da derſelbe in Handelöver- 
bindungen mit jenen Volkoſtaͤmmen ftehet, und cr fich auch mir zur Be: 
gleitung erboten hatte. Sowohl der Fluß Ambalauw, als die Strede 
von deſſen Mündung in den Kapuas bis Taman ſind freie, dajak'ſche 
Länder, der Reiſende bleibt alfo außer aller Beziehung mit den ma- 
laüifchen Yürften am Kapuas. Der zweite, vielleicht noch bequemere 
Weg wäre von Brunei aus den Fluß Radjan aufwärts bis an feine 
Suelle, die ebenfalls aus jener Gebirgsmaſſe entipringt. Sollte 
die niederländijche Regierung jemals noch den Verfuch machen wol- 
len, fo rathe ich vermittelt der Dajacker von Taman dies zu be: 
werfftelligen und, wo möglich, alle Bermittelung der malalifchen Fürs 
fen, namentlich aber derer von Pontianaf, zu umgehen. 

Ich behaupte und glaube mit Recht, daß Bornco bis jest nicht 
begriffen und erfannt worden ift, und daß, wenn die geringe Bevölferung 
des Landes die niederländische Regierung abgeſchredt hat, große Ausga- 
ben zur Occupirung der ganzen Inſel zu machen, fie die Hilfsquellen 
ded Landes wahrlich nicht genug kennt. Diefe Neffourcen müſſen 
aber durch menschliche Kräfte bereitet und geerntet werden! Woher nun 
diefe Kräfte nehmen? denn die Bevölferung ift zu gering gegen die Grüße 
des Landes. — Bon europäifchen Eoloniften? — große Chimäre! fie 
würden jehr bald dem Klima unterliegen. — Andere Kräfte jedoch lie 
gen dem Lande näher; dies find Chineſen. Bereits befinden fich ge: 
gen 100000 chinefifhe Coloniſten auf verſchiedenen Theilen der In: 
jel, auf Sambas, der Nordweſt-Spitze, 60 bis 70000. Holland 
fennt mehr, wie jeder andere Staat, den Werth der chinefifchen Arbeits: 
fräfte, den mächtigen Einfluß chinefijcher Induftrie und Cultur; — 
denn ohne Ehinefen wäre heut zu Tage Java noch nicht Java oder 
wenigftend Batavia nicht Batavia. Hat fi) diefer Einfluß mächtig in 





352 O. von Keifel: 


einem ber Arbeitskräfte nicht bebürftigen Lande gezeigt, welche Erfolge 
müßte man hiervon in Borneo erwarten? Man öffne Borneo den Chi⸗ 
nefen; man räume den muhamebanifch feindlichen Neid und die Herrſch⸗ 
fucht weg, und Borneo wird in 10 Jahren mehr ald Java aufbrin- 
gen. Oder habe ich Unrecht, wenn ich behaupte, daß eine Million chi⸗ 
nefifcher Eoloniften eben joviel arbeitet, als drei Millionen Malaien; 
- Daß die anfehnlichen Pacht- und Kopfgelder aller Art in demjelben 
Verhaͤltniß ſtehen, ift ja eine alte Erfahrung. 

Diefe Meberzeugung muß Jedem fich aufbringen, der die außer: 
gewöhnlichen Hilfsquellen des Landes kennt und einestheild die armen 
unterdrüdten, durch die malaiiſche Herrſchaft ausgefogenen Dajaker 
fieht, welche eben nicht mehr arbeiten, als die Außerfie Rothwendigfeit 
erforderte, weil ihre Unterdrüder ihnen dennoch das Mehr nehmen würs 
den, anderntheils die trägen, vorurtheilsvollen Malaien, welche nur 
vom Schweiß der Dajaker leben und Alles Haffen was nicht Muha⸗ 
medaner ift. 

In diefe Wildniß der Trägheit und Barbarei wagt fich die indi- 
fche Ameife, der Chinefe; in furzer Zeit ift da, wo er fich niederläßt, 
die Wildnig verfchwunden, gebahnte Wege durchziehen das Land in 
allen Richtungen, Märkte, unbekannte Dinge auf Borneo, entftchen; 
fie üben unter einander eine gute Polizei. Dieſes Bild fehen wir eben 
in Sambas. Die in der Nähe wohnenden Dajafer fangen an, die 
hinefifche Reiscultur nachzuahmen und nach Gold zu fucdhen, und ein 
größerer Wohlſtand entfteht unter ihnen, aber mit ihm zugleich der 
malaiifche Neid; denn fie fagen: jetzt Haben wir wohl gelernt, aber die 
ergiebigften Goldquellen find in Händen der Chinejen, wir Fönnten 
fie allein befigen! Malaiiſche Schlauheit und Eiferfucht fchürt das 
Feuer an, da die Chinefen ihnen bereitd zu zahlreich find und deren 
Einflug auf die Dajafer die malaiifche Herrfchaft gänzlich umzuwer⸗ 
fen droht. Die Chinefen felbft in ihrem gewöhnlichen Uebermuth ges 
ben Beranlaffung zur Unzufriedenheit; einestheils erlauben fie fich ein- 
zelne Willfürlichfeiten gegen die Dajafer, anderntheild wollen fie bie 
niederländifche Regierung nicht als directe Oberherrin anerfennen. Die 
Malaien fehürten fo viel wie möglih, und fo entftand die niederlän- 
diſche Kriegserpedition von 1850 gegen die Ehinefen von Sambas, wo⸗ 
durch diefelben unterworfen wurden und Gefandte nach Batavia fchidten. 


Reife von Sumatra nad) Pontianak auf Borneo. 853 


Ob diefe Erpedition politifch gut, ob zu frühzeitig, will ich dahin geftellt 
fein laffen; jedenfall aber wünfchte ich, daß jeder Theil von Borneo 
in furzer Zeit, wie Sambas, mit Ehinefen gefüllt würde; aus der 
Aſche von einigen Zwiften und Kriegen, würde ein neuer Phönix ent- 
ftehen, welcher vielleicht bald geringfchäßend auf feinen Bruder in Java 
bliden dürfte. 

Man fönnte mir erwidern, daß die Chinefen auch in Sambas 
fih al8 ein aufrührerifches Volk beweiſen, und daß ftetd Revolutionen zu 
dämpfen fein würden. Diefe Entgegnung wäre fcheinbar richtig; ich will 
aber verfuchen, durch überwiegende Gründe biefelbe zu widerlegen. Sch 
nehme zu diefem Zwed die drei großen Ströme: den Kapuas, Banjar 
und Kotte wieder auf. If ed nämlich wahr, daß ein Land, welches 
drei folche bedeutende Waflerftraßen befigt, vermitteljt welcher man von 
drei verfchiedenen Seiten bis in den Mittelpunkt der Infel dringen kann, 
außerordentlich leicht zu vecupiren ift, daß man aljo jeden Augenblid, 
mittelft Dampffchiffen, Truppen von Java, Eelebed und Palembang 
ind Innere werfen kann, und befinden fich endlich heut zu Tage alle 
großen malalifchen Dörfer am Ufer der großen Ströme, fo müßte dies 
auch in Zufunft mit den chinefischen Hauptplägen der Fall fein. Denn 
fo wie die genannten malalifchen Dörfer in der Gewalt jedes Dam⸗ 
pferd mit 6 Kanonen und 50 Mann find, welcher den Fluß aufwärts 
geht, würde dies auch mit den chinefifchen Orten der Fall fein. 

Zwei feindliche Barteien befinden ſich gegenwärtig in Borneo, die 
Malaien und Dajafer. Lehte erwarten mit Sehnſucht europaifche 
Hülfe, um Ihr Joch abfchütteln zu können, und fehen mit täglich fich 
mehrendem Verlangen nad) Serawack auf den befannten englijchen 
Gouverneur auf der Nordküſte Borneos, Herrn Broof. Wenn die 
niederländifche Regierung fie zu lange warten lafien follte, Fönnten fie 
leicht zu ungeduldig werden. Durch die Anfteblung der Ehinefen würs 
den nicht zwei, fondern drei fich nie vereinigende Volksſtämme da fein; 
und die Regierung weiß ja aus Erfahrung, daß ein ſolches Land leicht 
im Zaum zu halten ift, indem man ſtets zwei Verbündete gegen einen 
Feind hat. 

Die chinefifche Kriegführung Ift übrigens jämmerlicher Art. Stets 
find auf Borneo 1000 Ehinefen von 200 Malaien geichlagen \wors 
den, wenn es hin und wieder zu Thätlichfeiten kam. 

Zeitfchr. f. allg. Erdkunde. Br. T. 23 


354 O. von Keſſel: 


Ale dieſe Vortheile find ſehr einleuchtend. Der größte ſcheint 
mir aber der, daß man eben mit verhaͤltnißmaͤßig ſehr geringen mili⸗ 
tatrifchen Kräften und alfo auch mit wenig Koften ein ſolches Land 
occupiren Fann. 

Diamanten und Gold, Antimon und Eifen, vortrefflidhe Stein: 
fohlen, Foftbare, theilweife noch unbekannte, Pracht: und Farbehölzer, 
Gutta=percha nebft den durch die bauenden Eoloniften erzeugten Pro— 
duften, namentlih Zuder, Pfeffer, Indigo, zu welchen lebten Cultu⸗ 
ren das Land fich namentlich eignet, würden auf den großen Wafler: 
fragen nach den Küften gefendet werden, während die Mehrconjum- 
tion von einigen Millionen Chinefen den Abſatz von europaijchen 
Waaren um da zehnfache vermehren dürfte; denn die jehige Einfuhr 
fann bei der großen Armuth der Bevölferung unmöglich hoch veran⸗ 
fchlagt werben. 

Wenn man hierzu die außerordentlich vortheilhafte geographifche 
Lage der Inſel betrachtet, zwifchen Malaffa, Sumatra, Java, Eelebes, 
in der Nähe von China, indem diefelbe der Fünftige Verbindungspunft 
zwifchen Auftralien und Aften werden dürfte, fo möchte man jegt ſchon 
entftehen ſehen, was vieleicht der Zufunft bewahrt iſt; denn früher oder 
fpäter wird Borneo doch eine chinefifche Colonie werden. Schade, wenn 
dies dann erft der Ball wäre, wenn bereits die englifche und nieberlän- 
difche Herrfchaft in jenem Theil der Erde aufgehört Haben wird, und 
amerifanifcher Einfluß und Macht oder ein junges auftralifches Reich 
die Herrſchaft übernommen hätte. 

Zwei europäifche Mächte, England und Holland, theilen in dieſem 
Augenblid Die Intereffien Borneo's. Die niederländifche Beſitznahme 
ift von altem Datum, erftredt ſich aber eigentlich nur auf die Küften, 
und die malaiifchen Fürſten im Innern find fehr entfernt, fich ale 
Vaſallen zu betrachten, obfchon Hin und wieder Verträge gefchloffen 
worden find. Die freien dajakfchen Länder aber, ein Gebiet von circa 
3000 Duadratmeilen, find durchaus unabhängig, und weder malais 
iſchen Fürften, noch der nicderländifchen oder englifchen "Regierung 
unterworfen. Was nun die Erwerbung der Küftenreiche anbelangt, 
jo gewann Holland mit der Eroberung von Java zugleich die Weſt⸗ 
füfte; fowie durch die dem Sultan von Banjarmaffing gefeiftete Hülfe die 
Süpfüfte und vermittelft der mit Dem Sultan von Kott& eingegangenen 





Reiſe von Sumatra nad Pontianak auf Borneo. 355 


Verträge die Oftfüfe von Borneo in neuerer Zeit. Die Beſetzung 
dieſes langen, ausgedehnten Küftenftrichs ift fehr gering, und beträgt 
nicht mehr ald A50 Mann, weldhe in Sambas, Pontianaf, Kottarins 
gin, Banjarmaffing, Kott& ꝛc., ald den Hauptplägen, vertheilt find. 
Zugleich befindet ſich in allen diefen Plägen eine Civilbehoͤrde, welche 
die Handelsintere fjen wahrnimmt, und der Ausübung der polizeilichen 
Ordnung vorfteht. 

Die Früchte, welche Holland bis jegt von dieſer ausgedehnten 
Befitung gepflüdt Hat, find fehr gering gewefen, und deckten faum bie 
Koften ver Befahung und Aominiftration. 

Die Befisnahme der Rordfüfte von Borneo durch die Engländer 
fand erft im Jahre 1840 ftatt. Diefer Landſtrich war von jeher der 
Sig malalifcher Seeräuber geweſen, welche allerlei Unfug trieben, und 
dem Handel fehr läftig wurden. Da erfchien der jchige Gouverneur 
James Brook mit englifhen Streitkräften, verfolgte die Seeräuber bis 
in ihre Raubnefter, zerftörte viefelben und nahm von dem Lande Beſitz. 

Eine wohlthätige DVerwandelung in der Landeöverfaffung und 
Abſchaffung zahllofer Mißbraͤuche waren die fegensreichen Früchte feis 
nes Erfcheinens, indem er der willführlichen Herrfchaft der Malaien 
ein Ende machte, und die bis dahin tief unterbrüdten Dajafer von 
einem ſchweren Joch befreite. — Der Name Broof fchallte durch 
Borneo wie ein langgezogenes Echo von Mund zu Mund, und alle 
dajafichen Herzen, bis tief in das niederländifche Gebiet hinein, fingen 
an zu Hoffen, daß ver Tag der Befreiung auch für fie anbrechen 
würde. Möchte auch unter nieberländiicher Flagge ihnen diefer Segen 
bald zu Theil werben! 

Was nun das Näuberweien auf Borneo anbelangt, jo bedarf 
dies einer befonderen Auseinanderſetzung. 

Sowohl malaiifche, als dajaffche Räuber, namentlich die Bewohner 
der Nord» und Oftfüfte von Borneo, beunruhigten den ganzen Archi⸗ 
pelagus; Kleinere Handelsfahrzeuge fehwebten in fteter Furcht. Ueber⸗ 
wiltigten die Räuber ein Schiff, fo wurde alles, was weiße Haut 
hatte, niedergemacht, indifche Matrofen und Privatperfonen zu Sklaven 
gemacht und anderweitig verkauft. Bot fih auf dem Meere nicht 
genug Gelegenheit dar, fo landeten fie und raubten Menfchen; kurz 
ed war eine allgemeine Uinficherheit. Cinige größere Dörfer an den 

23 * 





356 D. von Keffel: 


Küften fchloffen Verträge mit ihmen, fauften den Raub und dienten 
ven Räubern zugleich ald Anhaltspunfte. Namentlich aber waren es 
die Malaien, welche weitere Züge, auch nach Java und entfernteren 
Snfeln unternahmen, indem fie mit größeren und befier ausgerüfteten 
Fahrzeugen, als die Dajafer, verfehen waren. Die dajakſchen Stämme 
von Seribas und Batangslupar hingegen wagten fich nicht fo weit, 
fondern fuhren auf ihren langen, aus einem Stamm verfertigten und 
mit 50 bis 60 Rudern bemannten Fahrzeugen pfeilfchnel längs den 
Küften dahin, und den erften beften Fluß aufwärts, überfielen des 
Nachts die an denſelben gelegenen Dörfer, fchlachteten alles ab, und 
fehrten mit den erbeuteten Köpfen ald Tropfen nach Haufe zurüd. 
Bei ihnen war ed weniger die Sudt nah Raub, als vielmehr 
Mordſucht. Gleichgültig, ob Frau, Kind oder Mann, fehlachteten fie 
ohne Feindfchaft, ohne Rachſucht, nur aus Blutdurft, und verſchwan⸗ 
den, wie ein biutiger Schatten, jedesmal ohne Spur. Die Malaien 
raubten nur Menfchen, um fie zu verkaufen, die Dajafer aber würgten 
ganze Ortſchaften und entvölferten ganze Gegenden. 

Dies Geſagte betrifft jedoch nur die dajaffchen Stämme von Seris 
bas und Batangslupar an der Nordküſte von Borneo, und obſchon alle 
Heidenftämme von Borneo fälfhlih Dajafer genannt werden, jo find 
die übrigen aderbautreibenden und friedlichen Bewohner durchaus nicht 
mit diefem allgemeinen Feind des Landes zu verwechfeln. 

Nachdem Herr Brook die malaiiſchen Raubnefter zerftört hatte, 
fuchte er die dajakſchen Mörder in ihren unmwegfamen Schlupfivinfeln 
auf. Es gelang ihm, fie einigemal derb zu züchtigen; die bewaldeten 
Gebirge ficherten aber ftetd ihren Ruͤckzug; dennoch hat dieſe Lection fie 
fehr eingefchüchtert, und man muß hoch anerkennen, daß Brook hier 
Sicherheit und Ruhe Hergeftellt Hat. Namentlich aber machen es die 
Dampffahrzeuge möglich, diefer Hydra vollends den Kopf abzufchlagen, 
wogegen eine DBerfolgung mit Segelfchiffen früher nie geglüdt war, 
da die mit vielen Rudern bemannten Räuberfahrzeuge entweder in 
eine Heine Flußmuͤndung einliefen und verſchwanden, oder gegen den 
Wind davonruderten. 

Doch nicht allein dieſe offenbaren Räuber verpefteten Borneo; 
eine andere, nicht fo offenfundige, aber eben fo fühlbare, Blage laftet 
auf der dajafjchen Bevölkerung; vies ift die malaiiſch⸗ muhamedaniſche 


Meife von Sumatra nach Pontianak auf Borneo. 357 


Herrfchaft, welche über die ganze Inſel verbreitet if. In dem Theil 
der Nordkuͤſte, wo jeßt die englijche Flagge weht, find diefe Mißbräuche 
abgefchafft; Brook Hat auch diefe ſchwierige Aufgabe zum Segen der 
dajafichen Bevölkerung gelöfl. Die Dajafer von Serawak und Sadong 
find jet frei; fie arbeiten nur noch für fich und nicht mehr für die Malaien; 
diefe hingegen find in die Nothwendigkeit verfegt worden, auch zu ar- 
beiten. Den Bliedern der fürftlihen malaüfchen Familien ftredte Herr 
Brook Feine Capitalien vor, mit welchen fie Handel treiben und gut 
beftehen. Auf diefe MWeife wurde Broof der Schugengel dieſes Theile 
von Borneo, und es iſt unglaublich, in wie wenigen Jahren fchon das 
Land zu blühen und zu gebeihen anfängt, während in dem nieberläns 
difchen Borneo die Bevölkerung fehnfüchtig nach Serawaf blidt, und 
ihre Lage eben darum täglich unerträglicher wird. 

Nach diefen befannten Thatfachen fieht man mit Verwunderung 
Sir James Broof vor dem Parlament von England angeflagt, daß 
er das Borneo verpeftende Raubgefinvel zu hart behandele. Man 
möchte beinahe an Verläumdungen geheimnißvollen Urfprungs glauben, 
an Berlaumbungen, welche von einem Feinde der großherzigen, die 
Völker aufflärenden, Politif Englands vielleicht erfonnen find, einem 
Sreunde jener ſchmutzigen Politik, welche unterworfene Völfer nur ale 
Laftthiere. betrachtet, ohne ihnen dafür als Entſchädigung das Pflicht: 
theil, Aufklärung und das Ehriftentfum zu bieten. Herr Broof befin- 
det fich in dieſem Augenblick wieder auf feinem Poften; er hat in acht 
Fahren für das Wohl von Borneo unendlich viel gethan und, nachdem er 
die leibliche Knechtſchaft gebrochen, wird er die geiftige Wohlfahrt durch 
Schulen und Miffionäre entwideln. — Welcher Eontraft, wenn man 
hierbei einen Blick auf die niederländifchen Colonien wirft, wo 250jäh- 
riger Befit nichts gefördert hat, ald Production von Kaffee und Zuder, 
und wo es ein Verbrechen wäre, eine Schule zu errichten. *) 

Ich Hatte bei meiner Ankunft in Pontianaf meine Wohnung im 
Hort bei dem Militair-Commandanten genommen, der hier mit zwei 


*) Ein Seitenſtück zu dieſer niederländifchen DVerfahrungsweife in Indien bot 
früher auch die im Caplande dar, wo ber fonft fo wohlwollende und anfgeflärte 
Gouverneur General Zanfens noch im Jahre 1804 ausprüdlich die Ertheilung von 
Lefes und Schreibunterricht an die Hottentoten, womit bie chriftlichen Miffionsftatio: 
nen, befonbers die Herrenhuter begonnen hatten, verbot. Cine ähnliche Politik befolg: 
ten ſchon die alten Incas in den eroberten Landſchafien Peru's, wo es nur Schulen 


358 D. von Keffel: 


anderen Offizieren die SO Mann ftarfe Befagung commandirte. Das 
Hort ift ein Erdwerk, eine einfache Redoute mit zwei Baftionen, und 
einem mit Wafler und Zugbrüde verfehenen Graben, einer hölzernen 
Kaferne, hölzernem PBulvermagazin und drei zu dem Kleinen Raum im 
Verhaͤltniß fichenden Offzienvohnungen. — Die Wohnungen des aus 
dem AffiftentsRefidenten und vier Unter⸗Beamten beftehenven Civil» Pers 
ſonals lagen zwanzig Schritt vom Fort am Ufer des Fluſſes; zweihundert 
Schritt ſtromaufwaͤrts durch einen guten Weg mit dem niederländifchen 
Etablifjement in Verbindung, befindet fich der chinefifche Stadttheil, etwa 
100 Häufer begreifend. Ihm gegenüber das eigentliche Bontianaf, vielleicht 
aus As bis 500 malalifchen und bugifchen Häufern beftehend, auf der 
Halbinfel, welche der Hier mündenve Fluß Landaf mit dem Kapuas bildet. 
Die Lage ift ſehr malerifch, und gleich im Vordergrund erfcheint die Höl- 
zerne Mofchee und ber ebenfalls hölzerne Dalem, d.h. Serail, Woh—⸗ 
nung des Sultans, Das ganze Bild ift belebt durch einen raftlofen Ber: 
fehr malalifcher und chineſiſcher Kähne und Handelöfahrzeuge. 

Der Kapuas ift bei Bontianaf zwifchen As und 500 Schritt breit. 
An beiden Ufern deſſelben, circa eine halbe deutfche Meile ſtromauf⸗ 
wärts, ziehen fich, abgefondert von dem eigentlichen Pontianaf, ununs 
terbrochen chineſiſche und malaiifche Häufer mit Gärten und Reisfeldern 
hin. Diefe ganze Landfchaft iſt jedoch verhältmißmäßig wenig bebaut, 
denn der undurchdringliche moraftige Urwald, welcher fih vom Fluß 
felten über 400 Schritt entfernt und parallel langes dem Strom fd) 
binzieht, umfchließt ven ganzen Landſtrich. Der Boden ift hier durch⸗ 
gehende flach und moraftig, und der Wald verhindert jede Ausficht 
auf die 15 bis 20 Meilen landeinwärts fich erhebenden Gebirge. 

Die geringe Reid-Eultur, welche ſich nur auf die ſchmalen, längs 
dem Strom fich Hinziehenden, Felder befchränft, fteht natürlich in feinem 
Berhältnig mit einer Bevölkerung von 12 bi8 15000 Seelen. Neun 
Zehntheile derfelben Ieben vom Handel, und es ift Reis aus dem In⸗ 
nern oder von Java, wovon Pontianak eriftirt. — Dagegen verfehen 
die landbautreibenden Ehinefen ven Markt mit Salat, Bohnen, Spinat, 


für die oberen Stände gab und bei ſchwerer Strafe verboten war, das gemeine Boll 
etwas zu lehren, damit es nicht übermäthig werbe und deu Staat erfchüttere. Dafs 
ſelbe geſchieht noch Heute in den norbamerifanifchen Sclavenflaaten. (9. Humbolbt’s 
Anfihten der Natur. 3. Ausg. II, 386.) ®. 


Reiſe von Sumatra nach Pontianaf auf Borneo. 359 


Kohl, jungen Erbfen und mehreren andern indifchen Gemüfen. Ihr 
Fleiß verjchafft der Bevölferung von PBontianaf einen großen Genuß. 
Ebenfo befchäftigen fich die Chinefen mit Hühnerns, Enten» und Schweine: 
zucht. Dan genießt bier, wie auf den meiften Pläben des Archipela- 
gus, die duch chinefifchen Fleiß gelieferten Erquidungen, ohne über 
den großen Nutzen dieſes induftriellen Volkes weiter nachzudenken, und 
ich wiederhole, daß es unbegreiflich ift, daß die niederländifche Regie: 
rung, welche feit Jahrhunderten die Chineſen benugt und den unge- 
heuren Einfluß Tennt, welchen deren Eoloniften auf Handel, Landbau 
und Handwerfe in Java und Sumatra ausgeübt haben, Feine beſſere 
Anwendung von chinefifchen Coloniſten zu machen weiß. Aber Das 
iſt ed nicht allein. Im Gegentheil werden die auf Sambas, PBontianaf, 
Banjarsmaffin anfüßigen Ehinefen ſogar ftiefmütterlich behandelt und 
von der Regierung zurüdgefeßt, während man den ohnmächtigen und 
ungerechten malaiiſchen Fürſten förmlich den Hof macht, und aus lau- 
ter Artigkeit und Rejpeft ihren täglichen Ungerechtigfeiten durch die Zin- 
ger fieht. Wäre dieſe Politif gut und zwedmäßig, fo fünnte man 
höchſtens dazu jchweigen. So aber ift fie im Gegentheil die unzweck⸗ 
mäßigfte, die Holland je ausübte, die aufgewärmte alte javanijche Po⸗ 
fitif, welche man auf Länder anwendet, deren Zuftand man bie jet 
nur halb verftanden bat. 

Ich machte einen Befuch im chinefifchen, unter dem Namen Kam⸗ 
pong-@hina befannten, Stabitheil. Die 100 bis 120 hößernen Heinen 
Häuschen, bildeten eine 3: bis 400 Schritt lange Straße. Beinahe 
alle Häufer waren Waaren- und Berfaufslager und gehörten den 
Fürften und einigen reichen Malaien von Pontianaf, welche diefelben 
auf dem an die nieberländifche Regierung gehörenden Grund und Boden 
aufbauten und nun zu übertrieben hohen Preifen an die Ehinefen vers 
miethen. Diefer unverzeihliche Sehlgriff der Regierung Hatte nur zur 
Folge, daß fümmtliche chinefifche Kaufleute blutarm waren, und bie 
meiften nur von einem Tage zum andern lebten; während, wenn die 
Regierung einen Vorſchuß von 100,000 Gulden nicht gefcheut und 
die Gebäude ſelbſt aufgebaut und zu mäßigen Preifen an die Ehinefen 
überlafien hätte, dies Capital in zehn Jahren zurüdgezahlt worden 
wäre, und Bontianaf wäre vielleicht jegt fehon zweimal fo blühend und 
groß; ein folches Verfahren hätte mehr chineflfche Anſiedler uach Pon⸗ 





360 D. von Keffel: 


tianaf gebracht. Ein anderer, fehr wichtiger, Nachtheil war der Ein- 
fluß, welchen die Fürften hierdurch auf die chinefifche Bevölferung aus⸗ 
übten, bie in ihrem Hauptlebensbedarf von ihnen abhängig wurde. 
Diefen Einfluß auf die Bevölferung zu gewinnen, was das unabläfs 
fige Streben der niederlindifchen Regierung hätte fein müflen, ließ 
man in unverantwortlich Furzfichtiger Weiſe fid nehmen. Der Kehler 
wurde aber im Jahre 1847 fchreiend groß. Der ganze dhineftjche 
Stabttheil brannte total ab, und jetzt, wo ſich die Gelegenheit fand, 
den Fehler gut zu machen, wollte e8 das Unglüd, daß der Refident 
eine Reife ins Innere unternommen hatte; der Commis, Hear O., 
welcher während dieſer Zeit leider fein Stellvertreter war, hatte fo 
große Eile, daß, troßdem der Nefivent täglich zurüderwartet wurde, 
er den Fürften unbegreiflicher Weile den Aufbau wieder bewilligte. — 
Als der Refivent einige Tage nachher zurüdfam, war der Fehler ges 
fhehen, und für lange Jahre dafür geforgt, daß Pontianaf in Schmuß 
bleibt und fich nicht Heben kann. 

Seitdem die Gerichtsbarkeit von Pontianaf in die Hände der 
niederländifchen Regierung übergegangen war, erwartete man mit Recht, 
daß die MWillführlichfeiten und offenbaren Raibereien, wodurch bis das 
hin die Herren von Pontianaf fih wie alle übrigen malaüifchen Fürs 
ften auf Borneo, einen Ruf gegründet hatten, aufhören würden. Dies 
geihah denn auch großentheild; die Megierungsbeanten haben es am 
beften Willen nicht fehlen laſſen. Daß es bis jegt nicht ganz gelun- 
gen ift, hat mehrere durch die Beamten nicht zu befeitigende Urſachen. 

Die fürftliche Yamilie von Pontianak ftammt von einem angefe 
henen arabifchen Gefchlechte ab. Bor circa 100 Jahren erfchienen 
diefelben als Eeeräuber und zugleich als Anfievler auf Pontianaf. 
Der damalige Sultan, malatifcher Abftammung, nahm fie gut auf und 
trat ihnen ein Stud Land ab. Die ungebetenen Gäfte machten fich 
jedoch bald zu Herren des Landes, und vertrieben die angeflammte 
Fürftenfamiliee Der jehige Sultan ift ein Enfel jenes Ufurpatorg, 
ein Greis von 70 Jahren, allgemein geachtet und verehrt wegen feis 
ner Rechtlichfeit und Brömmigfeit. Ihm ift nichts Boͤſes nachzufagen, 
und außerdem ift er jeßt fo alt und lebensmüde, daß er fih um wenig 
oder nichts mehr befümmert. Dagegen hat ex einen Anhang von Vers 
wandten, namentlich aber drei jüngere Brüder, welche ehrgeizig, habs 





Heife von Sumatra nad) Pontianak auf Borneo. 361 


fühtig und intrigant find, und deren Einfluß der niederlaͤndiſchen Re⸗ 
gierung ſehr fehadfich entgegenwirft. — Der Sultan fowohl, ale 
feine Brüder, beziehen anfehnliche Gehalte von der Regierung, welche 
fie für ihre früheren Einfünfte mehr als entichädigen. — Bis jebt 
haben fie mit vielem Gluͤck einen Schein von Souverainität bewahrt, 
welche fie gar nicht befigen, und der Bevölferung von Pontianak find 
ganz verfehrte Ideen über das Verhältniß der nieberländifchen Regie 
rung eingeimpft worden. — Es ift unglaublih, und dennoch wahr, 
daß die Bevölferung der Meinung ift, die niederländifche Regierung 
zahle an den "Sultan eine Abgabe (assal), fo daß fie eigentlich Va⸗ 
fallin des Sultans fei. Auf diefe Weife fucht man das Gehalt, wel 
ches die fürftliche Familie als Entfchädigung erhält, zu deuten. Bei 
der großen Lauheit, welche die Regierung bis jegt in allen Angelegens 
heiten Borneos gezeigt hat, und bei den außerordentlichen, den Yürften 
erwiefenen Ehrenbezeugungen, findet das vollen Glauben, und entfrem- 
det natürlich die Bevölkerung der niederländifchen Autorität. Der Ein- 
Huß, welchen die Regierung im Innern des Landes zu erlangen fuchte, 
litt auf diefelbe Weiſe Schiffbruch, weil die Yürften von Pontianak 
ſtets als Vermittler und Unterhändler gebraucht wurden. Ich will hier 
eine kurze Schilderung der Brüder des Sultans beifügen, welche bie 
Sache etwas anfchaulicher machen wird. 

Bangheran Bhandara Ift der Ältere der Brüder; ein dicker Herr 
zwiſchen 50 und 55 Jahren, welcher von einer chinefifchen Mutter ab- 
Rammt und deshalb auch wahrfcheinlich wenig arabifche Züge in feiner 
Phnfiognomie hat. Da er von allen Brüdern den Lurus am meiften 
liebte, fo fehlte ihm gewöhnlich Geld, und die Mittel, fich welches zu 
verichaffen, haben in der legten Zeit fehr abgenommen. Die Gebulb 
der niederländifchen Regierung hat in dieſer Hinficht bereit harte 
Proben beftanden; Gleiches war mit zahlreichen Privaten von Pon⸗ 
ttanaf der Fall. Namentlicd) wurde das Haupt der Ehinefen Ho-Tu- 
han durch ihm beinahe ruinirt. In der Hoffnung durch den vorge 
fpiegelten Einfluß von Pangheran Bhandara einträgliche Pachten von 
der Regierung zu erhalten, hatte er nach und nad 20,000 Gulden 
hergegeben. Noch vor 15 Jahren war der Handel zwifchen Bontianaf 
und Cochinchina und einigen andern Plaͤtzen des Archipelagus ziemlich 
lebhaft; die zahlreichen Geſchenke, welche der Pangheran fich jedoch 





362 O. von Keffel: 


von jedem Schiffe ausbat, machten, daß diefe nach und nach wegblie- 
ben. Bon der Regierung wurde er Jahre lang als Unterhändler, in 
allen Miffionen an die Fürſten im Innern gebraucht, und er bat die 
Rolle des Bocks ald Gärtner meifterhaft gefpielt. Der Regierung 
ftellte er fi) als den Mann vor, welcher allein Einfluß bei den Yür= 
fien im Innern habe, und bei den legten war er der Alleinige, der 
das volle Vertrauen der Regierung befaß, in defien Hand Krieg und 
Frieden lag. Der Regierung fchilderte er die Berhältnifie im Innern 
fchwierig und geheimnißvoll, die Friegerifche Stimmung vorherrfchenn. — 
Den geängftigten malaiifchen Yürften im Innern, welche duch die 
offene Lage ihrer armfeligen Dörfer am Ufer eines großen Stromes, 
fi jedem Schooner auf Gnade und Ungnade ergeben mußten, fagte 
er: Kinder! gebt Geld, und ich werde bei der Regierung ein gutes 
Wort für euch reden, aber macht nichts ohne mich, fonft feid ihr ver- 
loren. Diefe Taͤuſchungen führte er zwanzig Jahre gefhidt durch. 
Wollte ich die zahlreichen einzelnen Thatſachen hier niederjchreiben, 
welche man fich von ihm erzählt, wo er die nieberländifche Regierung 
noch feindfeliger dupirte, jo würden einige Bogen nicht ausreichen; für 
diejenigen, welche die Geſchichte Borneos in den legten zwanzig Jah—⸗ 
ren genauer fennen, erinnere ich nur an die Beſehung Sintangs im 
Innen und an den Anfall ver Chinefen von Sambas auf das Fort 
von Pontianaf; anderer Dinge nicht zu gedenfen. Es gab nur zwei 
Wege, welche die Regierung einfchlagen fonnte, entweder mußte der Pan⸗ 
gheran fo reichlich bezahlt werden, daß er feine angeborenen diploma⸗ 
tifchen Talente zum wirklichen Bortheil der niederländischen Regierung 
verwendet hätte, oder noch befier, ex mußte ohne Weiteres nach Su⸗ 
matra oder Java geſchickt werden, um nicht wieder zu kommen. 

Ein zweiter Bruder des Sultans, deſſen Namen ich nicht weiß, 
weil er unter dem allgemeinen Titel Jakſa bekannt if, iſt die eigent- 
liche Pforte der Gerechtigkeit in Pontianat, wodurch vie Benölferung 
erft an den niederlaͤndiſchen Refiventen gelangt. Er ift angefellter 
Gerichtöfchreiber (Jakſa), und, wenn man bevenft, wie die malalifche 
und chinefiihe Bevölferung durch den Einfluß der Fürften und Araber 
abgeſchloſſen und über die wahre Gewalt der niederlaͤndiſchen Regic- 
zung abfichtlich getäufcht wird, fo wird man begreifen, daß Niemand 
ben Muth hat, den Jakſa zu umgehen, und biefer fchaltet dann mit 


Meife von Sumatra nach Pontianaf auf Borneo. 363 


den etwanigen Klagen nach feinem Belieben, d. 8. er rapportirt an den 
Reſidenten, was er will, Namentlich aber fteht er in dem Ruf, daß 
man fehr fühlbare Gründe, es fei in Goldſtaub oder Dollars bei fich 
tragen muß, um feine Aufmerffamfeit zu erregen. Die acht bis zehn 
in blau mit gelb gefleiveten malalifchen Polizeidiener des Reſidenten 
fehen dergleichen gewichtige Gründe eben fo gern, und auf diefe Weiſe 
fommt dann gewöhnlich wenig zur Kenntniß und Yinterfuchung des 
Refiventen. Ich erinnere mich mehrerer Faͤlle, wo ſehr bedeutende 
Diebftähle bei Chinefen verübt wurden, und wo ich felbft fragte, warum 
Hagt ihe nit? — „Weil wir wiflen, daß und dies nichts Hilft, war 
die Antwort.” Auf diefe Weife fommen nur große, Auffehen verbrei- 
tende Verbrechen, ald Mord ıc. bisweilen zur gerichtlichen Entfcheidung. 
Andere Verbrechen, wie Diebftähle und bisweilen arge Mißhandlung 
von Leibeigenen, werden ignorirt. Diefe Diebftähle und Räubereien 
find aber fo frech und alltäglich geworden, daß die Bevölferung, na⸗ 
mentlich die chinefifche, außerordentlich hierbei leidet; ich jelbft bin wäh- 
rend eined Aufenthalts von einigen Monaten vier oder fünf Male 
beftohlen worben. 

Höchft fonderbarer Weife find es die Diener und Leibeigenen der 
Fürften, welche bekanntermaßen die privilegirten und alleinigen Diebe 
find. Das Verhaͤltniß ift folgendes: Auf ganz Borneo eriftirt ein 
eigenthümliches Verhaͤltniß von Dienftdarkeit. WIN jemand ald Diener 
fi) engagiren, fo leiht er eine Summe Gelb von 10 bis 100 Gulden, 
fo lange er die geliehene Summe nicht zuruͤckgezahlt hat, bleibt er, fo 
zu fagen, als Pfand im Haufe, und muß arbeiten, wofür er Effen 
und Kleidung erhält. Gefällt ihm fein Schuldherr nicht, fo geht er 
zu einem andern und leiht eine zweite Summe, womit er die erfte be- 
zahlt, und er tritt num in des zweiten Herrn Dienfte, und fo weis 
tee. Diefe Leute heißen orang=ber-utang *). Jeder etwas wohl 
babende Einwohner von Pontianak befigt einen oder mehrere dieſer 
Schuldner, und jeder der Fürften zwanzig bis vierzig, der Sultan viel: 
leicht hundert. Diefe Leute machen es denn leicht, ein zahlreiches Ges 
folge bei öffentlichen Gelegenheiten zu zeigen, und eine Art Schein; 
pomp zu fehaffen. Da diefelben aber Fein Gehalt beziehen, und, was 
Effen und Kleidung anbelangt, nur dann erhalten, wenn ihre Arbeit 


— — 


*) Schuldner, wörtlich verſchuldeter Mann. v. K. 








364 D. von Keſſel: 


gefordert wird, fie wihrend der vacanten Zeit aber angewieſen find, fich 
felbft zu ernähren, fo hat fih Hierdurch eine Diebsbande der frech⸗ 
ſten Art von einigen hundert Köpfen gebildet; befonders find es die 
Diener des Jakſa felbft, welche der Ruf als befonders freche Diebe 
bezeichnet. An und für fi find alle Drang ber⸗ utang mit wenig Aus- 
nahme aus feiner guten Schule hervorgegangen. Meiſt Spieler und 
Opiumraucher nehmen fie endlich, gegwungen zum Arbeiten, unter oben- 
genannten Berpflichtungen eine Summe Geld auf, gehen auch haufig mit 
der Schuld durch; diejenigen aber, welche feine Luft zum Arbeiten haben, 
treten in den Dienft der Kürften, und nühren ſich aldvann mit Stehlen. 
Ein dritter Bruder, ebenfalld eine angefehene Perfönlichkeit, ift 
Pangheran Muda, ein Kleines Männchen. Er ift die herumwandelnde 
Zeitung von PBontianaf, unterhält einen lebhaften Briefmechjel mit Ba⸗ 
tavia und weiß in Folge deſſen alle Reue aus erſter Hand. Ob «8 
nun ein gefchidted Manöver von ihm oder Dummheit des Publikums 
if, daß er in dem Ruf fleht, geheime Rapporte an die Regierung in 
Batavia abzufchiden, weiß ich nicht; ich glaube beides. Gewiſſer if 
ed, daß anfjehnliche Leute den Pangheran Muda für fehr gefährlich 
hielten und ihm flarf den Hof machten. Er ſelbſt fpielte ſehr den 
Anfpruchslofen, kam alle Wochen einmal nah dem Hort zu Fuß 
mit einem oder zwei Dienern, erzählte alles Reue von Batavia, aß 
etwas Rafberry mit Torte, welche die Haushälterin des Commandan⸗ 
ten befonder gut verfertigte, ging bierauf zum Commis, hörte und 
erzählte und zulegt noch zum Refiventen. Die andern Tage machte cr 
unter demfelben Manöver Befuche bei den angefehenften Ehinefen. 
Ich erhielt eine officiele Einladung vom Refidenten, mich bei Ge 
legenheit, ich weiß nicht, welchen Feſtes, einer Staatsvifite anzufchließen, 
woran alle Beamte und Offgiere Theil nehmen mußten. Wir fuhren 
um 7 Uhr Morgens in zwei Kähnen hinüber nach der Landzunge, wo 
das fogenannte Palais ded Sultans dicht am Ufer flieht. Es if ein 
umfangreiches, aber fehr objeur ausfehendes, ſchmutziges Gebaͤude. Wir 
wurden durch Ehrenfchüfle aus einigen alten Geſchuͤtzen begrüßt. Bom 
Ufer, wo wir ausfliegen, bis nad) dem Thor des Gebäudes, eine Ent: 
fernung von ungefähr 100 Schritt, war die Garde des Sultans zu 
beiden Seiten in Spalier aufgeftellt. Hätte ich Gelegenheit und Zeit 
gehabt, fo würde ich eine Sfigge entworfen haben, fo würdig ſah die 





Reife von Sumatra nach Pontianat auf Borned. 365 


ſelbe aus. Es waren nämlich fämmtliche bereits befchriebene Orang 
bersutang oder Vagabonden an diefem Tage entboten. Sie hatten 
alte verwitterte Uniformen aus dem vorigen Jahrhundert, desgleichen 
Tzakos, wahrfcheinlich beide Stüde auf einer Auction in Batavia aufs 
gefauft; einige befaßen Patrontafchen und Gewehre, andere nur Ge- 
wehre. Als wir durch die Reihen bingingen, wurde das Gewehr 
präfentirt, und hierbei bemerkte man denn, daß bei einigen Gewehren 
die Schlöffer fehlten, bei anderen mit Bindfaden angebunden waren. — 
La garde ne se rend pas, elle meurt, elle meurt, flüfterte mir 
der Commandant zu. — Der Zwed dieſes Poſſenſpiels war nichts 
anderes, ald daß, da die Regierung eine Befapung von 80 Mann im 
Hort hat, der Sultan durch eine noch zahlreichere Machtentfaltung in 
den Augen der Bevölkerung nicht nachftehen wollte. 

Wir wurden in ein großes Gemach geführt, deſſen ſchwarze hoͤl⸗ 
zerne Wände alles Schmudes entbehrten. Hier war eine lange Tafel 
zu circa 60 Gedecken fervirt. Der alte ehrwürdige Sultan, feine naͤch⸗ 
fen Verwandten, nebft den angefehenften Arabern, Malaien und Bus 
gied von Pontianaf empfingen und. Wir nahmen nach der firengften 
Rangordnung Platz; der Reſident zur Rechten des Sultans, der Com⸗ 
mandant zur Linfen, hierauf die Beamten und Offiziere, genau nad 
ihrem Dienftalter und Rang; ein fehr peinliches Manöver. Unſer 
Fruühſtück war ſchon vor unferer Ankunft fervirt, und beftand aus 20 
bis 30 Schüffeln allerlei malaiifchen und chinefifhen Backwerks. Leb- 
tes verfaufen die Chinefen zu geringem Preis tüglich auf dem Markt, 
erftes wird in den malaitfchen Familien felbft angefertigt, und iſt ge 
wöhnlich ein Gemifch von Reismehl, Kofusnußmilh und Zuder in 
Kokusoͤl gebaden, in verfchiedenen Formen und Arten. — WIN man 
die Sache aber fehr fein machen, fo nimmt man anftatt Del fogenannte 
arabifche Butter (minjah sappi). Was dieſes minjah sappi eigents 
li ift, ob Rindstalg oder eine Art Butter, ift mir nie Har geivorben; 
es bildet einen arabifchen Handelsartifel und wird ziemlich viel einges 
führt. Es hat aber einen abfcheulichen Geruch und Gefchmad, unges 
führ, wie altes übelriechendes Rindstalg. Außer dieſem koͤſtlichen 
Ambrofia war das berühmte Getränk aus Taufend und einer Nacht, 
Sorbet, aufgetragen. Mir kam es vor, wie ein Brechmittel; es beftand 
namlich aus nichts anderm, als Zuderwaffer mit Zimmet und Gewuͤrz⸗ 





366 D. von Keffel: 


nägeln abgefocht. Hiermit wurben denn verſchiedene Gefundheiten ges 
trunfen, und der Refivent und einige Honoratioren hielten Anreden 
Der Commandant und der Nefivent waren die erbittertfien Feinde, wie 
dies in allen kleineren Garnifonen, und Etablifiementd beinahe ohne 
Ausnahme der Zal if. Welche Wirkung hätte hier ein Glas englifch 
BortersBier *) hervorgebracht; — beide wären fi) gewiß verfühnend 
in die Arme gejunfen, wenn unter diefer Bedingung es zu erlangen 
gewefen wäre. 

Daß ganze Eeremoniell dauerte übrigens zum Glüd nur funfzehn 
Minuten. Aber hiermit war erft ein Viertel der Folter überftanden. 
Wir ruderten, nachdem wir unter Trommelwirbel, Präfentiren von Ge 
wehren ohne Schlöffer, Buffen der Yeuerfchlünde wieder in die Schas 
luppen gelangt waren, zu meinem gejchilderten Freunde PBangheran 
Bhandara. Ihm zum Rubme fei es nachgefagt; hätte er gekonnt, wie 
er wollte, er hätte uns nicht nur PortersBier, fondern auch Cham⸗ 
pagner vorgefebt, und gewiß tapfer mitgetrunfen, aber dies wäre ein 
zu arger öffentlicher Verftoß gegen den Koran geweien. — Es gab 
alfo wieder Backwerk und wieder Sorbet; auch befanden ſich hierbei 
einige fchöne europäifche Torten. Auch der Sorbet war durch Zufab 
von Banifle und Roſen⸗Eſſenz etwas erträglicher gemacht — kurz 
Pangheran Bhandara zeigte fi) hier ald Gentleman, wie überhaupt 
feine ganze Einrichtung gefchmadvoller und glänzender war; das Tafel 
Service beftand zum großen Theil aus Silber. Dabei wußte der 
Bangheran einen fo gemüthlichen Ton anzunehmen, und machte auf 
jo joviale Weife die Honneurs, erzählte Anecvoten, daß jeder, der Reis 
nide den Fuchs nicht gelefen Hatte, ihm wirklich lieb gewinnen mußte. 
Die Hauptüberrafchung beftand aber in einer Tafel-Mufif, und zwar 
von einer Geſellſchaft Malaien ausgeführt, welche der Lurus liebende 
Pangheran nad) Batavia geſchickt Hatte, wo diefelben eine Anzahl Gas 
lops, Walzer, Mazurefd und Duadrillen, ohne jede Rotenfenntniß, 
nad) dem Gehör recht fertig fpielen gelemt hatten. Diefe Heine Ca⸗ 


*) GEnglifhes Bier wird in Indien fehr viel getrunfen, und man confumirt 
davon mehr, ale man im europäifchen Clima vertragen könnte. Gleiches iR in 
Weſtindien der Fall, da das Malz fih zur Belebung der europäifchen, durch bas 
tropifhe Clima fehr herabgeſtimmten Ratur fehr heilſam erwieſen bat. 


Reiſe von Sumatra nach Pontianak auf Borneo. 367 


pelle beitand aus zehn bis zwölf Perſonen, und bewies ein den Ma- 
laien angeborenes Talent für Muſik. — Nachdem wir auch bei Pan- 
gheran Muda und der fühlenden Gerechtigkeit, dem Jakſa, unfere 
Aufwartung gemacht — famen wir ermattet und zerfnirfcht wieder in 
unfern Wohnungen an. Ich berechnete, daß jährlich acht: bis zehnmal 
ſolcher Bifiten zu machen find, welche jedesmal mindeftens zu vier Glas 
Sorbet auf den Betheiligten veranfchlagt, in Summa eine Eonfumtion 
von vierzig Gläfern jährlich im Dienft der Regierung ven Beamten aufs 
erlegt, ein den Magen, und fomit das Gemüth fehr herabftimmendes, 
Mittel. Ohne Sfrupel fönnte man jedem Offizier und Beamten eine 
eigene Zulage bewilligen, mit dem Zweck fich jedesmal von dem ausge: 
ftandenen Webelfein wieder furiren zu laſſen. 
D. von Keffel. 


Anmerkung zu ©. 333: &6 foll heißen orang «utan und nicht orang=ntang. 
Ulan Heißt Wald und utang Schuld, daher orangsutan Waldmenſch, während orang- 
utang Schulpner bedeutet. v. K. 

Anmerkung zu ©. 352. Die von den Dajakern und Malaien in Borneo ange: 
wendete Reis-Cultur ift die trodene, fogenannte Laddang, welche nur wenig Ertrag 
liefert. Zur Anwendung der naflen (Sawa) gehöret eigentlich Zugvich, welches auf 
Borneo fi nicht befindet. Dagegen haben die Ghinefen eine Methode, mittelft wel: 
her fie au ohne Vieh eine nafie Eultur bewerfftelligen. Wäre es möglich, dieſe 
Methode in ganz Borneo einzuführen, fo würde die Hungersnoth, welche jetzt jühr- 
lich in verfchiedenen Gegenden herrſcht, aufhören. v. K 





368 A. und H. Schlagintweit: 


Bericht über die Befteigung des Monte-Rofa im 
Sahre 1851 und über die Höhenmeflung 
feiner Gipfel. 


(Hierzu Taf. VII.) 


1. Befteigung der Höchſten Spite des Monte-Rofa, 
4640 M. = 14284 P. 8. 

Die erften Verſuche zur Befteigung des Monte-Roja wurden 
von der Südfeite aus gemacht. Die Herren Vincent, Zumftein und 
von Welden u. f. w. gelangten damals auf die Vincentpiramyde, 
Ludwigshöhe und Zumfteinfpige. Die Höchfte Spitze fonnte von ber 
Südſeite bis jegt nicht erreicht werden. Theils verhinderte dieſes ihre 
große Entfernung von den bewohnten Orten, aber noch mehr die Schwie: 
rigfeiten, welche das Terrain zwifchen der Zumfteinfpige nnd der Höd- 
ſten Spige entgegenftellte. 

Bon der Wallifer Seite, von Zermatt aus, machten 1847 die 
Herren Orbinaire und Puiſeux aus Befangon den erften Verſuch. Sie 
gelangten bis auf die Einfattlung zwifchen dem Nordende und der 
Höchften Spitze, 346’ unter der letzten. Diefelbe Stelle erreichten 
auch im Jahre 1848 Herr Ulrih und 1849 die Herren Ulrich und 
Gottlieb Studer *), deren fehöne Arbeiten über die Topographie und 
Geographie der Wallifer Alpen allgemein befannt find. Im Jahre 1848 
find ihre Führer Maduz und Mathias zum Taugwald von dem Sat- 
tel bis zur Spige hinaufgeftiegen, nämlich auf jene gegen Often gele 
gene Erhöhung des Felſenkammes; es ift diefes derſelbe Punkt, wel⸗ 
hen auch wir beftiegen haben. Es fei uns geftattet beizufügen, daß 
wir bei unferen Beobachtungen auf diefem Gipfel Gelegenheit hatten, 
die erfte barometrifche Mefjung deſſelben auszuführen. 

Wir verließen Zermatt am Morgen des 21. Auguft. 1851. Der erſte 
Tag wurde nur dazu verwendet, auf einen hohen Punkt zu gelangen, 


— — — — — 


*) Der Bericht über dieſe Unternehmungen befindet ſich in dem intereſſanten 
Buche von Ulrih: Die Seitenthäler des Wallis, 1850. 


SA. 


Zeitschrift für allgemeine Erdkunde BaI, Taf. 
= nie 











# Leto 
Kontmset 
—— 


——— 











— - 
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— 1 —— 

N SPITZE, 

Fe 

so 











NORDLICH| sÜDLICHER ZWEIG. 
Fordende —* 
Höchste Spitze kur he | . 
Aumsteinspntxe —— Atelere Richtung, 
Signalkuppe m | Süden 20’Bheten 
kepyramide 





Anti ar D Reimer ' Lim Ansıv.L-Krantain Berlin 


Bericht über die Beſteigung des Monte» Mofa. 869 


wo wir die Nacht zubringen fonnten, um fo viel als möglich ven Weg 
des folgenden Tages abzufürzen. 

Wir Hatten unfer Nachtlager „In den Gadmen“ bei 2753 M. 
—= 84755. Man findet dort einige Heine Mauern von Gefteinstrüms- 
mern in der Nähe einer natürlichen Höhlung der Felſen errichtet, welche 
nur wenig Schutz gewährten; wir hätten daher fafl ebenfo gut unſer 
Nachtlager am Fuße der Felſen „Ob dem See” auf dem entgegenge- 
feuten Ufer des Gletſchers nehmen können; aber der erfle Plag, ders 
felbe, welchen auch die Herren Ulrich und G. Studer benüßten, hatte 
den Bortheil, noch einige Kleine Gefträuche von Wachholder zur Uns 
terhaltung des Feuers zu bieten. 

Der Weg von Zermatt nad) den Gadmen, auf welchem man nicht 
der geringften Schwierigfeit begegnet, Tann leicht in einem halben Tage 
jurüdgelegt werden; wie langten daher fehr frühzeitig dort an. Es 
erlaubte ung dieſer Umftand, wie wir gehofft hatten, mehrere der Vers 
fuche zu wiederholen, welche wir am folgenden Tage auf dem Montes 
Roſa anzuftellen beabfichtigten, fowie die nöthigen Inftrumente in Orb- 
nung zu bringen. 

Den 22. flanden wir um 3 Uhr des Morgens auf; die Kälte 
hatte uns während der Nacht weniger beläftigt, als wir gefürchtet hats 
ten, obgleich der Himmel ſehr rein und die Strahlung fehr lebhaft war, 
Der Thermometrograph war nur auf — 3,80 C. berabgegangen, was 
auch noch die Lufttemperatur um 3 Uhr war. 

Wir brachen vor A Uhr auf, um zuerft den rechten Zufluß des 
Gorner⸗Gletſchers zu überfchreiten, welcher gwoifchen dem Weißthore 
und dem Nordende herablömmt; wir begannen erft ziemlich nahe dem 
anderen fer, etwas oberhalb der Belfen Ob dem See, flärfer anzu⸗ 
Reigen. 

Der Weg, welcher auch auf unferer Karte angegeben ift, richt 
fich zwifchen den Abhängen des Nordendes und zwifchen einem Heinen 
fecundairen Kamme hindurch, welcher mehr durch die Unebenheiten des 
ſchneebedeckten Bodens und Durch zerftreute hervorſtehende Helfen, ale 
durch eine ununterbrochene Yelfenlinie gebildet wird; diefer Heine Kamm 
iſt zuerft fichtbar unterhalb des Rordendes. 

Man kann in dem Terrain, welches wir zu überſchreiten hatten, 
mehrere Abſtufungen unterſcheiden, welche in Beziehung auf die Ober⸗ 

Beitſchr. f. allg. Erdkunde. Be. I. 2A 


370 A. und H. Schlagintweit: 


flächengeftaltung ziemlich abweichend find. Die erſte wirb durch Schnee 
abhänge von einer ziemlich gleihmäßigen Neigung gebilvet, jedoch viele 
Stellen find fehr zerfpaltn. Da wir diefe Stellen fehr frühe des 
Morgens erreicht Hatten, fo waren die Spalten haufig mit feſtgefror⸗ 
nen Schneelagen bevedt, welche den Uebergang erleichterten. 

In dem zweiten Theile des Weges begegnet man einer großen 
Zahl von Eisfragmenten von rubifcher und pyramidaler Geſtalt; fie 
find die Nefte von Firnbruͤchen, welche zuweilen von jenen fecundairen 
Eis⸗ und Schneemaffen herabftürzen, die auf den fleilen Abhaͤngen des 
Nordendes ruhen. Die Größe dieſer Fragmente verzögerte etwas bie 
Schnelligkeit des Anfteigens; es iſt dies ber einzige Plab, wo man 
Lawinen fürchten Fönnte. Die Spalten, welche natürliche Durchichnitte 
der Schneeanhäufungen gewähren, zeigten, daß auch ihre innere 
Structur fehr unregelmäßig war. Die ganze Maffe ſchien aus 2a 
winenreften zufammengefeßt zu fein, ähnlich jenen, welche man an ber 
Oberfläche beobachtete; nur waren bie Trümmer im Innern Heiner, for 
wohl wegen ihres theilweifen Abſchmelzens, als auch wegen des Druckes 
der darüber laftenden Maflen. 

Indem wir unfern Weg fortfebten, trafen wir fehr große Unre⸗ 
gelmäßigfeiten des Bodens, ungefähr entfprechend jenem Bunte, an 
dem man den Heinen fecundairen Kamm üiberfchreitet, weldher ſich von 
hier gegen das Nordende hinaufzieht. Die Felſen find von den Schnew 
lagen übervedt, aber die leßten find In Folge davon fehr unregelmd- 
fig geftaftet und bilden zuweilen fehr fteile Erhöhungen. 

Man gelangt fo in das Firnmeer jenes Zufluffes des Gorner⸗ 
Gletſchers, welcher zwiſchen dem Nordende und der Höchften Spike 
entfpringt und fpäter im Niveau des Gorner⸗Gletſchers endiget. Es 
ift der Zufluß No. IIT der den „Neuen Unterfuchungen * beigegebenen 
Karte des Monte-Rofa. 

Bis hieher, es war 9 Uhr Morgens, hatten wir unfere Beſtei⸗ 
gung ohne Unterbrechung fortfeßen koͤnnen; wir hatten uns nur dann 
von unferem Wege entfernt, wenn es uns möglich war, fchneefreie Fel⸗ 
fen in der Nähe zu erreichen, um von benfelben Handſtuͤcke mitzuneh⸗ 
men und um bort bie Richtung umd Neigung der Schichten zu be 
obadhten. 

Aber jeht mußten wir anhalten, um den Uebergang über einen 


Bericht Uber die Beſteigung des Monte» Mofa. 371 


breiten Firnſchrund zu finden. Einer unſerer Fuͤhrer *), welcher auf 
einer zu dünnen Schneedede fi vorwärts wagte, war fo eben durch 
gebrochen; obgleich er an einem Seile feftgebunden war, war er Doch 
etwas erſchreckt und befand fich felbft auf einige Augenblide nicht 
ganz wohl. 

Die Spalte zeigte fich weiter nach Weften weniger breit; wir 
überfchritten fle hier und waren um 10 Uhr auf die Heine Einfatt- 
lung zwiſchen dem Nordende und ber Höchften Spitze gelangt. Die 
fer Punkt bildet den Buß des Felſenkammes der Höchften Spite, er 
befindet fi) A528 M. = 13938 5. Über dem Meere. Die Spige er- 
hebt fich über diefen Sattel noch 346’; ihre Abhänge find fo fleil, 
daß der Schnee fih nur an einzelnen Punkten feftbalten Tann. Zus 
gleich werben die Wände von einem fehr quarzreichen und harten Glim⸗ 
merſchiefer gebilvet, der nur wenige Unebenheiten und hervorſpringende 
Punkte darbietet, welche die Befteigung erleichtern konnten. 

Der obere Theil dieſes fehmalen Kammes zeigt zwei Erhöhungen 
oder Heine Spitzen **). Diejenige (a der Karte) welche fich unmittelbar 
über dem Sattel befindet, ift in den oberen Theilen auf allen Sei⸗ 
ten von ungemein fteilen Wänden umgeben; bie zweite findet fich ein 
wenig weiter gegen Often; es ift die, welche wir erreichten **®). 

Wir brauchten faft zwei Stunden, um dieſe Höhe von etwas 
mehr als 300’ Heraufzufteigen. Wir waren öfters gegwungen bie duͤnne 
Eisfrufte mit unfern Hämmern von den Felfen zu entfernen, um einen 
feften Anhaltspunkt zu gewinnen; auch haben wir einigemale Meißel, 
die wir mit uns hatten, in Heine Zelfenfpalten eingefplagen, um uns 
an denſelben feſtzuhalten. 

Die Spitze, welche wir um 12 Uhr 10 Minuten erreichten, iſt 
ein fehr fchmaler Kamm, defien Wände in den oberen Theilen etwas 
weniger fteil auf der fühweftlichen Seite, als auf der Abdachung ges 
nen den Sattel find. 


=) Beter Innerbinner. 

=#) Pal. Tafel X der „Reuen Unterfuchungen“. 

““r) Wir waren Bier nur noch von zwei Führern begleitet. Hans Zofeph zum 
Taugwald, der ältere unferer Führer, ins Uebrigen ſehr rüftig, fühlte fi eiwas vom 
Schwindel ergriffen. Wir müfien hinzufügen, daß er uns fehr nüglich war, un beins 
Gerauffleigen vom Gorner⸗Gletſcher unfern Weg durch bie Spalten zu finden, deren 
Lage und Michtung er ſehr gut zu beurtheilem wußte. 





24° 


972 A. und H. Schlagintmweit: 


Die zweite Heine Erhöhung, welche wir früher erwähnt haben, 
befand fich in ganz geringer Entfernung von uns gegen Weſten; in 
dem wir von dem Sattel aus den Kamm und die zwei Erhöhungen 
auf demfelben betrachtet Hatten, fehlen e8 und, daß fie von gleicher 
Höhe ſeien; Daffelbe Hatten früher auch die beiden Führer Maduz und 
Zum Taugmwald Heren Ulrich berichtet; aber directe Meffungen, welche 
©. 66 unferer „Neuen Unterfuchungen ” mitgetheilt find, zeigten, daß 
die Kleine Spige a im Welten gelegen um 22’—= 7,1M. höher war 
als die Spitze 5, auf welcher wir und befanden. Ein paar Einzaf 
nungen des Kammes und bie allgemeine Steilfeit der Felſen verhin- 
derte uns, wie bereitö erwähnt, dis dorthin vorzugehen. 

Die Größe der Oberfläche unferer Spige befchränft fih auf we⸗ 
nige Quadratmeter wegen des fteilen Abfalles der Felſenwaͤnde nad 
allen Seiten. 

Um 12 Uhr 20 Minuten ftand 

das Barometer auf 438,18 M. M. 
das Thermometer im Schatten — 5,1°€. 
das befeuchtete Thermometer — 5,5° €. 


Obgleich das Thermometer — 5,1°€. zeigte und fpäter nur auf 
— A8E. ftieg, fo fonnten wir doch, da die Luft fehr ruhig war, 
länger, al8 eine halbe Stunde auf dem Gipfel verweilen; wir benuͤtz⸗ 
ten die wenigen freien Augenblide, welche und unfere Beobachtungen 
ließen, um das ausgebehnte Panorama zu betrachten, von dem wir 
umgeben wurden. 


Es reicht vom Apennin bis zu den Alpen des Berner Oberlan- 
des und Graubündtende. Es iR eine großartige Reihe von Ketten und 
Gipfeln, deren Anblid für die Geographie nnd Geologie von großem 
Intereſſe if. Einer der hervortretendſten Charaftere dieſes Ueberblickes 
ift die bedeutende und allgemeine Erhebung der Alpen auf der Norbs 
weſtſeite und die weit geringere Höhe jener Bergzüge, welche fich im 
Süden ded Monte-Rofa befinden. In dem erften Theile, nämlich 
auf der nördlichen Seite zeigen fich die großen Maflen des Mont 
Blanc, die Yelfennadel des Matterhorn, das Weißhorn u. f. w. Bis 
zu den Gipfeln des Berner Oberlandes dehnen fi in mannigfachen 
Formen fchneebebedte Kämme und Gipfel aus, während im Gegen 





Bericht über vie Beſteigung des Monte» Moja. 373 


theife in den fühlichen Gebirgsketten die dunkle Färbung der Alpen 
weiden und der Wälder vorherrfcht. 

Die Thäler, deren Sohle man überblidt, find nicht zahlreich; man 
fann nur das des Corner» Gletfchers und jenes von Marugnaga auf 
größere Erſtreckung verfolgen; die übrigen find faft durchgängig vers 
dedt; fie werden nur bemerkbar durch den leeren Raum, welchen die 
verfchiedenen Bergfetten zwifchen fich laffen. 

Das Thal von Macugnaga, unmittelbar am Fuße des fteilen Abs 
falled des Monte-Rofa gelegen, gewährt einen überrafchenden Anblid; 
man erkennt dort fehr gut die Häufer, Bäume und Eulturen. 

Die Ebenen von Piemont und der Lombardei überblidt man in 
großer Ausdehnung; aber, obgleich der Tag fehr rein war, fonnten 
wir doch faum einige der hervortretendſten Punkte unterfcheiden. 

Ehe wir die Spitze verließen, war der Stand der Inftrumente 
folgender (um 1 Uhr): 

Barometer 437, IIM.M. 
Thermometer — 48€. 
Befeucht. Thermom. — 5,2. 

Zum Herabgehen bevurften wir weniger Zeit, als zum Hmaufs 
fleigen, weil wir auf unfere früheren Schritte zurückkehrend, nicht nös 
thig Hatten, den einzufchlagenden Weg aufs Neue aufzufuchen. 

Bir gelangten auf den Sattel um 1 Uhr A5 Minuten, wo wir 
noch 24 Stunde zubrachten, um unfere Beobachtungen zu vervoll- 
fländigen. 

Unfere Führer fchlugen nun vor, einen anderen Weg zur Rüds 
fehr zu wählen. Die Sonne hatte feit 10 Uhr Morgens die zerfpals 
tenen Firnmaſſen befchienen, welche wir überfchritten Hatten, als fie 
noch durch die Kälte der Macht erhärtet und durch den Schatten des 
Nordendes gefchükt waren; es war zu fürchten, daß der erweichte 
Schnee den Uebergang über die großen Spalten fehr erfchweren möchte. 

Wir nahmen daher unfere Richtung gegen den Gorners©ee, in 
dem wir in der Mitte des Zufluffes No. III Herabgingen. Wir was 
ven während dieſes Weges fo glüdlih, auf einer Heinen Felſeninſel, 
welche einen Theil des Kammes „In der Schwärze” bildet, einige 
wenige phanerogamifche Pflanzen zu finden, bei einer Höhe von 3723 M. 
= 11462 P. F. 


374 A. und H. Schlagintmeit: 


Etwas unterhalb dieſes Platzes begegneten wir dem erften Hin- 
derniſſe; es war dieſes eine Terrafie, welche den Zufluß feiner gan⸗ 
zen Breite nach durchzog; fie zeigte einen jo ftellen und zerfpaltenen 
Abfall, daß wir während 14 Stunden uns anfcheinend vergeblich bes 
mübten, einen Weg über diefe Senfung hinab zu finden. 

Da die Zeit ſchon fehr vorgerüdt war, fo entjchlofien wir ums 
endlich durch eine Schlucht von gefrorenem und theilweife in Eis ver- 
wandeltem Schnee hinabzufteigen, welche eine Neigung von 60 — 62° 
hatte. Wir fließen zum Glüd auf Feine fehr bedeutende. Spalten, und 
famen mit Striden alle feft verbunden und ohne irgend einen Unfall 
über dieſe fchwierige Stelle hinab. 

Es war fchon merklich Dunfel, al8 wir nach 7 Uhr des Abends 
auf unferem früheren Nachtlager, auf dem rechten Ufer des Gletſchers, 
angelangt waren. Der Mangel an Lebensmitteln und an Holz ver- 
anlaßte und nach kurzer Ruhe unferen Weg noch bis zu den Alpen- 
hütten am Riffelberge fortzufegen, welche wir erft um 11 Uhr des Nachts 
erreichten. 

Wir waren während unferer Befteigung begleitet von Peter Taug⸗ 
walder auf dem Plab, Beter Innerbinner und Hans Joſeph zum 
Zaugwald. Wir waren mit denfelben in jeder Beziehung vollftändig 
zufrieden. 

Wir hatten Feinerlei Mebelbefinden empfunden, und die Heinen Un⸗ 
fülle zweier unferer Führer waren der Art, daß man fie nicht wohl 
der Verdünnung der Luft zufchreiben kann. 

Den folgenden Tag kehrten wir auf den Gorner⸗Gletſcher zus 
rüd, um feine Structure und feine Topographie zu unterfuchen und 
um die Zeichnung des MontesRoja auszuführen, welche firh auf Tas 
fel VI unf. Atlas befindet. Das Interefie diefer Befchäftigungen wurde für 
uns noch fehr erhöht durch die Erinnerung an alle Einzelnheiten, welche 
wir den vorhergehenden Tag ganz in der Nähe beobachtet Hatten. Es 
fei ung geftattet noch hinzuzufügen, dag wir ein lebhaftes Vergnügen 
empfanden, als wir mit dem Yernrohre die Spuren unferes Weges 
im Schnee wohlerhalten bis zum Gipfel verfolgen konnten *). 


—.- 





*) Wir bemerften (S. 371), daß die Neigung der Felſen ganz nahe ber 
Spige weniger fteil ift auf der Seite gegen bie Zumfleinfpige, als auf jener gegen 


Hödenmeflung ded Monte⸗MRoſa. 375 


2. Höhenmefjung der Gipfel des Monte-Rofa. 


Es iſt für die orographiſche Structur des Monte-Rofa fehr cha 
‚rafteriftifch, Daß derjelbe aus einer Reihe von neun Gipfeln befteht, 
welche in einem langen und fehr hohen Kamme vereinigt find; derſelbe 
ift vom Weißthor⸗Paß und vom Col Delle Piscie begrenzt *); feine 
mittlere Richtung geht von Norden nah Süden. 

Wir Haben verfucht, die neun Gipfel auf einer graphifchen Darftels 
lung im Maaßſtabe von 1:50000 zu vereinen (Taf. VID. Shre 
gegenfeitige Lage zunächft in Beziehung zur Höchften Spitze beftimmt, 
beruht groͤßtentheils auf den trigonometrifchen Arbeiten von Welden, 
mit denen wir einige kleinere Triangulationen verglichen, die wir felbft 
in den oberften Theilen der Firnmeere des Gorner-Gletfchers und 
des Lys⸗Gletſchers mit dem PBorchometer und mit einem Heinen Ber 
ticalfreife ausgeführt Hatten. 

Da die Lage des Col Delle Piscie nicht unmittelbar mit jener 
der Höchften Spige verbunden werben konnte, wurde fie zunächft auf 
die Bincents Pyramide bezogen. 

Die horizontale Entfernung vom Weißthore zum Col Delle Pis⸗ 
cite beträgt, mit der Richtung des Meridians fehr nahe zuſammenfal⸗ 
lend, 9 Kilometer; die Signals Kuppe entfernt ſich von diefer Linie um 
625 M. gegen Often, die Vincentpyramide um 700 M. gegen Weiten. 
Die Entfernung von der Profection des Nordendes bis zu jener ber 
Vincent⸗Pyramide beträgt 3880 M. Der Kamm felbft, welcher bie 


das Norbende; man könnte daher vorfchlagen, bis zu 30 oder 40 M. über ben Sat⸗ 
tel emporzufteigen und fi Hierauf gegen Weften zu wenden, um auf die entgegen- 
gefeßte Seite, auf die ſüdliche, zu gelangen; dieſes hätte, wie es uns fiheint, den 
Bortheil, direct auf die Erhöhung a zu führen. Die etwas fanfte Neigung nach ber 
Sübdfelte erftredt fi aber nicht über die ganze Abdachung; unmittelbar über dem 
Firnumeere, d. 5. am untern Theile, ift der Heine Kanım fehr fleil (Vgl. Tafel VII. 
Fig. 1); dies if wohl, wie auch Herr Zumſtein fand, das weſentlichſte Hinbers 
aiß, wenn man verſuchen wollte, von ber Sübfeite kommend, die Höchfte Spige zu 
erfleigen. 
=) Wie früher mitgeteilt wurde (Poggenborffs Ann. Bd. LXXXVI, ©. 583 
und 584) iſt das Weißthor, der höchfte Paß in den Alpen, 3618 M., 11138 P. F. Hoch. 
Der Col delle Biscie Liegt unmittelbar neben der Bincentgütte, deren Höhe 3162 M., 
9734 P. F. ik. Wir bewohnten diefe Heine Gütte vom 3. bie 16. September 1851. 


376 A. und H. Schlagintmweit: 


verfchiedenen Gipfel unter fich verbindet, ift um 900 M. länger als 
die gerablinige Entfernung auf dem Meridian. 

Das Profil auf Tafel VII zeigt die Höhenverhältniffe und die For⸗ 
men der neun Gipfel. Diefelben find hier auf eine Ebene projicirt, 
die mit dem Meridian parallel iſt. Diefe Linie fallt zugleich ſehr nahe 
mit der mittleren Richtung des Kammes zufammen. Den Formen der 
einzelnen Gipfel fiegen die Neigungsmeflungen zu Grunde, die wir für 
ihre Abhänge theild auf den Gipfeln felbft, theild von mehreren Punk⸗ 
ten zu beiden Seiten des Monte⸗Roſa gemacht haben *). 

Mehrere Gipfel waren fchon durch frühere trigonometrifche oder 
barometrifche Mefjungen beftimmt. Wir felbft haben mit dem Baro⸗ 
meter die zwei Päfle gemefjen, welche den Kamm begrenzen, und uns 
ter den Gipfeln die Vincent Pyramide und die Höchfte Spike. 

Wir werden zuerft das Detail der Beobachtungen für die Höchfte 
Spitze vorlegen und daran die Refultate anreihen, welche wir für die 
Erhebung der übrigen Gipfel erhalten haben. 


Höcfte Spitze des Monte⸗Roſa. 
Nörbl, Breite 45° 55'568”. Deftl. Länge Paris 5° 31'47”. 


1) Beobachtungen. Am 22. Aug. 1851. a. 12 Uhr 20’ p.m. b. 1 Uhr p.m. 






Mel. Höhe der corr. 
Stationen, 









43818 |—51|—-55| — | wo _ 
Monte Rofa | 45° 56’ 3 437.99 —48 _52| — 9— A 5708 
.. 161 )201411 — | —- Io eter 8570, 
Bern... | 46° 57 En 7160 | 2085| — | — | 69) 12.8. 17572 
Senf 46° 12 3 728,11 | 20,2 15,1 — 63 Meter 407,0 
._ b. 727,89| 20,27 | 164 | — | & 2.8. 1252.9 
‚6a. 569.98| 132 | — | ze | 58 eter 2473,0 
Gt Bernhard) 45° 50 8 569.991 133 | — | 28° | 58 B.$. 76130 
Hola a5e ga: || a 711,33| 23,2 | — | 68 | 46 |gMeter 614,0 
a b. 711,46) 3234| — | | 4 2. $. 1890.2 
vacı Ka. 750,58| 242 | 101 | — | 60 qer 147,1 
Mailand... | 45° 28' |) 750321 249 | 199 | — a 2. F. 4528 
oo ka 7923 273l — I — | eter 273.0 
Turin ... 45°4 Ir 738,07 274) — | —- |) |R.8. 8404 





— — 


*) Die ſpeciellen Zahlen dieſer Neigungsmeſſungen und eine Darſtellung bes 
Kanımes im Manfflabe von 1:25000 find in den Neuen Unterfuchungen u. f. w. 
TEL U Gap. TI angegeben. 


Höhenmeffung des Monte» Rofa. 877 


2) Refultate der Berechnungen. 





Erſte Beobachtung. a. 
un EU öæöô 


Zweite Beobachtung. b. 








Meier. Bor. Fuß. 
































Dem... 222er 4634,2 14266,4 
f............. 4610,1 14192,0 | 4617,8 142165,7 
Et. Bernhard . ....... 4620,1 14223,0 14239,3 
Aoſta............ 4647,5 | 14307,2 14336,5 
Mailand .. 2.222020. 4639,0 14280,8 14312,6 
E 1) 21 46659 | 14363,8 | 4670,1 14376,7 








4836,13 | 142722 | 4643,82 | 14205,8 
Mittel aus beiden Beobachtungen 4640 M., 14284 Bar. F., 23807 Zoifen. 


An diefen Refultaten der Berechnungen ift die obenerwähnte Lo⸗ 
caleorreetion von 4 22 P. F. ⸗ 71M. Breite angebradht *). Die 
geographifhen Pofitionen des Monte-Rofa find das Mittel der Bes 
fimmungen von Oriani, Carlini, Corabveuf und Welden. Für Bern 
und Turin, von denen wir feine Beobachtungen über die Feuchtigkeit 
an diefem Tage hatten, wurde biefelbe = 57 angenommen, was das 
Mittel von den vier anderen Stationen ifl. 

Die Höhe diefes Gipfels war zu wiederholten Malen trigonomes 
triſch beſtimmt worden, naͤmlich von Sauſſure, Orlani, Garlini und 
Plana, Coraboeuf, v. Welden und Berchtold. 

Delctos hat (Ann. météor. de la France 3. Jahrg.) ein Mit-- 
tel aus fämmtlichen trigonometrifchen Beobachtungen abgeleitet und das 
für 4639,6 M. erhalten *). 

Die Refultate unferer barometrifchen Beitimmungen flimmen dem- 
nach ungemein gut mit dem trigonometrifchen Mittel überein. Wir 
dürfen dieſes günftige Verhältnig wohl dem Umftande zufchreiben, daß 
mehrere Tage vorher ein fehr gleihmäßiges Wetter geherrfcht Hatte, 
und daß unfere correfpondirenden Stationen den Monte-Rofa nach 
allen Seiten und in fehr verfchievenen Höhen umgaben. Die größten 


=) Bol. die Details der Berechnungen in Poggendorff’s Ann. Bd. LXXXVI, 
S. 615 — 621. 

“e) Sauſſure erhielt 2430 Toifen = 4736 M. Diefe Zahl, welche offenbar zu 
God iR, wurde nicht in das oben angeführte trigonometrifhe Mittel aufgenommen. 
Die Höhe, weldye Domherr Berchtold fand, ift 4637 M. Gie war, als Herr Dels 
cros fein Mittel berechnete, noch nicht veröffentlicht, würde jedoch daſſelbe uicht um 
einen Meter ändern. 


378 9. und H. Schlagintweit: Höhenmeifung des Monte» Mofa. 


Abweichungen von dem mittleren Refultate, welche die Berechnungen 
nach den einzelnen Stationen zeigen, beitragen = 30 M. 

Man erhält demnach für die Höhe des Monte-Rofa, welcher 
nach dem Mont⸗Blanc der hoͤchſte Bunft der Alpen if, im Mittel 
aus den trigonometrifchen und barometrifchen Meflungen 

4640 M. 14284 Par.5. 2380,7 Toifen. 

Die Barometerbeobachtungen auf dem Gipfel der Vincent⸗Pira⸗ 

myde wurden am 12. Septb. 1 Uhr p. m. ausgeführt; wir fanden 
Das Barometer auf O rebucirt 459,80 M.M. 


Die Temperatur der Luft — 5,0°€. 
Das befeuchtete Thermometer — 5,7°€. 
Die velative Feuchtigkeit 83 


Die Refultate der Berechnungen nad den einzelnen correſpondi⸗ 
renden Stationen ergaben folgende Höhen: 


Meter. Par. F. Meter. Bar. F. 
Vincenthuͤtte A229,6 130205 Aoſta 42423 130603 
Genf 42222 129979 Mailand 4220,11 12991,1 


St. Bernhard 4205,6 12946,8 Zurin 42242 130038 
Mittel 4224 M. 13003 Par. F. 2167,2 Toifen. 

Wir Haben noch in der folgenden Tabelle die Refultate für bie 
übrigen Gipfel des MontesRofa zufammengeftelt. Diefe mittleren 
Werthe find theild aus den früheren Beflimmungen von Welden und 
Zumfein, theils aus einigen Winkeln abgeleitet, welche wir ſelbſt auf 
den Firnmeeren in der Nähe der Gipfel gemeflen haben. Wir wers 
den fpäter Gelegenheit haben, die näheren Erörterungen der verfchie 
denen Beobachtungen mitzutheilen. Die Gipfel folgen fih von Row 
den nad Süden. 


1. Nordende 4597 Meter 14153 Bar. F. 
2. EA Spitze 4640 » 14234 > 
3. Jumſteinſpitze 4569 » 14064 

4. Signalfuppe 4562 » 14044 +» 
5. Barrotipite A440 » 13668 = 
6. Ludwigshoͤhe 4337 » 13350 ⸗ 
7. Schwarzhorn 4295 s» 13220 ⸗ 
8. Balmenhorn 4245 s 13070 + 
9. Vincent: Piramyde 4224 » 13003 +» 


U. und &. Schlagintweit. 


— — — — — 


Skizze der orographifchen x. Berbältuiffe von Liv⸗ Eſth⸗ u. Kurland. 379 


Neuere Literatur. 


Skizze der orographifchen und hydrographiſchen Verhält- 
niffe von Lin», Eſth⸗ und Kurland, ein geographifcher Verfuch 
von Dr. 8. Rathlef, Oberlehrer am Gymnaflo zu Reval. Mit 
einer orographifchen Karte, einer hydrographiſchen Karte und neun 
Höhenprofilen. 8. VI u. 220 S. Meval, 1852. Berl. von Kluge 
und Stroͤhm. Preis 3 Thlr. 


Die richtige Erkenntniß der Bodennatur des germanifchen Tieflandes von 
ben Ufern des Niederrheins bis zur Weichfel ift in neuerer Zeit vorzugs⸗ 
weife durch die Vollendung großer Fartographifcher Arbeiten und durch ſchaͤ⸗ 
bare geognoftifche Forſchungen fehr mwefentlich gefördert und bie einfeitige An⸗ 
fiht, welche bei Vielen vor noch nicht langer Zeit mit der allgemeinen Be» 
zeichnung „Tiefland “ zufammenping, srfrenlich berichtigt worden. Auch für 
das große ofteuropäifche Gebiet jenſeits der Weichſel haben wichtige neuere 
Forſchungen laͤuternden Auffchluß gegeben; aber wie Bier die Natur felbft in 
großartigerem Maaßſtabe gearbeitet Bat, fo find auch die Anfichten über die 
felbe noch in fehr allgemeine weite Rahmen gefpannt, und wir befigen ver» 
Haltnigmäßig noch eine geringe Anzahl jener Detailbilner, welche das tiefere 
und eigentliche Verhaͤltniß der Natur zu erfchließen im Stanve find. Wenn 
nun auch die vorliegende Arbeit nur einen Eleinen Raum des weiten Oſteuro⸗ 
pa’8 zum Gegenftanve Bat, fo berührt fie doch einen feiner wichtigen und 
interefianteften Theile mit dem Beftreben nach gewifienhafter Grünplichfeit und 
füllt nicht allein redensartlich, ſondern in ver That eine Lüde in ver geogra- 
phifchen Literatur auf würbige Weiſe aus. 

Der Berf. leitet fein Wert ein durch die Anführung und Beiprechung 
der bisherigen Leiftungen auf dem Gebiete der Geographie (und Oro» wie 
Hybrographie im Beſonderen) ver rufflichen Oflfeer Provinzen; er geht zu» 
rück bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, ſtellt dadurch ben Leſer auf 
den richtigen Standpunkt der Beurtheilung des Vorliegenden und hebt na- 
mentlich die Arbeiten von Watfon, Engelhardt, Struve, Tenner, Reinecke, 
Wrangel, Studendberg, Eichwald und Rücker als biejenigen Specialquellen 
hervor, aus denen die werthvollſten Daten entnommen werden konnten. Das 
zweite Capitel verſucht die geographiſche Stellung ber Oſtſeeprovinzen 
zum europäifchen Continent zu beſprechen, laͤßt aber noch viele Fragen offen, 
Die das geiftreiche Werk über „Baterlänvifche Geſchichte von R. v. 2. (Rühle 
von Lilienftern) in feinen 1. Theile (Berlin, bei C. ©. Lüderitz, 1840) * 
anregt, und deren Beantwortung felbft in einer Skizze erhofft werben Tonnte. 
Die Bereutung der geographbifchen Stellung einer Landſchaft kann nur 
durch einen weiteren Umblid aufgeflärt, vie Einſicht der relativen Verhaͤltniſſe 
nur durch das Gegenüberftellen ver Anlande gewonnen werben; aber Die we⸗ 


Um ie berieriacater fefet em felzmter Their Tr geeguelliien 
Rerkältaiiie ver Yugen: jwur m ılymrmeen Fine, tet fer um 


genen Ietertaf rer Getcarerkilreciie ker Ciieliener Gr item 
kt male Ta? Kumeich va Ser weit rem Tölz Serkuate ee ID 
zur mer theiwere gegen ir) u suränaren) eu Teerinl teS zumeer enali 
won IWLI-TE) u. Irrenssberräge Ser ver Seruufen 
(TS ti RE. GB ur FO A) ur True m rem Süüede rad Ciibäum 
sub TU Ihrer Selma zu wrraptrum Flmser'ö et srmdeeegseiten Sei» 


uusbruir. ak. 
Tirie aögemmme Urterisße Geier zur N Serre Mus: Year kellunen YEh- 
Weser Buierm zumbdrl der Frejrc.ien eregtart.’Sca SfL;;ce ber Yan 


| 


Sfigge der orographiſchen ıc. Verhaltniſſe von Liv⸗ Efth- u. Kurland. 881 


a. Eſthland. Der Berf. liefert, zum Theil ale Nefultat eigener An⸗ 
ſchauung, ein Bild des 200 bis 400 %. Hohen flach gewellten Landrückens. 
Er fchildert fpeciel den nach MN. fleiler terraſſirten Küftenabfall, ven ſoge⸗ 
nannten Blint, mit der größten Höhe von 206 %. 7 Meilen weſtlich von 
Narwa, den oft ganz unmerflichen fanften Abfall zu den weftlichen Küften- 
ebenen, wie ven auffallenderen im D. und SO. zum Thale der Narwa und 
den noͤrdlichen Sumpfnienerungen des Peipuſs⸗See's. Im Innern fehen wir 
das Ginförmige ver mit ausgedehnten Wäldern, Moräften und Heinen Seen 
bedeckten Oberfläche geftört purch eine Anzahl größerer und kleinerer Granit⸗ 
blöde, eine beträchtliche Anzahl Höhenzüge, meift bewachſene Gerdll- und 
Schutihägel, welche im D. zufammenwachien zu der größten Geſammterhe⸗ 
bung ver 400 J. hohen Sall- Höhe mit dem Gulminationdpunfte bes 
516 8. hohen Emmo » Mäggi, und erkennen in der Natur ber filurifchen 
Kaltylattien ven Grund, daß vie Flüſſe und Bäche entweder trägen Raufes 
peifchen fchilfigen Sumpfufern dahinfließen, zuweilen auf längere Seit vet- 
fchwinden, um fpäter wieder zu Tage zu treten, ober mehrfach die ſcharfen 
Plattenabfäge cascadenförmig überflürzgen, wie bie Narowa in drei Stürzen 
etwa 18 Fuß hoch oberhalb Narwa, und ver Iaggewal 20 F. hoch vor feir 
ner Mimdung. 

db. Livland. Auch Hier wird ber Lefer zum großen Theil durch bie 
Meſultate ver Selbftbefchauung des Verfaſſers geführt und von einer weit 
größeren Manichfaltigkeit der Bodengeſtaltung überzeugt. Im dem gleichen 
Naturcharakter großer fumpfiger Waldungen begegnen wir im W. ven Küs 
flennisverungen red Bernau’fchen Tieflandes, wie im DO. ven Tief 
beden des Peipus⸗See's, deſſen Spiegel 90 3. beach, und deſſen Areal 
51, inel des Pſtow'ſchen See's 65 D.«M. groß iſt. Das breite Zwifchen- 
kand wird Doppelt geglietert; einmal in feiner Mitte durch die Einfenkung des 
108 %. hohen Wirzjärw-See’8 in der Merivianrichtung und aldtann von 
W. nach O. durch einem Tiefftreifen zwifchen Bernau und der Embach⸗ 
mündung in ven Peipus⸗See, welcher durchweg von Fließendem erfüllt iſt, 
indem ziemlich gleich weit (faft 9 Meilen) von Bernau und Dorpat ver 142 
hohe See von Fellin einen weltlichen Abflug zum Pernaufuften (Fellin- 
bach, Dsjo, Torgel, Bernau) und im Tennaſilmſchen Bach einen dftlichen Ab⸗ 
zug zum Wirzjärw⸗GS. bat, beffen Entladung die untere Embach iſt. Trot die⸗ 
ſes durchgreifenden, zur Canalifation erkorenen Depreſſionsſtreifens lehnt ver 
Derf. die Eintheilung und Ntomenclatur des Bodens an die nicht durchgrei⸗ 
fende Merivianfpalte des Wirzjaͤrw⸗See's (mogegen ſich manche Stimme er- 
Geben dürfte) und unterfcheivet: den Yellinifchen Rüden (!) nebſt der 
Lemfals Höhe ald weftlihen von einem öſtlichen Wafferfheide- 
süden Livland’s mit dem Odenpä = Plateau. Den weſtlichen Rücken (?) 
erfennen wir anfänglich (i. NR.) noch als ebenen fumpfigen Lanbflrich gauz 
im Charakter der efthlänbifigen niedrigen Kalfplatien, und erft füdlich des 


se Aieuere teratur: 


ver trodnere, höhere und umncbenere Charakter dei Bernd bei Surgifer 
mit 412 %. culminirenv, aber von ber Mittelböhe in 250 Ki 300 5. bei 
Sellin plöglich abbrechend im Die bereits erwähnte Ziefipalte des 142 5. ho⸗ 
ben Fellin ſchen Errs. üblich dieſes Sees hebt Sie Lanzhöhe fefert wir 
der im vorigen Riveau am; fie bilvet in ber Ilmgebung von Felin cine ber an- 
mutibieften und frochtbarſten Gegenden Linlanr's, gewinnt im fürlichen Ber» 
laufe an Breite, erhält durch tie von NED. nach SO. ſtreichenden Göhenzäge uab 
entfprechenbe tiefere Fiufbeiten ein coupirtes Uinfehen, erreicht öRlich feurchl die 
größte Mafien-, wie Gipfelhöhe (bei Kerſtenhof 419, Reu- Gummelähef 
396 5.) une finlt fühwärts wirter ein zum Thale der Serke, des 130 J. he⸗ 
ben Burtneck⸗See's um ber Salis. Süblicher erhebt ſich der Buben 
noch einmal im ähnliden Berbälinifien, fleigt zwitdden Bolmar Len⸗ 
fal im Blauberge zur grögten Höhe von 397 5. umb fimeiet eukh 
ſcharf ab im Ziefihele der Ua. — Und; ver öfliche Laudrücken Ich ſich 
unmitttlbar au vie Sall- Höhe Ehlers ums fept Term Gherefier RE. 
noch SD. fireichenner Göbenzüge zwifchen funıpfigen ſchealen Ihklın feet 
bis zur Einfenfung in vie breite Shalnickerung der bei Dorpat 100 5. hech 
Degenven Embad. Sublich ter Dorpater Senke feige ver Beben ba 
größerer Gröreitung bald wicher zur alten Nintelhöhe von 200 is 200 8- 
auf, fijerilit in gleicher Breite mit tem Gähenbe des Wirzjäre - Sır's zu tem 
500 5. heben Orenyä-Blateau am, erreiht beim Renarr-Sizmale ze 
fern Ur rol vie Höhe von 661 F. zub im Kegel des Odenpaſchen Man- 
na: Mäggi wie auf 800 F abgeichähte Gulmimetienöhöhe uns finft fündf- 
lſich in ber Gegend von Werro wicker tiefer ab, chae jedoch im cime wilhge 


anzunehmen jcheint; fie füllt im wie dharafteriitiiche Thaliyalte des Ua- zur 
!Beo- Aheles uns vürfte im Berein damit cher eine Treumung in me fühlidee 


den Leſer auf Die böchkte Srufe Püsland's, welche füch auSberitet zutfchen ver Ya 
uns ver Gut einer⸗ ter Düne unb tem Bilsw-Srr anberıricitt. In Süten von 
Werts betritt man mach ziemlich jühem Auffirigen des burchidhuitiich 700 Z 
hehe Vlateau you Haaunhof, bad zwar ur 2; Feilen berit uns 6 Biciken 
Iang, aber doch zus bebenienkiie Weilererfebung des Pankes fl, auögyeidknet 
tus) den Beſth; des fhdn belauhten, 997 U. Heben Runua- Rägsi uns des kah- 


Slkizze der orographifchen x. Verhaltniſſe yon Liv⸗ Eſth⸗ u. Kurland. 883 


Ien zweikuppigen, 946 8. hohen Wälla-Mäggi und bezeichnet durch einen fehr 
manchfachen Wechjel von hoch und tief, fomwie durch eine Menge Eleiner und grö« 
ßerer Seebecken. Der dftliche Hoͤhenanſchluß an das Waldai- Platenu wird 
ermähnt, aber leider nicht näher ausgeführt, dagegen wirb man um fo fpezieller 
orientirt auf dem Aa = Plateau, welches fich fünmeltlich der allmäligen Ab⸗ 
fentung des Haanhof⸗Plateau's zwiſchen der Ewſt und Aa tiber einer Baſis 
aufbant, welche an 100 D..M. groß und 500 F. hoch iſt. Im Grundriſſe un⸗ 
regelmäßiger Kreißgeftalt fchmwillt der Boden allmälig zu einer 700 Buß ho⸗ 
den Terrafſe an, welche das Areal des Haanhof⸗Plateau's um faſt das Drei» 
fache übertrifft, fünlih im Baifing- Kaln mit 968%. culminirt, in ber 
Mitte im Mefelau’fchen Bauernhofe auf Kleets⸗Kalns 843 8. Hoch die höchfte 
menfchliche Wohnmg der Oſtſeeprovinzen (und eine ber höchſten ber ganzen 
Ebene zwiſchen Ural und Nordfee) trägt und von einer Menge Gipfeln zu 800 
und 900 %. überragt wird. Obgleich viefe Zahlen, zumal relativ betrachtet, 
unbedeutend erfcheinen, fo trägt doch die Höhe des Aa⸗Plateau's ein wech⸗ 
ſelvolles belebtes Gepraͤge, hervorgerufen durch zahlreiche Berge und Höhen, 
gifchengeftreute freundliche Seefpiegel, tief einfchneidende gefchlängelte Waſ⸗ 
ferfäden, anmuthige Flußthäler, verhältnigmäßig weniger Wald und Sumpf, 
reiche Korn⸗ und Blachöfelver, hübſch erbaute Güter und Bauernwohnungen 
mit Fleinen Obfigärten. Bevor die Aa das riga’fche Tiefland betritt, entfal- 
ten fich in der Umgebung von Treiven fo malerifche Naturreize, daß man 
verſucht wird Yon einer „livlaͤndiſchen Schweiz ” zu reben (menn e8 einmal 
fein muß, in jevem Lande eine „ Schweiz” ausfindig zu machen!), welche im 
fcharfen Contraſte fteht zu den Suͤmpfen und Wäldern ber gemeinfamen 
Niederung von Aa und Düna, unterbrochen durch einzelne Lange, fteile 
Steingeröllhügel, die KRangern. Den Süpabfchluß Livland's und vie natür- 
liche Grenze gegen Kurland bildet dad Thal ver Düna, welches der Verf. 
in allgemeinen Befprechungen bi8 Jacobſtadt verfolgt, fipecieller aber in dem 
unterſten, wild romantifchen und an gefährlichen Stromfchnellen reichen Durch 
bruchsthale bis Friedrichſtadt, mie in dem fich allmälig zur riga’fchen Mün⸗ 
dungsebene öffnendem Thalgrunde. 

Der Berf. überläßt es dem Leer, einen Rückblick auf vie intereffanten 
Naturverhältniffe Eſth⸗ und Livland's zu werfen, fih durch einen Blick auf 
die Karte die Mepräfentanten eines vornehmlich vierfach gerichteten Thalſpal⸗ 
ten⸗Syſtems aufzufuchen, und dadurch eine fommetrifche Anordnung zu er» 
kennen, welche zu interefianten geologifchen Schlüffen führen dürfte; er geht 
vielmehr unmittelbar über zu der Schilverung von Kurland, diefelbe mit dem 
Bemerken fchließend, daß ihm Bier nicht eigene Anfchauung und überhaupt nur 
fpärlich zugeflofiene Specialnachrichten zu Gebote geftanden. 

c. Kurland. Die Erhebungen des Eurländifchen Bodens erfcheinen in 
der Hauptſache nur als eine vorgebirgsartige noͤrdliche Aufldfung des lit⸗ 
tbauifchen Plateau's, die Configuration ver kurlandiſchen Halbinſel dictirend. 


als daß es fie 


Dürite; es find dies die Höhen von Tudum, von Talſen un ſudlich von 
Ugalen mit Sipfeln zwiſchen 300 und 400 5. Auch vie Weſtgruppe hai 
bei circa 500 &. Erhebung ihre bedentendſten Höhen m S., ums im Kree⸗ 
wua⸗Kalu (585 5. hoch), Turlich von Amboten, wahrſcheinlich tem höch⸗ 
fien Punkt ganz Kurland's. Im Berein mit wer Ofigruppe faßt fie den ſchö⸗ 


Sanpflein entblößt). Aus der waldreichen, faum 100 8. hoben Ebene, welche 
die Rorpipige Kurland's erfüllt, ragen 


Skizze der orographifchen ıc. Verhältniffe von Liv», Efth- u. Kurland. 385 


d. i. des Triebſandriffes Domesnes, in deſſen Südoſten ver Küftenftrich in 
feinem unwirtbbaren Charakter beharrt, von dem größten Strandfee Kur⸗ 
land's, dem Angern= See, unterbrochen. 

Die fpeciele Orographie wird beichloffen durch eine recht genaue Schil⸗ 
derung des Archipels, welcher ven Riga'ſchen Bufen zu verjchließen ftrebt, 
und welcher im Allgemeinen fo flach iſt, daß der etwa 200%. hohe Torni 
Mäggi auf ver Weltipike von Dagden (Dagd) zu einer ausnahmöweifen 
bedeutenden Erhebung gehört; das ganze orographifche Capitel befchließt end⸗ 
lich ein wohl geordnete Verzeichniß von 317 gemejienen Höhen, zum 
großen Theile dad Reſultat der ſchoͤnen Struve’fchen Arbeiten. 

Obgleich naturgemäß bei der Orographie bereitö vielfach befprochen, fo 
it Doch die Hydrographie einem beſonderen folgenden Hauptabfchnitte des 
Buches übergeben, und dad gewiß mit Necht, denn troß der vorzugsweife be» 
nugten Hydrographie des Ruſſiſchen Reiches von Stuckenberg“ gab es in 
dem vorhandenen Materiale noch viel Widerjprüche auszugleichen und Unklar» 
beiten zu lichten. Der Berf. bat es fich angelegen fein Iaffen, vie Nomencla= 
tar der Gewaͤſſer nad) ihrer Feſtſtellung und NMechtfchreibung in Ordnung zu 
bringen, fo daß der Kartenzeichner feiner Winke nicht entbehren kann; er nd« 
thigt die vorjchnellen Zeichner: den noch nicht ausgeführten Fellin'ſchen 
Canal zwilchen dem Embach⸗ und PBernaugebiet und ven aufgegebenen 
Windau-Banal zwifchen ver Windau und Dubifja wieder von ihren Karten zu 
ftreichen; er liefert durch feine Arbeit einen recht vollftändigen Commentar zu 
feiner bezüglichen Karte und befpricht bei ven bedeutendſten Gemwäflern einzelne, 
namentlich für ven Verkehr interefiante Verhältniffe. Eine größere Vollſtaͤn⸗ 
digkeit bat der Verf. nicht beabfichtigt, bezweifelt auch das augenblickliche 
Borhanvenfein ausreichender Materialien zu einer ganz umfaflenden Hydro⸗ 
graphie; dennoch wäre ed zu wünfchen geweſen, daß er minveftens die kli⸗ 
matifchen Einflüffe auf die Bemäfferungsverhältniffe in wenig Hauptzü⸗ 
gen angebeutet hätte. Ob flarre Schnee» und Eißvede das Fließende über» 
zieht, ob bie Gewaͤſſer in Folge häufiger Negengüffe oder ver Schneefchmelze 
ihre Betten überfluthen over bei intenfiver Somnenhige ihre Fülle abnimmt 
— dad alles verleihet der Landſchaft und dem Leben in ihr ein fehr manch» 
faltiged und gemeiniglich an beftinnmte Zeitabjchnitte gefnüpftes Gepräge und 
bildet ein zu gewichtiged Element, ald daß ed nur fo geringe Berüdjichtigung, 
wie bier geſchehen, verdienen follte. 

Dad Werk wird begleitet von einer orograpbifchen und einer hydro⸗ 
graphifchen Karte und auf 3 Blättern von neun Höhenprofilen. Die 
Karten haben ven Reductionsmaaßſtab von 1: 1200000, Eönnen aljo nur ein 
allgemeined Ueberfichtöbilo Liefern und nehmen nur den erſten Verſuch einer 
Verbildlichung der betreffenden Verhältniffe der Oftfeeprovinzen in ihrer Ges 
fammtheit in Anfpruch, was bei ihrer Beurtheilung Berückſichtigung verdient. 

Die orographifhe Karte (Skizze) veramichaulicht vie verfchiedenen 

Zeitſchr. f. allg. Erbfunde. Bo. 1. 25 


386 Neuere Literatur: 


Bodenerhebungen nach Art der Sydow'ſchen Karten durch verfchienene Far⸗ 
bentöne; fie verfolgt die Anoronung ver Struve ſchen Höhenfarte Livland's 
durch Unterſcheidung ver drei im Eingange erwähnten Terraflen, welche in 
braun gehaltener Schattirung aus dem grau angelegten Tieflande heraustre⸗ 
ten, marfirt bier und da einige Höhenzüge und die weientlichften Gipfel, fie 
fteltt ferner das Flößneß in blauer Farbe dar, enthält in fchwarzem Tone Ortes 
zeichen und eine ziemlich reiche Noınenclatur und macht in ihrer fauberen und 
Maren Ausführung einen höchſt angenehmen Eindruck. Dennoh muß man 
fih fehr hüten durch die Skizze nicht unwillfürlich ein ganz falſches Terraf- 
ſenbild einzufaugen, und dem entgegen zu arbeiten, hätte das gänzliche Weg⸗ 
fallen von Bergfchraffirung an ven fcheinbaren Stufenrändern in Erfah durch 
eine feine Linie viel beigetragen; auch würde bie leichte Anbeutung der Strei- 
chungslinien der weſentlichſten Höhenzüge das richtige Verftänpniß günflig ver⸗ 
mittelt haben. Daß das Gradnetz nur am Rande angedeutet und nicht aus⸗ 
gezogen, iſt nicht zu billigen. Won der mathematifch genauen vollftänbigen 
Ausführung eines Gradnetzes kann fein Kartenzeichner entbunden werben; er 
zieht fich ſonſt felbft die erfte Baſis unter ven Füßen weg, welche Bertrauen 
auf das Streben nach Gewiſſenhaftigkeit einflößt. Ebenfo ift e8 zu bedauern, 
daß die Abficht der Hauptſtraßenanlage nicht ausgeführt ift; eine feine Be 
handlung ver Straßenzüge Hätte eben fo wenig geftört, wie auf ver blauen 
Platte eine leichte Markirung der Moräfte, welche gerade in dem bargeftellten 
Terrain eine fo beveutungevolle Rolle fpielen. 

Die hydrographiſche Karte baftrt auf verfelben Gemäflerzeichnung, 
wie die orographifche; fe Liefert aber eine viel reichere betreffende Nomencla⸗ 
tur, enthält verfchievenfarbige Grenzen ver einzelnen Meer⸗ und Flußgebiete 
und befticht ebenfalld durch ihre reine und Flare Ausführung. Auch bier iſt 
der Mangel eined ausgezogenen Gradnetzes zu tabeln und ferner zu beklagen, 
daß fein einziges Ortözeichen (mit vieleicht nur abgefürzten Namen) aufge 
nommen ifl. Der Zert nimmt natürlich häufig Bezug auf Wohnplähe, vie 
Karte gar Feine folche Rüdficht, erforvert alfo vie gleichzeitige Benugung einer 
zweiten Karte, was beim Gebrauch hoͤchſt unbequem fein dürfte. 

Die im Verhältnig der Maaßſtäbe von Höhe und Bafls wie 42:1 ent⸗ 
voorfenen Höhenprofile find durchaus bezeichnend ausgewählt und inſtructiv 
angeordnet. 

Werfen wir beim Zufammenfchlagen des Rathlef'ſchen Buches einen 
Blick zurüd, fo müflen wir uns fagen, daß wir in kurzer Zeit viel aus ihm 
gelernt haben, was wir mit großer Mühe hätten zufammenfucdhen müffen und 
vieleicht nicht in ſolcher Vollſtandigkeit gefunden hätten; wir verbehlen uns 
zwar nicht, daß wir für die Drograpbie eine innigere Durchwebung geologie 
ſcher Gedanken, für die Hydrographie etwas mehr Nüdficht auf das nature 
belebenve Element und für die Karten noch einige Vervollſtaͤndigungen wun⸗ 
fen, müffen aber freilich bedenken, daß dieſe Wünfche nicht erregt worden 


Skizze der orographifchen ıc. Verbältniffe von Liv-, Eſth⸗ u. Kurland. 387 


wären, hätte und das Gebotene nicht bis zu diefem Grade der wifienfchaftlichen 
Unerfättlichkeit angefprocyen, und wir können demnach das Werk im Intereffe 
der geographifchen Willenfchaft mit voller Meberzeugung der ausgebreitetften 
Aufmerkfamkeit empfehlen. @. von Sybow. 


— 


Es iſt ein nicht gering anzuſchlagender Vorzug unſerer Zeit, daß die ver⸗ 
ſchiedenartigen naturwiſſenſchaftlichen Beſtrebungen nicht mehr vereinzelt ihr 
Ziel zu erreichen ſuchen, ſondern daß man die gewonnenen Ergebniſſe zur ge⸗ 
genſeitigen Vervollſtaͤndigung und Erläuterung eifrigſt benutzt. Selten tritt 
aber der Nutzen, den die Berückſichtigung verwandter Disciplinen im Bereich 
der Naturwiſſenſchaften ausgeübt hat, entſchiedener, als bei der Geographie 
hervor, welche jetzt erſt allmaͤlig in Folge der ihr von der Phyſik und Na⸗ 
turgeſchichte, namentlich aber von der Geognoſie zu Theil gewordenen Auf⸗ 
Härungen beginnt, ſich ihres fremdartigen Inhaltes zu entledigen und zugleich 
eine wiſſenſchaftlichere Form anzunehmen. Es darf ſomit nicht auffallen, daß 
in den neueren geographifchen Arbeiten das geognoftifche Element immer mehr 
in ven Borbergrund tritt, da bie geftaltlichen Verhältniffe der Erdoberfläche, 
ein Hauptgegenftand der Geographie, von ven ftofflichen Eigenthümlichkeiten 
der Erde, dem Inhalt der Beognofie, meift jo beftimmt abhängen, daß viele 
derfelben dadurch erft verftännlich werden. So war e8 in der That ein fehr 
richtiger Gedanke, als ein überaus verbienftlicher, leider nicht genug gekann⸗ 
ter geographifcher Borfcher, der verftorbene baterifche Ingenieurhauptmann Weiß, 
zu einer Zeit, wo die Geognofle noch in der Kindheit lag, fchon in ven be= 
fimmteften Worten die Nothwendigkeit einer Verbindung der Geographie mit 
der Geognoſie ausfpracdh *); ja wenn irgendwo in den Naturwiffenfchaften, 
muß bier Leopold von Buch's Ausfpruh: „Die Zufammenverbindung 
und Zufammenreihbung von Thatfachen Durch eine gemeinfchaft- 
lihe Urfahe wird ſtets neue Thatſachen an das Licht bringen; 
viele Beziehungen müſſen bervortreten und zu neuen Urfachen 
leiten, welche man bis dahin vielleicht gar nicht geahnt Hatte, 
felbf wenn auch Die verbindende Urfahe am Ende als irrig und 
verwerflih anerfannt werden mußte; nur auf foldem Wege 
antwortet die Natur” zur volften Anwendung gelangen. **) Eben in 
einer folchen richtigen Auffaffung flattete auch der Verfafler nes vorſtehend ange⸗ 
zeigten trefflichen Werkes daſſelbe mit einer geognoftifchen Abtheilung ©. 27 
— 40 aus, da, wie die folgende Auseinanderfehung bezüglich Kurland's er⸗ 
weifen dürfte, gerade bei dieſem heil der ruſſiſchen Oftfeelänver ſich das in- 


*) „Die Tpogorapbie darf nicht von der Geognofſie getrennt werben, um zu 
Far richtigen lenntniß unſerer Erdkruſte zu gelangen.» Süd⸗Baierns Oberflaͤche. 
1820, 88. 
2 Leonhardt's Tafchenbuch der Mineralogie 1824 11, 472. 


25 * 





388 Neuere Literatur: 


nige Verhaͤltniß zwiſchen ven geftaltlichen und flofflichen VBerhältnifien am 
Menigften verfennen läßt. Auch die beigegebene literarifche Ueberſicht 
S. 3— 17, deren Neichhaltigfeit um fo erfreulicher ift, als mancher veutfche 
Lefer dadurch zum erften Male mit mehreren fchägbaren, in ven Iournalen 
der rufjifchen Oftfeeprovinzen zerftreuten Arbeiten befannt werden türfte, ge⸗ 
hört zu den Vorzügen des Werkes. Ungeachtet aller Vollſtändigkeit viefer 
literarifchen Ueberficht vermiffen wir jedoch Einige darin; fo die Erwäh⸗ 
nung der für ihre Zeit Höchft werihvollen Beobachtungen 3. I. Ferber's 
über Kurland *), die noch jett, faſt 70 Jahre nach ihrem Erfcheinen, ihre 
Brauchbarkeit nicht verloren haben; fodann die Mittheilungen des Neufcha⸗ 
tellerd Dubois, des fpäteren Forſchers im Kaufafus, über ven nörblichen Theil 
des Guberniums Kowno oder das alte Samogitien, va diefelben, nanıentlich 
aber die ihnen beigegebene geognoftifche Kartenfkizze, auch auf Kurland Bezug 
nehmen **), ferner den Aufſatz des ehemaligen polnifchen Ober» Berghaupt« 
mannd von Ulmann über die geognoftifchen Berhältnifie ver Gubernien Wilna, 
Kowno, Grodno und Bialiſtock, ver gleichfalls Kurland berührt ***), und enblich 
fehlen Koch's, Schmidt's und Eichwald's Mittheilungen über die intereffanten 
jurafjifchen Belsinfeln, namentlich die von Popilani F), welche letzte, obwohl im 
Bubernium Kowno außerhalb ver rufftfchen Oftfeeprovingen und 7 Meilen füplich 
von der Furländifchen Grenze gelegen, unferen Berfafler doch wichtig genug 
war, um in feinem Werk darauf Bezug zu nehmen (S. 7). Es ift nämlich mit 
Beftimmtheit anzunehmen, daß die Juragruppe in dieſen Gegenden ein viel 
größeres und bedeutungsvollered Vorkommen hat, als fich zunächft aus Ten 
Beobachtungen ergiebt. 

Bei Betrachtung einer Karte des mittleren Europa müſſen zubörverft fo: 
fort die übereinftimmenden nord» fünlichen Nichtungen ver großbritannifchen 
Infel, der fogenannten cimbrifchen Halbinfel, der Infel Rügen und endlich 
des nörblicdhen, eine Art Halbinfel bildenden Kurlanv’d auffallen. Cine 
folche Configuration verbanfen aber dieſe Theile unfered Continentd unzwei⸗ 
felhaft ihrem felfigen Kern, meldyer mehr over weniger das Innere derfelben 
erfüllt. Bei der großbritannifchen Infel ift dies fo Har, daß es einer weis 
teren Außdeinanderfegung nicht bedarf, um fo mehr, als frühe genug, fchon 
gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts ſich aus ven Korfchungen des geiſtrei⸗ 


*) Ginige Anmerkungen zur phyſiſchen Grobefchreibung von Kurland in J. 
D. Fiſcher's: Zuſaͤtze zu feinem Verſuch einer Naturgefchichte von Livland. Riga 1784, 
©. 209— 305. Die Arbeit Ferber's fcheint überhaupt fehr unbekannt geblieben zu 
fein, da weder im Ulmann’s, nech im Leopold von Buch's, Cichwald's oder Murkhis 
ſon's gleich zu erwähnenden Unterfuchungen davon die Rede if. 

“#) Karften Archiv für Mineralogie, Geognofie u. f. w. II, 135 — 136. 

“a) Topusä MYPHaAb 1827, IV, 26—45, und vollfläubiger polnifch im 
Dank ee aletn 1827, II. 

+ e Quatember. Zeitfchrift für naturwifienfchaftliche, gefchichtliche ıc. Gegens 
fände von v Trantvetter. Bitan 1830. II. 45. 1 — 17. 9 ” * 


Skizze der orographijchen ıc. Verhältniffe von Liv⸗ Efth- u. Kurland. 389 


hen Schöpfers der vergleichenden Geognoſie, Guoͤttard, die Beftätigung ber 
uralten Sagen von dem ehemaligen Zufammenbange Großbritanniens und des 
europäifchen Continents, aus der vollkommnen geognoftifchen Ipentität der Fels⸗ 
gebilve in Süb» England und Nord» Frankreich *) ableiten ließ. Daß ferner 
auch in der cimbrifchen Halbinfel ein Felſenkern deren Erhaltung und jebige 
äußere Geflaltung bewirkte, ergaben die durch Forchhammer's Forſchungen 
näher befannt geworvenen Kreivegebilve auf der Außerften nörblichen Spihe 
Jütland's am Limflord, ſodann im äußerften Süden der befannte Gypsfelſen 
von Segeberg und tie ohne Zweifel mit dem Belfen Helgoland's und den 
Triadgebilden von Stade und Lüneburg in ver Tiefe in Verbindung ftehen- 
den rothen Mergel von Elishorn bei Glückſtadt. Deutlich genug, wie Groß⸗ 
britannien, war auch Rügen einft ein felfiger Ausläufer des continenta» 
Ien Europa, mofür vie Kreinefelfen auf Arkona, Stubbenfammer, fowie 
an ver Süpoftfante der Infel volled Zeugniß geben. So durfte man ſchon 
im Voraus annehmen, daß die Ausbildung Nord⸗Kurland's zu einer breis 
ten, nach Norven ausgeſtreckten Halbinfel, ſowie vie überaus merkwürdige und 
plögliche Umſetzung ver baltifchen Küfte aus ihrer bisherigen norböftlichen 
Richtung in dem langen Zuge zwifchen Danzig und Memel in eine völlig ver» 
änderte, rein nörbliche, von Memel bis Rüferort, einzig und allein durch die innere 
Structur des Landes hervorgerufen wurde **). In der That geben bie neues 
ren geognoftifchen Forfchungen dafür die überzeugenpften Beweiſe, indem die 
norbkurländifche Halbinfel ein vollſtaͤndig felfiger, aus ven verfchiedenen Gebil⸗ 
ben der bevonifchen Gruppe beftehenver Ausläufer des breiten Felſenplateaus 
iſt »es), welches in der Vorzeit die Stelle des jegigen Suüd⸗Kurland's und 
Nord-Samogitiend einnahm und fich im Süden an das höhere devoniſche Plateau 
von Samogitien, und weiter im Often an das große Gebiet devonijcher und 
filurifcher Felsmaſſen in Livland, Nowgorod und in den nörblicheren Theilen 
der Bubernien Pſkow und Witepst anfchließt. Ganz abweichend von dem 
oft mehrere Hundert Fuß flarfen Auftreten der Diluvialmaffen in den weft 
licheren Theilen des baltifchen Tieflandes, namentlich in den Hügellandſchaf⸗ 
ten des füblichen Oftpreußend, der weftlichen Theile Weftpreußens und des 


®) Histoire de l’Academie de Paris 1746, 343 — 392. 

“*) Selbſt die Bildung des anffallend bogenförmigen, nörblidy gerichteten Vor⸗ 
fprunges der pommerfc = preußifchen Küfte zwifchen der Diwenowmündung bei 
Bammin und Danzig dürfte durch in geringer Tiefe liegende Felsgebilde veranlaßt 
fein. Dafür ſpricht wenigftens das an 6— 7 Bunften der Umgebungen von Cammin 
beobachtete Vorkommen anftehenver Juragebilde, ferner ein erfi vor wenigen Monaten 
nen aufgefundenes Borfommen von Jurafalfen 13 M. ſüdlich von den Salzquellen von 
Golberg, endlich das ausgebreitete Auftreten untertertiärer Gebilde in der nörblichften 
Spitze des Bogens, 3.8. von Braunkohlen und Formſand zu Zadenzieu bei Lauenburg, 
4 Stunde von der Oftfee, dann zwiſchen Klein: Kap nnd Kolibfe am Oſtſeeſtrande bei 


5) Ullmann IV, 28; auch Rathlef (94, 103) nennt die kuriſche Halbinfel 
eine Abfenfung bes famogitifchen oder Litthanifchen Plateans. 





3% Neuere Literatur: 


öftlichen Pommerns, erfcheinn in Kurland vie Diluvialgebilde und als pänne 
Decken über feften Gefteinen, welche faft überall in den Einfchnitten ver Flüfſe 
und Bäche, vorzüglich ver Düna, Windau, Aa, Abau, Edau u.f.w. (Ferber 
253, 254, 256, 257, 258— 260 u. f. w.) zu Tage ſtehen over durch Stein- 
Brüche und Bohrungen aufgefchloffen werben Eonnten. Vorherrſchend iſt dar⸗ 
unter Kalfflein, deſſen Verbreitung durch ganz Kurland fo groß ift, daß fchen 
Berber ausfprach, cin verfleinerte Meereskörper enthaltende Gebilde der Art 
erfcheine überall in ver Bafis von Kurland (S. 253, 264, 266, 276) *). Der 
verdiente Korfcher nannte beſonders die Orte Nikragen, Schrunden und Gol⸗ 
dingen an der Windau, Schleck, Zabeln, Pickuln, Effern, Oranpfen, Schloden 
bei, Kandau, Nennen, Tudum, Pedwahlen, Kalizen, Bauske u. f. w. 
nebft dem ganzen Weftrande der Düna, wo ſich Kalkſtein findet (a. a. O. 
253— 260). Der Kalk ift durch feinen reichen Gehalt an ven Brachiopopen 
Spirifer trapezoidalis und Terebratula livonica, dann von Pifchen und 
Schuppen von Holoptychus nobilissimus ein entfchieden vevonifcher. Alle 
diefe Punkte, wo der Kalkftein anfteht, gehören aber dem Hügellande im cen⸗ 
tralen Theile ver Halbinfel an, welches im Kreemu Kalnd bei Amboten, bei 
Groß Santen, am Warduppen Signal und endlich am Kirmhof bei Groß 
Auz bis refv. 585, 479, 431 und 428 F. auffteigt (Mathlef 139— 140). 
Rundum das centrale Hügelland der Halbinfel zieht fich noch ein tieferer Kü- 
ftenfaum, unter veffen Oberfläche jevoch auch fefter Fels liegt, indem an ber 
nördlicäften, Domesnes genannten Spiße der Halbinfel, dann am Weſtrande, 
an dem fogenannten Steinort bei Sadenhaufen, und endlich am rigaifchen 
Bufen, alfo am Oſtrande der Halbinfel, zu Markgrafen, Kaltfleinklippen zu 
Tage treten (Dubois 146). So war die Halbinfel Kurland’3 gleich ven 
übrigen genannten Ausläufern des Gontinentd vor ven zerflörenden Wirkun⸗ 
gen der Elemente in ver Vorwelt fehr wohl gefichert. Im füblicheren Theile 
Kurland's, dem Eurifchen Oberlande Rathlef's (96 — 101), ift die Berbreis 
tung des devonifchen Kalkſieins dagegen wenig bekannt, da dieſe Gegend bit 
ber nur in fehr geringem Maße Gegenftand ver Unterfuchung gemefen war **). 
Viel beffer ift Died mit dem famogitifchen Plateau der Fall, welches nad 
General Tenner’s und Dubois' übereinſtimmenden Angaben, fich durchſchnitt⸗ 
lid 600—800 Fuß über ven Meereöfpiegel erhebt. So beflimmte Erfter vie 
Orte Schatrija und Lopaizi in den Umgebungen des Diftrict- Gauptortes 


®) Ganz übereinftimmend fagt Dubois (Karflen II, 146). Ganz Kurlaud 
eis Koeln; ferner Rathlef (35): In Kurland tritt als Hauptformation ver er 
niſche Kalk auf. 

**) Leider iſt die Verbreitung bes devoniſchen Kalfgebietes in Kurland noch 
nie auf einer Karte dargeſtellt worden, da felbf dem einzigen Verſuch einer geognoſti— 
fhen Karte diefes Landes von E. Schmidt in den nach Berlin gelommenen rem: 
plaren der Gefellicaftsfchrift: Sendungen ber furländifchen GBefellicyaft für Literatur 
und Kunfl. 3. B. Mitan 1847 gerade das Weſentlichſte, naͤmlich bie geognoſtiſche 
Illumination, fehlt. 


Skizze der orographifchen ac. Verhaͤltniſſe von Liv», Eſth⸗ u. Kurland. 891 


Telſze zu refp. 700 und 640 %., die Orte Mafchwigli und Tſchiwili, un» 
fern des Diftriethauptorted Szawle zu refp. 627 und 618 F., nachden Dis 
bois früher fchon die Erhebung des ſamogitiſchen Plateaus über dem Mee⸗ 
resſpiegel zu 700—750, und fpeciel die des Stäptchens Oſzmiana im eis 
gentlichen Litthauen zu 728 engl. oder 683 par. F. angegeben hatte (Karſten 
TI, 140) *). Die famogitifchen Kalkfteinablagerungen wurden zuerft durch 
Berber, dann durch Duboiß und Ulmann, zulekt durch Murdifon erforfcht, 
doch find dieſelben meift durch eine ſehr vice, fruchtbare Lehmdecke an ver 
Oberfläche verhüllt, fo daß Dubois, obwohl Samogitien feiner DVerficherung 
nach viel von ihm burchreift war, angiebt, er Habe Hier Kalkſteinbrüche 
faft nirgends gefunden. Indeſſen ift ver Kalkflein an verfchievenen Stel⸗ 
Ien als anftehenn bekannt. So mußte fchon Ferber, daß ein großer Theil 
des noͤrdlichſten Samogitiend längs ver ſüdoͤſtlichen Grenze Kurland's dieſelbe 
geognoſtiſche Bejchaffenheit, wie Kurland, habe, wovon ver Kalf bei Po⸗ 
daicze und Birz (Birfen) Beweife gebe. Ulmann Iernte venfelben Kalkitein 
bei Bofwol und Kirdany fennen (a. a. O. IV, 34), Dubois bei Kurfzany 
an der Windau (Karften II, 146), namentlich aber bei Pokroj, Murdifon 
und Pander envlich bei Telize und Szawle. Noͤrdlich von dem letzten Orte 
verbreitet ſich der Kalkflein nach Pander fogar 20 Werft weit von Oſten nach 
Weſten zu fichtbar Horizontal. Die weitere Bortfegung ifl noch nicht unterfucht, 
doch weiß man, daß zu Neici und Grus weftlih Szawle auf den ausgedehn⸗ 
ten Domainen ver Juboff'ſchen Bamilie große Kalfbrüche betrieben werden. 
Indeſſen ift der famogitifche Kalf gar nicht überall eine unmittelbare Bort- 
feßung des Eurländifchen, wie man meinen follte, da ver zu Szawle wenig« 
ftend nach feinem reichen Gehalt an einigen charakteriftifchen Verfteinerungen 
durch Murchiſon als älteren Urſprunges, nämlich als filurifch, beftimmt wurde. 
&o fah diefer darin Pentamerus borealis, Favosites Gothlandica, Cateni- 
pora escharoides, Stromatopora concentrica, lauter befannte filurifche Pe⸗ 
trefacten.. In enger Verbindung mit dem Kalkitein (Werber 279, 284) 
ftehen dann Gypsmaſſen, welche in Kurland an vielen Punkten zu Tage trer 
ten, in Samogitien aber nur in einer Localität, dafür aber in deſto mächti- 
gerer Entwidelung und Verbreitung fich vorfinden. Schon Ferber erwähnt 
in der erften Lanpfchaft vergleichen längs der Windau von Kaltiden bis Gol- 
Dingen, zu Schmarben bei Tuckum, Schlodenbed, Zerrften und Bufchhof, zu 
Kallnezehm bei Mitau und endlich in bedeutenderen Maſſen zu Dünhof an 


*) Für die hypſometriſchen Berhältnifie des weltlichen Rußland's ergaben bie 
neueren Mittheilungen in den Schriften der ruſſiſchen geographifchen Geſellſchaft 1852 
V, 2. Heft, 58 — 59, das intereflante Refultat, daß es naͤchſt dem Walvaigebirge (1080 F. 
Höhe) noch andere Terrainerhebungen in jenen Gegenden giebt, welche dem Walbais 
gebirge in ihrer Höhe nahe fichen, ja fogar es zum Theil darin übertreffen. So ers 
reicht im Pfkowfchen der Iwansberg (Iwano göra) 1212 und die Oleſchowla 1145 F. 
im Smoleustifchen die Rofchaja 1190, im Twerfchen der Merettenigberg 1135, bie 
Rufchlowa 1021 %., und die Soblofa fogar 1370 %. 


392 euere Literatur: 


der Düna, letzte gegenüber ven livlaͤndiſchen Gypſen von Kirchholm oberhalb Riga 
(255, 279— 286). Koch fügte die von Weggen und Aprikken hinzu (Send. 
der Kurl. Geſellſch. für Lit. und Kunfl. Mitau 1840. II, 104). Die meis 
ften dieſer Vorkomniſſe fcheint Rathlef nicht gefannt zu haben, indem er nur 
die von Goltingen und Dünhof anführt (S. 36). Auch ven famogitifchen 
Gyps fannte bereitd Berber, und zwar den von Podaicze, Birz und Smordon 
(S. 284); aber eine viel genauere Anſchauung der DBerhältnifie veffelben er⸗ 
langten wir erft durch Dubois und Ulmann. Im Upitfchen Kreije erhebt ſich 
der Gyps injelförmig zuerft bei vem Stäbtchen Bompiany und unfern ver La⸗ 
wena, worauf er in einem ununterbrochenen, 1 M. breiten Zuge über Poſ⸗ 
wol, Krzynki, Podbirze, Podaicze bis 6 Werft Hinter Birz, ja felbft bis zur 
famogitifchen Grenze, nämlich bis zur Memel bei Wilifau, gegenüber Schön 
berg, gebt. Unterirdiſch fcheint die Erftredung noch viel größer zu fein; denn, 
obwohl in Kurland fein Gyps zwiſchen der Memel und Dünhof befannt if, 
fo weifen doch die in ver Verlängerung ver Richtung des famogitifchen Gyps⸗ 
zuges liegenden befannten falten Schwefelquellen von Balvohn und Barbern 
(Berber 287, 289; Lowitz in den Allg. nordifchen Annalen für Chemie, 
1820, V, 19— 35; Sciemann in ven Jahresverhandlungen der Kurländi« 
fhen Geſellſchaft für Literatur und Kunſt. Mitau 1822. II, 75— 93) mit 
Beftinnmtheit darauf Bin, daß fich ver Zug bis Dünhof erftreden dürfte *). 
Sreilich fehlen gerade bei Baldohn und Barbern bis zu Tage reichende Gyps⸗ 
maffen (Ferber 290; Schiemann 79) **). Gleichzeitig fprecyen für viele 
Anjicht die in und an dem Eypszuge Samogitiend vorkommenden Talten 
Schwefelquellen und Erpfälle, welche lebte noch in Kurland bei Dünhef, 
Dferwen und Balvohn, wenngleich in viel geringerer Bedeutung, befannt find 
(Berber 286; Koch a. a. DO. II, 104; Eichwald Duatember IV, 2, 15). 
Schwefelmafferftoffreihe Quellen, auf denen oft bituminöfe Partikeln ſchwim⸗ 
men, finden fich nämlich in ver erſten Landſchaft zu Poniewies, Widzy, Ta⸗ 
duny, Maluny, Pofwöl, Pompiany und Smordon (Stinkquelle) ***); von 
ihnen gilt vie zu Taluny als fchwefelmaflerftoffreichfte (Lilmann IV, 33), 
und ebenfo zeigt die von Poniewies, durch ihre Rage füplich der Lawena, wo 
fein zu Tage ſtehender Gyps mehr bekannt ift, daß der große Gypszug eine 
noch größere Erfiredung unterirvifch, ald am Tage, gegen Süden bin haben 


=) Bei den Bohrungen zu Mitau erreihte man in 50 8. Tiefe einen ergiebis 
gen Schwefelguell (Schmidt in den Sendungen der furl. Gefch. für Lit. und Kunſt. 
I, 5), was auf eine viel weitere weftliche Verbreitung des Gypſes fchließen läßt. 
Leider ift mir die von Nathlef angeführte Echrift über die geoguoftifche Befchaffens 
heit Mitau's: Engelmann, die Mitauifche Niederung geognoftifch unterfucht in Bezug 
auf die in Mitan zu erbohrenden artefifchen Brunnen, Mitau 1842, nicht befannt 
geworben. 

“*) Gntgegen biefer ganz beflimmten Angabe verfichert doch Cichwald (Qua⸗ 
tember IV, 2, 15), daß bei Baldchn der Gyps im Kalfftein mächtige Lager bildet. 

“ae, Mach Dubois a.a.D. II, 179 if die Smerboner Duelle fogar lan und 
wirb als Heiffäftige Badequelle benutzt. 





Skizze der orographifchen ꝛc. Verbältniffe von Live, Eſth⸗ u. Kurland. 993 


maß. In dem famogitifchen Oypsterrain find ferner trichterförmige Vertiefun⸗ 
gen, das Nefultat von Ausmafchungen, ungemein häufig, ja zwifchen Birz 
und Smordon fogar fo zahlreich, daß ver Boden durch fie gleichſam durch⸗ 
löchert ift und nächtliche Heifen dadurch fehr erfchwert werden. Meiſtens 
find die Trichter etma 60 — 70 F. tief und von 30 — 50 3. Durchmefler, und 
auf ihrem Boden treten zuweilen Talte Schwefelmafler zu Tage. Die größte 
Erſcheinung ver Art von 4 Werft Breite finvet fich bei Birz, doch iſt der dor⸗ 
tige Erdfall zum Theil ſchon verwachfen und dadurch weniger fenntlich. Selbft 
die durch viele Sagen berühmte Höhle, das heilige Loch (Swieta dziura), 
zwiſchen Birz und Poſwoͤl, vürfte das Product von Uuswafchungen fein. 
Noch Heute Hat die Bildung ver Erpfälle nicht aufgehört, da wenigftend 
nach Ullmann ſich eine folche in ven erſten zwanzig Jahren dieſes Jahrhun⸗ 
derts zu Montegaliſzki ereignete. In Kurland find vie Gypſe meift faferig 
(Strahlgypa; Ferber 279— 283). In Samogitien erfcheinen fie grünlich gefärbt 
und gefchichtet; vie Schichten liegen hier horizontal und wechſeln ohne beftimmte 
Ordnung mit Thon= und Kalflagen (Berber 284). Stellenweife, wie bei 
Soldingen, ift der Gyps in dem vevonifchen Kalk ganz eingelagert (Ferber 
255, 279, 283); bei Przewalek in Samogitien, an der Vereinigungäftelle ver 
Lanena und des Mufzaflüßchens, wird verfelbe Gyps Durch den Kalkftein gleich» 
förmig überlagert (Ulmann IV, 33). Was nun pas Alter des Iehten Gypſes 
betrifft, fo ift es zweifelhaft, ob er jüngerer ift, devoniſcher nämlich, wie 
der kurlaͤndiſche, was das wahrfcheinlichfte, oder ob er anderen Kalfiteinen, 
ehva den filurifchen, eingelagert ifl. — Aber eine viel größere Bedeutung 
für die geognoftifchen Verhältniffe Kurland's und Samogitiend bat ein drittes 
Hauptgebilde dieſer Gegenden, ver bevonifche rothe Sandflein, den Ferber und 
Dubois völlig überſahen, welcher jedoch durch Ulmann in Samogitien zuerjt 
ſehr beſtimmt erforſcht wurde, obwohl viefer Beobachter fich verzeihlicher Weile 
dahin irrte, Daß er das Geftein feiner Farbe und petrographifchen Befchafs 
fenheit wegen für ein Uequivalent des thüringſchen rothen Todtliegenden ers 
Härte. Erſt Murchiſon beflimmte nad) den Verfteinerungen dad Alter des 
Sanpfteind richtig. Wo derſelbe vorhanden ift, verräth ihn gleich die ro⸗ 
the Farbe des Bodens, wie Murchifon angiebt. In Kurland ift er fehr ver 
breitet, da er nicht allein an ven Ufern ver Hauptflüfie, ver Aa und Wins 
dau, fondern jelbft an ven verfchievenen Eleineren Flüſſen und Bächen, wos 
von die Landſchaft durchzogen wird, anfteht. Bei Lehnen an ver Windau 
fteigt ee gar in 60— 80 F. hohen Felswaͤnden zu beiden Seiten des Zluffes auf. 
An dem legteren fiheint Schleck unterhalb Goldingen ver Auferfte Punct zu 
fein, wo man ihn fennt (Koch in den Kurl. Sendungen II, 105). Auch 
beim Brunnengraben gelang es, venfelben an mehreren Stellen aufzufchließen 
(Roc II, 104; IH, 24. Schmidt ebend. II, 5). Keine geringere Ausdehnung 
bat das Gebilde in Samogitien, wo ed zuvörberft an der Wilia bei Wil- 
fomirz, dann im Often zu Rodens Pomufz an der Eurlänvifchen Mufza, zu 


394 Neuere Literatur: 


Talunyg an der Eamena und unterhalb Pofwöl, endlich im Welten an ber 
Grenze der Diftricte Telſze und Roflenna, jowie zwifchen den Orten Gorsden, 
Kule, Andrzejow und Retow nad Ulmann's Beobachtungen zu Tage ficht. 
Am charakteriftifchften erfcheint Hier ver rothe devoniſche Sanpftein bei dem 
Dörfchen Wirzen, wo er große Schichten bildet. Da Murchiſon ferner 
unmittelbar nach feinem Ueberfchreiten ver ypreußifch » rufflfchen Grenze 
nach Tauroggen zu vie Bodenfläche der Landſchaft aus rotem Thon und 
Sand gebildet fand, worunter er mit Grund fefte devoniſche Gebilde vermu⸗ 
thete (The Geology of Russia I, 50) *), und endlich Ulman an der Grenze 
Rußland's und des Königreichd Polen zu Wilfi, 4 Meilen unterhalb Kowno, 
und weiter aufwärts am Niemen zu Jezna, unfern ver gegenüberliegenven 
beiden Orte Brenn und Birſztany, Sanpftein angetroffen Hatte, fo ergiebt fick 
hieraus, daß der devoniſche Sanpftein einen fehr großen Theil des Buber- 
niums Kowno erfüllt, und daß er nicht allein bis unmittelbar an die Iange 
oftpreußifche Grenze von Memel bis Georgenburg, fondern auch noch weiter 
im Süden bis unmittelbar an vie durch Den Niemen gebilbete polnifche Grenze 
reicht. Da aber werer auf preußifchem, noch auf polniſchem Boden bisher 
die mindefte Spur zu Tage ftehenver rother, fefler, devoniſcher Sandſteine ge- 
funden ift, fo bat nıan Grund zu folgern, daß biefe in Rebe ſtehenden Ge⸗ 
bilde bier ploͤtzlich bis zum völligen Verſchwinden an ver Oberfläche in bie 
Tiefe ſinken, und es ergiebt fich zugleich das merkwürdige Nefultat, daß feit 
vielen Jahrhunderten die politifche Grenze des alten Litthauens ge» 
gen Preußen und Polen mit einer geognoflifhen Grenze oder 
dem Weſtrande des vorweltlichen devoniſchen Plateau zuſam⸗ 
mengefallen ift. Ob nun Zufall oder innere Gründe dieſe auffallende Erſchei⸗ 
nung bervorriefen, dürfte jebt fchwerlich noch zu ermitteln fein. Daß jedoch 
der Sandſtein an ver gegenwärtigen politifchen Grenze nicht völlig aufhört, 
fondern daß verfelbe auf preußifchem ®ebiet in ver Tiefe fortjeßt, fcheint ſich mit 
ziemlicher Beſtimmtheit aus dem befannten Vorkommen einer Salzquele am 
Pregel zu Ponnau im Amt Taplafen (Infterburger Kreis), folgern zu laſ⸗ 
fen. Steht auch dieſe Duelle anfcheinend ifolist da, fo ift fie ficher- 
lich mit devonifchen Gypsmafien in ver Tiefe in Verbindung, und fie dürfte 
wahrfcheinlih nur der weſtlichſte Ausläufer eined großen, ver devoniſchen 
Gruppe dieſer Gegenden angehörigen Salzquellenzuges fein, deſſen öͤſtlichſte 
Glieder im Gubernium Nowgorod die reichhaltigen Salzquellen von Staraia 
Auffa **) und die am Weftrande des Ilmenſees bei dem Dorf Mfchagur ges 
legenen, ferner in dem mit Gypsablagerungen erfüllten Gubernium Pſkow die 


®) So fah Murchiſon rothen Grus in den Einfchuitten des Weges nah Tan: 
en. 
%#) Helmersen im Bull. sc, de l’Acad. de Petersburg. Sc. math. et phys. VII, 


74; VIII, 170. Schon 8. von Buch vermnihete im Jahre 1841 mit Grad, daß 
die Soolquellen von Staraja Ruffa im devonifchen Terrain liegen. 


Skizze der orographifchen sc. Berhältnifie von Liv⸗ Eſth⸗ u. Kurland. 895 


zu Sulenskoie (Salzort) am Norbrande bed Buberniums vorkommenden Salz⸗ 
quellen bilden *). In Kurland, Livland und Eſthland Hat man zwar bisher 
feine Quellen der Art oder andere Anzeichen von Salguorfommnifien gefun- 
den (Murdhifon 51 — 52), doch erfchienen vie vortigen Gypsmaſſen fchon 
Murchifon fo einlanend zur Salzgewinnung, daß er bereit mit beflimmten 
Worten ausfprah, Bohrungen vermöchten in ven baltifchen Provinzen zu gro⸗ 
sen Nefultaten zu führen (a. a. O. 52). Noch Hoffnungsvoller ſind folche 
Anzeigen längs der polnifch«ruflifchen Grenze in der Nähe des Niemen ober 
grade dort, wo Ulmann zuerft die Eriftenz devoniſcher Sandſteine nach⸗ 
gewiefen hatte. Hier kennt man feit Ianger Zeit hart am und faſt im 
Flußbette des Niemen einen ganzen Zug freilich ſchwacher Salzquellen, wo⸗ 
yon mehrere bereit3 zur altpolnifchen Zeit durch den bekannten polnifchen 
Naturforfcher Jundzilt chemifch unterfucht worben waren. Die nörblichfte nach 
Ulmann und Dubois if die von Drufzkieniti **) unfern Przewalek; ſüdlich 
davon, ebenfalls Hart am Niemen, giebt es eine zweite, die zu Jezna bei 
Birfzstany (Ulmann IV, 39), endlich noch weiter fünlih 2—8 Quellen (Dubois 
U, 151) zwifchen dem wiederum am Niemen gelegenen Städtchen Merecz 
und Niemonaicze. Naͤchſtdem erwähnen Rzaczynski, ein alter polnifcher Schrift« 
fteller aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts, Ulmann und Dubois zu 
Stoflifzli ***) am Wierzchnaflüßchen, eine ſchwache, früher zum Salzkochen be= 
nußgte Duelle, jo wie Dubois noch von einer zu Labanow, noͤrdlich Kowno an 
der famogitifchen Mufza, enblich von bitteren und falzigen Waſſern zu Janiſzki, 
2 Meilm von ver Turlänvifchen Grenze im Diftriet Szarole, berichtete. Konn⸗ 
ten Namen fichere Anhaltspunkte für das Dafein von Salzvorkommniſſen ab⸗ 
geben, fo wären vergleichen felbft zu Soloma, ſudlich Birz, zu Solomies, SO. 
von Poſwoͤl, ferner an dem unfern der Turländifchen Grenze, fühweltlic Dü- 
naburg gelegenen Derichen Solof, und endlich zu Sukufi, weftlih von So⸗ 


*) Die Berfuche, die Salzquelle von Ponnau nupbar zu machen, gehen bis in 
eine fehr frühe Zeit zurüd, indem die älteflen, von dem verflorbenen Geheimen Ar- 
chivar Faber in dem königeberger Archiv entdeckten Nachrichten hierüber bis in den 
Schluß des 14. und den Anfang des 15. Jahrhunderts (1399 — 1409) reichen (Preuß. 
Archiv 2. Sammlung 264 — 268). Damals fcheinen hier nicht unerheblihe Quantis 
täten von Salz gewonnen worden zu fein. Ueber vie fpäter wiederholten, niemals 
aber ausdrücklich fortgefepten Berfuche der Art aus deu Jahren 1692, 1783 und 1808 
berichtete Hagen in feinen Beiträgen zur Kunde Prengens I, 241—249. Auch im 
16. Jahrhundert Hat es an dergleichen Beſtrebungen nicht gefehlt, wie mir der bes 
rähmte Hiftorifer, Geheimer Archivar Boigt, welcher die Ponnauer Quelle häufiger 
in feiner Gefchichte Preußens erwähnt (VI, 392; VII, 32; IX, 324), brieflich mits 
theilt. Das Salzvortommen dieſer Lecalität gab fogar den Litthauern Veranlafiung, 
fie ven Drusfenwinfel, d h. Salzwinfel, zu nennen (Hagen a. a. O. I, 244), da 
Druffi im Litthanifhen Salz heißt. S. auch Voigt Marienburg, Königsberg 1824, 212, 

28) Auch diefer Namen if fichtlich in Bezug auf die Galzquelle entfianven 

®#*) Ad Stoklifski oppidum Palatinatus Trocensis sal ex puteali aqua olim ex- 
coquebatur; bodie negligitur bei Rzgesynski S. J. Auctuarium historiae naturalis 
curiosae regni Poloniae 191. 


896 Neuere Literatur: 


Iof anzunehmen, worüber jenoch bisher nichts Beſtimmtes ermittelt wurde. 
— Es ift nun bei dem Reichthum des noͤrdlichen Litthauens an Salzquellen 
häufig frie Frage aufgemorfen worben, ob es hier Steinfalz giebt, wie bie 
Bevölkerung ſchon in älteren Zeiten die Ueberzeugung hatte und, wäre es ber 
Ball, wo vaffelbe zu fuchen fei. Die dftere Anregung viefes Gegenſtandes bei 
ter Megierung führte fchon zu Kaifer Pauls Zeiten zu Bohrverfuchen im 
Gypsterrain von Kownie bei Bir; (Duboiß II, 149), die refultatlos blieben, 
ta die Bohrlöcher wie es fcheint, nur bis in geringe Tiefen getrieben wur⸗ 
den. Spätere ähnliche Aufforderungen veranlaßten um das Jahr 1825 Die 
auf Befehl ver ruffifchen Negierung unternommene, fehr dankenswerthe geo- 
gnoftifche Unterfuchung ver jeßigen Gubernien Kowno und Wilna durch Ul⸗ 
mann, welchem inveffen die Zeit zu Eurz zugemeflen war, als daß feine Er⸗ 
gebniffe überall befrierigen fönnten. Doch fprach verfelbe mit Beſtimmt⸗ 
heit aus: Es fei Hoffnung vorhanden, daß man, wenn auch in bebeutenver 
Tiefe, in den bisher unterfuchten Theilen Litthauens reiche Salzquellen finden 
werbe (IV, 32). Uebereinflimmend und, wie es fcheint, vöRlig felbfiftännig, ohne 
Kenntniß von Ulmann’d Arbeiten, äußerte auch Dubois (II, 152) wenige Jahre 
darauf, daß die Eriftenz des Steinfalzes in den weftlichen Theilen der jeßigen 
Bubernien Kowno, Wilna und Grodno nicht zu bezweifeln fei. So erjcheint 
alfo vie Anficht als vie wahrfcheinlichfte, daß, wenn Steinfalzlager, wie 
nicht zu bezweifeln, die litthauiſchen Soolen fpeifen, man biefelben im devo⸗ 
nischen Terrain zu finden habe. Leider ift meines Wiſſens in neuerer Zeit 
fein Verſuch in der Hinficht gemacht worven *), obmohl vie Loͤfung dieſes 
Gegenſtandes eine große technifche Wichtigfeit für Rußland hat, da die nord⸗ 
weltlichen Iheile dieſes Reichs im Süben der Oftfee bis zu den Salinen von 
Staraja Rufſa gar feine eigene Salzproduction befigen. Für das benach⸗ 
barte Oftpreußen hätte diefe Brage Feine geringere Bedeutung, weil dieſes Land 
gleichfald der Salinen entbehrt. Berüdfichtigt man aber, daß Ponnau in 
gerader Richtung kaum 15 deutfche Meilen von ven Salzquellen zu Birfztany 
oder Drufzfienifi entfernt ift, fo würden glückliche Verfuche in der einen Ges 
gend unzweifelhaft die Auffinnung reicher Quellen in der anderen zur Folge 
haben **). — Ob endlich die ungeheuern Anhäufungen von Trümmern älterer, 
Trilobiten führender Kalkfleine in der Nähe ver ruffiichen Grenze Oſtpreu⸗ 
fieng, die zu einem bedeutenden Nahrungazweige für die zwifchen den Mündungen 
der Jura und Szefzuppa in ben Niemen und ber rufjifchen Grenze gelegenen 


— 


*) Nur Ulmann machte einen oberflächlichen, 1043 Klaftern tiefen Bohrverſuch 
durch rothen Lehm, bis Felsmafien in ver Tiefe dem Verſuch Grenzen ſetzten. Die 
rothe Farbe der Oberfläche läßt vermnthen, daß dies anftehenve devoniſche Kalkſteine 
waren. 

“s) Auch in anderen Gegenden Europa's ift die Salzführung des rothen bevo: 
nifhen Sandſteins nicht nubekannt, obgleich man größere Salzmaflen darin noch 
nicht gefunden bat. So fagt Newbold Asiatic J. 1846, VIII, 171: It is a well 
kuown fact, that the Old red in ıhe north of Scotland is saliferous. 





Skizze der orographifchen sc. Verhaͤltniſſe von Liv», Efth- u. Kurland. 397 


Dörfer Pogallen, Wiſchwill, Kalmehlen, Brofien, Ufchlitten, Kaſigkehmen, 
Endroffen, Schmaleningfen im Norven und die Dörfer Trappöhnen, Loböh⸗ 
nen nnd Schillehnen im Süden des Niemen dienen, von zerflörten Raͤndern 
des famogitifchen Plateaus berrühren, over ob vie Kalkftüde aus dem Nor» 
ven herbeigeführt wurben, iſt eine noch nicht unterfuchte Frage. 

Auch ein andered geognoftifched Phänomen ift für die Bildungsgefchichte 
diefer Gegenden und der fünbaltifchen Länder von Intereſſe. Es ift dies das 
©. 388 bereits erwähnte Vorkommen der Iuragruppe zu Popilani an ber 
Windau in Samogitien *). Eichwald's überaus oberflächliche Mittheilungen 
über den merfwürbigen Punkt, der gemiffermaßen ein verbinvenbes Glied zwifchen 
den ausgedehnten Juramaffen des dftlichen Europa an der Ofa, der Moſkwa und 
denen im Weften bildet, betrafen faft nur ven Kalkitein, während fich 
aus des Beobachters eigenen Worten ergiebt (a.a. O. II, 4, 4), daß ber 
unter dent Kalk zu Popilani liegende hochbraune Eifenfand theils in ven Kalk⸗ 
flein übergeht, theils viefelben Verfleinerungen enthält, alfo mit ihm ein gleich⸗ 
altriged Gebilde fein muß. So war faum zu bezweifeln, daß genauere For⸗ 
[dungen zur Entvedung noch anderer aͤhnlicher Iuraablagerungen in viefen 
Gegenden führen würven, um fo mehr, als Eichwald felbft bemerfte (S. 8), 
daß die eifenhaltige ſandige Lehmerde im Liegenden des Kalkfleins in Verbin⸗ 
dung mit derjenigen ift, woraus am Windauufer die Hügelluppen beftehen. 
Spätere Unterfuchungen ver Popilanier Petrefacten durch 2. von Buch er 
wiefen ſodann gründlich, daß beide Gebilde, Kalkftein und brauner Sans, 
Suragebilde find, welche von dem berühmten Borfcher der Oxfordformation 
zugerechnet wurben. So konnte ed für ficher gelten, daß die Popilanier 
Kalfe Aequivalente der den unteren Oxfordthonen England's untergeorpneten 
Kalkbaͤnke von Chriſtian Malford und Kellowaybrivge bei Chippenham in 
Wiltfhire, ver braune Sand aber ein Aequivalent der ebenfalls zu Kelloway⸗ 
bridge vorkommenden braunen eifenfchüffigen Sandfleine, des eigentlichen ſo⸗ 
genannten Kellowayrock und der dortigen bitumindfen Schiefer, ſowie der zur 
Orfordformation Deutſchland's gehörigen braunen Sanpfleine und Thoneijen» 
feine von Thurnau und Langheim in Franken find, da auch der Reichthum 
an Thoneijenfteinen zu PBopilani dafür ſprach. In der That wurden dieſe 
unteren Oxfordgebilde in neuerer Zeit in Kurland vorgefunden. Schon Eich» 
wald (a. a. ©. 15) berichtete Hier von ver Eriftenz eines fehr neuen, ho- 
tigontal gefchichteten Kalkſteins, den er einige Meilen nur von ber litthauifchen 
Grenze zu Luckenhof (Lucken), gegenüber Nigranden, am rechten Ufer ber 
Windau antraf, wo derſelbe zum Kalfbrennen benugt wird. Gichwalo nennt 
ihn verfteinerungaleer (a. a. O. 15), mas aber irrig if, da Koch und Schmidt 
(Send. II, 104; II, 5) ausbrüdlich von den PVerfteinerungen des bei Nigran- 
den und dem unweit davon gelegenen Dorf Alfchhof gebrochenen weißen Jurakalk⸗ 





*) Andere Berichterkatter nennen biefen Namen Popilian. 





398 Neuere Literatur: 


fleins fprechen, welcher den beiten Kalk im Lande giebt, weshalb alfo die Kalk⸗ 
gebilde beider Seiten der Windau unzweifelhaft zufammengehören. Nach ven 
von Koh, Schmidt und anderen (Kurl. S. IL, 109) aufgefundenen Verſteine⸗ 
rungen (Ammonites Jason, A. Pollux, Belemnites canaliculatus, Terebra- 
tula varians und impressa) iſt der Nigrander Kalk ein entfchienener Orforb- 
Jurakalk und alfo mit dem PBopilanier ivdentifch *), fo Daß für höchſt wahrfcheinlich 
gelten muß, daß weitere Unterfuchungen den unmittelbaren Zuſammenhang 
des famogitifchen umd des nur 7 Meilm davon entfernten Eurlänbifchen Ju⸗ 
rakalks ergeben werben **). Indeſſen unterfcheiven fich vie beiden Ablage» 
rungen in mancher Hinfiht. Don dem braunen eifenfchüffigen Lehm umd 
Sand fcheint nämlich nichts bei Nigranden vorzufommen; flatt deſſen finden 
ſich Hier blaue oder fchwärzliche Thone mit Braunfohlen von 4 bis 5%. 
Mächtigkeit, welche theild an dem Lehditſch⸗ oder Lehtingsbach bei Groß Ni⸗ 
krahzen, Meldſern und Wormfathen, theild auch an ven Ufern der Windau 
zwifchen Nigranden und Windaushof zu Tage fichen (Koch II, 104; II, 
24—25. Schmidt IH, 5**%*)). Diefer Thon neben dem Kalk von Nigran⸗ 
den enthält ebenfalls nach Schmidt die fehönften Eremplare ver Jurafauna. 
Durch die neueren Unterfuchungen Murchiſon's im öftlichen Rußland haben 
die hieſigen Bobenverhältniffe eine neue Bedeutung erhalten, indem ſich da⸗ 
durch ergab, daß in Oſt⸗NRNußland ganz ähnliche, nad) ven Berfleinerungen 
dem Kellowayrod angehörende Gebilde in großer Verbreitung auftreten (The 
Geology I, 234; 254— 255). Auch die braunen eifenfchüfjigen Sanpfleine 
nebft den ſchon von Eichwald bei Popilani und Koch (III, 25) bei Nigranden 
beobachteten Thoneifenfteinnieren, finden ſich dort, gerade wie Hier. Vergleichen wir 
hiermit noch dad Auftreten ganz verfelben braunen Sanpfleine und blau = grauen 
Jurathone zu Soltin und auf der Infel Griſtow bei Cammin in Pommern, 
welche fchon vor 17 Jahren von mir entfchieven für Kellowayrock erklärt wur⸗ 
den (Karften Archiv für Mineralogie XX, 449), die braunen, burch Herrn 


*) Anßer dem zu Popilani befanuten charakteriſtiſhen Ammonites Lamberti 
nennt 2. von Buch bier gleichfalls Anımonites Jason, Ammonites Pollux und Tere- 
bratula varıans. Karſten Arhiv XV, 75— 80; Gichwald Nantilen, die nicht felten zu 
fein fcheinen nnd zum Theil in beträcdhtlicher Größe vorlommen (a.a.D. 9); ja 
bei dem Ban des Windaucauals fand man dergleichen fegar in colofialer Größe 
(Sendungen I, 19). Bemerfeuswerth ift endlich Belemnites giganteus (Eichwald 9), 
der auch bei Nigranden von Echmidt angeführt wirb (III, 5). Koch (III, 27) fagt fos 
gar ausvrüdlich, daß die Verfleinerungen Popilani's fämmtlih bei Nigrauden vers 
omnıen. 

“*) Ob dergleichen Iurafalfe noch tiefer in Samogitien erfcheinen, am Urfprunge 
ber curlaͤudiſchen Muſza im Kirchfpiel Kalwary, ift noch zu ermitteln. Gin eigenthäm- 
liches Kalfgebilve bärfte hier allerdings vorlommen, da Ulmann (IV, 29), ver davon 
Kenntniß giebt, fich bewogen fühlte, die dortigen Kalfe ven Popilaniern anzuichließen 
und beide fogar für Zechfleiufalfe zu erklaͤren. Yür eine weitere Verbreitung des Ris 
grander Gefleins nach Südoſten würde allerdings Schmidt's Angabe (III, 5 und 6), 
baß der Iurafalf zu Eſſern an der famogitifch »Furländifchen Grenze anfteitt, fprechem, 
worüber er jedoch feine Data beibringt. 

**®) Diefe Braunfohlen erwähnte ſchon Watſon im J. 1822. Kurl. Sahresv. 11,302. 


Skizze der orographifchen ıc. Verhaͤltniſſe von Liv⸗ Eſth⸗ u. Kurland. 399 


von Oeynhauſen zuerft erwähnten Sandſteine ver Inſel Wollin und vie vor 
2 Jahren entdeckten, an bitumindfem Holz reichen blaugrauen Jurathone und 
Juraſandſteine mit charakteriftifchen Orforpverfteinerungen zu Nemit bei Cam⸗ 
min, endlich die durch meine eigenen Unterfuchungen beftätigten Ergebniffe Forch⸗ 
hammer's über die von ihm vor einigen Jahren grünvlich befchriebenen mürben 
Jurafandfteine, Thoneifenfteine und braunfohlenähnlichen Kohlen auf Bornholm, 
woran fich zunächft Die Gebilde von Hoer und Hogänes in Schonen anfchließen, 
fo ergiebt fich als im höchften Grabe wahrfcheinlich, daß fich überall in geringer 
Tiefe unter dem Schuttlande der baltifchen Ebenen mittlere Glieder der Jura⸗ 
gruppe fortziehen müflen. Dadurch erklärt fich fehr wohl der ungemeine Reich⸗ 
thum der norbveutfchen Diluvialablagerungen vieler Kocalitäten, namentlich am 
Weſtrande der Spree bei Berlin (von Buch, Karſten Archiv XV, 74), bei 
Kimigäberg, in Borpommern und auf Rügen an loſen Eremplaren des blauen, 
dfterd Brauntohlenfpuren enthaltenden Oxfordkalks*) und von perlmutterglän« 
zenden Orfordammoniten, 3.8. Ammonites Jason. Nur ver Unterfchien findet fich 
in den verfchienenen Localitäten des Vorkommens fehler Orfordgebilde, daß 
viefe theils braunfohlenähnliche Steinkohlenlager, wie in Kurland, Schonen nnd 
auf Bornholm führen, teils ohne folche, wie in Pommern, an ver Moſkwa und 
an der Ofa, auftreten. Jedenfalls folgt aus dem Gefagten, daß Kurland einer 
der geognoflifch und geographifch interefianteften Theile der fünbaltifchen Laͤn⸗ 
der ift, dem mehrere folche audgezeichnete Arbeiten zu wünfchen wären, wie bie 
bier von Rathlef gelieferte. Gumprecht. 


Miscellen 


Der Bezirk von Sfar in Tuneſien. — Bis zur Eroberung 
Algeriens durch vie Franzoſen gehörten, mit Ausnahme Aegyptend, vie afri= 
Fanifchen Länder am Mittelmeer, ungeachtet ihrer Nähe an Europa, zu den 
unbelannteften der Erde, wie ed noch heute mit Marocco ver Fall ift, waͤh⸗ 
rend Algerien feitven durch vie raftlofe Thätigkeit der franzöfiichen Officiere 
und Naturforfcher in allen Theilen vurchforfcht worden ift und zu erwarten 
fieht, daß die Kenntniß dieſes Landes in einer kurzen Reihe von Jahren mit 
ter der am beften unterfuchten Gebiete Europa’8 wird wetteifern können. Auch 
in das benachbarte, in fo vieler Hinficht intereffante Tuneſien, deſſen Inneres 
wir noch vor Kurzem faft einzig durch des Englänter Shaw vor mehr als 
100 Jahren (zuerft 1738) erfchienenes Werk fannten, pa Peyſſonel's und 
Desfontained Berichte erft vor einigen Jahren, und auch ba nur unvollftäns 
dig erfchienen (Voyages dans les r&gences de Tunis et d’Alger, publies 
par Dureau de la Malle. Paris 1838. 2 Bde.), haben die Branzojen 
ihren Unterfuchungßeifer getragen, doch ift bisher mur wenig von ben Ergeb» 


©) Klöden Beiträge zur mineralogifchen Befchaffenheit der Mark Brandenburg 
1833. VI, 53. Die auhekenben Kalfe von Nigranden enthalten gleichfalls Braun⸗ 
Tchlenpartien. Koch . 


I, 





400 Mistellen. 

niſſen ihrer Arbeiten veroͤffentlicht worden, und namentlich vermiſſen wir noch 
immer eine genũgende Karte von Tunefien, fo wie es und auch unbekannt 
if, ob ein von dem thätigen franzöfijchen Generalftabs - Officier Pricot Sainte 
Marie, welcher auf Beranlaffung ded gegenwärtigen Bey von Tunis und mit 
Bewilligung der franzöfifchen Regierung mehrere Jahre hindurch fich mit 
der Aufnahme Tuneſiens beichäftigt Hat, bearbeiteter und nach Neinaud's 
Angabe ſchon im Jahre 1848 im Drud geweſener Bericht ( Aboulfeda tra- 
duit par Reinaud. II, 1, 198) über das in Rede flehende Land erfchienen 
if. So beichränft fich unfere neuere Kenntniß von Tune ſien auf einzelne Beis 
träge, die wir Grenville Temple (Excursions in the Mediterranean. Lon- 
don 1835. 2 Vol.), Kennevy (Clark Kennedy Algeria and Tunis. Lon- 
don 1846. 2 Vol.), Barth (Wanderungen durch die Küftenlänver des Mit» 
telmeered. Berlin 1849), Spratt (Journal of the Geogr. Soc. of Lon- 
don. XVI, 251), ®rar (Bull. de la soc. de Geogr. de Paris. 3=* Ser. 
XIV, 80—103; Revue de l’Orient. IV, 193—204, VI, 273—298), 307— 
335; VII, 149—161; VIII, 340— 348), Bricot Sainte Marie ( Vivien Saint- 
Martin Nouv. Ann. des Voyages. 1848. II, 222— 224), Loir» Mentgazon 
Revue de l’Orient. Paris 1844. III, 318— 342), Gfcayrac de fauture (Comp- 
tes rendus de l’Academie de Paris. 1849. II, 331—332), Daur (Revue de 
l’Orient. IV, 361) und Garette'3 Erfunvigungen (Exploration scientifigee 
de l’Algerie. Sc. hist. et geogr. I, 1 u. ſ. w.) verdanken, wobei ed nur 
zu bebauern ift, daß die Ergebniffe der ausgerehnten Unterfuchungen, welche 
um das Jahr 1815 Tängere Zeit hindurch ver Graf Camillo Borgia im In» 
nern Tunefiend unternommen hatte, und wovon nur einige, die Ruinen von 
Carthago betreffende Bruchflüde durch Eftrup befannt wurten (Lineae to- 
pographicae Carthaginis Tyriae. Havniae 1821), ferner vie Refultate ähn- 
licher Forfchungen des durch langen Aufenthalt in Tunis mit dem Lande ſehr 
wohlbekannten ehemaligen bänifchen General⸗Conſuls Kalbe, und endlich vie 
des deutſchen Architeeten Ganegger aus Donauefchingen, ter ſich von 1832 
an wenigftend 10 Jahre in Tuneften aufgehalten bat und ein großes flatifli= 
ſches und geographifches Werk in 7 Bänden herauszugeben beabftchtigte (Bull. 
de la soc. de Geogr. de Fr. 2=* Ser. III, 64; IV, 277; XIX, 128, 175), 
niemald veröffentlicht worden find. Bon größeren und originalen neueren Kar» 
ten über Tuneflen befigen wir nur bie im J. 1842 von dem franzöfifchen Ge⸗ 
neraljtabe auf Beranlafjung ded Kriegeminifteriumd im Maaßſtabe von 1: 400000 
beraudgegebene, welcher vorzugdmweife die Arbeiten Balbe's und bie älteren 
Pricot Sainte Waried zum Grunde liegen. Unter diefen Umflänven bürfte 
ed nicht unzwedmäßig fein, einige Notizen zur Kenntnig Tuneſiens mitzutbeis 
Ien, welche vie officiele Zeitfchrift des franzdfifchen Handelsminiſteriums: An- 
nales du commerce exterieur. 3852. No. 637, 6— 37, aus einem Be⸗ 
richt des franzdfifchen Confularagenten zu Sfar, A. Eſpina, über die Stadt 
und ven Diftrict dieſes Namend entnahm, weil verfelbe einige neuere, nicht 


Der Bezirk von Sfar in Tunefien. 401 


unintereflante Data über eine Gegend des Lanved mittheilt, welche in neuen 
ver Zeit auch durch Temple und Barth befucht worben war. 

Bon den verfähienenen Bezirken Tuneflens ift nach Efpina ver in einer 
Ausdehnung von 25 Lieued von Norden nach Süben längs der Küfte des 
Mittelmeered gelegene von Sfar (Uathan mtäa Sfäkess; der Name Sfar 
oder Sfakès bei Ejpina, oder auch, wie Shaw, Ausg. von 1757, 112, fchreibt, 
El Sfakufſ, fol nach dem letzten Reiſenden von einer Art Melone, vie in gro- 
Ber Menge in den Umgebungen des Ortes wähft und in ver Landesſprache 
Fakuſe Heißt, berrühren) wegen feiner Lage gegen Europa, namentlich ge⸗ 
gen Sicilien und Malta, feiner politifchen Verhaͤltniſſe und feines Handels 
einer der wichtigften. Im Norden durch den Stamm ver Metelid und das 
Gebiet der 26 Lieued von der Stadt Sfar entfernten Seeftadt Mahabia und 
das Gebiet ver Stadt Monaftir, im Süpen durch den Bezirk von Babes be⸗ 
grenzt, bildet er felbft eine Art Enclave im Gebiet der Metelis, vie, gemöhn- 
lich 6000 Zelte flark angenonmen, um bie Hauptpunfte des Bezirkes herum⸗ 
wohnen. Dem letzten gehören außer ver Stadt noch iO größere und klei⸗ 
nere Dörfer an. Die Stadt Sfar liegt in 34° 44’ n. Br. und 8° 22’ oſtl. L. 
von Paris und Hat innerhalb ihrer Mauern und außerhalb verfelben in 
ihrem Weichbilde zufammen 10000 Einwohner (Barth giebt ihr 20000. Wan 
derungen S. 180), welche als invuftrieufe und thätige Handelsleute bekannt finv. 
Sie beftcht aus 2 Theilen, einem größeren, von Ringmauern umfchlofienen 
und gewöhnlih EI Bled, das Land, genannten mit 500 zwei» und mehr- 
ftödigen Gebäuden (den fogenannten älia), 1800 einftödigen (diarf) und 
einer feßhaften ganz muhamedaniſchen Bevölkerung von 11500 Köpfen, Arabern, 
Mauern und Negern, wozu eine flottirende von ungefähr 500 Individuen tritt, 
fowie einem viel Fleineren Theil, dem EI Rbadh (der Name erinnert an bie 
Stadt NRhät in Marocco (Gumprecht Geographie von Marocco ©. 35) 
oder der Vorſtadt der Marine, welche zunächft außerhalb der Mauern 
liegt und nur etwa 1500 Einwohner Hat, vie faft ausfchließlich Nichtmuha⸗ 
medaner find, nämlich Chriften oder Iſraeliten, Ießte theild europäifchen Urs 
fprungs, theild Eingeborene. Unter ver Bevölkerung EI Rbadhs herrfchen 
die iſraelitiſchen Rayas (Beſchützte), etwa 1000 Köpfe, vor, unter dem chriſt⸗ 
lichen Theil die Maltefer. Nordweſtlich Sfar liegen in deſſem Weichbilde noch 
2, aber viel Fleinere Nbavhe, Nbaph-Guabfla oder die Vorftabt der Ein 
wohner von Shabes, und Rbadh Aüidia oder Rbadh Melek, die Eönigliche 
Vorftabt, beide zufammen mit nur 500 Bewohnern, und aus Lchmhätten bes 
ſtehend. Die Bewohner ver beiden letzten Rbadh ſind treffliche Hauſirer und 
eben fo treffliche Kameelführer für vie Reiſenden nach dem Dfeherid ober dem 
inneren, battelreichen Tuneflen. Einige verfelben befchäftigen fich felbft da⸗ 
mit, ihre Kameele zu den Karavanenzügen in das Innere des Continents zu 
liefern. Das Weichbild von Sfar (la campagne de Sfax), ober das Raͤh⸗ 
bet Sfakeſſ wurde neuerlichft durch vom Beh ernannte Sachverflännige auf 

Beitfchr. f. allg. Erdkunde. Br. I. 26 


402 Miscellen: 


2375914 Merdja (vie Merdja = 6 Duabratmeter) geſchaͤzt. Außer ber 
Stadt liegen in dem Bezirk viefed Namens: Zuvoͤrderſt von Norven nad 
Süden die Dörfer Bordſch⸗Khadidſcha am Vorgebirge Capudir (Ca⸗ 
poudia von Shaw 111), dem Caput Baba des Procopius, einem Erken⸗ 
nungdpunfte für die anfommenven Schiffe, weldhe gewöhnlich ſchon in 5 Mei⸗ 
len Entfernung von der Küfte bei 4—5 Klafter Tiefe zu ankern pflegen. 
Der Ort hat eine Garniſon regelmäßiger tunefifcher Truppen, und in feiner 
Nähe zu beiven Seiten des Caps find Zollbeamte zur Verhinderung bei 
Schleichhandels ftationirt, welche beſonders durch vie darin fehr geübten Mal 
tefer in ihren Eleinen Küftenfahrzeugen mit dem durch vie tuneſiſche Re⸗ 
gierung für Contrebande erklärten Schießpulver betrieben wird. — Schebbe, 
AM. ©. von Bordſch⸗Khadiſcha, mit 7— 800 Einw. und einer Bejagung. 
In der Umgebung giebt e8 etwa 23000 Delbäume, wovon jährlich eine Ab⸗ 
gabe zu 4 tunefifchen Biaftern von jenem Baum durch ven Beflger an ben 
Staatsfchag zu entrichten if. Die Bevölferung treibt fehr lebhaften Handel 
mit Sfar, wohin fie ihre aus dem Espartogras (Stipa tenacissima Lin.) 
gefertigten Waaren, Holztohlen und die zur Fabrication einer flüffigen Seile 
(Sabun metluk) gebrauchte Afche des Dzarore oder Dichederi (des proven⸗ 
califchen oder algerifchen Lentiscus) bringt. Auch vie hiefigen Bohnen und 
Dreu (?®.) werben zu Sfar fehr gefucht. — Suza, Dorf fünlid vom 
Schebba, am Meere gelegen, 300 Einw. — Mellulech, im Innern bed 
Landes, 150 Einw. — Norböftlich von Sfar befinden ſich ferner: Dſchibi⸗ 
niana, das Dſchebeliana der Europäer, ein ziemlich großer Ort von 1000 
Einw. und lebhaftem Handel mit Kalk, Holzkohle, fehr gefchättem Käfe und 
dem von den Einwohnern angefertigten Del, welches nach Sfar geht. Der 
Kalt wird zum Theil feewärts audgeführt. Außerdem erntet man in bet 
Umgegend trefflichen Kümmel, welcher gleichfalls nach Sfar verfandt wird. — 
Hazeg, großes Dorf mit 650 Einw. — Südweſtlich von Sfar liegen end- 
lich Die Orte: Sidi Agareb, einer ver größten des Bezirks, mit 1200 Ginm., 
die wegen ihres reichen Bodens viel Handel nach Sfar und der Infel Ker⸗ 
fina treiben, nach welcher letzten aber beſonders das in der Umgegenb in 
Fülle wachfende Eſparto gelangt. Es Fomnıt dieſes in 2 Arten vor, als eine 
Iangfaferige Art, die Halfa mahbula, und als eine furzfaferige, vie Halfa 
russia. Außerdem bezieht die ganze Gegend ihr meiſtes Brenn- und Schiffs⸗ 
Bauholz, welches von alten Delbäumen herrührt, von bier, fo wie man hier 
auch viel Kümmel baut. In ver Nähe fließt ein Bach, ver Uad Agareb, faſt 
beftänpig, der deshalb auch für Sfar fehr wichtig if, weil er die großen, gleich⸗ 
falls von Barth gefehenen Reſervoirs fpeift, wodurch die Stadt mit Wale 
fer verforgt wird. Alle bisher genannten Orte haben eine ſehr beden⸗ 
tende Oelbaum⸗Cultur, da man im ganzen Bezirt 190000 fieuerpflichtige 
Delbäume zählt, wovon die Regierung ein Einfommen von ungefähr 130000 
türfifche Piaſter zieht. Gegenüber Sfar, 5 Lienes oͤſtlich davon, liegt die 


Der Bezirk von Sfar in Tunefien. 403 


8 Lieued Yon Norden nach Süben lange und etwa 24 Lieues höchftens breite 
Kertina » Infelgruppe mit 6000 fehr gewerbfleißigen Bewohnern. Män« 
ner, Frauen und Kinder befchäftigen fich hier bauptfächlich mit Anfertigung 
mannigfacher Stoffe aus Efparto und den Blättern ver Zwergpalme, die er« 
wachfene männliche Bevölferung außerdem mit Schifffahrt, Fiſchfang und 
Handel. Aus dem eingeführten Efparto, da auf der Infel felbft keins waͤchſt, macht 
man im Jahr etwa 20000 Kameeldecken, und von anderen Waaren circa 
4000 &tr., nämlich: Matten zum Bedecken der temporairen Hütten auf der 
Rhede von Sfar und GStride von verfchievener Stärke u. ſ. w.; aus ven 
Palmblättern Emphalet, d. 5. Hüte mit fehr breiten Krämpen, dann Dſchengron 
und Alaga (beides große Säde zum Aufbemahren ver Fifche und Früchte). 
Die Eipartofabricate bewirken allein einen jährlichen Umfaß von 50000 tu= 
nefifchen PBiaftern und find ein Handelsgegenſtand nach allen tunefifchen Maͤrk⸗ 
ten, wohin ſie jede Woche durch Kameele von Sfar aus verführt werben. 
Gleichzeitig gefchieht dies nach der Provinz Gonftantine, theild zu Lande über 
die Dafe Süf und Tebeffa, theild feemärts über Bona, Budſchia und Dellys, 
wohin die Infulaner dieſe Waare auf ihren eigenen Schiffen, ober auch auf 
maltefifchen verführen, wobei die Maltefer gewöhnlich ihre Handels Nfforie’s 
find. Die Kerfiner find geſchickte Seeleute, weshalb die tuneflfche Kriegsma⸗ 
rine zu zwei Dritteln aus ihnen befteht, da ſie wegen ihrer bekannten Taug⸗ 
lichkeit und Erfahrung allen anderen Seeleuten des Staated vorgezogen wer⸗ 
den. Doc verleitet ihre Tüchtigkeit fie zuweilen zum Seeraube, wie es 
im April 1849 geſchah. Ein anderer wichtiger Erwerbszweig ver Infulaner 
ft der Polypenfang und das Einfammeln von Schmwämmen auf den vie In⸗ 
felgruppe umgebenden Sandbänfen. Die Polypen und Schwämme bilden für 
dieſe Gegenden überhaupt einen ver größten Ausfubrartifel, und find fogar für 
den ganzen Bezirk von Sfar in hohem Grade wichtig. Der Bang ver er⸗ 
fin beträgt nämlich durchſchnittlich 1000— 2000 Er. im Jahr; im Jahre 
1851 fleigerte fich der Ertrag fogar auf 1600 Etr., fo daß ein einziges Hans 
delsſchiff im Januar deſſelben Jahres 900 Etr. des Artikels, ver getrocknet bes 
fonders nad) den jonifchen Infeln und Griechenland verfaudt wird, ausführen 
fonnte. Bon den 600 durch die Infulaner gefanmelten Gentnern Schwaͤmme 
gelangen dagegen die meiften nach Marfeille und Paris. Der tuneftfche Fiscus Hat 
deshalb von dem die Kerkinagruppe umgebenden Meere jährlich eine Revenue 
von 100000 Piaftern. Außerdem produciren die Infeln Natron, Meerjalz, 
Del, Bauholz und Baufteine, alles aber in fehr geringer Menge. Das Bau- 
Holz wird von ven 80000 auf den Infeln befinplichen Palmen, deren Früchte 
viel fchlechter al8 im Dfcheriv find, gewonnen, indem man die Stämme 
in 4 Theile der Länge nach fpaltet. inter ven Bevölferungen ver verfchiene- 
nen Ortfchaften des Bezirks fteht die des Hauptortes durch die Ausbehnung 
ihrer commerciellen Berhältniffe oben an, indem deren Schiffe nach Malta, Tri⸗ 
yolis und Alerandria, ja felbft bis Eonftantinopel gehen und vahin bie Bo⸗ 
26 * 


404 Miscellen: 


denproducte und die Manufarturwaaren des Diftrictd verführen. Gleichzeitig 
ſteht Sfar auf dem Landwege mit Algerien in Verbindung, da feine Garas 
vanen bis Tebeſſa und Tuggurt ziehen. Durch den Iehhaften Verkehr befin- 
det ſich die Bevölkerung von Sfar natürlich feit 2 Jahren im wachſenden 
Wohlftanve, was fie zum Theil ver neuen, weniger willfürlichen Verwaltung 
zu danken hat. (ES fcheint indeſſen, ald wenn ſich Sfar dfterd dieſes Vor⸗ 
theils zu erfreuen gehabt hätte, indem ſchon Shaw ven Handel der Stabt mit 
Del und Leinwand beträchtlich fand und nad) Verficherung des Reiſenden 
die damalige Bevölkerung in Folge ver Nachficht ihres Raid vie Krüchte ihres 
Fleißes genießen Eonnte und weniger von dem auf den Bewohnern der mei⸗ 
flen anderen Städte Nord⸗Afrika's beſtandenen Drud litt.) Ebenſo Hat 
die europäifche Bevolkerung fich im Verhältniß zur Entwidelung und der Be- 
nugung der natürlichen Hülföquellen des Landes vermehrt. Wie fehr über- 
Baupt ver maritime Verkehr ver Stadt in den legten Jahren gewachfen ift, er» 
giebt beſonders der Umſtand, daß im Jahre 1851 13 franzöflfche Schiffe von 
1212 Tons Laft einliefen, waͤhrend vies im Jahre 1850 erft mit 10 Schiffen 
von 953 Tond, und im Jahre 1846 gar nur mit 3 Schiffen von 360 
Zond der Ball war. In Europa find es befonderd Malta und Marfeille, 
wohin der meifte Verkehr von Sfar flattfinvet, weil dieſe Orte die meiften Pro⸗ 
ducte von Sfar beziehen, demnaͤchſt Genua, Livorno, Sicilien und Gibraltar. 
1851 Hätte man von hier ſchon 20000 Gentner Wolle verfenden Tönnen, da, 
wie befonvders Maggi in feinem älteren Werk über Tunefien (An account 
of Tunis, its governement, manners, customs, antiquities and commerce. 
London 1815) hervorhebt, die Wolle ftet3 ein Haupt Erportartifel Tunefiend 
war und eine Sorte der beften fpanifchen gleich kommt; früher ging vorzüg- 
lich viel von der tunefifchen Wolle nach Marfeille, mo fie von den Babrifan- 
ten des fünlichen Frankreichs gern gekauft wurbe; jetzt ift Died naͤchſt Mar⸗ 
feile mit Malta, Genua und Livorno, feld mit Amerika der Ball, und 
zwar nimmt der Wollenhanvel beveutend zu, indem im Jahre 1838 nur 
185000 Kilogrm. im Werth von 110000 tunef. Piaftern, im Jahre 1844 
aber fchon 217500 Kilogrm. im Werth von 130500 P., im Jahre 1847 
fogar 661000 Kilo’3 im Werth von 396000 P. zum Verkauf famen und das 
Duantum nad) Eſpina fich bis 1851 leicht auf 1 Mill. Kilo's erheben Eonnte. 
Außerdem ift ver Verbrauch ver feinen Wolle im Lande felbft ungeheuer, va 
die berühmten Fabriken auf ver Infel Dfeherbi daraus viele Stoffe, nament⸗ 
lih Deden, Mäntel und ven Kaſchemirſhawls ganz gleichlommenbe, präch- 
tige Gewebe anfertigen. Außer Wolle führt man Soda aus (jährlih 5—6 
Schiffsladungen), trodene Früchte (Feigen, Rofinen, Piftacien, Datteln, Man⸗ 
deln), Polypen und Schwänme, alles zufammen etwa 30 Schiffslanungen 
betragend, vie theild in eigenen, theils in tunefifchen und türfifchen Schiffen 
bon den Sfarern verfanbt werben, endlich Kümmel, Del (20 Schiffsladungen), 
Knochen nach Marfeille, Malta, baummwollene und leinene Stoffe nach Aleran- 
dria, Tripolig. Dagegen führt man in Sfar befonverd ein: fogenannte 


Der Bezirk von Sfar in Tuneflen. 405 


Maltafattıne (Malti), wovon es felbft im Dicheriv zu Tozer Nieverlagen 
giebt, um von da gelegentlich Suüd⸗Algier zu verforgen, und andere Baums 
wollenwaaren, namentlih Baummollengarn und baumwollene Schnupftücher 
nach Bibraltarmufter, ferner Sackleinwand, Anker, Stride, Eifen und Stahl 
in Barren, Schlofferarbeiten, Leiterwagen, Meubeln, Kaffee, Zuder, Gewürze, 
Neid, die unter dem Namen Simbel (Valeriana spicats) im Innern Afri⸗ 
ka's befannte, ſtark riechende Alpenpflanze, trockene Früchte (Nüffe, Kaftanien), 
Rum, Branntwein, Kartoffeln, Kohl, Bohnen, Gummilad, Glasſcheiben, Holz- 
reifen für Haarjiebe aus Venedig und Trieft, große fleinerne Krüge, Farbe⸗ 
waaren, Fußbekleidungsgegenſtaͤnde, Strümpfe, Shawls, gefalzene Fiſche 
(Thunfifche, Sarvellen, Stodfifche, Heringe), alles aus Malta. Außer mit 
Pulver findet enblich ein bebeutender Eontrebande= Handel mit Taback ftatt, und 
zwar nicht nach Sfar allein, fonvdern auch nach Schebba und Babes, woge⸗ 
gen viel Wachs, gleichfalls ein für den Privathanvel verbotener Artikel, ein- 
gehandelt und audgeführt wird. Der Handel mit Tabak und Pulver fol 
in Sfar einen Werth von 130000 tunefifchen Piaftern betragen. Bon Ga⸗ 
bos geht gleichfalls viel Tabak und Pulver in das Innere nach dem Dſche⸗ 
id. Aus Italien wurden in Sfar eingeführt: Weine aus Sicilien, befon- 
ders aud Marfala und Elba, altes Eifen, Nußbaumholz, Gewehrfchäfte, Td- 
pferwaaren aus Savona, Strobhüte aus Livorno, Seivdenzeuge und Mode» 
waaren aus Palermo, fertige Kleider; dann aus Conftantinopel: hölzerne 
Teller (ein beträchtlicher Handelszweig), Hölzerne Löffel und Nußbaumholz; 
aus DBengazi: Getreide; aus Aegypten: Lein, Baumwolle, Erbjen; aus ben 
übrigen türfifchen Ländern: Krapp, Teppiche, Decken, Galläpfel, Salpeter, 
Drangen= und Gitronenbäume; Orangenblüthenwaffer aus Tripolis, Salz 
von Zuara. Aus dem Inneren kommen zur Confumtion und Ausfuhr: Salz 
zum Einfalzen der Oliven von Zerrid, Krapp, Henna, Datteln (2 Sorten 
aus dem Dfcheriv: die Deglaforte von Nefta und Tozer, eine mittlere, bie 
Sorraforte aus dem Lande Nefzaua und eine dritte und ſchlechteſte Art, 
Hammi genannt, aus der Gegend von Gabès), Salpeter, Deden, Holzkoh⸗ 
Ien, Zwiebeln, Kürbiffe (in ungeheurer Größe), Teppiche, alles von Babes, 
Kameele, feine Stoffe, Orangen, Gitronen, ebenfall8 von enormer Größe, nicht 
glaftrte Gefchirre, feine Schwaͤmme, eine Art Muflfinftrument, Namens Daburfa, 
und Oelkrüge von ven Dfeherbainfch, gefalzene Bifche, vie in Menge nach dem 
Dfcherid gehen, von ven Kneisinfeln (? &.), mufchelartige Kalkfteine von Mahabia 
zur Gonftruction der Gewölbe, Mühlfteine, Beſen, ſüße Limonen und Stan- 
gen zum Bau der mobilen Hütten von Hamamet, glaftrte Gefchirre von Ne⸗ 
bel, tunefifche Seivenftoffe und Tuch von Tuburba, Pofamentirwaaren, Dro- 
guen u. f.w. von Tunis, Salz, Ziegenhäute, Kupfergefchirre, Honig, Getreide, 
Tauben von Kairuän, dicke wollene Stoffe, Bernus, Emdhalet aus dem Diche- 
rid; Wolle, Getreide, Ochfen, Theer und viel Wachs von den Nomaben- 

Die Metilid verforgen ven Marft von Sfar mit Gerfte, Holz, 
Olivenholzkohlen und viel Del. In ver Nähe ver Stadt wachien endlich noch Pi- 


406 Capit. Sir E. Belcher's Nordpolar⸗Entdeckungen. 


ſtacien in Fuͤlle, die nach Sonnenuntergang einen ſehr ſtarken Geruch nach Ter⸗ 
pentin verbreiten und deren Früchte wegen ihrer Feinheit berühmt ſind, fo wie 
eine Meine ſtark riechende Melone (Cucumis dudaim; Temple II, 116), 
muthmaßlich Shaws Fakouſe, welche, wie ermähnt, der Stadt den Namen gegeben 
haben fol. Gegen 20000 Schaafe weiden ald Eigenthum ver Stabtbewoh- 
ner in den Umgebungen. Beſonders find es Juden, die den Kandel betrei⸗ 
ben, in Eurzer Zeit großen Gewinn machen und vie gefährlichften Nebenbuhler 
der Europäer abgeben; zugleich find fie die gewöhnlichen Pächter ver Zollgefälle. 
Dei dem beveutenden Verkehr Hatte vie Hiefige Zollftätte im Jahre 1851 
allein 600000 Piafter Einnahme. Man ſchaͤtzt den ganzen jährlichen Umfak 
auf 6 Millionen P., fo daß Sfar in der That bei feiner Lage in ver Nähe 
der tripolitanifchen Grenze und feiner geringen Entfernung von Malta, end⸗ 
lich bei feinem guten Ankerplatz einer ver wichtigften Handelsplaͤtze dieſes 
Theiles von Tunefien ift. Auch technische Inpuftrie giebt ed in Sfar, indem 
man einen weißen, aber roth quabrirten Stoff, Arbia, für vie rauen ber 
Stadt und für die zu Tripolis, Eflur oder Stoffe zu Decken und Thürvorhän- 
"gen, Futha, d. h. Babelinnen, Servietten, Wifchtücher, endlich Beſchlir (Tiſch⸗ 
tücher), alle8 von orbinairer Qualität, und den Stoffen von Dfcherbi und 
aus dem Dicheriv, fowie denen von Mahards in ver Fefligkeit fehr nachſte⸗ 
hend, aber zugleich auch viel wohlfeiler, anfertigt. — Der Poſtverkehr fin- 
det von bier aus am Meiften nach dem 225 Kilometer entfernten Tunis flatt, 
wohin 2 Mal im Monat ein Courier der europäifchen Bewohner gebt, vanı 
durch einheimifche Gouriere, welche ven Weg über Kairnuan in 3 Tagen zu⸗ 
rüdlegen. Die Kameelcaravanen haben Hierzu 6 Tage nöthig. 
Gumpredt. 


Sapitain Sir E. Belcher's Nordpolar-Entdeckungen. 


In einer Mittheilung des Berichts über Capit. M'Clure's Entdeckung 
der Nordweſt⸗Paſſage in dieſer Zeitſchrift S. 327 zeigte ich an, daß das 
Athenaͤum, welchem meine Mittheilung entlehnt wurde, noch einige Auszüge 
aus Capit. Sir Ep. Belcher'd, des Chefd ver in dem amerifanifchen Polar⸗ 
meere thätigen Expedition, enthält. Folgendes ift ver wefentliche Inhalt 
derfelben. 

Als Capit. Inglefield im letzten Jahre (1852) vie Beechyinfel verlieh, 
brachte er die Nachricht heim, daß Sir E. Belcher ven Wellington - anal 
aufwärtd gefchifft fei und fich jeit 3 Wochen abweſend befinde. Jetzt ergiebt 
fih, daß derfelbe Cap Becher *) im NO. erreichte, nahe welchem er unter 


=) Der Tert fchreibt wiederholt Becher, während Belcher wahrfcheinlich ver 
richtige Name if. Bnmpredt. 


Capit. Sir E. Belcher's Norbpolar » Entverdungen. 407 


76°57° n.Br. und 97° weftl. Länge von Gr. eine für das Winterquartier 
geeignete Localität fand. Die Sommerzeit war faft zu Ende, daher Vorbes 
reitungen zu Unterfudhungen gegen ven Norden mittelft Booten und Schlitten 
gemacht wurden. Damit fing er am 23. Auguft an. 

Ald er am 25. Auguft die Spike voublirte, wo fich die Küfte gegen 
Oſten wendet, entdeckte er vie Reſte einiger gut gebauten Eskimohütten. Es 
waren feine blos einfachen Kreife Fleiner Steine, ſondern zwei orventlich gebaute 
Mauern in einem ausgehöhlten Grunde, ver im Inneren durch 2 Fuß feinen 
Kies ausgefüllt, gut gepflaftert und in jeder Hinſicht fehr forgfältig angelegt 
war, befier, als Belcher fie den rohen wandernden Eskimo's zugetraut hatte. 
Knochen von Rennthieren, Wölfen und Seehunven lagen daſelbſt in Menge. 
Auch fand er Kohlen. 

Zwar wirb von Feiner weiteren Erforfchung berichtet; doch hat er fie ficher 
nicht unterlafien. Auch fcheint ver Mangel eined Cairn (Steinhügel) anzuzeigen, 
daß hier irgend ein nievergelegted Document von Europäern vorhanden war. 
Belcyer wagt Feine Meinung, ob dieſe Bauten von Eskimo's oder von Frank⸗ 
lin's Leuten errichtet worben waren; war es nicht von Eskimo's gefchehen, 
von wen follten fie fonft berrühren? Belcher's Erpeditionen führten zur 
Entvedung verſchiedener Landſtriche, deren ausgebehnteftem man den Namen 
Nord» Cornwall gab, und mehrerer Infeln, die von einem gegen Norden of« 
fenen Meere beipült waren, welches Sir €. Belcher als das Polar⸗Baſſin 
anſieht. 

Einer Gruppe von Inſeln unter 78° 10’ n. Br. legte er den Namen 
Victoria» Archipelagus bei; tie öftlichfte derfelben bildete den Canal nach der 
Jones» Straße, welche ihrerfeitd mit der Polar See in Verbindung fleht; er 
nannte fie Nord» Kent. 

Merkwürbig ift ed, daß Belcher fchon am 20. Mai vie See in ver Breite 
von Soned=- Straße frei vom Eife fand, daher fagt er wörtlid: 

„Polar Sea as far as the eye could range“ 
Auch erfchienen ihm die Fluthen von DOften nach Welten gehend. 

Es ift Pflicht, in Beziehung auf Capit. Penny (deſſen Angaben von dem 
Dafein vieler biefigen Vorgebirge und von Gegenflänven, die er nur aus ber 
Ferne fah [ Visual bearings] oft irrig find) anzuerfennen, daß bie von ihm 
befchriebene fchöne offene Waflerfläche wirklich im Norben des Wellington⸗Ca⸗ 
nals vorhanden ift, und daß feine Anficht über eine Verbindung mit dem 
Polar⸗VBaſſin durch Belcher's Beobachtungen unterflügt wird. 

Im Frühlinge dieſes Jahres (1853) machten Commodore Richards und 
Lieut. Osborne eine fehr weit gehende Schlittenreife. Sie brachen aus ihren 
Winterquartieren in Wellington» Canal auf, wandten ſich erft gegm NW., 
dann gegen Süd, durchſetzten die Melville-Infel (S. 322) und erreichten bie 
WBinterquartiere der Reſolute auf Dealy⸗Inſel, wo fie mit Capit. Kellet in 
Verbindung traten. Hier hoͤrten fie von ihm vie angenehme Nachricht, daß 


408 Capit. Sir E. Belcher's Nordpolar⸗Entdeckungen. 


ſich der Inveſtigator Capit. M'Clure's in Sicherheit beſinde. Durch viele 
Excurſion von 97 Tagen wurden die Oſtſeiten des Hecla⸗ und Griper⸗Golf 
unterſucht, und durch die Rückkehr aufwärts am Byam Martin Channel, ward 
auch deffen Verbindung mit dem Polar» Beden feftgeftellt. 

Die letzten Depefchen Sir E. Belcher's müflen vom 26. Juli dv. 3. am 
Bord Ihrer Majeſtät Schiff Affiftance, bei ver Rüdfehr nad) ver etwa 10 
Meilen dftlich von Bap Becher gelegenen Beechy⸗Inſel gefchrieben fein und 
befagen, daß Eapit. Belcher's Schiffe am 14. Zuli vom Eiſe befreit würden, 
fowie daß veffen nächfte Unternehmungen von ven Depefchen abhängen würe 
den, die er auf der Beechy⸗Inſel zu erhalten hoffte. Sir Belcher verlangte 
dringend die Heimkehr der Schiffämannfchaft des Capit. M’Elure nach Eng- 
Iand, indem er anräth, wegen des etwaigen Aufbrechend ver Eismaffen um 
M'Clure's Schiff keine Ausgaben und feine Zeit Darauf zu verwenden. In 
der Wahrfcheinlichkeit, daß Eapit. Eolinfon ven Spuren M'Clure's gefolgt 
ift, erachtete Belcher für zweckmaͤßig, daß ein Schiff auf WMelville- Infel ſta⸗ 
tionirt werde, und wahrfcheinlich erhält Eapit. Kellett ven Befehl dort zu 
bleiben. 

Da Sir E. Belcher fo großen Werth auf die Eriftenz einer offenen Po⸗ 
IarsSee legt, fo muß ed Wunder nehmen, daß er nicht felbft vie Fühne Fahrt 
mit feinem trefflich eingerichteten Schiffe und dem Dampf» Tender wagte. Gin 
folches Linternehmen entipricht fehr wohl feinen Inftructionen, fowie dem an⸗ 
geregten Interefle für Entvedungen überhaupt. 

Diefen Angaben aus Belcher's Depeſchen läßt das Athenäum zulekt 
einige Notizen aus Gapit. Inglefield's Depefchen folgen. — Da Inglefield's 
Danıpfer Phöniv dad Transportſchiff Breadalbane im Schlepptau Batte, fe 
war die Durchfchiffung der Melville- Bai eine mühfame und langwierige Auf- 
gabe. Selten hatte Belcher während ver guten Jahreszeit fo viel Eis gefchen, 
als in viefem Sahre. In der Mitte der Bai fonnte man vom Waftbaume kaum 
eine Waflerfläche erfpähen, und ver Phönir Hatte ſchon fo viel Scharen vom 
Eife erlitten, daß man die Schraube ändern mußte. Anı 8. Auguft erreichte 
derfelbe die Beechy⸗Inſel; aber vie Jahreszeit war frhon fo weit vorgerüdt, 
daß man am Tage zuvor vom Gap Miley aus fein Wafler erblicken konnte. 
Das Eis zeigte fich zu befchwerlich und zu ſehr aufgeflapelt, als daß man 
vie Borräthe auf Beechy⸗Island Hätte ausladen können; daher wurde Gap 
Riley Hierzu auserjehen. 

Es ward nun fehr wichtig, ſich mit Sir E. Belcher in Verbindung zu 
fegen, und «8 entichloß fich Deshalb Capit. Inglefielo felbft, ver Ueberbringer 
der Depefchen an venfelben zu fein. Deshalb fchiffte er fich in feinem Wall: 
ſiſchboote mit 1 Monat Provifion am 10. Auguft ein, indem er den Befchl 
hinterließ, daß wenn irgend ein Zufall ihn Kindern vürfte, zur rech⸗ 
tem Zeit nach Beendigung der Audladung des Schiffes zurüdzufcehren, das 
Schiff ſich Feiner Gefahr ausfehen, und auch ohne ihn nach England zurüd- 


Capit. Sir E. Belcher's Norbpolar » Entverdungen. 409 


gehen ſolle. Wellington» Channel war vol Eis, und überall gab es fo 
große Schollen und Wafferpfühle, daß es unmöglich war, mit Schlitten hin⸗ 
über zu kommen, wenn man nicht eine zahlreiche Mannfchaft zum Ziehen hatte. 
Man verfuchte ed, ein Fleined Flachboot über das Eis als Brüde zu werfen, 
aber vergeblih; apit. Inglefield befchloß daher, mit einem Officier und 
2 Mann zu Lande nach Gap Rescue zu gehen. Jeder Mann trug eine Dede 
und einen Sa mit Proviflon für 14 Tage. Mit viel Anftrengung warb das 
Cap am 13. Auguft erreicht, aber offenes Waſſer hinderte ven weiteren Marſch. 
An diefer Stelle fand man eine Notiz, daß Capit. Bullen zu feinem Schiff zurück⸗ 
gekehrt fei, nachdem er fich mit Sir €. Belcher in Verbindung geſetzt Hatte. 

Als auch Inglefield Duplicate von den Depefchen in dem Gairn nieder⸗ 
gelegt hatte, begann er feinen Ruͤckweg nach Beechy⸗Island, dad er wieder 
nach 5 Tagemärjchen oder nach Zurüdlegung von 500 engl. Meilen erreichte. 

Bei einem zweiten Berfuche, die Originals Depefhen an Sir E. Bel- 
her zu überbringen, ereignete fich einer ver traurigfien Bälle während viefer 
arstiichen Unterfuchungen. Der muthige franzoͤſiſche Lieutenant Bellot, wel⸗ 
her Capit. Inglefield im Phönix begleitete, verlor Bier fein Leben. Capit. 
Pullen hatte ihm, der freiwillig fich Dazu erbot, vie Ausführung der Webers 
bringung übergeben. Ein ſehr beftiger Sturm erhob jich plöglich und trieb 
ihn und zwei feiner Leute vom Ufer ab auf einer großen Eisfcholle; und als 
er ih auf einem Gipfel umfchaute, um auf irgend eine Weife ver Gefahr zu 
entrinnen, flürzte er, hinabgeſchleudert durch einen Windſtoß, in einen tiefen 
Eiöfpalt, wo er ertrank. Bellot's beine Gefährten trieben 30 Stunden im 
Strom, ohne Nahrung umher; fie wurden aber gerettet nnd Tehrten mit den 
Depefchen zum Schiff zurüd. — Lieutenant Bellot Hatte fich Die Freund⸗ 
fchaft aller feiner Kameraden erworben. Er hatte viele magnetifche und an⸗ 
dere wifienfchaftliche Beobachtungen gemacht, welche Col. Sabine dem Publi⸗ 
cum mittheilen wird und ftarb in Dienfitreue feines Berufs; Ehre feinem 
Andenken, das nicht ohne Denkmal bleiben wird, 

Kurz nach Inglefield's Ruckkehr zu feinem Schiff mußte er fehen, wie 
das Transportſchiff Breadalbane plöglich zerflört wurde. Seit einiger Zeit 
waren die Eismafien in fo furchtbare Bewegung gerathen, daß alles für bie 
Erhaltung der Schiffe zu fürchten war. Endlich Fam ein Stoß, dem der 
Phönie noch widerſtehen Eonnte, welcher aber für das weniger ſtark gebaute 
Transportfchiff Breadalbane zu gewaltig war, fo daß ed in der Nacht des 
21. Auguft in weniger, ald 15 Minuten nach dem Stoße, in einer Waſſertiefe 
von 30 Klaftern völlig verfehmand. Nur fo viel Zeit blieb der Mannfchaft, 
daß fie ihr Leben retten konnte. Glücklichermeife befanden fich faft alle Vor⸗ 
räthe des Gouvernements am Lande. Das war wahrfcheinlich eine jener furchts 
baren Cataſtrophen in viefem Meere, wodurch dad Schickſal Franklin's und ſei⸗ 
ner Gefährten ein Geheimniß geblieben ift, und man fleht daraus, wie noth⸗ 
wendig der verflärkte Schiffsbord für die Beichiffung der arctifchen Regionen 





410 Gapit. Sir E. Belcher's Norbpolar » Entvedungen. 


ifl. Die Fahrt des Invefligator von der Behringsſtraße bi zu feiner jeti⸗ 
gen Stellung im Eife nahe der Melville= Infel erweift, wie tüchtig ein Schiff 
gebaut fein muß, um mit den dickſten Eismaffen kaͤmpfen zu Tönnen. 

Capit. Inglefield entfchloß fh, feinen Inftructionen gemäß, nach Eng⸗ 
land zurüczufehren. Wit feiner Mannfchaft und der von dem Breadalbane 
aufgenommenen verließ er Beechy= Island am 24. Aug. und fchiffte nach vie⸗ 
Im Befchwerden durch Lancafter- Sund in die Baffind=Bai, worauf er bie 
Südſpitze Grönland’3 am 21. Sept. doublixte und embli am 4. October, 
in 1 Monat und 10 Tagen, Thurfo erreichte. 

Zu Lievely *) an der Norbküfle von Grönland erhielt er Nachricht von 
einer Kohlen» Mine, die 26 Meilen fern vom Hafen liegt, wo man Kohlen in 
großen Duantitäten haben fann. Nach Eapit. Inglefield ziehen vie Gingebo- 
venen zum Brennen in ihren Defen dieſe Kohlen ven englifchen vor **). 

Es wäre noch möglich, daß durch Sir E. Belcher over Gapit. Kellett 
eine Nachricht von ver längft für verloren gegebenen Franklin'ſchen Exrpebi⸗ 
tion, oder doch von dem Wege, den fie eingeichlagen und ver Wahrfcheinlich- 
keit ihres erreichten Zieled einliefe. Zuvor haben wir aber noch die Reful- 
tate der Erforfchungen von Gapit. Kellett'8 Officierem zu erwarten, unb wir 
dürfen nicht vergefien, daß Bapit. Eollinfon, weldyer von ver Behringeftraße in 
das Eis im Jahre 1851 gelangte, eine fo hohe nörvliche Breite halten Eomnte, 
daß er eine Spur von der Franflin’fchen Erpedition aufgefunnen Haben 
dürfte. Selb die Mafle der in viefen hoben Breiten zu beichaffenden Le 
bensmittel iſt nicht geeignet, alle Hoffnung finfen zu laſſen. Da es nämlih 
im hoben Norben an Nahrung nicht fehlt, und in ben unterjuchten Thei⸗ 
Ien von WBellington’6-Ghannel doch Teine Spur von Franklin's Untergange 
gefunden iſt, und, da endlich aus Gapit. W’Elure'$ Erfahrungen in SW. 
von Melville unzweifelhaft hervorgeht, daß derfelbe dort nicht in den Giämaf 
fen ftedten geblieben ift, fo darf man bie Hoffnung noch nicht ganz ſchwinden 
laffen. Freilich muß fie bei größeren Auffchub fich immer mehr verringern. 

Doh fo groß auch die bisher befchiffte See im Norden war, fo if 
das Feld der noch nicht beſchifften⸗Polar⸗See noch viel bedentend größer. 
Die Anmiralität wird aber nicht aufhören, Forſchungen anftellen zu Iaffen, 
bis endlich das Gebiet erichöpft if. Möchte man doc nun den Ofiweg über 
Rova Zembla und Siberia verfuchen! 


=) Das foll wohl Lichtenan anf der Weſteite Grönlanv’, fein. st 
umpre 
”) Gine ſolche Angabe t llen, ſeitdem Gapit. Varry 
Jahr 50 inerft das Bortantenfete von Gieinfohlerlagen en an 5 
ver Meteille: Jufel entdeckt Hatte, und foätere Forſchungen gleichfalls Steinkohlen am 
ieduß, auf Rowaie nachgewieien haben. 


Ueber das Innere Auſtraliens. 411 


Selbft wenn Sir E. Belcher ohne alle Nachricht von Franklin's Schickſal 
jurüdfehren jollte, dürfte man fich dabei nicht beruhigen, ſobald der Oftweg 
noch nicht gebahnt ift, befonderd wenn man von einer See, bie fchon im Mai 
offen wird, und von einer Polar⸗See, die frei von Eis fein fol, hört. 
MElure Hat die Eriftenz einer N. W.⸗Pafſſage dargethan; wir können nicht 
daran zweifeln, daß noch andere offene Paſſagen im Norven über den Nord⸗ 
pol aufzufinden fein werten *). 

An der Mündung ded Obi an der Sibirifchen Küfte hat man Flaſchen 
aufgefifcht, die Fürzlich an vie Anmiralität gelangt find. Die Apmiralität hatte 
fie ſich von ber ruffifchen Regierung auögebeten. Bei Unterfuchung fand fich 
aber, daß fie von Franklin's Erpebition nichts enthielten; fie find offenbar feine 
von denen, die für ihn bereitet worden. Sie find von der Länge ver Sodawaſ⸗ 
jer-Bouteillen, aber gerundeter, und faft aus + Zoll dicken dunkeln Glaſe 
beftehenn. (Athenaͤum 1853. Nr. 1227, 1226 — 1227.) 

@. Ritter. 


Ueber das Innere Auftraliens, 


Bekanntlich hat ver General Ernft Haugh, der von ven Aufftänven in 
Wien und Nom erinnerlich fein wird, vor einiger Zeit eine Entdeckungsreiſe 
in’8 Innere von Auftralien projectirt und fich die Ausführung verfelben zur 
Lebendfrage gemacht **). Nachdem er durch große Energie es dahin gebracht, 
daß die Wichtigkeit viefer Unternehmung erfannt wurbe, bat bie englifche Re⸗ 
gierung, auf fperiele Empfehlung der geograpbifchen Gejellichaft Bin, eine 
Summe von 2500 Liv. St. zu dieſem Zwed bewilligt. Da ich bei dieſer Ge⸗ 
legenheit nicht auf das Specielle viefes Unternehmens eingeben Tann, fo möch» 
ten vielleicht wie folgenven, vor Kurzem nievergefchriebenen Bemerkungen von 
Intereffe fein. 


e) Zur Kenniniß der Nord: Polarländer nach den neueſten Borfchungen dient 
theils Inglefield's Karte, ans welcher die im 4. Heft diefer Beitfchrift auf Tafel VI 
enthaltene Karte ein Abfchnitt iſt, theils auch die zu London bereits in der 3. Auf⸗ 
lage erichienene Karte von Wyld: Chart of the Arctic Regions from tbe Admirality 
Surveys, worauf gleichfalls die Refultate von M'Clure's Reife angegeben En 

umpredt. 
20) Bangh beabfichtigt befonders den, wie das Folgende erweift, aus zahlreichen 
übereinſtimmenden Berichten von Neifenden in das Innere Auftraliens abgeleiteten 

erungen A. Petermann’s über das Vorhandenfein eines wenigftens 2 — 300 M. 

ten fruchtbaren Sanms längs des ganzen nordweſtlichen Auftraliens vom Fitzroy⸗ 

id bis zur Epipe des Garpentariagolfs, nachzuforfhen. Die von ber Regierung 

Migten 2500 Liv. St. follen noch durch Privat: Subferiptionen erhöht werben. 

Ausgezeichnete Beologen, Mathematifer, Geographen und Mechaniker haben fidy dem 
Inge angefchlofien, den außerdem einige 20 Kameele begleiten Ioerben. it 
umprecht. 


412 Ueber dad Innere Auftraliens. 


In einer Zeit, wo die Erforfchung des unbefannten Inneren Auſtra⸗ 
liens ernftlid, in Betracht gezogen wird, und man an der Ausführung bed 
Haugh’jchen Planes nicht mehr zweifeln darf, wird der gemuthmaßte Cha⸗ 
after diefe® Inneren ein Gegenfland von ganz beſonderem Interefie und be 
rechtigter Forſchung. 

Kaum von einem Drittheile Auftralims kann man fagen, daß er theil⸗ 
weife unterfucht worven fei, weöhalb der bei Weitem größte Theil bisher 
durchaus wenig befannt ift. Begreiflicher Weife wurbe viefes unbelannte In» 
nere häufig ein Stoff für theoretifhe Muthmaßungen, vie fich anfangs auf 
nur wenig Thatfachen gründen konnten. Mit zunehmender Kenntniß und durch 
zahlreiche, neue, unzweifelhafte Thatfachen bekommen viefe Theorieen andere 
Geſtalten. Eine ver erften Hypotheſen machte einen großen Theil dieſes In⸗ 
neren zu einem Binnen» See. 

Im Jahre 1815 dehnte Mr. Orley, der erfte „Surveyor»-Beneral” (Die 
vertor der Bermeflungen) von Neu-Süd- Wales, und zugleich ein Mann von 
anerfannter Gefchieklichkeit und großem Verdienſt, feine Forſchungen zuerſt in 
das Innere dieſes Landes aus. Im feinem Vordringen an den Ylüffen Loch⸗ 
Ian und Macquarrie binunter weſtwaͤrts fah er fich bald durch weit ausge⸗ 
dehnte Sümpfe behinvert, jenfeitd welcher er Feine Spur von Land fehen 
fonnte. Er glaubte daraus fchliegen zu müflen, daß das Innere bis zu einer 
gewifen Ausvehnung aus einem Binnen» See befichen möge, begrenzt von 
den Sümpfen, in welche die von ihm verfolgten Klüffe münbeten. Diefe Ans 
fiht befam mehr Wahrfcheinlichkeit durch vie Thatfache, daß die Mündung 
des größten auftralifchen Fluſſes, des Murray, von Gapitain Flinders über» 
ſehen und erft 15 Jahre fpäter durch Eapitain Sturt entbedt ward. Orley's 
Anficht wurde auch von fpäteren Schriftftelern und Reiſenden angenommen. 
Mr. Eyre, einer der ausgezeichnetften Korfcher in Auftralien, machte 1845 ver 
Königl. geographifchen Gefellfchaft die Mittheilung *), daß er zu einem anderen 
Schlufie gefommen fei, nämlich daß das Innere fich im Allgemeinen als bes 
deutenve Tiefebene von trockenem Sand, abwechfelnd mit manchen Beden auß« 
getrockneter Salzfeen ober folchen, die nur mit Salzwaſſer oder Schmug be» 
deckt feien, wie e8 z. B. mit dem Torrens⸗See der Ball ift, parftellen müſſe. 
63 fei mehr ald wahrfcheinlich, daß jich dazwifchen manche einzelne Höhen- 
züge, wohl einige von bebeutenver Höhe, ähnlich dem Bawler- Zuge, befinven, 
und daß beflere oder gar ergiebigere und fruchtbarere Stellen nicht fehlen möch- 
ten. Mr. 3. B. Jukes gab envlich in feinem werthvollen, 1850 erfchiene- 
nen Werke über vie phyſiſche Befchaffenheit Auftraliend feine Meinung va» 
Hin ab, daß daß Innere aus ungeheuern wüften Ebenen beftche, welche ſich 
bis zur Seeküfte um den Garpentaria= Golf im Norden und ſüdlich bis zur 


®) Journal of Ihe Geographical Society of London XVI, 200 —211. 
Oumpredt. 


Ueber das Innere Auftraliens. 413 


großen auftralifchen Bucht, die Norbweits Küfte entlang vom Norbweft- Cap 
bis Collier Bai ausdehne. Im Allgemeinen berrfcht jet noch viefelbe An⸗ 
ficht, aber vieleicht mit der Ausnahme vor, daß das wüſte Land nicht fo weit 
nach Norden reiche, und daß viefe nörblichen Theile aus Gegenven beſtehen, 
die mehr Ergiebigkeit erwarten laſſen. 


Die Hauptgründe für viefe Folgerungen find die befannten Thatfachen, 
die man über das Klima und die meteorologifchen Verbältniffe Auftralieng, 
den Mangel an großen Flüſſen u. |. w. hat. 


Es ift befannt genug, daß die auftralifchen Colonieen im Sonmer zu⸗ 
weilm ven Plagen der fogenannten „heißen Winde” ausgeſetzt find. Diefer 
heiße Wind, von außerorbentlich hoher Temperatur, weht ſtets aus dem In» 
neren, in Neu⸗Süd⸗Wales und Tasmania von Norpweft, in Port Philip 
und Süd-Auftralien vom Norden. Diefer Wind ift fo Heiß, als Fäme er 
aus einem glühenven Ofen und erhöht vie mittlere Temperatur eined Som- 
mertaged, an der weſtlichen Seite der Oft-Eorbilleren, um 40° F., auf der 
Öftlichen Seite von Neu» Süd: Wales und Tasmania um 25— 30°, fo daß 
das Thermometer während dieſes Windes bis zu 100, ja 115° im Schatten 
ſteigt. Ein Windſtoß vom Süden verurfacht oft in einer halben, ja Viertel 
flunde ein Ballen um volle 40°. Diefer Wind bringt aus dem Inneren ber 
Wolken von Staub und Sand herbei, die zuweilen mit körnigen Stoffen ge> 
mengt find, groß genug, um mit fühlbarer Schärfe in's Geficht zu fehlagen. 
Graf Strzelecki wurde auf feiner Yahrt von Neu⸗Süd⸗-Wales volle zwei 
Tage durch vie Heftigkeit diefed heißen Windes gehindert, ven Hafen von Port 
Jackſon zu erreichen. Obgleich er 60 Meilen vom Geſtade entfernt mar, über⸗ 
flieg die Hitze doch 90°. Die Segel feines Schiffed bedeckten fich durch den 
Mind mit feinem Staub. Man bat mit Recht! angenommen, daß die hei⸗ 
fen Winde, denen man im Süboften Auftraliend audgefegt ift, Teinen ande⸗ 
ten Urfprung haben, als einen Luftftrom, der über eine weitaußgebehnte Strede 
drennender MWüfte feinen Gang nimmt. Diefe Winde find in der That dem 
Sirocco der großen Sahara Afrika's und ähnlichen Winden auf der Erde 
ganz gleich. Unſere Kenntniß angrenzenver Gegenven Hat diefe Annahme 
durchaus beftätigt. Die Entdeckungen Gapitain Sturt's mährenn feiner letzten 
Erpebition führten ganz befonderd auf die Spur zu dem näheren Sig und 
Miftbeete diefer Winde. Die Lage ver von diefem Forfcher bezeichneten Wüfte 
if fo, daß man Grund bat, anzunehmen, der Einfluß derſelben dehne ſich 
über dad Ganze ver Küfte aus, felbft über vie von Wert» Auftralien, die am 
Weiteften von ihm liegt, nämlich 1350 geographifche Meilen, falls nämlich 
der von da kommende Wind nicht durch dazwifchen liegende Gebirge unter⸗ 
Brocken und abgelenkt oder durch Landſtrecken anderer Natur verbeffert wird. 
Der Einfluß des Sahara» Winves ift bekanntlich auf dem atlantifchen Meere 
ſchon in einer Entfernung von mehr als 1100 geographifchen Meilen von ver 


414 Ueber das Innere Auftraliens. 


afrifanifcegen Küfte bemerkt worben, indem die Segel der Schiffe ſich mit einem 
äußerft feinen, ungerreiblichen Staube bebediten. 

Da meines Wiſſens bisher nur ganz allgemeine Beobachtungen über die⸗ 
fen Gegenſtand veröffentlicht wurden, erfchien es mir von Interefle, biefen 
auftralifchen Sirocco näher zu unterfuchen, und zwar in der Hoffnung, daß 
eine folche Unterfuchung zu Thatfachen führen könne, woraus fich auf bie 
vermuthliche Ausvehnung der brennenden Wüſte im Inneren Auftraliens 
ſchließen ließe. In dieſer Abficht Habe ich jenes geographiiche und Reiſewerk 
über Auftralien vurchgelefen und daraus eine große Menge darauf fich bezie⸗ 
benver Beobachtungen zufammengeftelt. Hier will ich mich nur auf eine all- 
gemeine Angabe der Ergebniffe meiner Korfchungen befchränfen, und zu Dies 
fem Zweck eine imaginäre Reife um ganz Auftralien herum von Neu-Güb- 
Wales in öftlicher Richtung entwerfen. 

Erfahrung und Beobachtung bezüglich viefer heißen Winde in Neu⸗Süd⸗ 
Wales und der Provinz Victoria bebürfen weiter Feiner Erklärung; ſie alle 
weifen auf die große wüfte Ebene Bin, die fi) vom Fluſſe Murray bis zu 
Mitchell's Victoria⸗Fluſſe und dem Endpunkte der Sturtfchen Reife aus: 
dehnt. 

In Adelaide fommen vie Winde Hauptfächlicd von Norden. Aus einer 
Reihe vorzüglicher meteorologifchen Beobachtungen des Herrn Schomburgf, 
Bruders des rühmlich befannten Sir Nobert, angeftellt in Buchöfelde, unges 
fahr 40 engl. Meilen nördlich von Adelaide, während des Jahres 1850 und 
10Mal täglich, im Ganzen etwa 1100 einzelne Beobachtungen umfafjend, er- 
fehe ih, daß dieſe heißen Winde faft ohne Ausnahme von Norden kommen. 
Unter 67 Winden von NW. war bloß ein heißer, bei 13 Negen, zuweilen 
ſehr fchmwerer, bei 37 wolfiger und bloß bei 14 Elarer Simmel. Nach vie 
fen Beobachtungen, die durch anderweitige beftätigt werden, zu fhließen, muß 
ed im Inneren Auftraliens, im Norbweften von Adelaide, eher eine fruchtbare 
oder wenigftend feuchte Gegend, als eine Wüfte geben, jonft könnte man fi 
dad Uebermaß regnerifcher Winde, vie niemals beige waren, nicht erflären. 

Für das von Adelaide aus weftliche Auftralien iſt Eyre unfere einzige 
Autorität, da ich in Blinderd’ Werk und den anderen feine Thatfachen von 
Belang für dieſen Gegenfland angetroffen habe. Bei Eyre findet man über 
Richtung und Befchaffenheit dieſer Winde bloß Bemerkungen bis zur Aus: 
dehnung zur Spige der großen auftralifchen Bucht. Bis zu biefen Punkte 
famen fle von Nordoſt in der Richtung der Sturtfchen Wüfte. Nur ein ein 
ziger heißer Wind vom Norven warb in 1324° öfll. Länge bemerkt. Bis 
zum weftlichen Punkte der großen auftralifchen Bucht Fam ver heiße Wind 
nicht ein einziged Mal vor, wie man mwenigftend aus dem gänzlichen Mangel 
irgend einer dahin bezüglichen Bemerkung fchließen muß. Unter 128° 20’ 0, 
notirte Mr. Eyre folgende intereffante Beobachtungen: „Ed Fam mir auffal- 
Iend vor, daß der Wind vom Norden verhältnigmäßig Eühl war, ganz un- 








Ueber das Innere Auſtraliens. 415 


Abmlich jenen fengenden Stößen, denen wir aus verfelben Richtung im Often 
ver großen auftralifhen Bucht ausgeſetzt waren. Auch fanden wir große Pas 
pageien, von Nordoſten kommend, um von den Beeren einer an der Seeküfte 
wachfenden Pflanze zu freffen, obgleich wir 2— 300 Meilen weder in weftlis 
her, noch Öftlicher Richtung folche gefehen hatten. Sie mußten daher aus 
dem Inneren gelommen fein. Nun aber liebt diefer Vogel beſonders bergi- 
ges Land und lebt bloß in folchen Gegenden, wo beflereö und größeres Baum- 
wert wächft, als folches elende Geflripp, wie wir e8 immer an ver Seefüfte 
fanden. Außerdem ift es ein Vogel, der fich ftets im Bereiche frifchen Waf- 
ſers aufhält, in der Nähe von Klüffen, Seen, Teihen, Quellen u. f. w. 

BVerlängert man die Richtungen ver NW.- Winde Adelaide's und Die 
Flug» Richtungen der Papageien, fo müflen fie fi im Norven der Spike der 
auftralifchen Bucht, etwa 150 geogr. Meilen von der Küfte, durchſchneiden. 
Für ven Welten und Nordweſten Auftraliend war ich nicht im Stande, Be⸗ 
obachtungen ver heißen Winde zu finden. Nach dem, was ich den verſchie⸗ 
denen Forfchern in dieſen Gegenden entnehmen kann, müflen die Landwinde 
fo ziemlich ven entgegengefeßten Charakter ver heißen Winde haben. Der alte 
geroifienhafte Dampier hat nichts von einem Sirocco bemerkt. Capitain King 
giebt in feinem Berichte über Winde in viefer Gegend Fein Zeugniß von der 
Eriftenz Heißer Winde. Einmal erwähnt er nur beiläufig (in der Gegend 
des NW.⸗Caps), daß der füböftliche Wind in feiner Hige und dem unans 
genehmen Gefühle, das er erzeugte, an ven heißen Landwind von Port Jack⸗ 
fon erinnere. Werner Capit. Grey noch Capit. Stofed erwähnen etwas von 
beißen Winden. Lebter macht beim Beſuche des Schwanen⸗Fluſſes folgenve 
intereffante Bemerkung: Wir beinerkten einen eigenthümlichen Flug feltfamer 
Vögel bei Builvford, nahe bei Perth, im Jahre 1333, zu einer Zeit, ald das 
Land grün war. Sie kamen in einer ungeheuern Menge vor und waren 
fo zahın, daß man fie Leicht mit der Hand greifen konnte. Im Allgemeinen 
glichen fie den „landrail“, doch waren fie größer und eben fo ſchwer 
in ihrem Fluge. Sie verfchwanden in verfelben geheimnißvollen Weife, wie 
fie gelommen waren und haben feitvem ihren Beſuch niemals wiederholt. Was 
rem diefe Vögel Gaͤſte aus dem Inneren oder waren fie eben am Ziele ihrer 
Wanderfchaft von einem entfernten Lande angefommen? “ 

Capitain Stokes erfuhr fpäter von Capitain Sturt, daß diefelbe feltfame 
Art von Vögeln bei einer Belegenheit fi in Süd -NAuftralien zeigte. Höchſt 
wahrfcheinlic, kamen Eyre's Papageien und Stoke's feltfame Vögel aus den- 
felben Gegenden. An der Nordweſtküſte waren vie Capitaine Wickham und 
Stokes dftlichen und fünöftlichen Winden mit ſchwerem Negen, aber von fühs 
ler und erfrifchender Befchaffenheit, ausgeſetzt. Allervings, fagt ver Erfte in 
feinen allgemeinen Bemerkungen über Wind und Wetter an ver Weſtküſte, 
dag die Hfllihen Winde „brennende Hitze“ und , drückend heißes Wetter" mit 
ich führten, aber das macht wohl kaum fchon den „heißen Wind“ Süpoft- 


416 Ueber das Innere Auftraliens. 


Auftraliend aus. Selbſt Jukes, der ſich augenfcheinliche Mühe gab, vie hei⸗ 
ben Winde rings um die Küfte herum aufzufinden, fagt: „In Weftauftralien 
weht ver heiße Wind, oder, wie er fonft genannt wird, der Landwind, von 
NO., aber nach meiner eigenen Erfahrung, obgleich gehörig Heiß, nicht mit 
der Wilpheit und Stärke, wie in Süd- und Oft- Auftralien.” 

In Norde Auftralien, d. h. vom Port Effington bi zum Cap Dorf, find 
von feinem einzigen Beobachter heiße Winde bemerkt worven. Selbſt an ver 
Spige des Carpentaria⸗Golfs, bloß etwa 400 geogr. Meilen von Sturt's 
äußerfter Wüftengrenze haben weder Stofes, noch Leichardt etwas von hei⸗ 
fen Winden gefpürt. Im Gegentheil fand ver Erfte die fünlichen Winde fehr 
fühl; das Thermometer fiel bis auf 51°. „ES ſcheint mir,” fagt’er, „daß 
die Winde im Barpentaria= Golf große Achnlichkeit mit denen haben, die man 
während verfelben Jahreszeit an ver Nordweſt⸗Küſte bei der Infel Depuch 
wahrgenommen hat; und der Umftand, daß die Temperatur am niebrigften 
war, wenn fie am flärfften vom Lande wehten, war auch ver nämliche.” Dar» 
aus ſchloß Stofes, daß es im Inneren einen feuchten Grund Yon großer 
Ausbildung geben müfle. . 

Leichardt Fam auf feiner intereflanten Reife von Moreton-Bai bis Port 
Efjington der Mitte Auftraliend nahe, und zwar von ber Norofeite des Con⸗ 
tinents, näher, als irgend ein anderer Reiſender. Aber die einzige Anfpielung 
auf heiße Winde, vie er macht, befchränkt ſich auf ven erften Theil feiner 
Meife, und fie deuten auf die Sturt’fche Wüfte hin. An ver Spike des Car⸗ 
pentarias Golf fielen ihm ganz befouverd die Falten ſüdlichen Winve auf, und 
feine Schilderung lautet fo: „Unſere Reife um die Spike der Bai hat dar» 
getdan, daß die Ebenen des, Verheißenen Landes * des Eapitain Sturt vom 
Big- Plain Fluß bis zum Nicholfone Fluß reiche, und daß es am weiteren 
in einer ſüdlichen Richtung fich ausdehne längs zweier Ylüffe, von denen ber 
weftliche ohne Zweifel mit dem Albert- Fluß des Gapitain Stokes und vem 
Maet Supfer der holländischen Seefahrer identifch if. Diefe Ebenen, bie 
im Süden von mit Bufchwerf bewachfenen Flächen begrenzt find, werben von 
zahlreichen Bächen bewäflert, die in ihrem Unterlauf ziemlich gut mit Wafler 
verfehen find. Die intereffantefte Thatfache, die auch bereitd von Stokes be- 
obachtet wurde, war die niebrige Temperatur diefer Gegend. Wenn meine 
Leſer meine Wetterbeobachtungen 15° 15’ n. Br. an der Oftfüfle ver Bai 
bis 17° 39’ an der Weſtküſte vergleichen, fo werben fie mit Erflaunen bie 
fortwährennen Klagen über „Ealte Nächte” finden. Und wenn fie die Rich 
tung des Windes vergleichen, fo werben fie finden, daß an der Oſtküſte bie 
Winde von Süden und Südweſt am fälteflen waren, daß viefelben an ver 
Spige der Bai von Süben und Südoften famen, und noch öfllicher wurden, 
je weiter ed nad) Weſten ging. “ 

Meftwärtd vorbringenb bis zum 138° 2. war er anhaltendem Regen 
von Wehen und Süben auögefeht. Im Ganzen unterflühen bie yon Dr. Lei⸗ 








Ueber dad Innere Auftraliens. 417 


chardt gelieferten Thatſachen in Verbindung mit denen des Capitain Stofes 
und Anderer die Annahme ſehr beveutenn, daß Sturt'3 Wüfte fich nicht un⸗ 
unterbrochen bis zur Spige bed Carpentaria⸗-Golfs ausdehnt und daß fich 
weſtlich und ſüdweſtlich von demſelben vielverfprechende Strecken ausvehnen. 

Sturt Hatte in feiner merfwürbigen Reiſe nach Central» Auftralien Häufig 
fühle und felbft Falte Winde, wolfigen Himmel und Negen von der Gegend 
im Weften des Torrens⸗Buſens und der fleinigen Wüſte. Flug und Zug 
der Bögel Hatten beſtandig eine weftliche und nordweſtliche Richtung nach 
Nordweſt⸗Auſtralien. Er behauptet, daß die Verlängerungen der Richtungen 
ziehender Vögel über einen großen Theil des Inneren gehen müſſe, ehe ſich 
dieſe Linien träfen, etwa 1° über vie tropifche Linie hinaus und fchließt dar⸗ 
aus, daß die Natur des dazwifchenliegenden Landes nicht der Art fein könne, 
un fih darin aufzuhalten, und daß die erfle bemohnbare Gegend da jein 
würde, wo ſich die beiden Linien fchneiven. 

Eyre's Beobachtungen auf feiner Reife nach derſelben Gegend befräfti- 
gen durchaus die von Sturt. 

Dies ift eins der allgemeinen Ergebniffe meiner Unterfuchungen. Diefe 
bilden zufammen ein Ganzed von Thatfachen, aus denen Jever feine eigenen 
Schlüffe ziehen mag. Auf der gegenwärtigen Stufe meiner Forſchung trage ich 
außerordentliched Bedenken, meine eigenen Schlußfolgerungen hinzuftellen. Die 
Sache ift verwickelt und erheiſcht große Umjicht mit beveutenvder Combination 
und weiterer vielfacher Forſchung. Vorläufig möchte ich behaupten, daß ein 
großer Theil des Inneren aus unfruchtbarer Wüfte beftehe, und daß Torrens 
Bellen und Sturl's „fleinige Wüfte” den Mittelpunkt der größten dieſer Wüs 
ſten bilden. Ich glaube fodann, dag ein Saum brauchbaren und bewohnba- 
ren Landes von höchſtens 2— 300 Meilen Breite ſich durchweg von ver gro⸗ 
Ben auftralifchen Bucht bis Weftauftralien und von ver weitlichen Küfte ent- 
lang bis zum Gascoyne⸗Fluß oder felbft bis zum Zihroy ausdehnt. Es 
fommt mir mehr, als wahrfcheinlich vor, daß das ganze norbweitliche Aus 
ftralien, nämlich vom Fitzroy⸗Fluß bis zur Spite des Garpentaria = Golfs, 
eine Gegend von der vielverfprechenpften Befchaffenheit ift und daß fich von hier 
aus ein Kern von mehr oder meniger hohen Landeszügen bis zu den Gebirgs- 
haufen ausdehnt, die Mitchell entdeckte, und welche einer Menge fehöner Flüſſe 
nach allen Richtungen hin dad Dafein geben. Diefer Kern würde nothirens 
Diger Weife eine Scheivewand zwifchen Sturt's Wüfte und dem Garpentaria= 
Golf bilden. Es erfcheint mir durchaus wahrfcheinlich, daß Diefer verheißende 
Landeöftrich Nordweſt⸗Auſtraliens fich weit hinein füplich bis in das Innere 
erftredt und darüber hinaus, wenigftend bis zum Breitengrade des Gas⸗ 
coyne⸗Fluſſes. Eine in die Augen fallende Thatfache unterftüßt viefe An⸗ 
nahme, nämlich die großen Baumftämme, welche die Flüffe Norpweit » Auftras 
liens berabfließen und die man in ihren Mündungen fand, eine Thatfache, 
von der man in Süd⸗Auſtralien nichtd weiß. 

Zeitfchr. f. allg. Erdiunde. Bo. 1. 27 


418 Sigungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 


Unter dieſen Umftänven kann ich vie bevorftehende Exrpebition des Herrn 
Haugh nur mit der Tebhafteften Freude begrüßen, da deren Beſtimmung be= 
ſonders die ift, einen Theil dieſes vielverfprechennen Diftrietö zu unterfuchen 
und zum Wohle der Menfchheit zu eröffnen. U. Vetermann. 


HT ee 


Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde 
am 5. November 1853. 


Zuerft gedachte ver Vorfigente, Herr Ritter, eines vor Kurzem ver: 
ftorbenen Mitgliedes, des Herrn Beuth, als eines der eifrigften Glieder ver 
Geſellſchaft, ver an allen Beftredungen verfelben ven Tebhafteften Antheil ge: 
nommen hatte und zugleich ald eines Mannes, ver fich ebenfowohl durch feinen 
hervorragenden Geiſt, als durch feiten Charakter, edles Gemüth und hohes In- 
tereffe für Kunft und Wiffenfchaft ausgezeichnet Hatte. — Herr Dove legte 
zur Anſicht die beiden Werfe vor: Om havets stromminger. A Capitain 
C. Irminger und On coral reefs and islands. By James D. Dana. New- 
York 1853. In dem erften find mannigfache neuere Unterfuchungen über 
Strömungen in ver Tiefe des Meeres enthalten, und es wurbe namentlich das 
Inftrument befprochen, durch welches die Richtung diefer Strömungen ermit- 
telt worden ift. Speciell theilte der DVortragenvde die Entdeckung von war- 
men Strömungen bei Island, ſowie Nefultate über vie Cisftröme bei Groͤn⸗ 
land mit. — Nach dem zweiten Werke fprach Herr Dove über die Tempe⸗ 
ratur des Meered in Bezug auf dad Vorkommen von Korallen. — Hert 
Ritter las einen Brief, welchen Dr. Pfundt am 17. October aus Aleran« 
dria an Herrn A. v. Humboldt gefchrieben Hat. In dieſem giebt der Er: 
flere den Plan feiner nächftens zu unternehmenven Reife an, wonach er durch 
- Afrifa bis Zanzibar vorzubringen gedenkt; er berichtigt früher erfchienene 
Karten und befpricht die Begetationsverhältniffe bis Chartum. Werner zeigte 
Herr Ritter vor: The chart shewing the north-west passage by H. 
M. ships Investigator. By E. A. Inglefield, und hielt hierauf einen län- 
geren Vortrag über die Bahrten der Capit. Belcher und Inglefield in dem 
Polargegenven, ver in dem nächften Heft tiefer Zeitfchrift abgedruckt wer 
den wird. 








XI. 
Die Auffindung der Nordweſt⸗Paſſage durch 
Capitain M'Clure. 


In dem 4. Hefte unſerer Zeitſchrift S. 321 — 327 wurden bes 
reits die erſten, in England eben veröffentlichten Nachrichten über den 
gelungenen Verſuch Capitain M' Clure's, eine Nordweſt⸗Paſſage durch 
das nordamerikaniſche Polarmeer aufzufinden, mitgetheilt. Das beige⸗ 
fuͤgte Kärtchen giebt zugleich ein anſchauliches Bild, welchen Weg der 
Entdecker bei ſeinen Forſchungen eingeſchlagen hatte. Wenige Tage 
nur, nachdem das Athenäum die erſten Mittheilungen hierüber brachte, 
lieferten die Times vom 21., 22. und 2A. October d. 3. die ausfuͤhr⸗ 
lichen, von M’Elure eingegangenen Depefchen, welche ihres großen Ins 
tereſſes wegen Hier vollftändig folgen follen *). 


Erſtes Schreiben. 


Am Bord 3. Majeftät Entvedungsichiffes Inveftigator 

gegenüber Point Warren in der Polarfee, den 12. Aus 

guft 1850, unter 69° 43’ u.Br., 131° 57’ w. 2. Gr. 
Mein Herr! 

Sch beehre mich zur Nachricht der Lords Commiſſionars der Ad⸗ 
miralität zu berichten, daß wir am 21. dieſes bei dem Madenzie 
angefommen find. Die Briefe, welche ich durch das Schiff Ihr. Mai. 
Herald, das ih am 30. v. Mts. am Cap Lisburne verlied, fandte, wird 
Sie von dem benadjrichtigt Haben, was bis dahin gefchehen war. Nach- 
dem ich den Herald verlaffen, fteuerte ich gegen NNW. mit frifchem 


=) Die zum Theil wohl in großer Eile und unter ungünfligen Umſtänden ges 
ſchriebenen Depefchen laſſen oft große Dunfelheiten, deren Aufklärung wir erſt von ber 
Geransgabe des volliändigen Meifeberichts nach M’Elure’s Rückkehr erwarten bürfen. 
Gumprecht. 
27* 


420 C. Ritter: 


RO. Winde, um das Eis zu durchfchneiden, was aud) am Morgen 
des 2. Auguft unter 72° 1’ n.Br. und 166° 12’ weftl. 2. gelang. Um 
11 Uhr Vormittags ftand ich im lofen Eife, um das Packeis zu erfor 
fhen. Da aber der Wind nachließ, ehe wir weit vorgedrungen wa⸗ 
ven, fo 309 ich vor, ed zu umfahren, um nicht davon eingefchloffen 
zu werben, da ich fehr wohl fahe, daß es fehr dichtes und ſchweres 
Padeis war, das fih von ONO. nah WNW. ausdehnte. Da mir 
jede Hoffnung ſchwand, hindurchzudringen, fo arbeitete ich mich an deſ⸗ 
fen Rande hin, wo die Sondirungen eine Tiefe von 24 bie 26 Klaf- 
tern (mit Schlammgrund) zeigten. Die Hunderte von Wallrofien, 
welche in dichten Schaaren, wie Schafe in ihrem Stalle, darauf gela- 
gert waren, fegten und in Erftaunen. 


Wir arbeiteten und am Eife entlang fort, trieben auch wohl mit- 
unter einmal tiefer hinein, Bid zum 5., wo das Wetter, das zuvor 
trübe und neblig war, ſich ein wenig aufbelltee Da nun kein Eis ın 
Anſicht war, jo richtete ich unferen Lauf nah Baimwright- niet, in 
der Abficht, zwifchen dem Ufer und tem Bades zu ſchiffen Hier be 
gegnete ih tem Schiff Ihrer Mai. Plover, und um 11 Uhr 30 Min. 
bemerkte ich ein niedriges, wabrſcheinlich aus Schiefer (apparentiy 
shingle‘) beftehentes Ufer, das 2 engl M. vor und lag Weil aber 
Das Wetter ch wieder trübte, richteten wir und ganz nach Den Son- 
Pirungen, tie von 14 bis 73 Klafter wechielten In ter legten Tiefe 
umſchif̃ten wir um 11 Ubr 30 Min tie Barrew⸗-Spitßze (Beint Bar: 
tow), ohne jedoch zeirfiich Land zu jehen, und ſteuerten ictamn gegen 
ER gerate auf Banfd-Lanp zu, ta wir wabrnabnen, daß Tas 
Eis binteibend leie wur, um es turditinn zu framen 


Doch wurte tiere Hermung bald vercitelt: derm am 6. des Ber: 
minags Farte EF das Wener Fögit aut, m it becrt᷑:e, dã wir 
trat in tad Werercis, dad Ichr witz er erturiensih ũch 
wa EU mt EN som Nert in 71 SV nr er 15517 
WU Linse auteinre, serien won Tie tar ine Sce ſah 
ehe ſe wuiS an, mie Die ver Epd, But TI$ Bar tur do Rn 
wecken Ivmirtn feınıe Wir artviseem iii wm nm Mint 
ur ter nr ae Cr u enmen 

a ter Xatt zur der Wior win ferner, este Teemihamer 











Die Auffindung ver Nordweſt-Pafſage durch Capit. M'Clure. 421 


und dicke Luft; die Fahrt wurde fehr befchwerlich, und das Schiff ftieß 
öfterd heftig auf, fo bis zum Nachmittage am 7., ald vom Maftforbe 
herab man Hares Waffer verfündete. Der Wind hörte auf; alle Boote 
wurden bemannt, und ımter Gefang und frifhem Zuruf zog man 
während fechöftündiger Arbeit das Schiff glüdlich heraus in ganz kla⸗ 
res Wafler, die Smiths⸗Bai. Ein leichter Wind trieb und nun im⸗ 
mer oſtwaͤrts. — Am 8. um 2 Uhr Nachmittags, als wir vor dem 
Point Drew waren, fanbte der zweite Schiffömeifter (second master), 
Mr. Court, an das Ufer, um einen Cairn zu errichten und eine No— 
fi darin niederzulegen, mit der Nachricht, daß wir dieſe Stelle pafs 
firt feien. 

Beim Landen trafen die Abgefandten 3 Eingeborene, die 
ſehr fcheu waren, aber nad Austaufh von Freundfchaftszeichen, 
welche in dreimaligem Erheben ver Arme über den Köpfen beftanden, 
dem Boote näher kamen und fehr mittheilend wurden. Das Aneins 
anberreiben der Hafen war die Begrüßungsform. Unſer trefflicher Dol⸗ 
metiher Miertfching erfuhr von benfelben, daß der Stamm aus 
10 Zelten (oder doch dieſer Zahl nahe) beftehe, daß fle erft feit 
3 Tagen Hier angekommen feien, und daß fie mit einer Abtheilung im 
Inneren des Landes in Verbindung ftänden, Die mit der ruffifchen 
Pelj- Compagnie Handel treibe. Am Abend zuvor, ehe .fie und erfpäht 
hatten, Tonnten fie, da fie aus der Berne unfere Maftbäume erblicten, 
bie wandernden hohen Bäume nicht begreifen. Der ganze Stamm 
hatte ſich an das Ufer begeben und, da ihm die Erfcheinung fehr wunder⸗ 
bar vorkam, ließ ex bei feinem Rüdzuge die Drei als Wächter zurüd, 
welche unfer Boot bewachen follten. Diefe Edquimaur gaben uns die 
angenehme Nachricht, daß wir im Sommer bis 3 und 5 Meilen vom 
Ufer die See offen finden würden, und daß das fchwere Eis felten 
hineinfomme, oder Daß das Land niemals weiter, ald gegenwärtig, vor: 
wärts rüde. Sie wußten indeffen nicht, ob ed weiter nordwaͤrts noch 
Infeln gebe, da fie mit ihren Kayacks bei der Seehundjagd nicht weiter, 
als eine Tagfahrt weit bis zum Hauptelfe famen, und daß envlich die 
Wafferfläche ihnen noch 3 Tagereifen weiter bis zu dem großen und 
hohen Eife zu gehen geftatte, doch fei der Raum nie groß genug, daß 
fie mit ihren Kyads tiefer eindringen könnten. Miertſching ſchaͤtzte 
diefe Entfernung nach den Anfichten der Esquimaur auf AO englifche 





422 C. Ritter: 


Meilen vom Ufer ab, womit, was ich felbft beobachtet, uͤbereinſtimmie, 
indem ich größere unaufgebrochene Mafien nie gefehen babe. 

Sie erzählten auch, daß fie das lekte Jahr Boote mit weißen 
Männern gegen Often hätten gehen fehen (ich vermuthe, daß dies 
Lieutenant Bullen mit feiner Mannfchaft war), daß aber ſeitdem 
von ihnen feine Weißen und auch nichts unferen Schiffen Achnli- 
ches bemerft worden wäre, daher fie auch feinen anderen Namen das 
für hatten als „Omiac”, die „fchnell gehende Infel”. 

Mehrere von ihnen kamen zum Schiff, befaßen aber nur Weniges 
zu taufchen, da ihre Jäger, nach denen fie fogleih, als fie uns 
bemerkt, Boten gefchidt Hatten und die bald zurüd erwartet wurben, 
abwejend waren. „Es wird fie fehr befümmern, wenn Ihr fchon ab» 
gezogen wäret,” fagten fie. Sie waren fehr einfältig, gutmüthig, ſehr 
arım, ſehr unreinlich und erfchienen uns als fehr miferable ( wretohed) 
Gefchöpfe. Wiederholt erfundigten fie fi) nach der Zeit, warn wir 
wiederfommen würden, dann würden fie auch Vorräthe von Zellen ha⸗ 
ben; auch follten wir warten, weil fie Rennthierfleifch herbeifchaffen 
wollten. Aber, da bei der Rückkehr des Boote der Wind günftig 
wurde, fo gab ich ihnen Heine Gefchenfe und zugleich einen Brief mit, 
welchen fie der ruffifchen Pelz» Compagnie zufenden follten, und ich ſe⸗ 
gelte dann gegen ven Often ab. 

Bei leichtem Winde fchifften wir am Ufer hin mit 6 Klaftern 
Tiefe. Während viefer Fahrt befuchten uns die Esquimaur zahlreich; 
viele derfelben hatten ihr ganzes Leben zwifchen dem Kupferminenfluß 
und der Barrow⸗Spitze zugebracdht. Sie konnten und von der ver 
fchollenen Erpedition feine Nachricht geben. Hätte ein Glied der 
jelben dieſe Ufer erreicht, fo bin ich überzeugt, wir würden dies erfah⸗ 
ren haben, denn die Küfte ift überall von einem wohlmollenden, ganz 
muntern Volfe bewohnt. Durch die Dolmetfcher übergaben wir ihnen 
Heine Gejchenfe mit der Bemerfung, daß wir nach unferen verlores 
nen Brüdern forfchten; wenn fie daher Weiße in Roth fähen, foll- 
ten fie ihnen behülflich fein, was fie wohlwollend zufagten, und wos 
bei fie auch mit Rennthierfellen viefelben reichlich zu verfehen 
verfprachen. 

An der fehr niedrigen Küfte vorüberfchiffend, bemerften wir zwei 
Kegelberge an der Pitts⸗Spitze (Boint Pitt). In der Hoffnung, daß 








Die Auffindung der Nordweſt-Paſſage durch Eapit. M'Clure. 423 


wir hier vieleicht Grabftätten finden möchten, fteuerten wir darauf zu, 
wobei aber das Schiff auf den fehr feichten Grund aufitieß, fich je 
doch fogleih und zwar ohne Schaden wieder davon befreite, da der 
Grund weicher Thon war. Das zu den Hügeln abgefchidte Boot bes 
richtete, daß alle Esquimaur dort ihre Vorräthe von Wild niedergelegt 
hätten. Eine Flaſche mit der Nachricht von unferer dortigen Ankunft 
wurde dafelbft zurüdgelafien. 

Bei Doublirung des Cap Halfett am Morgen des 9. machte das 
dicht vor dem Ufer liegende Eis die Durchfahrt fehr gefährlich, und 
einzig mit großer Arbeit unter drohender Gefahr, bei ftarlem OSO.⸗ 
Winde und dien Nebeln, konnte dies mit Mühe gelingen, weil Eis 
und rings umlagerte; das Schiff mußte öfter 5 bis 10 Minuten 
lang 34 und bis A, und 6 Klafter weit fortgegogen werben, womit 
aber der ganze Morgen hinging. Gegen Uhr klaͤrte ſich der Him- 
mel etwas auf, wir erfannten die Smiths⸗Bai, die Sondirungen gas 
ben größere Tiefen an, und bie Gefahr zu ſtranden ging endlich glüd- 
(ich vorüber. 

As wir am 10. Auguft Harriſons⸗Bai freuzten, fanden wir ben 
Einfluß des Colville, der fih 12 bis 14 Meilen weit ausvehnt, er⸗ 
füllt mit ſchmutzigem Schlammwafler, das faum etwas falzig if. Das 
didneblige Wetter hinderte jede Anficht des Landes. Die Sondiruns 
gen blieben fehr regelmäßig und wir fonnten bei 8 Klaftern Tiefe auf 
einer Seite vom Elfe entfernt bleiben, während wir auf der anderen 
Sciffsfelte bei 34 Klaftern Tiefe ſchwarzen Schlammgrund hatten, 

Den 11. Arıguft wurde der Himmel etwas heiterer, fo daß wir 
Jones Infel fehen konnten. Ein hoher Holzſtab auf dem Lande vom 
Waͤchter erblict zeigte bei näherer Unterfuchung durch ein dahin ges 
ſchickes Boot, daß es ein Baumflamm war, welchen das Eisgebränge 
emporgerichtet hatte Mit folchen Treibholftüden war auch das Ufer 
bedeckt; eins derſelben hatte noch A5 Fuß Länge. Ein errichteter Cairn 
wurde mit einer Flaſche und Rachrichten verfehen. Am Vormittage 
famen in 2 Baidaren 30 Eingeborne, von denen wir etwas Fifche und 
Enten gegen Taback eintaufchten. Sie waren zwei Monate an der 
Küfte geiwefen und handelten mit der ruffifchen Bel» Compagnie. Ihr 
Erftaunen war fehr groß über die Größe unferer Tafchentücher (näms 
lich unferer Segel); die Wallſiſchboote erregten ihre Aufmerkfamfeit, und 





424 C. Ritter: 


ſie fragten uns, ob ſo große Baͤume bei uns wuͤchſen, um dergleichen 
zu bauen. Ihr Hauptanführer beſaß eine Flinte mit dem Namen 
„Barnett 1840” auf dem Schloß; er hatte biefelbe von den Ruf- 
jen erhalten. Als ein gutes Beifpiel der Geiftes dieſer Leute für den 
Verkehr mag Folgendes dienen. Indem fie fahen, daß wir den Tabad 
in Stüde fchnitten, um ihn gegen ihre Fifche, Lachöforellen, einzutau- 
fchen, fo fingen fie an, dafjelbe mit den Fiſchen vorzunehmen; da wir 
und dies aber nicht gefallen ließen, mußten fte fchon nachgeben. Am 
Nachmittage, als wir vor einer langen, flachen Infel ftanden, fahen 
wir eine Flagge, die aus ein Paar Seehundsfell-Beinkleivern beftand, 
auf einer hohen Stange und eine Anzahl Männer umder. Als vie 
Boote heranfamen, fchlenen fie ihre Dreifligfeit zu bereuen, die Sees 
hundsflagge warb heruntergenommen, und fie felbft entflohen. Sie 
faßten aber neuen Muth, fehrten zurüd, ſtellten fich in einer Linie an dem 
Ufer auf und fingen an, ihre Arme über die Köpfe, ein Zeichen ber 
freundlichen Gefinnung, zu erheben, was wir fogleich wiederholten, um 
ihnen unfere friedliche Ablicht zu bezeichnen. Beim Landen famen fie 
und mit vertrauensvollem Aneinanderreiben der Naſen entgegen und 
umarmten und Fräftigft. Da fie ganz reinlich waren, fo fiel dieſe Gere 
monie nicht fo unangenehm, wie fonft wohl, aus. Durch unferen Dol- 
metjcher Miertfching erfuhren wir, daß dieſes Völkchen nie zuvor einen 
Meißen gefehen hatte, und daß daſſelbe auch nicht den geringften europäis 
ſchen Gegenftand befige. Lieutenant Pullen's Boot ſchiffte nämlich im 
vorigen Jahre an ihnen nur in der Ferne vorüber, fo daß fie mit ihm 
in feine Berbindung traten. 

In den Sommermonaten leben dieſe Esquimaur auf den öden 
Inſeln; im Winter ziehen fie fih nur in geringer Ferne in ihre wär- 
meren Wohnfige zurüd. Weiber und Zelte befanden fich auf einer an 
deren Infel. Es waren wohlgebilvete, thätige junge Burfchen, 5 Buß 
6 Zoll groß, alfo von mittlerer Höhe. Sie vertaufchten ihre Belle u. ſ. w. 
mit einem mehr weftlich wohnenden Stamme, der wieberum feinerfeits mit 
entfernteren verkehrt, bis fo der ruffifche Bolten am Colville erreicht 
wird. Ihnen vertraute ich eine Depefche an die Aomiralität an, die 
fie ſicher bis Eolville beforgen wollten. Ich gab ihnen mit anderen 
Gefchenten auch eine Bootsflagge zur Erinnerung an das erſte Krieges 
ſchiff, das fich in diefen Gewäflern gezeigt. Den Werth diefer Gabe 





Die Auffindung der Nordweſt⸗ Pafſage durch Capit. M'Clure. 425 


fonnten fie anfangs nicht begreifen, und wagten es nicht ſie zu beruͤh⸗ 
ven, bis der Dolmeticher ihnen erflärte, daß fie von einem großen 
Häuptling komme, womit fie allen Weißen wohlwollend entgegenfom- 
men und fie ihnen zeigen follten, was fie denn auch zufagten. Ihr 
Chef nahm die Flagge dann unter dem Arm, lief mit ihr davon über 
die Infel zu feinem Canoe; die anderen folgten Ihm nad, und fie eil⸗ 
ten mit der freudigen Botfchaft unftreitig zu ihren Weibern. 

Eine Weſtſtroͤmung hinderte und bei treibenden Oftwinven fchnell 
weiter zu rüden. — Am 12. famen und A Baidaren mit dem ganzen 
Lager des vorigen Tages entgegen, auch waren Einige dabei, die wir 
zwei Tage zuvor gefehen hatten; fie fchienen auf einer Wanderung 
begriffen gewejen zu fein und brachten uns Fiſche und Wilpfleifch, 
das aber fchon ungenießbar für uns geworden war. Wir erlaubten 
ihnen allen an Bord des Schiffes zu fommen, obwohl wir ihre diebi⸗ 
hen Manieren fannten und darum firenge Wachfamfeit hielten. Mit 
größter Gewandtheit entwebeten fie die Handhabe einer Mafıhine und 
einen Heinen Eisanfer, wobei das fchöne Gefchlecht zum Empfänger 
wurde. Es war der größte Zufall, daß wir den Diebftahl entvedten, 
indem die Handhabe zuweilen unter einer dicken Dame hervorgudte. 
Das Weib wies auf ihren Dann ald den Thäter hin. Zur Strafe 
erhielt die ganze Mannichaft des Bootes für dieſe Treulofigkeit feine 
Geſchenke. 

Beim Weiterſchiffen gegen Oſten bemerkten wir einige Rennthiere 
auf den anderen Inſeln, konnten aber kein Boot dahin ſchicken, weil 
eine SO.⸗Stroͤmung uns in ſeichtem Waſſer fo feſthielt, daß alle 
Boote zum Kortziehen des Schiffes bis 8 Uhr Abends nöthig waren, 
wo ein leichter Wind uns in 6 Faden Wafler gegen Welten trieb. 
Das loje Eis war in rafcher Bewegung, und die großen Eisfchollen 
verftärkten die Strömung fo fehr, das fie öfter das Schiff umdrehten, 
und die Gewalt des Windes, der 2 Knoten ſtark trieb, nicht dagegen 
wirken konnte. Am Morgen des 13. umgab und ein dichter Nebel; 
wir mußten zwifchen mächtigen Eismafien uns burcharbeiten, fließen 
aber, wenn wir eine verließen, defto härter an die andere, was mich 
veranlaßte, mich an einen Eisblod zu befeftigen, bis dieſer in's Freie 
fam. Gluͤcklicherweiſe gelang dies auch an einem der weniger folofjalen 
Blöde, ver noch bis in 7 Klaftern Tiefe reichte. Ich maß an 7 Stel: 


426 &. Ritter: 


len defien Höhe über der Wafferfliche, mas ein Mittel von 11 Fuß 
11 300 gab. Eine folche Maffe würde zu gewaltig gewefen fein, um 
mit einem Schiff Dagegen zu arbeiten. 

Am 14. um 8 Uhr, als unfere Umgebung etwas freier geworben 
war, verließ ich den Eisblod und verfuchte oftwärts Durch die Eis⸗ 
maflen zu fteuen. Um 10} Uhr beobachtete ich eine Untiefe noch zei: 
tig genug, um ihr auszuweichen; vom Verdeck fonnte man fie durch⸗ 
aus nicht bemerken, da fie unter den Eisfchollen verdedt lag und nicht 
fo hoch, al8 diefe war und mit Treibholz, das hier in großer Menge, an 
der ganzen Küfte entlang, fich zeigte, überdedt erſchien. Um 34 Uhr 
Nachmittags hinderte eine andere diefer flachen Infeln, auf deren Nord⸗ 
ende das Eis liegen geblieben war, unfern Lauf, während an ihrer füb« 
lichen Seite eine flache Strede fie mit der am Morgen gefehenen Ins 
jel in Verbindung ſetzte. So waren wir volllommen aufgehalten. 

Die Boote wurden zum Sondiren ausgefchidt, ald Mr. Eourt 
eine Baflage von 2 Faden nachwies, in der wir aber an einer Stelle 
von nur 24 Klaftern, die man nicht bemerkt hatte, anftießen. Wir muß- 
ten das Schiff durch Ausladen bedeutend erleichtern, was uns auf der 
Inſel in Zeit von 5 Stunden befchäftigte, ehe das Schiff, das jedoch 
feinen Schaden erlitten, wieder flott werden fonnte. Leider gingen hier 
bei 11 Faͤſſer Satzfleifch verloren, ein großer Verluſt! Sobald wir 
frei geworben, beabfichtigte ich denfelben Weg zurüdgulegen, den wir 
gefommen waren, aber die Eisfchollen hatten den Weg verrannt; ich 
mußte vor Anfer gehen und einen Wechfel des Windes abwarten. 

Den 16. fam allmälig Wind von Weften, welcher das Eis an 
der Rorbfpike der Infel in Bewegung feste. Schon um 9 Uhr des 
Morgens zogen wir und lavirten das Schiff zum Rande des Eifes, 
das eine Barriere von etwa 500 Yards Breite zwifchen uns und der 
offenen See bildete, in welche einzufchiffen unfer Wunfch war. 

Um 2 Uhr Rachmittags fingen wir an, uns durch das Eis durch⸗ 
zuarbeiten bis um 8 Uhr des Abends, wo wir uns für Die Racht am 
Eife befeftigten, weil die Luft ftill geworden. Der Kampf mit dem 
Eife dauerte bis zum 18. fort, als ſich vom Maftkorb eine offene Mee⸗ 
reöftelle im Padeis zeigte, die zwar fehr fchmal war, ſich aber von 
Often gegen Welten mehrere Meilen weit ausvehnte. 

Am Abend erhob fich ein frifcher Wind von SW., und zugleich 


- 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Pafſage durch Capit. M' Clure. 427 


bemerkte man eine regelmäßigere Bervegung, die ald das fichere Merk 
mal einer offenen See in ber Nähe angefehen wird. Obwohl «8 
fehr neblig und nichts zu fehen war, fteuerte ich Doch gegen ANW. 
gegen Banks⸗Land zu, in der Meinung, daß wir das Padeis umſchifft 
hätten, da wir 400— 500 Meilen immer ihm entlang geblieben was 
ren. Den größten Theil der Nacht fuhren wir ohne große Hinder⸗ 
niffe, aber am 19. bemerften wir, daß wir in eine tiefe Bucht eingelaus 
fen waren, die uns zur Rüdfehr gegen SO. nöthigte. Wir mußten 70 
Meilen gegen Süd bis 69° 50’ n. Br. und 136° 50’ weft. L. laufen. 
Nur felten kann man hier Beobachtungen machen; feit dem 5. ded Mos 
nats war ed nur bie fechste, welche uns gelang, da hier die Düfter- 
heit des Himmeld und der Nebel viel andauernder blieb, ald ich ir⸗ 
gendwo gefunden hatte. 

Am 21. Auguft famen wir endlich glüdlich in offenes Wafler, 
nnd fo auch um 1 Uhr an den Pelly⸗Inſeln vorüber, bis zu der Muͤn⸗ 
dung des Madenzie-Fluffes. Die Küfte iſt hier fo außerorbentlich 
feicht, daß ich unmöglich das fefte Land erreichen Eonnte, was ich doch 
fo ſehr wünfchte. Bei 3% Faden Tiefe mußte ich völlig AO Meilen da⸗ 
von entfernt bleiben; 10 Meilen weiter im Nord paffirten wir die fehr 
bemerfbare Fluthlinie des Waflers, das die Farbe der Theme zu Wools 
wich bei einer Temperatur von 39 Grad F. hatte und wenig brafijch 
war. Das Meer hatte A Stunden zuvor 28 Grad gezeigt. Was ich 
vom Padeis gefehen, überzeugt mich davon, daß jeder Verfuch, Banks⸗ 
Inſel durch daffelbe zu erreichen, unmöglich fei, wogegen zwifchen dem 
Eife und der Küfte des Continents hindurch zu fchiffen, ſich in guter 
Jahreszeit eine Möglichkeit darbiete. Diefe legte werde ich Daher zu vers 
folgen fuchen und meine erften Pläne, die ich in einem Schreiben vom 
19. Juli auögefprochen, mich in die Mitte der Eismaffen zu wagen, 
aufgeben. 

Obgleich am 23. Auguft die Luft vol dicken Nebels, das Waſſer 
aber an der Dftfeite des Madenzie bis Cap Bathurft frei vom Eife 
war, fo hatte es feine Schwierigfeit, dem Lande entlang zu gehen. 
Indem wir eine Tiefe von A—8 Faden hatten, ergab es fi, daß 
das Eis uns erlauben würde, den Weg in diefer Richtung bin weis 
ter zu verfolgen. Mittags entdedten wir eine Gruppe von Infeln, 
welche nach einer Beobachtung 69° 3A’ n.Br., 135° 9’ wel. 2. die 





428 C. Hitter: 


Pelly⸗Inſeln waren. Der fchöne helle Tag gab eine Temperatur von 
40° um Mittag, Wir gingen am Norbende der Richards Infel vor 
über, die vom Maftlorb aus auf 69°54’n.Br. und 133° 48’ weft 
2, beftimmt wurde. Dad Meer gegen die Küfte war volllommen frei 
von Eis, was mit Richardfon’d Angabe flimmt, der fagt, daß die Be 
wohner dieſer Gegenden zwei Monate hindurch Fein Eis fehen, daß 
fie aber nie das Land auf einige Diftanz verlafien; denn wenn fie nur 
10 Meilen weiter gegen Norden als unfere Pofition, gingen, fo würs 
den fie fchon auf undurchoringliches Padels ſtoßen. Doch wird eben 
dadurch die Küftenfchifffahrt möglich, zumal da die Sonbirungen bei 
dem nebeldickſten Wetter doch fehr regelmäßig find, und wir bei 34 Klafs 
tern ganz fichere Fahrt haben. Heute fahen wir einen Walfifch; es 
war erft der dritte, den wir bemerften, ſeitdem wir Point Barrow ums 
ſchifft Hatten. 

Den 24. Auguft waren wir an Point Warren und bemerften Ein- 
geborene und deren Hütten. Ich fchließe fchnell diefen Bericht in der 
Hoffnung, daß dieſes Volk, das mit dem Madenzie in Verbindung 
fteht, diefes Schreiben noch die ſes Jahr über Fort Good Hope in 
die Heimath befördern wird. Ich Habe den Beamten der Compagnie 
in dieſem Fort um die Weiterfendung erfucht. 

Meine Schiffsmannfchaft it wohl und beſten Muthes; vie Jah 
reszeit ift günftig, die Temperatur mild, das Küftenmeer, fo weit wir 
fehen können, ganz frei vom Eife. Ich Hatte erft die Abſicht, dieſes 
Schreiben über Cap Bathurft zu ſchicken; jebt wird es aber einen an- 
deren Weg nehmen. 

Robert M’Elure, Commander. 


Zweites Schreiben. 


Am Bord Ihrer Maj. Entdeckungsſchiff Inveftigator, 

gegenüber Gap Bathurſt in der Norbpolar: See, unter 

20° 23’ n. Br., 127°57’ wefll.2. Den 30. Aug. 1850 

Die Depefche abzufchiden, ging ich am 24. an das Ufer, nahe 

der Warren-Spite. Ich vermuthete, daß biefer lebende Stamm in 
ſolcher Nähe des Madenziefluffes auch In Handelsverbindung mit ber 
Hubdfenbai Compagnie ftehen mußte. Um fo auffallender war es mir 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Pafſage durch Eapit. M'Clure. 429 


bei der Annäherung an den Strand ftatt freundlicher Begrüßung, wie 
fie uns gewöhnlich zu Theil wurde, zwei feindliche Wilde mit drohen⸗ 
den Gebehrden, gefpannten Bogen und Pfeilen zu fehen. Einer ber; 
felben hatte ein großes Mefier, das er drohend ſchwang und womit er 
ung abwehrte. Da wir dennoch mit dem Boote landeten, liefen fie 
mit hellem Gefchrei und wüthenn davon. Am Ufer angelommen, mad 
ten wir daſſelbe Zeichen der Freundſchaft, wie anderwärts, aber one 
Wirkung, bis unfer Dolmetjcher in voller Nationaltracht ihr Vertrauen 
erwedte. Auf unfere wiederholten Freundſchaftsbezeigungen näberten 
fie ſich; da fie aber einige Musfeten in den Händen der Matrofen fa- 
ben, geriethen fie wieder in Wuth. Um fie zu berufigen, legten wir 
fie auf den Boden, worauf fie diefelben genau unterfuchten; noch miß- 
trauiſch baten fie, wir möchten fie in das Boot legen. Ich fchidte fie 
alfo al8 ein Hinderniß unferer Verbindung zurüd, worauf fie ſich nä- 
herten und ihre Bogen und Pfeile zur Unterfuchung darboten. 

Unfer Dolmetfcher Miertfehing erfuhr nun, daß fie uns ſchon um 
5 Uhr Morgens beobachtet hätten. Der ganze Stamm hatte fich auf 
feine Baidaren begeben, feine beften Häute mitgenommen und die An⸗ 
ſiedlung verlaffen; nur der Häuptling und fein Sohn waren geblie 
ben, ihr Eigenthum zu vertheidigen. Ihnen galt es für ehrlos, der 
Gefahr auszumweichen. Ein franfer Sohn mit feiner Mutter näherten 
fih uns bald, da fie uns freundlich fahen. Dr. Armſtrong unterfuchte 
des Kranfen Fuß, der im furdhtbaren Zuflande des Abſterbens (Mors 
tification? ob Knochenfraß oder Falter Brand?) war. Der Häuptling 
fagte, daß fein Stamm mit feinen Nachbarn in Fehde fände, und daß 
zwifchen ihm und den Indianern Scharmügel vorfielen. Sie hätten 
aber gar Feine Verbindung mit Anwohnern des Großen Stroms (Maden- 
ie); auch hätten fie nie zuvor Weiße gefehen. Wenn die See zu- 
friere (Ende des nächften Monats), zöge der ganze Stamm gegen We⸗ 
ften und handle mit den Esquimaur, die wir an Jones⸗Inſel geſehe⸗ 
ben. Der Dolmetfcher fagte ihm, daß er einen Bruder Namens At⸗ 
tauwas in dem Chef jenes Stammes gefunden habe. Dabei klatſchte 
der alte Chef mit den Händen zufammen und fagte: den fenne er fehr 
wohl; es ſei der große Ehef, mit dem er handle, und die Urfache, 
warum fie dahin jo weit zum Handel wanderten, ftatt zum Maden- 
sie, fei, weil die Weißen Männer den Indianern fehr fchlechtes Waſſer 


430 C. Ritter: 


gegeben hätten, welches Viele tödte und Andere verruͤckt mache, und 
daß ſie Fein ſolches Waſſer haben wollten. Daraus ergiebt ſich aber, 
daß die Compagnie durch ihr Verfahren jährlich einen großen Verluft 
an Pelzwerk erleidet, welches nun über Eolville ftatt über den Macken⸗ 
ie geht. Da der Dolmeticher bemerkte, daß der Häuptling einen al 
ten Metallfnopf als Ohrfchmud befaß, fo fagte diefer, daß er von 
einem Weißen fei, den einer feines Stammes getöbtet habe, Daß 
aber der Tödter in feinem Kyad weggegangen fei, ald man das Schiff 
erblidte. Der Weiße gehörte zu einer am Point Warren gelandeten 
Partei, die dort ein Haus erbaut hatte. Niemand wußte, woher fie 
gekommen, da fie Fein Boot hatten. Sie feien landein gegogen. “Der 
Weiße habe fih von der übrigen Partei entfernt gehabt; er und fein 

Sohn hätten ihn in geringer Ferne auf einer Anhöhe begraben. Die 

Zeit dieſes Ereigniffes war übrigens nach der Ausfage des Mannes 

„e® fei im vorigen Jahre gefchehen, oder da er noch ein 

Kind gewefen!” nicht zu ermitteln. Gern hätte ich das Grab uns 

terfucht, aber Nebel und Wind nöthigten zur Rüdfehr zum Schiff *). 

Wir trennten und nach ein paar Geſchenken ganz freundfchaftih. Ich 

beabfichtigte fo lange zu verweilen, um das Grab und das Haus näs 

her zu erforfchen, da es wohl mit der verfchollenen Expedition in Ver⸗ 

bindung ftehen könnte und verweilte deshalb 18 Stunden. 

Am folgenden Tage, den 25., um 2 Uhr erreichten wir, Dr. Arm⸗ 
ſtrong und ich, bei ziemlich klarem Wetter, die Spige, von welcher der 
Chef gefprochen. Zwei Hütten fanden allerdings da, aber ganz vers 
fallen, von altem Datum und ohne irgend eine befonvere Auszeichnung. 
Umher war flaches, fumpfiges Land, mit Gras, Moos und Kräutern 
bewachfen. Es war der Brütplag von Eidergänfen und vielem andes 
ren Geflügel; auch Fährten von Fuͤchſen und Rennthieren fahen wir. 
So fruchtbaren Boden an der polaren Seeküfte hatte ich nicht erwar⸗ 
tet. Der Dolmetfcher, der die Sitten der Esquimaur gut Fennt, hielt 
die Geſchichte des Weißen nur für eine Tradition, für ein Ereigniß, 
das mit einem Der Vorfahren des jebigen Chefs vorgefallen fei, wobei 
derfelbe feinen Tod fand. Die fpätere Generation maßte ſich nur 
die Ehre der That ihrer Vorfahren an, und das Schidjal möge einen 
der erſten weißen Entbeder der Küfte getroffen haben. 


*) Eiche dieſe Beitfchrift S. 324. G. 


m ..—nn. iR Fo .» Br 5 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Pafſſage durch Capit. M' Clure. 431 


Auch hörten wir, daß im vorigen Jahre von Weiten her zwei 
Boote gefommen und an Point Warren gelandet feien, worauf fie wie: 
der ihren Rüdweg genommen hätten. Dielleicht waren es Lieutenant 
Pullen's Boote, die bei dickem Nebel den Mackenzie⸗Fluß verfehlten, 
und erft an ber Landfpige ihren Irrthum erfannten. Diefes Jahre hats 
ten fie aber Riemand gefehen. 

Am 26. zeigte fih bei NO.⸗Wind Schneewetter, das fich aber 
auch wieder aufhellte.e Das Land blieb in derfelben nieberen Linie 
mit ein paar Kegelhöhen in Turzer Kerne landeinwaͤrts. Wir fahen 
ein paar alte Zelte, aber Feine Menfchen Zwei MWallfifche, wovon 
einer fehr groß war, fchwammen bei nur 6 Faden Waflertiefe an un= 
ferem Schiffe vorüber. Am 27. gab es Nordwinde und dide Nebel, 
fo daß es zu gefährlich gewefen fein würbe, ein Boot auf Unterfuchung 
auszufenden. Am 28. traten leichte NO.⸗Winde mit mildem, aber 
trübem Himmel ein; Mittags zeigten ſich an dem fühweftlich gelegenen 
Gap Dalhoufie in 12 Meilen Entfernung einige große Eisberge, bie 
uns aber bei offener See in unferem Bortgange eben nicht hinderlich 
waren. Sn den lebten A Tagen fanden wir eine gegen Süd gehende 
Strömung, die täglich 11 bis 16 Meilen zurücklegte. Wir hatten 
feine Gelegenheit, Vögel zu fchießen, da diefe fehon vor unferer An- 
funft ihre Wanderung gegen Süden begonnen hatten. Die wenigen 
Bögelfchaaren, die wir noch vorfanden, waren fehr fcheu und un- 
nahbar. 

Den 29. fehr dichte Nebel mit Teichtem NO. Winde, welcher ge- 
gen Mittag den Himmel aufflärte und zur Abnahme einer Merivians 
höhe Beranlaffung gab, die uns zeigte, daß wir feit geftern 12 Mei- 
len gegen Süden gezogen waren, da Cap Dalhoufie gegen SW. ges 
nau 3 Meilen lag. Der Rebel umgab und wieder, ald wir dem Ufer 
gegenüber waren, wobei wir In einen engen Canal geriethen, ver zu 
beiden Seiten nur 33 Baden Tiefe hatte, und und gegen Welten zu 
gehen nöthigte. Nachmittags kamen wir in fehr ſchweres Treibeis, 
womit wir in Folge des Nebels öfters in Berührung famen. 

Am 30. hatten wir Nordwind mit Haren Wetter. Da wir eine 
Marke am Ufer in LiverpoolsBai auf der Infel bei der Maitland- 
Spitze wahrnahmen, ſchickte ich den Schiffsmeifter-Gehülfen Mr. Sa- 
lisbury dahin, fie zu unterfuchen und eine Rotiz von uns dabei zu- 


432 C. Ritter: 


rüdzulafien. Es war ein kurz verlaffened Lager der Esquimaur, wo fich 
noch Spuren ihrer Zelte und Yährten zeigten. Auch Rennthiere fahen 
wir dort. Ich bemühte mich, einige fichtbar gerwordene Eingeborene zu 
erreichen, um eine Depefche für die Hudſons⸗Bai⸗Compagnie mitges 
ben zu fönnen, indem ich Hoffen durfte, daß diefe ‘Depefchen die Hubs 
ſons⸗Bai noch dieſes Jahr erreichen würden, wären dieſe Eingeborenen 
nicht etwa zu große Barbaren. Morgen gebenfe ich Cap Bathurft 
zu doubliren. Wahrfcheinlich wird dies die lebte Depefche fein, die ich 
abfenden fann. Das Wetter war bisher fehr mild, felten unter 32°; 
ich hoffe, noch weiter nord wärts gelangen zu können, ehe das Meer 
zufriert, was nach Ausfage der &squimaur am Ende des naͤchſten 
Monats gefchehen wird. 


Drittes Schreiben. 


Un Bord Ihrer Najeſtaͤt ECudeckungsſchiff Inveſti⸗ 

gator gegenüber Gap Bathurft im Polarmeer. Den 

30. Auguft 1850. 70°28' 1. Br. u. 128° 33’ w.2. ®) 

In Folge des im Vorigen gemeldeten Vorſatzes fchloß ich meine 
Depefhe und fuhr im erften Wallfiſchboot mit Dr. Armftrong und 
dem Dolmetjcher, denen bald Lieutenant Ereffwell und andere Offiziere 
im Gutter nachfolgten und Gefchenfe brachten, zum Ufer hin. Beim 
Landen begrüßten und zwei Weiber ganz friedlich und gaben mir durch 
den Dolmetſcher Nachricht, daß ihr Stamm am Cap Bathurft mit 
Wallfiſchfang befchäftigt fei, wohin fie und führen wollten, da die Ent- 
fernung nicht groß fei. Wir nahmen das Anerbieten an und ließen 
die Boote an der Küfte entlang fchiffen; wir felbft aber erfliegen bie 
Klippe und erreichten eine fchöne Ebene voll Gräfern und Moosbes 
dedung, die fich mehrere Meilen nah Norden und Süden ausdehnte. 
Wir zogen die Wanderung vor, in der Hoffnung, einige Rennthiere 
zu treffen, für die hier reichliches Futter fi) vorfand, aber wir wars 
derten von Meile zu Meile, ohne daß wir Fifcherfahrzeuge antrafen. 
Rah 3 Stunden Weges erreichten wir endlich eine Feine Bai, von der 


©) Bon hier an gewährt bie dem 4. Heft umferer Zeitſchrift beigegebene Karte 
eine Ueberſicht ver neuen G. 





Die Auffindung ver Nordweſt⸗Pafſage durch Cap. M'Clure. 433 


wir erfuhren, daß im vorigen Jahre daſelbſt zwei Boote ihre Zelte 
zum Rachtlager errichtet hätten (ed war dies Sir J. Richardſon), 
und gingen noch etwas weiter. An der nächften Bai fanden wir zwei 
Zelte, welche unfere Führerinnen ald die ihrigen audgaben, aber vom 
Cap und von ihrem Stamm war nichts zu fehen. Wir wollten nun 
nicht weiter gehen; die gaftliche Einladung, in ihre Zelte einzutreten, 
fhlugen wir ab, taufchten aber für einige Kleinigfeiten mehrere Salme 
ein, gaben ein paar Gefchenfe und kehrten an Bord unferes Schiffes 
zurück, da ed dunkel und nebellg ward. 105 Uhr Abende warfen wir 
bei 34 Baden Tiefe Anker für die Nacht. 

Am Morgen des 31. Auguft fahen wir bei Tageslicht, daß wir 
zwifchen dem Feſtlande und den Bailley's⸗Inſeln, 1 Melle von den leb- 
ten ftanden; noch war Nebel bei NW.⸗Wind, doch befchloffen wir, 
wo möglich, Die Fiſcherleute aufzufuchen. Im Cutter mit Miertfching 
und Dr. Armftrong verließ ih um 7 Uhr 30 Minuten das Schiff, 
fuhr an der Küfte 10 Meilen weit und entdedte endlich auf dem Aus 
Berftien Ende des Eap Bathurſt ein großes Lager von 30 Zelten und 
9 Winterhäufern mit wenig über 300 Leuten. Als wir auf dem fehr 
niedrigen Iſthmus landeten, der die Infeln mit dem Feftlande verbin- 
bet, geriet) Das Dorf in Bewegung; die Männer eilten die Klippen 
hinab, warfen fich in ihre Kyads und ruberten und entgegen. Sie 
zogen ihre leichten eleganten Schiffchen auf das Ufer und eilten uns 
mit gezogenen Meſſern und gefpannten Bogen entgegen. Da fie aber 
unfere freundfchaftlichen Zeichen wahrnahmen, ftedten fie ihre Bogen 
in ihre Seehundsköcher, behielten aber die Mefier in den Händen. 
Der Dolmetfcher Fündete und als frievliche Gäfte an und erfuchte fie 
ihre Meſſer einzufteden; gut, fagten fie, wenn ihr eure Flinten ablegt. 
Die Erlaubniß, die Mudfeten für und zu tragen, erfchien ihnen als 
ein Bertrauen, wofür fie und durch das Geſchenk ihrer Meffer ihre 
Dankbarkeit bezeigten. Wir verweilten eine Stunde bei ihnen, in wel- 
her unfer Dolmetfcher fortwährend im Gefpräche mit ihrem Chef, einem 
netten, fehr verftändigen Manne in feinen beften Jahren blieb. Er 
veriprach, getreulich unfere Depefche zum Madenzie zu fördern und ers 
hielt dafür eine Musfete und Munition, fowie die Anweifung, bei Abs 
lieferung des Packetes eine Belohnung von der Compagnie, an Werth 
ein Sitberfuchöfel, zu erheben. Doch fagte man mir, daß er nicht 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Br. 1. 28 


434 C. Ritter: 


ſelbſt mit dem Madenzie verkehrte, ſondern mit einem füblichen Stamm, 
der erſt mit den Indianern Handel treibe, welche im Dienfte der Hub- 
fonbais@ompagnie fliehen. Die Padete mußten alfo dur 3 Stämme 
von Heiden Hindurchgehen, ehe fie in die Hände civilifirter Leute fom- 
men, daher ed wohl möglich ift, daß fie ihre Beſtimmung nicht errei- 
chen werden. Doc, hielt Mr. Miertfching für wahrfcheinlich, daß der 
Chef dieſe Packete felbft an ihren Beflimmungsort bringen werbe. 
Diefe Edquimaur waren völlig erflaunt über Mr. Miertiching’s Kennt: 
niß ihrer Sprache und ihrer Angelegenheiten und machten ihm die 
freundlichften Borfchläge, wenn er bei ihnen bleiben wolle Der Chef 
bot ihm feine 15 jaͤhrige Tochter, ein fehr hübſches Maͤdchen als Weib 
nebft Zelten und allem Hinzugehörigen an. 

Während diefer Unterhandlungen hatten fi) wohl 100 Bewohner 
des Dorfed um uns gefchaart, fo daß ich es nicht für rathſam Hielt, 
den Sad mit den Gefchenfen zu öffnen, da mir ihre Habfucht bei Er⸗ 
blifung fo wichtiger Dinge befannt war. Wir fehrten aljo zum Boote 
zurüd. Der Häuptling des Stammes, im Gebraud) feiner Flinte ums 
terrichtet, zeigte fich dabei fehr gelehrig und fehrte, nachdem er die Mu- 
nition erhalten, mit feinen Hauptleuten zum Dorfe zurüd. 

Run zogen wir eine Linie am Ufer, welche die Empfänger von 
Gefchenten nicht überfchreiten follten, was fie auch vollfommen verſtan⸗ 
den, worauf der Dolmetfcher die Gefchenfe austheilte. Eine Zeit lang 
wurde die Ordnung beobachtet; aber bald wurde das fchöne Geſchlecht 
(aut, durchbrach die Linie, und wir waren gezwungen, um nicht durch 
fie in das Waſſer gedrängt zu werden, und in unfere Boote, die etwa 
20 Yards vom Ufer lagen, zurüdzubegeben. So entlamen wir aller 
dings Denen, die feine waflerdichten Stiefel hatten, aber einige 40 
umgaben doch den Gutter, und obgleich unfere Bootöleute rund umher 
poftirt waren, um zu hindern, daß Jemand an Bord füme, war bie 
Zudringlichfeit der Weiber doch fo groß, daß einige ergriffen wurben, 
die ſich bemühten Alles zu entwenden, was in ihren Bereich Fam. Sehr 
gewandt ſtahl die eine unjere Compaßbuͤchſe aus ihrer Umhüllung und 
ſteckte fie in ihre Jade, fo daß wir nur mit Mühe derfelben habhaft wers 
den fonnten. Rur durch firenges Feſthalten der Diebinnen oder durch 
Fortſchicken derfelben, waren wir im Stande, die Ordnung berzuftellen. 
Nachdem nun alle Gefchenfe ausgetheilt waren, und dies große Freude 


Die Auffindung der Norpweit- Baflage durch Capit. M'Clure. 435 


erregt Hatte, halfen fie uns Fräftig, das Boot flott zu machen, und 17 
in ihren fchönen Kyads escortirten und zu unferem Schiffe, wo fie 
eine Biertelftunde vor und anfamen. Wir nahmen fie in unfere Schiffe 
an Bord auf; einem, der in's Waſſer geftürzt war, gaben wir einen 
Schluck Branntwein, defien Stärfe er nicht kannte, der ihm aber 
die Augen mit Ihränen füllte. Doch befchwerte er fich nicht, ſondern 
forderte Waſſer. Viele von ihnen famen an Bord, aber feiner wagte 
fi) unter das Verdeck und fie erflaunten daß wir feine Zelte, ſondern 
unten Häufer (Cabins) Hätten; fie Hatten den Ihrigen Bieles zu 
erzählen. Diefer Stamm ift von einer feinen, fehr intelligenten Rare, 
zugleich veinlich, ſchön und gut gewachfen; aber bis jegt war noch fehr 
wenig zu ihrer Civllifation gefchehen, was die Zukunft balpigft herbei: 
führen möge. 

Um 5 Uhr 40 Min. fand die Abfahrt mit mäßigem Suͤdweſt ftatt; 
wir fchifften gegen Südoften, um die Bailley's⸗Inſeln zu verlafien. 
Um 9 Uhr wurde bei veränderlihem Winde gegen Nordweſten gefchifft, 
ohne weit vorzurüden, da wir erft am Morgen des 1. Sept. das 
Gap Bathurft im Rordoften gegen Often in 6 Meilen Entfernung er- 
blidten. Es kamen viele Kyacks zu und, und von unferen freundlichen 
Gefinnungen überzeugt, fliegen viele von ihnen ohne Die mindefte Scheu 
an Bord und ließen durch den Dollmetfcher und willen, daß fie in 
der Nacht ein Feſt bei Braten von Walfifch, Wild, Salmen, Sped 
und anderen Delicatefien gefeiert hätten, in der Hoffnung, wir wür⸗ 
den an's Land kommen; auch hätten fie viele Pelze zufammengebradht. 
Aber die Lage des Schiffes war zu gefahrvoll, ym daſſelbe zu verlaflen; das 
gegen famen beide Gefchlechter In großer Anzahl zu uns an Borb und 
wir nahmen ihre Kyads mit herauf. Da fie fih fo in Sicherheit fahen, 
betrachteten fie ſich Alles genau und thaten, als wären fie zu Haufe. 
Die Bilder und Spiegel in den Eajüten der Offtciere ſetzten fie in 
die größte Verwunderung. Biele tanzten mit unferen Matrofen, und 
Alle waren gegenfeitig fo glüdlih, daß ich fie erſt um 6 Uhr wieder 
vom Schiff wegbringen fonnte. Hätte der Dolmetjcher Ihnen nicht die 
Lüge vorgefagt, daß wir in das Padeid gingen und nicht wieder zu 
ihren Zelten zurüdfehren würden, fo hätten wir fie mit Gewalt zus 
rüdweifen müflen. Nach ihren Mittheilungen war das Haupt» Padeis 
permanent und reichte bis etwa 12 bis 14 Meilen vom Ufer ab; fie 

28 * 


436 C. Ritter: 


nannten daſſelbe das „Land der Weißen Bären”, woran ber 
Strom Ueberfluß hatte und vor denen ſich die Edquimaur zu fürchten 
fhienen, da, al8 wir den Vormittag in der Nähe des Packeiſes ftan- 
den, fle uns baten, dort nicht zurüdgelafien zu werben, da fie vor den 
Bären gerade jebt, wo fo viele ihrer Weiber bei ihnen feien, Beſorg⸗ 
niß hätten. Eine der Mütter erzählte mit Thränen, daß noch vor 
Kurzem eins ihrer Kinder von einem weißen Bären in geringer Ent 
fernung von ihr, indem es da jpielte, davongetragen ſei. 

Mehrere an diefe armen Leute vertheilten Gefchenfe hatten zur 
Folge, daß fie verjprachen, unfere weißen Brüder, follten fie an ihre 
Küften fommen, wohlwollend aufzunehmen. Außer einigen Eiſen⸗ 
töpfen, deren jever bei ihnen den erflaunficden Werth von fünf der 
beften Silberfuch8 » Pelze hatte, befaßen fie nichts von europäifchen Ma⸗ 
nufacturwaaren. Ihr Stamm verläßt den 20. Sept. dad Gap, wenn 
das Eis feſt genug fleht, um ihre Schlitten zu tragen, worauf fe 
mit den angrenzenden Stämmen Handel treiben. Dann ziehen fie ſich 
zu ihren Winterhütten in einiger Entfernung nad dem Inneren des 
Landes zurüd, und nur ein paar Yamilien überwintern auf dem 
öden Gap. 

Der 2. Sept. war ein fchöner Tag, bei leichtem Nordwinde 
Wir fuhren das Packeis entlang, hinter welchem vom Maftforbe feine 
freie Meeresftelle erblidt werven konnte. Das Küftenmeer zwiſchen 
dem Padeife und dem Lande war nur von vielen Stüden lofen Eifes 
durchzogen. Eine flarfe Strömung von SD. tried uus weſtwaͤrts 
von den Bailley's⸗Inſeln. 

Den 3. Sept. am Morgen drehte fich der Wind gegen üben 
und brachte viele Nebel mit, wodurch das Schiff auf feinem Wege mit 
manchen Eismaſſen zufammenftieß. Um Mittag Härte fi) das Wetter 
auf, und wir fahen Trail-Point gegen SSW. in 3 Meilen Ent⸗ 
fernung; die Sondirung ergab 65 Faden bei Schlammboden. Die 
Nächte waren mehrere Stunden ganz dunkel, aber Signale in blauen 
Lichtern und Radeten wurben für eva von Wollaftons oder Bictorias 
Land zum Madenzie zurüdichrende Schiffe gegeben. 

den A. Sept. Leichte veränderliche Winde; die Temperatur flieg 
bis A1°. Das Uferwafler war ohne Eis; A Meilen im Weften des 
Horton fondirten wir bei 83 Faden; bald ‚darauf famen wir über eine 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Pafſage dur Capit. M'Clure. 437 


fchmale Sandbanf von nur 13 Klaftern Tiefe, auf der einige Bloͤcke ſchwe⸗ 
en Eifes feflagen. Der Küftenrand erfchien 80 bis 100 Fuß hoch, aus 
blauem Thon und Sand beftehenn. Viele Walfifhe umjchwammen 
das Schiff, einmal gar acht an der Zahl, und zwar von 1 bis A Uhr; 
auch zeigte fih ein Bar auf einer ſchwimmenden Eisfcholle, der erfte, 
den wir fahen. 

5. Sept. Das ftürmifche Wetter klaͤrte fih Mittags auf, als 
wir eine fehr große Rauchmaffe in 12 Meilen Entfernung gegen 
Südweſten auffteigen fahen, und zwar 5 Meilen im Often von Hor- 
ton, an berfelben Stelle die wir geftern gefehen. Da man über die 
Urfache ungewiß war, der Wächter auf dem Maftforbe aber fehr be- 
fimmt verficherte, mehrere Berfonen in weißen Hemden und aud) 
weiße Zelte in einer Felshöhlung unterfcheiden zu können, fo mußte ich 
die Menfchen für verunglüdte Europäer Halten, da das Rauchfeuer 
ſchwerlich aus bloßer Luft fo dauernd von Jemand würde erhalten wor: 
den fein. Da ed ganz filled Wetter war, fo fchidte ich ein Boot un- 
ter Lieut. Creffivell dahin ab, mit Dr. Armſtrong und dem Dolmet- 
meticher. Sie berichteten bei ihrer Nückfehr, daß der Rauch aus 15 
Heinen Bergen von vulcanifhem Ausfehen hervortrete, die in einem 
Umfange von 50 Yards auf ſtark fchwefelreihem Boden lägen, und wo⸗ 
von die niedrigeren 30, die höchiten 50 Fuß Hoch ſeien *). Das Land 


*) Muthmaßlich iſt das Hier erwähnte interefiante Phänomen, über welches ber 
Naturforfcher der Grpedition, Dr. Aruiſtrong, nicht in's Klare gekommen zu fein 
fdeint, Fein wahres vulcanifches, fondern eins von denen, welche bei den Geogno: 
flen den Namen von pfeubouulcanifchen führen, durch Selbſtentzündung von Stein- 
fohlen oder ſtark bituminöfer und fchwefelkiesreicher Thone entftchen, und wenn auch 
nicht in Europa, doch im Norden von Amerika und Afien ziemlich Häufig und in- 
tenfiv zu fein fcheinen. In Buropa kommen bergleihen an dem berühmten bren: 
nenden Berg bei Duttweiler, öfter aber an den englifhen Küften, theils im 
Lias an den Klippen von Charmouth, theils auch im Gebiet des Kimmeridgethons 
3.2. in den an der Offeite der Ringſtead-Bai gelegenen Holworth = chiffs in Dor⸗ 
feifhire vor. Lepte brannten fhon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts (1755); 
das damalige Phänomen befchrieb Bischof Watfon in feinen Chemical Essays. Im 
Jahre 1826 wiederholte fih hier daſſelbe Lange Zeit hindurch unter Ausfloßung Heiner 
Bitumen und Schwefel führender Fumarolen und mit Bildung ſchlackenähnlicher Maf- 
fen, wie Buckland und de la Beche ( Trausactions of Ihe geulogical Society of London. 
2. Ser. IV, 22) und eine Befchreibung in den Nouv. Annales des voy. XXVIII, 367 
angeben. Im nördlichen Aften fehlen, mit Ausnahme Kamtfchatla’s, wahre, noch 
thätige Bulcane ganz; dagegen giebt es zahlreiche Berge, die, obwohl aus Sandftein 
und Thon beftehend, doch brennen, und alfo pfeubovulcanifcher Art find, Schon 





438 @. Ritter: 


in der Nähe war blauer Thon voll tiefer Einfchnitte und Waflerrin- 
nen, und etwa 300 bis 500 Fuß hoch. Zugleich fah man Fährten 
eines Rennthiered nad) einem Heinen Teiche zu, der unmittelbar über 
biefer Höhe lag. Aber man verließ die Klippe, die demnächft einzus 
flürzen drohte, wieder. So ward das Phänomen der weißen Hem⸗ 
den und Zelte in zufriedenftellender Weife aufgeklärt. — Wir fegel- 
ten nun mit frifchem Winde gegen Nordoſten zwifchen Karen Eismaf- 
fen in ver Nacht, die fo dunfel war, daß die größte Aufmerkjamfeit 
nöthig wurde, um nicht an den großen blauen Eismafien anzuftoßen, 
hindurch. Wir fahen hier in der Franklin⸗Bai viele Seehunde und 
MWallroffe; einmal fpielten 15 ver letzten um unfer Schiff, die aber 
gegen die grönländifchen fehr klein fein follen, und von denen die 


Strablenberg (der nörbliche und öflliche Theil von Europa und Aflen, 324) erwähnt 
im Jahre 1730 einen ſolchen am Chatangaſtrom unfern des Cismeeres und bes Je⸗ 
nifei als feuerfpeiend; eben berfelbe zwifchen der Stadt Tomſt und Kufnetsi, eine 
Stelle, wo zu Zeiten Raud und Flammen aus einem Gebirge kamen, und ebeufo 
fol der alte Holländifche Reifende Ifhrand Ives, nach Strahlenberg’6 Berficherung 
(324) von einer Höhle am Baifalfee reden, woraus vormals euer und Rand 
hervorgegangen feien. Beſtinmere Nachrichten über bergleidyen Gricheinungen in 
Sibirien ſtammen aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, wo Bellas 
(Reife II, 54—56) bei dem Dorfe Salpa an den Abhängen des Urals im Baſch⸗ 
firenlande unfern Ufa einen Flammen answerfenden Berg antraf, und Sievers nich 
allein von einem ähnlichen bei Niſchnei Udinſk hörte, fondern felbft Gelegenheit Hatte, 
45 Werft oberhalb Dakutfl an der Lena einen 80 Klafter hohen, von den Rufen 
Surgujef Kamen genannten, aus Thon und Sandflein befiehenden und damals an 2 
Stellen rauchenden Berg zu unterfuchen (Pallas nene norbifche Beiträge VII, 156). 
Weniger befannt muthmaßlich, aber nicht weniger häufig, find dergleichen Erſcheinun⸗ 
gen im nördlichen Amerifa, wo ſchon Madenzie in der Nähe bes Polarmeeres, am 
unteren Lauf des nach ihm genannten Fluſſes, im Jahre 1783 mit Flammen brens 
nende Steinkohlenlager und ausgedehnte, den vulcanifhen ähnliche Probucte dieſes 
Brandes antraf, Erſcheinungen, die neuerlich durch Richardſon betätigt wurden (Arc- 
üc Searching Expedition. London 1851. I, 186—191) und am Beſten eriweifen, 
tag M' Clure's Beobachtungen fi auf eben ſolche Berhältniffe zurüdführen laffen. 
Solche pſeudevulcaniſche Schilde giebt es ferner im Gebiet bes oberen Mifjouri, wo 
verfhladte pfeubonulcanifche Producte, eine Art Borcellanjaspis, in der Nähe ran 
dhender Hügel (smoking hills, terrains ardens, cö:es brulans der englifchen und frau⸗ 
zöfifchen Einwanderer) von Fremont und Ricollet aufgefunden wurden, und ein Fluß 
bei den Gingeborenen fogar Fluß der rauchenden Erde, db. 5. Mankizitah⸗watpa. 
beißt. (Nicollet Illustration of the Hydrographical Basin of the Upper Missisippi River. 
1843, 39—41 und N. von Humbolbt’s Anfichten der Ratur. 3. Ausg. I, 66.) 
Gumpredt. 


Die Auffindung derNRordweſt⸗Pafſage durch Capit. M'Clure. 439 


dortigen Schiffer verädhtlich fagen: fie hätten nur breifüßige Knochen 
(having only three-foot bone). 

Am Morgen des 6. um A Uhr waren wir nahe den Kleinen Ins 
jeln am Gap Parry, das 10 Meilen von und gegen Norboften lag. 
Das Packeis lag in fefter Maſſe in Nordweſten 3 Meilen von und. 
Um 11 Uhr 30 Min. fahen wir im Nordoften gegen Norden in 50 Mei⸗ 
Im Entfernung ein hohes Land. Bei unferer Annäherung nahmen 
wir wahr, daß Padeis auf deſſen Weftjeite, an ver ich zu landen bie 
Abficht Hatte, lag; die Oftfeite fchien dagegen ziemlich frei davon zu 
fein, fo daß ich ihr zu folgen befchloß, da ich diefelbe für eine Inſel 
mit einer Einfahrt in die Polar⸗-See hielt. 

Wir fchifften die ganze Nacht und am 7. bis zu dem etwa 1000 Fuß 
hohen Süd⸗Cap, das wir Lord Nelfons head nannten. Wir fuh: 
ten in einem Walfifchboot und einem Cutter an bafjelbe, beftiegen es, 
nahmen im Namen Ihrer Mai. Befiß davon und nannten e8 Bas 
rings-Inſel zu Ehren des Erften Lords der Admiralität. Ein Pfahl 
mit bemaltem Knopf und einem Kaften mit der Anzeige unſeres Dorts 
feind wurden hier errichtet und zurüdgelafien. Das Signal fteht uns 
ter 71° 6’ n.Br. und 1230’ weſtl. L. Die Fluth fiel in 14 Stunden 
um 6 Zoll. Wir trafen fehr viele frifche Spuren von Rennthieren 
und wilden Geflügel, Moos und verfchiedene Arten wilder Blumen 
in Menge, die Dr. Armitrong nebft anderen Naturalien fanımelte. Bon 
einer Höhe von 500 Fuß hatten wir einen ſchoͤnen Bli in das Ins 
nere, dad ganz mit Moos überzogen war, wodurch die 2000 bis 3000 
Fuß hohen Berge ein grünes Anfehen erhielten. Die vielen Schludh- 
ten müffen reichliches Waſſer einen großen See zuführen, der in einer 
weiten Ebene ſich zeigte, etwa in 15 Meilen Entfernung von ung. 
Der Blid nad der See zu ergab fehr erfreulich ein offenes Waſſer, 
nur mit fehr wenig Eis, und ficherte uns bis in einer Berne von etwa 
40 Meilen eine gute Schifffahrt. 

Um 1 Uhr fehrten wir auf das Schiff zurüd und fuhren mit gu- 
tem Winde oftwärts immer am Ufer entlang bei Sondirungen von 76 
Klaftern Tiefe in dunklem Schlamm mit gelbem Thon bie dicht an das 
Ufer, wo fich weißer Sand zeigte. Am 9. mußte das Senfblei unfer 
einziger Führer fein, weil der Nebel fehr Did war. AS es heller 
wurde, fahen wir in 15 Meilen Entfernung gegen Norden Land, fo 


440 C. Ritter: 


weit das Auge reichte. Die Berge im Inneren waren hoch und mit 
Schnee bevedt, aber der Unterboden ganz frei von demſelben. Meh—⸗ 
rere bedeutende Piks zeigten fich, die vulcanifchen Urſprungs zu fein 
fhienen. Wir nannten das neuentvedte Land Prince Albertds 
Land (ed lag unter 72° 1’ n. Br. und 119° 25’ weft. L.), und fchifften 
in gleicher Norvoft-Richtung im Nebel weiter, von Schnee und Sturm 
begleitet, bi8 wir am 10. um 8 Uhr die Felsinfeln trafen, die wir 
Princes Royal nannten; die größte derfelben war 600 Fnß hoch und 
13 Meilen lang; die fünliche und öftliche Seite der Inſel fielen fleil 
ab. Eine andere Infel war 4 Meile lang und 100 Fuß hoch, fiel aber 
nur allmälig in Stufen zum Meere ab; fie hatte etwa die Geftalt 
eines umgefehrten Walfifchbootes. — Da der Wind ſcharf und das 
Wetter Hell wurde, zogen wir alle Segel auf, in der Hoffnung, in bie 
Barrows- Straße einzufegeln, von der wir nur noch 70 Meilen 
entfernt waren. Das Meer erfchien in diefer Richtung ziemlich frei, obs 
wohl viel Ei8 am weftlichen Lande fich zeigte, und fidh von einer Sand⸗ 
hole von 13 Klaftern Tiefe, worauf eine Menge Eis gelagert war, 
viel lofes davon in Bewegung fehte. Da die Eismaſſen mit der Geſchwin⸗ 
digfeit von zwei Knoten gegeneinander fuhren, fo warb mit großer 
Schnelligkeit unfer Lauf plößlich gehemmt, und das Schiff ſelbſt dw 
durch bedeutend emporgehoben. Erſt nad einer Biertelftunde hörte 
der Drud auf, und wir fonnten weiter fegeln. Aber die Ausficht vor 
wärts zu fommen war nur von kurzer Dauer; ſchon um 2 Uhr Mit 
tags änderte fich der Wind, und um A Uhr hatte er fo viel Eis zw 
fammengetrieben, daß wir faum noch Raum zum Weiterfchiffen fanden. 
Nur mit Mühe gelang dies bis zum folgenden Tage, ven 11., 5i6 
2 Uhr, wo wir förmlich von Eis umlagert waren. Zwar öffnete ſich 
noch einmal eine Gaffe, in der wir einige Meilen weiter gegen Nord 
often fortrüdten, jedoch bald wieder ſeſtſaßen. Am folgenden Tage 
wurden wir bei verändertem Winde abermald um einige Meilen wer 
ter geführt, fodann aber durch das Padeis am 12. fübwärts, alfo rüd- 
wärts, gedrängt. Wir mußten mit Betrübniß fehen, wie die ganze 
MWeftfeite in der Gegend eisfrei war, doch bie unfelige Oftfeite war 
volftändig mit mächtigem Packeis umgeben, fo daß wir und durchaus 
‚nicht fortbewegen konnten. 

Bis zum 13. drängte das Eis fo ſehr, daß wir das Steuerruder 


Die Auffindung der Norbweft- Paffage durch Gapit. M'Clure. 441 


einziehen mußten, damit es nicht zerftört wurde. Im der Nacht fiel 
die Temperatur auf 10° und alles Land warb mit Schnee bebedt. 
Am 15. flieg die Temperatur wieder auf 30° bei Südweſtwind, ver 
alles wieder in Bewegung fegte, dann Famen wir hierauf mit muͤhevol⸗ 
ler Arbeit zwifchen den Eisfchollen wieder in offenes Wafler, wo wir 
etwa 5 Meilen gegen Rorvoften fchiffen fonnten, bis wir wieder die 
Meerenge, in der wir fuhren, und welche eine Breite von Land zu 
Land von 12 Meilen hatte, ganz vom Eife querüber befegt fanden. 
Wir anferten bei 6 Klaftern Tiefe an einem an dem Wefllanve lies 
genden großen, auf den Grund aufftoßenden Eisblod, um da die Nacht 
in Sicherheit gegen Sturm und Schneewetter zuzubringen, indem zwiſchen 
den Dichten Eismafien In der Nacht weiter zu fommen unmöglich war. 
Aber kaum war diefe Stellung eingenommen, als fchon um 8 Uhr 
Abends fo Heftige, den früheren ganz entgegengefegte Strömungen, 
nämlich gegen Süpoften, die Eisfchollen in Bewegung feßten und ges 
gen das Schiff Herandrängten, daß dieſes Feine Zeit hatte, feinen An- 
fer vom großen Eiöblode wieder loszueiſen, um den heftigften Stößen 
auszumweichen und mit den Maffen zu treiben, die in der Nacht in 
langen wogenden, weißen Linien auf dem dunfeln Waſſer heranzogen. 
Wir fondirten bei 20 Klaftern nnd fchwebten bis gegen Mitternacht 
wegen unferes Schickſals in Furcht und Hoffnung, als aus und uns 
befannten Urfachen plöglih Ruhe flatt der Heftigften Bewegung eins 
trat und wir wieder im offenen Waſſer weiterfchiffen Fonnten. 

Da nun die Zeit der möglichen Beichiffung zu Ende ging, fo 
mußten wir für die Winterftation Sorge tragen; die Temperatur war 
fehr gefunfen, und fchon bildeten fich bei nächtlichen und Falten Wins 
den auf der Oberfläche der Wellen die fchaaligen Eisfchollen 
(pancake ice), die ein ficheres Zeichen des Wechfeld der Jahreszeit 
find. Wir hatten nun zweierlei zu bebenfen; entweder ob wir wieder 
fübwärts fleuern follten, von woher wir famen und wo das Wafler 
noch offen ſtand, um einen Hafen in einer der Baien an der Süb- 
oftfüfle der etwa noch 60 Meilen von und entfernten Barings⸗Inſel 
zu finden, was aber mißlich war, da, wenn dies mißlang, die Stels 
lung noch foplimmer, als die gegenwärtige war, weil man dort dem 
gervaltigften Eisandrange einer weithin verbreiteten oceanifchen 
Bolarfläche ausgeſetzt blieb, vor der man wenigftens an ber jehis 


442 C. Hitter: 


gen Stelle des Schiffed durch die nahen Princeß⸗Inſeln gefchügt blieb, 
oder ob wir unfere Fahrt, foweit ed möglich fei, immer in der Rich 
tung gegen Norboften fortfegen follten, bis endlich das Schidjal uns 
im Packeiſe einfrieren ließe. Ich wählte das legte; die Gründe wa⸗ 
ren diefe: Den duch fo mühſame Schifffahrt ſchon errunge- 
nen Fortfchritt wieder aufzugeben, in der unficheren Hoffnung, einen 
guten Winterhafen zu finden, hielt ich nämlich für zu thöricht, da bie 
große Frage war, ob wir nach der Winterzeit je wieder fo weit würden 
vordringen fönnen. Ich hielt alfo dafür, da wir uns einmal fchon 
in der Nähe von Banks⸗Land und in der Richtung, weldye Sir 3. 
Franklin höchſt wahrfcheinlich eingefchlagen hatte, befanden, diefelbe Stel: 
fung fo lange als möglich, trog aller Gefahren zu behaupten, da fie 
auch vollfommen den Inftructionen der Aomiralität entfprach. Es Tonnten 
dann von da aus bei wieder eintretender günfliger Jahreszeit noch 
mals in derſelben Richtung neue Excurſionen begonnen werben. 

Diefe Gründe entfchieden bei mir bei der nothwendigen Wahl 
zwifchen zwei Webeln zur Behauptung unferer allerdings gefährlichen 
Stellung in diefer Jahreszeit. 

Am 17. ded Monats bei leichtem Nordweſt wurde unfer Schiff 
ganz von Eife umringt; mehrere mächtige Eiöfchollen waren in der 
Nähe, deren eine, 6 Meilen lang, mit fo ungeheurer Gewalt vorübers 
309, daß Nichts ihren Kortfchritt hindern fonnte. Sie ftreifte auch bie 
rechte (Starboard) Seite des Schiffes, die zum Glüd von jungem Eife 
umlagert war, fo daß deſſen Zerſchellung ein Schuß für das Schiff 
war und den Drud milderte, der fonft das Schiff zerqueticht haben 
würde. Am Mittage defjelben Tages gelang es bei 8 Klaftern Tiefe 
unſer Schiff an einen mäßig großen Eisblod feft anzulegen, von dem 
ed auch nicht wieder abgelöft wurde. Wir trieben mit ihm weiter ges 
gen NRordoften bis 73° 7’ n.Br. nnd 117° 10’ weſtl. L., dem nörb: 
lichften Punft, den wir in diefem Jahre erreichten, rund um die Princes 
Royal» Infeln. Wir paffirten dann 50 Yards weiter bei 72°42'’ n. 
Br. und 118° 42’ well. 2. die Straße von Prince Alberts Land, und 
froren zulegt am 30. Septb. in 72° 50’ n. Br. und 117° 55’ weft. 2. 
fe ein, nachdem wie bei unferer Umſegelung viele Eisftöße erhalten, 
aber immer durch das tiefe Wafler vom Antreiben zur Küfte abgelenft 
worden waren. Um unfere Trennung zu hindern, hatten wir une 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Paſſage durch Capit. M'Clure. 443 


burch zwei eine einzige Kette bildende Kabeltaue, die Durch 2 fechszöllige 
und 2 fünfzöllige Löcher an den Schiffen Hindurchgingen, zufammen 
verbunden. Bei unferer gefährlichen Lage brachten wir für den fchlimms 
Ken Fall aus dem unteren Schiff die Lebensmittel für 12 Monate, 
nebft Zelten und warmen Kleidern auf das Verdeck und gaben jedem 
Individuum ein Paar Wafferftiefeln und einen Bettfad, fo daß, im 
Hal das Schiffswrad verlaffen werden mußte, Jeder feine Habe mit 
fih nehmen Fonnte. 

Den 8. Octbr. wurden wir aus unferer Angft durch einen 
mächtigen Stoß erlöft, der das Schiff um einen Fuß emporhob, und 
es in Bolge einer großen Zunge ( Eiszunge?) unter ihr in eine um 4° 
geneigte Stellung brachte, worin ed auch verblieb. Da aber eine Mög- 
lichkeit vorhanden war, daß das Schiff ganz auf das Eis gedrängt 
werden könnte, fo wurde ihm in demfelben eine ausgehöhlte Eins 
fenfung zur Aufnahme bereitet, die 150 Yard lang und 50 Yard 
breit war, und auch bald durch Wegfprengung der nahen Eisblöde 
mittelft Pulver zu Stande gebracht wurde. Bei einer Kälte von 7° 
unter Null war die ganze Eismaſſe bald feit zufanımengefroren, fo 
daß wir unfere Einrichtungen für die Winterquartiere begannen. 

Am 10. bei flillem und fchönem Wetter und bei ruhigem Eife 
konnte ich in Gefellfchaft Lieut. Ereffwell’s, Dr. Armftrong’s, 
des Dolmetfchers und einiger Matrofen das Schiff verlaffen, um 
auf dem Ufer des nahen Landes einen Pfahl zu errichten, und fo im 
Namen Ihrer Majeftät von dem Prince Albertd-Land Beſitz zu 
nehmen. Dann erfliegen wir den nächſten, 5 Meilen entfernten höchs 
ften Berg, der bis zu 1500 Fuß abfoluter Höhe anfteigt und von dem 
wir nah allen Seiten eine weite Ausficht genoffen. Zwiſchen dem 
bergigen Lande fahen wir tiefe Schluchten und große Seen; fo war der 
Charakter des Landes an beiden Ufern. Mit Sehnſucht blickten wir ges 
gen Rordoften, um eine offene Stelle im Meere wahrzunehmen; aber 
vergeblich; die vorliegenden Anhöhen machten es völlig unmöglich, das 
Land vom Meere zu unterfcheiden, da beide fich überfroren zeigten. Bei 
unferer Rüdfehr fahen wir zu unferem Echreden, daß das Land- 
und See⸗Eis auf der ganzen Küftenlinie um 100 Yard aus ein- 
ander gerückt war. Wir gingen zwar mehrere Meilen an ihrem Rande 
hin, in der Hoffnung eine Eisfcholle zu finden, die und ald Fähre 








444 C. Ritter: 


zum Hinüberfahren dienen könnte, aber wir fanden keine, und bei der 
eintretenden Dunkelheit auf ſo unebenem Boden war das Weiterſchrei⸗ 
ten ſo gefahrvoll, daß wir Halt machten und Signale abſchoſſen, die 
jedoch bei der zu großen Entfernung des Schiffes nicht beachtet werden 
konnten. Glücklicherweiſe hörte Mr. Court mit einer der Abtheilungen 
der Schiffsmannfchaften, welche das Eis vom Schiffe aus unterſuch⸗ 
ten, um halb 9 Uhr in der Dunkelheit unfere Signale, aber ohne daß 
er ung fogleich helfen Fonnte, da er felbft ohne Boot war. Doch ges 
lang e8 bald ein paar Böte nach Halkett's Erfindung durch die Eis⸗ 
maffen zu fleuern, und fo von 103 Uhr Abends bis 24 Uhr Morgend 
endlich unfere Bartie glüdlich wieder zum Schiffe zurüdzuführen. Diefe 
bewundernswerthen Kleinen Dinger, die nach ihrem Erfinder den Na: 
men Halfett’s erhalten haben, waren für ſolche Zuftände hoͤchſt zweck⸗ 
mäßig eingerichtet. Sie wurden am Bord aufgeblafen und man fonnte 
fie leicht über das Eis tragen, über welches fein anderes Boot, ohne 
von der rauhen Oberfläche des Eifes zerriffen zu werben, bid zu einer 
ſchiffbaren Waflerftelle zu bringen war; fie ließen fich auf den Schultern 
eines einzigen Mannes tragen. Im Waſſer dienten fie dann ale Fäh⸗ 
ren, um hier, allerdings nur nad) und nad, die ganze Streifpartei 
aus der grimmigen Bolarnacht, die ihr, da alle Schupmittel gegen 
Hunger und Kälte fehlten, höchft verderblich Hätte werden können, zu 
erretten. Das Thermometer war nämlich bi8 auf — 8° gefunfen. 
Zur Feftfeier der glüdlich beendeten Befignahme von Prince Albert 
Land für die britifche Krone wurde noch ein Feſteſſen bereitet, und der 
Schiffsmannſchaft für ihr tapferes Benehmen während der gefahr 
vollen achtflündigen Anftrengung Grog gereiht. Obwohl es ſchon fehr 
fpät im Jahre war, fo befchloß ich doch, um die Verbindung mit 
der Barrow- Straße näher zu erforfhen und die Rorbwef: 
Paſſage zu beftätigen, da die Ausficht von Prinz Alberts- Land nicht 
befriedigt hatte, eine eigene Reife nach jener Richtung bin zu unter 
nehmen. Indeſſen wollte ich erft die Zeit abwarten, wo das Schiff ohne 
Gefahr verlaffen werden konnte. Als die Zeit der Springfluthen vor 
über war und im Eife fich Feine Bewegung mehr zeigte, ſchien ber 
vechte Augenblid für die Möglichkeit der Landerpebition gegeben zu fein. 
Am 21. brach ih mit Mr. Court, dem zweiten Schiffemeifter, 
Robert Ealder, dem Capitain des Borvercaftels, Robert Tiffeny, 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Paſſage durch Eapit. M'Cure. 445 


Gapit. des Hauptmaftes, Michael Flynn, dem Quartiermeifter, Georg 
Brown A. B., Peter Thomfon, Capit. ded Vordermafts und Ja⸗ 
med Saunders, Marine-Soldaten, auf. Das Eid war bis auf 
2 Meilen vom Schiff fo rauf, daß Lieut. Haswell und die ganze 
Schiffsmannfchaft nöthig war, den Schlitten und verjchiedene Artifel 
zur Beladung binüberzufchiffen.. Um 8 Uhr war der Schlitten gepadt 
und meine Partei unter Anführung des Mate Mr. Wynlatt, und be- 
gleitet von Dr. Armftrong als Freiwilligen, brach um Mittag gegen 
Nordoſten auf. Die den Schlitten führende Mannfchaft wurde ſodann 
beordert. Sogleich famen wir zwifchen loje Eismaflen, welche den Schlits 
ten, deffen Theile aber fogleich aufgefifcht wurden, zerbrachen. Aber 
faum waren wir eine Stunde damit weiter gezogen, fo flürzte er auf 
der Unebenheit eines Eisblods in mehrere Stüde zufammen. Wir ers 
richteten unfer Zelt, und Mr. Court und Peter Thompfon eilten zum 
Schiffe zurüd, das fie auch am Abend mit der Dunkelheit erreichten, 
um einen neuen Schlitten zu holen, womit fie auch am folgen- 
den Tage um 2 Uhr anfamen. Diefer war größer und flärfer, wurde 
bepadt, und wir rüdten mit ihm ohne weiteren Unfall bis zum 26. in 
derjelben Richtung gegen Norboften fort. An diefem Tage hatten wir 
das Glüd, die Ufer der Barrow-» Straße zu erreichen, wo wir 
unfere Zelte unter 73° 31’ n. Br. und 114° 39’ weftl.2. v. Gr., nad) 
Ehronometer s Beftimmungen und 114° 14’ aus Mondbeobachtungen, 
nahe an der Stelle auffchlugen, welche Sir Edw. Parry fehr correct 
ald den Scepterrand (loom) bezeichnet Hatte. 

Am nächften Tage vor Sonnenaufgang beftieg ich mit Dir. Court 
eine Berghöhe von 600 Fuß, von wo mir ein Weberblid von über AO 
bi8 50 Meilen wurde. Die äußerfte Spitze des Prince Albert Landes 
lag genau in etwa 35 Meilen unter 78° weftl.2. gegen Often, das 
fernfte Land dagegen in NNO. nur 8 Meilen von uns. 

Melville-Infel war nicht fichtbar, aber nach jener Richtung hin 
ſchien das Eis fehr mächtig zu fein, und die Eisfchollen zeigten ſich unges 
mein breit. Während unferer aftronomifchen Beobachtungen errichteten Die 
Matrofen einen Cairn von 15 Fuß Höhe über dem Waſſer, das wir 
Prince of Wales Strait nannten; in dem Cairn wurde die Kupfer 
büchfe niedergelegt. Die Stelle ift fo ausgezeichnet, daß jener Voruͤber⸗ 
kommende feine Aufmerkfamfeit auf fie richten muß. Nachdem Alles 


446 C. Hitter: 


um 10 Uhr Morgens zu Stande gebracht war, kehrten wir zum Schiffe 
zurüd, das wir am Morgen des 31. erreichten. Wir Hatten in 9 Ta- 
gen in directer Linie 156 Meilen nach unferen Beobachtungen bei einer 
Temperatur von +7 bis zu — 15° zurüdgelegt. Am Rachmittage 
des 30. heiterte fich der bebedte Himmel wieder fo vollfommen auf, 
daß wir in der Yerne von 12 Meilen die Princeß-Infeln erbliden 
fonnten. 

Um 3 Uhr Nachmittags verließ ich den Schlitten, um früher ale 
meine Mannfchaft an Bord des Schiffes zu gelangen und Alles zu 
deren Empfang vorzubereiten. Sie follte erft um 9 Uhr Abends ein 
treffen. Unglüdlicherweife brachte der Nebel ſchon um 5 Uhr wieder 
volle Dunkelheit; ich verlor den Weg, fo daß ich die ganze Nacht bei 
einer Kälte von 5 bis 15 Grad durchwandern mußte, bis ich erfi am 
Morgen um 7 Uhr zu meinem Schreden entveden Eonnte, daß ich das 
Schiff fhon um A Meilen paffirt hatte. Doch erreichte ich es nun 
um 83 Uhr und fchidte fogleih einige Mannfchaft unter Mer. Court 
zum Beiftande der Gefährten ab, die noch 5 Meilen entfernt waren; 
denn fehr vernünftigerweife waren fie 7 Meilen vom Schiff liegen ge 
blieben, da die Dunkelheit Ihren Weitermarfch nur fehr unficher ge 
macht haben würde. Ich warb angenehm durch Lieut. Haswell's 
Nachricht von einer Ercurfion überrafcht, die er am 29. mit den 
Mr. Sainsbury, Baine, Miertfhing und Newton auf Prince 
Alberts⸗Land gemacht, wo fie eine Heerde Mojhusochfen, beftehend 
aus zwei Bullen, einer Kuh, einer Ferſe und einem Kalbe getroffen, 
gefchoffen und fo 1296 Pfund treffliches Rindfleiſch mit Heimgebracht 
hatten. 

Mit diefen glüdlichen Ereignifien endete die Diesjährige Cam: 
pagne, in welcher wir bie Befehle der Admiralitaͤt faſt vollftändig er- 
füllt Hatten, indem wie zum 1. Auguft eine Station in der Nähe von 
Banks⸗Land unter Umftänden erreicht hatten, die fich nicht vorherfehen 
ließen, und nur durch Gottes Beiltand zu überwinden waren, da hier 
bloß menfchlicher Wille eben fo wenig Kraft hat, feinen Weg durchzu⸗ 
fegen, wie der Säugling einen Schritt vorwärts zu thun vermag. — 
Die Trauerperiode des Winters ftellte ſich nun ein, nicht ohne Sorge, 
aber fie ging mild vorüber bei wenig Schnee, wenig Wind und 
ohne Nachtheil für den Geſundheitszuſtand des Schiffsvolkes. Die 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Pafſage durch Eapit. M’Elure.. 447 


Bortheile, die und zu Gute kamen, waren: 1) Die geiftige Belebtheit 
und die heitere Stimmung der Mannſchaft; 2) die vortreffliche Pro: 
vifion; 3) die freie Ventilation des unteren Decks; A) die außerors 
dentliche Sorgfalt des Dr. Armftrong bei unferen monatlidden Sanis 
tätö=Infpectionen für den Gefundheitszuftand der Mannfchaft. 

Der Monat März fand uns demnach im beften Geſundheitszu⸗ 
ftande, und, indem wir ein 30 Fuß großes Walfiſchboot nach der gro: 
en Prinzeß RoyalsInfel ausrüfteten, um diefe mit einem Proviant 
für 3 Monate zu verfehen, damit wir bei einer etwaigen Zertrümmes 
rung des Schiffes beim Eisaufgange eine Zuflucht finden fönnten, bie 
es und möglich wäre, ohne umzufommen, den Plover zu erreichen. 
Darnach wurde ein zweites Walfiſchboot nebft einem Halfett zum. öft- 
lihen, 5 Meilen entfernt liegenden Ufer gebracht, um unfern wandern- 
den Zügen (travelling parties) den Uebergang nach den Prinzeß⸗ 
Infeln zu erleichtern, falls das Eis während der Abwefenheit aufbre; 
den und fortgetrieben werden follte. Als alle Vorbereitungen been- 
bigt waren, wurden am 18. April drei Unterfuchungs- Erpebitionen 
unter Lieut. Haswell gegen das Suͤdoſt⸗Uſer, unter Lieut. Creſſwell 
an das Nordweſt⸗- und dem Mate Herrn Wynniat an das Nordoſt⸗ 
Ufer, jede mit 6 Wochen Proviant, ausgefanbt. 

Am 6. Mai fehrte Mr. Wynniatt, nachdem er in 120 Mei- 
len Entfernung fein Ehronometer zerbrochen hatte, zum Schiffe zurüd; 
da aber fornft Alles in gutem Zuftande geblieben, wurde er von neuem 
für 30 Tage verproviantirt und nach wenigen Stunden zurüdgefanbt. 
Zu gleicher Zeit gingen zwei andere, mit Zelten verfehene Parteien 
auf die Jagd nach der Prince of Waled-Straße, wo man Rennthiere 
geiehen hatte. Ptarmigane *) und A Hafen wurden gefchoffen. Diefe 
fo frühzeitig eintreffende Prooifion frifchen Wildfleifches war eine große 
Wohlthat für das MWohljein der Mannfchaft, welche bei der angeftreng- 
teften Arbeit hinreichender Nahrung fehr bebürftig war. 

Den 20. Mai kehrte Lieut. Creſſwell in Folge fchwerer Froft- 


— 





*) Piarmigan iſt der englifche fonfige Name für das enropälfche Schneehuhn 
(Teuao lagopus). Da diefes jedoch in Amerifa nicht vorfommen foll, an ber Hub» 
ſons-Bai aber eine ähnliche Art von Schnechuhn, das Moor⸗Schneehuhn, ſich findet 
(Tetrao albus ober subalpinus), welches zugleich ausfchließlich im hoͤchſten Norden 
aller 3 Weltiheile lebt, fo dürfte diefer Vogel M' Clure's Ptarmigan fein. G. 


448 C. Ritter: 


beulen bei zweien ſeiner Begleiter, zum Schiffe zuruͤck, nachdem er bis 
740 16'n. Br. und 1170 40' weſtl. L. vorgedrungen und 31 Tage ab⸗ 
weſend geweſen war. Während des größten Theiles dieſer Ereurfion 
war er den heftigſten Nordweſt⸗Winden, die von der Polar⸗See und 
durch die Barrow Straße kamen, ausgeſetzt geweſen. Da fie ihm ges 
rade in's Geficht wehten, wurde e8 ihm außerordentlich ſchwer, dagegen 
anzufämpfen, um fo mehr, ald das Thermometer meift dabei unter 15° 
fland. Doch nahm er die Küftenlinie des Bank⸗Landes, an 70 Me 
len entlang, auf. Sie war fehr fteil, da fie von 1000 bis 1400 Fuß 
Höhe abfiel. Nur nad Sünweften bin fenfte fich dieſelbe allmälig ge 
gen einen Ausläufer des Landes, welcher wahrfcheinlich deſſen aͤußerſter 
Punkt war, indem dieſes fich plöglich gegen Süden wendet. Bei Erfld- 
gung einer Anhöhe von 1000 Fuß und einem fehr Haren Himmel 
überzeugte er fich, daß die Polar⸗See vor ihm lag und Banks Land 
ein Theil der Barings⸗Inſel fein muͤſſe. Cr bemühte fich noch, zwei 
Tagemärfche weiter vorzurüden. Doch nöthigte ihn dann der verſchlim⸗ 
merte Zuftand zweier feiner Kranken fchleunigft zum Schiffe zuruͤchn⸗ 
fehren. Beide mußten auf Schlitten gelegt werden, an denen A Mann 
zu ziehen hatten, was bei tiefgefallenem Schnee auch dem Offider Ge⸗ 
fahr brachte, der erſt Bahn machte. Sie erreichten indeſſen glüdlid 
das Schiff. 

Am 21. wurde ein großer Bär erfchoffen, in befien Magen fh 
ein ſeltſames Gemifch von Rofinen, Taback, Schweinefleifch, Pechpfla⸗ 
fler ıc. vorfand, woraus man fchließen konnte, daß das Schiff Enter: 
prife nahe fein mußte, da man den Bären zuvor nicht bei dem Schutt 
und Ercrementhaufen des Schiffes gefehen, noch deſſen Faͤhrte in bei 
Nähe bemerkt Hatte. Um hierüber Gewißheit zu erhalten, fandte ich 
Lieut. Creſſwell aus, der aber fchon nach 2 Tagen mit der Löfung des 
Raͤthſels zurüdfehrte, da man In dem Magen eines anderen, nur eine 
halbe Meile vom Schiff gefchoflenen Bären Dinge ähnlicher Art und 
fogar eine Zinnbüchfe für präparirtes Fleifch vorfand. Die Fährte bed 
Bären führte zu einer Stelle, wo in ber Nähe des Schiffes eine fleine 
Provifion von allerlei Dingen niedergelegt worben war, wozu ber Bit 
Zugang gefunden hatte. — Da der Geburtstag Ihrer Majeftät det 
Königin auf diefen Tag fiel, fo wurde er durch Aufhiſſen der Flagge 
und Salutfchüffe gefeiert. 


Die Auffindung der Norpweft- Paflage durch Capit. M'Clure. 449 


Den 29. Fehrte Lieut. Haswell mit feiner Partei im beften Wohl- 
fein zurüd. Er hatte die Küfte gegen Wollafton- Land (gegen Süd—⸗ 
often) bis 70° 38’ n. Br. und 115° weftl.2. aufgenommen, und von 
der dortigen Landſpitze fonnte er bei ganz hellem Wetter das Land bis 
40 Meilen weit nah Südweſten hin verfolgen. Weil er aber bereits 
25 Tage weit vorgerüdt war, hielt er es für angemefjen, zurüdzufeh- 
ren. Zwei große Einfchnitte und eine tiefe Bai wurden näher unter- 
fucht, auch ein Heiner Archipel entlang der nörblichen Küfte des ſuͤd⸗ 
lihen Einfchnittes erfannt; die Küfte war hoch, fteil und gefchichtet. 
Jeder der Einfchnitte dehnte fich gegen OND. an 80 bis 90 Meilen 
weit aus. Die ganze Küfte war mit Treibholz belagert, und viele 
Spuren von Esquimaurs Lagern aus älterer Zeit wurden fichtbar. Bei 
ber Rüdfehr überrafchte Creſſwell's Partei einen Haufen von 18 Ein» 
geborenen, die einige Meilen von der Nordweſt-Spitze des nörbliche- 
ten der beiden Einfchnitte auf dem Eife campirten und auf Seehunde 
jagten. Sie waren fehr wohlwollend, aber da man fich gegenfeitig 
nicht verftand, fo ließen fich Feine Nachrichten von ihnen einziehen. Sie 
taufchten Geſchenke ein; nach A2 Tagen kehrte Haswell zurüd. 

Ich beſchloß fogleih, von diefen Eingeborenen wo möglid Nach⸗ 
richt über die Lagen von Prince Alberts-, Wolafton- und Bictoria- 
Land einzuziehen, fowie darüber, ob diefe etwa einen Theil des vordes 
ten Continentes von Amerifa bilden, oder ob es Inſeln feien. Mit 
Lebensmitteln auf 12 Tage verfehen, und in Begleitung unfered aus⸗ 
gezeichneten Dolmetichere Mr. Miertſching, brachen wir um 6 Uhr des 
Morgens auf und erreichten die Esquimaur ſchon am 3. Juni, etwa 
10 Meilen weiter im Norden an der Spibe, wo fie zuvor gewefen 
waren. Sie gaben fehr offenherzig an den Dolmetfcher alle Auskunft, 
die wir verlangten, fo weit ihre Kenntniß der Küfte reichte. Dies war 
eine Strecke weit längs dem Victoria-Land der Fall. Sie thaten Dies, 
indem fie auf ein langes Papier, das Ich zu dieſem Zwecke mitgebracht 
Batte, eine Skizze verzeichneten und begriffen die Richtung, welche Mr. 
Miertfching auf unferem Wege vom Schiffe aus bis zu ihnen gemacht 
hatte; auch feßten fie viefelde fogar fort. Da fie ganz fpeciell die Infeln 
„Sutton” und „Liſton“ mit 3 Heineren einzeichneten, die auf der Karte 
von Wollafton- Land nicht eingetragen waren, fo mußte ich ihre Ans 
gabe für ganz correct halten und konnte es nur bebauern, daß ihre 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. 1. 29 


450 C. Ritter: 


Kennmiß nicht weiter reichte. (Die Skizze, deren Zuſtandekommen in 
der That auf eine bei Wilden überrafchende Intelligenz hinmeift, legte 
M'Clure feiner Depefche an die Admiralität bei.) Die Edquimaur 
befchrieben Wollafton gegenüber ein großes Land, das fie Nunavaf- 
faraluf nannten, ‘wo fie aber niemals gewefen waren, da fie nur 
mit den Esquimaux gegen Südoften Handel treiben; auch fanden wir 
bei ihnen nicht das geringfte von europäifchen Waaren. Der Anblid 
und Gebrauch des Eifens war ihnen vollfommen neu; al ihr Metall 
beftand nur in Kupfer, womit ihre Langen und Pfeile befchlagen was 
ven. Das Kupfer ift von vorzüglicher Schönheit, doch fah ich Feind 
in ihren Zelten. Leider vergaßen wir Danach zu fragen, von wo es 
fomme. Ich vermuthe, daß fie ed von den füböftlichen Stämmen ers 
halten, von denen fie es eintaufchen mögen, weil fie ihre wenigen metall 
nen Schmudfachen auch von da durch Taufch erhalten. Sie find übrigend 
ein wohlwollendes, einfaches und rein nomadifches Volk (pure pasto- 
ral tribe), ohne jene diebifche Neigung, welche die Stimme am Maden- 
jie und Golville auszeichnet, wo tie Wilden aber erft durch ven 
Verkehr mit den Eivilifirten demoralifirt worden find. Bei Vorlegung 
der für fie beftimmten Geſchenke refpertirten fie in hohem Grade das 
Eigenthum, und, obwohl fie fehr begierig nach dem Befig diefer Schaͤtze 
waren, bemächtigte fich feiner derfelben mit Gewalt. Sie waren alfo 
fern von der Verfahrungsweife, die und den Verfehr mit anderen Es⸗ 
quimaur-Stämmen fo fehr erfchwert hatte. Ja fie waren fogar fehr 
ſchwer dazu zu bringen, etwas anzunehmen, ohne eine Aquivalente Ges 
gengabe; fie befragten den Doimetfch bei jedem Artifel, den wir ihnen 
gaben, wad wir dagegen verlangten. in Stud Scharlachtuch, 
das ih um den Naden eined Mädchens legte, verblieb auf demſel⸗ 
ben, bis wir abjogen, worauf das Mädchen zu Miertfching lief und 
ihn fragte, was wir dagegen verlangten; da ihr daſſelbe als Gefchenf 
zugefagt wurde, nahm fie ed dankbar mit Lächeln an. Nur Waffen 
zur Jagd fahen wir bei diefen Eingeborenen, deren ganzes Betragen eine 
große Heiterfeit zeigte. Diefelden bewohnen faft das ganze Jahr die näms 
liche Rocalitä gehen nicht weiter nord wärts nnd glauben auch nicht, 
dag nordwärts von ihnen Stämme wohnen, wohl aber gegen 
Südoften, Victoria- und Wollafton-Land entlang, wo ihrer An- 
gabe nach die Küfte jogar ftarf bevölkert fe. Seltfam aber war es, 


Die Auffindung ver Norbweft- Baflage durch Eapit. M'Clure. 451 


daß fie nicht einmal Sagen von ihren Vorfahren haben, die einft et 
was weiter im Norden wohnten, indem wir zahlreiche Spuren der- 
jelben auf beiden Seiten der Prince of Wales» Straße, fowie aud) 
auf den Prinzeß Royal-Inſeln gefunden hatten, wodurch bewiefen wird, 
daß zu einer gewiffen Zeit diefe ganze Küfte beivohnt gewefen fein 
muß. Nah Mr. Miertfching war die Sprache der hiefigen Esquis 
maur diefelbe, wie die der Esquimaur auf der Küfte Labrador. 

Halb 10 Uhr verließen wir diefes intereffante WVölfchen und Fehr: 
ten am 5. zu unferem Schiffe zurüd, fehr befriedigt von unferer ans 
genehmen Ereurfion. Unfer einziges Unglück war, daß der Koch Eor- 
nelius Hullott beide Füße erfroren hatte. 

Am 7. kehrte auh Mr. Wyniatt mit feiner Partei nad) 50 
Tage langer Abwefenheit zurüd. Durch ihn ward ein Theil der Bars 
row» Straße in SD. bis 72° 6’ n. Br. und 107° A2’ well. L. erforfcht 
worden. Von da fahe man das Land 15 Meilen weit gegen NO. fort 
ziehen, nachdem ed um Point Beel, 73° 21’ n.Br. und 112° 30’ well. 
L, fi gewendet hatte. Die Nordweſt-Spitze von Prince Alberts-Land 
iſt nach ihm in jeder Hinficht von derjelben Geftaltung, wie das Land 
in unferer Nähe bis AO Meilen Entfernung. Erft nachdem Wyniatt einen 
tiefen Einfchnitt durchfegt hatte, wurde das Land hoch, abflürzend und 
öde. — Kein Treibholz war vorhanden, aber das Eis lag am Rande 
der Küfte in ſchweren, ungertrümmerten Maffen. Weiter gegen Often 
ward eine Fürzere Strede ummandert, und man fand mehrere Fleine 
Inſeln, deren fübliche Ufer bis in einer Höhe von 800 Fuß anfteigende 
geſchichtete Klippen zeigten. 

.Am 10. fehrte auch Lieut. Creſſwell und feine Begleitung zurüd, 
bie 19 Tage abwefend und gegen SW. bis zu 71’ n.Br. und 123° 
weil. 2. vorgedrungen waren, wobei man von 3 Seiten die Barings» 
Infel umgangen hatte; nämlich auf dem Norbufer, wo die Exrpebition 
auh die Polar⸗See fah, und auf dem Südufer, wo fie 24 Meilen 
geivandert war. Beide zeigten dieſelbe fanfte Oberfläche, welche ich Dem 
Einfluß vorherrfchender Norvoft- Winde zufchreibe, die am Ende der 
ſchiffbaren Jahreszeit das Eis umhertreiben, wie wir es auf der Weſt⸗ 
feite der Inſel, bis hinüber zu den amerifanifchen und aftatifchen Ger 
Naben wahrgenommen hatten, wodurch aber eben in ber fpäteren Jah: 
resgeit die Doublirung der Point Barrow fo fehr erfchwert wird. 

29 * 











452 C. Ritter: 


Unglüdlicherweife wurde das Wetter fo dunfel, daß der Blid ges 
gen Norden dadurch fehr beengt ward, und man nur die Höhe und 
Steilheit der Küfte erfennen fonnte. Auf diefer Ercurfion traf Erefi- 
weil A Abtheilungen von Eis, die von 10 bis 20 Fuß Breite wech⸗ 
felten und fcheinbar quer über die Straße zogen; da der Officier aber 
eins der Heinen Halkett's mit ſich Hatte, wurbe dieſes Hinberniß, 
welches fonft einen Umweg von vielen Meilen nöthig gemacht haben 
würde, leicht überwunden. Nicht genug fann man diefe Böte, die nur 
bis 25 Pfund wiegen, da empfehlen, wo e8 auf das geringfte Gewicht 
anfommt. Braucht man fie nicht, fo dienen fie dem Schlitten zu einer 
Unterlage für die Bagage, und, wenn man fie braucht, fönnen fie aufs 
geblafen obenauf liegen. So find fie ohne alle Unbequemlichkeit zu dop⸗ 
pelten Zweden nugbar. Lieut. Creſſwell errichtete einen Cain nahe Gap 
Lambton und legte darin feine Eylinder nieder. Faſt auf jedem Theile 
der Inſel bemerkte er Spuren von Esqulmaur»Lagern, wo er irgend 
für die Nacht feine Zelte aufſchlug; viele Stellen fahe er did mit Och—⸗ 
fenfchädeln bevedt, ein Beweis, daß Mofchuscchfen in ziemlicher Menge 
auf diefen Infeln vorfommen. Auch diesmal fand man bie beiderfelr 
tigen Ufer der Straße mit wilden Geflügel aller Art befegt, fo daß es 
hier Mofchusochfen, Rennthiere, Hafen, Ptarmigane und den Golden 
Vlover*) gab. Dies ift ficher die allerfruchtbarfte Gegend der Po—⸗ 
larländer und der Brüteplap der Thiere, welche hier reichen Weideboden 
auf den alluvialen Ebenen und deren Thälern finden, ohne von den 
Esquimaur verfolgt zu werben, deren von Moos übertvachfene und längfl 
vermoderte Spuren einer weit früheren Zeit angehören müffen. Diefe 
Partei vol Geiſt und Eifer vollendete ihren Rüdweg von 160 Mei 
fen in 93 Tagen unter jehr fchwierigen Umftänden, weil die fpäte Jah⸗ 
veögeit ihrem Marfche ungemein hinderlich war. 

Da nun alle Mannſchaft wiever an Bord und in befter Ge 
fundheit war, die drei Wanderer mit ihren erfrorenen Gliedern, wor 
durch fie viel Schmerzen auszuftehen hatten, ausgenommen, fo konnte 
man die böfe Jahreszeit ald glücklich überftanden anfehen. Die au 


=) Vielleicht Charadrius hiaticula oder der Regenpfeifer, Pluvier der Branzofen, 
ber am ruffifhen Eismeere und in Joland fehr häufig if. Doc follen in Nord⸗ 
Amerika ähnliche Arten vorfommen, wie Ch. semipalmatus, melodus, vocifer u. a., 
welche Wilfon fänmtlich in feiner American Ornithology befchrieb. Gumprecht. 


Die Auffindung der Norbweft=Paflage durch Eapit. MW Elure. 458 


gebehnte Reviſion eines Lünderraums von 800 Meilen, wozu man 
noch ein Drittheil Biegungen und Windungen der Küftenlinie ohne 
alle Spur einer Station civilifirter Fremdlinge rechnen kann, über- 
jeugte davon, daß Sir John Franklin niemals in diefer Richtung in 
die Polar-See eingedrungen fein fünne. Denn irgendwo hätte man 
doch von der ungeheuern Maſſe von Vorräthen der Equipage, an Holz 
und anderem Geräth irgend etwas vorfinden müffen, da man überall 
dus Treibholz aufgehauft antraf. 

Auch bin ich der Meinung, daß Prince Alberts-Land ein Theil 
des Continentes von Amerika, und dann, daß Point Peel deffen nord⸗ 
weſtlichſtes Ende ift; ferner, daß das Land von da bie zum Cap Wal⸗ 
fer fortfeßt. Die befondere Formation der Küften und die tiefen, 
nach dem Inneren führenden Einfchnitte geben diefen legten das An- 
fehen von Straßen, die aber nicht vorhanden find, wie dies fich bei 
Victorias und WollaftonsLand zeigte, welches wahrfcheinlich mit dem 
zwiſchen Cap Walfer und North⸗Sommerſet gelegenen Lande Identifch 
ft. Meine Meinung wird durch die Esquimaur an diefer Küfte be: 
Rätigt, welche diefelbe Sprache, wie die an der Hubfon- Straße reden, 
und deren Sprache Mr. Miertiching, unfer oft genannter Dolmetfcher, 
völlig verftand, während Die am Colville und Cap Bathurft ihm öfter 
unverftündlich blieben. Ich halte es für fehr wahrfcheinlich, daß bie 
Vorpäter der hiefigen Edquimaur die Hubfond » Straße überfchritten, fich 
an die Küftenlinie von Bictoria- und Wollafton-Land gehalten und 
j0 die Reinheit ihrer Sprache bewahrt haben, während die Bevoͤlke⸗ 
rung auf der Norbfüfte Amerifa’s durch fortwährenden Verkehr und 
Verdrängung durch Indianer verändert worden iſt. Gemwiß hätte ich 
biefen Gegenftand durch Abfendung eines Bootes durch Dolphin- und 
Union-Strait zur Erledigung gebracht, doch war ich der Webers 
jeugung, daß Dr. Rae im vorigen Jahre fchon hierüber Auffchluß ge- 
geben, da er offenbar nicht in unferer Richtung ging. 

Während der Abwefenheit jener SuchsBarteien wurde das 
Schiff unter der Leitung der Herren Sainsbury und Court ausgebef- 
jert, fo daß bei ihrer Ruͤckkehr wenig zu thun übrig blieb, als etwa 
die Boote vom öftlihen Ufer und die Zelte und Jagdgeraͤthe, welche 
die Jagbpartieen auf beiden Ufern der Straße hatten, wieder an Bord 
iu bringen. Das Wetter war dabei fehr unftät und geftattete nicht, 


454 C. Ritter: 


fih fehr weit vom Schiffe zu entfernen. Doch, nachdem alles dies ges 
lungen und ein Boot ausgebeſſert und angeftrihen war, das mit Pros 
vifion auf der großen Prince Royal-Inſel bleiben follte, war am 13. 
Alles auf dem Schiffe verfammelt, daſſelbe volftändig reparirt, kalfa⸗ 
tert, angeftrichen, abgewafchen und völlig fo ausgerüftet wie an dem Tage, 
wo wir Plymouth verlafen hatten, mit Ausnahme einiger an Kroft- 
beulen und Froftbefihwerden Leidenden. 

Mit nicht geringer Sorge warteten wir nun auf das Aufbrechen 
der ungeheuern gewichtuollen Eismaffen, die und umgaben, und auf die 
Holgen die dies haben fonnte, und an welche man nur mit Ernſt zu 
denfen vermochte. 

Heute am 7. Juli zeigte fi) das erite offene Waſſer bei einiger 
Ferne von Prince Albertö-Land, nahe eine Meile breit. Das Eis 
nahm mit großer Schnelligfeit ab, fo daß ſchon am 14., nachdem es 
unter Regen und fchladigem Wetter bei 14° in Bewegung gefommen 
und um das Edhiff ſich bedeutende Stellen eröffnet hatten, ſich plößs 
ich Alles Löfte und ein Teich von AO Yards um daſſelbe entitand. 
Doch war ed noch unmöglid, aus diefem Gewirr hinauszufommen, 
und wir mußten uns alfo an der Eisfcholle feithalten, die zehn Mos 
nate lang unfer Schuß gewefen war. Mit ihm und dem ganzen Pad: 
eis trieben wir nun fünwarts ganz allmälig, gegen die Princeß Royal 
Inſeln, an deren Oftjeite wir in der Entfernung einer halben Meile 
vorüberzogen. 

Am 17., 10 Uhr Morgens, als wir uns zwijchen lofem Eije fa- 
hen, verließen wir die große Eisfcholle, woran wir geankert hatten, 
und fegelten davon, in der Hoffnung auf das Weftufer zu gelangen, 
wo das Waffer überhand zu nehmen ſchien, doch, ohne daß wir das 
Steuerruder brauchten, weil ganz nahe noch große Eisblöce waren. 
Erſt um 2 Uhr ficherten wir unfere Stelle an einem Eisfloß zwoifchen 
ven Prince Royals und den Barings-Inſeln und paffirten bei 19 Fa⸗ 
den Tiefe eine Banf. 

Am 20., 114 Uhr, erhob fich ein leichter Wind von Sübwelten, 
der das Eid zertrümmerte und die Hoffnung erregte, gegen Rordoſten 
vorzudringen, da ich begierig war, zur Barrows» Straße und zur Nord⸗ 
feite der Melville- Infel vorzudringen, wie ed mein Brief an 
die Admiralität vom 20. Juli 1850, worin ich die Abficht aus: 





Die Auffindung der Nordweſt⸗-Pafſage durch Capit. M' Clure. 455 


ſprach, wenn dieſes nicht gelingen ſollte, durch die Barrows⸗Straße 
nach England zurückzukehren, angekuͤndigt hatte. 

Run wurde das Schiff loßgeeifet, und wir fchifften 3 Meilen weit, 
worauf der Wind nachließ, und das Schiff wieder von Eis umringt 
wurde. 

Erſt am 23. ging es bei leichtem Südwelt weiter gegen Nord» 
often über eine Untiefe von 13 Klaftern, die voll Eis lag. Die Ede 
des Eisblodd, an dem wir befeftigt waren, fam mit einigen dieſer 
Mafien zufammen, gab nah und fchleuderte Stüde von 12 Fuß 
(Höhe? ©.) und 148. Fläche aus den Waffer in die Höhe. Das 
Berften des Eifes und das Fortfchleifen der legten auf dem Grunde erfolgte 
mit donnerähnlichem Getöſe. Ein enormer Eiöberg fticg in der Mitte 
auf, wie wenn ein Bulcan thätig gewejen wäre. Er borft dann ausein- 
ander, aber fo, daß die Stelle, wo wir auf dem Boden faßen, unbefchä- 
digt blieb, dagegen ein anderer leichterer Theil der zertrünmerten Mafle 
unfer unbejchügteres Hintertheil des Schiffes mit folcher Schnelligfelt 
traf, daß wir ed faum von feinem Anker loseifen fonnten, als es fchon 
einen Stoß erhielt, und nun in der Schnelligfeit von 2 Knoten fort 
trieb. Gflüdlicherweife geftattete ein vor und offenes Waffer unfere 
borthingehende Bewegung des Schiffes, doch fuchten wir fihnell, une 
vor deſſen ferneren Einflufje zu fehügen. Nur unfere vortheilhafte 
Stellung rettete dad Schiff vor dem Untergange. Mit Süpoft-Wind 
fegelten wir durch breite Wafferflächen gegen die Oftjeite der Straße; 
am NRachmitage des 24. hatten wir faft Point Arınftrong erreicht, auf 
welchem Eis gelagert war, wodurch unfer Schiff aufgehalten wurbe. 
Wir ſchickten den Cutter ab, eine Ladung Treibholz zu holen, das an 
der Küfte in jeher großen Dimenfionen lag, meilt von dem amerifanis 
hen Pinus. Es war fo frifch, dag Mr. Ford, unfer Schiffszimmer- 
mann, dafür hielt, der Wald müſſe höchſtens feit 2 Jahren entführt 
fein. Der Wind drehte ſich in der Nacht gegen Weiten und trieb 
große Eisladungen in dad Wafler, worin wir flanden. Um nicht an 
das Ufer gebrängt zu werben, waren wir am Morgen des 25. genö⸗ 
thigt, in das Padeis ſelbſt einzulaufen, wo wir in Folge der Fluth 
1, Meilen von dem Ufer trieben und während 24 Stunden etwa 
24 Meilen gegen Nordoften fortfchoben. Hieraus, wie aus der Menge 
des Treibholzes, das an dieſer Seite jo mächtig am Ufer aufgehauft 


456 C. Ritter: 


war, ſchloß ich, daß in der Straße eine mäßige Strömung gegen Nord⸗ 
often ftattfinde, während an ber entgegengefeßten Seite eine folche ges 
gen Süden geht, wo fich faft gar fein Treibholz findet, und unfer Fort- 
fehritt an jener Seite ziemlich gegen Süden flatt hatte. 

Wir trieben mit dem Padeis ohne Hemmung bis zum 1. Auguft 
um 10 Ahr Morgens, als eine höchft unerwartete Bewegung des Eifes 
ung plöglich mit größter Schnelligfeit nach Nordoſten gegen eine niedrige 
Landfpige warf, wo einige Eisfchollen und auf diefen gewaltig große 
Eisblöde lagen; dabei nahm die Sondirung von 24 bis 93 Klaftern 
ab. Die Zertrümmerung des Schiffes fehien ganz nahe, ald ganz zus 
fällig das Eis abnahm und ein frifcher Landıwind eintrat, mit dem 
wir fogleich die Segel hißten, und mit dein wir bei noch anderer Beihülfe 
ſchnell an 200 Yards weit forigetrieben, fat ganz frei von Eis wurs 
den und in 164 Faden Tiefe geriethen, worin wir Die Untiefen ums 
ſchiffen konnten. Aber dann fchloß ſich die Eismaſſe wieder und das 
Schiff blieb feft bis zum 14, wo der Nebel, der und bie dahin ums 
geben Hatte, ſchwand und ein Flarer Himmel und ſchon z Meile vom 
Schiff entfernt ein freies Meer zeigte, wobei das Eis, Das es umgab, 
ganz loder geworden war, Mittags fingen wir an, und durch die Eid 
maffen hindurchzumwinden, und jchifften fodann mit leichtem Seewinde von 
Norvoften eine Strede entlang am öftlichen Ufer Hin. Schon um 11 Uhr 
wurde aber der Nebel fo did, daß wir uns an einen Eisblod befes 
figten; denn am Ufer hatte ich mich bei den wechjelnden Untiefen über- 
zeugt, daß wir dafelbft nicht Stand halten konnten. Ehe ich aber die 
fen Eisblod wieder verließ, wollte ich mich überzeugen, welche Gewalt 
ein Schuß auf ſolche Mafien haben fönnte. Eine Büchfe mit 36 Pfd. 
Pulver wurde 12 Fuß tief unter deffen Mitte angebracht. Die Maſſe 
hatte eine Ausvehnung von 400 Yards und war 11 Fuß did. Durch 
die Entzündung wurde diefelbe nach allen Richtungen gejprengt, und wir 
fonnten und nun durch jeden Theil verfelben eine Paſſage bahnen. 

Am 15. Auguft verzog der Nebel ſich etwas, fo daß wir bei 
42 Faden Tiefe die Bafis der Klippen fehr gut wahrnehmen fonnten. 
Da wir aber gegen Weiten offenes Waſſer hatten, jo fpannten wir 
jogleih dahin die Segel, aber ſchon um 11 Uhr war jeder Blick 
verbedt, jo daß wir uns wieder an einem Eisblock befeftigten, da 
die Stange des Hinterfegeld (the spankerboom) durch ein Eis 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Pafſage durch Eapit. M'Clure. 457 


ſtuͤck zerbrochen war und dieſer Unfall das Vorderſegel hin und her 
ichwenfen machte. 

Unfere Sondirungen wuchjen bis zu 62 Klaftern; das Eis trieb 
in Maſſen 15 Meilen in jeder Stunde nah WSW., fo daß am 16. 
Mittags das Schiff 15 Meilen weit gegen Südweſten geworfen 
war. Da fich aber auch gegen Often offenes Waſſer befand, fo ge 
ſchah es mit größter Anftrengung, daß wir zum öftlichen Ufer zuruͤckkehr⸗ 
ten und das Padeis zu umfahren fuchten, um in die Barrow- Straße 
einzubringen, von der wir nur 25 Meilen entfernt waren. 

Aber um 9 Uhr Morgens (wohl den 17?) verfchwand dazu jede 
Hoffnung, indem wir vom Maftforbe bei ganz Flarem Blid uns von dem 
Padeis, das auf Point Lady Roff lagerte und ohne Unterbrechung 
die ganze Straße bis zur anderen Seite derfelben erfüllte, ganz einges 
ihlofien fanden. So mußten wir jeden Verfuch eines weiteren Fort⸗ 
jchreitens gegen Dften aufgeben. 

Schon am Ende der vorigen Salfon und nun wieder am An- 
fange der jeßigen, war das Weitergehen in diefer Paſſage vereitelt wor: 
den. Daffelbe würde nur bei anhaltenden Südweft-Winden, welche 
die Eismaffen in die Barrow⸗Straße treiben, möglich gemwefen fein; dages 
gen fchien die Paffage ohne Schwierigkeit aus der Barrow- Straße 
bewerfftelligt werden zu fönnen, von welchem Kap die Winde vorherr- 
ſchend waren. Unfer größter Fortfchritt in dieſer Richtung war 73° 
13’ A3” n. Br. und 115° 32’ 30" weft. 2. 

Wir brachen alfo um 94 Uhr Morgend auf, um von Nelfon’s 
Head fübwärts zu feuern, und unfere Entdedung an der Weftfeite 
der Barings⸗Inſel fortzufegen, um nach ihrer Umſchiffung an dem 
Eingange der Barrow⸗Straße anzufommen, da ich nach des Lieut. 
Erefimell Rapport überzeugt war, daß dort durch Banks⸗Land eine 
Paſſage ftattfinden müffe. 

Um A uUhr pafjirten wir die Prince Royals Infeln mit gutem 
Winde und in ganz freiem Waſſer, wo fein Eisftüdichen zu fehen war, eben 
da, wo man einen Monat zuvor nur die ungeheuerften Eisberge 
und Grundmaffen, wie für eine Ewigfeit, hatte fejt aufliegen fehen! 
Dort hatte es die Sandbänfe mit dem Nfer verbunden, um fchon feit 
Jahren da zu liegen und noch länger zu verbleiben. Selbft mächtige 
Stüde, die auf Das Oftufer geworfen waren, erfchienen nun verſchwun⸗ 





458 C. Ritter: 


den. Jede Spur des furchtbaren Elementes, das uns 11 Monate in 
Feſſeln gehalten hatte, war zerronnen. 

Am 17., nahe an Nelſons Head, bei ſchoͤnem Winde von SO., 
erlebten wir eine heftige Fluth daher, eine ungewöhnliche Erfcheinung, 
die wir aber für ein guted Omen, daß wir und nämlich wieder in 
offenem Waſſer befünden, hielten; um 113 Uhr umfdifften wir Nel⸗ 
fons Head. Das Land bis 25 Meilen gegen Welten ift ungemein 
fteil und Hoch, und Cap Lambton bildet Hier einen Vorſprung von 
1000 Fuß fenfrechter Höhe, von wo an dieſelbe gegen Nordweſten 
allmaͤlig abjinft, das Land feinen Fühnen Charakter verliert und mehr 
den in der Prince Waled- Straße beobachteten annimmt. Es zeigten 
ſich ſodann Bergreihen, die fi) aus dem Inneren gegen die Küfte zu alls 
mälig abfenften, mit fchönen Thälern und weiten Ebenen, auch einigen 
Heineren, und zugleich ein bedeutender Blußlauf, deſſen Wafler an 
der Mündung 2 Meilen weit die See färbt. Biele Fleine Seen und 
Hafenftellen finden ſich dajelbft, doch find fie nur für Boote taug- 
lich, da heflige Brandungen an ihren Eingängen ftattfinden. 

Sehr viel Treibholz bevedte das 1lfer, und das Land war mit 
grünen Gewächſen wohl bevedt, wo Gänfefchaaren weideten und über 
welche Entenzüge in Mafle flogen; im Inneren würde man, wie id 
nicht zweifle, Heerden von Nennthieren und Moſchus⸗Ochſen finden. 
Die ganze Küjte war in allen ihren Theilen deutlich zu erfennen; bei 
gutem Winde und hellen Wetter fonnte in einem Abftande von 2 Mei⸗ 
len unferer Beobachtung nicht das Geringfte entgehen. 

Am 18. A Uhr Nachmittags befanden wir und vor einer niedri⸗ 
gen Sandipige (Point Kellett), die fih 12 Meilen weit weitwärts in 
Form eines Hufeifend ausdehnte, und deren Seefeite ganz mit Eis 
überblodt war. Ich fandte Mr. Court aus, um fie au unterfuchen. 
Er berichtete über einen dort gefundenen, trefflichen und bequemen Ha- 
fen, der von Nordweiten gegen Süden gut gefchügt fei, bei 5 Klaftern 
Tiefe in nur 10 Yards Adftand vom Ufer, das mit Kies und Treib 
holz bevedt war. Einige Beobachtungsreihen wurden dafelbft gemacht 
und ein Kaften mit Schriften zurüdgelaflen; er liegt unter 71° 56 
n. Br. und 125° 29’ weit. L. 

Bon da wendet fi Das Land plöglich norböftlich; die Anficht der 
Küfte verändert fih völlig: fie wird nach und nach niebrig nnd flach, 


Die Auffindung der Nortweit-PBaflage durch Gapit. M'Clure. 459 


fo daß fie faum wie eine Sandbanf jich zeigt, und näher betrachtet 
fih nur gar fehr wenig über das Niveau des Meeres erhebt. Die 
Sondirungen längs diefer Küfte find fehr regelmäßig und ſchwanken 
von 3 bis zu 30 Baden, zwifchen 1 bis A Meilen, wobei das Senf 
blei den beften Wegweifer abgab. Am Morgen des 19. verließen 
wir dieſe flache Küfte und paflicten 2 Kleine Infeln, die am Eingange 
eines, wie es ſchien, tiefen Meereseinfchnitted liegen, welcher gegen 
OSO. zieht und dann plöglich gegen NO. ſich wendet. Eine Eis, 
barriere lag quer vor, die und an der Unterfuchung hinderte. Da wir 
zwiſchen ter nörblichiten diefer Injeln und dem Hauptlande (Mains 
land) zur Vermeidung des fehr nahen Packeiſes vorüberfchiffen wolls 
ten, fonnten wir faum ein Stranden am Ufer vermeiden, weil ein Riff 
fih von demfelben bis auf eine halbe Meile zur Infel hinüber erſtreckte. 
&tüdlicherweife erlaubte ein leichter Wind die Doublirung, um bei 
2! Faden Anker zu werfen, wobei nur noch A Zoll Waſſer unter dem 
Kiel ftanden. Doc fand Mr. Court bald einen 3 Faden tiefen Fahr 
canal, durch welchen wir glüdlich 1 Meile hindurchfamen, worauf wir 
noch 8 Meilen in einem Bahrwafler von 3 bis 5 Meilen Breite zwi⸗ 
chen dem Eije und der Küfte weiterfchifften. Um 8 Uhr Abends ges 
langten wir in die Nähe zweier anderer Infeln, wovon die weftlichfte noch 
mit Eis belagert war, defjen Drud gewaltig gewefen fein muß, ba 
große Maſſen des Eifes über ihren an 40 Fuß hohen Rüden hinüber: 
gedrängt waren. Zwifchen dieſer Infel und dem großen Lande fchiff- 
ten wir in einen Ganal von 9 bis 15 Klaftern Tiefe, als fich plößlich 
ein fchneller, auffallender Wechfel in der allgemeinen Bildung des Lan- 
des zeigte. Daſſelbe wurde nämlich Hoch, fleil, unfruchtbar und rauf, 
von vielen Schluchten und Waflerfurchen durchfchnitten, wobei wir zus 
gleich 100 Yards von den Klippen 65 Klaftern Meerestiefe hatten, 
was fehr vortheilhaft war, da das Padeis fo eben von der Küfte los⸗ 
gebrochen zu fein fehlen, ſich bis innerhalb einer halben Meile und mit« 
unter noch dichter daran befand und das Schiff vollftändig belagerte. 
Wir hätten daher verfchiedentlich das Land felbft faft ftreifen muͤſſen, 
und ließen durch Boote das Schiff vom Grundeis, das längs der gans 
zen Küfte fich vorfand, durdy Stangen abwehren. Das Gap, welches 
das Weſtende bilvet, nannte ich Prince Alfred Cap. 

Hier waren zwei ſcheinbar gute Häfen, in 20 Meilen Entfernung 














460 C. Ritter: 


oͤſtlch vom Cap; dem weftlichften lag 1 Meile lang gegen Norden 
eine 20 Buß hohe Klippe vor, welche die Waſſer brach, mit einer 
60 Yards breiten Einfahrt an der Oft- und Weftfeite. Der andere 
Hafen war freisrund, etwa 3 Meilen im Durchmeffer, mit einer Eins 
fahrt an der Weftfeite. Unſere Fritifche Lage geftattete jedoch Feinen 
Aufenthalt, fonft hätten wir fondiren müffen, da ed wichtig war, im 
Fall einer Winters Campagne in diefen Gewäflern eine fichere Station 
hier irgendwo au kennen. Das Wetter bei Süboft-Wind war fchön; 
der wechjelnde WSW. brachte aber Nebel und Regen, fo daß am 
Morgen des 20. unfer Weg durch feftftehendes Eis an einem Einfchnitt, 
welcher dort fich zeigte, und von wo allein man noch offenes Wafler 
fehen Fonnte, gehemmt war. Um nicht von dem Packeis fortgerifien 
zu werben, welches jenen Raum füllte, fuchten wir Schug an der einen 
Seite eines Heinen, aber fehr ſchweren Eisblocks, der bei 12 Klaftern 
Tiefe 74 Yards vom Ufer auffaß. Es war dies der einzige Schuß gegen 
ein furchtbares Polareis, das von den Weftwinden in jeder Stunde 
einen Knoten weit gegen Often getrieben ward. Dies brachte und um 
9 Uhr durch feinen Anftoß an den feften Blod in große Gefahr, in 
dem diefer fo zu ſchwanken anfing, daß eine feiner Eiszungen, die 
unter dem Boden des Schiffes lag, daſſelbe um 6 Fuß in die Höhe 
hob. Doch gingen einige Minuten dieſes Zuftandes durch forgfäls 
tigen Gebrauch der Anfer und Stangen (Warps) glüdlich vorüber, weil 
der hebende Eisblod in Stüde zerbradh, und wir näher zum Ufer ges 
trieben wurden. 

Bis zum 29. lagen wir hier ganz ficher, ald um 8 Uhr des Mors 
gend das Eid wieder zu treiben begann, und ein großer Eisblock, wels 
cher wahrfcheinlih ven Blod, an dem wir felbft befeftigt waren, unter 
einem feiner hervorſtehenden Ränder erfaßt hatte, denfelben ſenkrecht 
30 Fuß hoch Hob und der ganzen an Borb befinvlichen Schiffsmann⸗ 
ſchaft den graufenhafteften Anblid gewährte. Da die Hebung mit 
dem Vordertheil des Schiffes ftattfand, fo mußte hohe Beforgniß 
entftehen, daß das Schiff felbit überfippen würde, wo ed dann voll 
fommen zertrümmert worden wäre. Doch dauerte diefer beängftigende 
Zuftand nur wenige Minuten, indem der Eisblock zerborft und dabei 
einen großen Theil unferer eigenen fchügenden Eismaſſe mit fich fort 
riß, worauf diefe aber nach mehrmaligem Hin- und Herrolfen ihre 








Die Auffindung ver Norpweit- Paffage durch Eapit. M'Clure. 461 


vorige Stelle einnahm. Doch vermochte fie darin nur wenige Minus 
ten dem gewaltigen Drude zu widerftehen, und fie wurde endlich mit 
den ſchwimmenden Eisblöden vorwärts getrieben. Lnfere Nähe am 
Ufer fchien mit einzig zu unferer Rettung zu dienen, und fie machte 
e8 und zur Pflicht, und an demfelben zu halten. So fuchten wir 
eine größere Sicherheit auch darin, daß wir 3 ſechs⸗ und 2 fünfzöllige 
Anfertaue (bawfers) mit einer Stromfette und noch einem Tau umwan⸗ 
den. In diefem Zuftande wurden wir mit fortgedrängt und ließen große 
Balfenftüde zur Seite des Schiffes nach vorn und hinten zu deſſen Schug 
hinab, doch wurde das Hinter und Vordertheil fehr befchädigt. Aus 
der Klemme zu fommen war jest ganz unmöglid. Um 1 Uhr Mit: 
tags hörte der Druf auf, und das Eis wurde fe. Sogleich wurde 
das Schiff auf eine fefte Eisfläche umgelegt und durch den höchft ener- 
gifhen Zimmermann Mr. Ford mit größter Anftrengung ausgebeffert; 
faum war Died gelungen, fo fing das Eistreiben wieder an; das Schiff 
erhob fich, wurde aber bald wieder auf einem anderen großen Eis— 
block abgefeßt, der in 9 Klaftern Tiefe auf den Grund feftgeftoßen 
war und nun als Bruchflüd vor der Mündung eines großen 
Stromes lag. Da diefe Stellung und bei der Nähe des Ufers, das 
nur 80 Yard entfernt war, wenn der Block in Bewegung fam mit 
dem Untergange bedrohte, fo fchicte ich den Beuerwerfer John Kerr 
unter fehr fchwierigen Umftänden ab, den Blod durch Pulverfprengung 
zu zertrümmern. Zwar fonnte er feine Mine nicht tief genug unter 
dem Eisblod im Waſſer anlegen, brachte fie aber doch in einer Seis 
tenhöhle veffelben an, und es gelang ihm, die Maſſe an 3 Stellen 
zu zerflüften. Während dies gefchah, war das Schiff nur wenige 
Schritte davon, und jeder auf dem Ded, in angftvoller Spannung, was 
das Ende der Krife werden ſollte. Das ganze Schiff wurde erjchüt- 
tert, die Maſten und das Verdeck zitterten, das Kabel wurde vom 
Strome entführt, und wir glaubten jede Minute auf das Ufer gewor⸗ 
fen zu werben oder dem Untergange entgegen zu gehen. Aber Got» 
tes Gnade rettete und noch durch das Zerfpalten der Eismaffen in 
drei Stüde; das Schiff richtete fich aus feiner fchiefen Lage, in die es 
gerathen war, wieder im Wafler eınpor, einige feiner Kupferbefchläge 
wurden von ber feharrenden Reibung der Eismaflen losgerifien und 
wie Papierrollen zufammengewidelt, aber fein feſtes Band feines Koͤr⸗ 








462 C. Hitter: 


perd war gewichen und Fein Led entftanden. Um Mitternacht ſtand 
das Eis wieder ganz ruhig und verharrte fo bis zum 10. September. 
Die Temperatur war um 16 Grad gefallen, und Alles fchien fich jchon 
zum Winterfchlaf zu neigen. Ich fürchtete, hier bis zum nächften 
Fahre aushalten zu müffen. Die Schiffsmannfchaft mußte nun Bal- 
laft fammeln, wovon 55 Tonnen zufammenfamen, und andere Borbes 
reitungen zum Winteraufenthalt machen. Täglihd wurden Jagbpars 
tieen tiefer in das Land unternommen; auf einer derfelben traf man 
ein ungemein altes Esquimaur-Lager, und eine Art Bergreihe ward 
entdedt, die aber nur aus einer einzigen Holzmaſſe beitand, welche alle 
Stadien von der Fäulniß bis zum feften Brennholz; darbot. Wiele 
große Bäume lagen dazwifchen, bie indeſſen durch die fortgefchrittene 
Berwefung nicht mehr ganz herauszuheben waren. Der größte Holz⸗ 
blod, den wir mit fortbrachten, hatte 3 Buß im Umfange und 7 Fuß 
Länge. Diefe Holzmaffen lagen nach den Unterfuchungen der Herren 
Sainsbury und Piers bis 300 Fuß Hoch über dem Strande (74° 27' 
n. Br. und 122° 32’ 15” weſtl. L.). Das Ufer war überdies ganz 
beftreut mit Splittern und Bruchftüden von Holz, fowie Dies auch bei 
den Einfchnitten und Flußrinnen der Fall war, fo weit man nur land» 
einwärtd kam. Das Holz war offenbar durch die Schmelzung des 
Eiſes von den bewachjenen Hügeln herabgefchwenmt worden. 

Im Lande fahen wir fehöne Thäler, mit Grün bevedt, in denen 
in gewiffen Zeiten des Jahres zahlreiche Heerden weiden mögen, da 
viele Schädel von Moſchusochſen und Gerippe von Rennthieren, mit 
unter noch mit ganz frijchem Fleifche bedeckt, umherlagen. Zwei Wölfe 
wurden am Fraß ihrer Beute, einem NRennthierfalbe, gefört; nur 2 Mos 
ſchusochſen ſah man nebft einigen Hafen und Ptarmiganen, die ge 
ſchoſſen wurden. 

Heute ftieg das Thermometer bei wechſelndem Südwind, der von 
Regen begleitet war, bis auf 39°. Der legte löfte das Packeis vom 
Ufer ab, und es bilvete fich eine 4 Meile breite und 16 Meilen gegen 
Often fahrbare MWafferftraße, die fi von 50 bis 100 Yards erwei- 
terte. Uber erft um 11 Uhr 50 Minuten trat unfere Befreiung Das 
durch ein, daß ſich das Eis ohne Getöfe öffnete, worauf wir denn 
auch mit der Schnelligkeit von einem Knoten in der Stunde gegen 
Nordoft und fortbewegten. Wir trieben fo immer im Abftande von 


Die Auffindung der Norpweft- Paflage durch Eapit. M' Clure. 463 


einer halben Meile vom Ufer, in einer Tiefe von 104 bis 137 Fa— 
den. Alle Verfuche, durch Stoßftangen oder Eägen das Schiff aus 
feiner gefährlich eingeengten Stellung herauszubringen, waren vergeb- 
ih, da an deffen Untertheile auch feſte Eismaffen angefroren waren. 
Hier mußte man wieder durch Schießpulver Hülfe fuchen, wovon 150 
Bund verfchofen wurden, indem man immer 3⸗ bi 26 pfündige La- 
dungen, je nach der Entfernung des Schiffes, auf deſſen Befreiung 
verwandte. Es war das einzige Rettungsmittel gegen das mächtige 
Grundeis, das auf Point Colquhoun lag, und gegen das wir bei 
5 Minuten längerem Aufenthalt umviderbringlich geftopen wären und 
wo wir den Untergang hätten finden müfjen. Aber Gefahren anderer 
Art blieben doc. 

Erft am 13. Nachmittags öffnete ſich vor dem Schiff eine 60 Yard 
lange freie Wafferftraße; Nachmittags flieg die Temperatur auf A3°, 
und ein heftiger Regen gab uns Hoffnung zur Befreiung. Die große 
Gefahr, an der Oftfeite einer großen Bai von der ungeheuerften Eis⸗ 
laft des offenen Polarmeered zerbrüdt zu werden, das uns in einer 
Höhe von 16 und 18 Buß von allen Seiten bedrohte, während bie 
Blöde des Padeifes bis zu einer Tiefe von AO bis 47 Fuß hinab- 
reichten, war noch inner nicht vorüber. Jetzt galt es, mit Pulver 
die Eismaflen um uns her zu zertheilen. Grplofionen von 10 bie 
65 Pfund Hatten wenig Wirkung. Daher wurde eine Rummtonne 
mit 255 Pfund Pulver 5 Klafter tief zwifchen die großen Eisblöde, 
30 Yards vom Schiffe verfenft. Dies half endlich, indem die Erplo- 
fion die Eismaffen in Heine Theile zerſtückte, jowie fie auch den 
67 Fuß an der Außeren Seite und 35 an der inneren Uferfeite dien 
Eisblock, woran unfer Schiff feftgemacht war, zerfprengte, ohne Daß 
man auf dem Schiffe gerade viel von der Erplofion verfpürt hätte. Nun 
waren alle Hände befchäftigt, die Maſſen fortzuftoßen, aber erft den 
14. Nachmittags waren diefelben fänmtlich fortgetrieben, und ein ens 
ger, nur AO Yards weiter, trefflicher, von mächtigen Grundeis⸗-Bloͤcken 
umgebener Hafen gab ung endlich Schutz. Jetzt wurde auch das Steuer⸗ 
ruder eingehangen, in der Hoffnung, ed den naͤchſten Morgen zur Ab: 
fahrt gebrauchen zu fönnen, als ſchon um Mittag ein feharfer WNW. 
Wind den ganzen Hafen fofort mit Meinem Eife ftopfte, da er zu enge 
war, die großen colofjalen Blöce hereinzulaffen ; zugleich riß ein enormer 


A64 C. Hitter: 


Block die eine Seite des Hafens ganz mit fich fort, ohne dem Schiffe 
zu ſchaden. 

Am 15., bei heftigem WNW. mit Schladenwetter und Schnee, 
feßte fich wieder alles Eis, wie im Winter, fe. Das Steuerruder mußte 
nochmald eingezogen werben, und die Kälte von 149 machte Die weitere 
Schifffahrt in diefem Jahre unwahrfcheinlich. Die Ereurfion der Herren 
Eourt und Newton, unferes Eismeiftergehilfen (Ice mate), zur Un» 
terfuchung der Eismaflen an der Küfte und gegen den A Meilen das 
von entfernten Point Colquhoun, ſchien diefe Anficht zu beftärfen, doch 
fanden fie die jegige Stellung des Schiffes befjer als jede frühere. Der 
Boden an diefem Theile der Küfte beftand aus Kied und Kalkftein, 
und in den nahen Theilen fand fich ein überrafchender Reichthum 
an Moofen. Erft 1 Meile jenfeit derfelben mit der Bergreihe begann 
eine traurige Nadtheit, die ödefte Landfchaft, vie man fich denfen kann; 
eine einzige ungeheure Maffe Kalkfteinfeld ohne alle Spur von Vegeta⸗ 
tion; hier gab es auch feine Spur von Thieren, die nur 15 Meilen 
weiter im Weiten fo zahlreich waren. 

Am 17. hörten die Weftwinde auf. Oftwinde traten Dagegen 
an ihre Stelle, und die Temperatur flieg von 11 auf 21°, am Tage 
gar bis 32°, und an der Küfte zeigte fich in einer Breite von 3 Meis 
len friſches Waſſer. Sogleich brachen wir auf und umfchifften die 
Spige, von der das Land fih gegen DSO. wendet. Aber nur 15 
Meilen konnten wir an diefem Tage wegen des vielen abgefchälten, 
und A— 12 Zoll vom Sciffsförper abftehenden Kupfers, wegen der 
Eisftüde und des ſchwachen Windes weiterfommen, bi8 endlich das 
bis an die Küfte anftoßende Padeis, das fich fo weit nach Norden 
fortzog, ald das Eis überhaupt reichte, und völlig aufhielt und zwang, une 
dicht an Das continentale Eis zu halten. Letzteres ift hier von ber 
fürchterlichften Befchaffenheit und von der maflivften Dide, wie ich es 
nie gefehen zu haben, mich erinnere. An einer fo völlig geraden Kür 
fienlinie war wenig Ausficht zu einem ficheren Anferplaß, doch ein Hei- 
ner Einfchnitt, der gegen Weften und Often von zwei großen, bis über 
30 Fuß über dem Meeresfpiegel hohen Blöden von Treibeis gevedt 
war, ſchien einigen Schuß zu verheißen, bis um 6 Uhr Nachmittags 
das Wafler und das lofe, bisher ruhige Eis raſch in Bewegung 
fam, gegen das Schiff andringend diefes von den Anfern losriß und 


Die Auffindung der Norbweit- Baflage durch Capit. M'Clure. 465 


mit folder Gewalt gegen eine Eisfpige trieb, daß es fih um 12 Zoll 
hob. Doch hielt das Schiff glüdlicherweife den Stoß aus. Als den 
20. bei Tagesanbruch uns ein leichter Weftwind in das Padeis zu- 
rüdtrieb, welches wir bisher forgfam vermieden hatten, und wir doch 
einfahen, daß die einzige Hoffnung, in dieſen Meeren vorwärts zu 
fommen, darin beftehe, dag wir uns hart am Ufer hielten, fo richteten 
wir alle unfere Beftrebungen dahin, durch vorfichtige Bewegungen 
das Feſtland zu erreihen. Endlich gelangten wir nach fiebenftündiger 
beftändiger Arbeit zu einem ungeheuern feften Eisblod, Der eben um- 
geftürzt war (upturned) und mit 3 feiner Seiten 25 Fuß fenfrecht 
emporflieg, wobei er noch mit 29 Faden Tiefe auf dem Grunde feft- 
faß, und um den viele feiner abgelöften Stüde herumtrieben. 

Ein A00 Fuß hohes, aus gejchichteten Maſſen, ahnlih Gap Wel: 
jon, beftehendes Gap Auften, gab und nun Schuß für die Nacht. Am 
folgenden Morgen umfchifften wir ed und fanden eine eisgefüllte 
Bai, der ein anderes Cap folgte, wo wir bis zum 22. fefllagen. Letz⸗ 
tes erreichten wir am Mittage und nannten es Cap Erozier. Wir be: 
fliegen das Cap und erblidten von feiner Höhe eine 30 Meilen aus- 
gedehnte Bucht. Jenſeits derfelben hatte aber Alles ein viel weniger 
eolofjales und furdhtbared Ausfehen, al8 wir bisher beobachtet hatten. 
Wir glaubten daher, der Barrom- Straße ganz nahe zu fein, und 
daß das große Polar Padeis eine directe Linie vom Gap Auften und 
Erozier bis zum ONO.⸗Cap einnehme, und daß dasjenige Eis, 
weiches dieſe Bai fülle und die Barrom-Straße hinabzöge, verhält: 
nigmäßig von weit geringeren Dimenfionen fei, als das weiter füb- 
lich gefehene. Auch Hatten wir bemerft, daß jene großen Coloſſe 
durch eine entfchievden von Often kommende Strömung in jene Richtung 
getrieben werden, während bie leichteren Eismaſſen, vom Winde in- 
Auenziet, oft in einer entgegengefeßten Richtung fich bewegen. 

Diefes Cap Erozier ift 250 Fuß fenfrecht hoch, und zeigt in 
feinen Bruchflüden manche intereffante geologijche Erfcheinungen. Es 
befteht aus Kalf- und Sandftein mit Mufchelpetrefacten, Stüden Koh: 
In und Holzpetrefacten, iventifch mit denen, die wir an anderen Theis 
len diefer großen Infel und den Prince Royal: Injeln gefunden haben. 

Am 23. am früheften Morgen bei Weftwind fonnten wir dicht 
am Ufer in offenem Waſſer vorwärts fteuern, da das Seewafler an 

Zeitſchr. f. allg. Erdfunde. Bo. 1. 30 














466 C. Ritter: 


dem fernen Horizont eine ſehr dunkle Farbe zeigte. Wir kamen an 
drei, wie es ſchien, guten, aber noch durch Eis unzugaͤnglichen Häfen 
vorüber. Das Land war weniger rauh, hatte fanfte, gegen das Ufer 
abfallende Hügel, breite Thäler mit VBiehtriften, aber feine Spur von 
Treibholz, das wir, mit Ausnahme der Heinen Splitter nahe den Holz 
bergen, ſeitdem wir Point Kellett umfchifften, am Weftufer nicht wies 
der bemerft hatten (©. 462 ©.). Das Ufer wendete ſich nun mehr 
gegen Süden, aber das dicke Schneewetter ließ es und in einer Ferne 
von 200 Yards kaum erkennen. Nach einer ſchwer durchlebten Nacht 
fonnten wir am Morgen des 24. Doch weiter geben. Wir befanden 
uns an der Nordweſtſeite einer großen Bai, deren nordöftliche Auss 
dehnung 8 Meilen weit reichte und demnad die Weftipige des früher 
fo genannten Banks-Landes bildete. Sie zog fih an 7 Meilen gegen 
SSW., füllte ſich aber fehnell mit Eisftüden bei einem fcharfen, von 
der Polar: See kommenden Sturme. Noch immer höchſt begierig zu 
wiffen, ob eine Durchfahrt durch die Barrow- Straße nicht möglich fei, 
rüdten wir, fo weit es nur irgend anging, gegen Rordoften vor. Da 
wir aber vom Maftforbe dahinwärts Fein freies Waſſer erbliden konn⸗ 
ten, befchloß ich, Hier unfere Winterftation zu nehmen, und, da befonders 
Mr. Court an der Südſeite einer Eisbanf, worauf wir geanfert, eine 
gut geſchützte Bai, die genugfame Tiefe Hatte, vorfand, jo liefen wir 
in diefelbe um 7 Uhr A5 Minuten Vormittags mit Ay Faden Antfer: 
grund ein. Schon die folgende Nacht flanden wir im feften Eis und 
fanden darin nach der furchtbarften Paflage durch die wildefte Polar: 
See, aus der wir bier glüdlich gerettet waren, einen vortrefflichen Zu: 
fluchtdort, den wir zum Danf für unfere Errettung aus vieler Roth 
Gnadenbai (Bay of Mercy) nannten. Somit war auch diefe kurze 
Saifon zu Ende, in der wir eigentlich nur 5 Tage hatten vorwärts 
ſchiffen fünnen. Am 1. October waren bereitd alle Vorbereitungen zur 
Winterbehaufung beentigt, und ed wurde aus Vorſicht die Speifung 
auf zwei Drittheile der bisherigen Portionen aller Art reducirt. 

Am 4. wurde Mr. Court mit einer Reifepartei ausgeſchickt, um 
unfere Pofition mit derjenigen in Verbindung zu fegen, welche Lieutenant 
Ereffiwell im vorigen Mai erreicht hatte und von der wir nur 18 Meilen 
entfernt waren. Er kehrte fchon am 7. mit der Vervollftändigung des 
ganzen Küftencontours dieſer Infel zuruͤck und berichtete, daß offenes 


Die Auffindung der Norpweit- Paffage durch Eapit. M'Clure. 467 


Waſſer nur wenige Meilen vom Ufer fi) bis zu den Klippen von 
Banks⸗Land ziehe. Am 6. wurde er durch eine Eistrift mit zwei Be- 
gleitern vom Ufer abgetrieben, aber mit großer Gefchidlichkeit von Eis: 
ſcholle zu Eisfcholle fpringend, gewannen alle das Ufer wieder, wo ihr 
Schlitten zurüdgeblieben war. Am Abend war das Eis ganz in bie 
PolarsSee abgezogen, und Feind mehr zu fehen. 

Am 10. ging Dr. Sainsbury mit einer Reifepartei den Meeres- 
einjchnitt zu erforfchen, der in einiger Entfernung von der Südfeite 
der Bai gegen Südwelten zu ftreifen fchien, kehrte aber fchon am fol- 
genden Tage zurüd, da derfelbe nur 12 Meilen weit in das Land einfehte 
und dann feichter werdend in einem großen Sumpfe endete, welcher, nach 
vielen Spuren von Seevögeln zu urtheilen, für dieſe ein Lieblingsaufents 
enthalt im Sommer fein mag. Da diefe Gegend reih an Wild zu 
fein fchien, fo wurben dahin vom 9. bis 23. Jagdpartieen unter den 
Lieutenants Ereffiwel, Mr. Wynniat, Court, Piers und den Matro- 
jen unter Sergeant Woon ausgefchidt, wodurch das Schiff 9 Renn- 
thiere, 53 Hafen und 44 Ptarmigane frifcher Belöftigung von vortreff: 
licher Befchaffenheit erhielt; die Nennthiere hatten 2 bis 3 Zoll Sped 
auf ihrem Körper. 

In diefem Winter war das Wetter viel flürmifcher, ald im voris 
gen in der Prince Wales⸗Strait, doch kehrten in jedem Monat auch 
einige viel mildere Tage ein, ald in jener, doch nahe 14 Grad ſuͤdli⸗ 
her liegenden Station. Auch blieb viel mehr Wild zurüd, daher ich 
diefe Lage überhaupt für milder, ungeachtet der mehr nordweſtlichen 
Lage und unferes früheren Einfrievend, halten mußte. Unſere gün- 
flige Lage machte, daß das Schiffsvolk in vielen Streifzügen faft täge 
(ich die Berge durchftreihen und alle 14 Tage drei Mal das Schiff 
mit frifchem Wilpfleifch verfehen fonnte. Nur 3 Wochen im Januar, 
in denen wegen völliger Dunfelheit das Schießen unmöglich war, mach⸗ 
ten davon eine Ausnahme. Das Kleine Wild, wie Hafen und Ptar- 
migane, fonnte jeder Schüge für fich behalten, das übrige gehörte dem 
Schiffsmagazin. Dies erhielt die ganze Mannfchaft munter und in 
froher Stimmung. Am 1. April hingen über 1000 Pfv. Wildfleiſch 
an den Segelftangen. Alles war wohlauf und bereit ven Winterhafen 
auf Melville Island zu befuchen, in der Hoffnung, dort einen Offis 
zier der Marine zu finden, mit dem über das fernere Schickſal des 

| 30 * 





468 C. Ritter: 


eingefrornen Schiffes und ſeiner Mannſchaft berathen werden koͤnnte. 
Ich richtete deshalb mit dem zweiten Schiffsmeiſter, Mr. Court, eine 
Sclittenfahrt nach der Infel über das Eis ein, konnte fie aber ſchlech⸗ 
ten Wetterd wegen, das bald eintrat, erft am 28. des Monats errei- 
hen. Am 15. beobachteten wir ein fehr hohes Vorgebirge gegen NO. 
g. ©. in 30 Meilen Entfernung, das wir Queen Bictoria (dafs 
felbe, das im legten Herbft vom Hochlande nahe dem Schiffe gejehen 
war) nannten. Das Land in NO. fchließt den Lyddon-Golf ein; an 
der Nordweſt⸗Seite zieht eine zufammenhängende Bergfette fort, foweit 
das Auge reiht. Im Winterhafen erhielten wir während deſſen 
eine Reihe von Beobachtungen zur Regulirung unferer Chronometer, 
die fih als fehr gut bewährten. Wir legten eine fchriftliche Rachricht 
unter demfelben Cairn nieder, wo Lieutenant M’Elintod im vorigen 
Jahre eine dergleichen mit ver Infchrift: 

„His Britannic Majestys Ship Hecla and Griper, Comman- 

ders Parry and Lyddon, wintered in the adjacent harbour 

during the Winter of 1819 —20. A. Fisher sculpsit. 
niedergelegt Hatte. 

Um 6 Uhr Nachmittage begannen wir den Rüdweg und reiften 
faft den ganzen Weg, 10 Tage lang (18 Tage Hatten wir zum Hin- 
weg gebraucht) auf flachem Eife und erreichten” am 9. Mai das Schiff 
in voller Gefundheit der Mannſchaft. — Zu der Zeit war das Wild: 
prett im WMeberfluß vorhanden und wir hatten fogar 20 Rennthiere an 
Bord, daher die Nationen bei der anftrengenden Arbeit ver Mannfchaft 
wieder bis auf 13 Pfund Fleiſch drei Mal die Woche erhöht werben 
konnte. Das Zufammendringen von 100 Tonnen Ballaft war fehr 
befhwerlih, da nur wenig lofe Steine umherlagen, und diefelben von 
weit her geholt werden mußten. 

Erft am 25. fonnte das Schiff mit Waffer verfehen werben, das 
aus einem 1 Meile vom Schiff liegenden See genommen wurde. Durch 
das 7 Fuß 10 Zoll dicke Eis wurde ein Loch gebohrt, und ein Reſer⸗ 
voir ausgehauen, das Waſſer aufzunehmen, welches wie eine Art artefi- 
hen Brunnens aufftieg und vortrefflichen Vorrath gab, der ſchon am 
12. Juni eingebracht war, ehe noch das Thaumetter begann, ein gro⸗ 
Ber Vortheil für die Arbeiter, die nun ohne naſſe Füße die Arbeit ge: 
than Hatten. Um dieſe Zeit kamen auch Schaaren wilder Vögel, zu- 


Die Auffindung der Norpwefts Paflage durch Capit. M'Clure. 469 


mal Schwäne, Gänfe und viele Entenarten an. Da diefelben aber kein 
freies Waffer fanden, flogen fie nur rund um die Nordweſtſpitze des Landes 
weiter gegen Süden. Allerdings war das Land noch tief mit Schnee 
bedeckt, wie mitten im Winter, die Jahreszeit alfo fpät; erſt am 25. 
begannen kleine Wafferrinnen aus den Thälern herabzuriefeln und bil 
beten einige Süßwafferlahen auf den Eisflächen. Am 30. trat mit 
einem der heftigften Norpftürme, die ich hier erlebte, ein flarfer 
Schneefall ein. Am 1. Zuli war das Eis feit dem legten Monat um 
4 Zoll dider geworden, indem e8 7 Buß 2 Zoll ſtark war; ein merk 
würdiger Umftand, da wir an Port Leopold und Prince of Wales 
Strait viel geringere Eisdide gehabt hatten. - Im Monat Juni war 
die Temperatur fehr niedrig, nur 312°; bei der monatlichen Ge— 
fundheitsinfpeetion der Sciffsmannfchaft war der Bericht des 
Arztes leider der unvortheilhaftefte, den ich noch erhalten hatte. Of⸗ 
fenbare Symptome von Abfchwädhung unter den mehrften berfelben 
und 16 Kranfe mit Reigung zu Scorbutanfällen, ergaben ſich ald Yolge 
der gewaltigen Anftrengung beim Waflerholen. Da aber alle fchwere 
Arbeit gefchehen war, blieb allervings Hoffnung zur Genefung übrig. 

Am 8. Zuli hatte Sergeant Woon von den Seetruppen bei Ber: 
folgung eines angefchoffenen Rennthieres einen gewaltigen Kampf mit 
jwei unerwartet hervorbrechennen Mofchusftieren zu beftehen. Bei fei: 
nem ausgezeichnet Falten Blute und feiner Unerfchrodenheit beftand er 
ihm jedoch glücklich. Die Stiere hatten ein Gewicht von 1330 Pfund 
und lieferten 650 Pfund vortrefflihes Rindfleiſch für das Schiffsvolk, 
dem die Rennthiere fchon ausgegangen waren. 

Zwei Esquimaurhütten und der Weberreft eined großen La- 
gers diefes hartgewöhnten Volkes, das aber feit langer Zeit biefe 
Gegenden verlaffen zu haben fcheint, waren die einzigen hier getrofs 
fenen Zeichen früherer Bevölferung, die nad) den vorhandenen Spu⸗ 
ven früher in allen Theilen der Infel gelebt haben muß. Jetzt ſchien 
fein Einziger hier zu fein! Aber weshalb follten fie eine fo reiche 
Waldinfel verlaffen haben? Der Dolmetfcher glaubte dies dadurch er- 
flären zu fönnen, daß ihnen die Seehunde, ihre liebfte Nah: 
rung, gefehlt Haben möchten, und in der That fanden wir deren fehr 
wenige. Ohne Seehunde können aber die Edquimaur nicht leben. 

Während des Monats Juli thaute e8 bei einer Temperatur in 











470 C. Mitter: 


der Racht von 31°, die am Tage nur bis 39° ftieg, höchftend ein- 
mal bi A2°; hier thaute ed nur wenig, doch erweichte das Eis 100 
bis 300 Yards fern vom Ufer dadurch fehon fo fehr, daß es in Be- 
wegung fam, und ed nur eined offenen Waſſers bedurfte, um davon 
zu ziehen, was wir fehnfuchtsvoll wünfchten. Am 10. Auguft Hatte 
fi an Banfs-Land ein freies Waffer 6 Meilen breit aufgethan 
und reichte, fo weit das Auge fehen konnte, bis zu den 1000 Fuß ho- 
ben Bergen in Norbweften. Der bisher von Norden fommende Wind 
fegte endlich am 12. Auguft in einen Sübwind um, wodurch fich das 
Meereseis von dem trennte, welches den Eingang in die Bai quer 
blodirte; aber bald darauf ſchloß es fich wieder und rüdte auch nicht 
mehr von der Stelle. 

Am 20. Auguft fiel die Temperatur auf 27°. Die ganze Bai 
war wieder zugefroren. Am 27. fiel fie auf 19°, fo daß Alles hoff 
nungslos wurde; das junge Eis hatte fchon wieder 23 Zoll Dide er 
halten; die ganze Bai war begehbar, die Sonne ganz verfchwunden, 
Alles mit Schnee bevedt. Das Geflügel 309 ab; die Blumen, welde 
dem Lande fehon ein heiteres Anſehen zu geben begannen, erfroren 
fammtlih. Diefe Jahreszeit erfchien wie ein langer fonnenlojer 
Tag, denn feit Ende Mai war die Sonne kaum fihtbar geworten; 
man hatte ihren Einfluß kaum auf jene furcdhtbaren Eismaflen ver 
Barrow- Straße, welche fie querüber belagerten, wahrgenommen. 

Ich muß deshalb dafür halten, daß die PolarsSee in dieſem 
Jahre gar nicht aufgebrochen ift, da man in diefer Richtung feinen 
Tropfen Waffer zu fehen befam. 

Im Juli und Anfang Auguft war die Schiffsmannfchaft täglich 
mit Einfammlung von Sorrel (Sauerampfer, Rumex acetosa) 
befchäftigt, der hier in Menge wächſt und als Salat mit Weineffig 
oder gefocht, wo er dann dem Spinat glich, genofien, ein treffliches 
antifcorbutifches Mittel ift und fehr angenehm erquidt. Aber feit dem 
15. war auch dieſe Pflanze vernichtet. 

Als endlich alles Waſſer überfroren war, und das fefte Eis bis 
5 Zoll Dide erreicht, mußte ich alle Hoffnung auf Errettung für die 
ſes Jahr aufgeben. 

Da ich bereitd früher die Maßregeln feftgeftellt hatte, welche uns 
ter fo ungünfligen Umfländen zu nehmen feien, fo ertheilte ich am 


Die Auffindung der Nordweſt⸗Pafſage dur Capit. M'Clure. 471 


8. Sept. eine Ordre, welchen Weg das Schiff im Fall eines Auf: 
bruchs zu verfolgen habe, und verkündete der Schiffömannfchaft, daß 
ih die Hälfte von ihnen mit allen Officieren, die nicht bei dem Pro— 
viant angeftellt feien, nach England zurückzuſchicken beabfichtige. Sie 
follten das Boot des Capt. Spencer nehmen und über die Baffins-Bai 
und den Madenzie gehen. Der Ueberreft würde aber auf dem Schiffe 
bleiben, fich im Sommer 1853 herauszuretten fuchen, oder, wenn Dies 
nicht gelinge, folle er im Jahre 1854 mit Schlitten über Port Leo- 
pold gehen, da die Provifionen zu folhen Maaßregeln nöthigten. 
Obgleich wir nun bereits 12 Monate auf zwei Drittheile der Ratio: 
nen reducirt wären, jo müßten doch Maaßregeln für weitere 18 Mo: 
nate getroffen werden, was freilich eine ſchwere Laft und Entbehrung 
denen, welche es beträfe, auferlege. Da jedoch das Schiff noch in fo 
vortrefflichem Zuftande, wie bei der Ausfahrt nach jener furchtbaren 
Eiswüfte fei, jo Fönne es, in Hoffnung einer möglichen Errettung im 
Jahre 1853, nicht verlaffen werden. Bei einer Nüdfehr nach Eng- 
land würde die Anerkennung der wichtigen und als hoffnungslos auf: 
gegebenen Entdeckung der Nordweſt⸗Paſſage alle ausgeftandenen Be⸗ 
ihwerden, die in den furdhtbarften Regionen erduldet wären, hinrei- 
hend belohnen. — Diefe Ordre wurde wohlwollend aufgenommen, und 
ih hoffe, daß fie veblich, ohne zu große Schwierigkeiten, ausgeführt 
werden wird. 

Am 17. wehte ſtarker Südwind, der wenige Tage früher der Er- 
pedition fehr nuͤtzlich geweſen wäre, nun aber bei der zu großen Dide 
des Eiſes rejultatlos blieb. Bei dem feftgewordenen Eife war am 
24. September, dem Jahresfeft der Ankunft der Erpedition in der Bai, 
an fein Kortrüden zu denfen. Das Eis war nun 8 Zoll did gefro- 
ren. Die Segel wurden ganz eingezogen und beigelegt. Der Con⸗ 
traft war hoͤchſt auffallend. Wir gelangten in die Bai bei 33° Temp,, 
ohne daß eine Spur von Eis ſich vorfand; icht ftand das Thermo- 
meter auf 2°, und Alles war mit Eis zugefroren. — Am 25. Octo- 
ber wurden alle Luken der Verdecke geichlofien, da es zwiſchen dem 
De kalt und feucht wurde; nur die 5 Schornfteine gaben noch Hin; 
reichenden Ruftzug, und unten blieb immer eine gefunde Luft in dem 
Schiffsraum. 

Der 26., als der zweite Jahrestag der gemachten Entdeckung der 


472 C. Ritter: 


Nordweſt-Paſſage, wurde durch flärfere Provifion und ein Glas Grog 
gefeiert; der Abend ging mit Tanzen und Singen vorüber. Es war 
das letzte Feſt, dad wir beifammen feierten. 

Dom 8. bis 18. Novbr. wurden alle übrigen Wintervorkehrun⸗ 
gen beendigt; das Verdeck ließ ich 14 Fuß hoch mit Schnee beveden. 
Die Rennthiere waren in ihre Winterquartiere zwifchen den Thälern 
der Hügel in Heerden zu 90 und AO Stüd eingezogen, aber fo wild, 
daß wir nur wenige fehießen fonnten. Unſere beiden Winterftationen. 
bewiefen, daß diefe Thiere keinesweges im Winter gegen Süden wan- 
dern, wie man dies allgemein annimmt; fodann, daß fie die ungemein 
firenge Winterzeit aushalten und ſich von dem geringen Vorrath von 
Pflanzen, zumal von den Blättern der Zwergweiden nühren, von 
deren Stamn fie den Schnee mit den Füßen abfloßen, was man bei 
ftilem Wetter in weiter Ferne hören fann, und das leicht den Stand» 
ort berfelben verräth. Auch die Hafen und Ptuarmigane waren von 
den Berghöhen zu den niederen Ufern herabgeftiegen, fo Daß Vorrath 
an Wild den ganzen Winter vorhanden war, frifches Fleiſch zwei Mal 
die Woche der Mannfchaft gegeben werden fonnte, und wir die Weih- 
nachtsfeier frohlich zuzubringen in Stande waren. Unſere Künftler des 
Unterdecks verzierten jede Tafelgruppe mit Schildereien und fröhlichen Il⸗ 
luminationen. Sie ftellten die verfchiedenen gefahrvollen Stel: 
lungen des Schiffes, aus denen wir errettet, u.dgl., lauter Scenen 
bei der Durchfahrt durch Die Polar-⸗See vor! Aber die Hauptfache was 
ren coloffale Plumpuddings von 26 Pfd. Schwere, große Renns 
thierbraten, gebratene Hafen und Fleiſchſuppen von Hafen mit Ptar: 
miganen und Sean pies (See-Paſtete, ein Seemanndeffen). Solcher 
Ueberfluß und der hohe Frohfinn der Mannfchaft im Unterdeck der wil: 
beiten Polar-See, ließ alle Noth vergeflen. Wer dieſe Mannfchaft 
hier gejehen hätte, ohne ihre frühere Gefchichte zu Fennen, würde ſchwer⸗ 
ih vermuthet haben, daß diefelbe bereitd 2 Jahre in diefer öden Re 
gion eriftire, fich bereit 3 Jahre ganz mit ihren eigenen Hilfdquellen 
erhalte und dabei doch noch in der trefflichften Geſundheit fich befinde. 
So heiter und glüdlih war die ganze Verſammlung. Es war dies 
der freudigfte Anblid für den Gapitain, der im Stillen, in der Ein 
ſamkeit dieſer Seitfeier, Gott für feine Gnade zu danfen hatte. 

1. März. Die dunfle Trauerzeit voll harter Ergebniffe war 





Die Auffindung ver Nordweſt⸗Pafſage durch Capit. M'Clure. 473 


überwunden. Die Kälte der beiden Ichten Monate ging über alles 
Maaß und betrug im Januar im Mittel — 44°, war alfo 17° tie 
fer, al im vorigen Jahre. Einen Tag fiel die Temperatur fogar auf 
— 65° (d.h. 53,9° E.) und blieb 2AStunden — 62°. Ich würde an 
der Richtigfeit des Thermometerd gezweifelt Haben, wenn diefes nicht Die 
beiden vorherigen Winter fchon bi8 — 52° gefunfen gewefen wäre, und 
das Gefühl die furchtbare Kälte beftätigt hätte. Denn eine ganze Woche 
flieg das Thermometer nicht über 40°, bei SSW.-Wind, von wo- 
her in beiden Wintern fletd die größte Kälte empfunden worden. 
sch vermuthe daraus, das das Binnenland fehr hoch fein muß; denn 
wenn der Wind von Norden oder direct von der Bolar- See fommt, fo 
fteigt Das Thermometer und zeigt ſodann, wenn derfelbe oftwärts geht, 
die höchfte Temperatur! Diefe Kälte erzeugte in den unteren 
Deds viel Dunft und Feuchte, welcher man durch Heizung nicht genug 
entgegenwirken Fonnte; daher ftieg die Zahl der Kranfen auf 19, wos 
von 5 Scorbutfranfe waren und eben fo viel Wafferfüchtige. Doch 
jet fiel Die Zahl auf 10, und der Bericht des Arztes ift fo günftig, 
ald man unter den Umftänden nur immer wünfchen fann. 

Mm dem letzten Monate find wir eine Diftanz von 800 Yards 
gegen das Meereis fortgefrochen, in der Hoffnung, daß es beweglich 
werden und uns die Wege hindurch geitatten würde. Am 3. (März) 
fündete ich denen, die im nächften Monat nad England zurüdfehren 
jolten, an, daß fie über den Madenzie und die Baffins⸗Bai ihren 
Weg zu nehmen hätten. Da ich ihnen zugleich erklärte, daß ich alle 
die, welche am meilten von der Strenge der Jahreszeit gelitten, und 
die ein nüchftes Jahr ſchwerlich aushalten würden, dahin zu ſchicken be- 
abfichtige, fowie, daß ich die Tüchtigften noch für einen nächften Win- 
ter zurückzuhalten gedächte, fo waren fie alle mit diefer Maaßregel 
zufrieden. 

Den 15. ging die beftimmte Reifepartei ab, fid) vollftändige Provi- 
fionen zu fammeln, die fie Hoffentlich bis zu ihrem Abmarjche auch 
zufammenbringen werden. 

21. (März). Das Wetter war die lebte Woche wunderſchön. 
Die Temperatur aber, die bis zum 16. täglich bis — 56° fiel, flieg 
am 17. fchon auf — 27°, den 18. auf — 14°, den 19. auf + 3°. 
Ein Höchft angenehmer Fortſchritt. Der Zuftand der Invaliden ver: 


474 C. Ritter: 


befjerte fih nämlich von Tage zu Tage; faft alle genofien ein paar 
Stunden des Tages die gute Luft. 

Die Temperatur Mittags flieg heute auf + 40° und bald 
möchte das Eis zum Aufbrechen bereit fein. Möge Gott diefe Gnade 
geben! 

Am 15. beabfichtigte ich diejenigen, die nad) England beftimmt 
find, abmarfchiren zu laffen, und hoffe, daß bei ihrem guten Gefund- 
heitözuftande Alle die Heimath erreichen werben. 

Eine Partei, unter Befehl des Mr. Court, wird Lieut. Haswell 
auf einige Tage begleiten, indeß Sohn Ealvder, Capitain des Border: 
Eaftells, ein zuverläffiger und trefflicher Offizier, mit Lieut. Creſſwell 
bis zu den Prince RoyalInfeln gehen fol, um von da mit fo vie 
len, al8 der Sclitten fortbringen fann, Kiften Kartoffeln und Choco- 
late, welche zum Beftande für die Ausdaurer des nächſten Winters 
dienen follen, zurüdzufehren: Bis heute haben wir noch feinen einzi: 
gen Mann unferer Gefellfchaft verloren, weder duch Krankheit, noch 
Unfall Zumal die Offiziere find bewunderndwürdig frei von jeder 
Krankheit geblieben; nur Mr. Sainsbury ausgenommen, der feit 1850 
an Lungenjchmerzen leidet, die ihn gehindert hoben, an allen ftrenges 
ren Arbeiten tes Schiffevolfed und an ven hier fehr befchwerlichen 
Jagdereurfionen Theil zu nehmen, und Mr. Paine, der bis zum letz⸗ 
ten Winter durch Rheumatismus fehr invalide geworden war, aber 
dann ungemein ſchnell ſich erholte und weit robuſter wurde, als bei 
jeiner Abreife aus England. 

Den vorerwähnten Einrichtungen und dem Vorrath von frifchem 
Wildfleiſch nebſt den Provifionen befter Qualität, mit denen unfer 
Schiff verfehen war, ift dieſer glüdliche Erfolg wohl zunächft zuzufchrei- 
ben. Zumal die vorzüglihde Qualität des Citronenfaftes als 
Antifeorbuticum iſt unfchagbar gewefen. Mit ihm waren die Fleifch- 
jorten duch Mr. Gamble eingemacht, die, ohne Knochen von ausge 
zeichneter Art waren. Auch die durch die Edward'ſche Manufactur 
zubereiteten Kartoffeln, dieſes unfchagbare Nahrungsmittel, waren eine 
vortreffliche pflanzliche Nahrung. 

Ich habe zu dieſem Bericht nichts weiter hinzuzufügen, als daß 
ich eine Kifte des gefchofienen Wildes und das Jonrnal der monatli- 
chen meteorologifchen Beobachtungen, das alle zwei Stunden feit der 


Die Auffindung der Nordweſt-Paſſage durch Capit. M'Clure. 475 


Abfahrt von England forgfältig von den refp. wachthabenden Offiie- 
ven geführt und fodann von Mr. Court in Tabellen gebracht und ge- 
ordnet wurde, mit anderen intereffanten Beobachtungen im Schiffe felbft 
heimbringen werde. 

Nachdem ich jchon die trefflichen Dienfte der einzelnen Offiziere 
hervorgehoben habe, bleibt mir nur noch übrig, meine äußerfte Zufries 
denheit mit dem Benehmen der Mannfchaft auszufprechen, die wähs 
rend der ganzen Erpebition, und zumal während der furchtbaren Paſ— 
fage in der Polar-See, Außerorventliches geleiftet hat. Ihre Thätig- 
feit, Bereitwilligfeit, große Gefchidlichfeit und gute Aufführung verbies 
nen die befondere Werthachtung der Admiralität. 

Robert M’Elure, Commander. 
Bay of Mercy, Barings Island 5.April 1853. 

74° 6' 30" n.Br., 118° 15’ 6” weftl. 2. 

Der vorftehende Bericht gehört zu den merfwürbigften über nor; 
difhe Polarfabrten, nicht blo8 wegen der wichtigen Entdeckung 
eined neuen Juganges zu dem höchften Norden der Erde, fondern 
auch wegen der Thatfraft, welche eine einige Kleine Menfchenge: 
jellfchaft, unter der Leitung eines umfichtövollen und entfchiedenen Ca⸗ 
pitains, gegen die ungeheuerften Naturgewalten zu entwideln im 
Stande ift, um einen Sieg über die größten Hinderniffe Davonzutragen. 
Wir erinnern hier nur an bie neue und höchft glüdliche Anwendung der 
Minirung durch PBulvertonnen unter den colofjalften Eisblöden, 
um das zufammengeflemmte Schiff zwifchen denſelben aus feiner 
Gefangenfchaft und die Schiffsmannfchaft aus ihrer Todesnoth zu befreien. 

Er hat noch ein befonderes Intereffe, an das wir hier nur erinnern 
wollen, für die menſchliche Geſellſchaft und die Gefchichte der 
Menfchheit überhaupt dadurch, daß Capit. M’Elure in den höchften, 
wifchen 70 bis 75 Graden nördlichen Bolarbreiten, in den Ein- 
ſamkeiten der Bolarwelt, auf continentalen Küften, wie auf In- 
felgruppen doch noch Völkerſtämmen auf den äußerſten Bor- 
poften des Menfchenlebens begegnete, die niemals Weiße gefe- 
ben, nie ein Schiff mit Maftbäumen, jo daß fie das unfere für eine 
ſchwimmende Infel mit eigenthümlichem Wald bevedt (wie ihr am 
Nordgeſtade aufgeftapeltes Treibholz) hielten, erbfit Hatten und die kaum 





476 C. Ritter: 


mit anderen Gruppen ihres eigenen Esquimaurftammes in Be: 
rührung oder Verbindung zu ſtehen fchienen. 

Es war ein großer Vortheil bei diefen Begegnungen, daß ein 
vortrefflicher Dolmeticher das Verftändniß mit diefen noch nie beſuch— 
ten Bölferftämmen vermitteln konnte, indem ein Miffionar ver 
Herrnhuter Brüdergemeinde, ein geborener Wende aus der Ober⸗ 
Laufig, aus Liebe zu feinen Esquimaur, deren Sprache, Sitten und Bor: 
ftellungen er viele Jahre in feinen polaren Mifftonsftationen in Labra- 
dor und dem amerifanifchen Norden gründlich ftudirt hatte, fic) der Erpedi⸗ 
tion M'Clure's anfchloß, um ihr als Dolmetfcher zu dienen M’Elu: 
re's Berichte fönnen nicht dankbar genug der wefentlichen Hülfe dieſes 
trefflihen Gefährten erwähnen, um den friedlichen und freund: 
fhaftlihen Verfehr mit den vereinfamten Eskimaurſtäm— 
men des höchften Nordens zu bewirken, deren Gedankengang er leicht 
zu errathen wußte, deren etwas abweichende Dialecte er bald ver: 
ftehen lernte und mit denen er fich in ihrer Mutterfprache bald zu deren 
eigenen Freude und Verwunderung in Gefpräche einlaffen konnte. Alles 
dies gelang ihm durch feine Vertrautheit mit der Sprache und dem Ideen: 
gange ihrer Stammesgenoſſen in den öftlihen polaren Regionen. 

Möchten doch alle Erpeditionen zu fremde Spraden reden: 
den Bolfern auch mit folhen geiftigen Hulfsmitteln ausgerü— 
ftet fein! Der traurigen, meift durch Mißverftändniffe veranlaß- 
ten Ungluͤcksfälle, Fehden mit den Eingebornen und fonfligen Hinderniſſe 
in der Erreichung der beabfichtigten Zwede der Unternehmungen würden 
dann weniger fein! Herr Miertfching hat in einem in der 11. und 
12. Nr. des Miffionsblatted der Brüdergemeinde ©. 207 — 211 und 
S. 213 — 219 abgedrudten Briefe felbft einen Bericht über ‘feine Fahrt 
auf Gapit. M’Elure’8 Schiff mitgetheilt; wir fprechen aber hier den Ich: 
hafteften Wunſch aus, daß derfelbe vorzüglich feine ethnographi— 
ſchen, phyfiologijchen und ethifchen auf diefer PolarsErpedi- 
tion in den Zuftänden jener nordifchen Bolksftämme gewonnenen 
Erfahrungen veröffentlichen möge, da fein anderer der früheren Rei: 
jenden ihm Darin vorangegangen war, um durch Die Sprachfunde ſelbſt 
in den Fdeengang der Esquimaurftämme des höchſten ame: 
rifanifch= polaren Nordens eingeweiht zu werden. 

©. Ritter. 


A. W. Fils: Barometrifche Höhenmefjungen in Schleflen. 477 


x. 
Barometrifche Höhenmeffungen in Schlefien *). 


In dem Jahre 1850 war ich genöthigt, eine Babe- und Brun- 
nen Kur zu Warmbrunn in Schlefien zu gebrauchen. Bei diefer Gr⸗ 
legenheit habe ich, foweit e8 die Kur und meine ſchwachen Kräfte zu: 
ließen, Feine Excurfionen in der Nähe von Warmbrunn gemacht, und 
dabei in der Regel Barometer Höhenmeffungen ausgeführt, deren Re⸗ 
fultate in nachſtehenden Zeilen aufgenommen find. 

Das Reife-Barometer war ein gut ausgefochtes Gefäß-Baro- 
meter von Piſtor und Schid in Berlin und zu dem vorftehenden Zwecke 
mit den Inftrumenten der correfpondirenden Beobachtungspunfte: Bres- 
lau und Kupferberg, forgfältig und genau an Ort und Stelle vergli- 
hen; die Differenz ift bei der fpäteren Berechnung, wie ſich das von 
felbft verfteht, mit in Anfchlag gebracht. 

Nach den Mittheilungen der geographifchen Section der Schleft- 
fchen Geſellſchaft für vaterländifche Eultur vom 22. Juni 1850 ift die 
abfolute Höhe der gedachten, zu dieſen Meſſungen gewählten beiden 
correfpondirenden Beobachtungspunfte, wie folgt, feitgeitelt und ange: 
nommen: Ä 

1) Barometer-Nullpunft der Sternwarte durch geobätijche Nivel⸗ 
lements von Hoffmann beftimmt (welches zwei Mal über die 
Sternwarte binweggegangen), mit der größten Sorgfalt aud- 
geführt und mit den befannten des Generald Baeyer von Swi- 
nemünde bis Berlin xc. in Verbindung gebradyt = 453,62 parif. 
Zuß über dem Spiegel der Oſtſee. 

2) Kupferberg, Barometer Nullpunkt des Herrn Apothefer Chaufiy 
nach den vieljährigen Mitteln der meteorologifchen Beobachtun- 


=) Die Ergebniffe der früheren Höhennefjungen in Schlefien bis zum Jahre 
1837 finden fih ſehr vollfländig in der hoͤchſt fchäßbaren und gründlichen Schrift 
von Prudlo: Die vorhandenen Höhenmeffungen in Schlefien beider Abtheilungen, 
beſonders in den gebirgigen Theilen. 8. Breslau 1837. gefammelt. 
Gumprecht. 


A. W. File: 


gen berechnet = 1155,0 Fuß höher als Breslau, alſo 1608,70 
parifer Fuß abfolute Höhe *). 

Dies find die Elemente, mit deren Hülfe die nachſtehenden Reſul⸗ 
tate gefunden find. Die Rechnung felbft ift, Hinfichtlich der Reduction 
auf einerlei Temperatur auf die Winkler'ſche Karte, und die eigentliche 
Höhenberechnung auf die Altnann’fchen Tafeln gegründet. 

Zum MWegmweifer diente mir die fehöne Karte des Riejengebirges 
gezeichnet von DB. von Falfenftein, geftochen von Heinrich Brofe in Ber: 
in, Maaßftab 1:100,000 der Natur, ferner einige Sectionen der 
Reymann’ichen Karte von Deutfchland, gezeichnet von A. W. Fils. — 
Eine neue fehöne Karte ift von dem Profeſſor Brofe in Reichenbach 
vollendet, im Maaßftab von 1:150,000 der Natur und enthält ven 
intereffanteften Theil von Schlefien und deſſen Gebirge, und zwar den 
Raum vom Iferfamm aufwärts über Greifenberg, Löwenberg, Gold: 
berg, Zobten, dann Reichenbadh, Neurode, bis zu den Adersbacher »Fel- 


478 


*) Nach einer nachträglich erhaltenen Mittheilung des Herrn Beobadhters er: 
giebt fi für die Beobachtungspunfte: 








Kupferberg. | Breslau. 
Jahresmittel. 
Bartr. bei Bartr. bei 
* Th. N. 0° R Th. R 
1837 | 317=332 |-+ 40,002 331=,828 |-+ 6°,241 
1838 | 316 ‚926 |+3 ‚412 331 ‚614 ı+5 ‚542 
1839 | 317 ‚400 |-+5 ‚007 332 ‚023 +6 ‚979 
1840 | 317 ‚484 |+4 ‚048 332 ‚123 |-+5 ‚885 
1841 | 316 ‚675 |-+5 ‚791 331 ‚755 47 ‚648 
1842 | 317 590 |-+4 ‚842 332 502 |+6 ‚734 
1843 | 316 ‚948 |+5 ‚527 331 ‚645 |+7 ‚326 
1844 | 316 ‚803 |-+4 ‚570 331 ‚718 +6 ‚219 
1845 | 316 ‚725 -5 ‚250 332 ‚088 |-+6 ‚529 
1846 | 316 ‚907 |-+6 ‚372 331 ,809 !-+7 ‚643 
1847 | 317 566 |+4 ‚717 331 ‚539 |+5 ‚506 
1848 | 316 ‚827 |-+5 ‚393 331 ‚739 |+7 ‚008 
1849 - | 316 ‚175 |+5 ‚115 331 ‚877 |+6 ‚034 





331=,8662 | + 6°,5611 


| 


1alanıg. | 317=,0275 | + 4,9651 
und es berechnete aus dieſen Daten Herr Brofefior Galle zu Breslau nach der Befs 
ſel'ſchen Formel den Höhenunterfchieb zwifchen der Station Kupferberg unb der Bres- 
lauer Sternwarte zu 
1155,06 par. Fuß. 
Bumpredt. 


Barometrifche Höhenmeflungen in Schleflen. 479 


fen, und endlich bis zum Mittel-Ifer-Kamm. Der Zeichner dieſer 
ſchoͤnen Karte ift mir nicht befannt. 

Den genannten Mefjungs -Refultaten von der Gegend um Warm- 
brunn ıc. habe ich endlich noch meine Höhenmefjungen in Echlefien aus 
dem Jahre 1833 hinzugefügt, wozu ich jedoch ausdrüdlich bemerfe, daß 
diefe lediglich nur gegen Breslau berechnet find, und daß damals die Höhe 
des Barometer -Nullpunktes nach Angabe ded Hern Profeſſor Bogus- 
lawski dafelbit auf 468 Fuß angegeben war. Hier folgen fie indeſſen 
nunmehr auf die Höhe von Breslau mit 453,6 Fuß zurüdgeführt. 

Saarn bei Düffeldorf Im Monat Januar 1853. 

A. W. File. 
a. Höhenmeffungen 


in der Gegend von Warmbrunn, Schreibershau und in einem Theile des 
Rieſengebirges preußifchen Antheils; vom Jahre 1850. 









Abfolute 
Benennung der gemeffenen Punkte. 





Warnbrunn, Haus zu den drei Lilien, parterre, Fenſterbruſtwehr, 

13’ über dem Zackenfluſſe; Mittel aus 71 Beobachtungen. . | 1034,86 
Der Scholjens Berg, gegen 2000 Schritt öftlih von Warmbrunn, 

Plap vor dem Kaffeehaufe, Mittel aus 2 Beobadhtungen . . | 1196,1 
Der Scholjen= Berg, der hoͤchſte Punkt deſſelben, ein paar hundert 

Schritte ſüdöſtlich vom vorigen Punkte. 1334,8 
Der Weyers- Berg, Benfterbruftwehr im Kaffeehauſe, gegen 2000 

Schritt ſüdoͤſtlich von Warmbrunn, Mittel aus 3 Beobach⸗ 


tung 
Dorf Gotfhderf, } Meile nörblid von BWarmbrunn, im nnteren 

Ende, vor dem Haufe N .. . 
Daſſelbe, im oberen Ende, am "auf Nr. 10 der Hofraum ..21287,9 
Der Boppel: Berg, fuͤbweſtlich am Dorfe Goiſchdorf, gegen 40 

unter ber hoͤ fen Telfenfpite. . . 1522,2 
Kammerhort, aud) Kümmerhart genannt, Berg gegen 2000 Säritt 

ſüdweſtlich von Gotſchdorf, 38’ unter der höchſten Belfenfpige 1605,3 
Dorf Stonsdorf, z Meile ſüdöſtlich von Warmbruan, 3’ über dem 


Plate vor dem Brauhaufe . 1196,4 
Daſſelbe Dorf, Straße vor dem Niederhofe im unteren Code, 
8’ über dem Teiche . . 1107,0 
11 | Dafielbe Dorf, Fuß des Schloſſes im Obethofe 1302,0 
12 | Der Stephans-Berg, nordöoſtlich an Nieder Stonsborf, Fuß der 
hoben Tanne und 14’ unter der höchften Belfenfpipe . . 1359,6 
13 | Die höcfte Felſenſpitze des Stephanz Berges daher . . 1373,86 
14 | Die Heintiheburg, Luſtſchloß mit herrlicher Rundſchau der vorti⸗ | 


gen reizenden Umgegend, gegen 2300 Schritt ſüdlich von Mits 

tel -Stonsborf 
a. Fuß der Burg, oder höchfter Funft bes 6 Berges . . | 1533,6 
b. Die Krone tes Thurms ....1613,4 


2 
3 
4 
1157,8 
5 
1122,0 
6 
7 
8 
9 
10 





18 
19 
20 


21 
22 


23 


24 


25 


26 
27 
28 
29 


30 


31 
32 


33 


34 


A. W. Fils: 


Der Thurm von der Heinrichsburg iſt demnach 79,8’ hoch 
Dorf Mertzdorf, am Weſtfuß der Heinrichsburg, Straße vor dem 

Yard * 26, da wo der Weg von Seydorf nach Warmbrunn 
urhgeht . 


Dorf Erdmannsdorf, Benfterbrußwehr parterre im Gafthofe zum 
Schweiger: Haufe, 6' über dem Boden vor dem Bafthofe und 
14’ über der oma - > 2 ee 

Dorf Buchwald, vor dem Schloffe der Gräfin von Reden, 6’ über 
dem Wfl > 2. 728 

Dorf ARE Boden vor dem Gafthofe nahe dem Königlichen 
Schloffe, Mittel aus 2 Beobahtungen . . . . » .. 

Dorf Hermsdorf, 3 Meilen ſüdweſilich von Warmbrunn. 

a. An der unteren Brüce und am Haufe Ar. 27 am Ein- 
gange von Warmbrunn, gegen 8’ über dem Hermsdor⸗ 
fer Waſſerr. e 

b. An der evangelifchen Kiche - » oo 20 ne. 

c. Der hoͤchſte Bunft der Chauſſee, 200 Schritt weſilich 
vom Schloſſe, etwa gleih Hoch mit den Buß der ka⸗ 
tholifchen Kiche. - o > 0. 

d. Das füdlichfe und am Höchften gelegene Haus, Nr. 127 
(laufende Haus: Nr. 140), zugleid Eingang von Ag- 
netendof © 2 

e. Ghbendort, und zwar das Hans Mr. 138 unten am Waf- 
fer 11’ über dem Wafferfpiegel (das hermodorfer oder 
Tourmwafer) > 22 re .. 

Dorf Agnetendorf, Id an Hermsdorf anjchließend. 

a. Das unterfle Haus am nördlichen Ende, Haus Nr. 113, 
gegen 22’ über dem Thurmwafler . . - . 0 0. 

b. Gafthof, Haus Nr.15, Fenſterbruſtwehr, parterre, Mit: 
tel aus 2 Beobadhtungen - © » 2 nee 

c. Am Haufe Nr. 48 und gegen 25’ über der Mündung 
des öftlich einfallenden Hüttenwaflers in das Thurmmaffer 

d. mas De oder fübliche Ende, am Haufe 106 (laufende 

ev. aM) 2 2 one 

Der Thurmflein, Boden an demfelben, nahe der Mündung des 
Schneegrubenwaflers in das öſtlich herabkommende Thurmwafs 
fer, 14’ über dem Waflerfpiegel des Thurnwaflere. . . . 

Ehrlicht (oder Aerliht), Sattel zwifchen dem Breiten Berge und 
dem Rothen-Hübel. oder der höchſte Punkt des Fußweges von 
Agnetenborf nach Hayn, bei dem Klögeplan . . . . . - 

Anm. Mit viefem Punfte beginnt das Nivellement bes nörtlichen 


unteren Seitenzwelges vom Gebirge, welcher zwifchen dem Rothen⸗ 
Waffer uud dem herméẽdorfer⸗ oder Thurmwaſſer liegt. 


Breite: Berg, zwifchen den Dörfern Agnetenborf und Hayn . - 
Bierzehnhahnte, Sattel zwifchen dem Breiten- und dem Mengels- 
(2 2: EEE 
Mentzelö-Berg, zwifchen Hayn und dem unteren Ende von Agne⸗ 
tenborf, die fübliche Kuppe 


Anm. Die nörtliche Ku e elben Berges bat ziemlich genau 
diefelbe Höhe ver fürlichen. vpe deſſ ges bat 3 


Sattel zroifchen dem Mentzel- und dem nörblid davon gelegenen 
Heerb= Berge, zugleich höchfter Bunkt des Fußweges von Agnes 
tendorf nad) Saalberg . . 2 2 me nn 


—— — — 





1613,4 


1122,3 


1163,1 
1223,7 
11574 


1094,7 
1104,9 


1150,2 


1376,7 


1328,1 


1427,1 
1532,5 
1668,9 
1833,3 


2091,6 


1852,7 


2128,3 
2019,6 
2043,9 


1747,8 


35 
37 


39 


40 


4 


42 


43 


4 
45 
46 
41 


48 
49 


50 


51 
62 
53 
54 
55 
56 
67 
58 


59 


Barometrifche Höhenmeffungen in Schleflen. 


Benennung der gemeffenen Punkte. 


Der Heerbs Berg, fübliche Kuppe, die höchſte Felfenfpige . 

Derfelbe, nörblidde Kuppe . . 

Sattel zwifchen dem Heerd⸗ Berge und dem Kynaſt; nich davon 

liegt das Goldloch und weſtlich der Höllengrund. 
Dorf Niedergiersdorf, 4 Meile fübli von Warmbrunn, 6' über 
dem Giersdorfer-Waſſer vor der Bleiche, unterftes Haus am 
Eingange von Warmbrunn.. 

Dorf Obergiersdorf, 3’ über dem Boden vor "dem Bafhofe zum 
Hohlen Stein, Haus Nr. 104 nahe an der Papiermühle, 8 
über dem Mühlgraben, Mittel aus 2 Beobachtungen . . 

Daſſelbe Dorf, Mündung des auf der Oftfeite einfallenden Bi: 
chelwaſſers nahe an dem Haufe Nr. 139 in das Biereborfer: 
Waſſer, 10’ über dem Waflerfpiegel . . 

Daſſelbe Dorf, 11’ über der Mündung des Mittelwaſſers in das 
rothe Wafler, am Saufe Nr. 121 und an ber Rreisbrüde Ga 
tafter Nr.59 . . 

Dorf da n. 
. Wirthshaus, oder das erite Haus (Nr. 1) am Wege 
von Siersdorf nach dem Haynſtall, Boden unter der 

inde . . 

b. Haus Nr. 60, einige hundert Schritt von Bunte Mr. 44, 
beide am Wege nach dem Schwarzen: Berge gelegen, 
anfcheinend das am hödhften gelegene Haus im Dorfe. 

c. Am Haufe Ne. 63, und 11’ über der Mündung des 
öftlich einfallenden Seifenwaflers in das Mittelwafler . 

Dorf Saalberg, das ſüdlichſte und zugleich höchſt gelegene Haus 

Nr. 63, auf dem nördlichen Abfall des Schwarzen= Berges 

Der Hayufall. 

a. Am Oberwaffer, Fachbaum der Schüße . 

b. Am Unterwafler, der Wafferfpiegel unter der Brüde . . 
Die Höhe des Haynfalls beträgt demnach 31,4 par. Fuß 

Ronwafe, einige Häufer an der Chauſſee zwifchen Hermshorf und 

Giersdorf (zu dem Dorfe Saalberg gehörig), am Haufe 

Nr. 15, 2’ über der Chaufee . . 
Birdigt = Berg, füdfih an dem Fleinen Derthen Kunwafler und 
350 Schriit norböftlid vom Haufe Nr. 8 int Dorfe Saalberg 

Dorf Saalberg. 

a. Haus Nr. 8, das unterfle von den Kynwafler - Häufern 

b. Am Wirthehaufe, oder Haus Nr. 12. 

c. Haus Nr. 1, auf der nördlichen Abdahung de Sifen 
Berges, anı Waldrante . . 

Der Eifen-Berg, füblid von dem zulept genannten Bunfte eo. 

Der Vogel: Stein liegt einige hundert Schritt neben dem vorigen 

(ad ie und gegen 50' höher (Schäßung), daher abfo- 
ute .. 

Der Grenz-Berg, auch Grengbufg genannt, Berg im NO. von 

Saalberg . 
Hoiflein=Berg, füblich vom Brenz: ‚Berg, und im Oſten vom Dorfe 
Saalberg. 
Dorf Saalberg, Haus Nr. 39, zwifchen ven Hoiſteinen und dem 
Gellnerſtein, anfcheinend das höchſt gelsgenfte Hans 


Der Gellner Berg, nr von dem zulegt genannten Punkte 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde Br. I 31 


® - ® 
a — —— — — —— —— — — — — — — — — — — rn — 


481 


Abſolute 
Höhe in 
parif. Fuß. 


2041,5 
2095,2 


1741,2 
1050,9 
1169,3 
1222,2 


1290,9 


1461,3 


1896,3 
1567,5 
1993,0 


1712,4 
1681,0 


1101,3 
1521 1 


1338,1 
1523,1 


1684,8 
17704 
1825,4 
1766,1 
1838, 1 


1844,7 
1886,4 











482 A. W. Fils: 





Benennung der gemeſſenen Punkte. Hoͤhe in 





60 Sattel zwiſchen dem Gellner⸗ und dem datners Berge, am Hauſe 

| Mr. 40 von Saalberg... 1817,72 
61 Fakners⸗ ober Fufners Berg, im Weſten vom vorigen, und 4?’ | 

nuunter der höchften Felſenſpitze gemeſſen.. | 2072,1 
62 Sattel zwifchen dem Fakner⸗ und Wenpel» Berge, kann etwa 80° ı 

ı  böher liegen, daher . | 1897,72 
a ae großes Gebirgedorf, 4 Meilen“ ſudweſtlich von 
mbrunn 


63 | a. Das Bitriolwerf, die Chauſſee 10’ über dem Baden, 

vor dem Gaſthof⸗ zum Kochelfall genannt, zugleich das 

unterſte Haus vom Dorfe. 1359,3 
64 b. Die Chauſſee am Einfall des Kochelfluffes in den Baden 

und in der Nähe des Chauſſeeſteins Nr. 2,46 und 14' 

über den Waflerfpiegel 16115 
65 e. Gaſthof von Eruft Ulbrich, Sans Nr. 165 in Marien 

thal (ein Theil des Dorfes Schreiberhau) in der Nähe 

der Mündung des Fleinen in den großen Zaden, 1 Treppe 

hoch, Fenſterbruſtwehr, Mittel aus 6 Beobachtungen . 119749 
66 d. Das am hoͤchſten gelegene Haus von Marienthal (da 

es neu gebaut, noch ohne Nr.); das Grundſtück ift mit 

Nr. 48 eingetragen, Befißer Johann Fifcher, 80 Schritt 

Linfs vom alten Wege von Ulbrich nad) der Sophien- 


hütt 2209,5 

67 e. Der Nabenfein, "Bewalbete Höhe 160 Säritt nöxblich 
vom alten Wege, 6’ unter der höchften Belfenfpige, . | 22434 
] f. Die Sofephinenhütte (Slashütte), der Gaſthof eine 
Treppe hoch. 20’ über dem Boden vor dem Hauſe und 
| gegen 31’ über dem Baden; Mittel aus 2 Beobach⸗ 
| Der Biaffenfühel, Berg’ } Stinte weRlid) von bee 30: | ⸗ 

gs. Der Pfaffenhübe erg ube we von der ⸗ 
fephinenhütte und im Suͤden vom Hochſtein. 2504,9 

| h. Am Hanfe Nr. 101 (Befißer Friedrich Preißler) zwi⸗ 
| ſchen dem Baden und dem Weißbache, öflih am Siop⸗ 


pel, auch im hintern a neiberban enannt . . 2439,9 
i. Haus Nr. 104, nörblid von der Slashütte . . 23235 
k. Der Hohle-Stein, Plateau mit Ausfiht auf den füdlich 

0 enüberliegenden Rabenſtein und 40 Schritt ſũdweſt⸗ 

16 vom eigentlichen Hohlen: Steine, Fuß des Gelaͤn⸗ 


...1 21843 

1. Die Chauffee am Fuße des Hohlen- Steine, 10' über 
dem Jaden . . 2128,8 

m. Mündung des vom bintern Schreiberhau herabfon: 

menden und nad) Norden einfallenden Weißbaches in 

den Zaden, 12’ über dem Waſſerſpiegel, nahe der Glas⸗ 

fhleifmühle am Sommerberge, Haus Nr. 125 (Bes 
fider Auguf Anton) . 19953 

75 n. Haus Nr. 119 d (laufende Kr. 195) am linken ufer des 

Meißbadyes, und auf der füblichen Abdachung des Weiß⸗ 

| Ste ins (Befker Ehrenfried Schmidt), zu Marienthal 
ehörig. . . 21075 

76 | o us Rr. 121 (Bei er Gotihelf Simon) ı am Beit- 
badhflein, zu Marienthal gehörig . 21502 


Barometrifche Höhenmeffungen in Schleflen. 







Denennung der gemeffenen Puntte. 


. Der Weißftein, höchſter Punkt des Berges am linken 

Ufer des MWeipbahe. . . 

278 q. Der höchfte Bunft der Ghauffee, 250 Schriit fuͤdlich von 
der Foͤrſterwohnung, zwiſchen dem Weißſtein⸗ und 
Schwarzen⸗Berge 

79 r. Die Foͤrſterei daſelbſt, an der ſũdlichen Abdadjung des 
Schwarzens Berges . 

80 | Der SchwarzesBerg auf dem fer: Gebirge, 15’ unter ber böch 

ſten zötentoibe gemefien . . 

Die hoͤchſte Felſenſpitze vom Schwarzen: Berge daher . 





31 | Sattel zwifchen dem Schwarzen- Berge und dem Hochflein, gegen 
400 Schritt wetlic vom Schwarzen: Berge (fchmaler, ſchar⸗ 
fer Kamm) 

82 | Die Ziegen: Steine, gegen 600 Schritt zſtlich vom Sedfeine, Kamm, 
Fuß der Steine . . 

N Die Spige der Ziegen- Steine 32’ Höher, daher. 


Der Hochſtein, im Haufe, Benfterbruftwehr, gegen 34' "unter "der 
höchften Felſenſpitze; Mittel aus 3 Beobadtungen . . . 
85 | Die äuerfe Felfenfpige des Hochſteins demnach 


nm. Sn Prudlo's Höhenmeflungen von Sälefien Seite 170 iA 
vie Sir vom Hochſtein nad) ver Meffung von Gerstorf auf 2803°, 
alıo um beinah 500° nievriger angegeben! 


„| Ehreiderten, Fortſetzung. 

Haus mit der laufenden Nr. 88 (Beflber Benjamin 
Liebih), auf der füblichen Abdachung bes Hochſteins 
nahe dem Waldrande und 250 Schritt ſuͤdlich der Ehauf- 
fee (das eo gelegenfte Haus von Schreiberhau) . 

87 t. Hans Nr. 85 (Ehrenfried Sender), ſüdlich von ber 
Straße nad) Neuwelt, diät am Walde, au der foges 
nannten Ginhemme . 


88 u. Am Vorwerk des Hütten: Inſpeciors Pohl, Plah unter 
den drei Linden . . 
89 v. Die Glasſchleiferei von Gottlieb Berner, Haus Kr. 330, 


40’ über der Mündung des Zaderle in ben Baden: 
fluß an der Chaufiee in Marienthal, zugleich Nordfuß 
des Yals- Berges 


90 w. Der Fals⸗Berg, bewaldete Höhe zwiſchen dem Zackerle 
und den Brendens Häufern . 

9 x. Die orenben» Häufer, Haus Nr. 254 (laufende Nr. 309) 
öflih am Yalss Berge; daneben liegt die Brenbigers 


Schule und aud) das fogenannte Rettungshaus für 
ih verwahrlofte Kinder. Hausbefiger Benjamin Liebich 
92 y. Das Rettungshaus gegen 20’ tiefer, daher . 
% 


93 . Die Kocelhäufer, Haus Nr. 195 (laufende Nr. 315), 
am rechten Ufer des Zaden; Beflper Friedrich Liebich 

„ aa, Der Zadenfall, 3’ über dem Oberwaſſer, oder 2 über 
dem Fachbaum . . . 

9 bb. Der Zadenfall, 3 über dem Unterwafler. 


Der Zadenfall demnach Hoch 81, 1’. 


Nach Bruplo Seite 127 iſt ver gedenfall oben : 351’, 
und zart; daher Fallhoͤhe nad den Meffungen von und 


31 * 





2326,1 
2493,9 


2952,9 
2967,9 
2906,7 


3070,2 
3102,2 


3274,3 
3308,3 


2567,1 


2565,9 
2192,7 


19218 
2024, 


1926,9 
1906,9 


19479 


2577,9 
2496,8 





484 





96 
97 


98 


99 
100 


101 


102 
103 


104 


105 
106 


107 


108 
109 
110 
111 
112 


113 


114 
115 


A. W. File: 


Benennung der gemeffenen Punkte. 


cc. Der Steg über dem Zaderle am Butterfaß, 4 Stunde 

unterhalb den Zadenfalle . 

Das im Welten in Marienthal "und dort am hoͤchſten 
gelegene Haus Nr. 284, Beſiher Glasabſprenger Gott: 
helf Kiebih . 

Der Kochelfall, im Südoft von ben Rodelhänfern, obe: 
res Becken oder Fachbaum der Saüpe oo. 

Das untere Beden vom Kodelfall. . . 
ae Kochelfall hat daher eine Höhe von 44, 3. 
Anm. Prudlo giebt vie abfolute Höhe vom Rocelfall nad) ter 


Meffung von Säyelg un und ‚Belbt, wie folgt, an: oben 1547°, unten 1515‘; 
daher Höhe des Falles 


hh. Das unterfte ber Siebenhäufer Nr. 186 (laufende Nr. 
303), den Kocelhäufern gegenüber, nahe der Zacken⸗ 
brüde zum Nettungshaufe, Befiber Gottlieb Büttner, 
am Chauffeeftein Nr. 2,66 . 

ii.  Gins der oberften von den Siebenhäufern Mr. 179 (lau: 

fende Nr. 294), Befiger Ehrenfried Liebich; öftlich da⸗ 

von liegt das Bauernfelder Hol . . 

Die alte Straße am Haufe Nr. 219 im oberen Dorfe, 

Befitzer Julius Seifert, 100 Schritt weſtlich von Gaſt⸗ 

hofe des Ernſt Simon zur Preußiſchen Koone.⸗ 

U. Gaſthof zum Hochſtein, Beſitzer Johann Hallmann, 
Haus Nr. 9 an der oberen Straße, vis à vis dem Glas⸗ 
händler Neumann: ver MWiebichsberg nördlich davon, zu 
Nieder :Schreiberhau rbörig; Drittel aus 2 Beobach: 
tungen . . 

mm. Fub der evangelifchen Kirche . . 

nn. Die Straße vor der latholiſchen Kicche und vor dem 
Gerichts: Kretfham . . 


Anm. Die Kirche und den Serie. ſReretſcham giebt Brublo nad) 
ber Meſſung von Wahrentorf mit 1575’ an. 


Dorf Petersporf, Chauffee am oberen Eingange von Schreiberhau, 
— Nr. 9, Beſitzer Gottfried Siegert, 12’ über dem Zacken⸗ 


flufie . 

Daffelbe Dorf, die Brauerei, Befiper Körner, parterre, Fenfter: 
brufftwehr . 

Die Schärfe, erſte Goͤhe ſübwefſtlich an Hermodorf, auf dem ins 
fen Ufer des Hermsdorfer⸗ Waflers, mit Bauernholz beſetzt 
Der nächfte ſüdliche Sattel, etwa 38' tiefer, als der zuleht genannte 

Berg und 150 Schritt davon entfernt, daher . . 

Der Habicht⸗ Berg, und zwar der nädhfte füpliche Berg vom vo: 
rigen, 16’ unter ber höchſten elfenfpike . . 

Sattel zwifchen dem Habicht: und dem füblich daran "gelegenen 
Berge, oder am Kicchhöfel zum ehemaligen Quitl. am Wese 
von Hermsesdorf 

Hummel⸗ Berg, nördliche Kup 


50 Schritt görli davon tie der 0 enannte Raben ein, 
ein Bit von 7 Fuß Se 6 st j 3 n 


Hummel:Berg, fübliche Runde, 8’ unter der höchiten Belfenfpige 

gemeflen (Die hoͤchſte Spiße diefes Ber eges baher 2194.) . 
Der nächte füdliche Sattel gegen den Mühl-Berg zu, am Ru 
fenhain, Bauernbolz, gegen 40’ tiefer, daher . . 


dd. 


ce. 


ff. 
88- 





2182,5 


1653,6 
1609,3 


1745,7 


1963,2 


2205,6 


1996,3 
1737,9 


1643,1 


17742 
1950,3 


21114 
2071,4 


Barometrifche Höhenmeflungen in Schleflen. 










Benennung der gemeffenen Punkte. 






Der Mühl: Berg, 3’ unter dem höchſten Punkte gemeflen . 
Der Sattel zwifchen dem Mühl: Berge und dem Bole . . 


gegen 60’ höher als der zuletzt genannte Sattel . . 

Der Breite:Berg, weftlih vom Dorfe Kiefewald, 11’ unter der 
höchſten Welfenfpike . . . on 

Dorf Kiefewald, oberes Ende, die Foͤrſterwohnung 

Der Sattel zwiſchen dem Breiten: Berge und dem Bel ara 45’ 
tiefer, Daher . . 

Der Holz: Berg, weſtlich an Kieſewaid 

Dorf Kieſewald, im unteren Ende, Haus Ne. 29 (laufende Mr. 2), 
Befiger Gottlieb Ulbrich . 

Dorf Toeruersborf, un unteres Ende, mafe der Vieiche, "8" über dem 
Zaden 


b. Ginige Hönenmeffungen 
:in der Gegend von Groͤditzberg in Goldberger Kreije u. ſ. w. 
| vom Jahre 1850, 


125 | Do Nieder Alzenau, J Meile nörblid) von Gröbigberg, an ber 
rauerei . 
126 | Dorf: Ober: Alzenau, Straße am Nusgange nad) Grödigberg . 
ı Dorf Bröuigeng, am Berge und an der Burgruine Gröbigber 
T. Der Berg - Kretſcham, Boden vor dem Haufe, auch hg 
hof zum Grödigberge genannt, Dans Nr. 9 ; Mittel, aus 
2 Beobachtungen. . . . 


128 b. Die Kirdye am Berge . 

129 ec. Innerer Hofraum der Burg, Mittel aus 3 Beobachtungen 

130 d. Das Dad) der Burg . 

131 e. Die hödjfte Spipe der 80 Schritt im Süden gegenübers 
fiehenden Ruine nody 20’ höher, daher . 

132 f. Platz vor dem Schlofie im Garten auf der Rorbweft- 
Seite . 

133 g. Der Teich am Orangerie⸗ Gebäude, 4 "über dem Waf- 
ferfpiegel . 

134 | Dorf Beorgenthal, 1 Stunde nordweftl. von Grödigberg, am Haufe 


Nr. 99, das zweite Haus am oberen Eingange on Grödigberg 
Dorf Ober-Mittlau an der Straße na Bunzlan, 14 Meilen ſüd⸗ 
a von diefer Stadt, am Kretfchham. 6’ über, den Kleinen 
ober . 
Dorf Alt- -Barthau, 1 N Meile füpöftlich von Yunzlau, Straße vor 
ber fatholifchen Kirche . 
Dorf Looswitz, Straße vor dem Gafhofe zum bendhauſe (8. © 
Hoffmann) . . 
Die Landftraße am "Drüflel: „Vorwerk! 
Das Vorwerk Drüſſel liegt 200 Schritt nordweſtüch von der vo: 
ige und 20’ tiefer, daher 
140  Bunzlau, der Bahnhof . . 
14 | Dresden, Gafthof zum Kronprinzen in ver Neufladt, 4 Treppe 
hoch, 18’ über den Pflafter der Strafe, Or.⸗ Meipnergafie; 
|_ Mittel aus 6 Beobachtungen . . ... 
142 Das Straßenpflaſter vor dieſem Gaſthof⸗ daher . 


135 


136 
137 


138 
139 


180 Schritt nörblih davon, eine flache Kuppe im Bol, genannt, 


C} 
en —— — 


485 


Abſ olute 


1683,1 
1074,3 


630,3 
783,0 


892,3 
995,6 
1214,2 
1260,3 
1280,3 
813,6 
759,0 


741,9 


604,8 
652,8 


686,1 
708,3 


688,3 
674,2 


298,8 
270,8 


486 A. W. File: 
c. Höhenmefjungen in Schleſien vom Jahre 1833. 
* Abfolute 


Benennung der gemeffenen Punkte. ‚ Höhe in 
Mr. varif. Suf. 








| Siehe Reymann’s Karte Section 151. 
143 | Johns= Berg, ausgezeichneter Berg, 4 Meile ſüdweſtlich von Sor: 
dansmühle, Kreis Nimptſch; Mittel aus 2 Beobachtungen. . 810,1 
144 Jordansmühle, Dorf. 5 Meilen füplih von Breslau, Poſthaus. 
1 Treppe hoch, 18’ iber dem Boden vor dem  Saufe, Mittel | 


| 
| ans 16 Beobachtungen . ‚ 5075 
145 ‚Boden vor dem Pofthanfe dafelöft, denmach .. ı 489,5 
146 Rudelsdorf, Dorf 1 Meile füplich von Sordansmühle, die Pfarre 537,6 
147 | Salzbrunn (Ober:), Bade: und Kurort 1 Meile ſuͤdlich von 
burg, Gafthof zur Deutfchen Krone, 2 Trenpen body, gegen | 
25’ über dem Boden; Mittel aus 6 Beobadhtungen . . 1281,1 
148 | Daher der Boden vor der Preußifchen Krone daſelbſt 1256,1 
149 Wilhelma— Höhe, Berg zwiſchen Salzbrunn und d Altwaſſer 
Fuß des Belvedere. . . | 16479 
b Oberfte Gallerie des Belvedere . . 16794 
150 | Dorf Reu:Salzbrunn, oberes Ense, Su der  Warnungetafef an 
der Chauffe . . . . . | 13122 
Section 170 der obigen Karte. 
151 | Dorf Weißſtein, Fuß des Kretfham-Haufes, am Gingange von 
Waldenburg . 1401,6 
152 | Waldenburg, 4’ über dem Polsnigbade an ber ſieinernen Brüde | 1311,4 
153 |Ober- Waldenburg, Dorf, vor dee Spinnfabrif . . 1366,6 
154 Neu⸗Weißſtein, die Ghauffee vor dem Zechenhaufe und einige Fuß 
über der Mündung des Fuchsftollens und 15’ über der Polsnik | 12742 
155 | Mündung des Demuih-Schachtes auf ber Buchegrube, auf der | 
Karte über dem u vom „Fuchsſtollen“ | 15100 
Section 151. 
156 | Nieder: Sal;brunn, oberes Ende, Fuß des Wegweifers am Gin- 
gange des Weges von Adelsbach, 6’ über dem Salgs Badhe . | 11662 
157 | Daffelbe Dorf, unteres Ende, am Haufe Nr. 57, 10’ über dem 
Salz: Bade . 11448 
158 | Fürftenfteiner: Grund, 10’ über ver Belsnig, am Fuß der hohen 
fteinernen Trepve . . . 1 1062,6 
159 Louifenpla bei Fürftenftein, der alten Burg gerade ‚gegenüber 1303,8 
Furſtenſtein 
160 Belvedere, Thürfchwelle . . 1322,4 
161 h. Boden vor dem Gaſthauſe, 150 Sdrit v vom Sdloſe: 1246,2 
162 | c. Scloßtburm, die oberfte Gallerie . . 1379,4 
163 | d. Die Schmiede, Boden vor dem Haufe 1 11436 
164 e. Die Schweiger, 15 über der Polsnitz luit 971,4 
165 ; f. ie alte Burg (linkes Ufer der Polsnitz), obe e 
Gallerie X f Pelerit re N 
166 ı g. Diefelbe Burg, Fuß des Eingangthors an der Zus brüde | 127 
167 | Altwafler, Boden am a eng athe 9 118570 
168 | Karlehütte, Gifengießerei, 4 Stunde unterhalb Altwafler 1223,4 


169 Ba, 2e — Abendſte  &h —* Ai unter 
er Mündung; fie iegt iht an der ufjee von Altwafler 
nad) Salzbrunn f 1376/4 





Barometrifche Höhenmeffungen in Schlefien. 







Benennung der gemeffenen Bunte. 


170 ee Idelsbach, Boden vor dem Wirthehaufe, dem Schloſſe ges 
genüber . . 

171 | Die Beisfens Burg, innerer Hofraum, 4 Stunde fudoͤſtlich von 
| Dualsdorf . . 

172  Sauerbrunn: Quelle, auf der Miefe gegen "600 Schritt "unterhalb 

der Zeisfenburg, am Zeisbach. 

173 | Höchfter Punkt der Freyburg: Landeshuter Chauſſee, geifgen dent 

Zeisbache und Dualsvorf . 
174 | Dualsdorf, Chauflee am Bollhaufe bei der Bereinigung ber Frey⸗ 
| burger und Hohenfriedberger-Ehauffee, 10’ über dem Wafler 
Alt⸗Reichenau, Dorf an der Ehauffee von Freyburg nad) Landshut 
175 a. Unteres Ende, Boden vor dem Wirthöhaufe, wo bie 
Ehanffee von Salzbrunn in das Dorf tritt, 5’ über 
dem Wafler , . 

176 b. Fuß der futherifchen Kirche, am linken ufer bes Ba: 
ches, 10’ über dem Waflerfptegel . 

177 c. Buß ber fatholifchen Kirche auf dem rechten Ufer des 

178 d. * ber katholiſchen Rikolaub- Kirch, !infee Afer, 1 
| über dem Waflerfpiegel . . 

Section 150. 
179 e. Lebtes Haus am oberen Ende, Chauſſce, 1 15’ über dem 


| Waſſer 
180 Neu⸗Reichenau, oberes Ende des Dorfes 2. 
181 Hartmannsdorf, Ehauffee vor dem Wirkhehaufe . 
182 Höchſter Punft der Chauffee zwiſchen Hartmanneborf und Lande: 
But, am Leifchern= Berge 


Section 169 
183 ae. auh Mummel-Schange, } Meile öftlih von 
ndbehut . 
184 ; Landshut, im Gaſthofe zum Schwarzen Raben, 16’ über dem Pi 
fer des Marktes; Mittel aus 3 Beobachtungen 
185 Das Pflaſter des Marktes dafelbft demnah . 
186 Die Schmiedeberger Ehauffee auf der Höhe dicht oͤſtlich am Reuffen: 
bach, zwiichen Landshut und Schreibenbarf dicht unter dem or 
von „Screibenvorf* . 
187 Nieder: Echreibendorf, Ehauffee am Eingange von Landshut, * 
| über dem Abtsflup 
188 | | 


| 


Ober⸗Schreibendorf, Fuß der katholiſchen Kirche; die Chauftet ver» 
läßt Hier das Dorf in weſtlicher Richtung . . 


Section 150. 
189 Dorf Hohenwaldan, das oberſte Haus Nr. 3 an der Chauſſee, Fuß 
| der Tafel . 
190 Scheitel der Landshut: Schmiebeberger Chauſſee auf dem Lande: 
guter Kamm, auch Ausfpanne genannt . 
191 | Die en an der großen Bude, an der Ehaufee nad) Sämirte 


192 Shmiacen, die Ghaufiee amı unteren” Haufe der Vorfiadt, 
Nr. 417, gegen 16’ über dem dort befindlichen Teiche 
193 | Stoneborf, Boden vor der Brauerei im Sefellfihaftsgarten 


| 


1 





1220,4 
1154,4 
1027,8 
1101,0 
1011,0 


1058,4 
1086,0 
1121,4 

1174,8 
1281,0 
1533,0 
1386,0 
1589,4 


1764,6 
1382,2 
1366,2 
1543,2 
1521,86 
1594,8 


2240,4 
2491,2 
1953,0 


1309,2 
1193,4 


A88 A. W. Fils: Barometrifche Höhenmeflungen in Schlefien. 









Abfolute 
Benennung der gemeffenen PBunfte Höhe in 


parif. Fuß. 


194 | PrudelsBerg bei Stousdorf, 2’ unter der höchften Felfenfpike . | 1476,0 
195 Voigtsdorf, nordweftlich 3, Stunde von Marmbrunn, im unteren 


Ende an der Brüde mit Nr. 194 bezeichnet . . . | 10470 
196 |Daflelbe Dorf, im oberen Ende, Fuß der Fatholifchen Kirche . . | 1267,2 
197 Höchſter Punft des Weges ztoifchen Voigtsdorf und Reibnig . . | 1519,8 
198 Reibnitz, Fuß der Fatholifchen Kirche, auf dem linfen Ufer des 

Baches.. 1180,2 
199 Berthelsdorf, Boden vor dem Wirthshaufe nahe der Kirhe . . 987,6 


200 | Spiller, Boden vor dem Brauer, nahe den beiden Kirchen . . | 1110,6 
201 Friedersdorf, z Meile nordweftlic von Öreifienberg, Boden vor 
dem Gerichts-Kretſcham nahe der Kirche 951,0 


Section 149. 
202 |Richtenberg, 14 Meilen oftlih von Görlig, amı Gerichts: Kreifchan | 664,8 


Gorlis· 
203 . Haus Nr 400 in der Straße Vorderhandwerk, 2 Trep⸗ 
pen hoch, gegen 20’ über dem Straßenpflafter. . . 6228 
204 b. Die Neiße am Neißthore, bit neben der hölzernen 


Brüde (mit 5Bögen), gegen 9’ über dem Waflerjpiegel 516,0 
205 |KRlein-Biesnig an der Landsfrone, am Thore des Borwerls . . 761,4 
206 |Die große Birfe am Oſtfuß ber Sanbetrone und am mm Fußſteige von 


Klein: Biesnik . . 1015,83 
Die Eanbefrone bei Goͤrlitz. 
207 . Höchſter Punkt der nördlichen Kuppe, Boden im Inne: 
ren der Kapelle; Mittel aus 2 Beobachtungen = = 1267,2 
und 1279,32 . . 1273,2 
208 b. Die fübliche KRupve. 22.) 42190 
209 e. Sattel zwifchen diefen beiden "Kuppen . en 1196,4 


Anm. Bel der Meſſung ver legten vrei Punkte fand ein Rarter. 
Sturm flutt, welcher bei denen ad b und ec eine fchurfe und forgfältige 
Einftellung tes Inſtrumente verhinterte. Die gefundenen Refultate 
berürfen taher noch einer Beflätigung. 
A. W. Fils. 


— — — — — 


Ueber einige Meeresſtrömungen im Atlantiſchen Ocean. 


Aus einem Schreiben des Königl. daäniſchen Marine— 
Gapitains Herrn Irminger an Herrn Dove. 


In der „Zeitichrift für Allgemeine Erdkunde, Auguft 1853,” las ich vor 
einigen Tagen eine fehr intereffante Abhanvlung „über die neueften dort 
fohritte ver Hydrographie“, welche von Ihnen mitgetheilt war. 

Gewiß irre ich nicht, wenn ich annehme, daß einige Notizen über Stroͤ— 
mungen ded Meeres Sie auch intereffiren werben, und ich erfaube mir des—⸗ 
halb, Ihnen folgende Notizen zu fenden, welche ich im dieſem Jahre in der 
hieſigen Zeitfchrift „ Archiv des Seeweſens“ habe abdrucken laſſen. 

Von 1847 bis 1849 commandirte ich eine Kriegsbrigg auf einer Erpe⸗ 
dition nach ver Guinea⸗Kuüſte und in den weſtindiſchen Gewäffern. Im dem 
gedruckten Aufſatz find einige Beobachtungen enthalten, welche ich auf dieſer 


Ueber einige Meeresftrömungen im Atlantifchen Ocean. 489 


Reiſe vornahm, um die Strömungen in ver Tiefe des Meeres zu ermitteln, 
wobei jedoch der Grund nicht erreicht wurde, was auch nicht die Abficht 
war. — Dad dazu benugte Inftrungent, welched Sie abgebildet finden, wurbe 
von einem Herrn Nine in Frankreich erfunden; ich ließ ein folches hier in 
Eopenhagen verfertigen und benußte e8 auf ver Reiſe. 

Eine vetaillirte Befchreibung ver Strömungen in ver Oberfläche eines 
Theild des nördlichen, auf meinen Reiſen oft von mir durchkreuzten atlantis 
fhen Dceand, werden Sie in meiner Abhandlung finden. Beſonders aber 
erlaube ich mir, Ihre Aufmerkſamkeit auf eine in dieſer letzten erwähnte Stroͤ⸗ 
mung Binzulenfen, welche ich noch nirgends befchrieben gefunden Habe, 
nämlich auf vie wärmere Strömung, welche Täugs der weftlichen Küfte von 
Joland nach Norden geht, und meiner Meinung nad) die Urfache des ver⸗ 
haͤltnißmäßig milden Klima's ver weſtlichen Küfte Island's if. — In den 
beiden Jahren 1826 und 1834 brachte ich jedesmal ungefähr A Monate auf 
3öland zu, Habe dad Suüd⸗, Weſt⸗ und Norbland dieſer Infel bereift und 
war von der Zeit ber fchon von dieſer Strömung überzeugt. Leider finvet 
man nur wenige, felbft gebilvete Seefahrer, welche fich mit folchen Sachen 
beichäftigen, und das ift wohl der Grund, daß die Strömungen bed noͤrdli⸗ 
hen atlantifchen Meered fo wenig unterfucht wurden. — Auch über vie Ers 
fcheinung des Treibholzes Habe ich einige Notizen angeführt. 

Ih erlaube mir noch zu bemerken, daß ich auf allen Stromfarten, fo 
auch auf den trefflichen de8 Herrn Berghaus, die Strömung, welche vom 
Eiömeere längs der Küfte Oſt⸗Groͤnland's läuft, immer fo angegeben finde, daß 
man annehmen muß, daß dieſe Strömung ihren Lauf von Oft- Grönland in 
gerader Richtung nach New⸗Foundland und meiter fortſetzt. Diefes ift aber 
nicht der Fall, indem die ungeheuern Eismaſſen des Eißmeeres freilich zwar 
in ſüdweſtlicher Richtung längs der Küfte Oſt⸗ Groͤnland's gehen, aber im⸗ 
mer um Süd» Grönland (Staten= Huf und Gap Barewell), von wo ab fie ſich 
bisweilen in bichten Maffen bis ungefähr 20 veutfche Meilen vom Lande in 
dad Meer erftredden, herum in vie Davisftraße biegen. An der Oftküſte Ordns 
land's find fie noch fehr feſt zufammengepadt; an der Weftküfte findet dies 
fhon weit weniger flatt, und bei ihrer Ankunft in der Davisflraße find die— 
felben bereits fchon fo vertheilt, daß fle nur noch Iofe umbertreiben. Ja häufig, 
befonderd im Sommer, wenn dad Eis im Lande fchmilzt, und die Flüſſe fich 
von der weftlichen Seite Grönlands in das Meer ergießen, kann die Küſte 
längere Zeit fogar ganz eiöfrei werden, weil bie Eismaſſen durch die Fluß⸗ 
mündungen fern von der Küfte gehalten werven, jo daß die Schiffe, welche 
nach den norbifchen Eolonien beftimnit find, dann leicht ein⸗ und audjegeln koͤn⸗ 
nen. Sind die Eismaſſen von dort her in die Davisftraße gelangt, jo drin⸗ 
gen fie an der Weſtküſte Grönlands nicht nörblicher, als bis ungefähr zum 
64. Grabe n. Br. vor, während das in den grönländifchen Colonien foges 
nannte Weſteis, d. b. dasjenige Eid, welches von ver Baffind- Straße füd- 
wärts gebt, ſeinerſeits an der grönlänbifchen Seite auch nicht fühlicher als 





490 Aus einem Schreiben des Miſſionar Dr. Krapf aus Süp » Afrika. 


bis zum 64. Grade n. Br. gelangt, worauf ed in weftlicher oder fübweftlicher 
Richtung feinen Weg fortjekt. 

ALS ein Beweis für meine Angabe dient noch Folgendes: Don Eopens 
Hagen geben jährlich viele Schiffe nach unferen, an ver David- Straße auf der 
Weſtküſte von Grönland liegenden Golonien, und wenn die Schiffe ihren 
Cours fo nehmen, daß fie 15 bis 20 deutſche Meilen ſüdlich um Cap Kar- 
well pafliren, find fie immer ficher, Fein Eid anzutreffen, ehe fie in 
die Davis- Straße angekommen find. 

Wenn der Strom dagegen, wie bie Stromfarten irrig angeben, in geras 
der Kinie von der Oftküfte Groͤnland's feinen Lauf gegen Süden fortfeßte, fo 
würden die Schiffe ven Eidinaffen vom Eismeere begegnen, wie weit fie auch 
ſüdlich das Cap Farwell umfchiffen mögen. Wenigſtens ift dieſes ver Kal 
von Unfange April bis November; denn in anderen Jahreözeiten wird vieles 
Meer nicht befahren. 

Ich erlaube mir noch anzuführen, daß das dänifche Wort „Ipvande“ 
(englify eddy — eddies), welches Sie in meiner Abhanplung finden, und 
welches vieleicht nicht in Wörterbüchern gefunden wird, die Gegenftrömung - 
bedeutet, welche gewöhnlich an ven Grenzen (oder an den Seiten) einer Strö- 
mung flattfindet. 


Aus einem Schreiben des Miffionar Dr. Krapf an der Oft- 
Küfte von Süd⸗-Afrika *). 


„Im Verlauf des Juni Hatte ich einen jungen Mann bier **), ver vor 
uiehreren Jahren in ver Nähe von Ufambara aus einem Wafuafi- Stamme 
geraubt und an ver Pangani- Küfte ald Sclave verkauft: wurbe ***). Da ich 
ſchon längft gerne mich mit ver Sprache der wilden Wakuafi, vie fich ſelbſt 
Loikob heißen, bekannt gemacht hätte, jo war ed mir eine ermünfchte Gele⸗ 
genheit, jemand zu finden, ver mich in dieſer Sprache unterrichten konnte. 
Der junge M’fuafi T) hatte während feines mehrjährigen Aufenthalts in Mom⸗ 


*) Das Schreiben war an den Dr. Barth zu Galw in Würtemberg gerichtet 
nnd durch diefen am 8 December d. 3. Herrn von Humbolot, von befien Güte ich 
es für die Zeitfchrift erhalten habe, mitgetheilt worden. G. 

) Wahrſcheinlich iſt Rabba M'pia, die neue dentfche Miſſionsſtation weſtlich 
von Mombas im Wanikalande gemeint. ®. 

*#%) Dex fat ausgerotteten wilden und räuberifchen Wafuafl erwähnen Krapf 
und Rebmann oft in den Berichten über ihre Reifen in das Sunere (Church Mis- 
sionary Intelligencer I, 415; 11l, 55; IV, 109, 111. G. 

) Das Studinm ber ſüdafrikaniſchen Sprachen hat bekanntlich dargethan, daß 
dieſelben die Eigenthümlichkeit ver Präfire in ſehr ausgedehntem Umfange beſitzen. 
So werben 3.8. in den Nomina Singular und Plural durch verſchiedene Präſire un⸗ 
terichicden, das Individuum eines Volkes z. B. durch Mo oder M’, mehrere pur W 
oder Ba (Be). Bin Indivivumm der Waknaſi Heißt alfo M’tuafl; ein Individuum 


Aus einem Schreiben des Miffionar Dr. Krapf aus Shop» Afrika. 491 


bas ſich Die Suahili- Sprache angeeignet, und fo Eonnte ich mit ihm gut ver» 
kehren. Aus feinem Bericht ergab ſich, daß feine Mutter ihn in der Nähe 
des Schneeberged Kenia in Kifuyu*) geboren hatte, von mo fie fpäter mit 
ihrem Mann in die Nähe von Ufambara auöwanderte, wo der etwa 
12jährige Knabe beim Spiel mit feinen Kameraden im Walde von einem 
Moigo **) überfallen und fortgefchleppt wurde, indem die Mutter dem Mäuber 
nachlief und nachfchrie. Sie wurde aber felbft auch ergriffen und ale Scla⸗ 
vin nach der Infel Pembo verkauft, während ver arme Knabe nah) Mombas 
verhandelt wurde. 


Mit Hilfe dieſes jungen Mannes Habe ich ein Eleines Wörterbuch ber 
Kikuafl» Sprache ***) gefammelt und die wefentlichiten grammatifchen Erfcheis 
nungen aufgefaßt T). Es ergab fich dad merkwürdige Mefultat, daß diefe Sprache 
auffallende Verwandtſchaft mit dem Urarabifchen zeigt, nicht fowohl in dem 
grammatifchen Bau, als vielmehr in Tericographijcher Beziehung. Diele Wörs 
ter find mit dem Hebräifchen und Uethiopifchen verwandt. Ich nehme daher 
keinen Anftand, dieſe Sprache zum äthiopifchen Idiom zu zählen FF), als 
deſſen fünlichfte8 Glied fie zu betrachten if. Somit bleibt der Bericht ver 
Alten in feinem Hecht, wenn fie behaupteten, daß das caput Nili bei ven 
Aethiopen zu fuchen fei. Denn es ift nach meiner Anſicht nicht mehr zwei- 
felhaft, daß der Nil im Wakuafi⸗Lande feinen Urfprung babe Tt}). Der 
Schneeberg Kenia nämlich wird von den Wakuafi ald der Urfig ihrer Vor⸗ 


— 





des Wanifavolfes Monifa, eins der Wafanıba (der Bewohner des Landes Ukambani) 
Mokamba. G. 
®) Ueber den Schneeberg Kenia uud Kiknyn f. meine Geographie von Afrika 
©. 304, 307, 322. ©. 
#®) Weber Ufambara ebend. 122; der Mdigo ſtammt ans dem Lande der Wadigo. ©. 
“) Nach dem Gebrauch von Präfiren wird die Sprache der verfchienenen ſüd⸗ 
afrifanifchen Stämme durch das Praͤfix Ki bezeichnet. Go iſt Kinifa die Sprache 
der Wanifa, Kifamba, Kifuaheli, die Sprache der Wakamba nnd Suaheli. Geogra⸗ 
phie von Afrifa 317. G. 
+) Herr Krapf hatte ſich bekanntlich fortwährend, ſowohl während feines Aufent⸗ 
haltes in Wbeffinien, als während feines fpäteren im füplichen Afrifa mit großer 
Borliebe dem Studium der Sprachen gewidmet, wovon namentlich feine beiden lebten 
ſchätzbaren Arbeiten: Vocabulary of sız East African languages (Kifuaheli, Kinika, 
Kikimba, Kipokomo, Kihiau, Kigalla). Tübingen 1850 und: Outline of the Ele- 
ments of the Kifuäheli Language. Tübingen 1850. 8. das rühmlichfle Zeugniß gas 
ben. Bor ihm waren die meilten diefer Sprachen und ihre Verwandtſchaft als Glie⸗ 
der eines einzigen großen Stammes völlig unbefannt. ®. 
+r) Schon Cooley legte im Jahre 1852 ven Wafuafi einen abeffinifchen, alfo 
einen mit den Semiten und auch mit den Mrabern wralter Zeiten verwandten Urfprung 
bei (It is to be regretied, that Dr. Krapf gives no account of the Wakuäri, who 
are evidently of Abessinian origin. In Cooley's Werk: Africa laid open. Lon- 
don 1852, 123). ®. 
++) Es if dies befanntlich dieſelbe Anficht, welche in neuerer Zeit vorzüglich 
C. Bete mit befonderem Bifer vertrat und die in D. Cooley einen ebenfo eifrigen 
Gegner gefunden hat (Africa laid open, 117 — 120). Krapf erflärte fih für die⸗ 
felbe fchon im Jahre 1851, indem nach feinen GSrfunvigungen im Lande Ufambant, 


492 Aus einem Schreiben des Miſſionar Dr. Krapf aus Säd- Afrika. 


fahren betrachtet. Auf jenem Berge babe ein Mann, Namen! Reuterkob 
(sic! ©.) gewohnt, welchen jie als ein höheres, übermenfchliches Weſen bes 
trachten, das ihre Gebete beim Engai oder höchften Gott vermittle. Reuter⸗ 
£ob babe bei ven Wakuafi die Viehzucht gelehrt, von ver fie leben, wie die Bes 
duinen in Arabien. Die Wakuafi verſchmähen nämlich ven Aderbau und als 
les civilifirte Leben, und nähren jich außfchlieglich von Milch und Fleiſch. 
Sie find in vielen Stämmen über Mittel- Afrika ausgebreitet und halten bie 
terra incognita zwifchen Nigritien und Kikuyu befegt. Sie folgen überall 
den Flüſſen, wo fie Wafler und Gras für ihre Heerven finden. Der obere 
Lauf des Nil etwa zum zweiten oder dritten Grade noͤrdlich vom Aequator 
foheint in ihrem Beſitz zu fein. Dort haben fie ſich zwifchen dem nigrotifchen 
und dem nilotifchen Sprachflamm oder dem der ſchwarzen Bölfer in Welten 
und dem ber braunen Nationen im Oſten und Süden, eingefeilt. 

Ein Vorabularium des Teita-Dialects *) Habe ich gefammelt, fo daß 
nun zu ven 6 Sprachen des gebrudten Wörterbuch® vier weitere hinzugefügt 
werden können, nämlich die Kifambaras, Kiparer», Kiteita- und Kikuafi⸗ 
Sprachen. Es foftet mich gemöhnlich eine Anftrengung von Einen Monat, 
bis ich es fo weit habe, daß ich ein paar taufend Wörter zufammenbringe 
und die wichtigften grammatifchen Erfcheinungen erforfche. Das Weitere muß 
dann der Uebung überlafien bleiben. “ 

Ein dritter und neuefter Berfuch Krapf’s, nach dem Kenia und Ukauibani 
vorzudringen, ifl, wie die früheren (ver Bericht über ven erften findet ſich im 
Miss. Int. I, 398— 404; 412— 418; 449 — 454, der über ven zweiten ebend. 
IN, 30—40), gefcheitert. Leider ift der unermürliche Forſcher durch Unterleibs⸗ 
befchwerben, die er fich auf viefer Reiſe durch fchlechte und faft unnatürliche Nahe 
rungömittel zugezogen bat, genöthigt worden, feine Unterfuchungen für eine Zeit 
abzubrechen und zur Herftellung feiner Geſundheit fih nach Europa zu begeben. 
Er wandte fi zunächft nad) Aden und von da nach Bairo, wo er längere Zeit 
frank danieder lag. Indeſſen ift er nad) ven neueften eingegangenen Nach- 
richten foweit wieder bergeftellt, daß wir feine Ankunft noch im Kauf viefes 
Monats (December) in Deutſchland und in Berlin erwarten dürfen. 

Gumprecht. 


dem entlegenſten, das er im Juneren des Continents erreichte. es ihm wahrſcheinlich 
wurde, daß die eutjernteften Quellen des Nils am Fuße eines Schneeberges, des Ndur⸗ 
fenia oder Kirenia in dem See Nourfenia liegen (Missionary Intelligencer 111, 34, 
37, 232, 234). G. 

*) Das Teitaland iſt auch eine der vielen intereſſauten geographiſchen Ent: 
dedungen Krapf's und Rebmann’s in einem Theile des afrifanifchen Continents, den 
fein Weißer vor ihnen je betreten hatte. Es ift ein zwiſchen der Küfte bes invifchen 
Oceans bei Mombas und dem Schneeberge Kilimandfcharo gelegenes Bergland, und 
mit dem Vocabular wurde alfo der Anfang zu der Kenntniß feiner Sprache gemacht. 

G. 


— — — — 





Sigungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 493 


Situng der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde 
am 3. Dezember 1853. 


Zuerft gedachte der Vorſitzende, Herr Ritter, des verftorbenen Herrn 
Zeune als eines Mitbegründers und thätigen Mitgliedes ver Geſellſchaft. — 
Derjelbe las Hierauf eine an Herrn Al. von Humboldt aus dem englifchen 
Foreign office gerichteten Brief über vie beabftchtigte englifche Aufnahme des 
Iſthmus von Darien behufs einer neuen Canal» Anlage vor (wird in einen der 
nächften Hefte mitgetbeilt werden). — Herr Kohl hielt hierauf einen ausführli« 
chen Bortrag über die Entdeckung von Amerika. Während er in der Einlei» 
tung zeigte, wie faft alle Völker, vie jedoch zum Theil erft Seefahrer wer- 
den mußten, zur Entdeckung von Amerika beigetragen haben, bemerkte er, daß 
bei der großen Ausdehnung tiefes Continentes eigentlich nicht von einer Ents 
deckung, fondern von einer Verbindung mehrerer Entdeckungen die Rede fein 
fönne, welche in ver verhältnißmäßig kurzen Zeit von 300 Jahren vollendet 
worben wäre. Er legte daher zur Anficht eine Reihe von Karten vor, wor⸗ 
auf die einzelnen Theile Amerika's mit ver Zeit ihrer Entvedung und den 
Namen der Entveder angegeben find und befprach Hierauf in chronologifcher 
Folge der gefchehenen Entdeckung: die Vorläufer des Columbus, dad Antil« 
Ienmeer, den Iſthmus von Darien, Merico, Peru und Chile, Neu» Granada, 
den Orinoco, den Amazonenftrom, Brafilien, ven 2a Plata, vie Magellan- 
firaße und das Cap Horn, vie Oftfüfte von Nord» Amerika, den Mifjtfippi, 
Galifornien, ven Korenzoftron, die Hudſons⸗Bai, die Noroweftfüfte, das ruf- 
fifche Amerika und zuleßt die arktifchen Regionen, welche genannten Theile 
von Amerika den Stoff zu eben fo viel Abfchnitten eines von ihm bes 
arbeiteten Werkes über die Entvedung von Amerika in 3 Bänden liefern 
werden. — Herr Richtenftein fprach über die gelungene Exrpebition, welche 
Herr Aubry von Texas nad) Ealifornien auögeführt Hat, um das Terrain 
zur Anlage einer Eifenbahn zu unterfuchen, und wobei verfelbe eine fehr füb- 
liche Richtung nahm (auch diefer Bericht wirb in der Zeitfchrift demnächft 
mitgetheilt werden). Derfelbe erwähnte Hierauf mit wenigen Worten der letz⸗ 
ten Nachrichten über Herrn Möllhaufen vom 18. Auguft; die nächften Mitthei⸗ 
Lungen können ein Jahr augbleiben, da fie exit aus Californien fommen wer⸗ 
den, und die mohlaudgerüftete Expedition zuvor unterwegs überwintern muß. 
— Herr Ritter Iegte zur Anftcht vor und befprach: „Üepertorium über 
vie vom Jahre 1800 bis zum Jahre 1850 auf dem Gebiete der Geſchichte 
und ihrer Hülfsrwiffenfchaften erfchienenen Auffäge von Dr. W. Koner, Ber- 
lin, 1854. — Derfelbe Ind den im diefem Hefte der Zeitfchrift bereits ent⸗ 
haltenen Bericht M'Clure's an die Admiralitaͤt, die Nordweſtdurchfahrt be» 
treffend. — Berner theilte Herr Ritter noch einige Bemerkungen über ven 


494 Sitzungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 


neueften Cenſus von London, den von 1851 mit, welche einem Briefe Peter» 
mann's nach den ihm vorliegenden Originalacten entnommen find, und wo⸗ 
nach die Bevölkerung von London damals 2,362236 Seelen betrug. — Herr 
MW. Mofe begann ven Vortrag einer Skizze aus feiner Ießten, der 18. Schwei- 
zerreife, den Thuner See nnd feine Umgebung betreffend. 


Drudfehler und Berbefferungen. 


Seite 245 Zeile 2 von unten. Statt Piſangnuß iſt Binangnuß zu lefen, ba Hier bie 
Nuß einer Kleinen, im Malatifchen Piuang genannten und muthmaßlich wilden 
Areca= Palme identifchen Palme gemeint iR, der Piſang aber feine Ruß bat. 

Seite 400 Zeile 15 von oben ift die Literatur von Tuneflen bei Prax in ber Revue 
de l’orient vollftändiger und richtiger fo zu lefen: 2. Ser. VI, 273— 297; 
337— 358; VII, 149— 161; IX, 212— 220; 153— 165; X, 27—34; 235 
— 242, 312 — 325. 


Gedruclt bei A. W. Schade in Berlin, Gränftrage 18. 


inhalt. 


Gumprecht: Vorwort . 

I. ©. Ritter: Begründung u enwirti— e Sufände. der Me er⸗Re— 
publit Liberia. Hierzu Taf. J. n s ſeg. 

11. 6. Kiepert: Zur Kartographie und Statiſtik von Spanien . 

I. Gumprecht: Die neueren Zuflände von Spanien . . 

VW. H. W. Dove: Die neneften Fortichritte der Hydrographie, Siem u Taf. 1. 

®. Ritter: Ueber neue Entdeckungen und Beobachtungen in ualemala 

und DYucalan. Hierzu Taf. II und IV . . 
A. Petermann: Die lepten Tage Dr. Adolf Dvermweg’ s... 

$. Abich: Erläuterungen zu einem Profile durch den nörblichen Mbhang 
des Kankaſus vom Elburnz bis zum Befchtau. Hierzu Zafel V.. 

R. Goſche: Sebaſtian Branf ale Geograyh . 

D. 3 2 Relie el: Reife von Sumatra nad Pontianaf "auf Borneo im 

ahre 1 . 

. und 5. Schlagintwett: Bericht über bie Befteigung des Monte 
en in Pe 1851 und über vie Höhenmeflung feiner Gipfel. 
Hierzu Ta 

C. Ritter: Die Anffindung der Nordweſt⸗ Paſſage durch Gap m Gin 
nach den offlciellen Berichten . . 

XU. 9. ®. Fils: Baromelrifche Höhenmeffungen in Scäleflen . 


Neuere Literatur. 


Gumprecht: Official Report of the United States expedition to explore 
the Dead Sea and the river Jordan by. Lieut. W. F. Lynch U. S. N. 
Baltimore 1852 . . 

Su mpret: Voyage sur la cöte et dans l’interieur de P’Afrique occidentale 

yacinte Hecquard. Paris 1853 . . 

Rebind Stansbury’s Reife nach dem Thal des "großen Utah: Sers . 

Gumprecht: The Cape of Good Hope Almanac pro 1852 . 

E. v. Sydow und Gumprecht: Skizze der —— und hydrogra⸗ 
phiſchen Verhaͤltniſſe von Liv», Eſth⸗ und Kurland, von K. Rathlef. 

Miscellen. 

Andree: Der Genfns Galiforniens für das Jahr 1852 . 

Gumprecht: Neuere ruffifche ae Arbeiten . . 

Menefle ——ù über Dr Barth’s Unterfuhungsreife in das Iunere von 
Nord: .. 

Gumprecht: Höhen anf dem Gichefelde und in veffen Umgebung 


RR Re «ii 


- 


Seite 


49 
118 


161 
194 


247 
255 


331 


419 
477 


69 
61 
215 
279 
379 
67 
79 


77 
126 


G. — E. Hoffmann's Unterſuchung des nörblichen Ural und fein Werk 


Gumprecht und $. Sebald: Die Inſel Biliton und die Rarimaninfeln in 
Hinters Indien . . . 

Gumprecht: Das Shrifche "and vebraiſche als lebende Spraden 

Gumprecht: Neue Bodenculturen in Südrußland . . . 

Gapitain Marcy’s Erforfchung der Quellen des Reb- River . 

Andree: Die Eifenbahn vom Mifftfippi zum Stillen Weltmeere . 


Gumprecht: Zufland ver Baumwollen-Induſtrie in Ruflm . . . . . 


Berhältnifie des ländlichen Beſitzthums in Preußen ... 

Gumprecht: Steinkohlen⸗ und Gifengewinnung in Schiefien .. 

Schiffe und Schiffsthaͤtigkeit in damburg, Bremen und d Altona. 

Bevoͤlkerung von Preußen. . 

Bevölkerung von Bayern . . nenn 

Bevölkerung von Sachſen⸗ Beim rn 

Devölferung des Königreiches Sachſen en 

Bevölkerung von Baden . . . 

A. Ravenftein: Landesvermeflung in Raſſau. nn 

Andree: Dr. Halſtedt und die Landenge von Darin . 2. 

Goldlager in Peru. . en 

Bumpredt: Schnee und Schneelager im tropifchen Afrika 

Neueſte Berichte über Dr. Bogel’s Unterſuchungs-Expedition in Nord» Afrika 

Gumprecht: Altamerifanifche Denkmäler am Eoloradoftrom in Nord : Ame- 
rifa, nach norbamerifanifchen Berichten. . 

Gumprecht: Neuefte Berichte über vie Unterfuchungs- Erpebition in Nord: 
Afrifa, nad) A. Petermann . . 

A. v. Humboldt um ©. Ritter: Die Auffindung. der © Roche: Paflage 
durch Gapitain DM’ Elure. (Hierzu, Tafel VI.).. . 

Gumprecht: Der Bezirk von Sfar in Tunefien . .. 

N Nitter: Gapitain Sir E. Belcher's Norbpolar: Entdeckungen .. 
A. Petermann: Ueber das Innere Auſtraliens .. 

Gapit. Irminger: Ueber Meeresftrömungen im atlantifchen Deean . 

Krapf: Sprachlihe Unterfuchungen im öftlihden Süd-Afrifa . . 


zeriht über! die Sipungen der :Geſelſchaft für Gröfunde au‘ Berlinam 2. gufi 1853 
6. 


Desgl. ⸗ Aug. = 
Desgl. er rn a : 3.Sept. = 
Desgl.2012. Oct. ⸗ 
Desgl. ne. ⸗858. Nov. = 
Desgl. -3. Dec. = 


493 


Uebersicht 


der von Anfang des Jahres 1852 bis gegen Ende des Jahres 1853 


auf dem Gebiete der Geographie 


erschienenen 


Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. 


Zusammengestellt 


von 


W. Koner. 


Zeitschrift f. allgem. Erdkunde Bd. I, Anhang. a 





Greeographische Lexica, Literarische Hülfsmittel und Zeit- 
hriften 


sc 


Ritter, Geographisch - statistisches Lexi- 
con über die Erdtheile, Länder, Meere, 
Buchten etc. 4. umgearb. Aufl. Von 
W. Hoffmann, C. Winderlich u. C. Cra- 
mer. 1.—4. Lief. Leipzig 1853. 8.1 
— 640. 4. (%& 20 Sgr.) 

Johnston (K.), Dictionary of geography, 
descriptive, physical, statistical and histo- 
rical forming a complete general gazet- 
teer of the world. Boston 1852. 1482 
8. 8. 

Gazetteer of the world, or dictionary of 
geographical knowledge. Edited by a 
Member of the Geogr. Society. Vol. II. 
London 1852. 8. 

M’Culloch (J. R), A dictionary, prac- 
tical, theoretical, and historical, of com- 
merce and commercial navigation. New 
edition, corrected to 1852; with a 
supplement. London 1852. 15620 8. 8., 
with maps and plans. (50 S.) The new 
supplement, separately. (4 8. 6. d.) 

Kramers (J.), Geographisch woorden- 
boek der geheele aarde. 9 — 10 afle- 
vering. Gouda 1868. 8. (1 Fl. 50 Ct.) 

Juynboll (T.G. J.), Lexicon geographi- 
cum, cui titulus est Mer&rid el-Ittilä’ 
e duobus codd. mass. Arabice editum. 
Fasc. IV. Lugduni Batav. 1852. 8. 

Smith (W.), A dictionary of Greek and 
Roman geography. By various writers. 
Nlustrated with coins, plans of cities, 
districts, and battles etc. Part 1. Lon- 
don 1852. 8. (4 8.) 


Koner (W.), Repertorium über die vom 
J. 1800 bis zum J. 1850 in Akademi- 
schen Abhandlungen, Gesellschaftaschrif- 
ten u. wissenschaftlichen Journalen auf 
dem Gebiete der Geschichte und ihrer 


Hülfswissenschaften erschienenen Auf- 
sätze. Bd.Il. Hft.2. Geographie, Reisen, 
Ethnographie und Statistik. (Auch mit 
Separat-TiteL) Berlin 1854. S. 174 — 
480. gr. 8. (2 Thir.) 

Zuchold (E. A.), Bibliotheca historico- 
geographica oder systematisch geord- 
nete Uebersicht der in Deutschland und 
dem Auslande auf dem Gebiete der ge- 
sammten Geschichte und Geographie 
neu erschienenen Bücher. 1. Jahrgang. 
1. Hft. Jan. — Juni. Göttingen 1858. 
bb 8. 8. (5 Sgr.) 

Catalogue of tbe library of the Royal 
Geographical Society. Corrected to May, 
1851. London 1852. 146 8. 8. (88. 
6 d.) 

Auswanderer-Bibliothek. Verzeichnifs der 
seit den letzten 10 Jahren erschienenen 
Schriften und Karten für Auswanderer, 
mit Angabe der Stärke, der Verleger etc. 
Rudolstadt 1862. 88 S. gr. 8. (4 Ser.) 

Galle (J. G.), Register zu v. Zach’s mo- 
natlicher Correspondenz zur Beförderung 
der Erd- und Himmelskunde. Gotha 
1852. XI. 2208. 8. (1 Thir. 15 Sgr.) 


Monatsberichte über die Verhandlungen 
der Gesellschaft für Erdkunde zu Ber- 
lin. Herausg. von T. E. Gumprecht. 
Neue Folge. Bd. IX. X. Berlin 1852. 
1858. 8. (1 Thir. 15 Sgr.) 

Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. Mit 
Unterstützung der Gesellschaft für Erd- 
kunde zu Berlin und unter besonderer 
Mitwirkung von H. W. Dove, C. G. Eh- 
renberg, H. Kiepert und C. Ritter in 
Berlin, K. Andree in Bremen, A. Peter- 
mann in London und J. E. Wappäus 
in Göttingen, herausgeg. von Dr. T. E. 


_W Einleitende Schriften. 


Gumprecht. Bd. I. 6 Hefte. Berlin 
1858. gr. 8. (2 Thlr. 20 Ngr.) 

Berghaus (H.), Geographisches Jahrbuch 
zur Mittheilung aller wichtigen neuen 
Erforschungen. IV. Hft. Gotha 1852. 
64 S. Mit 3 Karten. gr. 4. (1 Thlr.) 
Angezeigt im: Leipziger Repertorium d. 
Lit. 1852. III. p. 23. 

Das Ausland. Eine Wochenschrift für 
Kunde des geistigen und sittlichen Le- 
bens der Völker. Redact. E. Widen- 
mann. 25.u. 26. Jahrg. 1852. 58. In 
Nummern. Stuttgart. 4. (9 Thlr. 10 Sgr.) 

Hansa. Organ für deutsche Auswanderung, 
Colonisation und überseeischen Verkehr. 
N. 86— 165. Hamburg 1853. Fol. 

Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Ein 
Bote zwischen der alten und neuen Welt. 
Unter Mitwirkung der Herren Dr. Bütt- 
ner und Tr. Bromme herausgegeb. von 
G.M.v. Rofs. Mit Karten, Plänen u. 
Illustrationen. 6. u. 7. Jahrg. 1852.53. 
156 Nrn. Rudolstadt. gr. 4. (8 Thlr.) 

Hamburger Zeitung für deutsche Auswan- 
derungs- und Kolonisations-Angelegen- 
heiten. Nr. 1— 10. Hamburg 1853. 
gr. Fol. (2 Thir.) 

Deutsche Auswanderer-Zeitung. Redact.: 
v. Lengerke, später Pustau. Jahrg. 
1852. 68. 104 Nra. Bremen. Imp. 4. 
(2} Thir.) 

Portfolio für Länder- und Völkerkunde, 
Mittheilungen des Neuesten und Inte- 
ressantesten aus dem Gebiete der Geo- 
graphie, Statistik, Ethnographie etc. 
Unter Benutzung der zuverlässigsten 
Quellen herausgeg. von H. F. Unge- 
witter. Lief. 1. 2. Wien 1868. IV u. 
256 S. gr. 8. (A 27 Sgr.) 

Archiv für wissenschaftliche Kunde von 
Rufsland. Herausgeg. von A. Erman. 
Bd. XI. XII. Berlin 1852. 58. 691 u. 
665 S. 8. (A Bd. 5 Thir. 10 Sgr.) 

Bulletin de la Socidte de Geographie, re- 
dige par M. Cortambert etc. IV 
Ser. T. IN. IV. 1852. T. V. 1853. 
Paris. 8. 

Nouvelles annales des voyages et des scien- 
ces geographiques, rédigées par M. Vi- 


Einleitende 


Ritter (C.), Einleitung zur allgemeinen 
vergleichenden Geographie, und Abhand- 
lungen zur Begründung einer mehr wis- 
seuschaftlichen Behandlung der Erd- 
kunde. Thl. 1. Berlin 1852. VI und 
246 8. gr. 8. (1 Thlr.) Angezeigt Im: 


vien de Saint-Martin. Nouvelle 
Ser. 1852. T. I-IV. 1858. T.I.II. 

Revue de !’Orient, de l’Algerie et des co- 
lonies. Bulletin des actes de la Societe 
Orientale de France. BRed.: M. Ubi- 
cini. Paris. 1852. 58. gr. 8. 

Revue Orientale et Algerienne. Recueil de 
documents sur l’histoire, la geographie, 
les religions etc. des diverses contrees 
de l’Orient etc. T. 1— V. Paris. 1852. 
1853. gr. 8. 

Tijdschrift vor Nederlandsch Indis. 14de 
en 15de Jaargang. Uitgeg. dor Dr. W., 
R. van Hoitvell. Zalt-Bommel. 1852. 
1853. (Jan. — Octob.) gr. 8. 

The Journal of the Indian Archi 
and Eastern Asia. Edit. by J. R. Lo- 
gan. Singapore 1852. 58. (Jan. — 
March). 8. 

Colburn’s United Service Magazine and 
Naval Military Magazine. 1852. 53. 
Jan. — Octob. gr. 8. 

The Colonial Magazine. Vol. XXIII. Lon- 
don 1852. 556 S. gr. 8. 

The Colonial and Asiatic Review. July 
to Dec. 1852. Vol. I. London 1852. 
620 S. Vol. I. Januar to June 1853. 
ibid. 1853. 496 S. 8. 

Revista trimensal de historia e geographia 
del Instituto historico e geographico 
Brazileiro. T. XV. Rio de Janeiro 
1862. 8. 

Mittheilungen des statistischen Burean's 
in Berlin. Herausgegeben von Diete- 
rici. dB. u. 6. Jahrg. Berlin 1852. 63. 
gr. 8. 

Journal of the Statistical Society of Lon- 
don. Vol. XV. London 1852. XVI. 
1858. Part. I—II. 8. 

Giornale di statistica compilato nella di- 
rezione centrale della statistica di Si- 
cilia. Palermo 1852. 8. 

Bulletin of the American Geographical 
and Statistical Society. Vol. I for the 
year 1852. New York 1852. 80 8. 8. 
Mit 1 Karte. 

Banfield (T. C.): The statistical com- 
panion for 1852. London 1852. 1508. 
12. (5 8.). 


Schriften. 


Leipziger Repertorium der Lit. 1852. 
III. p. 20. 

Malte-Brun, Progres des sciences geo- 
graphiques en 1851. — Bullet. de la Soc. 
de Geogr. IV=* Ser. V. 1858. p. 27. 

Thomassy (R.), Les Papes geographes 


Biographien. Lehr- und Handbücher. v 


et la cartographie du Vatican. — Nour. 
Annal. d. Voy. Nouv. Ser. 1852. IV. 
p- 57. 1858. I. p. 151. I. p. 7. 

v. Humboldt (A), Cosmos. Translated 
by Col. E. Sabine. Vol. 8, Part 2. 
London 1852. 8. (7 S.) 

v. Humboldt (A.), Cosmos. Translated 
by E.C. Otte and Dr. Paul. With an 
index. Vol. 4. New York 1852. 8. 
(8 8. 6.d.) 

v. Humboldt (A.), Cosmos. Essai d’une 
description pbysique du monde, trad. 
de l’allemand par H. Faye et Ch. Ga- 
luski. T. IH. Part. 1. 2. Bruxelles 
1852. 8. 

Cortambert, Place de la geographie 
dans la classification de connaissances 
humaines; avec une lettre de M. d’Ab- 
badie. — Bullet. de la Soc. de Geogr. 
IV» Ser. III. 1852. p. 226. 289. 

Hamilton (W. J.), Method of geogra- 


phical observation. — Bullet. of the 
American Geogr. and Statist. Soc. |]. 
1852. p. 77. 

Moreau de Jonn&s, Recherches sur les 
origines nationales. — Seances et tra- 
vaux de l’Acad. des Sciences. Compte 
Rendu. T. XXL 1852. p. 265. 

Malthus, Essai sur le principe de po- 
pulation, traduit de l’anglais par MM. 
P. et Guill. Prevost, precede d’une in- 
troduction par P. Rossi et d’une notice 
par Ch. Comte, avec les notes des tra- 
ducteurs et des nouvelles notes par M. 
Jos. Garnier. 2° edit. Paris 1852. 
25 Bog. gr. 8. 

Dieterici, Statistische Beobachtungen 
über die Todesarten und das Verhält- 
nifse derjenigen, welche das höchste Le- 
bensalter erreichen, zu den Culturzu- 
ständen eines Landes. — Abhandl. d. 
Berlin. Akad. d. W. 1853. 


Biographien berühmter Reisender und Geographen. 


Marmier (X.), Les voyageurs nouveaux. | Maury, Notice biographique sur M. de 


2 Vols. Paris 1852. 61 Bog. gr. 12. 
(8 Fr.) 

Geschichte des Seefahrers Ritter Martin 
Behaim, nach den ältesten vorhande- 
nen Urkunden bearbeitet von F. W. 
Ghillany. Eingeleitet durch eine Ab- 
handlung: Ueber die ältesten Karten 
des neuen Continents und den Namen 
Amerika von A. v. Humboldt. Mit 
einer genauen Abbildung des Behaim- 
schen Globus vom J. 1492 in 2 Plani- 
globen nach seiner natürlichen Gröfse 
und 3 der ältesten Karten von Ame- 
rika. Nürnberg 1853. V u. 1228. Fol. 
(10 Thir.) 

Sonuleithner, Ueber den österreichi- 
schen Reisenden Virgil v. Helmreichen. 
— Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss. 
Mathem. Cl. 1852. VII. p. 474. vergl]. 
p- 495. 

Gosche (R.), Sebastian Frank als Geo- 
graph. — Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. 
I. 1858. p. 255. 

Petermann (A.), Die letzten Tage Dr. 
Adolph Overwegs. — Zeitschr. f. all- 
gem. Erdkunde. I. 1853. p. 194. 


Letronne. — Nour. Annal. d. Voy. 1853. 
I. p. 222. 

Kickx, Notice sur l’ancien geographe 
Anversois Jean de Laet. — Nour. An- 
nal. d. Voy. 1858. L p. 173. 

de la Roquette, Notice necrologique 
sur M. Du Bois de Montperreux. — 
Bull. de la Soc. de Geogr. IV®* Ser. II. 
1852. p. 831. 

de Warren, La vie et les oeuvres de 
Victor Jacquemont. — Nour. Annal. d. 
Voy. Nouv. Ser. XXXI. 1852. p. 2567. 

Cortambert, Notice biographique sur 
M. le baron Walckenaer. — Bull. de 
la Soc. de Geogr. IV=* Ser. V. 1853. 
p. 53. 

Demersay (A.), Notice sur la vie et les 
travaux de M. Aime Bonpland. — Bull. 
de la Soc. de Geogr. IV”*Ser. V. 1853. 
p. 240. 

Carmoly (E.), Notice historique sur Ben- 
jamin de Tudele. Nouv. édit., suivie de 
l’examen geograph. de ses ouvrages par 
J. Lelewel. Bruxelles 1852. 8. Avec 2 
cartes. (1 Thilr.) 


Lehr- und Handbücher der Geographie. 


Adami (C.), Commentar zu den Relief- 
und Karten-Globen. Berlin 1852. 66 8. 
gr. 8. (10 Sgr.) 


der Geographie für Schul-Seminarien 
u. s. w., methodisch bearbeitet. Leipzig 
1852. IV u. 76 S. gr. 12. (5 Sgr.) 


Apel (G.), Leitfaden zum Unterricht in | Arendts (C.), Leitfaden für den ersten 


vi Lehr- und Handbücher. 


wissenschaftl. Unterricht in der Geogra- 
phie. 2. verb. Aufl. urg 1858. 
XVI u. 1988. 8. (114 Sgr.) 

Becker (M.A.), Lehr- und Lernbuch der 
Weltkunde. Ein Leitfaden zum urkund- 
lichen Unterrichte für Schule und Haus. 
Im Vereine mit W. F. Warhanek u. C. 
F. Furlani v. Felsenburg bearbeitet und 
herausgegeben. 1. Bd.: Weltkundliche 
Vorschule. Wien 1852. VII u. 199 8. 
gr. 8. (16 Sgr.) 

Bender (Jos.), Lehrbuch der Geographie 
für Gymnasien u. ähnliche Lehranstal- 
ten. Soest 1858. IX u. 272 S. gr. 8. 
(21 Sgr.) 

Berghaus (H.), Die Völker des Erdballs 
nach ihrer Abstammung und Verwandt- 
schaft und ihren Eigenthümlichkeiten. 
Mit 150 Abbild. 2. Ausg. 1.— 40. Lief. 
Bd. I. S.1—462. Bd. II. S. 1 — 176. 
Mit color. Holzschntaf. Brüssel u. Leip- 
zig 1852. 58. Lex. 8. (& 10 Sgr.) 

Berghaus (H.), De volken van den aar- 
boden, volgens hunne afstamming, ver- 
wantschap etc. Uit het Hoogduitsch, 
vertaald doer M. J. van’ Oven. Met 
120 afbeeldingen. 1. Deel. 1 — 4 afle- 
vering. Gorinchem 1858. Lex. 8. (& 2 
Fl. 80 Ct.) 

Blanc (L. G.), Handbuch des Wissens- 
würdigsten aus der Natur u. Geschichte 
der Erde u. ihrer Bewohner. 6. Aufl. 1. 
— 18. Hft. Braunschweig 1852. 58. 8. 
@ 74 Sgr.) 

Bohnenberger (J. G. F.), Anleitang zur 
geographischen Ortsbestimmung vorzüg- 
lich mittelst des Spiegelsextanten. Neu 
bearb. von Dr. G. A. Jahn. Göttingen 
18562. XXII u. 842 S. gr. 8. Mit 5 
Kupfertaf. (Die erste Ausgabe erschien 
1795.) Recens.im Leipziger Repertorium 
d. Lit. 1862. I. p. 224. 

Bormann (K.), Grundzüge der Erdbe- 
schreibung mit besonderer Rücksicht auf 
Natur- und Völkerleben; ein Leitfaden 
für den geographischen Unterricht in 
den mittleren Klassen der Bürgerschu- 
len. 4. verb. u. verm. Aufl. Leipzig 
1852. VIII u. 164 8. 8. (10 Sgr.) 

Brachelli (H. F.), Die Staaten Europa’s 
in kurzer statistisch. Darstellung. Brünn 
1858. 1. Abtheil. S. 1— 240. gr. 8. 
(2 Thir. 8 Sgr.) 

Brandes (H. K.), Geographie von Eu- 
ropa. Für Lehrer an den oberen Gym- 
nasialklassen etc. 2 Bde. Lemgo 1852. 
VI u 508, VII u. 438 S. gr. 8. 


(3 Thir.) Angezeigt im: Leipziger Reper- 
tor. d. Lit. 1852. III. p. 228. 

Brozowsky, Grundrifs der Handelageo- 
grapbie mit vorzüglicher Berücksichti- 
gung des Österreich. Kaiseratastes. Ein 
Handbuch für Handels-, Gewerbe- und 
Realschulen u. s. w. Wien 1852. VI 
u. 4380 S. gr. 8. (2 Thir.) 

Burger, Allgemeiner Umrifs der Erdbe- 
schreibung, für die untersten Klassen 
der latein. Schule. 16. Aufl. Erlangen 
1863. 40 8. 8. (10 Ser.) 

Dommerich (F. A.), Lehrbuch der ver- 
gleichenden Erdkunde für Gymnasien u. 
e. w. in 8 Lehrstufen. 1. Stufe: Vor- 
schule. Hanau 1852. XVIU u, 175 8. 
gr. 8. (18 Ser.) 

Ebensperger (J. L.), Methodischer 
Leitfaden in der Erd- und Himmel«- 
beschreibung. Ein Lem- und Unter- 
richtsbüchlein in 4 Abtheil. Abthl. II. 
Das Vaterland, oder kurze Geographie 
und Geschichte Deutschlands. Ansbach 
1852. 85 9. 8. (4Sgr.; compl. 19 Sgr.) 

Fischer (J. L.), Vollständiges Lehrbuch 
der Geographie mit besonderer Berück- 
eichtigung des Kaiserth. Oesterreich für 
Gymnasien etc. Pesth 1858. XVI und 
888 8. gr. 8. (1 Thir. 9 Sgr.) 

Gegenbaur (J.), Leitfaden für den er- 
sten geograph. Unterricht auf Gymns- 
sien etc. Fulda 1858. IV u. 147 8. 8. 
(14 Sgr.) 

Geisler (H.), Allgemeine Erdbeschrei- 
bung für Schulen des Regierungsbezirks 
Merseburg bearbeitet. Langensalza 1852. 
608. 8. (7} Sgr.) 

Görbrich (F.), Anleitung zum erdkund- 
lichen Unterricht in der Volksschule. M. 
2 lith. Taf. Wien 1858. IV u. 688.8. 
(6 Sgr.) 

Gossmann (J. B.), Lehrbuch der Geo- 
graphie für höhere Unterrichtsanstalten 
und zum Privatgebrauche. Regensburg 
1853. VIII u. 395 8. gr. 8. (25 Sgr.) 

Grube (A. W.), Bilder und Scenen aus 
dem Natur- und Menschenleben in den 
fünf Haupttheilen der Erde. Nach vor- 
züglichen Reisebeschreibungen für die 
reifere Jugend ausgewählt u. bearbeitet. 
2.—4. Tbl. Stuttgart 1852. 8. (& 17 
Ngr.) (Inhalt: Thl. 2. Bilder u. Scenen 
aus Afrika. 222 8. mit 1 Lith. Thl. 8. 
Bilder u. Scenen aus Europa. 240 S. m. 
1 Lith. und eingedr. Holzschn. Thl. 4. 
Bilder und Scenen aus Amerika. 244 S. 
mit 1 Lith. u. 1 Holzschn.) 


Lehr- und Handbücher. 


Grube (A. W.), Geograph. Charakterbil- 
der in abgerundeten Gemälden aus der 
Länder- u. Völkerkunde etc. 4. verb. u. 
verm. Aufl. 3 Thle. Leipzig 1858. XVI 
u. 7478. gr. 8. (2 Thlr. 7} Sgr.) 

—, Skildringar ur naturen och mennisko- 
lifwet i de fem werldsdelame 1.D. 
Öfwersättning. Stockholm 1858. 12. 
(1 R. 16 Sk.) 

Hartmann (W.), Handbuch der Geogra- 
phie. Ein Leitfaden für Schulen u. s. w. 
8. verb. Aufl. Berlin 18568. IV u. 1228. 
gr. 8. (10 Sgr.) 

Hartmann (G. A.), Leitfaden in zwei ge- 
trennten Lehrstufen für den geographi- 
schen Unterricht in höheren Lehranstal- 
ten. 8. verb. Aufl. Osnabrück 1852. IV 
u. 104 8. gr. 8. (5 Ser.) 

Hauke (Fr.), Leitfaden für den Unter- 
richt in der Geographie, mit besonde- 
rer Rücksicht auf das Kaiserth. Oester- 
reich. Für Real-, Handels- u. Gewerbe- 
schulen. 23. Aufl. Wien 1852. IX und 
298 8. gr. 8. 4. Aufl. ibid. 1858. 
(28 Sgr.) 

Heifsler (M.), Kleine Erdbeschreibung 
in Fragen und Antworten etc. 14. verb. 
Aufl. Münehen 1858. 248. 8. (14 8gr). 

Hojssak (M.), Leitfaden für den geogra- 
phischen Unterricht an Unter-Realschu- 
len. 1. Hft. Umrisse und Vorbegriffe. 
Wien 1858. IV u. 60 8. 8. (6 Sgr.) 

Hopf (G. W.), Grundlinien der Handels- 
geographie. Ein Leitfaden für Realschu- 
len. 2. Abthl. Fürth 1868. IV u. 1898. 
8. (16 Sgr.) 

Kapp (E.), Leitfaden beim ersten Schul- 
unterricht in der Geschichte und Geo- 
graphie. 6. verb. Aufl. von Alex. Kapp. 
Braunschweig 1852. VIU u. 160 8. 8. 
(8 Ser.) 

Kützing (F.T.), Die Elemente der Geo- 
graphie als Lehr- u. Lernbuch für Gym- 
nasien etc. 2. Aufl. Nordhausen 1858. 
IV u. 1288. gr.8. (12 Sgr.) 

Liphold (M.), Bilder und Erzählungen 
aus dem Gebiete der Geschichte u. Geo- 
graphie, der Länder- und Völkerkunde. 
2. Bdchn. Mit 1 Kpf. Landshut 1858. 
Io u. 2208. 8. (15 Ser.) 

Locher (Frz.), Allgemeine Geographie, 
oder Lehrbuch der Erdkunde für Gym- 
nasien u. s. w., statist., hist. u. ethno- 
graphisch bearbeit. 8. Lief. Regensburg 
1852. IV u. 8.518— 848. 8. 

Petersen (H.), Lehrbuch der Geographie 
nach den neuesten Stastsveränderungen 


vn 


für Schule u. Haus bearbeitet. 6. verb. 
u. verm. Aufl. Hamburg 1852. 300 S. 
12. (12! Sgr.) 

Polsberw (H.L.), Leitfaden für den geo- 
graphischen Unterricht auf Gymnasien 
etc. 3. verb. Aufl. Berlin 1858. IV u. 
254 8. gr. 8. (18 Sgr.) 

Pütz (W.), Grundrifs der Geographie u. 
Geschichte der alten, mittlern u. neueren 
Zeit, für die oberen Klassen höherer 
Lehranstalten. 1. Bd.: Das Alterthum, 
7. verb. u. verm. Aufl. Koblenz 1852. 
XIl u. 488 8. gr. 8. (25 Ngr.) 

—, Handbook of ancient geography and 
history. Transl. from the German by 
R. B. Paul and ed. by the Rev. Thom. 
Kerchever Arnold. 2d edit. London 
1858. 400 8. 12. (6 8.6.d.) 

Reuschle (K. @.), Beschreibende Geo- 
graphie. Ein Leitfaden der topischen 
und politischen Geographie, mit gehö- 
riger Rücksicht auf Naturgeschichte, 
Statistik und Geschichte; als Zugabe 
zum Atlas. 2 Hälften. Stuttgart 1852. 
1.Hälfte. 8.1— 176. gr. 8. (224 Sgr.) 

Bitter (C.), Die Erdkunde im Verhält 
nifs zur Natur und Geschichte der Men- 
schen, oder allgemein vergleichende 
Geographie. 16.Thl. 1.Abthl. 8.Buch: 
West-Asien. Mit 1 Plan von Jerusalem 
u. 1 Karte von Palästina. 2. stark verm. 
u. umgearb. Aufl. Berlin 1852. XII u. 
884 8. gr. 8. (4 Thir.; fein Pap. 5 Thir. 
25 Sgr.) Auch mit d, Titel: Die Erd- 
kunde von Asien. Bd. VIII. 2. Abthl.: 
Die Sinai-Halbinsel, Palästina u. Syrien. 
2. Abschn. 2. Abthl. Palästina und Sy- 
rien. Fortsetzung. Anger. von Vogel im: 
Bullet. de la Soc. de Geogr. IV Ser. 
IV. 1853. p. 245. 

Röber (C.), Geographische Mittheilungen 
über Europa, Asien und Afrika, oder: 
das Wichtigste aller Länder und beson- 
ders von Deutschland, hinsichtlich der 
Lage, Gröfse, Gebirge und Gewässer 
u. s. w. (In Versen.) Quedlinburg 1868. 
VII u. 857 8. 12. ($ Thlr.) 

v. Roon (A.), Aufangsgrüinde der Erd-, 
Völker- und Staatenkunde. 8 Abtheill. 
9. bericht. Aufl. Berlin 1868. VII u. 
812 S. gr. 8. (15 Sgr.) 

Schacht (Th.), Kleine Schulgeographie. 
6. Aufl. Mainz 1858. VIII u. 1243. 8. 
Mit 1 litb. Karte in Fol. (} Thir.) 

Schalle (E.), Allgemeine oder natürliche 
Erdkunde für gebildete Laien und als 
Material für Lehrer und Lernende u. 





vn 


s.w. Mitlith. Illustr 1.—b. Hft. Dres- 
den 1852. 58. gr. 8, (& 74 Sgr.) 

Scherer (P. A.), Fafslicher Unterricht 
in der Geographie für Schulen u. zur 
Selbstbelehrung. 8. verb. Aufl. Mit 2 
Taf. Innsbruck 1852. VII u. 128 8. 
gr. 8. (10 Sgr.) 

Schneider (R.), Handbuch der Erdbe- 
schreibung und Staatenkunde. 25. — 
81. Lief. Glogau 1852. 68. gr. 8. (& 
5 Sgr.) 

Schouw (J.F.), Proben einer Erdbeschrei- 
bung. Mit einer Einleitung über die geo- 
graphische Methode. Aus d. Dän. übers. 
von H. Sebald. Mit 8 Karten u. 4 Holz- 
schn. Berlin 1862. 1038. gr.8. (1 Thir.) 

Selten (Fr. Chr.), Hodegetisches Hand- 
buch der Geographie zum Schulgebrauch 
bearb. 1. Bd.: Für Schüler. 22. Aufl. 
Halle 1852. XVIu.8828. 8. (12} Sgr.) 

v. Seydlitz (E.), Leitfaden der Geo- 
graphie. Ein Buch für Schule u. Haus, 
6. wesentlich verb. u. bereich. Ausgabe. 
Mit 5 in den Text gedruckten Karten. 
Breslau 1852. 804 S. gr. 8. (173 Sgr.) 

Stahlberg (W.), Leitfaden für den geo- 
graphischen Unterricht. In 8 Kursen be- 
arbeitet. 1. Thl. 1. u. 2. Kursus. 2. 
verb. Aufl. Brandenburg 1852. VIII u. 
79 8. gr. 8. (5 Sgr.) u 

Stein (C.G.D.) und Hörschelmann 
(Fd.), Handbuch der Geographie und 
Statistik für die gebildeten Stände. Neu 
bearb. von J.E. Wappaeus. 7. Aufl. 
8. Lief.: Amerika. Leipzig 185683. 1.Bd. 
8. 8651-510. Lex. 8. (20 Sgr.) 2.Bd. 
1. Lief.: Afrika. Von T.E.Gumprecht. 
VIII u. S. 1—856. (1 Thlr. 16 Sgr.) 

Ungewitter (F. H.), Neueste Erdbe- 
schreibung und Staatenkunde, oder geo- 
graph.-stat.-hist. Handbuch. 8. verm. u. 
verb. Aufl. 1.— 9. Lief. Dresden 1853. 
8.1— 656. Lex. 8. (& 5 Sgr.) 

Vogel (C.), Handbuch zur Belebung geo- 
graphischer Wissenschaft u. 8. w. 1. Thl. 
Naturbilder. 3. sehr verm. u. verb. Aufl. 
Leipzig 1852. XII u. 446 S. gr. 8. 
(1 Thir. 15 Sgr.) 

Volkmar (W.), Leitfaden beim geogra- 
phischen Unterricht. 2. Aufl. Braun- 
schweig 1852. XII u.1568. 8. (10 Sgr.) 

Völter (D.), Lehrbuch der Geographie. 
1. Allgemeiner Theil. 2. verm. u. verb. 
Aufl. Efslingen 1852. IV u. 256 S. m. 
8 Steintaf. gr. 8. (174 Sgr.) 

Wörle (J. G. C.), Kurzgefafste Geogra- 
phie nebst einem Abschnittder biblischen 


Lehr- und Handbücher. 


Geographie für die Hand der Schüler 
in Volksschulen. 11. Aufl. Mit 1 Karte. 
Stuttgart 1858. 79 8. 8. (8 Ser.) 

Wohlers (Chr. Fr.), Grundrifs eines stu- 
fenweise zu erweiternden Unterrichts in 
der Erdbeschreibung, vorztiglich für die 
Elementarklassen in den K. Pr. Cadet- 
ten-Instituten. 6. Aufl. 1. Ausg. Mit 8 
Karten. Neu bearb. von F. G.L. Wal- 
ter. Berlin 1852. X w 102 8. gr. 16. 
(12 Sgr.) 

Zimmermann (W.F.A.), Das Meer und 
seine Bewohner. Seitenstück zu K. F. 
V. Hoffmann’s Erde und ihre Bewohner. 
Mit 12 Steintaf. 8. Aufl. 2 Bde. Lan- 
gensalza 1858. 884 8. 8. (24% Thlr.) 

—, Der Erdball und seine Naturwunder. 
Ein populäres Handbuch der physika- 
lischen Erdbeschreibung. Lief. 1. 2. 8.1 
— 144. Berlin 1858. 8. (& 4 Thlr.) 

Die Anfangsgründe der Geographie in Fra- 
gen und Antworten zusammengestellt 
von L. Mitau 1853. IV u. 48 S. 16. 
(4 Thlr.) 


Alishan (Leo), Introduction to the geo- 
graphy of the physical world and the 
geography of Europe. ( Continnation 
p. 17 to 168.) In Armenian. Venice 
1852. 4. 

Allison (M. A.), First lessons in geo- 
graphy, for the use of nursery and ju- 
nior classes. Corrected by the Rev. A. 
B. Power. 21st edition. London 1852. 
8. (9. d.) 

Butler (J. O.), The geography of the 
globe; designed for the use of schools 
and private families. With additions by 
J. Rowbotham. 9th edition, corrected to 
the present time. London 1852. 12. 
(48.6.d.) 

Cobbin (J.), Elements of geographr. 
London 1852. 8. (18.6.d.) 

Darton (M.E.), The earth and its in- 
habitants. London 1852. 880 S. 8. 
(5 8.) 

Fisher (R. S.), The book of the world, 
being an account of all the republics, 
empires etc., in reference to their geo- 
graphy, statistics, commerce etc.; to- 
gether with a brief hist. outline of their 
rise, progress, and present condition. 
8d edition, corrected by the censas re- 
turns of 1851 —52. 2 Vols. London 
1858. 8. With maps and charts. 

Fitch (G.), Introductory letters in geo- 





Lehr- und Handbücher. 1x 


graphy. New York 1869. 88 8., maps 
and cuts. 4. 

Forster (A. F.), General treatise of geo- 
graphy. London 1852. (3 8. 6 d.) 
(Chamber’s Educationsl Course.) 

du Fresnoy (L.), Geography for chil- 
dren, in question and answer. Trans 
lated from the French. 34th edit. Lon- 
don 1852. 8. (2 8.) 

Heale (E. M.), A manual of geography. 
Compiled for the use of military stu- 
dents. London 1858. 284 8. 12. (48. 
6.d.) 

Hughes (W.), A manual of geography, 
physical, industrial, and political: for 
the use of schools and colleges. Lon- 
don 1852. 680 8. 8. (7 8.6.d.) Part 
N, containing the geography of Asia, 
Africa, America, Australasia and Poly- 
nesia. London 1852. 320 S. 8. (4 S.) 

Molineux (T.), A concise introduction 
to the knowledge of the globes; with 
problems, examples, and a series of oc- 
casional exercices: comprising an epi- 
tome of modern geography. 14th edit., 
corrected and improved by Sam. May- 
nard. London 1858. 12. (8 S.) 

Mitchell (A.), A system of modern geo- 
graphy; comprising a description of the 
present state of the world, and its five 
great divisions etc. Illustr. by more 
than 40 coloured maps and numerous 
woodeut engravinge. London 1858. 
828. 4. (6 8.) 

Monteith (J.), Youth’s manual of geo- 
graphy, combined with history and astro- 
nomy. New York 1868. 1718. 12. 

O’Brien (M.), Ansted (D. T.), Jack- 
son (J. R.) and Nicolay (C. G.), 
Manual of geographical science, mathe- 
matical, physical, historical and descrip- 
tive. London 1852. 8. 

Reid (H.), A system of modern geo- 
graphy; ineluding sacred and classical 
geography, directions for the construc- 
tion of maps, with exercices for exa- 
mination. To which are added, treati- 
ses on astronomy and physical geo- 
graphy; with a coloured physical chart 
by W. and A. K. Johnston, a map of 
the world, and illustrations on wood. 
London 1852. 296 S. 8. (Bound 2 8.; 
or with 7 maps, 2 8. 6. d.) 

—, The first book of geography; a text- 
book for beginners. 2d edit. London 
1853. 100 8. 18. (1 8.) 


and answer. By a Lady. New edition. 
London 1852. 18. With illustrations. 
(1 8.) 

Ward’s illustrated geography in question 
and answer. A seqnel to first lessons 
in geography. By a Lady. London 
1868. 108 8. 18. (1 8.) 

The Cabinet Gazetteer: a popular exposi- 
tion of the countries of the world; their 
government, population, revenues, com- 
merce, and industries ete. London 1863. 
904 8. 8. (10 8. 6 d.) 

Modern geography simplified; to which 
are appended brief notices of European 
discovery, with select sketches of the 
ruins of ancient cities. 2d edit. Lon- 
don 1852. 12. (28.6.d.) 

Easy lessons on the terrestrial globe. Lon- 
don 1852. 50 S. 12. (2 8.) 

Boyer (J.), Cours &l&mentaire du geo- 
graphie. Dijon 1852. 6 Bog. 12. 

Cortambert (E.), Abrege de geogra- 
phie physique et politique, redige con- 
form@ment aux nouveaux programmes 
pour l’enseignement dans les classes de 
troisiöme, seconde et rhetorique ete. 
1. partie. 2. edit. Paris 1858. 116 8. 
12. (1 Fr.) 

Dussieux (L.), Cours de geographie 
physique et politique, redige d’apres 
les derniers programmes de l’enseigne- 
ment. 2. edit. Paris 1858. 174 Bog: 12. 

Gaultier, Geographie, refondue et aug- 
ment6e par Dellignidres, Demoyencourt; 
revue et augmentde pour la Belgique et 
la Hollande. 80=*® edit. Bruxelles 1852. 
851 S. 18. Avec cartes. (12.Sgr.) 

—, Familiar geography. 18th edit. Lon- 
don 1852. 8. (8 8.) 

Liagre (J. B. J.), Trait6 elementaire de 
topographie. 2=* ddit. Bruxelles 1852. 
12 


— , El6ments de geometrie et de topo- 
graphie. 2=* Edit. Bruxelles 1852. 12. 

Magin (A.) et Barberet (Ch.), Abrege 
de geographie moderne. Nour. @dition. 
Paris 1858. 5 Bog. 18. 

— —, Cours de g6ographie physique et 
politique. Part. 1. Paris 1858. 7 Bog. 
12. Part. 8. ibid. 94 Bog. 12. 

Malte-Brun (V. A.), G6ographie com- 
plöte et universelle. Nouv. edit. T. ı 
— V. Paris 1862. 8. 

Marchand (A. L.), Elements de geogra- 
phie. 1"° partie. Bruxelles 1858. 66 8. 
12. (6 Sgr.) 


First lessons in geography, in question | Meissas (A.) et Michelot, Manuel de 


x Mathematische und physikalische Geographie. 


göographie. 20” edition. Paris 1858. 
144 S. 18. 

— — , Tableau de geographie. 
Paris 1858. 14 Bog. Fol. 

Vuillet (A.), Esquisse d’une nouvelle 
g&ographie physique, destinde & interes- 
ser la jeunesse & l’dtude de cette science. 
Paris 1852. 54 Bog. 18. (2 Fr. 50 Ct.) 

Alund (O. W.), Elementarkurs i geogra- 
fien, efter de Sydowska kartomas plan 
utarbetad. Stockholm 1852. IV u. 125 
8. 8. (40 Sk.) 


8. edit. 


Hughes (E.), Outlines of scripture geo- 
graphy and history, illustrating the hi- 
storical portions of the Old and New 
Testaments, for the use of schools and 
private reading. London 1858. 860 8. 
12. (4 8.6.d.) 

Pillan (J.), First steps in the physical 
and classical geography of the ancient 
2) Edinburgb 1858. 50 8. 12. (18. 
6d. 

Bevan (W. L.), A manual of ancient 


geography, for the use of schools. Lon- 
don 1852. 1608. 12 (28.6.d.) 

Mezitres (A.), De fluminibus inferorum. 
Paris 1858. 8. 

Petersen (Chr.), Die Kosmographie des 
Kaisers Augustus und die Commenta- 
rien des Agrippa. — Rheinisch. Museum 
J. Philologie. Neue Folge. VIU. Jahrg. 
1852. p. 161 — 210. 

de Santarem, Essai sur l’histoire de la 
cosmographie et de la cartographie pen- 
dant le moyen-Age, et sur le progres 
de la geographie apres les grandes de- 
couvertes du XV”* sitcle, pour servir 
d’introduction et d’explication & l’Atlas 
compos6 de mappemondes et de portu- 
lans, et d’autres monuments geographi- 
ques depuis le VI=* siecle de notre dre 
jusqu’au XVII=, Tom. III. Paris 1852. 
453 Bog. gr. 8. 

Lelewel (J.), Geographie de moyen-Age. 
Accompagnde d’atlas et de cartes dans 
chaque volume. 4 vols. Breslau 1852. 
XLVI u. 761 8. Mit 12 Karten u. ein- 
gedr. Holzschn. gr. 8. (6 Thlr., compl. 
mit Atlas 14 Thlr.) 


Mathematische und physikalische Geographie. 


Hierl (J. Ed.), Grundrifs der mathema- 
tischen und physikalischen Geographie. 
1. Thl.: Die mathematische Geographie. 
Mit 11 Figur. München 1852. 128 S. 
gr. 8. (24 Sgr.) 

The elementary manual of physical geo- 
graphy. London 1853. 180 8. 8. (1 S.) 

Guyot (A.), Earth and man; or physi- 
cal geography in its relation to the hi- 
story of mankind. Slightly abridged 
from the work of A. Guyot, London 
1852. 270 8. 8. (28.6d.) 

Körner (Fr.), Der Mensch und die Na- 
tur. Skizzen aus dem Kultur- und Na- 
turleben. Leipzig 1858. VIII u. 285 8. 
(1 Thir. 12 Sgr.) 

Gartbe (C. G.), Foucaults Versuch als 
direkter Beweis der Achsendrehung der 
Erde angestellt im Dom zu Cöln und 
erläutert durch zwei vorbereitende Vor- 
lesungen, nebst Zusammenstellung eini- 
ger diesen Gegenstand betreffenden Ap- 
parate; Mittheilung wissenschaftlicher 
Versuchs-Reiben und Beschreibung eines 
neuen Apparats, genannt Geostropho- 
meter, mit welchem ohne Pendel die 
Achsendrehung der Erde eskannt wer- 


den kann. Mit 18 Steindrucktaf. Cöln 
1852. 62 8. gr. 8. (1 Thlr.) 

im Leipsig. Repertor. d. Lit. 1852. IV. 
p- 158. 

Slingerproeven, te Deventer. — 
meene Konst- en Leiterbode. 1852. I. 
p. 52. 66. 281. 

Clausen, Ueber den Einflufs der Um- 
drebung und der Gestalt der Erde auf 
die scheinbaren Bewegungen an der Ober- 
fläche derselben. — Bulletin de la Classe 
phys.-mathem. de Ü’ Acad. d. Sciences de 
St. Petersbourg. 1852. N. 2. 

Locke (J.), Observations on terrestrial 
magnetism. (America.) — Smithsonian 
Contributions to Knowledge. Vol. III. 
1852. 

Sawelieff, Kurzer Bericht über magne- 
tische Beobachtungen und geographi- 
sche Ortsbestimmungen, angestellt im 
Jahre 1850 auf einer Reise von Kasan 
nach Astrachan. — Bulletin de la Classe 
Phys.-mathin. de ! Acad. des Sciences de 
8t. Petersbowrg. 1852. N. 8. 

Dove )H. W.), Die neuesten Fortschritte 
der Hydrographie. — Zeitschr. f. all- 
gem. Erdkunde. 1868. p. 118. 


Atlanten, einzelne Karten und Pläne. 


Streffleur, Ueber die Natur und die 
Wirkungen der Wildbäche. Mit einer 
Karte. — Sitzungsber. der Wiener Akad. 


der Wiss. Mathem. Cl. 1852. VIII. 
p- 261. 

Hopkins, On the causes of the great 
currents of the Ocean. — Memoirs of 








x 


the lit. and philos. Soc. of Manchester. 
ll. Ser. Vol. X. 1852. p. 1. 

Ritter (C.), De la disposition gdogra- 
phbique des lieux sur la surface du globe 
et de son influence sur l’histoire de 
Uhumanite. — Bull. de la Soc. de Geogr. 
IV Ser. IIL 1852. p. 8. 


Atlanten, einzelne Karten und Pläne. 


Neuer Atlas der ganzen Erde für gebildete 
Stände und für Schulen. 25 (in Kupf. 
gest. u. color.) Karten etc. von C.G.D. 
Stein, entw. u. gez. von G. Heck, A. 
H. Köhler etc., nebst 9 hist. u. statist, 
Uebersichtstabellen, ausgearbeit. u. neu 
verb. von K. Th. Wagner. 27. Aufl. 
Leipzig 1853. qu. gr. Fol. (4 Thir. 
10 Sgr.) 

—, 5 Ergänzungsblätter. ibid. 1858. gr. 
Fol. (235 Sgr.) 

Berlin (J.), Elementar-Atlas der neuesten 
Erdkunde in 19 illum. Karten nebst 
d. Lehrbuche der Geographie für Volks- 
schulen. 8. verb. Aufl. Wolfenbüttel 
1858. 19 lith. u. col. Karten in qu.gr. 4. 
u. 56 Sp. Text. (10 Sgr.) Auch in 9 8e- 
paratausgaben mit der Karte des betref- 
fenden Landes. 

v. Bose (HL), Allgemeiner Reise- u. Ei- 
senbahn-Atlas, oder specieller Wegwei- 
ser durch ganz Europa. Lief. 1 - 26. 
&168. u. 2 lith. u. illum. Kart. Leipzig 
1863. 8. (& 4 Sgr.) 

Bromme (T.), Atlas zu Alex. v. Hum- 
boldt’s Kosmos in 42 col. Taf. u. er- 


— —— — —— — — — 


läuternd. Text. 4. u. 5. Lief. Stuttgart 


1858. qu. Fol. (& 1 Thlr.) 


Ewald (L.), Handatlas der allgem. Erd- 
kunde, der Länder- und Staatenkunde, 


zum Gebrauche beim method. Unterricht 
und wissenschaftl. Studium etc. in 80 
Karten nebst einem Abrisse der allgem. 
Erdkunde etc. Hit. 26. 27. Darmstadt 
1852. qu. Fol. 4 lith. Bl. in Farbendr. 
(à 12} Sgr.) Fortsetzung des von 
Bauerkeller begonnenen Handatlas. 
Lief. 1 — 25. ibid. 1846 - 52. 

Frommann (M.), Histor. Atlas nach An- 
gaben von H. Dittmar entworf. u. lith. 
3. Lief. Heidelberg 1852. qu. Imp. 4. 
3 lith. u. eolor. Bl. (7 Sgr.) 

—, — 9. verm. Ausg. 2 Abthlgn. ibid. 
1852. qu. Imp. 4. (1 Tblr. 18 Bgr.) 
Hanser (G.), Schul-Atlas über alle Theile 

der Erde und das Wichtigste über das 


Weltgebäude. Revid. u. zum Theile um- 
gearb. von Dr. C. Arendts. 5. verm. u. 
verb. Aufl. Regensburg 1853. qu.gr.4. 
2 Bl. Text, 25 Karten in Stahlst. u. col. 
(1 Thlr. 2% Sgr.) 

Holle (L.), Hist. geogr. Schulwandatlas 
zur alten, mittlern u. neuen Geschichte. 
1. Abthl. Alte Geschichte. Wolfenbüttel 
1858. N. 3. 6. 9. 10. 11 & 4 lith.u. 
illum. Bl. Imp. Fol. 8. Palästina. 6. 
Gallia. 9. u. 10. Italien. 11. Das Rö- 
mische Reich. (& 20 Sgr.) 

— , Schulwandatlas der neuesten Erdkunde. 
N. 17. Königr. Dänemark, Herzogth. 
Schleswig, Herzogth. Holstein, Herzog- 
thum Lauenburg. 4 lith. u. illum. Bl. 
Imp. Fol. (1 Thir., auf Leinw. mitMappe 
2 Thlr.) N. 20. Königr. Preufsen. 7 lith. 
u. illum. Bl. Imp. Fol. (1 Thlr. 10 Sgr., 
auf Leinw. 2 Thir. 20 Sgr.) N. 21. Kai- 
serth. Oesterreich. 6 lith. u. col.BL Imp. 
Fol. (1 Thir. 10 Sgr., auf Leinw. mit 
Mappe 2 Thir. 20 Sgr.) N.86. Böhmen. 
4 lith. u. col. Bl. (1 Thlr., auf Leinw. 
mit Mappe 2 Thlr.) Wolfenbüttel 1852. 
1853. 

—, Kleiner Schul-Atlas der neuesten Erd- 
kunde in 10 Karten. 7. vielfach verb. 
Aufl. Wolfenbüttel 1853. qu. Imp. 4. 
(74 Ser.) 

Kiepert (H.), Compendiöser allgem. At- 
las der Erde u. des Himmels. 11. verm. 
u. verb. Aufl. Weimar 1858. qu.Imp.4. 
35 gest. u. illum. BL u. 6 Bl. Text. 
(1 Thlr. 15 Sgr.) 

—, Erdkarte in Mercators Projection. 
Kupferstich u. colorirt. Weimar 1858. 
(3 Thir.) 

Kiepert (H.) u. Obmann (C.), Oest- 
licher und westlicher Planiglob der Erde. 
Kupferstich u. colorirt. Weimar 1858. 
(4 Thir.) 

Krumbholz (F.), Schul-Atdas. Dresden 
18583. 8 lith. u. illum. Karten. Qu. Fol. 
(10 Sgr.) 

Krümmer (H.), Oestliche und westliche 


au 


Halbkugel. 3. verb. Aufl. Leipzig 1858. 
Imp. Fol. 2 lith. u. col. Bl. (15 Sgr.) 
Kunsch (H.), Westliche u. östliche Halb- 
kugel. Nach den Angaben des Lehrers 
L. Thomas entw. u. gez. Lith. u. col. 

Leipzig 1858. qu. Fol. (8 Sgr.) 

v. Liechtenstern (Th.) u. Lange (H.), 
Neuester Schul-Atlas zum Unterricht in 
der Erdkunde. Braunschweig 1853. 2 
Bl. u. 29 Karten. qu. Fol. (14 Thlr.) 

Mayer (J.), Groschen-Atlas für Krieg u. 
Frieden in 180 Karten. 1. Lief. Hild- 
burghausen 1858. Imp. 4. 2 gest. u. 
col. Bl. (2 Sgr.) 

—, Grofser und vollständiger Kriegs- und 
Friedens-Atlas. Enthaltend die Staaten 
der ganzen Erde. 1.—41.Lief. Hild- 
burghausen 1852. 53. gr. Fol. & 8 lith. 
u. col. Bl. (% 4 Thir.) 

—, Neuester Zeitungs-Atlas für alte und 
neue Erdkunde. 27.—81.Lief. (Schlufs). 
Hildburghausen 1858. 3 Bl. in Kupfer- 
stich u. col. u. 1 Bl. Text. (& 4 Sgr., 
compl. geb. 5 Thir.) 

Ohmann (C.L.), Schul-Atlas von allen 
Theilen der Erde, nach den neuesten 
Werken und Bestimmungen entw. u. gez. 
Neue Aufl. Berlin u. Leipzig 1853. 21 
lith. u. col. Bl. qu. gr. 4. u. 1 ingr.Fol. 
(15 Ngr.) 

Oppermann (M.F.), Schulatlas mit be- 
sonderer Berticksichtigung der physiseh., 
histor. u. ethnograph. Verhältnisse der 
Länder entw. unter Benutzung der Kar- 
tenwerke von Berghaus, v. Spruner etc. 
Hannover 1858. 15 in Kupfer gest. u. 
illam. Bl. Fol. (2 Thir.) 

Ravenstein (A.), Plastischer Schulatlas 
für die 1. Stufe des Unterrichts in der 
Erdkunde. 8. Aufl. Frankfurt a. M. 
1858. qu. gr. 4. 8 Relief-Karten u. 8 
lith. u. col. Karten. (5 Thlr.) 

Riedig, Groschen-Atlas in 40 Karten. 
8. Aufl. 1. Lief. Kupferst. u. col. Zittau. 
qu. Imp. 4. 8 Bl. (3 Sgr.) 

—, Volks-Schul-Atlas über alle Theile der 
Erde in 24 Bl. 6. Auflage. 1. Lief. 
Kupferst. u. col. Zittau. qu. 4. 2 Bl. 
(14 Sgr.) 

Roost (J. B.), Allgemeiner Hand- und 
Schul-Atlas von 30 Karten mit vielen 
erläuternden Beigaben etc. Kempten 
1852. 80 lith. u. col. Bl. u. 1 Bl. Text. 
qu. Fol. (1 Thir. 30 Sgr.) 

Schuberth (J.), Neuester Handatlas der 
alten und neuen Geographie über alle 
Theile der Erde in 60 Karten. 28. u. 


Atlanten, einzelne Karten und Pläne. 


24. Lief. & 2 Bl. Hamburg 1858. (a 
74 Sgr.) 

Sohr (K.), Vollständiger Hand-Atlas der 

neuen Erdbeschreibung über alle Theile 

der Erde in 120 Bl. 5. durch Prof. H. 

Berghaus verb. Aufl. 86. - 60. (letzte) 

Lief. Glogau 1852. 58. gr. Fol. 

Spruner (K.), Histor.geograph. Hand- 

Atlas. XV. Lief. 3. Abthl. 8 Karten x. 

Gesch. Africa’s, America's u. Australiens. 

Gotha 1858. 8 litb. un. col. Bl. mit 2 S. 

Text. gr. Fol. (2 Thir. 20 Sgr.) 

Stieler (A.), Hand-Atlas über alle Theile 
der Erde. Neue Ausg. in 88 illam. Kar- 
ten. 1.— 10. Lief. Gotha 1852. 53. 
qu. Imp. Fol. (& 14 Thir.) 

—, Hand-Atlas über alle Theile der Erde. 
Auswahl von 381 gest. a. col. Karten. 
Gotha 1853. qu. Imp. 4. (14 Thir.) 

Stieler (A.), Schulatlas über alle Theile 
der Erde nach dem neuesten Zustande, 
und über das Weltgebäude. Nach Stie- 
lers Hand-Atlas verkleinert. 38. verb. 
u. verm. Aufl. Gotha 1858. 80 illum. 
Bl. qu. Imp. Fol. (1 Thlr. 5 Sgr.) Auch 
italienisch unter dem Titel: 

— , Atlante scolastico per la geografia 
moderna. 40 tavole incise in rame etc. 
P. I. 20 Bil. qu. Fol. (1 Thir.) 

v. Sydow (E.), Schul-Atlas in 88 Karten. 
4. Aufl. Gotha 1852. 10 S. Text. qu. 
Imp. 4. (1% Thlr.) — 5. Aufl. ibid. 
1853. (1% Thir.) 

—, Wand-Atlas. 1. Abthl. No. 2. Europa. 
9 grofse Sectionen, in 4 Farb. lith., nebet 
Begleitworten. Maalkstab 1:4,000,000. 
4. verb. Auf. Gotba 1858. 28 S. gr.8. 
(In Mappe 14 Thlr.; auf Leinw. 3 Thlr. 
25 Sgr.) 

Thomas (L.), Atlas für Volksschulen. 
Leipzig 1853. gr. 4. 7 lith. u. col. Bl. 
(7, Ser.) 

Vogel’s Netz-Atlas zum Kartenzeichnen 
für Schulen. 7 Bl. auf Wachspapier. 2. 
Aufl. 1853. Fol. In Mappe. (14 Sgr.; 
einzelne Bl. 2} Sgr.) 

Wagner (E.), Atlas der neuesten Erd- 
kunde in 28 (lith. u. col.) Bl. für Schu- 
len und zum Selbstunterricht bearb. etc. 
16. Aufl. Mainz 1853. Imp. 4. (1 Thlr. 
15 Ser.) 

Winckelmann (Ed.), Elementar- Atlas 
für den geograph. Unterricht in 35 (lith. 
u. illum.) Karten. Eingeführt durch Dan. 
Völter. 8. umgearbeit. Aufl. Esslingen 
1858. 1 Bl. Text. qu. gr. 4. (24 Sgr.) 


V. 


Atlanten, einzelne Karten und Pläne. 


Bean’s elementary atlas of modern geo- 
graphy. London 1852. 4. (1 S.) 

— outlines to elementary atlas of modern 
geography. London 1852. 4. (6. d.) 
Black’s school atlas, for beginners. Edin- 

burgh 1852. 4. (28.6.d.) 

— general atlas of the world, sixty-one 
folio maps, engraved on steel, by Syd- 
ney Hall, Hughes, and others. New 
edition, with numerous improvements. 
London 1852. (L. 2 16 S.) 

— general atlas; comprehending seventy 
coloured maps engraved on steel, in the 
first style of art, by Sidney Hall, Wil- 
liam Hughes etc. Embracing all the la- 
test discoveries, obtained from govern- 
ment surveys and expeditions etc., and 
a complete index of 65,000 names. New 
edit. London 1858. Fol. (L. 2 168.) 

Butler (T.), An atlas of modern geo- 
graphy for the use of young persons 
and the junior classes of schools. Com- 
prising 12 coloured maps, selected from 
Bishop Butler's modern atlas by the au- 
thor’s son. London 1858. Roy. 8. (4 8. 
6.d.) 

Collin’s new atlas of the earth. Lon- 
don 1852. Roy. 4. (42 S.) 

Findlay (A. G.), A comparative atlas 
of ancient and modern geography, com- 
prised in 54 coloured maps; with an 
introduction to ancient geography and 
an index. In 2 parts. London 1858. 
Imp. 4. (818.6.d.) 

Companion to Fullarton’s Gazeteer of 
the world. 19 plates. Engraved by G. 
H. Swanton. London 1852. 4. 

Hughes (E.), A new school atlas of 
physical, political and commercial geo- 
graphy ; comprising 17 coloured maps, 
with descriptive letterprees. London 
1858. Roy. 8. (10 8.6.d.) 

— , An atlas of modern geography, for 
elementary schools. London 1852. 8. 
(1 8.; coloured 1 S. 6. d.) 

Johnstone (A. K.), Hand atlas of ge- 
neral and descriptive geography. Lon- 
don 1852. Imp. 4. (21 8.) 

—, A school atlas of general and descrip- 
tivegeography. London 1852. 8. (128. 
6 d.) 

—, An elementary school atlas of gene- 
ral and descriptive geography. London 
1858. 4. (7 8.6.d.) 

—, A school atlas of physical geography. 
London 1852. 8. (12 8. 6d. Ina port- 
folio 4. 16 8. 6.d.) 


x 


Jobnstone (A. K.), Hand atlas of phy- 
sical geography. London 1852. Imp.4. 
(21 S.) . 

— , Geographical projections to thephysical 
and general atlas. London 1852. 4. 
(28S.6.d.) 

Mitchell (S. A.), A new universal atlas: 
containing maps of the various empires, 
kingdoms, states, and republics of the 
world; with a special map of each of 
the United States, plans of cities etc. 
122 maps, plans and sections. Phila- 
delphia 1858. Imp. 4. 

Philip’s introductory school atlas; com- 
prising 18 maps of the principal coun- 
tries of the world, accompagnied by a 
copious consulting index. By J. H. 
Johnson. Liverpool 1852. 22 8. 44 
maps. Imp. 8. (5 S.) 

— young scholar's atlas of modern geo- 
graphy. London 1858. 4. (2 8.) 

— popular atlas of the world, constructeil 
from the most recent and best autho- 
rities; with a copious consulting index. 
By J. H. Johnson. London 1852. Roy. 
4. (8 8. 6d.; coloured, 12 8. 6.d.) 

— comprehensive school atlas of ancient 
and modern geography ; constructed from 
the latest and best authorities; with 
consulting index of upwards of 22,000 
names and places. By J. H. Johnson. 
Liverpool 1852. 50 maps. (10 8. 6 d.) 

Philips (J.), Commercial and industrial 
atlas of the world. Part 1, containing 
Australia and England. Sheet 1, Nor- 
thern Part. London 1852. Imp. folio, 
coloured in outline, and 2 pages of 
letterpress. (2 S. 6. d.) 

Smith’s modern atlas for schools. Lon- 
don 1852. 8. (9 S.) 

The national atlas of modern geograplıy, 
for the use of the schools etc. Con- 
structed from the most recent authori- 
ties. By Gilmour and Dean. A se- 
ries of 10 maps. London 1852. Fol. 
(3 8. 6.d.) 

Parlour atlas of modern geography, con- 
taining 25 outline coloured maps, and 
a copious index. London 1853. Imp.4. 
(8 8.) 

Atlas universel et classique de geographie 
ancienne, romaine, du moyen-Age, mo- 
derne et contemporaine; par MM. Dri- 
oux et Ch. Leroy. Paris 1852. Fol. 
— Recens. in den: Nowe. Annal. d. Voy. 
1858. I. p. 89. 

Vuillemin, Planisphöre elementaire et 


xiıv 


illustre, indiquant la description geo- 
graphique des partics connues de la 
terre etc. Grave par Languevin. Paris. 

Mappemonde hydrographique, dresse par 
M. C. L. Gressier. Publ. par le de 
pot general de la marine. Paris 1852. 
4 Bl. 


Ernst (K.), Wand-Karte der biblischen 
Geographie. Ein Hülfsmittel zur Ver- 
sinnlichung der bibl. Geschichten, mit 
Bezug auf die alte Geschichte. Für 
Schullehrer-Seminarien, Gymnasien u. s. 
w. bearb. 2. Aufl. Leipzig 1852. 9 lith. 
Bl. in gr. Fol. (1 Thir. 15 Sgr.) 

M'Leod (W.), An atlas of scripture geo- 
graphy; adapted for the use of training 
colleges, pupil teachers, and the upper 
classes in elementary schools; compri- 
sing 15 coloured maps and a section, 
engraved on 10 plates. The maps com- 
piled and engraved by Edward Weller. 
London 1853. Roy. 8. (7 8.) 

Hoffmann (S. F. W.), Orbis terrarum 
autiquus. Schul-Atlas der alten Welt 
etc. Zeichnung von K. F. Mulert. Stich 
von H. Leutemann. Mit 12 Gedenktaf. 
23. Ausgabe. Leipzig 1858. qu. Fol. 
(75 Ser.) 

Reichardi (Chr. Thph.), Orbis terrarum 
antiquus post auctoris obitum in usum 
juventutis denuo descriptus ab Alb. For- 
biger. Ed. V. Fasc.I—-V. Norimbergae 
1852. 58. 20 Bl. Fol. (& 6 Sgr.; color. 
& 9 Sgr.) 

Voigt (F.), Schul-Atlas der alten Geo- 
graphie. Berlin 1852. 14 lith. u. illum. 
Karten. qu. gr. 4. (1 Thlr. 5 Sgr.) 

Wagner (Fridol.), Orbis antiquus. Schul- 
Atlas der alten Welt nach Mannert, 
Ukert, Wilhelm, Forbiger, Grysar und 
den neuesten Karten bearb. 2. Aufl. 
Mainz 1852. 6 lith. u. illum. Bl. qu. 
Fol. (10 Ser.) 

Orbis terrarum antiquus. Schul-Atlas der 
alten Welt nach d’Anville, Mannert, 
Ukert, Reichard, Kruse, Wilhelm und 
Anderen bearb. 23. verm. Aufl. Gotha 
1852. 15 in Kupfer gest. u. illum. Kar- 
ten und: Kurzer Abrifs der alten Geo- 
graphie von Dr. J. H. Möller. 14 8. 
qu. Imp. 4. (1 Thir.) 

Bannister (S.), A brief description of 
the map of the ancient world, preser- 
ved in Hereford Cathedral. Hereford 
1853. 12. (18.6.d.) 


Karten von Europa. Deutschland. 


Butler (T.), Au atlas of ancient geo- 
graphy for the use of young persons 
and the junior classes in schools. Com- 
prising 10 coloured maps, selected from 
Bishop Butler's ancient atlas by the 
author’s son. London 1858. Roy. 8. 
(48.6.d.) 

Johnston (A.K.), School atlas of classic 
geographv. London 1853. 8. (128. 
6. d.) 

Notice sur la grande carte manuscr., fäite 
& Arques en 1550 par Pierre Desce- 
liers, pour S. M. le roy de France 
Henry II. — Bullet. de la Soc. de Geogr. 
Iv=* Ser. IV. 1852. p. 235. 





Karten von Europa. 


v. Bose (H.), Allgemeiner Reise- und 
Eisenbahn-Atlas oder specieller Weg- 
weiser durch ganz Europa. 1. — 26. 
Lief. Leipzig 1858. 192 S. u. lith. u 
col. 8. (& Lief. 2 Karten, 4 Sgr.) 

Lang (H.), Europa. Kupferstich u. col. 
Nürnberg 1853. Imp. Fol. 6 lith. u. 
col. BL (1 Thir.) 

v. Sydow (E.), Uebersichtskarte der Ei- 
senbahnen von Mittel-E Berlin 
1852. 1 col. Bl. in Kupferstich. Fol. 
(6 Sgr.) 

v.Stülpnagel (F.), (Schul- und Wand- 
karte.) Europa mit polit. Begränzung 
der einzelnen Staaten. 9 Sect. Gotha 
1852. 9 lith. u. color. Bl. Fol. (1 Thir.) 

Weiland (C. F.), Europa; berichtigt von 
H. Kiepert. Weimar 1852. 1 col Bi. 
in Kupferstich. Imp. Fol. (10 Ser.) 

“ Vuillemin, Nouvelle carte itineraire de 
l’Europe, indicant les chemins de fer 
etc. Paris 1853. 

Zimmermann (K.), Karte von Mittel- 
Europa zur Uebersicht der Eisenbahnen 
und Hauptverkehrsstrafsen, nebst An- 
gabe der electrischen Telegraphen. Neu 
bearb. u. in Kupf. gest. von F. W. Klie- 
wer. Berlin 1852. 1 col. BL Fol. (cart. 
in 8. 25 Sgr.; auf Leinw. gez. cart, 
ı Thir. 10 Sgr.) 


Karten von Deutschland. 


Stieler (A.), Kleiner Atlas der deutschen 
Bundes-Staaten für Schulen. 4. Aufl. 
Gotha 1852. 29 col. Bl. qu. Imp. 4. 
(1 Thir. 20 Sgr.) 

Bomsdorff (Th.\. Karte von Denterh- 


Karten von Europa. Deutschland. xv 


land. Gez. un. lith. qu. Fol. Sect. Han- 
nover. Cassel. Frankfurt a. M. Magde- 
burg 1853. (& 10 Sgr.) 

Topograph.-militärische Karte von Deutsch- 
land in 254 Sectionen. Neue revidirte 
Ausgabe. 22.— 24. Lief. Weimar. Fol. 
18 Bl. in Kupferstich. (& 1 Thir.) 

v. Sydow (E.) und Berghaus (H.), 
Deutschland im Maafsstabe von 1: 
3,200,000. Lith. u. Farbendr. von C. 
Bürck. Gotha 1858. Imp. Fol. (1'Thir.) 

Handtke (F.), Wandkarte von Deutsch- 
land, entworfen und nach den besten 
Hülfsmitteln gezeichnet. Glogau. 9 lith. 
u. col. Blätter. (J Thir.; auf Leinwand 
% Thir.) 

Weiland (C. F.), Deutschland. Weimar 
1858. Imp. Fol. Kupferstich u. color. 
(10 Sgr.) 

Mahlmann (H.), Politisch - statistische 
Karte von Deutschland, mit Ausschlufs 
des Österreichisch. Antheils, den Preufs. 
Provinzen Preufsen u. Posen und den 
Königr. der Niederlande und Belgien. 
Neue bericht. Ausgabe. Berlin 1858. 
Imp. Fol. Lith. u. color. (} Thir.) 

Reymann (G. D.), Specialkarte von 
Deutschland. Sect. 59. Angermünde. 76. 
Küstrin. 155. Doullens. 240. Eichstädt. 
250. Bar-sur-Aube. 254. Strafsburg. 
Gezeichnet von F. Handtke. Glogau 
1852.53. Fol. Lith. u. illum. (&4 Thir,) 

Weiland (C.F.), Heilquellen-Karte oder 
die Eisen-, Schwefel-, Alkalien-, Bitter- 
salz- etc., Gas- und Schlammbäder etc. 
in Deutschland u. der Schweiz. Gest. 
von Bürck. 8. von R. Froriep umgearb. 
u. sehr verm. Ausg. Weimar 1852. 1 Bl. 
in Kupferst. u. 1 Bog. Text. Imp. Fol. 
(1 Thir.) 

Heidemann (F. W.), Karte über die 
Schiffbarkeit der Flüsse und über die 
Dampfschiff - Course in Deutschland. 
Halle 1858. Lith. u. col. (} Thlr.) 

Diez ( F. M.). Post- und Eisenbahn-Karte 
von Deutschland u. d. anliegenden Län- 
dern, herausg. von J. C. Baer. Kupfst. 
u. col. Gotha 1858. gr. Fol. (In Car- 
ton 1 Thir. 15 Sgr.) 

—, Eisenbahn-Atlas von Deutschland, Bel- 
gien, Elsafs u. dem nördl. Theile von 
Italien in 16 Specialkarten auf 18 BI. 
Nebst Uebersichtskarte, bearbeitet von 
F. v. Stülpnagel u. J. C. Bär. 6. verm. 
Aufl. Gotha 1852. 48. 18 Karten in 
gr. 4. 1 Karte in Fol. (1 Thlr.) — 
7. Aufl. ibid. 1868, (1 Thir.) 


Hendschel, Post- u. Eisenbahnkarte von 
Deutschland u. den Nachbarstaaten bis 
London, Paris, Montpellier etc. nach 
den neuesten u. zuverlässigsten Quellen 
bearbeitet u. unter seiner Leitung ge- 
zeichn. u. gest. von J. Back, C. Sauter 
u. W. Haase. Frankfurt a. M. gr. Fol. 
6 lith. u. col. Bl. auf Leinw. (8 Thir.) 

Kliewer (F. W.), Eisenbahnkarte von 
Deutschland u. Theilen der angränzen- 
den Länder. 2. Aufl. Berlin 1853. Fol. 
(Nicht col. 6 Sgr.; col. 10 Sgr.) 

Grofs (R.) und Bühler (J. A.), Karte 
der Eisenbahnen u. Haupt-Poststrafsen 
Deutschlands. 6. Aufl., ergänzt bis 1853. 
Stuttgart 1858. Imp. Fol. Stahlstich. 
(4 Thlr.) 

Handtke (F.), Post-, Reise- und Eisen- 
bahn-Karte v. Deutschland, der Schweiz, 
den Niederlanden u. Belgien, nebst Thei- 
len der angrenzend. Länder. Zum Reise- 
gebrauch eingerichtet etc. Neue revi- 
dirte Ausg. für 1853. Glogau. Imp. Fol. 
Lith. u. col. (1% Thlr.) 

Kunsch (H.), Post- u. Reise-Karte von 
Deutschland und den Nachbarstaaten. 
Nach Handtke’s Post- und Reise-Karte 
reducirt. Neue revidirte Ausg. f. 1858. 
Glogau 1858. Lith. u. col. Imp. Fol. 
(15 Sgr.; auf Leinw. 1 Thlr. 2! Sgr.) 

Mayr (G.), Reise- und Uebersichtskarte 
von Deutschland nebst den angrenzen- 
den Ländern, ausgedehnt bis Paris, 
London, Kopenhagen, Warschau, Pesth, 
Venedig u. Genua in besonderer Rück- 
sicht auf Eisenbahn-, Dampfschiff-, Post- 
u. Telegraphen-Verbindungen etc. Mün- 
chen. Imp. Fol. Kupferst. u. col. auf 
Leinw. (1 Thlr. 24 Sgr.) 

Müller (F. A.), Neuester Eisenbahn - At- 
las von Deutschland, Belgien, den Nie- 
derlanden un. dem Lombardisch-Venetia- 
nischen Königr. Entbalt. 9 Eisenbahn- 
Karten. 8. verm. u. verb. Aufl. Stahlst. 
u. col. Nürnberg 1853. (18 Sgr.) 

Paur (J.), Neue Post- und Reise-Karte 
von Deutschland. Neue Ausg. Nürnberg 
1868. Kpfst. u. col. Imp. Fol. (9 Sgr.) 

Platt’s Reise-Karte von Deutschland v. 
den angrenzenden Ländern mit Angabe 
aller Eisenbahn-, Post- u. Dampfschiff- 
fahrts- Verbindungen. Hamburg. Fol. 
Lithochrom. (} Tbir.) 

Schmidt (J. M. F.), Post-Karte von 
Deutschland u. den angrenzenden Staa- 
ten, in 4 Bl. Berlin 1858. Fol. Kupfer- 
stich. (2 Thir.) 


xVI 


Reden u. v. Sydow, Eisenbahnkarte 
von Deutschland u. den angrenzenden 
Ländern etc. Maafsstab: 1:2,500,000. 
Berlin 1858. qu. Roy. Fol. (20 Sgr.) 
Special-Karte der Eisenbahnen Deutsch- 
lands sowie der benachbarten Länder 
zum Gebrauch für das merkantilische 
Publikum. Hannover 18583. Imp. Fol. 
Lith. (3 Thlr.) 


v. 





Weiland (C. F.), Karte von den Kgl. 
Preufs. Provinzen Preufsen und Posen, 
nebst dem Kaiserl. Russ. Königr. Po- 
len. Weimar 1852. 1 col. Bl. in Kpfst. 
Imp. Fol. (10 Sgr.) 

Handtke (F.), Hand-Atlas des Preufsi- 
schen Staats in 86 Bl. 2. Aufl. 8. — 
18.Lief. à 2 lith. u. illum. Karten. Glo- 
gau 1853. (& 4 Thlr.) 

Kreis-Karten der Preufsischen Monarchie. 
23.— 25. Lief. Berlin 1858. 11 lith. 
Karten. Fol. (& 1 Thlr.) 

Handtke (F.), Karte der Provinz Bran- 
denburg. Lith. u. illum. Glogau 1852. 
Imp. Fol. (4 Thlr.) 

Weiland (C.F.), Karte der Provinz Bran- 
denburg. Berichtigt 1846 durch H. Kie- 
pert. Weimar 1852. 1 col. Bl. in Kpfst. 
Imp. Fol. (10 Sgr.) 

Engelhardt (F. B.), Karte vom Regie- 
rangsbez. Potsdam, aus der Mittelmark, 
Ukermark und der Priegnitz bestehend. 
Nach eigenen örtlichen Untersuchungen, 
Aufnahmen etc. und nach den 1810 u. 
1811 von Textor u. v. Oesfeld ausge- 
führten trigonometrischen Vermessungen 
zusammenge . 5. bis zum Januar 
1853 berichtigte Ausg. 4 BL gest. u. 
col. Berlin 1858. (4 Thlr.) 

Schahl (A.), Plan von Berlin. Lith. u. 
color. Berlin 1858. qu. Fol. (In Car- 
ton 16. 10 Ser.) 

Böhm (F.), Plan von Berlin mit dem 
Weichbilde u. der Umgegend bis Char- 
lottenburg. Gest. Berlin 1852. Imp. Fol. 
(2 Thir.) 

—, Grundrifs von Berlin mit nächster Um- 
gegend 1858. Maafsstab 1:12500. Gest. 
von C. Jaettnig. Berlin 1858. Roy. Fol. 
u. 8 8. Text. 16. (In Carton 1 Thlr.; 
color. 1 Thir. 15 Sgr.) 

Wiesner (J. B. R.), Neueste Wandkarte 
von Schlesien mit Rücksicht auf Ge- 
schichte, Statistik und Bodengestaltung. 
Zum Schul- u. Privatgebrauch. Nach 
dem vorzüglichsten Material neu entw. 


— — — —— — — — — — — — — — — — — — 





Karten von Europa. Deutschland. 


u. gez. von H. Kunsch. 8. verb. Auf. 
9 lith. a. col. Bl. Leipzig 1854. gr. 
Fol. (1 Thlr. 15 Sgr.) 

Studt (C.), Plan von Breslau nach den 
neuesten Veränderungen. 4. verm. Auf. 
Breslau 1858. Fol. (12 Sgr.) 

Blume (J.), Der Regierungs-Bezirk Mag- 
deburg. Nach den besten vorhandenen 
Materialien bearb. In Stein gest. u. be- 
richtigt bis zum J. 1853 von A. Platt. 
Magdeburg 1853. Imp. Fol. (1 Thlr.; 
auf Leinw. 1 Thir. 10 Sgr.) 

Bomsdorff (Th.), Special-Karte des Re- 
gierungsbez. Magdeburg, der Anhalü- 
schen Herzogthümer u. der angrenzen- 
den Landestheile. Nach den Preufs. Ge 
neralstabskarten entworfen. Bl.1. Nörd- 
licher Theil. Magdeburg. Lith. u. col. 
18563. (1x Thilr.) 

Sommer (Th.), Plan der Stadt Quedlia- 
burg. Quedlinburg 1852. Imp. Fol. 
(1 Thlr.) 

Topographische Karte der Provinz West 
phalen u. der Rheinprovinz, im Maalı- 
stabe 1:80,000. Herausgegeben von 
dem Königl. Preufsischen Generalstabe. 
No. 61. Birkenfeld. (26% Sgr.) No. 62. 
Kreuznach. (165 Sgr.) No. 68. Metten- 
dorf (Vianden). (16% Sgr.) No. 64. Saar- 
burg. (26% Sgr.) Lith. Berlin 1853. 
qu. Fol 


Ehrenstein (H. W.), Das Königreich 
Sachsen nach den neuesten amtliche 
Unterlagen entworfen. Ausgabe mit den 
Kreisdirektions-Bezirken. Dresden 1852. 
1 lith. u. col. Bl. Eleph. Form. (1 Tblr. 
10 Sgr.) . 
Hübschmann (G.), Karte vom König 
reich Sachsen nebst kurzer Beschreibung 
derselben. Für den Gebrauch in Volkr 
schulen bearb. 2. verb. Aufl. Annaberg 
1858. qu.4. 458. 1 lith. Karte. (18gr.) 
Thomas, Schulkarte des Königr. Sach 
sen. Leipzig 1852. 1 lith. u. col. Bl. 
Imp. 4. (14 Sgr.) , 
Otto (G.), Karte der Sächsisch-Böhmr 
schen Schweiz. Dresden. Fol. Litb- %. 
col. m. 8 8. Text in 16. (83er) 
v. Bose (H.), Karte der Sächs. Schweis 
Litb. u. col. Dresden 1858. qu. Fol 


V. 


Die Sächsische Schweiz aus der Voge- 
schau. Kupferst. Leipzig 1852. gr-Fol 


(10 Sgr.) . 
Aster, Plan der Umgegend von Leipus 


Karten von Deutschland und der Sehweiz. 


mit Berücksichtigung des Schlaehtfeldes. 
Nachgetragen bis 1852. Kupferst. Leip- 
zig 1858. Imp. Fol. (1 Thlr.) 

Plan von Leipaig, aufgenommen u. gest. 
von A. Eltzner. 2.Aufl. Leipzig 1862. 
Imp. Fol. (20 Sgr.) 

Tutzschmann (M. M.), Atlas zur Ge- 
schichte der Sächsischen Länder mit 
Einsehlufs der Schwarzburgischen und 
Reussischen in 22 Karten. Grimma. 
qu. Fol. 22 lith. u. col. Bl. Mit Erklä- 
rungen. IV u. 648. gr. 8. (2} Thlr.) 

Bär (J. C.), Thüringer Wald und Umge- 
bung. Nördliches Blatt. Maafsstab 1: 
200,000. Kupferst. u. col. Gotha 1853. 
qu. Fol. (In Carton 8. 16 Sgr.; auf 
Leinw. 24 Sgr.) 

v. Arnswaldt (B.) und Kiepert (H.), 
Plan der Umgegend von Eisenach. Nebst 
einem Stadtplan, einer Ansicht der Wart- 
burg u. einem Führer in der Umgegend. 
Weimar 1853. 248. 8. Kupferst. u. 
illum. Imp. 4. (20 Ser.) 


Wagner (E.), Plan der Residenz Darm- 
stadt. Darmstadt 1858. Imp. Fol. 
(15 Ser.) 


Winckelmann (E.), Wandkarte von 
Würtemberg, Baden und Hohenzollern. 
Efslingen 18568. 4 lithogr. u. col. BL 
(2 Thlr. 4 Sgr.) 

v. Mittnacht, Königreich Würtemberg 
nebst Theilen der angrenzenden Länder, 
nach dem Maalsstab 1:200,000 in 4 Bl. 
Als Generalkarte des topograph. Atlasses. 
Herausgeg. von d. K. statist.-topograph. 
Bureau in Stuttgart. Stuttgart. Imp. Fol. 
(53 Thlr.) 


Lang (H.), Charte vom Königr. Bayern. 
Nach d. vorzüglichsten Hülfsmitteln ge- 
zeichnet. Nürnberg 1858. Imp. Fol. 
(25 Ber.) 

Uebersichtskarte des Königr. Bayern dies- 
seits des Rheins in 15 Bl., im Maafs- 
stabe 1:250,000. Ortskarte. Gefertigt 
im topograph. Bureau des K. General- 
Quartiermeisterstabes in den J. 1848 — 
18538. München 1858. qu. gr. Fol. 
(8 Thir. 24 Sgr.) 

— — — Terrainkarte. 22 BL ibid. eod. 
gr. 4. (10 Thlr. 28 Sgr.) 

Karte von Mittelfranken mit der Einthei- 
lung in Land-Gerichte (Schul-Karte). 
Nürnberg 1852. Kupferst. u. col. gr. 4. 
(4 Sgr.) 





XVII 


Huber (A.), Bistham Passau, entworfen 
u. gezeichnet. Passau 1852. Fol. Lith. 
u. col. (3 Thlr.) 

Winkler (G.), Histor.-geogr.-statistische 
Karte des Erzbisthums München - Frei- 
sing. München 1852. 1 lith. u. col. Bl. 
gr. Fol. (1 Thir. 20 Sgr.) 

Mayr (G.), Spezielle Reise- u. Gebirgs- 
Karte vom Bayerischen Hochland, Nord- 
tyrol, Salzburg u. Salzkammergut. Neue 
vielfach bericht. Ausg. München. 2 Bl. 
in Kupferst. Fol. (1 Thlr. 4 Sgr. Auf 
Leinw. 1% Thlr.) 


Mayr (G.), Speziclle Reise- u. Gebirgs- 
Karte von Süd-Tyrol mit den angren- 
zenden Ländern. Neue vielfach verb. 
Ausg. München. 2 Bl. in Kupferst. a. 
eol. Fol. (1% Thlr.) 

—, Spezielle Reiss- und Gebirgs-Karte 
vom Lande Tyrol mit den angrenzen- 
den Theilen von Südbayern, Salzburg, 
der Schweiz u. Ober-Italien. Nene viel- 
fach verb. Ausg. München. 4 Bl. in 
Kupferst. u. col. Fol. (24 Thlr.) 

Schach (C.), Karte für Gebirgsreisende 
in die bayer’schen, tiroler, salzburger, 
venetianischen, lombardischen und einen 
Theil der östl. Schweizer Alpen etc. 
Nördl. u. südl. Blatt. München 1858. 
Lith. u. col. (& 22 Sgr.) 

v. Hartwig (E.), Die Umgegend von 
Meran. Berlin. Kupferst. Fol. (8 Sgr.) 

Spezial-Karte des nordwestl. Theiles von 
Böhmen, die Badoorte Carlsbad, Ma- 
rienbad u. Franzensbad umfassend etc. 
Prag. Lith. u. col. 4. (} Thlr.) 

Gegend um Wien, Gratz, Komorm. Ber- 
lin 1852. 1 lith. Bl. Imp. Fol. (1 Thlr.) 

Carte du theätre de la guerre de Hongrie. 
1848-49. Paris 1858. 


Karten der Schweiz. 


Vögelin (J.K.) u. Meyerv. Knonau 
(G.), Historisch-geographischer Atlas 
der Schweiz in 14 Bl. 4. Lief. Zürich 
1858. qu. gr. Fol. BL 7.u. 8, Lith. u. 
col. (& Lief. 1 Thlr.) 

Ziegler (J. M.), Karte der Schweiz. Mit 
Erläuterungen, 1 Register, historischen 
u. statistischen Beilagen. 2. Aufl. Lith. 
u. illum. Imp. Fol. St. Gallen u. Berlin 
1852. XII u. 72 8. hoch 4. (2 Tbir. 
230 Sgr.; auf Leinwand u. in Futteral 
8 Thir. 6 Sgr.) 

—, Exläuterungen zur Karte der Schweiz. 


Zeitschrift f. allgem. Erdkunde Bd. J. Anhang. b 








xvım 


— Eclaireissements de la carte de la 
Suisse. St. Gallen u. Berlin 1852. XII 
u. 72 S. hoch 4. (16 Sgr.) 

d’Osterwald (J. F.), Carte topograph. 
et routiöre de la Suisse et des contredes 
limitrophes; dressde et dessinde. Gravee 
par Delsol. Paris. Fol. 

Heck (J. G.), Der Alpenführer. Neuester 
Reise- Atlas der Schweiz. Kupferstich. 
Leipzig 1852. 20 Karten m. 1 Bl. Er- 
klär., col. Titel u. 2 Uebersichtskarten. 
8. (1 Thlr. 15 Sgr.) 


Canton de Geneve. Lith. Paris. 


Karten von Frankreich. 


Roost (J. B.), Karte von Frankreich für 
d. Hand- u. Reisegebrauch. Neue Ausg. 
München 1852. Imp. Fol. (2 Thir.) 

Atlas zur Geschichte des Consulats und 
des Kaiserreichs von M. A. Thiers. 12. 
u. 18. Lief. Mannheim. qu. Fol. 

Carte agricole et climatologique de la 
France; terres fertiles et infertiles etc. 
Paris 1858. 

Carte de l’administration generale des 
lignes topographiques de la France, 
par M. Sanganson. Paris 1858. 

France en relief, par Sanis. Paris 1858. 

Charpentier, Carte de l’empire Fran- 
cais. Lith. de L. Antoine, Paris. 

France divisee par departements, avec 
sitges archiepiscopaux et dpiscopaux, 
dress6e et dessinde sous la direction de 
J. G. Barbie du Bocage. Avec plan de 
Paris et ses fortifications. Lith. Paris. 

Chemin de fer de Paris & Strasbourg. 4. 
section. Itineraire de la Meurthe. Partie 
eomprise entre Luneville et Sarrebourg. 
7 planches; lith. de Simon. Strasbourg. 

Chemin de fer de Paris & Vincennes et 
ses environs. Lith. Paris. Fol. 

Departement de l’Indre, extrait de la carte 
de France, levee par les officiers d’etat 
major. Publi6 par le Depöt de la guerre 
en 1858, à l’&chelle d’un mötre pour 
80,000. 24 lith. Bl. Paris. Fol. 

Pinson, Plan cadastral du canton de 
Riailli£, arrondissem. d’Amiens. Lith. 
Paris. 

—;, Plan cadastral des cantons d’Ancenis 
et de Varades, arrondiss. d’Ancenis, oom- 
pledte et reduit & l’dchelle d'un 40,000. 
Verifie et publi6 par Ch. de Follenare. 
Lith. Paris 1858. 

—, Plan cadastral du canton de SBaint- 
Gildas-des-Bois, arrondiss. de Sarenay. 


Karten von Frankreich und Grofsbritannien. 


Veriß& et publie par Ch. de Follenare. 
Lith. Paris 1858. 

Carte de l’arrondissement de Saint-Calais, 
depart. de la Sarthe. Lith. Saint-Calais. 

de Jubainville, Carte de l’ancien dio- 
c&se de Troyes et des pagi du dioetse 
de Troyes. Lith. par de Pape-Clansel. 
Troyes. 

Giraud, Carte du littoral de Marseille 
à Toulon. Toulon 1858. 

Carte de l’embouchure de la Girende et 
des pertuis Broton, d’Antioche et de 
Maumussen, redig6ee d’apr&s les doen- 
ments les plus recents. Lith. Paris. 
(4 Fr.) 

Bonnet, Plan de la ville du Mans, avec 
le trac du chemin de fer et l’embar- 
cadere. Paris. 

Plan de la vallde de l’Yvette, entre Che- 
vreuse et Orsay, pour servir d’avanl- 
projet & l’exdcution du prolongement 
pro)6t6 sur Chevreuse du chemin de fer 
de Paris & Orsay. Paris. 

Plan de la ville de Bordeaux, 1853. 
Grav6 par J. B. Tardieu. Bordeaux. 

Plan de la ville de Bordeaux reduit sur 
le grand plan leve par Pierruges et 
D. Béro, revu et corrig6 en 1883, 
avec la liste alphabetique des rues ete 
Bordeaux. 

Plan topographique de la ville de Stras- 
bourg, presentant les dtablissemenis 
publics et toutes les maisons partic# 
lieres dresss d’apres le cadastre. Lith. 
Strasbourg. 

Nouveau plan de la ville de Hävre, coc 
prenant une partie des communes de 
Saint-Adresse, Sanvicet Graville, Sainte- 
Honorine, grav€ par Delamarre. Lith. 
Paris. Fol. 


Karten von Grofsbritannien. 
Kiepert(H.), Die Brittischen Inseln oder 
die Vereinigten Königr. Grofsbritann!e® 
und Ireland. Maafsstab 1: 1,800,000. 
Gest. von F. Kratz. Kupferst. U. 
Weimar 1858. Roy. Fol. (10 Sgr-) 
Bradshaw’s New railway map of 
Britain. London 1858. 8. (5 S.) 
Black’s travelling map of England, Seo 
land, Wales and lakes of England. Lo® 
don 1858. 8. 
Travelling atlas of England and Wale* 
London 1852. 8. (8 8. 6 .d.) 
Perrot (A. M.), Carte religiemse et #4 
ministrative des iles Britanniques, 0" 
prenant le r&seau complet des 


Karten von Dänemark, Schweden, Italien, Türkei etc., Asien. xıx 


de fer et Y’ensemble des voies navi- 
gables, illustr6e de toutes les cathedra- 
les. Gravde par F. Delamare. Paris 
1853. Fol. 

Guy (J.), Ilustrated London geograpby. 
Colour. plates. London 1858. 8. (3 8.) 

Davies’ new map of London and its 
environs. London 1852. (8 8.) 

Black’s travelling map of Ireland. With 
all the stage coach roads, railways, 
and every topographical information. 
London 1858. (1 8.) 

Bradshaw’s railway and travelling map 
of Ireland. London 1858. (3 8., co- 
loured 3 8. 6 d.) 


Karten von Dänemark und 
Schweden. 


Rauert, Die Grafschaft Rantzau. Altona 
1852. gr. Fol. (18 Sgr.)' 

Woliheim (H. J.), Karte vom Herzog- 
thum Lauenburg nach der Kopenhager 
Generalstabskarte von 1844 entworfen, 
revidirt u. verm. Gravirt von Adler. 
Ratzeburg 1852. Roy. Fol. Lith. u. col. 
(2 Tbir.) ’ 

Hahr (A.), Karte öfwer Swerige i 10 Blad. 
1:sta Häftet, Bl. 1 och 2. Grav. af 
L. Bernhardt. Stockholm 1853. (32 B. 
32 Sk.) 


Karten von Italien. 


Desjardins (E.), Atlas geographique de 
l’Italie ancienne compoeé de 7 cartes 
et d'un dictionnaire de tous les noms 
qui y sont contenns. Paris 1852. An- 
gezeigt im: Atkenaeum Frangais. 1858. 
p- 842. 

Abbadie, Carte des altitudes des Py- 
rentes. Chartres 1858. 

Carta topografica di Roma e dei suoi 
contomi fino alla distanza di 10 miglia 
fuori le mura etc. Eseguita coll’ appog- 
gio delle oeservazioni astronomiche e 
per mezzo della mensola delineata sulla 
proporzione di 1:25000. Da Bar. di 
Moltke. 2 BL Berlin 1852. Imp.Fol. 
(4 Thir.) 

Provincia di Noto. Napoli 1852. 1 Bl. 

Stier (G.), Plan der Stadt Pompeji. Nach 
Stanisl. d’Aloe entworfen u. gezeichnet. 
Wittenberg 1858. Fol. (5 Thlr.) 


Karten der Europ&ischen Türkei 
und Griechenlands. 

de Montagnac, Pilote de la mer Noire. 

Application aux cartes sous - marines 


du systeme de topographie sous-ma- 
rine. Paris 1858, 


Correard, Carte du theätre de la guerre 
en Orient. 1 Bl. Fol. Paris. (1 Fr.) 
Empire ottoman, grave par Delamarre. 

Paris. 

Kiepert (H.), General-Karte von der 
Europäischen Türkei. Nach allen vor- 
handenen Original-Karten u. itinerari- 
schen Hülfsmitteln bearb. u. gezeichn. 
4 Bistt. Maafsstab 1:1,000,000. Berlin 
1858. (8 Thlr.) 

Huber (J.), Die Europäische Türkei und 
Griechenland. Nürnberg 1863. Imp.Fol. 
(4 Thlr.) 

Theinert (A.), Europ. Türkei u. Grie- 
chenland nebst den Jonischen Inseln. 
Lith. von F. Hübner. Glogau 1858. Fol. 
(8 Sgr.) 

Handtke (F.), General-Karte der Euro- 
päischen Türkei u. der Republik Monte- 
negro. Verhältuifs 1:1580000. Lith. u. 
col. Glogau 1858. Roy. Fol. (10 Sgr.) 

—, Karte von der Moldau, Wallachei u. 
Siebenbürgen, nebst Theilen der angrän- 
zenden Länder, Verhältnis 1:1863880. 
Lith. u. col. Glogau 1858. Fol. (3 Sgr.) 

Kiepert (H.), Constantinopel u. d. Bospo- 
raus. Maafset. 1:100,000. Lith. v.Birck. 
Farbendr. Fol. Berlin 1858. (15 Sgr.) 

Carte de la Gr&ce; redigee et gravde au 
Depöt de la Guerre d’apres la triangu- 
lation et les levds exe&cutes par les oſſi- 
ciers du corps d’Etat-Major, & l’echelle 
d’un 200,000°. Paris 1852. 6 feuilles. 

Carte de la Gröce & l'’Echelle d’un 900,000o 
servant de tableau d’assemblage & la 
grande carte en 20 feuilles publide par 
le Depöt de la Guerre Paris 1852. 
X feuille. 

Cookesley (W.G.), Explanatory index 
to the maps of ancient Athens. London 
1862. 8. (5 8.) 

Plan d’Athenes. Division de la Greoe en 
nomes, €parchies et dernes. Feuille 10 
de la carte de Grece. Grav6 par Er- 
hard. Paris. 

Carta topografica dell’ isola di Corfu, aull’ 
originalo dell’ iugegnere Sr. P. A. Gi- 
ronei, disegnsto da Fr. G. Rivelli. 
Paris 1852. 


Karten von Asien. 


Atlas von Asien zu Bitter's allgemeiner 
Erdkunde. 11. Abthl. 3. Lief. Bearbeit, 
von H. Kiepert, Berlin 1852. 5 lith. 





zx 


uw. illum. Bl. 4. Lief. 5 litb. u. illam. Bl. 
Mit 4 Bog. Text. (Bl. 1— 4. Die Eu- 
phrat- u. Tigris-Länder, oder Armenien, 
Mesopotamien u. Kurdistan. Bl. 5. Pro- 
file. Hieraus mit besond. Titel: Karte 
von Georgien, Armenien und Kurdistan. 
3 Bl. 14 Thlr.) Roy. Imp. Fol. (& Lief. 
2 Thir.) 

Klaproth (J.), Carte de la Mongolie, 
du pays des Mantchoux, de la Corde 
et du Japon. Paris 1858. (5 Fr.) 

Notice sur une carte routi&re de Meschhed 
& Bokhara et de Bokhara A Balkh, sui- 
vie d’un plan de Bokhara et de ses en- 
virons, par un ingenieur persan, d’apres 
la traduction de M. Garein de Tasry, 
par Sedillot. — Bullet. de Ia Boo. de 
Geogr. IVe« Ser. IV. 1852. p. 221. 

de Bruyn (M. D.), Palaestina ex veteris 
aevi monumentis ac recentiorum obser- 
vationibus illustrata. Edit. II. Kupfer- 
stich. Trajecti ad Rhen. 1852. Imp. 
Fol. (2 Thlr.) 

Hughes (E.), A school atlas of Bible 
Lands, containing 12 maps, engraved 
on steel by Walker. Designed for the 
use of schools and families. London 
1862. (18.6d.) 

Handtke (F.), Wandkarto von Palästina, 
zum Gebrauch für Schulen eingerichtet. 
2. Aufl. Glogau 1858. gr. Fol. 4 lith. 
u. col. Bl. (12 Sgr.; auf Leinw. 1 Thir.) 

Scheidel (J.), Maps of Palestme or the 
Holy Land. Edinburgh 1868. (8 S. 
6. d.) 

Carte de Palestine partagde en 12 tribus, 
avec la sortie des Iaraglites de l’Egypte 
et leur incursion dans le deert. (En 
hebreu.) Dessine par Weil. Paris. 

Eltzner (A.), Das biblische Jerusalem 
aus der Vogelschau. 2. Aufl. in gr. Fol. 
Leipzig 18652. (10 Sgr.) 

Carte muette de la Siberie et des posses- 
sions Russes en Amedrique. Paris. Fol. 

Walker (J.), A new map of India: 
shewing the British territories, subdi- 
vided into collectorates, and the posi- 
tion and boundary of each native state 
etc. Executed by order of the Hon. 
Court of Directors of the East India 
Company. On six sheets. London 1858. 
(L 2.) 


Karten von Afrika. 


Portulan general, ceontenant les plans des 
ports et monillnges, dress€ par M.C. A. 
Vincendon-Dumoulin. (Ocean At- 


Karten von Asien, Afrika und Amerika. 


lantigque, cötes d’Afrique.) Pabl. par le 
Depot general de la marine. Paris 
1862. 4. 

Cöte oceidentale d’Afrique depuis le cap 
Roxo et les files Bissagos jusqu’aux 
les de Los. Publ. par le Depöt 
ral de la marine. Paris 1852. 

Cooley (W. D.), Map of Africa from the 
equator to the sonthern tropic, shewing 
the routes to lake Nyassi, Moesemoezi, 
the Muropue, the Cambeze etc. En- 
graved by F.P. Becker. London 1853. 
qu. gr. Fol. (1% Tilr.) 

Garnier (F. A.), Afrique meridionale. 
Carte extraite de l’atlas encore inédit. 
Paris 18568. Fol. 

Vuillemin (A.), Nouvelle carte de 
l’Afrique, & l’usage des «coles primai- 
res indiquanut les grandes divisions phy- 
siques, politiques, et les colonies Eu- 
ropeennes. Paris. Lith. 

Pellissier, Carte de la ré genoe de Tunis. 
Paris 1858. 

Carte topographique des envirens de Con- 
stantine, d’apres les levds et les recon- 
naissances des officiers d’etat-major et 
autres documents, Publ. par ie Depöt 
de la guerre. Paris 1858. 

Carte topographique de la grande Kabylie 
et d’une partie de la Medjana, d’apres 
les reconnaissances des oflficiers d’etat- 
major et autres documents. Publ. par 
le Depöt de la guerre. Paris 1858. 

Garbe, Chemin de fer d’Alger & Oran. 
Projet. Paris. 

Plan du monuillage de Collo. Paris 18852. 

Plan de V’estusire du Gabon. Publ. par 
le Depöt generale de la marine. Paris 
1852. 

Spreat’s map of the war in Kaffiriand. 
London 1852. (6 d. ; colour. 1 8.) 

A map of the scene of war in Kaffirland; 
with the roads, forts and military vil- 
lages. (6. d.; colour. 1 8.) 

Maillard, Carte de VHe de la Reunion. 
Paris 1853. 


Karten von Amerika. 

Robiquet, Carte generale de 1’Oeden 
Atlantique septentrionale, dressde d’apris 
les documents les phıs recents. Paris 
1858. Lith. (4 Fr.) 

v. Rofs (G. M.), General-Karte von Nord- 
u. Mittel-Amerika u. West-Indien nach 
Lappmann, Disturnel, Colton etc. u. den 
neuosten Berichten. 2 Bl. Kupferst. u. 
filaım. Imp. Fol. Mit: Praktische Winke 


Karten von Amerika und Australien. 


für Auswanderer nach den Vereinigten 
Stasten von Nord-Amerika. Iserlohn 
1858. 82 8. 8. (2 Thir.) 

Holle (L.), Vollständiger Hand-Atlas von 
Nord-Amerika. 40 Bl. 1. Lief. Bl. 1. 8. 
20. 29. 2. Lief. BL 32. 4. 21. 82. Wol- 
fenbäüttel 1853. qu. gr. Fol. (& Lief. 
10 Ser.) 

Pstermann (A.), A chart of Arctic Re- 
gions shewing the recent discoveries and 
illustrating Dr. Sutherlands account of 
a voyage performed by an expedition 
under the command of Capt. Pemy in 
search of Sir J. Franklin 1850 —B1. 
London 18583. 

Chart shewing the North West Passage 
discovered by H. M. Ship Investigator, 
the coast explored in search of Sir J. 
Franklin, by Sir J. Rofs 1848 — 49, 
Capt. M’Chure 1850, Capt. Austh 1850, 
Mr. Penny 1850, Mr. Rae 1851, Mr. 
Kennedy 1852, Capt. Inglefeld 1852 
—58, byE. A. Inglefield, Commander 
H. M. Ship Phoenix. London. Hydrogr. 
Ofäce Admiralty 11. Octob. 1858. 

Bouchotte (J.), Map of the provinces 
of Canada, New Brunswick, Nova Sco- 
tia, Newfoundland and Prince Edward 
Island. Lendon 1852. 6 Bi. 

Smith (C.), Special-Karte der Vereinig- 
ten Staaten von Nord-Amerika. 8. — 
5. Lief. (Schlufs.) Cassel 1862.58. Lith. 
u. col. (& Lief. 22} Ser.) 

Map of the United States of America, the 
British prorinces, Mexico, the West- 
Indies and Central America. Stahlst. 
New York. Imp. Fol. (6 Thir.) 

Bromme (T.), Neueste Post-, Kanal- u. 
Eisenbahn-Karte der Vereinigten Staa- 
ten von Nord-Amerika etc. Stuttgart 
1853. Col. u. 16 S. Text. 8. (18 Sgr.) 

Neueste Eisenbahn-, Kanal- u. Post-Karte 
für Reisende in den Vereinigt. Staaten 
vorn Nord-Amerika, Canada, Texas u. 
Californien. Nach J. C. Smith, Tanner 


Beisen um die Welt etc. xxi 


u. andern neuesten Quellen bearbeitet. 
(Mit 6 Bei-Kürtchen und: Kurze Be- 
merkungen für Reisende nach Amerika 
etc. von E. Pelz. 82 8. gr. 8.) Stahlst. 
a. colorirt. Bamberg 1858. Imp. Fol. 
(18 Sgr.; auf Leinw. 1 Thlr. 2 Sgr.) 

Map of all the rail roads in the United 
States in question and progreſs. Bre- 
men 1858. 4 Bl. Roy. Fol. (3 Thir.) 

Map of Central America, in case. Lon- 
don 1858. 8. (2 8.6.d.) 

Lawrence (G. B.), Chart of the Laguna 
de Terminos, Yucatan. 1850. Published 
by the Hydrographical Office. London 
1852. ı BL (18.6.d.) 

Matenas, Carte de !'ile espagnole de 
Porto Rico. Paris 1858. 

Baie des Sonalves (fle Halti), publ. par 
le Depöt general de la marine. Paris 
1852. 

Robiquet, Carte des oötes de la Pata- 
gonie et des mers du cap Horn, dressee 
d’aprös les traveaux de Fitz Roy. Paris. 
Lith. (4 Fr.) 


Karten von Australien. 

Chart of Papau island, or New Guinea, 
by Capt. Owen Stanley. 1860. Publ. 
by the Hydrograpbical Ofüce. London 
1853. 5 Bl. (10 8.) 

Johnston (W. and A. K.), Emigration 
map of Australia; with the gold di- 
striets. London 1853. 12. (1 8.) 

Philip’s new map of the gold fields or 
Australia. Coloured on a sheet. Liver- 
pool 1852. (1 8.) 

Chart of S. E. coast of Australia, by Capt. 
Stokes. 1851. Nr. 1—4, from Cape 
Howe to Sugar Loaf Point. Published 
by the Hydrographical Office. London 
1852. (aBl. 18.6.d.) 

Plan de la odte septentrionale de Tahiti 
de la pointe Venus & Faarumai. Publ. 
par le Depöt general de la marine. 
Paris 1852. 


Reisen um die Welt und Beschreibungen von Reisen in mehrere 
Erdtheile und Länder. 


Smith (W.), Voyages autour du monde 
et dans les contrees les plus curieuses 
du globe, depuis Christophe Colomb 
jasqu’a nos jours, par les plus celöbres 
navigateurs. 12 Vols. Paris 1852. 3151 
Bog. mit 100 Abbild. u. Karten. gr. 8. 
(85 Fr.) 

Galitzin (E.), Notices sur les voyages 


autour du monde des navigatceurs russes. 
— Bullet. de la Soc. de Geogr. IV 
Ser. III. 1852. p. 444. IV. p. 6. 
Histoire generale de la marine, compre- 
nant les naufrages célèbres, les voyages 
sutour du monde, les decouvertes et 
colonisations, l’histoire des pirates, cor- 
sairee et nedgriers etc. Publ. sous la 


xzxu Reisen um die Welt etc. 


direetion de M. Van Tenac. 4 Vols. 
Aveo 40 gravures. Paris. 101 Bog. 8. 
(72 Fr.) 

Histoire universelle des voyages. Relation 
succincte et pittoresque des navigations 
et des decouvertes les plus interessan- 
tes faites dans les temps les plus re- 
cul&es, dans le moyen &ge et de nos 
jours. Paris. 223 Bog. 8. 

Laud- und See-Bilder aus der Gegenwart. 
Aus den Household- Words des Charles 
Dickens zusammengestellt und übersetzt 
von D. Sägelken. 2. Thl.: Asien und 
Afrika umfassend. Oldenburg 1853. IV 
u. 832 8. 12. (} Tbir.) 

Wilkes (C.), Narrative of the United 
States’ exploring expedition during the 
years 1888 to 1842. 2 Vols. London 
1862. 8. (5 S.) (National Ilustrated 
Library.) 

Jenkins (J. S.), Recent exploring expe- 
ditions to the Pacific and the South 
Seas, under the Americau, English and 
French Governments. London 1858. 
480 8. 12%. (4 S. 6.d.) 

Reisen der Finnländischen Schiffe Atcha 
und Freya um die Welt. — Arch. f. 
wissonsch. Kunde v. Rufsland. XI. 1852. 
p- 327. 

Seemann (Berth.), Narrativeofthevoyage 
of H.M. Ship Herald during the years 
1845 — 51 under the command of Cap- 
tain Henry Kellett being a circumnavi- 
gation of the globe, and three cruizes to 
the Arctic Regions in search of Bir John 
Franklin. 2 Vols. London 1868. XVI 
u. 822 u. 802 8. Mit 2 Abbildg. u. 1 
Karte. 8. (21 8.) 

Pfeiffer (Ida), A Lady’s voyage round 
the world. A selected translation from 
the German by Mrs. P. Sinnet. New 
York 1852. 802 8. gr. 8. (75 C.) 

—, A Woman’s voyage round the world. 
New edit. London 1862. 8. (28. 6d.) 
(illustrated National Library.) 

—, A Lady’s travels round the world. 
Translat. by W. Hazlitt. London 1852. 
4108. 8. (1S.6d.) 

—;, Beis eener vrouw rondom de wereld. 
Uit het Hoogduitsch. 2 Deelen. Go- 
rinchen 1853. gr. 8. (6 Fl. 20 C.) 

v. Görtz (C. Graf), Reise um die Welt 
in den J. 1844—47. Bd. 1.: Reise in 
Nordamerika. Stuttgart 1852. XI und 
440 8. gr. 8. (2 Thlr.) Auch unter d. 
Titel: Reisen und Länderbeschreibungen 
der älteren und neuesten Zeit. Heraus- 


geg. von Ed. Widenmann u. Hm. Haufl. 
86. Lief. 

Steen Bille’s Bericht über die Reise 
der Corvette Galathea um die Welt in 
den Jahren 1845, 46 u. 47. Aus dem 
Dänischen übersetzt u. theilweise bear- 
beitet von W. v. Rosen. Bd. I. Kopen- 
hagen 1852. XIV u. 464 S. mit 7 Li- 
thogr. u. 1 Karte. gr. 8. (8% Tbir.) As- 
gezeigt im: Leipsiger Repertor. d. Lit. 
1852. III. p. 84. 

Campagne de circumnavigation de la fre- 
gatte l’Arttmise, pendant les anndes 
1837 — 40, sous le oommendement de 
M. Laplace, publ. par ordre du gou- 
vernement. T.V. Paris 1858. 84} Bog. 
8. (14 Fr.) 

Gerstaecker (F.), Narrative of a jour- 
ney round the world; comprising a 
winter passage acrols the Andes to Chili, 
with a visit to the gold regions of Ca- 
lifornia and Australia, the South Sea 
Islands, Java etc. 8 Vols. London 1853. 
900 S. 8. (81 8. 6 d.) 

Anson’s voyage round the world. Los- 
don 1858. 8. (1 8.) (Universal Library, 
No. 8.) 

Bernard (W.D.), Narrative of the voya 
ges of the Nemesis. London 1852. 8. 
(6 8.) 

Yvan (M.), Voyages et recite. Les Ca 
naries; Rio de Janeiro et ses environs; 
le Cap de Bonne-Esperance; Bourbon; 
Malacca; Singapore; Pulo-Pinang; Be- 
silan ; Hols; la Chine. 2 vols. Bruxelles 
1862. 275 u. 828 8. 8. (1 Thir.) 

The overland route. — The Coloniel and 
Asiat. Review. 1852. L p. 186. 221. 
820. 367. 1858. II. p. 17. 204 

Lavoile&e (C.), Voyage en Chine. Tea 
riffe. Rio-Janeiro. Le Cap. lle-Bour- 
bon. Malacca. Singepore. Manille. Ma- 
cao. Canton. Ports chinois. Cochin- 
china. Java. (1848 —46(. Paris 1852. 
29% Bog. gr. 8. (6 Fr.) 

Mackinnon, Atlantic and Transatlantic 
sketches, afloat and ashore. 2 vols. Lon- 
don 1852. 490 8. 8. (21 8.) 

Livingston (P.), The poetry of geo 
graphy: a round the world. 
London 1858. 112 8. 12. (32S.6.d.) 

Ransom (S.), Biblical topography. Lec- 
tures on the position and character of 
the places mentioned in the Holy Scrip- 
tures. 2d edit., revised. Londen 1862. 
896 S. 12. With maps and illustrations. 
(5 8.6.d.) 


Reisen etc. in mehrere Erdtheile und Länder. 


Buckley (T. A.), The great cities of the 
ancient world in their glory and their 
desolation. With illustrations. London 
1858. 890 8. 12. (4 8.) 

Scheuermann (E.), Reisebilder, Natur- 
u. Kulturgemälde aus allen Zonen und 
Welttheilen, nach den vorzüglichsten 
neueren Reisewerken bearbeitet. 2 Bde, 
in 6 Tbin. 1. Bd. 1. Thl.: Die Polar- 
welt. 1. Bd. 2. Thl.: aus 
Amerika. Schaffhausen 1852. XII u. 
252, 289 8. gr. 8. (à 18 Sgr.) 

Colvocoresses, Four years in a govern- 
ment exploring expedition to the island 
of Madeira, Cape Verds islands, Brazil, 
ooast of Patagonia, Chili, Peru etc. 
Boston 1852. 8. (6 8.) 

The travels of Ibn Jubair. Edited from 
aMs. in the University Library of Ley- 
den by William Wright. Leyden 1852. 
XXVII u. 860 8. gr. 8. 

Stephens (J. L.), Travels in Egypt, 
Arabia, and the Holy Land. London 
1858. Roy. 8. (1 8.) 

Thomas (J.), Travels in Egypt and Pa- 
lestine. New York 1858. 174 8. 12. 
Dieterici (Fr.), Reisebilder aus dem 
Morgenlande. 2 Theile. Berlin 1858. 
XXI u. 715 S. 8. Mit lith. Karte in 

gr. 4. (3 Thir.) 

du Camp (M.), Egypte, Nubie, Palestine 
et Syrie; dessins photographiques ac- 

d’un texte explicatif. Paris 
1852. 58. fol. 

Patterson (J. L.), Journal of a tour in 
Egypt, Palestine, Syria and Greece: 
with notes, and an appendix on eccle- 
siastical subjects. London 1852. 406 S. 
8. (12 8.) 

Aiton (J.), Tbe lands of the Messiah, 
Mahomet, and the Pope, as visited in 
18561. London 1852. 8. (15 8.) 

Pfeiffer (Ida), Visit to tbe Holy Land, 
Egypt, and Italy. Translated by H. W. 
Dulcken. London 1852. 886 8. 12, 
(2 8. 6 d.) (National Illustrated Li- 


Horsburgh’s Indian directory; or, di- 
rections for sailing to and from the 
East Indies, China, Australia ete. 6th 
edit. 2 vols. London 1852. (LA, 68.) 

Horsburgh (J.), Instructions nautiques 
sur les mers de l’Inde, trad. de l’anglais 
par M. Le Predour. 2=® &dit., revue 
sur la 6=* ddit. anglaise de 1852, par 
M.B. Darondeau et Reille, Paris 1852. 
420 8. 4. 


AXHI 


Rontes par bateaux & vapeur, 6tablies, pro- 
pos6es, et en projet dans l’ockan In- 
dien, trad. de l’anglais par M. de la 
Roquette. — Bull. de la Soc. de Geogr. 
IV=* Ser. III. 1852. p. 88. 

Ware (W.), Pictures of European capi- 
tals. London 1852. 12. (1 8.) 

Bullard (N. Y. J.), Sights and scenes 
in Europe: a series of letters from Eng- 
land, France, Germany, Switzerland, 
and Italy, in 1860. New York 1858. 
255 S. 12. With map and plate. 

Ghillany (F. W.), Eine Tour nach Lon- 
don u. Paris im Sommer 1851. 3 Bde. 
Nürnberg 1852. XXV u. 981 8. gr. 8. 
(3 Thlr.) 

(Schulz), Meine Reise durch Deutsch- 
land, Belgien, Frankreich, Italien und 
die Schweiz. Tagebuch eines Lieflän- 
ders. 2 Thle. Dresden 1868. 764 S. 8. 
(1 Tblr. 10 Sgr.) 

Barrow (J.), A tour on the continent, 
by rail and road, in the summer of 
1852. London 1858. 8. (1 8.) 

Rellstab (L.), Sommermährchen in Reise- 
bildern aus Deutschland, Belgien, Frank- 
reich, England u. Schottland im J. 1851. 
8 Thle. Mit 6 Stahlst. Darmstadt 1852. 
8. (8 Thir.) 

A handbook for travellers on the Conti- 
nent; being a guide through Holland, 
Belgium, Prussia, and Northern Ger- 
many; with index, maps ete. 9th edi- 
tion, corrected. London 1852. 590 8. 
12. (12 8.) 

Coghlan’s France, Belgium, and the 
Rhine; with railways. London 1852. 
280 8. 12. (28. 6.d.) 

Kurze Anweisung für Reisende von Deutsch- 
land nach Kopenhagen, Stockholm und 
Petersburg. Stockholm 1852. 138 8. 
12. (24 Sk). Auch unter dem Titel: 
Kort Anwisning för Resande frän Tysk- 
land till Köpenhamm etc. 

Stephens (J. L.), Incidents of travel in 
Greece, Turkey, Russia, and Poland. 
London 1868. 142 8. 8. (1 8.) (Uni- 
versal Library.) 

v. Wickede (J.), Aus dem Leben eines 
Touristen. Altons 1853. V u. 282 8. 
gr. 8. (1 Thir.) (Reisen durch Algier, 
Frankreich u. Deutschland.) Angezeigt 
im: Leipziger Repertor. d. Lit. 1852. 
IV. p. 164. 

Matenas (C. B.), Renseignements nau- 
tiques sur les cötes de France, d’Angle- 


zxıV 


terre, d’Econse, dIrlande etc. Paris 
1852. 65 Bog. gr. 8. (12 Fr.) 

Willis (N. P.), Summer eruise in the Me- 
diterranean on board of an American 
frigate. London 1858. 296 8. 8. (18. 
6d.) 

Hannay (J.), Sketches in Ultramarine: 
a series of pictures of life in the Medi- 
terranean. 2 vols. London 1858. 6008. 
8. (21 8.) 

Danesi, On the trade of the Black Bea. 


Geographie Deutschlands. 


— Bullet. of the American Geogr. end 
Statist. Soc. I. 1852. p. 61. 

de Kerhallet (Ch. Phil.), Considerations 
generales sur !’Ocdan Atlantique. Paris 
1852. 6? Bog. m. 1 Karte. gr. 8. (2 Fr. 
50C.) Abdruck aus den Anmales Ay- 

. 1852. 

Bayfield (H. W.), Report on Sable Is 
land, in the Atlantie Ocean. — Nawii- 
cal Magazine, March 1852. p. 131 — 
185. 


Special-Geographie einzelner Länder. 


Deutschland. 


Mahlmann (H.), Statistisches Wörter- 
buch von Deutschland, mit Ausschlufs 
des österreich. Antheils, den preufs. Pro- 
vinzen Preufsen u. Posen u. den Königr. 
der Niederlande u. Belgien, mit beson- 
derer Rücksicht auf Gewerbe, Handel u. 
Schifffahrt. Mit 1 Karte. Berlin 1858. 
VI, 88 u.28 8. gr.8. (14 Thir.; ohne 
Karte 20 Sgr.) 

Heidemann (F. W.), Ortschafts-Lexi- 
con für den Post-, Eisenbahn-, Tele- 
graphen- und Schifffahrts- Verkehr in 
Deutschland und in den zu Oesterreich 
u. Preufsen gehörenden nicht deutschen 
Staaten etc. Mit 2 Karten. Halle 1858. 
VO u. 254 S. gr. 8. (1 Thir. 20 Sgr.) 

Billig, Erdkunde von Deutschland und 
seinen Nachbarländern. Ein methodisch 
bearbeitetes Lehrbuch zum Gebrauch in 
Volks- u. Bürgerschulen etc., mit beson- 
derer Rücksicht auf politische u. Kultur- 
Geschichte. Jena 1853. VI u. 888 8. 
gr. 8. (24 Ser.) 

Brace (Ch. L.), Home life in Germany. 
New York 1858. XII u. 448 8. 8. An- 
gezeigt in den: Atlantischen Studien. 
II. 1858. p. 108. 

Meidinger (H.), Die deutschen Ströme 
in ihren Verkehrs- u. Handels-Verhält- 
nissen mit statistischen Uebersichten. 
2. Abthl.: Der Rhein und seine schiff- 
baren Nebenflüsse u. Kanäle. Leipzig 
1858. 8. VIII u. 188 8. Mit 2 lith. 
Karten in Fol. (1 Thir.) 

Der Seehandel und Schifffahrts- Verkehr 
der deutschen Ost- u. Nordseehäfen in 
seiner Gegenwart und wahrscheinlichen 
Zukunft. — Deutsche Vierteljahrsschr. 
1852. I. p. 88. 

Deutsche Eisenbahn - Statistik für das Be- 
triebsjahr 1851. Zusammengestellt von 


der geschäftsführenden Directiondes Ver- 
eins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen 
etc. Stettin 1853. 12% Bog. Tabellen 
u. 24 S. kl. Fol. Nebst 14 Hith. Taf. 
Abbildg. (3 Thir.) 

Ueber die Ursachen der Auswanderung 
aus Deutschland. — Hamburg. Zeitung 
f. deutsche Auswanderungs- Angelegenk. 
1858. N. 2. 

Zur Kultur-Statistik des deutschen Ge 
treidebaues. — Deussche Vierteljahrs- 
schrift. 1852. IL p. 58. 

de Ring (M.), Mémoires sur les etabliese- 
ments romains du Rhin et da Danube, 
principalement dans le sud- ouest de 
V’Allemagne. 2 vols. Paris et Strasbourg 
1858. 8. Analysirt in: L’Atkenacum 
Francais. 1858. 861 8. 

Central-Europa. Panoramische Ansichten 
der vorzüglichsten Haupt- u. Residenz- 
städte, wichtigsten See- und Handels 
plätze, sowie der merkwürdigsten und 
interessantesten Gegenden Mittel-Euro- 
pa’s, namentlich Deutschlands. Mit hist.- 
geograph. Text. 1.— 4. Lief. Leipzig 
1852. 58. (0 3 Stahlst. u. 8 Bl. Text.) 
Fol. (1 Thlr.; einzelne Bl. 15 Sgr.) 

Lange (L.) und Lange (J.), Original- 
Ansichten der historisch merkwürdigsten 
Städte in Deutschland. No. 204 — 215. 
Darmstadt 1852. 58. gr. 4. (& 10 Sgr.) 

Bädeker (K.), Handbuch für Reisende 
in Deutschland u. dem österreichischen 
Kaiserstaat. Nach eigener Anschauung 
u. den besten Hülßsquellen. 5. umgearb. 
Aufl. Nebst 1 Post- u. Eisenbahnkarte, 
Städteplänen etc. 3 Thle. Coblenz 1853. 
XVI u. 524, IV u. 264 8. 8. (3 Thlr.) 

Förster (E.), Handbuch für Reisende in 
Deutschland. 2. verm. Aufl. München 
1858. 8 Bi. 685 8. 8. (3, Tbir.) 

Murray’s handbook for South Germany- 
The Tyrol, Bavaria, Salzburg, Styria, 


Geographie Deutschlands. 


and the Danube. Map. Lon- 
don 1858. 8. (9 S.) 

Murray’s handbook for North Germany 
and Holland; including Belgium and the 
Rhine. London 1858. 8. (9 8.) 

Hugo (V.), A book for tourists on the 
Rhine. Transl. from the French, with 
a guide for touriste by D. Aird. Illustr. 
from designs by Harvey. London 1853. 
1208. (18S.) 

Der Rhein und die Rheinlande, dargestellt 
in maler. Original-Ansichten von Lud. 
Lange. Mit hist.-geograph. Text von 
J. W. Appell. 1. Abtheil.: Von den 
Quellen des Rheins bis Mainz. Lief. 1— 
45. Darmstadt 1842—532. 408 8. Text. 
Lex. 8. (& Lief. mn. 8 Stahlst. 7} Sgr.) 

Müller (Edw.), Die Rheinreise von Düssel- 
dorf bis Basel. Der sichere und kundige 
Führer auf der Reise durch die Städte, 
Burgen etc. Mit 1 Karte und Münzver- 

ichun e. Berlin 1852. IV u. 
187 8. 8. (15 Sgr.) 

Budeker (K.), Rheinreise von Basel bis 
Düsseldorf mit Ausflügen in das Elsafs 
u. die Rheinpfalz, das Murg- u. Neckar- 
thal, an die Bergstrafse, in den Oden- 
wald u. Taunus, in das Nahe-, Lahn-, 
Ahr-, Roer-, Wupper- u. Ruhrthal nach 
Aachen. Mit 15 Ansichten, 2 Karten u. 
den Plänen von Strafsburg, Frankfurt 
etc. 7. verb. u. verm. Aufl. Koblenz 
1852. LIIn. 8448. 8. (1Thlr. 10 8gr.) 

Baedeker (C.), LeRhin de Bäle à Dussel- 
dorf, avec des excursions en Alsace, dans 
le Palatinat rhönan etc. Manuel du voya- 
geur, trad. de l’allemand d’aprös la 7=* 
dit. de la ,‚Rheinreise von Basel bis 
Düsseldorf‘. Avec 15 vues etc. 2. edit. 
Coblenz 1852. XXIV u. 258 8. 8. 
(1 Tbir. 2 Sgr.) 

Coghlan (F.), Miniature guide to the 
Rhine. London 1858. 82. (8 8.) 

v. Bose (H.), Allgemein-geographische u. 
hydrotechnische Beschreibung der Elbe 
mit ihren Zuflüssen. Nebst Mittheilun- 
gen der Schifffahrts. und strompolizei- 
lichen Gesetze u. s. w., ferner einer Sta- 
tistik des Hamburger Handels, der Schiff- 
fahrts-Verhältnisse auf der Elbe u. einer 
Beschreibung der neuen Elbbrücke bei 
Dresden. Mit 1 Karte der Elbe mit ih- 
ren Zuflüssen u. 1 Karte der Elbe bei 
Hamburg. Annaberg 1852. XIV und 
118 8. gr. 8. (16 Sgr.) Angezeigt im: 
Leipziger Repertorium der Lit. 1852. 
I. p. 26. 


XXV 


Führer für Reisende auf der Saarbrücker 
u. pfälzischen Ludwigs-Eisenbahn, und 
in Mannheim, Schwetzingen etc. Nebst 
einer gedrängten Abhandl. des H. Gol- 
denberg über die geognost. Verhältnisse 
des Saarbrücker Landes. St. Johann- 
Saarbrücken 1852. IV und 90 8. 8. 
(10 Sgr.) 

Spieker (C. W.), Der Harz. Seine Ge- 
schichte, Ruinen und Sagen. Zwei Rei- 
sen in d. J. 1800 u. 1850. Berlin 1852. 
X u. 292 8. 8. (1 Thir.) Angezeigt im: 
Leipziger Repertorium d. Lit. 1852. IIL 
p. 84. 

Brandstätter (F.), Die Weichsel. Hist., 
topogr. u. malerisch unter Mitwirkung 
einer Anzahl von kundigen Männern be- 
schrieben. Mit lith. Darstellungen der 
interess. Punkte, nach der Natur ge- 
zeichnet von A. Mann. 1. — 4. Lief. 
Marienwerder 1858, S. 1—124 m. Taf. 
8. (& 10 Sgr.) 

Schweitzer (C. S.), Reisehandbuch für 
den Harz zur Vorbereitung für die Harz- 
reise und als Begleiter auf derselben. 
2. sehr verm. Aufl. Mit 1 Reisekarte. 
Berlin 1852. VIII u. 284 8. 8. (25 Sgr.) 

Kerl (B.), Der Oberharz. Ein Wegweiser 
beim Besuche der Oberharzer Gruben- 
Pochwerke, Silberhütten und sonstigen 
damit in Verbindung stehenden Anstal- 
ten, sowie auch ein Leitfaden bei geo- 
gnost. Excursionen. Claustbal 1852. 
VIII u. 144 8. 12. (10 Sgr.) 

Wegweiser von Harzburg (Neustadt unter 
der Harzburg) nach dem Brocken und 
den interessantesten Punkten des Ober- 
und Unterharzes. Auf Lustreisen von 
1, 2 u. mehr. Tagen berechnet. Qued- 
linburg 1852. 24 8. 16. (5 Sgr.) 

Wegweiser bei einer Lustreise von Qued- 
linburg nach dem Brocken und zurück. 
Auf 2, 8 und mehrere Tage berechnet. 
Quedlinburg 1852. 84 8. 16. (5 Sgr.) 


— — 


or. 2 mim 


Atzerodt (Fr.), Geographie u. Geschichte 
des Königr. Preußsen. Ein Anhang zu 
Lebensbilder IH. Lesebuch für Ober- 
klassen deutscher Volksschulen. Leip- 
zig 1852. 23 8. gr. 8. 

Das Königreich Preufsen in malerischen 
Originalansichten. Von einem hist.-topo- 
graphischen Text begleitet. No. 64. 65. 
6 Stahlst. u. 24 8. Text. Darmstadt 
1868. Lex. 8. (& } Thir.) 





xxVI 


Quandt, Das Land an der Netze und 
die Neumark, wie sie von Pommern be- 
sessen und verloren ward. — Baltische 
Studien. Jahrgang XV. Hit. 1. 1853. 
p. 165. 

—, Die Ostgrenzen Pommerns. — ibid. 
Jahrg. XV. Hft. 1. 1803. p. 206. 

Löschin (G.), Danzig und seine Umge- 
bung. 3. verb. Aufl. Danzig 1853. VIII 
u. 208 S. nebst 1 lith. Plane u. 1 Karte. 
8. (16 Sgr.) 

Beiträge zur Kunde Pommerns. Heraus- 
geg. von dem Vereine für pommersche 
Statistik. 4. Jahrg. 3. IIſt. Auch unter 
dem Titel: Das Zuchthaus in Naugard. 
Beschrieben von Th. Schmidt. Stettin 
1852. 60 S. Mit 2 Steintaf. u. 1 Tab. 
gr. 8. (12} Sgr.) — 6. Jahrg. Hft. 1. 
Th. Schmidt, Die Pommerschen Chaus- 
seen. — ibid. 1853. 45 S. u. Tab. 8. 

Ein Ausflug nach der Insel Rügen. Mit 
Abbildgn. Quedlinburg 1858. 64 S. 8. 
(10 Sgr.) 

Berghaus (H.), Geographisch-historisch- 
statistisches Landbuch der Provinz Bran- 
denburg. 1.u.2.Hft. Brandenburg 1853. 
Lex. 8. (& 15 Sgr.) 

Cosmar (A.), Neuester und vollständig- 
ster Wegweiser durch Berlin und Pots- 
dam etc. 14 verb. u. verm. Aufl. Mit 4 


lith. Taf. Berlin. X u. 222 8. 16. (15 
Sgr.) Umschlagstitel: Ganz Berlin für 


15 Sgr. 


Rellstab (L.), Berlin und seine nächsten | 


Umgebungen in malerischen Original- 
Ansichten. Histor.-topograph. beschrie- 
ben. Darmstadt 1852. 152 S. Mit 81 
Stahlst. Lex. 8. (3 Thir. 20 Sgr.) 
Riehl (W.), Erinnerungen an Potsdam. 
Ein Führer u. Begleiter für Fremde u. 
Einheimisehe u. 3. w. Potsdam 1852. 
20 8. 8. (5 Sgr.; mit lith. Ansicht 


7} Ser.) 

v. Ledebur (L.), Die heidnischen Alter- 
thümer des Regierungsbezirks Potsdam. 
Ein Beitrag zur Alterthümer- Statistik 
der Mark Brandenburg. Berlin 1852. 
VIu.106 8. gr. 8. 

Krebs (Jul), Kurze Beschreibung von 
Breslau. Für Fremde u. Einheimische. 
Nebst 1 Ansicht von Breslau. Breslau 
1852. 14S. 8. (4 Sgr.; mit lithogr. 
Plane 124 Sgr.) 

v. Schatzberg (L. Dorst) u. Leipelt 
(A.), Der Saganer Kreis, topograph., 
histor. u. artistisch u. 8. w. dargestellt. 
3.—6. Lief. Sagan 1852. 8. 17 —48. 


Geographie Deutschlands. 


Mit 3 Steintaf. in Tondr. 4. (& 7, Sgr.; 
die Ansichten einzeln & 5 Sgr.) 

Döring (R.), Warmbrunn u. das Hirsch- 
berger Thal, nebst seinen Umgebungen. 
Ein Reisehandbuch. Brieg 1858. X u. 
2183 S. 8. (274 Sgr.) 

Durchfiug durch das Riosengebirge. Ein 
Album für diejenigen, welche das Riesen- 
gebirge bereisen wollen. Mit 20 Staklist. 
Leipzig 1852. 44 S. br. 8. (1 Thlr.) 

Krebs (J.), Der Sudetenführer.. Taschen- 
buch für Reisende in das Schlesische 
Gebirge, in dessen ganzer Ausdehnung, 
nebst einer kurzen Beschreibung von 
Breslau. 2. gänzlich umgearb. u. verb. 
Aufl. Breslau 1852. VIII u. 199 8. m. 
ı lith. Karte. (27J Sgr.; m. 11 Stahlat. 
1 Thir. 10 Sgr.) 

Riecke (J. Fr.), Alterthümer und Sehens- 
würdigkeiten des vormal. kaiserl. freien 
weltlichen Stifte Quedlinburg u. s. w. 1. 
Lief. Quedlinburg 1852. 4 Steintaf. in 
Tondr. gr. Fol. (1 Thlr.) 

Knauth (L. F.), Wegweiser durch Halle 
u. scine Umgebungen. Mit 1 Plane etc. 
Halle 1853. VIu. 196 8. 12. (12 Sgr.) 

Höhen auf dem Eichsfelde und in dessen 
| Umgebung. — Zeitschr. f. allgemeine 
' Erdkunde. I. 1858. p. 126. 

Giefers (W. E.), Der Badeort Lippe- 
spring u. seine Umgebung. Mit 1 Karte. 
Paderborn 1852. 40 8. 8. (4 Thir.) 
| Coutelle (K.), Elberfeld, topographisch- 
| statistische Darstellung. Elberfeld 1853. 
| Xi u. 162 S. gr. 8. (20 Sgr.) 

Der Drachenfels und die anziehendsten 
Punkte im Siebengebirge. Ein Führer 
für Besucher dieser Gegend. Mit 1 Ar- 
sicht. Bonn 1852. IV u. 66 S. gr. 16. 
(6 Sgr.; mit Ansichten und 1 Karte 
12% Sgr.) 

Benrath (H.), Guide dans Aix-la-Cha- 
pelle, Borcette et leurs environs etc. 

i  Avec 1 plan. Aix-la-Chapelle 1853. 
1708. gr. 16. (18 Sgr. Avec 1 plan 
et 18 vues 1 Thlr.) 

Ewich (O.), Der Führer am Laacher See 
und durch das Brohlthal. Mit Beob- 
achtungen über die Eigenschaften und 
therapeutischen Wirkungen des Heil- 
bronn. Nebst einem Vorworte von Hrn. 
Geh. Bergrath Prof. Dr. J. Nöggerath. 
3 Abbildg. u. 1 Karte des Brohlthales. 
Neuwied 1852. IVu.111S. Mit 1 Tab. 
16. (10 Sgr.) 

Schneegans(Ed.), Der Führer im Nahe- 
thal, nebst einer vollständigen (lith. u. 


Geographie Deutschlauds. 
| 


illum. ) Karte des Nahegebiets, einer 
Fiora des Nahethales, Postrouten, Sta- 
tionen u. 8 w. Kreuznach 1852. IV u. 
80 8. (10 Sgr.) 

Weidenbach (A. J.), Bingen u. Kreuz- 
nach mit ihren Umgebungen. Ein Füh- 
rer für Besucher des Rheingaues und 
des untern Nahethals. Mit 1 Stahlst. u. 
1 Karte. Bonn 1852. 818. 8. (10 8gr.; 
mit 8 Stahlst. cart. 20 Sgr.) 

Mathieux (J.P.), Beschreibung JdesKrei- 
ses Schleiden. Cöln 1851. 57 S. 12. 
(7} Ser.) 

Hlewer, Rundschau des Kreises Saarburg. 
Eine geschichtliche Landschaftsbeschrei- 
bung. Trier 1852. 32 8. gr. 8. (6Sgr.) 

Schröter (Fr.), Ueber die römischen Nie- 
derlassungen u. die Römerstrafsen in den 
Saargegenden. 2. Abthl. — Mittheil. d. 
hist. antig. Vereins für die Städte Saar- 
brücken etc. Saarbrücken 1852. VI u. 
1778. 8 

Ringklib (H.), Statist. Uebersicht der 
Eintheilung des Königr. Hannover nach 
Verwaltungs- u. Gerichts-Bezirken etc. 
Nebst angehängtem statist. Wörterbuch 
etc. Hannover 1858. XXVI u. 222 S. 
4. (1 Thlr.) 

Ulrici (C. W.), Das Königr. Hannover. 
Ein Lesebuch zur näheren Kenntnis 
des hannoverschen Landes, der Bewoh- 
ner etc. Hannover 1853. IV u. 156 S. 
8. (3 Thlr.) 

Wendland (Hm.), Die Königl. Gärten 
zu Herrenhausen bei Hannover. Ein 
Führer durch dieselben. Mit 2 Plänen. 
Hannover 1852. VIII u. 90 S. gr. 12. 
(10 Sgr.) 

Lachmann (W.), Physiographie des Her- 
zogth. Braunschweig u. des Ilarz-Gebir- 
ges. 2. Thl. Auch unter d, Titel: Geo- 
gnosie des Herzogth. Braunschweig u. 
8. w. Nebst 1 geogn. Karte u. 7 geogn. 
Profildurchschnitten auf 2 Taf. in Fol. 
Braunschweig 1852. XIIu. 316 S. gr.8. 
(23 Thlr.) 

Arbeiten des Vereins für Lübeckische Sta- 
tistik. Lübeck 1853. 4. 116 9. 54 Ta- 
beilen in Fol. u. gr. Fol. (1 Thir.) 

Hoffmann (P. F.L.), Der Hamburgische 
Tourist. Ein ausführl. Wegweiser für 
Lustreisende durch Hamburgs Umgebun- 
gen u. s. w. Hamburg 1852. XII u. 


27 Bgr.) 
Neuester Wegweiser durch Hamburg und 
seine Umgebungen. Mit cinem alphabet. 


— — — — —— 


304 8. gr. 16. (15 Sgr.; m. lith. Karte 


KxVvUı 


geordneten Verzeichnifs der städtischen 
Institute u. Gebäude etc. 4. verb. u. 
verm. Aufl. Im Anhang: Die Insel Hel- 
goland und das Seebad daselbst. Mit 
1 Plane von Ulamburg u. 1 Karte. Ber- 
lin 1852. 144 8. 16. (15 Sgr.) Um- 
schlagstitel: Ganz IIamburg für 30 Schil- 
ling. 

Wallace (S.), Homburg and its neigh 
bourhood. An illustrat, guide. With 
map in ful. IIamburg 1853. IV u. 908. 
16. (1 Thlr.) 

—, Hambourg et ses envirous etc. ibid. 
eod. IV u. 90 S. 16. (1 Thlr.) 

Leo (Glo. Ed.), Beschreibung des König- 
reichs Sachsen. Ein Lesebuch. 2. sehr 
verm. Aufl. Waldenburg (Leipzig) 1852. 
VI u. 263 8. gr. 8. (274 Sgr.) 

Richter (M.E.W.), Beschreibung desKö- 
nigr. Sachsen in geograph., statist. u. 
topographisch. Hinsicht, nebst geschicht- 
lichen Bemerkungen u.s.w. 3.Thl. Frei- 
berg 1852. 7318. 8. (1 Tblr. 4 Sgr.; 
compl. 2 Tlılr. 20 Sgr.) 

Hofmann (K. J.), Das Meifsner Nieder- 
land in seinen Naturschönheiten und 
Merkwürdigkeiten oder das sächsische 
Italien in den Meifsner und Dresdner 
Gegenden. Ein Volksbuch u. s. w. Neue 
(Titel-) Ausg. Meifsen 1853. 840 S. 
12. (14 Thlr.) 

llessele (F.), Guide du voyageur à 
Dresde et dans la Suisse Saxonne. Orne 
du plan de Dresde et d'une carte de 
la Suisse Saxonne. Dresde 1852. VIII 
u. 287 8. gr. 16. (1 Thlr. 10 Sgr.) 

Ulustrirter Dresden-Prager Führer. Male- 
rische Beschreibung von Dresden, der 
Sächsischen Schweiz mit Teplitz, der 
Dresden-Prager l:isenbahn und Prag. 
Mit Abbild., 1 Karte der Dresden-Pra- 
ger Eisenbahn u. den Orientirungsplänen 
von Dresden und Prag. Leipzig 1852. 
VII u 5288. 8. (2 Thir.) 

Dietrich (E.), Getreuer Führer durch die 
sächsische und böhmische Schweiz, für 
alle Besucher dieser romantischen Ge- 
gend. 4. neu umgearb. u. verm. Aufl. 
Mit 1 Karte, 12 Ansichten etc. Mecifsen 
1852. 119 8. 16. (15 Sgr.; colorirt 
20 Sgr.) 

Ulrich (J. J.), Die deutsche Schweiz in 
Bildern. 2. Lief. Stuttgart 1852. 5 Ra- 
dirungen u. 5 Bl. Text mit eingedruckt. 
Radirungen. qu. gr. Fol. (% 2 Thlr.) 

Ulustrirter Führer durch Chemnitz und 
seine Umgebungen nach Riesa. Mit 9 





XXVIII 


Lith. und 2 color. Plänen. Chemnitæ 
1852. 16. (10 Sgr.) 

Bad Elster bei Adorf im Sächsischen Voigt- 
lande. Nach amtlichen Quellen topogr., 
geognost. etc. geschildert. Leipzig1853. 
VII u. 96 8. Mit 1 lith. Karte. 8. 
(15 Ser. 

Das Mineralbad Elster im Sächs. Voigt- 
lande. Ein kurzes Bild seiner Geschichte, 
Lage und Umgebung, seiner Heilkräfte 
und neuen Einrich usw. Mit 
1 Abbildg. Meifsen 1852. 56 8. 16. 
(10 Sgr.) 

Hoffmann (Frz.), Das malerische und 
romantische Anhalt. Ein Album, enthal- 
tend die Beschreibung, Geschichte, Sa- 
gen des Landes u. 8. w. Mit 24 maleri- 
schen Ansichten nach der Natur gez. 
von Gust. Frank u. 15 Portr. lith. von 
Prof. Uber. Dessau 1852. IV u. 92 9. 
4. (3 Thir.) 

v. Ledebur (L.), Nordthüringen und die 
Hermundurer oder Thüringer. Zwei hist.- 
geograph. Abhandlungen. Berlin 1852. 
IV u. 60 8. gr. 8. (16 Sgr.) 

Gotha und der Thüringer Wald. Ein Ta- 
schenbuch für Einheimische u. Fremde. 
Nebst beigefügten Touren für Reisende 
auf dem Thüringer Walde. Gotha 1852. 
146 8. 16. (10 Sgr.) 

Fremden-Führer für Coburg und die Um- 
gegend. Coburg 1858. 25 8. m. 1 Lith. 
8. (74 Ser.) 

v. Biedenfeld, Ein Tag in Weimar. Ein 
kurzgefafster Fremdenführer. Weimar 
1868. VIu. 56 S. 8. (} Thlr.) 

Obbarius (8.), Rudolstadt und seine ro- 
mantischen Umgebungen u. 8. w. Mit 
2 Ansichten (in qu. Fol.). Rudolstadt 
1868. 89 8. 4. (3 Thlr.; colorirt 
14 Thir.) 

Das Soolbad Salzungen, seine Heilquellen, 
sein Curhaus und seine Umgebungen. 
Meiningen 1852. 64 S. 8. (9 Sgr.) 

Riehl (W. H.), Das Schlangenbad. Eine 
hist.-topograph. Skizze. Mit einer An- 
sicht des Schlangenbades. Wiesbaden 
1852. Vu.106 8. gr. 8. 

Leimbach (3. H.), Kurzgefafste Geogra- 
phie u. Gesch. des Kurfürstenth. Hessen. 
Leipzig 1852. 168. gr. 8. (14 Sgr.) 

Hildebrand(W.), Statist.Mittheilungen 
über die volkswirthschaftlichen Zustände 
Kurhessens. Berlin 1853. VIII u. 208 8. 
8. (1% Thlr.) 

Leimbach (J. H.), Kurzgefafste Geo- 
graphie und Geschichte des Grofßsher- 


Geographie Deutschlands. 


sogth, Hessen-Darmstadt u. der Land- 
Hessen-Homburg. Leipzig 
1852. 16 8. gr. 8. (14 Sgr.) 

Ansichten von Giefsen und seiner Nach- 
barschaft. Nach Originalzeichnungen von 
F. Heinzerling in Stahl gestochen von 
J. J. Tanner, nebst einem beschreiben- 
den Texte von Ph. Dieffenbach. Giefsen 
1858. 42 8. 9 Stahlst. 8. (3 Thlr.) 

Wagner, Zur Geschichte ausgegangener 
Orte (in Hessen-Darmstadt). — Arch, 
f. Hessische Gesch. VII. 1858. p. 207. 

Weigand, Oberhessische Ortsnamen. — 
ibid. VII. 1858. p. 241. 

Sykes (W. H.), Taxation and revenue 
of the Free City of Frankfort-on-the 
Maine. — Journ. of the Statist. Soc. of 
London. XV. 1852. p. 59. 

Schmidt (J.Ev.), Kleine Geographie vom 
Grofsherzogthum Baden. Nach A. J. V. 
Heunisch für Schulen bearb. 4. Aufl. 
Mit 1 Karte. Villingen 1852. 748. 12. 


(4 Ser.) 

Jägerschmid (K.F. V.), Baden u. der 
Schwarzwald im Grolsherzogth. Baden 
mit seinen Thälern u. Gesundbrunnen. 
Geograph., naturhist., geschichtl. u. sta- 
tist. beschrieben. Mit 1 Karte. Neue 
Ausg. Mannheim 1852. XVI u. 884 S. 
8. (1 Thlr.) 

Die Befestigung des Schwarzwaldes. — 
Deutsche Vierteljahrsschrift. 1862. TU. 
p: 1. 

Wallroth (E.), Führer für Reisende auf 
der badischen Eisenbahn von Mannheim 
bis Basel, auf der elsässischen Eisen- 
bahn von Basel bis Strafsburg, umd auf 
dem Rhein von Strafsburg bis Mann- 
heim. Mit e. Beschreibung alles Merk- 
würdigen, 2 Eisenbahnkarten, 1 Karte 
des Schwarzwaldes und dem Plane von 
Strafsburg. Stuttgart 1858. 48 8. 16. 
(10 Sgr.) 

Guinot (E.), A summer at Baden-Ba- 
den. London 1858. 800 8. 8. With 
18 plates aud 65 vignettes. (21 8.) 

Wittmann (J.C.), Geographie von Würt- 
temberg. 2. mit einem Nachtrag, der 
Bevölkerungszahl und 1 Karte verm. 
Ausg. Efslingen 1852. IV n.229 8. 8. 
(73 Sgr.) 

Die Dichtigkeit der Bevölkerung u. deren 
durchschnittliche Vermehrung in den ver- 
schiedenen Landestheilen Württembergs, 
während der Zeiträume von 1812 — 82 
und von 1882—b50. — Wöürtemöderg 
Jahrbücher. 1853. H. 2. p. 108. 


Geographie Deutschlands. 


des Königr. Württemberg am 
8. Decbr. 1850. — Würtemberg. Jahr- 
bücher. 1852. H.1. p. 27. 

Schmid, Neue Nachweise über Römer- 
strafsen bei und um Tübingen. — ibid. 
1852. H. 2. p. 60. 

Beschreibung des Oberamts Gaildorf. Her- 


ausg. von d. K. statist.-topogr. Bureau. - 


Mit 8 Tab., 1 Karte u. Titelbild. Stutt- 
gart 1858. VIu. 243 8. 8. (27 Sgr.) 

Veiel, Die Mineralquellen in Cannstatt. 
Nebst einer Ansicht von Cannstatt, ein. 
Plane dieser Stadt u. einer Profilkarte 
des Cannstatter Diluvialbeckens. Cann- 
statt 1862. VII u. 188 8. Mit 1 Tab. 
8. (27 Ser.) 

Stumpf (Pleickard), Bayern. Ein geo- 
graph. - statist. - historisches Handbuch 
des Königreichs. Mit 800 Mustr. 7 Lief. 
München 1852. 68. S. 1—560. gr. 8. 
(d Lief. 12 Sgr.) 

Heinisch (Geo. Fr.), Das Wissenswür- 
digste aus der Geographie u. Geschichte 
Bayerns. 2. verb. Auf. Bamberg 1852. 
828. 8. 

Das Königreich Bayern in seinen alter- 
thüml., geschichtl., artist. u. malerischen 
Schönheiten. 51. — 56. Hft. München 
1852. 58. 8.Bd. 8.245 —880. Mit 18 
Stahlst. Lex. 8. (& 10 Sgr.) 

Wolff (J. G.), Nürnbergs Gedenkbuch. 
Eine vollständige Sammlung aller Bau- 
denkmale, Monumente u. anderer Merk- 
würdigkeiten dieser Stadt. Suppl. Lief. 
Nr. 1. 5 Kupfertaf. Nürnberg 1852. 4. 
(10 Sgr.) 

Mayer (Fr.), Nürnberg und seine Merk- 
würdigkeiten, ein Wegweiser für Fremde. 
23. mit einem Anhange verm. Ausg. Mit 
14 Taf. Ansichten u. dem Grundrifs der 
Stadt in 2 Bl. Nürnberg 1852. X u. 
194 8. gr. 16. (1 Thlr.) 

Schiller (Fel.), Munich its treasures of 
art and science, manners and customs. 
Translated from the german, with ad- 
ditional remarks made from personal 
observation by an english tourist. With 
a steel-engraving and a map of the city. 
Munich 1852. V u. 274 8. 16. (1 Thlr.) 

Tylor (Ch.), A historical tour in Fran- 
conia in the summer of 1852. London 
1858. 292 8. gr. 12. (8 8.) 

Die Rhein-Pfalz. 26 malerische Ansich- 
ten nach Originalzeichnungen in Stahl 
gest. von den bedeutendsten Künstlern. 
Neustadt a.H. qu. gr. 4. (23 Thir.; in 
Tondruck 4 Thlr.; color. 113 Thlr.) 





XXIX 


Spitzer (Jak.), Geographisch -geschicht- 
licher Wegweiser in der österreichischen 
Monarchie. Zunächst für Unterreal- u. 
Töchterschulen u. s.w. 1. Thl. 2. Aufl. 
Wien 1852. IV u. 208 8. gr. 16. 

Bädeker (K.), Handbuch für Reisende 
in Oesterreich. 6. verb. Aufl. Coblenz 
1858. X u. 294 8. 8. (Abdruck aus d. 
Handbuch für Reisende in Deutschland 
etc.) 

Stern (Steph.), Geographie u. Geschichte 
des Österreich. Kaiserstaates als Leitfa- 
den beim geograph.- geschichtlichen Un- 
terricht in Unter-Realschulen. Wien 
18562. Xu. 239 8. 8. 

Schmidl (Ad.), Oesterreichische Vater- 
landskunde. Wien 1853. XVII u. 1988. 
gr. 8. (1 Thir.) 

—, Abrifs der österreichischen Vaterlands- 
kunde für die K. K. Untergymnasien. 
Wien 1858. IV u. 1278. gr. 8. (8Sgr.) 

Schimmer (O.A.), Das Kaiserth. Oester- 
reich, histor. -topographisch dargestellt. 
Nr. 78—88. Darmstadt 1862.58. 8. 
487—476 u. 18 Stahlst. Lex.8. (& Nr. 
74 Sgr.) 

Hain (Jos.), Handbuch der Statistik des 
Österreich. Kaiserstaates. 2 Bde. Wien 
1852. 58. XII u. 609 u. 768 8. gr. 8. 

Vebersichts-Tafeln zur Statistik der öster- 
reichischen Monarchie, zusammengestellt 
von der K. K. Direction der administra- 
tiven Statistik. — Mittheil. aus d. Ge 
biet der Statistik. Herausgegeben vom 
Oesterr. Handels-Minist. 1852. I. p. 1. 

Die österreichischen Eisenbahnen im Jahre 
1860. — ibid. 1852. II. p. 1. 

Die höheren Lehranstalten und Mittelschu- 
len der österreich. Monarchie im Stu- 
dienjahre 1861. — ibid. 1852. III. p.1. 

Streffleur, Orographisch -hydrographi- 
sche Studien über das Gebiet des Öster- 
reichischen Kaiserstaates: 1. Das Do- 
nau-Profil und der Alpen- Durchbruch 
bei Theben. Mit 2 Taf. — Sitzungsber. 
der Wiener Akad. d. Wiss. Mathem. CI. 
1852. VII. p. 427. Auch besonders 
abgedruckt. Mit 2 Taf. Wien 1852. 
17 8. Lex. 8. (20 Sgr.) 

Topographisches Lexicon von Böhmen. 
Ein alphabetisches Verzeichnifs sämmt- 
licher Ortschaften des Landes mit An- 
gabe der Einwohnerzahl u. s. w. Prag 
1852. VI u. 498 8. Lex. 8. (2 Thlr.) 

Album von Prag. Malerische Wanderungen 
zu seinen Kirchen, Palästen und Denk- 
mälern. Mit vielen nach der Natur ge- 





XXX 


Geographie Deutschlands und der Schweiz. 


zeichn. Ansichten. Prag 1852. 46 Stahlst. | Simony (Fr.), Die Seen des Salzkammer- 


u. 2 Bl. Text. gr. 16. (1 Thir. 26 Sgr.) 

Carlsbad und seine Umgebungen. Kürze- 
ster und zuverlässigster Wegweiser für 
Curgäste etc. Mit 1 Plane. 8. verb. Aufl. 
Prag 1853. VII u. 161 8. 16. (1 Thlr.) 

Schmidl(A.Ad.), Eine Woche in Wien. 
Zuverlässiger und zeitsparender Führer 
durch die Kaiserstadt u. ihre nächsten 
Umgebungen. 4. Aufl. Wien 1852. 88 S. 
Mit 1 lithogr. Plane in gr. Fol. gr. 12. 
(18 Sgr.) 

Acht Tage in Wien. Ein treuer Führer 
zu den Merkwürdigkeiten der Kaiser- 
stadt u. s. w. Mit 1 Plane der Stadt u. 
Vorstädte. 4. verb. Aufl. Wien 18652. 
VII u. 888 S. 16. (1 Thlr.) 

Koch (F.), Der Fremde in Wien. Neue- 
ster und zuverlässigster Fremdenführer 
etc. 2. Aufl. Wien 1858. 186 8. 16. 
(12 Sgr.) 

Neuester, vollständiger und zeitsparender 
Fremdenführer in Wien u. seinen Um- 
gebungen. Mit dem neuesten Plane der 
Stadt und der Vorstädte. Wien 1852. 
IV u. 142 8. Mit 5 Holzschnitttaf. 16. 
(20 Sgr.) 

Vienne illustree, ou nouveau et complet 
guide des dtrangers à Vienne et ses 
environs. Avec 11 illustrat. etc. Vienne 
1852. 126 S. 16. (24 Sgr.) 

Zwei Tage auf dem Semmering. Eine An- 
leitung, die Semmering-Alpe und die 
Staats-Eisenbahn von Gloggnitz bis 
Mürzzuschlag zweckmäfsig, angenehm 
u. schnell zu bereisen. Nach eigenen 
Wanderungen und bewährten Quellen. 
Mit 1 Situation u. 1 Profile der Eisenbahn. 
Wien 1852. IV u. 128 S. 8. (28 Sgr.) 

Schuhmacher (A.), Der Führer über 
den Sömmering. Vollständige Beschrei- 
bung der Natur- u. Kunstwunder auf d. 
Eisenbahn von Gloggnitz bis Mürzzu- 
schlag. Mit 1 Karte der Bahnu. der Umge- 
gend. Wien 1851. 70 8. 16. (10 Sgr.) 

Weidmann (F.C.), Die Alpengegenden 
Niederösterreichs u. Obersteyermarks im 
Bereiche der Eisenbahnen von Wien bis 
Mürzzuschlag. Nebst 1 Karte der Alpen- 
gegenden. Wien 1851. VI u. 268 8. 
16. (24 Sgr.) 

Malerische Ansichten von Salzburg und 
Oesterreich. Nach der Natur gez. von 
J. Fischbach u. von mehreren Künst- 
lern in Stahl gest. 1.— 8. Lief. & 5 
Stahlst. u. 5 Bl. Text. Salzburg 1851. 
qu- Fol. (& ı Thir. 18 Sgr.) 


J 


gutes, (Aus den Sitzungsberichten 1850 
der Kais. Akad. d. Wiss. abgedr.) Wien 
1852. 24 S. Lex. 8. (74 Sgr.) 

Würthle (Fr.), Malerische Ansichten von 
Süud- und Nord-Tirol nach der Natur 
gez. Geschildert von J. Fr. Lentner. 
1.Lief. Salzburg 1852. qn. Fol. (1 Thir. 
18 Sgr.) 

Koch (M.), Reise in Tirel in landschaft- 
licher und staatlicher Bexiehung. Neue 
Ausg. Mannheim 1852. XI u. 256 S. 
8. (1 Thlr.) 

Weber (Beda), Handbuch für Reisende 
in Tirol. In 1 Bde. Nach dem gröfseren 
Werke: Das J,and Tirol. Vielfach verb. 
2. Aufl. Mit 1 Karte in 4. Innsbruck 
1853. IV u. 4368. 16. (14 Thlr.) 

v. Hartwig (E.), Eine Woche in Meran. 
Ein Wegweiser für diejenigen, welche 
die dortige Gegend in möglichst kürze- 
ster Zeit kennen lernen wollen. Mit 1 
Plane u. 1 Postkarte von Tyrol. Berlin 
1858. VII u. 56 S. gr. 16. ($ Thir.) 

Tinkhauser (G.), Beschreibung der Diö- 
cese Brixen. Bd. I. 1.— 8. Hft. Brixen 
1852. 8.1— 240. Mit 1 Steintaf. gr. 8. 
(d 7} Sgr.) 

Falk (M.), Die Theifsgegend und ihre 
Pussten. — Portfolio für Länder- u. 
Völkerkunde. H. 2. p. 148. 

Chownitz (J.), Handbuch für Auswan- 
derer nach Ungarn, dann: Siebenbür- 
gen, der serbischen Woiwodschaft etc. 
2. (Titel-) Ausg. Bamberg 1853. XV 
u. 874 8. Mit 1 lith. Karte in Fol. 8. 
(21 Sgr.) 


Die Schweiz. 


Wallroth (E.), Der Alpenstock. Weg- 
weiser für Reisende in der Schweiz, Sa- 
voyen u. Piemont. 2. Aufl. Mit 1 Orien- 
tirungskarte. Stuttgart 1852. XXXI u. 
2778. 16. (1 Thir.) 

Ebel, Nouvel manuel du voyageur en 
Suisse et dans la vallée de Chamonix 
avec la carte de la Suisse de Keller 
(lich. gr. Fol.), les panoraınas du Mont- 
Blanc, de l’Oberland (qu. Fol.), et quatre 
plans de villes. 11. edit., revue par A. 
Joannc. Paris 1858. 2 Bl, XXXVl, 
644 8S. u. 1 Stahlat, 12. (2% Thlr.) 

Bädeker (K.), Die Schweiz. Handbuch 
für Reisende, nach eigener Anschauang 
u. den besten Hülfsquellen bearbeitet. 
Mit 16 Ansichten, den Plänen von Basel. 


Geographie der Schweiz und Frankreichs. 


Bern, Genf und Zürich, 1 Karte und 
1 Alpen-Ansicht vom Rigi u. 1 Pano- 
rama vom Faulborn. 4. sehr verb. Aufl. 
Coblenz. XXXVI u. 398 8. 8. (1 Tblr. 
22 Sgr.) — 5. verb. Aufl. XL u. 3874 8. 
ibid. 1853. (1 Thlr. 22 Ser.) 

Baedeker (C.), La Suisse. Manuel du 
voyageur elabore sur les lieux mêmes 
d’apres les meillenres sources. Trad. de 
V’allemand sur la 4. edition par prof. 
C. F. Girard. Avee 16 vues etc. Cob- 
lenz 1852. XXXV1u.8748. 8. (1 Thir. 
22 Sgr.) 

Murray’s handbook for travellers in 
Switzerland and the Alps of Savoy and 
Piedmont. bdth edition. London 1852. 
480 8. 12. With map. (7 8. 6. d.) 

Bogue's guide for travellers. Vol. 2. 
Switzerland and Savoy. London 1852. 
310 S. 18. (6 S.) 

Beattie (W.), Die Schweitz. Eine Reihe- 
folge englischer Original-Stahlstiche, Aus 
d. Engl. übers. von J. v. Horn. 2. Aufl. 
1. — 27. Lief. Hamburg 1852. Bd. I. 
168 S. u. 56 Stahlst. Bd. II. S.1— 
452 mit 62 Stahlst. u. 1 Karte. gr. 4. 
(& 12 Sgr.) 

Ulrich (J. J.), Die Schweiz in Bildern. 
4. Lief. Stuttgart 1852. 5 Radirungen 
u. 5 Bl. Text. qu. gr. Fol. (& 2 Thlr.) 

Schmidt (E.), Schilderungen aus der 
Schweiz. Leipzig 1853. XII u. 225 S. 
8. (1 Thlr.) 

Malan (C.), Twenty pictures from Switzer- 
land. London 1858. 196 S. 12. (28. 
6 .d.) 

Drummond (D. F.K.), Scenes and im- 
pressions in Switzerland and the North 
of Italy. Edinburgh 1858. 212 9. 8. 
(15 8.) 

Dumas (A.), The Glacier Land. From 
the French transl. by Mrs. RB. W. Wilde. 
London 1852. 280 8. 12. (18. 6 d.) 
(Book Case, Vol. 7.) 

Ferguson (R.), Swiss men and Swiss 
mountains. London 1858. 130 S, 16. 
(1 S.) (Traveller’s Library, Part 45.) 

v. d. Meulen (E.), Mijne reis door Zwit- 
serland naar de Waldenzen, in Piemonts 
valleijen. Uitgegeven ten behoeve van 
den opbouw eener protestantsche kerk 
te Turin. Utrecht 1852. 8. (3 Fl.) 

Forbes (J.), The plıysician’s holyday; or, 
a month in Switzerland in the summer 
of 1848. 8. edit. London 1852. 858 8. 
12. (6 8.) 

Deycks, Von Vindonissa nach Brigan- 


— —— — — — — — — —— — — — — — — — — — — — — — — — — — 


XXXI 


tium. Streifzlige durch das römische 
Helvetien. — Jahrb. des Vereins von 
Alterthumsfr. im Rheinlande. 1858. 1. 

Schlagintweit (A.), Ueber den geolo- 
gischen Bau der Alpen. Ein Vortrag im 
wissenschaftl. Vereine zu Berlin gehalten 
am 20. März. Berlin 1852. 82 S. Mit 
1 col. Taf. gr. 8. (12 Sgr.) Angezeigt 
im: Leipziger Repertor. d. Lit. 1852. 
IV. p.30 und im Bullet. de la Soc. de 
Geogr. IV®® Ser. III. 1862. p. 28. 

Schrenk (L.), Ideen zu einer Hydro- 
graphie der Landseen, mit besonderer 
Rücksicht auf die Seen der Alpen. Ein 
Beitrag zur allgenı. vergleich. Geogra- 
phie. Dorpat 1862. 598. 8. (12, Sgr.) 

Cheever (G. B.), Wanderings of a pil- 

. grim in the shadow of Mount Blanc. 
New edition. London 1852. 8. With 
illustrations. (7 S. 6. d.) 

Witte (K.), Die Gletscherwelt. 
1858. 48 S. 16. (6 Sgr.) 

Schlagintweit, Ueber die Verbreitung 
u. die Höhenverbältnisse der Gletscher 
in den verschiedenen Alpengruppen. — 
Monatsber. der Berlin. Ges. f. Erdkunde. 
X. 1858. p. 17. 

Smith (A.), The story of Mount Blanc. 
London 1863. 280 8. 8. (10 8.6.d.) 

Engelhardt (Chn. Mor.), Das Monte- 
Rosa- und Matterhorn- (Mont-Cervin) 
Gebirge, aus der Inseite seines Erhe- 
bungsbogens gen Nord; seine Ausläufer 
und Umgrenzung, besonders der Saas- 
grat mit dem Mischabeldom über dem 
Gletscherkrater von Fee. Mit einer ganz 
neuen etc. Panoramakarte, einer Ansicht 
der Ostseite des Saasthals in Fol. Strafs- 
burg 1852. XXVIII u. 247 S. gr.8. 

Rose (W.), Das Saasthal, der Saasgrat, 
das Zermatt - Einsisch- und Eringer- 
thal an der Nordseite des Monte Rosa. 
— Monatsber. d. Berlin. Ges. f. Erd- 
kunde. IX. 1852. p. 184. 

Schlagintweit (A. u. H.), Bericht über 
die Besteigung des Monte Rosa im Jahre 
1851 u. über die Höhenmessung seiner 
Gipfel. — Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. 
1. 1853. p. 868. 

Schlagintweit, Ueber die Sprachgren- 
zen in den Umgebungen des Monte- 
Rosa. — Monatsber. d. Berlin. Ges. f. 
Erdkunde. X. 1853. p. 110. 


Berlin 


Frankreich. 


Annuaire historique pour l'annde 1853, 
publ. par la Sociedt6 de l'histoire de 





xzxxii 


France. 17=* annde. Paris 1858. (Ent- 
hält eine kirchl. Topographie Frank- 
reichs im Mittelalter und der neueren 
Zeit von Desnoyers.) 

Annuaire des marées des cötes de France 
pour l’annee 1852. Paris 1852. B2. 
Cortambert, Etymologie des noms de 
quelques provinces de France. — Bullet. 
de la Soc. de Geogr. IV Ser. V. 1858. 

p- 156. 

Sauret et Raffy, Repertoire des trente- 
sept mille communes de France indi- 
quant pour chacune le departement, Var- 
rondissement, le canton et la popula- 
tion etc. Avec 1 carte. Paris 1858. 
63 Bog. 8. (2 Fr. 50 Ct.) 

Tableaux de population, de culture, de 
commerce, et de navigation, pour 1847 
- 48. Paris 1852. 8. 

Moreau de Jonnds, Communication sur 
le mouvement de la population de la 
France en 1849. — Sdances et travauz 
de TAcad. des Sciences. Compte Rendu. 
T. XXI. 1852. p. 185. 

Turner (W. M.), Liber Fluviorum; or, 
river scenery in France. 61 highly line- 
engravings on steel by Willmore, Good- 
all and others. With memoir of Turner 
by Alaric A. Watts. London 1858. Imp. 
8. (38S.6.d.) 

Sanis (J. L.), Geographie de la France 
pbysique, administrative. Paris. 24 8. 
12. (1 Fr. 50 Ct.) 

Lucas (Ch.), Rapport verbal sur deux 
ouvrages intitul&s: Des colonies agrico- 
les &tablies en France et en Algerie par 
MM. de Lamargue et Dugat; et: Etudes 
sur les colonies agricoles de mendiants 
etc. par MM. de Lurieu et H. Romand. 
— Scances es travauz de l’Acad. des 
Sciences. Compte Rendu. T. XXI. 1852. 
p. 417. 

Murray’s handbook for France. The Py- 
renees, Normandy, Brittany, the French 
Alps, Dauphine, and Provence. Maps. 
London 1858. 8. (9 S.) 

Handbook for travellers in France, being 
a guide to Normandy, Brittany, the 
rivers Seine, Loire, Rhone, and Ga- 
ronne, the French Alps, Dauphine, Pro- 
vence, and the Pyrenees. 4ih edition, 
revised. London 1852. 6268. 12. With 
5 travelling maps. (12 S.) 

Tailliar, Essai sur l’histoire des insti- 
tutions du Nord de la France. Ere Cel- 
tique. Douai 1852. VIII u. 2788. gr.8. 
(Wichtig für die alte Geogr. Galliene.) 


Geographie Frankreichs. 


Hartmann (Mor.), Tagebuch aus Lan- 
guedoc und Provence. 2 Bde. Darm- 
stadt 1858. IV u. 274, Vu. 826 8. 8. 
(2 Thir. 20 Sgr.) 

Dupin, Le Morvan. Me&moire historique, 
agricole et &conomique. — Noww. Ansal. 
d. Voy. 1858. II. p. 109. 

Schubert (G. H.), Reise nach dem süd- 
lichen Frankreich und durch die südli- 
chen Küstengegenden von Piemont nach 
Italien. 2. Aufl. 1. u. 2. Bd. 

1858. VI u. 250, II u 284 8. gr. 8. 
(2 Tbir.) 

Annuaire du Departement de la Marne 
pour 1858. Chälons 1858. 13. 

Quicket (P. F.), Geographie politigue, 
statistique, industrielle et commerciale 
du departement du Nord. Dunkaergue 
1868. 8 Bog. 8. 

Annuaire statistique et historique du D& 
part. des Deux-Sövres. Annde 1853. 
Niort et Paris 1858. 12. (2 Fr.) 

Lefevre, Annuaire statistique ete. da 
Departem. d’Eure-et-Loire, pour 1858. 
Chartres 1858. 12. 

Annuaire administratif, commerciale et 
statistique du Depart. des Hautes-Alpes 
pour 1858. Gap 1858. 132. 

Asselin (A.), Journal de voyage d’un 
touriste dans le midi de la France et 
en Italie. Paris 1858. 17 Bog. Mit 1 
Karte. gr. 12. (8 Fr.) 

de Melleville, Collection de notices sur 
le departem. de l’Aisne. Paris 1858. 8. 

Smith (V.), Monographie de la Saöne. 
Lyon 1858. 8. 

Reach (B.), A look into the Landes. — 
United Service Magaz. 1852. I. p. 80. 

Szarvady (Fr.), Paris. Politische und 
unpolitische Studien und Bilder. 1848 
— 1852. 1. Bd. Berlin 1852. View 
4278. 8. (2 Thir.) Angezeigt im: Leip- 
ziger Repertor.d. Lit. 1852. TIL p. 147. 

Dlustrirter Pariser Führer. Ein vollstän- 
diges Gemälde der Seine- Stadt und ih- 
rer Umgebung. Mit Abbildung der vor- 
züglichsten Sehenswürdigkeiten, 1 Ori- 
ginalplan von Paris etc. Leipzig 1852. 
XI u. 877 8. 8. (8 Thir. 20 Ser.) 

Galignani’s new Paris guide for 1853, 
with map and plates. London 1852. 8. 
(10 8.6.d.) 

— — — for 1853. 
(10 8.6.d.) 

Coghlan (F.), Miniature guideto Parisand 
its environs in ten days. London 1853. 
82. (28. 6d.; with 80 views 4 S.) 


London 1858. 13. 


Geographie Belgiens, der Niederlande und des Brittischen Reichs. xxxır 


Nouveau itindraire Parisien, dietionnaire 
des rnes, places etc. de Paris. Paris 
1858. 86 S. 8. 

Hettinger (F.), Die kirchlichen und so- 
cialen Zustände von Paris. Mainz 1852. 
VIH u. 408 8. 8. (1 Thir. 5 Sgr.) 

Das industrielle Paris. Minerva. 1858. ]. 
p- 77. 115. 

Moledri, Itineraire du chemin de fer de 
Paris & Strafsbourg etc. Paris. 16. 
(1 Fr. 10 Ct.) 

Robillard (Th.), Histoire pittoresque, 
topograph. et archeologique de Crecy- 
en-Brie et de la Chapelle-sur-Crecy, 
suivie de considerations generales sur 
les communes du canton. Cr6cy 1852. 
5 Bog. gr. 12. (8 Fr.) 

(Huber, V.A.), Skizzen aus der Vendée 
u. Bretagne. Berlin 1868. XX u. 297 S. 
8. (14 Thir.) 

Chambert, Nouveau guide pittoresque 
de l’etranger & Lyon. Panorama de la 
ville et d’une partie de ses environs. 
ges 6dit. Lyon et Paris 1853. $Bog. 16. 

Fayet (M.), Essai sur la statistiqne de la 
population d’un departement. (Pas-de- 
Calais.) — Journ. des economistes. No- 
vembre et Decembre 1852. 

de Hodey (M.), Situation de l’agricul- 
ture, du commerce et de l’industrie du 
departement de la Manche. Caen 1853. 
44 8. 8. 


Belgien und die Niederlande. 


Roulez, De Porigine, de la langue et 
de la civilisation des peuples qui habi- 
taient la Belgique actuelle & l’arrivde 
de Cösar. — Bull. de l’Acad. Roy. des 
Sciences de la Belgique. T. XIX. I" Part. 
1862. p. 707. 

Expose de la situation du royaume. (Sta- 
tistique generale de la Belgique.) Pe- 
riode deoennale de 1841 a 1850; publ. 
par le Ministre de l’interieur. 1 vol. 
Bruxelles 1852. 4. (16 Thir.) 

Guide ofüciel des voyageurs sur tous les 
chemins de fer de Belgique. Bruxelles. 
Mai 1858. 82 S. (2 Sgr.) 

Bädeker (K.), Belgim. Handbuch für 
Reisende, nach eigener Anschauung und 
den besten Hülfsquellen bearbeitet. 5. 
verm. u. verb. Aufl. Mit 1 Karte von 
Belgien, 1 Karte vom Maasthal u. dem 
Schlachtfeld v. Belle-Alliance u. Städte- 
plänen. Cobleng 1868. XXXII u. 2128. 
8. (1 Thir.) 


Zeitschrift f. allgem. Erdkunde Bd. I. Anhang. 





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Rhine. With 2 London 1852. 280 S. 
12. (5 S.) 

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gium and the Rhine. London 1853. 8. 
(5 8.) 

Bogue’s guides for travellers. No. 1. Bel- 
gium and the Khine, illustrated. London 
18583. 860 8. 18. (6 S.) 

Joly (V.), Les Ardennes, tournde pitto- 
resque, artistique et bistorique; paysage, 
traditions, chronique et l&gendes. Livr. 
1.2. Bruxelles 1853. Fol. (& 25 Sgr.) 

Wegwijzer der stad Gent en provinciale 
almanach voor Oostvlaendern voor 1853. 
Gent. 600 8. 8. (3 Thlr.) 

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d. Sciences de Belgique. T.XIX. 1" Part. 
18652. p. 649. 

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p- 186. 

David, Observations en reponse & la no- 
tice precddente. — ibid. T. XIX. 3” 
Part. 1862. p. 232. 

de Smet, Rapport sur la reponse faite 
par M. le colonel Renard aux recher- 
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de l’Escaut. — ibid. T. XIX. 8=® Part. 
1852. p. 186. 

Marchal, Du delta de l’Eseaut; seconde 
notice concernant le canal de Gand au 
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T. XIX. 2=® Part. 1852. p. 566. 

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Koenen (H. J.), Voorlezing over de ge- 
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Amsterdam 1853. 8. 

Guide histor. et topographique de Bruxel- 
les et ses environs. Bruxelles 1853. 
17568. 12. (12 Sgr.) 

Guide pittoresque et topographique d’An- 
vers. Bruxelles 1858. 187 8. 18. (12 
Sgr.) 


Das Brittische Reich, 
Clarke (B.), British Gazetteer, political, 
commercial, ecelesiastical, and histori- 
cal; showing the distances of each place 
from London and Derby, Gentlomen’s 
seats, populations, inns and hotels, po- 
stal arrangements, bankers eto. Illustra- 
ted by a full set of county maps, with 
c 


zxxıV 


all the railways accurately laid down 
etc. 3 vols. Londgg 1858. Roy. 8. 
4.) 

Sharp (J. A.), A new and complete ga- 
zetteer; or topographical dictionary of 
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containing a description of about sixty 
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(L 2. 14 8.) 

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(1 8.) 

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London 1852. 8. (2S.6d) 

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for the year 1852. London 1852. 8. 
Latham (R. G.), The ethnology of the 
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12. (28. 6.d.) (Library for the Times.) 

Worsaae (J. J. A.), An account of the 
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8. (108.6.d.) 

Troup (G.), The revenue and commerce 
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Britten (Bashley), View of the progress 
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Our colonial policy. — The Colonial and 
Asiat. Review. 1852. I. p. 1. 98. 

Black ’s pitturesque tourist and road and 
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proved. London 1858. 590 8. 12. 
(108.6.d.) 

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England and her ofispring. — Colonial 
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Geographie des Brittischen Reichs. 


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Britain in 1851 and 1852. Philadelphia 
1858. 891 8. 12. 

Murray’s handbook of travel talk, for 
Englishmen abroad, or travellers in 
England. London 1858. 18. (3 8. 6. d.) 

Bremer (Friederike), England im Jahre 
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1858. 862 S. 8. (20 Sgr.) 

Bichard et Joanne, Itineraire descriptif 
de la Grande Bretagne. Paris 1853. 18. 

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schweig 1852. X u. 649 S. gr. 8. An- 
gezeigt im: Leipziger Repertorium der 
Lit. 1852. II. p. 91. 

The cruise of the Challenger Life - Boat, 
and voyage from Liverpool to London 
in 1852. London 1858. 8. (1 8.) 

Hints to railway travellers and country 
visitors to London. By an Old Stager. 
London 1852. 8. (1 8.) 

Schlesinger (M.), Wanderungen durch 
London. 2 Bde. Berlin 1852. 58. XU 
u. 896, IX u. 426 8. 8. (4 Thlr.) 

Thimm’s London. Ein praktischer Füh- 
rer durch Englands Hauptstadt u. deren 
Umgebung. 2. Aufl, verm. durch 12 
Reisen in England u. Schottland. Lon- 
don 1853. VIII u. 119 8. mit 1 litb. 
Plan. 8. (22} Sgr.) 

London. Ein praktisches Handbuch für 
Reisende nach England. 3. verm. u. 
verb. Aufl. Leipzig 1852. VIII u. 265 
8. mit 2 lithogr. Plänen. 8. (1 Thir. 
10 Sgr.) 

Miller (T.), Picturesque sketches of Lon- 
don, past and present. London 185?. 
83128. 12. (28. 6 d.) (National U- 
lustrated Library.) 

Murray’s handbook for modern London; 
or, London as it is. London 1858. 16. 
(5 8.) 

Cruchley’s new picture of London. New 
edition. London 1858. 18. (28.6d.; 
with map 4 8.) 

Guy (J.), The illustrated London geo- 
graphy. London 1852. 140 8. 8. (2 8.) 

Garwood (J.), The Million-Peopled City; 
or, one half of the people of London 
made known to the other hal. Lom 
don 1858. 330 8. 13. (48. 6 4.) 

London: what to see, and how to see it. 
London 1858. 212 S. 18. With au- 
merous illustrations. (1 8.) 

London as it is to-day; where to go and 
what to see. With upwards of 200 ea- 


Geographie des Brittischen Reichs. 


gravings on wood. London 1858. 4468. 
8. (28.6.d.) 

The guide of guides for strangers and fo- 
reigners in London. London 1853. 12. 
(1 8.) 

Adams’s pocket descriptive guide to the 
Lake Distrie. By E. L. Blanchard. 
London 1853. 12. (18.6.d.) 

Black’s shilling guide to the English 
lakes. Edinburgh 1858. 12. (1 8.) 

Sylvan’s pictoral handbook to the Eng- 
Hsh lakes. 2d edition. London 1852. 
12. (8 8.6.d.) 

Wordworth’s scenery of the lakes of 
England, with directions for tourists: 
Edited by J. Hudson. New edit. Lon- 
don 1868. 272 8. 12. (6 8.) 

Wordworth, A complete guide to the 
Lakes; oomprising minutes directions 
for tbe tourist, with description of the 
scenery of the country etc. and five 
letters on the geology of the Lake 
District; by the Rev. Prof. Sedgwick. 
4th edit. Edit. by J. Hudson. London 
1858. 270 8. 12. (5 S.) 

Handbook to the English Lakes. 8th edit. 
London 1858. 12. With maps and en- 
gravings. (1 8.) 

Babington (C. C.), Ancient Cambridge- 
shire; or, an attempt to trace Roman 
and other ancient roads that passed 
through the county of Cambridge. Lon- 
don 1858. 848. 8. With 4 plates. 
(Cambridge Antiquarian Society.) 

Smith (H.E.), Reliquise Isurianae: the 
remains of the Roman Isurium (now 
Aldborough, near Boroughbridge, York- 
shire) illustrated. London 1852. 62 8. 
87 plates. 4. (25 S.; colour. 42 8.) 

Visitor's guide to the town of Hull; con- 
taining a brief description of the objects 
of interest in the town, with directions 
for viewing them. For the use of stran- 
gers and daily visitors. Hull 1862. 828. 
12. (6 d.) 

Baines (T.), History of the commerce and 
town of Liverpool, and of the rise of 
manufacturing industry in the adjoining 
counties. Liverpool 1862. 886 8. Roy. 8. 
(26 8.) 

Longstaffe (W.Hylton), Richmondsbire, 
its ancient lords and edifices: a concise 
guide to the localities of interest to the 
tourist and antiquary ; with short notice 
of memorable men. London 1852. 1728. 
8. (3 8. 6d.) 

Tunstall (J.), Bambles about Batlı and 


XXXV 


its neighbourhood. Bd edition. 
1852. 8128. 12. (5 8.) 

Wilde (W.R.), 'The beauties of the Boyne 
and its tributary the Blackwater. 2d 
edit. London 1852. 886 8. 8. (6 8.) 

: Cooper (T.H.), A guide to Lynton and 
places adjacent, in North Devon, inclu- 
ding llfracombe. London 1858. 130 8. 
8. (38.6.d.) 

Philipps (J.), Therivers, mountains, and 
sea-coast of Yorkshire; with essays on 
the climate, scenery, and ancients inha- 
bitants of te country. London 1853. 
809 S. With 86 pl. gr. 8. (15 8.) 

Hicklin (J.), The illustrated handbook 
of North Wales: a guide for the tourist, 
the antiquariau, and the angler: being 
the fifth edition of Hemingway’s Pano- 
rama; with revisions and additions by 
Hicklin. New edition. London 1852. 
819 S. 12. (5 8.) 

—, Excursions in North Wales. New edit. 
London 1852. 18. (8 8.) 

Onwhyn’s guide to North and South 
Wales, and the Wye, illustrated. Lon- 
don 1858. 2828. 18. (88.6.d.) 

Tiffen (W.), The new handbook and 
guide to the town and port of Folke- 
stone in Kent. 4th edition. Folkestone 
1858. 708. 12. (18.6d.) 

Smith (J. H.), Belfast and its environs; 
with a tour to the Giant's Causeway. 
24 edition. Dublin 1858. 114 S. With 
numerous illustrations. 8. (2 8. 6. d.) 

Rambles in the British Isles. London 
1852. 260 8. 18. (1S.4d.) 

Statistics of the island of Portsea. — 
Jourm. of the Statist. Soc. of London. 
1853. p. 137. 

Statistics of the island of Portsea and 
of the Portsmouth Dockyard. — ibid. 
1868. p. 201. 

Clarke (Louisa Lane), The island of Al- 
derney, its earliest antiquities, scenery 
etc., being a companion and guide. 
London 1862. 1268. gr.12. (28.6.d.) 

Redstone’s Royal guide to Guernsey 
and Jernsey. By L. L. Clark. 4th edit. 
Guernsey 1852. 200 8. 12. (28. 65.) 

Metcalfe (C. J.), The Channel islands: 
historical and legendary sketches. With 
illustrations. London 1852. 200 8. 8. 
(6 8.6.d.) 

Bruce (J.C.), History of the Roman Wall: 
Tyne to the Soway. 24 edit. London 
1858. 8. (21 8.) 

Lawson (J. P.), Scotland delinested. 


Bath 











XXXVI 


Part 1 to 11. London. Roy. fol., each, 
prints. (21 8.) 

Land of Scott; or the tourist's guide to 
the Vale of the Tweed, also Rivers of 
the Border Land. London 1852. 120 8. 
12. (18. 6 4.) 

Sketch of the highlanders and highlands. 
By a native of South Britain. Brigh- 
ton 1852. 8. (18.6d.) 

A tour in the Highlands of Scotland. — 
United Service Magaz. 1852. I. p.107. 

Oliver and Boyd's Scottish tourist; 
with 71 engravings on steel and 17 
travelling maps and charts. 1$#th edit. 
greatly enlarged und almost entirely 
rewritten. London 1852. 670 S. 12. 
(68. 9 d.) 

Stuart (A.), Caledonia Romana: an ac- 
count of Roman antiquities of Scot- 
land. 2d edition. Edinburgh 1852. 4. 
(21 8.) 

Roger (C.), A week at the bridge of 
Allan: comprising an account of the 
Spa and a series of six excursions to 
the interesting scenery of Central Scot- 
land. 2d edit. London 1858. 380 S. 
80 engravings. 12. (5 S.6.d.) 

Black’s picturesque guide to the Tro- 
sach, Loch Catrine, Loch Lomond, 
and Central Touring district of Scot- 
land: ineluding the great highland rou- 
tes to Glencoe and Fort William, Loch 
Awe and Oban, Taymouth, and Aber- 
feldy; with numerous illustrations by 
Foster. London 1853. 218 S. 8. (6 S.) 

Boswell (J.), The journal of a tour to 
the Hebrides with Samuel Johnson, 
LL. D. New edition, with introduction 
and notes, by Rob. Carruthers. Lon- 
don 1852. 386 8. 8. With illustrations. 
(28S.6d.) 

M'Gasgill (T.ady), Twelve days in Skye. 
2d edit. London 1852. 42 8. 8. (1S.) 

Ellis (G.), Irish ethnology socially and 
politically considered; embracing a ge- 
neral outline of the Celtic and Saxon 
races. Dublin 1852. 160 S. (8 8. 6d.) 

Obserrations on the people, the land etc. 
of Ireland. 1851. 3d edition. Dublin 
1852. 96 S. 8. (2 S.) 

The Irish tourist's illustrated handbook 
for visitors to Ireland. London 1852. 
150 8. 8. (28.8 d.) 

The tourist’s illustrated handbook for Ire- 
land, for 1853; with engravings from 
drawings of Cruikshank. London 18583. 
250 8. 12. (6 8.) 


Geographie des Brittischeu Reichs und Dänemarks. 


O’Connell (Catherine), Excursions in 
Ireland during 1844 and 1850. Lon 
don 1852. 806 8. 8. (10 8.6d.) 

Locke (J.), Ireland. 1. Irish emigration; 
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Locke (J.), On Irish emigration, with 
especial reference to the werking of the 
incambered estates commisaion. — Journ. 
of the statist. Soc. of London. XV. 1852. 
p- 389. 

—, Additional observations on the valua- 
tion and purchase of land in Ireland. 
— ibid. XV. 1852. p. 845. 

Forbes (J.), Memorandum made in Ire- 
land in the autumn of 1852. 2 vols. 
London 1858. 600 8. 8. With map and 
illnstrations. (21 8.) 

Smith (J. D.), Connemara, past and pre- 
sent. London 1858. 150 8. 12. (2 8) 
Connemara and the Irish highlands: a 
pocket guide for tourists. London 1852, 

86 8. 8. (2 8.) 


Dänemark. 


Erslew (E.), Den Danske Stats geogra- 
phie. Kjöbenhavn 1852. Mit 4 Karten 
u. 8 lith. Abbildg. gr. 8. (21 Sgr.) 

Laing (S.), Observations on the social - 
and political state of Danemark and 
the Duchies of Siesrick and Holstein 
in 1851. London 1852. 462 S. 8. 
(12 S.) 

Rothe (V.), Grundtraekkene ofden Danske 
Stats Handels- og Industrie- Statistik. 
Kjöbenhavn 1853. 86 8. 8. (40 Sk.) 

Bergsöe (A. F.), Den Danske Stats Sta- 
tistik. 4. Bd. Kjöbenhavn 1858. 4 Bl, 
976 S. gr. 8. (4 Bude. 16 Thir.) 

Hamilton (A.), Sixteen months in the 
Dauish islee.. 2% vols.. London 1853. 
800 S. 8. (21 8.) 

Kopenhagen und seine Umgebungen. Ein 
Wegweiser für Fremde. Mit 12 Ansich- 
ten u. 1 Karte. 2. Aufl. Kopenhagen 
1858. 166 8. 12. (I R.) 

Puggaard (Chr.), Geologie der Insel 
Möen, eine Untersuchung über die Um- 
wälzungen der Kreide- u. der Glacial- 
bildung, sowie über die quaternären Ab- 
lagerungen und die erratischen Blöcke 
dieser Insel. Mit 18 Taf. u. vielen Hols- 
schnitten. Leipzig 1862. VIII u. 1168. 
gr. 8. (1 Thir. 15 Sgr.) 

Kier (O.), Mittheilungen über das Amt 
Hadersleben, ein Beitrag zur näheren 


Geographie Schwedens, Norwegens und des Europ. Rufslandse. xxxvıl 


Kunde Nord - Schleswigs. Altona 1852. 
VII u. 68 8. (15 Sgr.) 

Taschenbuch für Reisende in den Herzog- 
thümern Schleswig, Holstein, Lauen- 
burg u. dem Fürstenthum Lübeck. Mit 
1 Landkarte und 1 Ansicht. 2. stark 
verm. Ausg. Altona 1852. IV u. 800 8. 
16. (1 Tbir. 10 Sgr.; mit 16 Ansichten 
1 Tble. 25 Sgr.) 

Pfeiffer (Ida), Joumey to Iceland, and 
travels in Sweden. Translat. from the 
German by Charlotte Fenimore Cooper. 
London 1852. 374 8, 8. 

—, Visit to Iceland and the Scandinavian 
North. Translat. from the German etc. 
London 1852. 354 8. 8. (28. 6.d.) 
(National Illustrated Library.) 


Schweden und Norwegen. 


Moritz (A.), Tagebuch der Reisen in Nor- 
wegen in den J. 1847 u. 1851. M. Kar- 
ten u. 17 Mustr. Stettin 1858. 4 Bl. u. 
8374 8. gr. 8. 

Bunbury (Selina), Life in Sweden; with 
excursions in Norway and Denmark. 
London 1858. 600 8. 8. (21 8.) An- 
gezeigt im: Athenaeum. 1858. N. 1346. 

Stockholm och dess omgifningar. Med tio 
fina stälstick. Stockholm 1858. 778. 
8. (2 R. 16 Sk.) 

Promenader genom Stockholm. Tio vuer 
i stälstick, med upplysande text af O. 
A. E-n. Stockholm 1852. 24 S. 4. 
(3 R. 16 Sk.) 

Bätkommunikationen inom Stockholm och 
dess omgifningar. Stockholm 1852. 108. 
12. (3 Sk.) 

Carlskrona. En skizz för resande. Carls- 
krona 1852. 72 8. 12. (16 Sk.) 

Lignell (A.), Beskrifning öfwer grefska- 
pet Dal. Stockholm 1852. 267 8. 8. 
(1 R. 24 Sk.) 

Forester (T.), Norway and its scenery, 
comprising Price’s journal, with large 
additions, and a road-book; with 22 
illustrations. London 1853. 8. (5 S.) 
(Bohn’s Illustrated Library.) Angezeigt 
im: Athenaeum. 1853. N. 1348. 

—, Norwegen und sein Volk. Aus dem 
Engl. von M. B. Lindau. Mit 1 Karte 
u. 1 Ansicht. Dresden 1852. VIII u. 
319 8. gr. 8. (1 Thlr. 10 Sgr.) 

Holoway (J. G.), A month in Norway. 
London 1868. 1608. 12. (2S.) (Mur- 
ray’s Railway Reading.) 

Anderson (C.), An eight weok's journal 


in Norway in 1852; with rough out- 
lines. London 1868. 130 8. 8. (6 8.) 

Forbes (J. D.), Notes on Norway and 
its glaciers. With woodcuts and lithogr. 
plates. London 1853. 8. 

Hurton (W.), A voyage from Leith to 
Lapland; or pictures of Scandinavia in 
1850. 2d edit. London 1852. 820 8. 
8. (12S.) 

Axelson (M.), Wandring i Wermlands 
Elfdal och Finnskogar. Stockholm 1852. 
160 S. 12. (1 R..8 Sk.) 

Tham (W.), Beskrifning öfwer Nyköpings 
Lün. Stockholm 1862. VIIu. 859 8. 8. 
(2 R.) 


Das Europäische Rufsland. 


Koeppen, Tableau des peuples non russes 

. de la Russie Europeenne. — Nowv. An- 
nal. d. Voy. Nouv.Ser. T.XXX]. 1852. 
p- 816. 

Köppen, Ueber die Anfertigung der ethno- 
graphischen Karte von Rufaland. — Bull. 
de ! Acad. d. Sciences de St. Pdtersbourg. 
Cl. hist.-phil. 1852. N. 21. 24. 

Schafarik (P. J.), Apergu ethnogr. des 
anciens peuples de l’Europe Trad. des 
Slavische Alterthümer. — Nouv. Annal. 
d. Voy. 1852. II. p. 821. III. p. 86. 
IV. p. 210. 

Marmier (Xav.), Lettres sur la Russie, 
la Finlande et la Pologne. 2=® edition. 
Paris 1852. 18 Bog. gr. 12. (8 Fr. 
50C.) 

v. Haxthausen (Aug.), Studien über 
die inneren Zustände, das Volksleben 
und insbesondere die inländischen Ein- 
richtungen Rufslands. 3. Theil. Berlin 
1852. VIII u. 640 8. gr. 8. (8 Thir.) 
— Hieraus besonders abgedruckt: Die 
Kriegsmacht Bufslands in ihrer histo- 
rischen, statistischen, ethnographischen 
u. politischen Beziehung. Berlin 1852. 
VII u. 208 8. gr. 8. (1 Thir.) 

Maury (A.), Considerations sur la geo- 
graphie botanique et physique de la 
Russie septentrionale. — Bull. de la Soc. 
de Geogr. IVme Ser. IIL 1852. p. 266. 
IV. p. 70. 

Schirren (C.), Nachrichten der Griechen 
und Römer über die östlichen Küsten- 
länder des Baltischen Meeres. Riga18652. 
Xu 208. 8. | 

Gallitzin (Prince Emanuel), La Fin- 
lande. Notes recueillies en 1848 pen- 
dant une excursion de St. Petersbourg 
à Torneo; accompagnee d’une carte iti- 


XXXVIII 


neraire et d'une carte topographique | 
des travaux entrepris pour joindre la | 


Salma au golfe de Finlande. 2 vols. 
Paris 1852. 58 Bog. gr. 8. (15 Fr.) 
Angezeigt von Malte-Brun im: Bull. 
de la Soc. de Geogr. TV Ser. IV. 1852. 
p- 145 u. in den: Noue. Annal. d. Voy. 
1852. II. p. 87. 

Woldstedt, Die Höhen der Dreiecks- 
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tis Scientiar. Fennicae. II. 1852. p.159. 

Kohl (J. G.), Panorama of St. Peters- 
burg. London 1852. 224 8. gr. 12. 

dJerrmann (E.), Pictures from St. Pe- 
tersburgh. Translated from the German 
by E. Hardman. 2 parts. London 1852. 
2728. 8. (28.64) 

Rathlef (K.), Skizze der orograph. und 
kydrographischen Verhältnisse von Liv-, 
Esth- u. Kurland. Blit 1 orograph. Karte, 
1 hydrograph. Karte u. 9 Höhenprofilen. 
Reval 18652. VIu. 2208. gr. 8. (3 Thir.) 
Recensirt von v. 8ydow und Gumprecht 
in der: Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. 
I. 1858. p. 879. 

Jagd und Fischfang der Syrjanen im Gou- 
vernement Wologda. — Arch. f. wissen- 
schaftl. Kunde von Rufsland. XJ. 1852. 
p. 28. 

Castren (M. A.), Reseminnen frän ären 
1838 — 1844. 2 Vols. Helsingfors 1852. 
gr. 8. Mit Kupfern u. Karten. 

— , Reisen im Norden. Enthaltend: Reise 
in Lappland im J. 1888. Reise in dem 
russischen Karelien im J. 1889 etc. Aus 
dem Schwedischen übers. von H. Helms. 
Mit 1 Karte. Leipzig 1858. X u. 8568. 
8. (1 Thir. 22% Sgr.) 

—, Reise-Erinnerungen aus den Jahren 
1838—44. Im Auftrage der Kaiserl. 
Akademie der Wissenschaften heraus- 
gegeben von A. Schiefner. Petersburg 
1868. XIV u. 808 8. gr. 8. (2 Thlr.) 

Lindhagen, Bericht über die Ergebnisse 
der im Sommer 1851 in Angelegenhei- 
ten der Gradmessung unternommenen 
Reise nach Lappland. — Bull. de !’ Acad. 
d. Sciences de St. Petersbourg. Cl.phys.- 
math. 1852. N. 16. 

Note sur la ville de Kola. — Now. An- 
nal. d. Voy. 1852. III. p. 874. 

Eine Fahrt auf der Wolga. — Arch. f. 
wissenschaftl. Kunde von Rufsland. XII. 
1858. p. 868. 

de Demidoff (M. A.), Travels in Sou- 
thern Russia and the Crimea, through 


Geographie des Europ. Rulslands, Portugals und Spaniens. 


Hungary, Wallachis, and Moldavia, du- 
ring the year 1887. Illustrated by Raf- 
fet. 2 vols. London 1853. 700 8. 8. 
(423 8.) 

Rufsland nach Demidow in Vergleichung 
mit anderen Monarchien Europa's. Leip- 
zig 1852. VI u. 122 8. 8. (25 Ser.) 

de Villeneuve (E.), Albsm historique 
et pittoresque de la Tauride. Livr. 1. 2. 
Paris. Fol. (& 2 roubles.) 

v. Köppen (P.), Statistische Reise in's 
Land der Donischen Kosacken durch 
die Gouvernements Tula, Orel und Wo- 
ronesh im J. 1850. Mit 1 Karte. St 
Petersburg 1852. XXHI u. 8628. Lex. 8. 
(2 Thlr. 28 Sgr.) 

Minzloff, Becensio populorum Pontioo- 
rum quos Ovidius exul notos habauit. 
— Bullet. scientif. de l’ Acad. de St. Pv- 
tersbourg. X. 1852. N. 236 f. 

Ma(fsmann, Die Gothen in der Krim. 
— Monatsber. der Berlin. Gesellsch. f. 
Erdk. IX. 1852. p. 14. 


Portugal und Spanien. 


Hints to travellers in Portugal in search 
of the beautiful and the grand; with 
a itinerary of some of the most inte- 
resting parts of that remarkable oountry. 
London 1852. 96 8. 8. (88.6. d.) 

Baxter (W. E.), The Tagus and the 
Tiber; or, notes of travel in Portugal, 
Spain, and Italy, in 1850 and 18851. 
London 1852. 600 S. 8. (21 8.) 

Kiepert (H.), Zur Kartographie u. Sta- 
tistik von Spanien. — Zeitschr. f. ell- 
gem. Erdkunde. 1. 1853. p. 49 — 58. 

v. Minutoli (Jul.), Spanien und seine 
fortschreitende Entwickelung mit beson- 
derer Berücksichtigung des Jahres 1861. 
Mit 4 lith. Beilagen. Berlin 1852. XH 
u. 609 8. Lex. 8. (4 Thlr. 20 Ser.) 

Gumprecht, Die neueren Zustände von 
Spanien. — Zeitschr. f. allgem. Erd- 
kunde. I. 1863. p. 86. 

Ziegler (A.), Reise in Spanien. Mit Be- 
rücksiehtigung der national-ökonomi- 
schen Interessen. 2 Bde. Leipzig 1852. 
41% Bog. gr. 8. (4 Thir. 16 Sgr.) 

Willkomm (Mor.), Wanderungen durch 
die nördlichsten u. centralen Provinzen 
Spaniens. Reiseerinnerungen aus dem J. 
1850. 2 Tble. Leipzig 1852. 52 Bog. 
8. (8 Thlr. 15 Ser.) 

—, Die Strand- und Steppengebiete der 
Iberischen Halbinsel und deren Vegets- 
tion. Ein Beitrag zur physikalischen 


Geographie Italiens. 


Geographie, Geognosie und Botanik. 
Nebst einer geognost.-botan. Karte der 
Halbinsel, einer Stein- u. einer Kupfer- 
tafel. Leipzig 1852. X u. 275 8. gr.8. 

March, A walk across the French fron- 
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876 8. 8. (10 8. 6 d.) Angezeigt im: 
Athenaeum. 1853. N. 1845. 

Gautier (T.), Wanderings in Spain. 
Translated from the French. London 
1858. 8. (29.6 d.) (National illustr. 
Library, Vol. 29.) 

de Brinckmann (M=*, nee Dupont-Del- 
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les anndes 1849 et 1850. Paris 1852. 
8. (6 Fr.) 

de Garaude& (A.), L’Espagne en 1851, 
ou impressions de voyage d’un touriste 
dans les diverses provinces deceroyaume. 
Paris 1862. 16 Bog. gr. 8. (8 Fr.) 

Be&gin(E.), Voyagepittoresqueen Espagne 
et en Portugal. Paris 1852. 86 Bog. m. 
85 Kupfertaf. gr. 8. (28 Fr.) 

Un viaggio in Ispagna. — La Cirilta Cat- 
tolica. Vol. XI. 1862. p. 892. 525. 
Walton (W.). Sketch of the river Ebro; 
shewing its course through Spain until 
its discharge into the Mediterranean Sea. 

London 1852. 66 S. 8. (1 8.) 

Viardot, Souvenirs de Grenade. — Re- 
vue Orientale. 1852. III. p. 887. 

Tenison (Louisa), Castile and Andalu- 
cia. London 1858. 512 S. 8. (L 2. 
128.6.d.) 

Murray (R. D.), Tbe cities and wilds of 
Andalucia. 8d edition. London 1858. 
450 8. 8. (10 8. 6 d.) 


Italien. 


Stahr (A.), Ein Jahr in Italim. 1. Thl. 
2. durchgeseh. Aufl. Oldenburg 1858. 
UT u. 486 8. gr. 8. (2 Thir.) 

Lewald (Fanny), The Italian sketeh-book. 
London 1852. 12. (1 8. 6.d.) (Book- 
Case, Vol. 3.) 

Heinzelmann (Fr.), Reischilder u. Skiz- 
zen aus Italien, Sicilien und Sardinien. 
Mit 1 Stahlst. u. 1 Karte. Leipzig 1862. 
IX u. 570 8. gr. 8. (1 Tbir. 15 Sgr.) 

v. Roehau (L.), Italienisches Wander- 
buch. 1850 — 51. 2 Bde. Leipzig 1852. 
82 Bog. 8. (2 Tbir. 15 Sgr.) 

—, Weanderings in the cities of Italy in 
1850 and 51. Translated by Mrs. Perey 
Sinnett. 2 vols. London 1858. 600 8. 
8. (18 8.) 

Spencer (E.), A tour of inquiry through 


XXXIX 


France and Italy. 2 vols. London 1858. 
600 8. 8. (21 8.) 

Letters from Italy and Vienna. Cambridge 
1852. 2568. 8. (58.6.d.) 

Beldam (Jos.), Recollections of scenes 
and institutions in Italy and the East. 
2 vols. London 1851. XII u. 889, VIII 
u. 896 8. gr. 8. Angezeigt im: Leipzi- 
ger Repertor. d. Lit. 1852. I. p. 288. 

Murray’s handbook for North Italy. Flo- 
rence, Sardinia, Genoa, the Riviera, 
Lombardy, and Tuscany. Maps. Lon- 
don 1858. 8. (9 8.) 

Handbook for travellers in Northern Italy. 
4th edition. London 1852. 560 8. 12. 
(12 8.) 

Grisson, Beobachtungen bei seinem Be- 
suche der Waldenserthäler im Sommer 
1851. — Monatsber. d. Berlin. Ges. f. 
Erdkunde. IX. 1852. p. 90. 

Smith (R. B.), Italian irrigation; being 
a report on the agriculture canals of 
Piedmout and Lombardy, addressed to 
the Hon. the Court of Directors of the 
East India Company. 2 vols. Edinburgh 
1852. 8448. 8. (21 S.) 

Venice: past and present. London 1858. 
192 S. 18. (6. d.) 

Beaumont, Les Mekitaristes. Notice sur 
le couvent des Armeniens & Venise et 
à Paris. — Revue Orientale. 1852. 1. 
p- 71. 

Dennis (Go.), Die Städte und Begräb- 
nifaplätze Etruriens. Deutsch von N.N. 
W. Meifsner. Mit 106 Abbildg., 8 Land- 
schaften, 9 Plänen, 18 Inschriften und 
1 Karte. Abthl. I. II. Leipzig 18562. 
LXXX u. 744 8. gr. 8. Angezeigt im: 
Leipziger Repertor. d. Liter. 1852. II. 
p- 187. 

Lindemann-Frommel’s Skizzen aus 
Rom u. der Umgebung. 2. — 5. Hit. 
Karlsruhe 1852. 658. 8 lithochr. u. 16 
lithogr. BL. gr. Fol. (& 84 Thılr.) 

Mac Farlane (C.), The catacombs of 
Rome. London 1852. 200 8. 12. With 
illustrations. (8 8.) 

Coraboeuf, Notice sur les operations 
geodesiques que les ingenieurs geogra- 
phes francais ont ex@cutdes & Bome en 
1809 et 1810. — Bullet. de la Soc. de 
Geogr. IV" Ser. V. 1858. p. 853. 

Marzola (B.), Grande dizionario geogra 
fico-storico de regno delle due Sicilie. 
Napoli 1852. 4. 

Murray’s handbook for Southern Italy 
and Naples. London 1853. 12. (15 8.) 








xL 


Klütz (W. A.), Der Strand von Bajä. 
Ein historisches Spiegelbild. Programm 
des Gymnasiums zu Neu-Stettin. Neu- 
Stettin 1852. 8 8. 4. 

Lear (E.), Journals of a landscape pain- 
ter in Southern Calabria. Illustrated 
with plates.. London 1852. 306 8. 
Roy. 8. (21 S.) 

Perini (A.), Statistica de Trentino. 2 vol. 
Trento 1862. VII, 668 u. 752 S. gr.8. 
Bartlett(W.), Pictures from Sicily; with 
83 plates, maps, and woodcuts. London 

1852. Imp. 8. (16 S.) 

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year 1885. London 1852. 8. (5 8.) 
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Sicile. Bruxelles 1852. 281 S. gr. 12. 

(24 Sgr.) 

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1852. XIII. p. 178. 

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in Halle am 28. Februar 1852. Halle 
1862. 80 S. 16. (5 Sgr.) 

A visit to Syracuse. — United Service 
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Rolland (Ch.), Malte. Souvenirs de 
voyage. — L’Athenaeum Francais. 1853. 
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Die Europäische Türkei. 


Ubicini (A.), Lettres sur la Turquie, 
ou tableau statist., religieux, politique 
etc. de l’empire ottoman etc. 1'* partie: 
Les Ottomans. 2=* ddition. Paris 1858. 
18. (6 Fr.) 

Rigler (Lor.), Die Türkei und deren Be- 
wohner in ihren naturhistorischen, phy- 
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nissen vom Standpunkte Constantinopels 
geschildert. Wien 1852. 2 Bde. XVI, 
414 u. 586 8. gr. 8. Angezeigt im: 
Leipziger Repertor. der Lit. 1862. 11. 
p- 2. 

St. John (B.), The Turks in Europe: 
a sketch of manners and politics in tbe 
OttomanEmpire. London 1858. 23128. 
8. (78.64) 

Crowe (E. E.), The Greek and the Turk ; 
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London 1868. 846 S. 8. (10 8.6d.) 

Die Europäischen Provinzen der Türkei. 
— Minerva. 1858. I. p. 806. IL p. 1. 

Spencer (E.), Travels in European Tur- 
key through Bosnia, Servia etc. 2d edit. 
3 vols. London 1858. 660 8. 8. (188.) 


Geographie der Europäischen Türkei und Griechenlands. 


The Frontier Lands of the Christian and 
the Turk; comprising travels in the re- 
gions of the Lower Danube in 1850 
and 51. By a British Resident of twenty 
years in the East. 2 vols. London 1858. 
852 S. (28 S.) 

Viquesnel (A.), Explorations dans la 
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tagnes du Rilo-Dagh et du bassin hry- 
drographique de Lissa. — Bullet. de la 
Soc. de Geogr. IVm® Ser. IV. 1852. 
p. 549. 

Gautier (T.), Erinnerangen aus Con- 
stantinopel. — Portfolio f. Länder- «. 
Völkerkunde. H. 2. p. 129. 

Fliegner (F.), Bilder aus Constantinopel. 
Eine Schilderung des Lebens, der Sitten 
und Gebräuche in dieser Hauptstadt. 
Mit 1 lith. Plane von Gonstantinopel in 
qu. gr. 4. Breslau 1858. VIII u. 8408. 
8. (14 Thir.) 

Bowen (G. F.), Mount Athos, Thessaly, 
and Epirus: a diary of the journey from 
Constantinople to Corfu. London 1852. 
261 S. 8. (7 8. 6 d.) 

Krasinski, Montenegros, and the Slavo- 
nians of Turkey. London 1858. 1608. 
12. (1S.6d.) (Readings for Traveller.) 

Knight (W.), Diary in the Dardanelles, 
from Sonedas to Marmora. London 1852. 
12. (2 8.) 


Griechenland. 


Hettner (H.), Griechische Reiseskizrem. 
Braunschweig 1858. 808 8. 8. (1 Thir. 
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pertor. der Lit. 1858. II. p. 281. 

Wordsworth (C.), Greece, pictorial, hi- 
storical and descriptive. New edit. Lon- 
don 1858. 426 S. Roy. 8. (818. 6d.) 

Pfefferkorn, Altgriechenland, chorogra- 
phisch. Programm des Gymnasiums zu 
Königsberg in der Neumark. Königs- 
berg 1852. 128. 4. 

Merleker, Historisch-geographische Dar- 
stellung des Landes und der Bewohner 
von Epeiros. Thl. II. Programm des 
Friedrichs-Collegium zu Königsberg in 
Preufsen. Königsberg 1852. 18 8. 4. 

A trip to Greece from the Jonian Islands. 
— United Service Journ. 185%. I. p. bõ. 
287. 848. 

Meziödres (A.), Exploration archeolo- 
gique et geographique de Yancienne 
Magndsie. — Nour. Annal.d. Voy. 1853. 
I. p. 6. 


Geographie Asiens. Das Asiatische Rufsland. 


Meziödres (A.), Memoire sur le Pelion 
et l’Ossa. Paris 1858. 8. 

Becker, De Aetoliae finibus ac regioni- 
bus dissertatio. Part. II. Programm der 
Rheinisch. Ritter-Akademie zu Bedburg. 

" Köln 1852. 82 8. 4. 

Henriot, Recherches sur la topographie 
des dömes de l’Attique. Paris 1853. 8. 

Rofs (L.), Das Theseion und der Tem- 
pel des Ares in Athen. Eine archaeo- 
logisch-topograph. Abhandlung. Umge- 
arbeitet u. erweitert aus d. Griechischen. 
Mit 1 Plane. Halle 1852. XVI u. 728. 
3. (24 Sgr.) 

Welcker (F. G.), Der Felsaltar des Höch- 
sten Zeus u. das Pelasgikon in Athen, 
bisher genannt die Pnyx. — Abhandl. 
der Berlin. Akad. d. Wiss. 1868. 

Schwab (Chph. Thd.), Arkadien. Seine 
Natur, seine Geschichte, seine Einwoh- 
ner, seine Alterthümer. Stuttgart 1852. 
IV u. 608. 8. (12 Sgr.) Angezeigt im: 
Leipziger Repertor. der Lit. 1852. II. 
p- 827. 

Curtius (E.), Olympia. Ein Vortrag, im 
wissenschaftlichen Vereine zu Berlin am 
10. Januar gehalten. Mit 2 lith. Taf. 
Berlin 1862. 88 S. 8. (12 Sgr.) 

Leycester, On the volcanic group of 
Milo. — The Journ. of the R. Geogr. 
Soc. XXI. 1852. p. 201. 

Watson (W.), A cruise in the Aegasan: 
The retrospect of a summer joumey 
westward from the Great City by Pro- 
pontic Sea ; including an ascent of Mount 
Etna. London 1853. 880 8. 8. (10 8. 
6.d. 

Breulier, Les iles Joniennes sous le pro- 
tectorat anglais. — Revue Orientale. 
1852. I. p. 257. 

A sketch of Santa Maura. — United Ser- 
vice Magaz. 1858. III. p. 241. 


Asien. 


Gordon, De la question d’Orient dans 
Yantiquite. — Revue Orientale. 1852. 
1. p. 401. 

de Saint-Martin, Etudes de geogra- 
phie ancienne et d’ethnographie Asia- 
tique. T. IL. Paris 1852. 8. (15 Fr.) 
(Nur in 50 Exemplaren abgezogen.) 


Das Asiatische Rufsland. 
Revelsations of Siberia.. By a banished 
Lady. Edited by Col. L. Syzania. 
2 vols. London 1852. 600 8. 8. (21 8.) 


LI 


Kvostoff et Davidoff, Voyages dans 
l’Amerique Russe & travers la Siberie, 
ex6cut6 pendant les anndes 1302 31804. 
Extrait de la relation originale par le 
prince E. Galitzin. — Now. Annal. d. 
Voy. 18562. II. p. 278. III. p. 178. 

Erman (A.), Bemerkungen über eine Eng- 
lische Expedition zum Siberischen Eis- 
meer. — Arch. f. wissenschaftl. Kunde 
von Ru/sland. XI. 1852. p. 82. 

Entdeckung zweier Inseln im Ochozker 
Meere. — Arch. f. wissenschaftl. Kunde 
von Ru/sland. XII. 1858. p. 648. 

Bogow, Eine Fahrt auf der Tschusowaja. 
— ibid. XII. 1858. p. 118. 

Makschejew, Beschreibung des Aral- 
See’s. — ibid. XII. 1868. p. 586. Vgl. 
Monatsber. d. Berlin. Ges. f. Erdkunde. 
IX. 1852. p. 169. 

Niebolsine, Excursion dans le pays 
compris entre Orenbourg et les bords 
de la mer Caspienne; trad. du russe 
par M. Delaveau. — Bullet. de la Soc. 
de Geogr. TV=* Ser. IV. 1852. p. 189. 
487. 

Galitzin (Prince Em.), Excursion min&- 
ralogique dans les environs du lac Bal- 
kal. — Nouv. Annal. d. Voy. Nouv. Ser. 
XXXI. 1852. p. 299. 

Ueber eine im Jahre 1850 ausgeführte 
bergmännische Reise in das Werchoja- 
ner Gebirge. — Arch. f. wissenschaftl. 
Kunde von Ru/sland. XL. 1852. p. 392. 

Meglizkji, Geognostische Bemerkungen 
über das Werschojaner Gebirge. — ibid. 
XI. 1852. p. 817. 

Zerrenner (C.), Erdkunde des Gouver- 
nements Perm. 2. Abthl. Leipzig 1852. 
S. 129— 804. gr. 8. (1. u. 2. Abthl. 
2 Thir. 10 Sgr.) 

Observations scientifiques faites par M. A. 
Save@lief pendant un voyage de Kazan 
& Astrakhan, 1850. — Nowv. Annal. d. 
Voy. 1852. II. p. 287. 

Sur les Cimmeriens et leurs migrations. 
— ibid. 1858. I. p. 9. 

Abich (H.), Erläuterungen zu einem Pro- 
file durch den nördlichen Abhang des 
Kaukasus vom Elburuz bis zum Besch- 
tau. — Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. I. 
1858. p. 247. 

de St. Marta, Tableau du Caucase au 

«Xme siöcle de notre dre (950) d’apres 

« Constantin Porphyrogendte et les auteurs 
arabes contemporains. — Nowv. Anmal. 
d. Voy. Nouv. Ser. XXXI. 1852. p. 28. 
145. 


zu Geographie China’s. 
The celestial empire; or, points and pio- 


de St. Martin, Btade sur V'histoire geo- | kings of information about China and 
ings of information abou an 





graphique de la religion Caucasienne 
et de l’Armenie dans les six premiers 
sidcles de notre &re et particulierement 
sur la Lazique de Procope. — Nour. 
Annal. d. Voy. 1852. II. p. 121. 

Bodenstedt (Fr.), The morming land; 
or a thousand and one days in the East. 
From the German. London 1853. 2 vols. 
8. Angezeigt im: Athenaeum. 1853. 
N. 1351. 

Brosset, Rapport sur les voyages exe- 
cut£s sous les auspices du Prince Vo- 
rontsov, par M. Dimitri Meghwinet- 
Khoutsesov. — Now. Annal. d. Voy. 
1858. I. p. 59. 

Boisgontier, Les colonies allemandes 
dans l’Arm6nie russe. — Rerue Orien- 
tale. 1852. II. p. 458. 

Galitzin (Prince Em.), Le Daghestan 
dans ses parties bordale et centrale. 
Tableau geographique tird des docu- 
ments russes les plus recents. — Nour. 


de St. Martin, Addition au me&moire 
prec#dent. Note sur les Lesghi. — ibid. 
1862. I. p. 80. 


China. 


A true description of three voyages by 
the North-East, towards Cathay and 
China, undertaken by the Dutch in the 
years 1594, 1595 and 1596, by Ger- 
rit de Veer. Published at Amsterdam 
in the year 1598 and in 1609, trans- 
lat. into English by W. Phillip. Edit. 
by Ch. T. Beke. London. Printed for 
the Hakluyt Society. 1853. CXLII and 
391 S. With maps. 8. Analysirt in den: 
Nouv. Annal. d. Voy. 1853. III. p. 83. 

Biermatzki (K.L.), Beiträge zur Kunde 
China’s und ÖOstasiens, in besonderer 
Beziehung auf die Missionssache. 1. Bd. 
1. Hft. Mit 2 Holzschn. Kassel 1853. 
gr. 8. (10 Sgr.) 

Davis (J. Fr.), Chine und die Chinesen. 
Eine allgemeine Beschreibung von China 
und dessen Bewohnern. Aus d. Engl. 
übers. von W. Drugulin. 1.— 4. Bd. 
Stuttgart 1853. 584 Bog. 8. 

Gumprecht, Neuere russische ethnogra- 
phische Arbeiten. — Zeitschr. f. allgem. 
Erdkunde. I. 1858. p. 75. 

China, pictorial, descriptive, and histori- 
cal; with some account of Ava and the 





Annal. d. Voy. 1852. I. p. 44. 
| 


Chinese. By the author of „Soldiers 
and Sailors.‘‘ London 1858. 12. With 
20 illustrations. (5 S.) 


| Williams (S. Wells), Das Reich der 


Mitte. Eine Uebersicht der Geographie, 
Regierung, Erziehung, des socialen Le- 
bens, der Künste, Religion u. s. w. des 
chinesischen Reichs und seiner Bewoh- 
ner. Aus dem Engl. übers. von C.L. 
Collmann. Bd.I. Mit Qlustr. u. 1 neuen 
Karte des chines. Reichs. Cassel 1852. 
XVI u. 612 8. gr. 8. (8 Thlr.) Ange- 
zeigt im: Leipziger Repertor. d. Literat. 
1852. IL p. 80. 

Power (W.T.), Recollections of a three 
years’ residence in China. London 1858. 
886 S. 8. (10 8. 6 d.) 

Hoo Peih Seang, Tbe ceremonial usa- 
ges of the Chinese, B. C. 1121 as pre- 
scribed in the „Institutes of the Chow 
Dynasty Strung as Pearls‘, or Chow 
Le Kwan Choo. Translated from the 
original Chinese, with notes, by W. R. 
Gingell. London 1852. 8. 

Shuck (Henrietta), Scenes in China: or 
sketches of the country, religion, and 
customs of the Chinese. Philadelphia 
1852. 252 8. 16. 

Fortune (R.), A joumey to the Tea 
Countries of Chinas, including Sung-lo 
and the Bohea Hills; with a short ac- 
count of the East India Company’s Tea 
plantations in the Himalaya Mountains. 
London 1852. 414 8. 8. With map 
and illustrations.. (15 8.) — 8d edi- 
tion. 2 vols. ibid. 1858. 600 8. 8. 
(18 8.) 

Extracts from the remarks of H. M. Ship 
Columbine (1849), J. D. Hay, Com- 
mander. Coast of China. — Nautical 
Magazine. March 1852. p. 189—149. 

Hodgson, On the Indo-Chinese borde- 
rers and their connexion with the Hi- 
mälayans and Tibetans. — Journ. of 
the R. Asiat. Soc. of Bengal. 1858. 
XXII. p. 1. 

Berncastle, A glance at Hong Kong 
in 1850. — Colonial Magaz. XXIL 
1852. p. 148. 

—, A sketch of Whampoa. — ibid. XXIII. 
1852. p. 250. 

—, A sketch of Canton. — ibid. XXIII. 
1852. p. 426. 


Burmese, Siam and Annam. London | Salisbury (Edw. E.), On the genuiness 


1858. 8. With engravings. (5 8.) 


of the s0o-called Nestorian monument 


Geographie der Tatarei, Mongolei etc., Japans, Kleinasiens. zum 


of Singan-Fu. — Journ. of the Ameri- 
can Oriental Society. Ill. 1858. p. 899. 

de la Roquette. Note sur !'ile de Hai- 
nan. — Bullet. de la Soc. de Geogr. 
Iv-* Ser. ID. 1852. p. 519. 

Quetelet, Sur quelques individus chi- 
nois et sur les proportions de leur corpe. 
— Bullet. de l’ Acad. Roy. des Sciences 
de Belgique. T. XIX. 1° Part. 1852. 
p- 742. 


Tatarei. Mongolei. Thibet. 


Mandschurei. 


Hodgson, On the Mongolian affinities 
of the Caucasians. — Journ. of the 
Asiat. Soc. of Bengal. 1858. XXIII. 
p. 26. 

Huc (M.), Travels in Tartary, Tbibet, 
and China, during the years 1845, 1846 
1847. Translat. from the French by W. 
Hazlitt. 2 vols. London 1852. 8. (5 8.) 
(National Illustrated Library.) 

— , Recollections of a journey through 
Tartary, Thibet, and China. Translat. 
by Mrs. P. Sinnett. 2 in 1 vol. 
London 1852. (2 8. 6. d.) (Traveller's 
Library.) 

The adventures of a Lady in Tartary, 
Thibet, China, and Kashmir, througb 
portions of territory never before visi- 
ted by Europeans. 8 vols. London 
1858. 900 8. 8. (81 8.6.d.) 

Prinsep (H. T.), Tibet, Tartary, and 
Mongolia; their social and political con- 
dition. 2d edit. London 1852. 80 S. 
8. With map. (5 8.) 

Campbell (A.), Journey through Sikim 
to the frontiers of Thibet. — Journ. 
of the Asiat. Soc. of Bengal. XXI. 1858. 
p- 407. 477. 

Venault, Excursion dans les parties in- 
terieures de la Mandchourie. 1850. — 
Now. Annal. d. Voy. 1862. II. p. 206. 
Vergl. Bull. de la Soc. de Geogr. IV 
Ser. IV. 1852. p. 109. 


Japan. 
Macfarlane (Ü.), An account of Japan, 
ical and historical. London 
1862. 456 8. 8. With illustrations. 
(12 8.) 

Kaempfer (E.), An account of Japan. 
Abridged and arranged from the trans- 
lation of J. G. Scheuchzer. London 
1853. 112 8. 8. (1 8.) (Universal Li- 


brary.) 
Golorinne (Capt.), Japan and the Ja- 


panese ; or, narrative of a captivity in 
Japan. 2 vols. London 1852. 600 8. 
8. (15 Sgr.) 

Manners and customs of the Japanese; 
Japan and the Japanese in the 19th 
century. New and cheaper edition. Lon- 
don 1852. 430 8. 8. (6 8.) 

Note sur le Japon. Trad. de l’anglais par 
M. de la Roquette. — Bull. de la Soc. 
de Gdogr. IV=* Ser. IV. 1852. p. 88. 

Die nordamerikanische Expedition nach 
Japan. — Portfolio für Länder- und 
Völkerkunde. H. 1. 1858. p. 87. 


Die Asiatische Türkei. 


Kleinasien. 


de Tchihatcheff (P.), Asie Mineure. 
Description physique, statistique et ar- 
cheologique de cette contree. Ir part. 
Geographie physique comparee. Paris 
1858. XXIV u. 609 8. 8. Avec Atlas 
de 14 pl. in 4. et une carte de l’Asie 
Mineure en 2 feuill. (100 Fr.) Analysirt 
in den: Nouv. Annal. d. Voy. 1852. IV. 
p. 250. 

Colquhoun (P.), On the site and iden- 
tity of the ancient Cyzicus and of the 
medieval Esquise. — Transact. of the 
R. Society of Literature. 2d Ser. T. IV. 
1858. p. 849. 

—, On the site of the Palaescepsis of 
Strabo. — ibid. 2d Ser. T.IV. 1858. 
p- 861. 

de Beaumont, Broussa. Nice. — Re- 
vue Orientale. 1852. 1.p.478. II. p. 66. 
820. III. p. 176. 418. 

Fellows (Ch.), Travels and researches 
in Asia Minor, and more particularly 
in the province of Lycia. New edition. 
London 1858. 520 8. 8. (9 8.) 

—, Ein Ausflug nach Kleinssien u. Ent- 
deckungen in Lycien. Uebersetzt von 
J. Th. Zenker. Mit 63 Kupfertaf. und 
8 Karten. Leipzig 1863. XII u. 842 8. 
gr. 8. (10 Thlr.) 

Bakker (W.B.), Lares and Penates; or, 
Cilieia and its governors: being a short 
historical account of that province, from 
the earliest times to the present day: 
together with a description of some 
household gods of the ancient Cilicians, 
broken up by them on their conversion 
to christianity, and first discovered and 
brought to this country by the author. 
Edited by William Francis Ainsworth. 
London 1858. 460 8. 8. (6 8.) 


ZLIV 


Langlois (V.), Voyage d’exploration 
scientifique en Cilicie. — Now. Annal. 
d. Voy. Nourv. Ser. T. XXXI. 1852. 
p- 5. 

—, Le Kusuk-Kolab, & Tarsous. — L’Athe- 
naeum Francais. 1853. p. 875. 

Herrenburger, Neuere Zustände von 
Cypern. — Monatsber. der Berlin. Ges. 
f. Erdkunde. X. 1858. p. 195. 

Rofs (L.), Reisen nach Kos, Halikarnas- 
sos, Rhodos und der Insel Cypern. Mit 
Lithographien und Holzschnitten. Halle 
1852. VII u. 216 8. gr. 8. (1 Tbir. 
12 Sgr.) (Bildet den 4. Ba der Reisen 
auf den griechischen Inseln.) Recensirt 
im: Leipziger Repertor. d. Liter. 1852. 
II. p. 212. 


Armenien. 


Monteith, Notes sur la position de plu- 
sieurs aneiennes villes situdes dans les 
plaines d’Ararat et de Nakhtchevan, et 
sur les bords de l’Araxe. — Now. An- 
nal. d. Voy. Nouv. Ser. T.XXXL. 1852. 
p- 129. 

de St. Martin, Note sur le site d’Ar- 
mavir, la plus ancienne cit6 royale de 
FArménie et sur le site de l’ancienne 
Artaxata. — ibid. Nouv. 8er. T. XXII. 
p- 180. 

Hughes, A day in Koordistan. — Uni- 
ted Service Magaz. 1858. III. p. 105. 
Belin, Extrait d’un voyage de Paris & 
Erzeroum. — Journ. Asiat. IV Ser. 

1853. T. XIX. p. 865. 


Mesopotamien. 

Thompson, The Euphrates valley route 
to India. — The Colonial and Asiat, 
Review. 1853. II. p. 215. 251. 886. 

Gosse (P. H.), Assyria: her manners and 
customs, arts and arms, restored from 
the monuments. London 1852. 660 8. 
8. (8S.) 

Grotefend (G. F.), Anlage und Zerstö- 
rung der Gebäude zu Nimrud nach den 
Angaben in Layard’s Nineveh. Nebst 
1 Steintaf. Göttingen 1852. 48 8. 4. 
(16 Sgr.) (Aus dem 5. Bande der Ab- 
handl. der K. Gesellsch. d. Wissensch. 
zu Göttingen.) 

Layard (A.H.). Fresh discoveries in the 
ruins of Nineveh and Babylon; with 
travels in Armenia, Kurdistan, and the 
desert; being the result of a second 
expedition to Amyri, undertaken for 

the Trustses the British Museum. 


Geographie Armeniens, Mesopotamiens und Syriens. 


London 1858. 696 8., nearly 400 illu- 
strations. 8. (21 8.) 

Layard (A.H.), Nineveh and its remains; 
with an account of a visit to the Chal- 
dean Christians of Kurdistan and the 
Yezidis, or Devil-worshippers, and in- 
quiry into-the manners and arts of the 
ancient Assyrians, with introductory 
notes by Prof. E. Robinson. New York 
1852. gr. 12. (1 Doll.) Becensirt in 
der: Dublin Review. 1858. Octbr. p.93. 

—, Narrative of his second expedition to 
Aseyria, and researches at Nineveh and 
Babylon. Newedit. 2 vols. London 1858. 
700 8. 800 plates and woodc. 8. (808.) 

—, Monuments of Nineveh. 2dseries. Lon- 
don 1858. fol. (L 10, 10 8.) 

—, A popular account of discoveries at 
Nineveh. New York 1852. 858 9. 12. 

Blackburn (J.), Nineveh; its rise and 
ruin. New edit. London 1852. 180 8, 
12. (2 S.) 

Bonomi (J.), The palaces of Nineveh 
and the buried cities of the east: a 
narrative of Layard and Botta’s disco- 
veries at Khorsabad and Nimrond. Lon- 
don 1852. 416 S. 8. (68.) — 2d edit. 
ibid. 1853. 8. (6 8.) 

Vaux (W. 8. W.), Niniveh und Perse- 
polis. Eine Geschichte des alten Assy- 
riens und Persiens nebst Bericht über 
die nenesten Entdeckungen in diesen 
Ländern. Uebersetzt von Jul. Th. Zen- 
ker. Leipzig 1852. VI u. 848 S. gr. 8. 
Mit Kupf. u. 1 Karte. BRecensirt im: 
Leipziger Repertor. d. Literat. 1862. L 
p. 858. 

Badger (@. P.), Nestorians and their ri- 
tuals; with the narrative of a mission 
to Mesopotamia and Coordistan. 2 vols. 
London 1852. 57 Bog. 8. (86 8.) 

Laurie (T.), Dr. Grant and the Mountain 
Nestorians. Washington 1858. 440 8. 
12. With map, portrait etc. 

Kunik, Analyse d’un ouvrage manuscrit 
intitule: Die Seabier und der Ssabis- 
mus oder die syrischen Heiden u. das 
syrische Heidenthum in Harran und an- 
dern Gegenden Mesopotamiens zur Zeit 
des Chalifats, von Jos. Chwolsohn. 
— Bull. de PT’ Acad. des Sciences de St. 
Pitersbourg. Cl. hist.-phil. 18523. N. 15 
—11. 


Syrien. 
de St. Martin, Un chapitre inedit de 
Vhistoire g6ographique de la Syrie au- 


Geographie Palästina’s. 


cienne. — Now. Annal. d. Voy. 1852. 
I. p. 260. 

v. Kremer (A.), Beiträge zur Geographie 
des nördlichen Syriens. Nach Ibn Schi- 
ne’s: Dorr-el-Motacheb fi Tärich Ha- 
lieb. Wien 1852. 25 S. Fol. (15 Sgr.) 
(Aus den Denkschriften der Kaiserl. 
Akad. der Wiss. zu Wien abgedruckt.) 

Curtis (G.W.), Wanderer in Syria. Lon- 
don 1852. 860 8. 8. (108.6.d.) 

de Saulcy (F.), Note sur la g6ographie 
ancienne de la cöte de Syrie de Bei- 
routh & Akka. Lue & l’Acad. des In- 
script. etc., dans la s&ance du 24 Mai 
1852. Paris 1852. 2 Bog. gr. 8. 
Vergl. Now. Asnal. d. Voy. 1862. II. 
p- 249. 

Neale (F. A.), Eight years in Syria, Pa- 
lestine, and Asia Minor, from 1842 to 
1850. 2. edit. 2 vols. London 1852. 
89 Bog. 8. (21 8.) 

Lahorty-Hadji, La Syrie, la Palestine 
et la Indie, pelerinage & Jerusalem. 
Paris 1853. 8. Avec planches. (20 Fr.) 

Les Marounites, d’apröe le manuscrit arabe 
du R. P. Azar, vicaire generale de 
Ssida (Terre sainte), delegue du pa- 
triarche d’Antioche et de la nation ma- 
rounite. Cambrai 1852. 8 Bog. gr. 12. 

Lyde (8.), Ansyreeh and Ismaeleen. A 
visit to the secret sects of Northern 
Syria. London 1858. 804 8. 8. (108. 
6 d.) 

de Pardieu, Damas, ses habitants, et 
ses environs. Extrait du voyage en 
Syrie par M. de la Roquette. — Bull. 
de la Soc. de Geogr. IV"® Ser. III. 
1852. p. 71. 

Bose (W.), Die nenesten Zustände von 
Damascus im Sommer 1852. — Mo- 
natsber. d. Berlin. Ges. f. Erdkunde. X. 
1858. p. 84. 

v. Kremer, Topographie von Damascns 
und Mittel- „armen — Sitzungsber. d. 
Wiener Akad. d. Wiss. Philos.- hist. Cl. 
18562. VII. p. 4. 

Guys (H.), Statistique du Pachalik d’Alep. 
Topographie, climat, histoire naturelle 
etc., de cette province. Marseille 1858. 
184 8. 8. 

de Forest (H. A.), Notes on ruins in the 
Büka’a and in the Beläd Ba’albek. — 
Journ. of the American Oriental Soc. III. 
1868. p. 849. 

Churchill, Mount Lebanon: a ten years’ 
residence, from 1848 to 1852, descri- 


bing the manners, customs, and reli- | 





XLV 


gion of its inhabitants etc. 8 vols. Lon- 
don 1853. 1200 8. 8. (43 8.) 


Palästina. 


de St. Martin, Les vieux voyageurs & 
la Terre Sainte du XIV” au XVI” 
siecle. — Nowe. Annal. d. Voy. 1858. 
I. p. 86. III. p. 36. 

Straufs (Fr. A.), Sinai und Golgatha. 
Reise in das Morgenland. 4. verb. u. 
verm. Aufl. Berlin 1868. VII n. 4208. 
8. (16 Sgr.) — 5. verb. u. verm. Aufl. 
ibid. 1853. X u. 424 8. 8. (1% Thlr.) 

Recentes explorations faites en diverses 
parties de la Palestine depuis le voyage 
de MM. Smith et Robinson. I. Becher- 
ches du Capt. Newbold aux environs 
de Jerusalem. — Nouv. Annal. d. Voy. 
Nouv. Ser. T. XXXI. 1852. p. 6. 
1858. T. XXII. p. 118. 

Schwarz (R. J.), Das heilige Land nach 
seiner ehemaligen u. jetzigen geographi- 
schen Beschaffenheit, nebst kritischen 
Blicken in das C. v. Raumer’sche „Pa- 
lästina‘‘. Deutsch bearbeitet von Isr. 
Schwarz. Frankfurt a. M. 1852. XIX 
u. 472 S. Mit 4 Taf. u. 1 Karte. 8. 
(2 Thlr.) 

Plitt (Th.), Skizzen aus einer Reise nach 
dem heiligen Land. Karlsruhe 1858. 
VII u 1328. Mit 1 Steindrtaf. gr. 8. 
(12 Sgr.) 

Schiferle (J.), Reise in das heilige Land, 
im J. 1851 unternommen u. beschrieben. 
2 Bde. Augsburg 1852. VI u. 266, XII 
u. 418 u. 12 lith. 8. 12. (1 Tbir. 16 
Sgr.) 

Gehlen (F. J.), Aus den Erlebnissen u. 
Forschungen eines Pilgers zum heiligen 
Lande. 2. Bdchn.: Excursion von Je- 
rusalem nach Jericho bis zum Jordan 
u. todten Meere. Münster 1862. 100 8. 
8. (74 Sgr.; compl. 225 Sgr.) 

Gofsler (H.), Pilgerreise nach Jerusalem. 
Paderborn 1852. 871 S. 8. Mit 8 An- 
sichten. (1 Thlr.) 

Rathgeber (A.), Palästina Land und 
Volk. Langensalza 1858. 92 8. u. 1 
Karte. 8. (18 Sgr.) 

Robinson, Abrifs einer Reise in Pal&- 
stina im J. 1852 von E. Robinson, E. 
Smith u. Andern. — Zeitschr. d. deut- 
schen morgenländ. Gesellsch. VII. 1858. 
p. 87. 

Fisk (G.), A pastor's memorial of the 
Holy Land. dth edition. London 1853. 
4708. 8. (7 8. 6 d.) 

















xLVI 


Cox (F. A.), The geography, topography, 
and natural history of Palestine. Lon- 
don 1858. 180 S. gr. 8. (28.6d.) 

Guest (J. C.), Geographical and histo- 
rical dictionary of Palestine. Chelten- 
ham 18562. 100 S. 18. (9 d.) 

Macdougal (T. St.C.), Outlines descrip- 
tive of modern geography, and a short 
account of Palestine or Judae, with re- 
ference to blank maps. 9th edit. Lon- 
don 1858. 180 8. 12. (28.6.d.) 

Bannister (J. T.), A survey of the Holy 
Land; its geography, history, and de- 
stiny: designed to elucidate the ima- 
gery of scripture, and demonstrate the 
fulfilment of prophecy. With an intro- 
duction by the Rev. W. Marsh. With 
maps and engrevings. London 1858. 8. 
(108.6.d.) 

Churton (H. B. W.), Thoughts of the 
land of the moming: a record of two 
visits to Palestine. London 1852. 3408. 
8. (108.6d.) 

Cox (F.A.), Biblical antiquities, illustra- 
ting the language, geography, and hi- 
story of Palestine.e London 1852. 8. 
4708. (7 8.6d.) 

Wilbraham (C. P.), Descriptions of Ca- 
naan; being an account of the moun- 
tains, rivers, and towns of the Holy 
Land. London 1858. 92 S. 12. (1 8.) 

Anderson (J.), Wanderings in the Land 
of Israel and the wilderness of Sinai 
in 1850 and 1851. London 1858. 
s10 8. 12. (18.6d.) 

Three weeks in Palestine and Lebanon. 
18th edit. London 1853. 166 8. 18. 
(2 8.) 

Hahn -Hahn (Countes), From Jerussa- 
lem. London 1852. 2188. 8. (78. 
6.d.) 

Terwecoren (E.), Bethleem. D’apres 
les notes inddites de deux voyageurs 
Beiges, faites en 1840 et 1845. Bru- 
zelles. 1852. 47 S. gr. 12 (4 Ngr.) 

An excursion from Jericho to the ruins 
of the ancient cities of Geraza and Am- 
man, in the country east of the river 
Jordan. London 1853. 80 8. 8. 

Lynch (W. F.), The narrative of the 
United States’ expedition to the river 
Jordan and the Dead Sea. 6th edition. 
London 1852. 500 8. 8. (21 8.) — A 
new condensed edition. ibid. 1858. 
880 8. 8. (7 S.6.d.) Recension im: 
Journal d. Sarants. 1851 Sept. 1852 
Aoũt. 


Geographie Palästina’s und Arabiens. 
ı Lynch (W. F.), Official report of the 


United States expedition to ezplore the 
Dead Sea and the river Jordan. Balti- 
more 1852. X u. 235 8. 8. Mit 16 Taf. 
Abbild. u. 1Karte. Angezeigt von Gum- 
precht in der: Zeitschr. f. allgem. Erd- 
kunds. I. 1868. p. 59. 

de Saulcy (F.), Voyage autour de la 
Mer Morte et dans les terres bibligees 
execut€ de Decembre 1850, & Avril 
1851. 2 vols.. Paris 1852. 58. 8. 
(15 Fr.) 

—, Narrative of joursey round the Dead 
Sea, and in the Bible Land, in 1850 
and 1861. Edited with notes, by Count 
Edw. de Warren. 2 vols. London 1858. 
12168. 8. (80 8.) 

Eine Recension der Schriften von de 
Saulcy und Lynch über das Todte 
Meer und den Jordan findet sich in der: 
Dublin Review. October 1853. p. 189. 
Vergl. The Athenaeum. 1858. N. 1849. 

de St. Martin, Sur le site de Tzo’ar 
ou S6gor. — Nowe. Annal. d. Voy. Nour. 
Ser. T. XXXI. 1852. p. 17. 

Delessert (E.), Voyage aux villes mau- 
ditee: Sodome, Gomorrhe, Seboim, 
Adama, Zoar. Suivi de notes statisti- 
ques et d’une carte par M. F. de Saulcy. 
Paris 1858. 9 Bog. m. 1 Karte. gr. 12. 
(8 Fr. 50 C.) 

Tobler (T.), Denkbiätter aus Jerusalem. 
Mit 8 lith. Ansichten u. 1 lith. Karte. 
St. Gallen 1858. X u. 761 8. 8. (8 Thlr. 
18 Sgr.) 

—, Zwei Bücher Topograpkie von Jeru- 
salem u. seinen Umgebungen. 1. Buch. 
Die heilige Stadt. Mit artist. Beilagen. 
Berlin 1868. CVI u. 6778. 8. (8 Tbir. 
10 Sgr.) 

Zimpel (Ch. F.), Neue örtliche topogra- 
phische Beleuchtung der heiligen Welt- 
stadt Jerusalem mit besonderer Räck- 
sioht auf die Leidenstage unseres Herrn 
Jesu Christi u. s. w. Stuttgart 1858. 
IV u. 128 S. Lex. 8. (2 Thlr. 4 Ser.) 

Bartlett (W. H.), Walks about Jeruss- 
lem. New edition. London 1853. 8. 
(12 8.) 

Mariti, Etat present de Jerusalem, pabl. 
par le R. P. Laorty-Hadji. Paris 1858. 
18. (10 Fr.) 

Michon, Authenticit6 du Saint- 

— Revue Orientale. 1852. I. p. 24. 


Arabien. 
Hammer -Purgstall, Ueber die Namen 


Geographie Turkestans, Persiens, Afghanistans, Ostindiens. 


der Araber. Wien 1862. 72 8. Fol. 
(24 Sgr.) (Abdruck aus den Denkschr. 
d. K. Akad. d. Wiss. zu Wien.) 

Bartlett (W. H.), Forty days in the 
desert, on the track of the Iaraslites: 
or a joumey from Cairo, by Wady 
Feiran, to Mount Sinai and Petra. With 
illustrations. Bth edit. London 1858. 
212 8. Roy. 8. (12 8.) 

Prisse d’Avennes, Les Wahhäbi et la 
reformstion musulmane. — Rewe Orien- 
tale. 1852. I. p. 46. 

v. Wrede, Ueber die Lage da alten 
Opbir und den südafrikanischen Han- 
del. — Monatsder. der Berlin. Gesell- 
sch. f. Erdkunde. IX. 1852. p. 28. 

—, Ueber die Heimath des Weihrsuchs. 
— ibid. IX. 1852. p. 88. 


Turkestan. 


Ueber die Veränderungen im Laufe des 
Amu-Darja. — Arch. f. wiss. Kunde 
von Ru/sland. XII. 1852. p. 618. 

Lehmann (Alex.), Reise nach Buchara 
u. Samarkand in den J. 1841 u. 1842. 
Nach den hinterlassenen Schriften des- 
selben bearbeitet u. mit Anmerkungen 
versehen von G. v. Helmersen. Mit ei- 
nem zoologischen Anhange von J. F. 
Brandt. Mit 5 lith. Taf. u. 1 Karte. 
St. Petersburg 1852. V u. 4828. gr.8. 
(2 Thir. 7 Sgr.) Auch unter d. Titel: 
Beiträge zur Kenntnifs des Russischen 
Reiches und der angränzenden Länder 
Asiens. Herausgeg. von K. E. v. Baer 
u. G. v. Helmersen. 17. Bd. Angezeigt 
im: Leipziger Repertor. der Lit. 1852. 
IV. p. 84. Vergl. Nouv. Annal. d. Voy. 
1868. IH. p. 11. 

Defr&mery(C.), Recensionvon: Khani- 
koff, Bokhara: its Amir and its people 
ete. London 1845. — Nouv. Annal. d. 
Voy. 1852. I. p. 91. 827. 

de Bode, Quelques apergus sur les Tur- 
komans à l’orient de la mer Caspienne. 
Les Yamounds et les Goklans. — Nour. 
Annal. d. Voy. 1852. I. p. 34. 


Persien. 


Wagner (Mor.), Reise nach Persien und 
dem Lande der Kurden. 2 Bde. (Der 1. 
mit einem Vorläufer: Denkwürdigkeiten 
von der Donau u. vom Bosporus; der 
2. mit einem Anhang: Beiträge zur 
Völkerkunde und Naturgeschichte West- 
Asiens.) Leipzig 1851. 52. VIII u. 860, 
IV u. 316 8. 8. (8 Thir. 10 Sgr.) An- 


1} 
{} 


zLVit 


gezeigt im: Leipziger Repertorium d. Lit. 
1852. II. p. 98. 

Buhse (F. A.), Nachrichten über drei 
phbarmakologisch wichtige Pflanzen und 
über die grofse Salzwlste in Persien. 
— Arch. f. wissensch. Kunde von Ru/s- 
land. XL 1852. p. 1. 

Chodzko (A.), Le Koräsan et son heros 
populaire. — Revue Orientale. 1852. II. 
p. 169. 

Ibn Huokul’s account of Khorasan. 
Translat. by W. Anderson. — Journ. 
of the Asiat. Soc. of Bengali. 1858. 
XXIII. p. 152. 

Ibn Huokul’s account of Seestan, trans- 
lated by W. Anderson. — Journ. of 
the Asiat. Soc. of Bengal. XXJ. 1858. 
p- 865. 

de Bode (Cl.), Apergu geographique et 
statistique de la province d’Asterabad 
en 1841. — Nowv. Annal. d. Voy. 1852. 
I. p. 288. 


Afghanistan und Kabul. 


v. Hügel (K.), Das Kabul-Becken und 
die Gebirge zwischen dem Hindu Kosch 
und der Sutlej. 2. Abthl. Wien 1852. 
Fol. (2 Thir. 20 Sgr.) (Aus den Denk- 
schr. der K. Akad. der Wiss. zu Wien 
1852 abgedruckt.) 

Rose (G.H.), The Afghans, the Ten Tri- 
bes, and the Kings of the East. The 
Druses, the Moabites.. London 1852. 
162 8. 8. (2 8. 6 d.) — 2d edit. ibid. 
eod. (2 S. 6 d.) 


Ostindien. 

Histoire de la vie de Hiouen-Tbsang et 
de ses voyages dans l’Inde, depuis l’an 
629 — 645, par Hoei-li et Yen-thsong 
etc. Trad. du chinois par Stan, Julien. 
Paris 1858. LXXXIV. u. 472 S. 8. 
(9 Fr.) — Angezeigt in den: Nowv. Annal. 
des Voy. 1858. I. p. 251. IL. p. 162. III. 
p- 93. 

Soltikoff (Prince A.), Voyages dans 
YInde et en Perse. Paris 1858. 18. 
(3 Fr. 15C.) 

Soltikoffet Troyer, Habitants de l’Inde, 
dessines et lithographids & deux tein- 
tee. Paris 1853. Roy. fol. (105 Fr.) 

British possessions and colonies. India. — 
Colonial Magaz. XXIII. 1852. p. 4. 91. 
185. 279. 878. 468. 

Campbell(Go.), Modern India: a sketch 
of the system of civil government: to 
which is prefixed some account of the 





XLVIII 


natives and native institutions. London 
1852. VI. u. 564 S. gr. 8. (16 8.) — 
2d edit. revised. With maps. ibid. eod. 
(16 8.) 

Campbell (Go.), India as it may be: an 
outline of a proposed government and 
policy. London 1858. 454 8. 8. (12 8.) 

Gordon, La Compagnie des Indes orien- 
tales et le renouvellement de sa charte. 
— Revue orientale 1852. II. p. 129. 

Kaye (J. W.), The administration of the 
East-India Company: a history of In- 
dian progress. London 1858. 700 8. 
8. (21 S.) 

Jervis (T. B.), India in relation to Great 
Britain: considerations on its future ad- 
ministration. London 1858. 8. (2 8. 
6 d.) 

Capper (J.), The three presidencies of 
India; their rise, progress, and present 
condition: a complete review of the 
British -Indian possessions, from the 
earliest period to the present time. Lon- 
don 1853. 420 8. 8.; with engravings 
and map by Wyld. (6 S.) 

Andrew, Railways in Bengal. — The 
Colonial and Asiatic Review. 1852. I 
p. 17. 

Is India to have railways. — The Colon. 
and Asiat. Review. 1858. II. p. 85. 
The Madras railway. — The Colon. and 

Asiat. Review. 1862. I. p. 215. 

The Upper India railway. Recension ei- 
ner Anzahl Schriften über diesen Ge- 
genstand. — The Colonial and Asiat. 
Review. 1852. I. p. 278. 441. 

Leftvre-Deumier, Vue de l’Hindoustan 
& vol d’oiseau. — Revue orientale 1862. 
II. p. 850. 

Ward, India and the Hindoos. London 
1868. 286 8. 12. (2 8.) 

Rambles in British India. — United Ser- 
vice Magaz. 1852. I. p. 477. 

Life in Bombay and neighbouring out- 
stations. London 1852. 862 8. roy. 8. 
With illustr. (21 8.) 

Sykes (W.H.), On the cenaus of the is- 
lands of Bombay and Colaba, taken on 
the Ist of May, 1849. — Journ. of the 
statist. Soc. of London. XV.1852. p. 827. 

— (W.H.), Mortality and aickness of 
Bombay Army. 1848— 49. — Journ. 
of the statist. Soc. of London. XV. 1852. 
p. 100. 

Thomson (T.), Western“Himalaya and 
Tibet: a narrative of a journey through 
the mountains of Northern India during 


Geographie Ostindiens. 


1847 and 1848. London 1858. 506 8. 
8. (16 S.) 

Scott (W._L.), Views in the Himalayas. 
London 1852. fol. (L 4, 4 8.) 

Sketches made on a trip from Calcutta 
to the Himalayas. — Colonial Magaz. 
XXIII. 1852. p. 512. 

Smith (F.), Narrative of Ave years’ re- 
sidence at Nepaul. 2 vols. London 1852. 
600 8. 8. (21 S.) 

Egerton (F.), Journal of a winter's 
tour in India, with a visit to the court 
of Nepaul. 2 vols. London 1852. 606 8. 
8. (16 S.) 

Oliphant (L.), Journey to Katmanda, 
the capital of Nepaul. London 1852. 
200 8. 12. (28.6 d.) (Murray's Bea- 
ding for the Rail.) 

Memoir of Peer Ibraheem Khan, Bahadaur, 
British Agent at the Court of his High- 
ness the Nawwab of Bhauwalpur, and 
now on a visit to England. London 
1852. 8. 84 8. (88. 6.d.) 

Raikes (Ch.), Notes on the north-we- 
stern provinces ofIndia. London 1852. 
250 8. gr. 8. (8 8.) 

Sherwill, Kurrukpore Hills. — Journal 
of the Asiat. Soc. of Bengal. XXI. 1858. 
p- 195. 

Braid (W.D.), Statement of the East 
India Company’s conduct towards the 
Carnatic Stipendiaries. London 1853. 
12. (4. d.) 

Layard, The ancient city of Kansons- 
puri. now called Rungamutty. — Journ. 
of the Asiat. Soc. of Bengal. 1858. 
XXI. p. 281. 

Mackenzie (C.), Life in the mission, 
the camp and the Zenana;; or six years 
in India. 8 vols. London. 900 8. 8. 
(81 8. 6d.) 

v. Schönberg (E.), Travels in India and 

ir. 2 vols. London 1858. 41% 
Bog. 8. (L. 1, 18.) 

—, Patmakhanda. Leben und Charak- 
terbilder aus Indien u. Persien. 2 Thle. 
Leipzig 1858. 544 Bogen. 8. (8 Thlr. 
15 Sgr.) 

Honigberger (J.M.), Früchte aus dem 
Morgenlande oder Reise-Erlebnisse nebst 
naturhistor. Erfahrungen, einigen hun- 
dert erprobten Arzneimitteln u. s. w. 
Verm. Ausg. Mit zahlreichen lith. Taf. 
Wien 1858. XVI u. 598 8. gr. 8. 
(4 Thlr.) 

—, Thirty-üive years in the East: ad- 
ventures, discoveries, experiments, and 


Geographie des Indischen Archipelagus. 


historieal sketches relsting to the Pun- 
jab and Cashmere, in connection with 
medicine, botany and pharmacy; toge- 
ther with an original materia medica, 
and a medical vocabulary in four Eu- 
ropean and five eastern languages. Lon- 
don 18532. 2 voln. 8. (80 8.) 

Neumann (K. F.), Die Sikh und ihr 
Reich. — r. Raumer, Histor. Taschen. 
1858. p. 1. 

Abbott, On the sites of Nikaia and 
Boukephalon. — Journ. of the Asiat. 
Soc. of Bengal. XXI. 1858. p. 214. 
Vergl. The Colon. and Asiat. Review. 
1853. II. p. 274. 

Sic6 (F. E.), Annuaire des dtablissements 
francais dans I’Inde pour 1858. Pon- 
dichery 1858. 8. 

Russell (J.), Journal of a tour in Cey- 
lon and India, undertaken at the re- 
quest of the Baptist Missionary Society, 
in company with the Bev. J. Leech- 
man; with observstions and remarks. 
London 1852. 812 8. 8. (7 8. 6d.) 

A visit to Ceylon and Bombay. — The 
Colon. and Asiat. Review. 1852. I. 
p- 45. 

Mackenzie (H. R. H.), Burmah and the 
Burmese. London 1852. 12. (1 8.) 
Arriens (P.), Dagboek eener reis door 
Bengalen, in 1887 en 1888, met eenige 
vrijmoedige opmerkingen betreffende be- 
ginselen van Koloniaal bestuur. ’s Gra- 

venhage 1858. 8. 

Tickel (8. R.), Heum6 or Shendoos, a 
tribe inhabiting the hills north of Ar- 
racan. — Journ. of the Asiat. Soc. of 
Bengal. XXI. 1858. p. 207. 

Rough - Pencillings of a rougb trip to Ran- 
goon in 1846. London 1858. 60 8. 8. 
With plates. (10 8. 6 d.) 

Baker (T. T.), The recent operations of 
the British forces at Rangoon and Mar- 
taban. London 1852. 80 8. 8. (5 8.) 

Neale (F. A.), Narrative of a residence 
in Siam. London 1852. 8. (28. 6.d.) 
(National Illustrated Library.) 

Chapman, A narrative of a voyage to 
Cochin-China. — Journ. of the Indian 
Archipel. 1852. p. 290. 849. 

Geography of Cambodia. — ibid. 1852. 
. 178. 

Boanyman, Notices of the coast of Cam- 
bodia from Kampor to Chentabon. — 
ibid. 1852. p. 117. 

—, BRemarks on the south-west coast of 
Cambodie. — ibid. 1852. p. 239. 


Zeitschrift f. allgem. Erdkunde Bd. I. Anhang. 


Logan, 





XLIZ 


Earl (G. W.), Contribution to the phy- 
sical geography of south-eastern Asia 
and Australia. — Journ. of the Indian. 
Archipel. 1852. p. 248. 

Gray, Journal of a route overland from 
Malacca to Pahang, across the Mala- 
yan Peninsula. — ibid. 1852. p. 369. 
Vgl Now. Annal.d. Voy. 1868. I. p. 22. 

Braddel (T.), Notes of a trip to the 
interior from Malacca. — ibid, 1868. 
p- 78. 

A trip to mount Ophir. — ibid. 1852. 
p- 6386. 

Logan, Notes on an ascent of the moun- 
tain Kina-Balow. — ibid. 1852. p. 1. 

Notices of Pinaug. — ibid. 1852. p. 18. 
88. 148. 218. 521. 618. 

Blume, Die Insel Pulo Pinang und die 
Provinz Tenasserim in Hinter-Indien. — 
Monatsberichte der Gesellsch. für Erd- 
kunde. IX. 1852. p. 100. 


Der Indische Archipelagus. 


Bijdragen tot de taal-, land- en volken- 
kunde van Nederl. Indie. Tijdschrift 
van het koninkl. instituut voor de taal-, 
land- en volkenkunde van Nederlandsch 
Indis. N. 1. August 1852. 

Ethnology of the Indo-Pacific 
islands. — Journ. of the Indian Ar 
chipel. 1862. p. 57. 668. 1858. p. 20 
105. 

Epp (F.), Schilderungen aus holländisch 
Ostindien. Heidelberg 1852. IX. u. 
408 9. gr. 8. (2 Thlr. 24 Sgr.) Ange- 
zeigt im: Leipziger Repertor. d. Lit. 
1852. IV. p. 164 u. in der Tüdschr. 
voor Nederl. Indie. 1858. II. p. 192. 

dela Gravière, Die niederländisch-indi- 
schen Besitzungen. — Portfolio für 
Länder- und Völkerkunde. H. 2. p. 218. 

Brumund (J. F.G.), Indiana. Verzame- 
ling van stukken van onderscheiden 
aard, over landen, volken, oudheden 
en xeschiedenis van den Indischen Ar- 
chipel. 1. Stuk. m. platen en kaarten. 
Amsterdam 1852. gr. 8. (3 Fl. 80 c.) 

Beschouwingen omtremt het bestuur van 
Nederlandsch Indis, naar aanleiding van 
het voorloopig verslag van de commis- 
sio van rapporteurs van de Twoede Ka- 
mer der Staaten-Generaal. Hage 1853. 

van Sevenhoven, Memorie over den 
Indischen Archipel, in opzigt tot de 
belangen van Nederlendsch Indie. Am- 
sterdam 1852. 8. 

Opmerkingen van den Chinees Ong-Fo&- 

d 





L Geographie des Indischen Archipelagus. Java. Sumatra. 


Ho&, gedurende zijn verblijf in den In- 
dischen Archipel. — Tijdschrift voor 
Nederl. Indie. 1862. II. p. 1. 

Fontanier (V.), Voyage dans l’Archi- 
pel Indien. Paris 1852. 214 Bogen. 
gr. 8. (6 Fr. 60 c.) — Analysirt in d. 
Nowe. Annal. d. Voy. 1858. III. p. 68. 

St. John (H.), The Indian Archipelago: 
its history and present state. 2 vols. 
London 1858. 800 8. 8. (21 8.) 

Neumann (K. F.), Der Indische Archi- 
pelagus und die Engländer. — v. Raw- 
mer, Histor. Taschenbuch. 1854. p. 1. 

Keppel (H.), Visit to the Indian Ar- 
chipelago in H. M. Ship Meander; with 
portions of the private journal of Sir 
J. Brooke. 2 vols. London 1858. 600 8. 
8. (86 8.) — New edit. ibid. 604 8. 
8. (24 8.) 

van Doren, Reis naar Nederl. Oost-In- 
die etc. 1851. Recensirt in der: Allge- 
meene Konst- en Letterbode. 1852. II. 
p. 53. 264. 

Waar zijn waarachtige berigten omtrent 
den toestand van Nederlandsch Indis 
te zoeken. — Tüjdschr. voor Nederl. In- 
did. 1852. I. p. 129. 

de Sturler, Allgemeene beschouwingen 
over koloniale aangelegenheden. Lei- 
den 1852. 8. 

De ‚slavernij in Nederlandsch Indis. — 
Tyjdschr.v. Nederl. Indiö.1858.I.p. 268. 

Bijdragen tot de kennis van de wetten 
en instellingen der Chinezen in Neder- 
landsch Indis. — ibid. 1853. I. p. 341. 

De financi&le resuliaten van’s Gouverne- 
ments landbouw en handel. — ibid. 
1868. II. p. 1. 

Berncastle, The straits of Sunda — 
Colon. Magaz. XXIII. 1852. p. 49. 


Java. 


Junghuhn (Frz.), Java, seine Gestalt, 
Pfianzendecke und innere Bauart. Nach 
der 2. verbess. Aufl. des holländischen 
Originals in's Deutsche übertragen von 
J.K. Hasskarl. Leipzig 1852. 58. m. 
eingedr. Holzschn., Steintaf. u. Land- 
schaften - Atlas (12 Lief.). Angezeigt 
im Leipziger: Repertor. d. Litterat. 1852. 
IV. p. 86. (20 Thlr.) 

Ritter (W.L.), Java. Tooneelen nit 
het leven, karakterschetsen en kleeder- 
dragden van Java’s bewoners. In af- 
beeldingen naar de natuur geteekend 
door E. Hardouin. 1—8. aflevering. 


’sGravenhage 1858. 4. (& 70 ct. Met ge- 
kleurde pl. & 90 ct.) 

De waarde von statistieke opgaven om- 
trent Java. — Tijdschr. voor Nederl. 
Indie. 1852. I. p. 118. 

De Zieke Reiziger; or rambles in Java 
and the straits in 1852. By a Bengal 
Civilian. London1 858. 8. (21 8.) With 
illustrations. 

Mieling (C. W.), Prachtuitgave van Ja- 
vasche oudheden. Verzameling van 
groote gelithogr. platen etc. iste afle- 
vering. Hage 1852. 

Journal of an excursion to the natire 
provinces on Java in the year 1828, 
during the war with Dipo Negoro. — 
Journ. of the Indian Archipel. 1853. 
p. 1. 188. 

Het stelsel van partikuliere industrie, in 
verband met de welvaart van den Ja- 
vaanschen landbouwer. — Tijdschr. r. 
Nederl. Indiö. 1853. II. p. 170. 

De toestand en vooruitztigen van den 
handel te Samarang voornamelijk in 
het jaar 1850. — Tijdschr. voor Nederl. 
Indiö. 1852. I. p. 884. 

Indrukken ontvangen op een togtje in de 
bovenlanden van Buitenzorg. — ibid. 
1852. II. p. 488. 

Herinneringen van Buitenzorg. — ibid. 
1868. IL. p. 176. 

Tjoeroek Penganten. — ibid. 1852. 1.p. 425. 

Herinneringen eener reis van Soerabaja 
naar Malang. — ibid. 1858. I. p. 228. 
481. II p. 60. 

Geschiedkundig onderzoek naar den oor- 
sprong en den aard var het partikulier 
landbesit op Java. — ibid. 18593. II. 
p. 97. 161. 

Het verkoopen van landen op Java, be- 
oordeld door eene Gouvernements-Kom- 
missio op Java. — ibid. 1862. I. p. 8738. 

Is er dwang noodig om de Javanen te 
doen produceren voor de E 
markt. — ibid. 1859. II. p. 868. 

Bijdrage tot de kennis van de zeden en 
gewoonten der Javanen. — ibid. 1852. 
I. p. 357. 847. 898. 428. 


Sumatra. 


Lange (H.M.), Het Nederlandsch Oost- 
Indisch lager ter westkust van Suma- 
tra, 1819—45. 2 deelen. H 
bosch 1852. 58. 8. (10 Fl. 90 Ct.) 

Bijdrage tot de kennis van het 
zit op Sumatra. — Tijdschr. voor Ne- 
derl. Indie. 1852. I. p. 109. 


Borneo, Celebes etc. Geographie Afrika’s. Aegypten. LI 


Het in besit nemen en ontruimen van 
etablissementen op de oostkust van Su- 
matra. — ibid. 1858. II. p. 145. 209. 

Indragiri in 1850. — ibid. 1862. I. 
p- 276. 

De Lampongsche distrikten op het eiland 
Sumatra. — ibid. 1852. I. p.245. 809. 


Borneo. 


de Kessel, Quelques renseignements sur 
Vile de Borneo. — Bullet. de la Soc. 
de Geogr. IV" Ser. IV. 1852. p.499. 

—, Reise von Sumatra nach Pontianak auf 
Bomeo im J. 1846. — Zeitschr. f. all- 
gem. Erdkunde. I. 1853. p. 881. 

Bijdrage tot de kennis der Malejers ter 
westkust van Borneo. — Tiüjdschrift 
voor Nederl. Indie. 1868. IL. p. 226. 


Celebes. 


Lay (G. T.). A few remarks made during 
the voyage of the Himmaleh in 1887. 
— Journ. of the Indian Archipel. 1852. 
p- 574. 


Diekleinen Sunda-Inseln. Die Mo- 
lukken und Philippinen. 


Bijdragen tot de kennis der residentie Bio. 
— Tidschr. voor Nederl. Indie. 1853. 
I. p. 381. 

Waarom heft Rio als vrijhaven niet met 
Singapoera kunnen mededingen ? — ibid. 
1852. I. p. 411. 

Horsfield, Verslag aangaande het eiland 
Banka. — ibid. 1852. II. p. 821. 
van Dooren (J. B. J.), Herinneringen 
der laaste oogenblicken van mijn ver- 
blijf in de Molukko’s. Te's Gravenhage 

1852. gr. 8. (2 F.) 

De Batoe-eilanden in 1850. — Tüjdschr. 
voor Nederl. Indiö. 1863. IL p. 81. 
The Kei and Arru islands. — Journ. of 

the Indian Archipel. 1858. p. 68. 

Ceram Laut isles. — ibid. 1852. p. 689. 

Van Batavia naar Timor Koepang. Reis- 
verbaal. — Tiüjdschr. voor Nederl. Indie. 
1852. I. p. 1. 

Het eiland Timor. — ibid. 1852. I. p.199. 

de la Gironiödre (P.), Twenty years in 
the Philippines. Author's edition, un- 
abridged. London 1858. 270 8. 12. 
(1 8.) Angezeigt im: Athenaeum. 1853. 
N. 1852. 

—, — Translated by F. Hardman. ibid. 
eod. (1 S.) (The Travellers Library.) 

The island Palawan. — Journ. of the In- 
dian Archipel. 1852. p. 55. 


Afrika. 

Gumprecht, Afrika s. oben 8. VIII: Stein n. 
Hörschelmann, Handb. d. Geograpbie. 

Kunstmann (F.), Afrika vor den Ent- 
deckungen der Portugiesen. Fest-Rede. 
München 1858. 60 S. 4. (18 Sgr.) 

Tremeaux (Pierre), Voyage au Soudan 
Oriental et dans l’Afrique Septentrio- 
nale, pendant les anndes 1847 et 1848, 
comprenant une exploration dans l’Al- 
gerie, la rögence de Tunis, l’Egypte, la 
Nubie, les Deserts, !’ile de Mero6, le 
Sennar, la Fa-Zoglo et dans les con- 
trdes inconnues de la Nigritie. Avec 
un atlas contenant des vues pittores- 
ques, des panoramas, des scenes de 
moeurs etc. Livr. 1. 2. Paris 1852. 
8 Bog. Text m. 9 Taf. Abbildg. u. 1 
Karte. qu. Fol. (& 10 Fr.) 

Reisen in Afrika durch die Länder der 
Nordktste und die Sahara, Senegam- 
bien, den Sudan, beide Guinea’s und 
das Gebiet des Südens. Herausgegeben 
von Fr. Heinzelmann. Mit 1 Stahlst. 
u. 1 Karte. Leipzig 1862. X u. 508 8. 
gr. 8. (1 Thir. 15 Sgr.) Auch unter d. 
Titel: Die Weltkunde in einer plan- 
mäfsig geordneten Rundschau der wich- 
tigsten neueren Land- und Seereisen, 
auf Grund des Reisewerkes von W. Har- 
nisch dargestellt u. herausgegeben von 
Fr. Heinzelmann. 10. Bd. 

Description de l’Afrique par un g6ographe 
arabe anonyme du VI” sidcle de I’h£- 
gire. Texte arabe publi6 pour la pre- 
midre fois par Prof. Alfr. de Kremer. 
Vienne 1852. VII u. 83 S. m. lithochr. 
Titel. gr. 8. (1 Thir. 20 Sgr.) 

v. Kremer, Ueber sein Werk: Descrip 
tion de l’Afrique par un arabe anonyme 
du VI=* siecle de l’'hegire. — Sitzungs- 
ber. der Wiener Akad. d. Wiss. Philos.- 
histor. Cl. 1852. VIU. p. 889. Auch 
besonders abgedruckt. Wien 1862. 428, 
8. (8 Sgr.) 

d’Escayrac de Lauture, BRoutes afri- 
caines, moyens de transport, caravanes. 
— Bullet. de la Soc. de Geogr. IV=* Ser. 
V. 1858. p. 204. 


Aegypten. 

Churi (J. H.), Sea Nile, the desert, and 
Nigritia: travels in company with Capt. 
Peel, R. N. 1851 — 52. With thirteen 
Arabic songs ete. London 1858. XIu. 
8818. 8. (L 1,18.) 

Ehrenberg, Der Nil und die Landbil- 


LI 


dung im Delta. — Monatsber. d. Ber- 
lin. Ges. f. Erdkunde. IX. 1852. p. 82. 

Wilkinson (G.), On the decrease of the 
level of the Nile, and on Egyptian for- 
üfication. — Transact. of the R. Soc. 
of Literature. II. Ser. IV. 1858. p. 98. 

Lepsius (R.), Briefe aus Aegypten, Ae- 
thiopien und der Halbinsel des Sinai, 
geschrieben in den Jahren 1842 — 45, 
während der auf Befehl Sr. Maj. des 
Königs Friedrich Wilhelms IV. von 
Preufsen ausgeführten wissenschaftlichen 
Expedition. Berlin 1852. XII u. 466 8. 
Mit 1 lithochrom., 1 lithograph. Taf. u. 
1 Karte. gr. 8. (2 Thir. 26 Sgr.) An- 
gezeigt im: Leipziger Repertor. d. Lit. 
1862. IIL p. 160. 

—, Discoveries in Egypt, Ethiopia and 
the Peninsula of Sinai, 1842 — 45, du- 
ring the mission sent out by his Ma- 
jesty Frederick - William IV. of Prussia. 
Edited by Kenneth R. H. Mackenzie. 
London 1852. 472 8. 8. (12 8.) 

—, Letters from Egypt, Ethiopia and the 
Peninsula of Sinai etc. Translated by 
Leonora and Joanna B. Homer. With 
maps of the Nile etc. London 1853. 
878 8. 8. (5 8.) 

—, Denkmäler aus Aegypten und Asthio- 
pien nach den Zeichnungen der von 
Sr. Majestät dem Könige von Preufsen 
Friedrich Wilhelm IV. nach diesen Län- 
dern gesendeten u. in den J. 1842 — 
45 ausgeführten wissenschaftlichen Ex- 
pedition. 5. — 24. Lief. Berlin 1850 
— 52. 200 Steintaf. Imp. Fol. 

Du Boulery, Souvenirs d’Egypte. — 
Rerue Orientale. 1852. I. p. 85. 

Goltz (B.), Ein Kleinstädter in Aegyp- 
ten. Reise. Berlin 1858. XVIII u. 456 
8. 8. (2 Thir.) 

Perron, Re£cits arabes. — Revue Orien- 
tale. 185%. L p. 1. 

Gentz (W.), Briefe aus Aegypten und 
Nubien. Berlin 1858. XVII u. 215 8. 
8. (1 Thir.) 

Smith (J. V. C.), A pilgrimage to Egypt, 
embracing a diary of explorations on 
the Nile, with obserrations, illustrative 
of the manners, customs, and institu- 
tions of the people, and of the present 
condition of the antiquities and ruins. 
Boston 1852. 883 8. 8. (1 Doll 25 c.) 

Bartlett (W.H,), The Nile boat: Glimp- 
ses of the land of Egypt. With 85 en- 


gravings on steel. New edition. London ! 


1852. 8. (16 8.) 


Geographie Aegyptens, Nubiens und Abyssiniens. 


Lefdvre-Deumier, L'arrivée en Egypte. 
— Revue Orientsle. 1852. II. p. 459. 
St. John (B.), Village life in Egypt; 
with sketches of the Said. 2 vols. Lon- 

don 1852. 500 8. 8. (21 S.) 

Hill (P. G.), A visit to Cairo. London 
1862. 99 8. 8. (6. d.) 

Prisse d’Avennes, Tribus nomades de 
l’Egypte. Les Ababdeh. — Revue Orien- 
tale. 1858. III. p. 887. 

Egyptian railway; or, the interest of Eng- 
land in Egypt. London 1852. 438. 8. 
(1 8.) 


Nubien und Abyssinien. 


Werne (F.), Reise durch Sennsar nach 
Mandera, Nasub, Cheli, im Lande zwi- 
schen dem blauen Nil und dem Atbaera. 
Mit 1 Karte u. 2 Abbildg. Berlin 1852. 
125 S. gr. 8. (1 Thir. 6 Ser.) 

Rolle, Lettre au consul d’Autriche du 
Sennar, et extraite d’une lettre de M. 
d’Amaud & M. Jomard; avec des re- 
marques par Jomard. — Bullet. ds la 
Soc. de Geogr. IV® Ser. III. 1852. 
p. 888. 898. 

Melly (G.), Khartoum and the Blue and 
White Niles. 2d edit. 2 vols. London 
1852. 8. (21 8.) 

Notes sur Khartoum, extraites par M. de 
la Roquette. — Bullet. de la Soc. de 
Geogr. IVm Ser. IV. 1852. p. 94. 

Werne (F.), African wanderings. Trans 
lated by J. R. Johnston. Parts ]J. II. 
London 1852. 268 S. gr. 13. (28. 
6d.) (Traveller’s Library, Parts 19 
and 20.) 

Analyse von: St. John, Advemtures in 
Libyan desert etc. London. — Nowe. 
Anmal. d. Voy. 1852. III. p. 210. 

Peel (W.), A ride through the Nubian 
desert. London 1852. 140 8. 8. (5 8.) 

Abeken, Bericht über seine Reise durch 
die nubische Wüste von Korosko bis 
Abu-Hammed. — Monatsber. d. Berlin. 
Ges. f. Erdkunde. X. 1858. p. 167. 

Malte-Brun, De la geographie phy- 
sique de l’Abyasinie, d’apres la derniere 
relation du voyage de MM. Ferret et 
Galinier dans ce pays. Orographie et 
hydrographie. — Bullet. de la Soc. de 
Geogr. IV Ser. V. 1858. p. 187. 

Schimper, Berichte aus und über Abys- 
sinien. Aus den Sitzungsber. der K. 
Akad. d. Wiss. zu Wien, 1862, abge- 
druckt. Wien 1852. 15 8. Lex. 8. 
(4 Ser.) 


Geographie der Nordküste Afrika’s. Tunis u. Tripolis. Algerien. ıu 


Jomard, Voyage de dom Ignace Knob- 
lecher sur le haut fleuve Blanc; avec 
observations de M. A. d’Abbadie. — 
Bullet. de la Soc. de Geogr. TV" Ser. 
DI. 1852. p. 24. 


d’Abbadie, Nouvelles du haut fleuve 
Blanc. — ibid. IV=° Ser. II. 18852. 
p- 840. 


Ritter (C.), Dr. Ignaz Knoblechers Reise 
auf dem Weilsen Flusse. — Monats- 
ber. d. Berlin. Ges. f. Erdkunde. IX. 
1852. p. 40. 

Documents pour l’histoire geographique 
de la haute region du Nile. I. Beke 
(Ch. T.), Apergu des decouvertes recen- 
tes faites dans la haute région du Nile. 
— Now. Annal. d. Voy. 1852. I. p.298. 
II. Beke (Ch. T.), Sur les lacs d’od 
sort le Nile. — ibid. 1852. I. p. 809. 
II. de Humboldt (A.), Sur les mon- 
tagnes de la Lune (Djebel al Komr). 
— ibid. 1852. I. p. 817. 

Brun-Rollet, Excursion dans la region 
sup£rieure du Nil; avec une lettre de 
M. d’Abbadie. — Bull. de la Soc. de 
Geogr. TV"*Ser. IV. 1852. p. 899. 482. 

d’Abbadie, Sur les mesures du volume 
des eaux du fleuve Blanc et du fleuve 
Bleu, effectudes par M. Linant-Bey. — 
ibid. IVm« Ser. IV. 1862. p. 433. 

Vaudey, Notes sur les Barys et sur 
quelques peuplades voisines du fleuve 
Bleu et du fleuve Blanc, et observa- 
tions de M. d’Abbadie. — ibid. IV= 
Ser. IV. 1852. p. 525. 

v. Schubert, Die Wüste der Danakils 
und das südabyssinische Hochland. — 
Portfolio f. Länder- u. Völkerkunde. 
H. 2. 1853. p. 170. 

d’Abbadie, Sur les ntgres Yambo. — 
Bullet. de la Soc. de Geogr. IV" Ber. 
III. 1852. p. 885. 


Die Nordküste Afrika’s. 


Voyage du cheikh Ibn-Batoutah, & tra- 
vers l’Afrique septentrionale et l’Egypte, 
au commencement du XIV”® siecle, tire 
de l’original arabe, traduit et accompag- 
nee de notes par M. Cherbonneau. 
Paris 1852. 5% Bog. gr. 8. Besonders 
abgedruckt aus den: Nouwv. Annal. d. 
Voy. 1852. I. p. 129. II. p. b. 177. 

Hammer - Purgstall, Neuestes zur För- 
derung der Länder-, Sprachen- u. Völ- 
kerkunde Nord- Afrikas. — Hitzungs- 
ber. der Wiener Akad. d. Wiss. Philos.- 
hist. Cl. 1852. VIIL p. 483. 


Ibn-Khaldoun, Histoire des Berböres 
et des dynasties Musulmanes de l’Afrique 
septentrionale. Traduite de l’arabe par 
M. le baron de Slane. T. I. Alger 1852. 
CXV u. 480 8, gr. 8. 

Mauroy, Precis de l’'histoire du com- 
merce de l’Afrique septentrionale, depuis 
les temps anciens jusqu’aux temps mo- 
dernes. 4=* edit. Paris 1862. 8. (7 Fr. 
60 c.) 

Houry (C. B.), Du commerce dans les 
6tats barbaresques et dans l’Afrique oen- 
trale. Bruxelles 1852. 44S. 8. (16 Sgr.) 


Tripolis. Tunis. 


Dickson (C. H.), Journey from Tripoli 
to Ghadamfs. — Journ. of the R. Geogr. 
Soc. XXI. 1852. p. 181. 

Voyage du sheikh Et - Tidjani dans la 
rögence de Tunis, pendant les anndes 
706 — 708 de l’'hegire (1806 — 1807.) 
Trad, de l’arabe par A. Rousseau. Paris 
1853. 290 S. 8. Abgedruckt aus dem: 
Journ. Asiat. IV=*8Ser. 1852. XX. p.57. 
Vm=* Ser. 1853. I. p. 102. 854. 

de Nully, Des provinces tunisiennes 
voisines de !' ie. — Revue Orien- 
tale. 1869. I. p. 176. 

Exploration scientifique de l’Algerie, pen- 
dant les anndes 1840 A 42. Sciences 
historiques et geographiques. T. XVI. 
Paris. 8. Avec carte. (12 Fr.) (Enthal- 
tend die Beschreibung der Regentschaft 
Tunis von E. Pellissier.) 

Gumprecht, Der Bezirk von Sfax in 
Tunesien. — Zeitschr. f. allgem. Erd- 
kunde. I. 1853. p. 899. 


Algerien. 


L’Algerie et les Arabes. Tableau historique 
du developpement de la domination fran- 
caise en Algerie et de l’etat actuel des 
tribus. — Now. Annal. d. Voy. 1852. 
L p. 5. 162. 

Lestiboudois (Th.), Voyage en Alge- 
rie, ou etudes sur la colonisation de 
l’Afrique francaise. Paris 1858. 892 8. 
8. (6 Fr.) 

Prisse d’Avennes, Situation de l’Al- 
görie en 1851. — Rerue Orientale. 

« 1852. I. p. 108. 

Louander (C.), Algerien. — Portfolio 
f. Länder- u. Völkerkunde. H. 2. 1853. 
p. 160. 

de Castellane (P.), Military life in Al- 
geria. 2 vols. London 1858. 600 8. 8. 
(21 8.) 


ııv (Geographie Marokko’s, Central Afrika’s u. d. westafrikan. Küste. 


Ducuing (Fr.), Les villages departemen- 
taux en Algerie. Paris 1858. 48 8. 8. 

de la Roquette, De l’Algerie. — Bull. 
de la Soc. de Geogr. IV=* Ser. IV. 1852. 
p. 250. 

Veuillot (L.), Les Francais en Algerie. 
Souvenirs d'un voyage fait en 1841. 8=* 
edit. Tours 1853. 25 Bog. 8. 

Prus (Madame), Besidence in Algeria. 
London 1852. 830 S. 8. (12 8.) 

du Boulery (P.), Documents statistiques 
sur les tribus de l’Algerie. — Revue 
Orientale. 1852. II. p. 59. 

Melinon, Resultats de l’immigration euro- 
peenne en Algerie. — Revue Orientale. 
1852. II. p. 281. 

Note sur l’e&tablissement des voies de com- 
munication en Algerie. — ibid. 1852. 
u. p. 129. 

Bayds, Memoire sur les relations com- 
merciales de Tlemcem avec le Soudan 
sous le r&gne des Beni-Zeyan. Paris 
1858. 8. 

Legrand, Les forets de l’Algerie. — Nowe. 
Annal. des Voy. 1852. IV. p. 840. 

Ville, Recherches sur les roches, les 
eaux ct les gits minedraux des provin- 
ces d’Oran et d’Alger. Paris 1852. 4., 
avec 4 planches. 

Reybaud (L.), Une visite au couvent de 
la Trappe de Staoueli en Afrique. — 
Seances ei travaua de Ü Acad.d. Sciences. 
Compte- Rendu. XXXU. 1852. p. #11. 

Guyon, Voyage d’Alger au Ziban (l’an- 
cienne Zebe) en 1848, avec un atlas 
od figurent les principales oasis de cette 
contree etc. Alger 1852. 8. 

Prax, Communication entre l’Algerie et 
le Senegal. — Revue Orientale 1852. 
I. p. 277. 

Campmas, Oasis de Biskra. 
1852. I. p. 296. 

Berbrugger, Description de Temäcin. 
— ibid. 1852. II. p. 86. 

Malte-Brun (V.A.), Les oasis du Sa- 
hara algerien. — Bull. de la Soc. de 
Geogr. IV=® Ser. III. 1852. p. 226. 


Marokko. 


Jourdan, Etat du Maroc en 1852. — 
Revue Orientale 1852. I. p. 199. . 

Note sur le Maroc; communiqu€ par M. 
de la Roquette. — Bull. de la Soc. de 
Geogr. TV®* Ser. III. 1852. p. 180. 


Contral-Afrika. 
d’Abbadie, Note sur la route du Dar- 


— ibid. 


four. — Bull. de la Soc. de Geogr. IV 
Ser. IV. 1852. p. 886. 

Voyage au Darfour, par le sheik Moham- 
med Ibn-Omar-l Tounsy. Paris 1845. 
analysirt von Quatremöre im: Jomrnal 
des Savanis. 1858. p. 211. 

Richardson (J.), Narrative of a mission 
to Central Africa performed in the 
years 1850 — 61 under the orders and 
at the expense of Her Majesty’s govern- 
ment. 2 vols. London 1853. 800 8. 8, 
(21 S.) 

Gumprecht (T.E.), Barth und Orer- 
wegs Untersuchungs-Reise nach dem 
Tschad-See und in das Innere Afrika. 
1. Bericht und Fortsetzung. Berlin 1852. 
gr. 8. (1 Thilr.) 

Berichte über Dr. Barths u. Dr. Overwegs. 
Untersuch in das Innere von 
Nord-Afrika. — Zeitschr. f. allgemeine 
Erdkunde. I. 1858. p. 77. 240. 819. 
Vergl. Nour. Annal. des Voy. 1852. I. 
p- 120. 854. IV. p. 97. 294. 1858. J. 
p- 271. Bull. de la Soc. de Geogr. IV 
Ser. III.1852. p. 21. 146. Transactions 
of the R. Society of Literature ld. Ser. 
IV. 1868. p. 200. 

Prax, Les Touärik. — Bevus Orientale. 
1852. II. p. 41. 

Cooley (W.D.), Inner Afrika laid op- 
pen; or, an attempt to trace the chief 
lines of communication across that con- 
tinent. London 1852. 1608. 8. (7S.) 

Indication de la route de Tuggurt & Tom- 
bouctou et aux Monts de la Lunc, do- 
cument arabe. trad. par M. Cherbonneaa. 
— Nowv. Annal. d. Voy. 1862. II. p. 806. 

Aucapitaine (H.), Voyage au Soudaa 
oriental et dans l’Afrique septentzionale 
de M. Tremaux. Paris 1858. 16. 

Carlyle (T.), Occasional discourses on 
the Nigger question. London 1858. 
106 8. 8. (1 8.) 

Paravey, Nouvelle note sur les Niam 
Niams. — Bull. de la Soc. de Geogr. 
IV=* Ser. II. 1852. p. 501. 

Sur les hommes & queue. Introduction 
par M. dela Roquette. Notes de M. 
M. de Paravey et A. d'Abbadie. 
— ibid. IIL 1852. p. 81. 


Die Westafrikanische Küste. 


Darondean (B.), Instructions nautiques 
sur lee cötes occidentales d’Afrique com- 
prises entre le detroit de Gibraltar et 
le golfe de Benin, trad. de l’anglais. 
Paris 1852. 15 Bog. gr. 8. 


Geographie des Caplandes und des Ostrandes von Hochafrika. Lv 


Boilat (P.D.), Esquisses Senegalaises, 
physionomie du pays, peuplades, com- 
merce, religions, passe et avenir, recits 
et löEgendes. Paris 1853. XVI. u. 496 S. 
gr. 8. M. e. Karte (10 Fr.) 

Three weeks in Gambia. — United Ser- 
vice Magaz. 1852. III. p. 412. 

The destruction of Lagos and the suppres- 
sion of the slave trade. — Colorial 
Magas. XXIII. 1852. p. 258. 

Wilmont (A.P.), The African Squadron: 
a letter to Viscount Palmerston on the 
present state of the African slave trade, 
and on the necessity for increasing the 
African Squadron. London 1858. 8. 
(6 d.) . 

Tait(W.), The slave trade overruled for 
the salvation of Africa. London 1852. 
44 8. 8. (1 8.) 

Ritter (C.), Begründung und gegenwär- 
tige Zustände der Neger-Republik Li- 
beria an der Westktiste Afrika’s. (Hier- 
zu 1 Karte.) — Zeitschr. f. allgemeine 
Erdkunde. I. 1858. p. b. 

Leconte (C.), Die Negersklaven und die 
freien Neger in Westindien, der Verein. 
Staaten Nordamerika’s u. in der Neger- 
Republik Liberia. — Portfolio f. Län- 
der u. Völkerkunde. H.I. 1858. p.1. 

Connelly, Notice sur les noirs de la 
cöte de Kroo (Krou). — Bull. de la 
Soc. de Geogr. IV=* Ser. IH. 1852. 
p. 175. 

Cruickshank (B.), Eighteen years on 
the gold coast of Africa. 2 vols. Lon- 
don 1858. 600 8. 8. (21 8.) 

Hecquard (H.), Voyage sur la cöte et 
dans l’interieur de l’Afrique Occidentale. 
Paris 1858. X. u. 409 S. roy. 8.; avec 
8 chartes et 5 planches. — Angezeigt 
von Gumprecht in der: Zeitschr. für 
allgem. Erdkunde. I. 1858. p.61. Vergl. 
Bull. de la Soc. de Geogr. IV=* Ser. III. 
1869. p. 857. 

de Winniett, Une mission au royaume 
d’Achanti. — Nowv. Annal.d. Voy. 1852. 
IT. p. 71. 

Galton (F.), Expedition to the Interior 
of S. W. Africa. — Journ. of the R. 
Geogr. Soc. XXII. 1852. p. 140. 

Baines(T.), Scenery and events in South 
Africa. In 6 parts, each containing 6 
engravings. (Highiy coloured, 81 8. 
6d.; or in three tints, 21 8. per part.) 


Capland, Kaffraria und Natal. 
Kretzschmar (Ed.), Südafrikanische 


Skizzen. Leipzig 1858. VIIT. u. 882 S. 
8. (1 Thlr. 24 Sgr.) 

Galton (F.), The narrative of an explo- 
rer in tropical South Africa. London 
1858. 8208. 8.; with coloured maps, 
plates, and woodcuts. (12 8.) 

Flemming (Francis), Kaffraria and its 
inhabitantse. London 1858. 144 8. 8. 
M. e. Karte: The diocese of Cape Town 
to illustrate the Bishop of Cape Town’s 
visitation of 1850. M. 9 Holzschn. 8. 
(78. 6.d.) 

Cole (A. W.), Cape and the Kaflirs; or, 
notes of five years’ residence in South 
Africa. London 1852. 8. (10 8. 6.d.) 

—, Das Kap und die Kaffern oder Mit- 
theilungen über meinen fünfjährigen 
Aufenthalt in Süd-Afrika. Aus d. Eng- 
lischen tbertr. von J. A. Hasskarl. Mit 
dem Portrait des Kaffernhäuptlings Ma- 
como. Leipzig 1852. XV. u.2808. 8. 
(1 Thir. 20 Sgr.) Angezeigt im: Leipzig. 
Repertor. d. Lit. 1858. I. p. 286. 

Cape of Good Hope. — The Colon. and 
Asiat. Review. 18568. II. p. 12. 

Gassiott (H. S.), Notes from a journal 
kept during a hunting tour in South 
Africa. — Journ. of the R. Geogr. Soc. 
XXII. 1852. p. 186. 

Excursions among the Boers and Kaffirs. 
— United Service Magaz. 1852. III. 
p. 1. 

Akbousset (Th.)and Danmas (F.), Nar- 
ratives of an exploratory tour in South 
Africa. Translated by J. C. Brown. 
London 1862. 400 8. 8. (48. 6.d.) 

Observations on the mental and moral 
status of the Kaffir and Hotientot ra- 
ces. — United Service Magyar. 1868. 1. 
p- 581. 

Sur l’emigration des fermiers hollandais, 
ou Boers, de la colonie anglaise du Cap 
de Bonne-Esperance Extrait par M. 
Daussy. — Bull. de la Soc. de Géogr. 
IVme Ser. III. 1852. p. 82. 

Some account of the present state and 
prospects of the district of Natal. — 
The Colon. and Asiat. Review. 1858. I. 
p. 105. 

de Froberville, Notes sur les Va-Ngindo 
(Afrique orientale),. — Bull. de la Soc. 
de Geogr. IV" Ser. III. 1852. p. 425. 

—, Tribus de negres begayeurs au nord 
de la Caferie. — ibid. p. 517. 


Der Ostrand von Hochafrika. 
Hill (P. G.), Fifty days on board a slave 








Die afrikanischen Inseln. 


vessel in the Mozambique Channel. 2d 
thousand. London 1858. 588. 12. (18.) 

Oswell(W.), Le lac Ngami et pays voi- 
sins. Mouches Tsetse. Trad. de l’an- 
glais par M. de la Roquette. — Bull. de 
la Soc. de Geogr. IV=* Ser. IV. 1862. 
p- 279. 

Malte-Brun, Lettre relativement au 
mouches Tsetse. — ibid. p. 290. 

Livingston and Oswell, Latest explo- 
rations into Central Africa beyond Lake 
’Ngami. — Journ. of the R. Geogr. 
Soc. XXII. 1852. p. 168. Vergl. Bull. 
de la Soc. de Geogr. IV=* Ser. IV.1852. 
p: 292. Bull.of the American. Geogr. and 
Statist. Soc. I. 1852. p. 47. 

Notice sur une excursion recente & tra- 
vers l’Afrique, de Zanzibar & Angola; 
trad. de l’anglais par M. de la Roquette. 
— Bull. de la Soc. de Geogr. IV“ Ser. 
IV. 1852. p. 328. 

Krapf, Courses dans l’Afrique orientale. 
— Nouv. Annal. des Poy. Nouv. Ser. 
XXXI. 1862. p. 129. 

— , Nouvelle excursions au pays d’Ou- 
sambara. — ibid. 1858. I. p. 146. 257. 

dela Roquette et d’Abbadie, Voya- 
ges des docteurs Krapf et Rebmann dans 
V’Afrique orientale. — Bull. de la Soc. 
de Geogr. IV=* Ser. III. 1852. p. 187. 

Krapf, Lettre sur sonexploration del’Afri- 
que orientale. — ibid. III. 1852. p. 457. 

—, Note sur l’embouchure de la Louffon, 
riviere de la cöte orientale d’Afrique, 
et sur une partie de cette cöte au sud 
de Zanzibar. — Nouv. Annal. de Voy. 
1858. IIL p. b. 

Petermann (A.), The Snowy Mountains 
of Eastern Africa. — The Athenaoum. 
1858 .N. 1848. 

Gumprecht, Schnee und neue Schnee- 
berge im tropischen Afrika, — Zeitschr. 
f. allgem. Erdkunde. I. 1868. p. 280. 


LVI 


Afrikanische Inseln. 

Dix (J. A.), A winter in Madeira, and a 
summer in Florence. New York. 1858. 
9778. 12.; with illustrations. 

A glimpse of Mauritius. — United Service 
Magaz. 1852. IU. p. 126. 


Amerika. 


Allgemeines über Amerika. 
Atlantische Studien. Von Deutschen in 
tingen 1858. 8. 


Geographie Amerika’s. 


Das Westland. Magazin zur Kunde ame- 
rikanischer Verhältnisse. Herausgege- 
ben vonK.Andree. Bd.8.4.(A 8 Hfite.) 
Bremen 18652. gr. 8. (2 Thir. 15 Ser.) 

Andree (K.), Nord-Amerika. Ingeograph. 
u. geschichtl. Umrissen. 2. Aufl. Mit 
in d. Text gedruckt. Abbild. u. einem 
Kartenwerk v. 16 lith. Bl. Lief. 1— 13. 
Braunschweig 1858. Lex. 8. (& 10 Sgr.) 

Wappaeus (J.E.), Amerika s. oben 8. VIII: 
Stein u. Hörschelmann, Handb. d. Geograpbie. 

Pirscher, Discovery of America, con- 
quest of Mexico, and conquest of Peru, 
in French; from the best sources; with 
a translation of such passages as may 
offer the alightest dificulty. For the 
use of beginnere. London 1852. 46 8. 
12. (2 8.) 

Brownell (H.H.), Discoveries, pioneers, 
and settlers of North and South Ame- 
rica, from the earliest periods to the 
present time. New-York 1858. 640 8. 
8.; with illustrations. 

— (O. de Wolff), Indian raoes of North 
and South America; comprising an ac- 
count of the principal aboriginal races, 
a description of their national customs. 
etc. New-York 1858. 720 8. 8. With 
chart. 

Majoribanks (A.), Travel in North and 
South America. Edinbnrgh 1852. 
460 8. 8. (10 8. 6. d.) 

Chateaubriand (Vicomte de), Voyage 
en Amerique. Bruxelles 1852. 880 8. 
gr. 12. (Bildet den X. Bd. der Oeuvres.) 

Sullivan (E.), Bambles and scrambles 
in North and South America. London 
1853. 434 S. 8. (12 8.) 

Briefe aus Amerika für deutsche Auswen- 
derer. M. 5 Ansichten. N. 1—5. Darm- 
stadt 18562. 8.1—3284. gr.13. (A8} 
Sgr.) 

Bremer (Friederika), Homes of the New 
World. Impressions of America. Trans- 
lated by Mary Howitt. 3 vols. London 
1853. 1846 8. 8. (818. 6 4.) 

Bromme (T.), Neuester Wegweiser für 
Auswanderer nach Amerika. Mit gros- 
ser Eisenbahn-, Post- u. Beise- Karte. 
Stuttgart 1852. 96 8. 8. (18 Sgr.) 

—, Hand- u. Reisebuch für Auswanderer 
u. Reisende nach Nord-, Mittel- u. Sad- 
Amerika. 7. sehr verm. Aufl. von Dr. 
Büttner. Bamberg 1858. XVL 7448. 
8. (1 Thlr. 12 Sgr.) 

Rednitz (L.), Getreuester und zuver- 


läfsigster Wegweiser und Bathgeber sur 


Geographie Amerika’s. Die Arktischen Regionen. 


Reise nach und in Amerika un. s. w. Berlin 
1863. VIII u. 151 8. mit 2 Holzschn. 
gr. 16. (15 Sgr.) 

Bau (J. H.), Neues nothwendiges Halfs- 
und Taschenbuch für Auswanderer und 
Auswanderungslustige u.s.w. Ulm 1852. 
IV u. 320 S. gr. 12. (15 Ser.) 

Jenseits des Oceans. Beiträge zur Kunde 
amerikanischen Lebens. I—IIL Dres- 
den 1852. 8. (2 Thir. 15 Sgr.) Inhalt: 
I. Ruxton (F. G.), Leben im fernen 
Westen. A.d. Engl. von M.B. Lindau. 
888 8. (225 Sgr.) — IL. Byam (G.), 
Wanderungen durch Chile und Peru. 
A. d. Engl. v. M.B. Lindau M. 8 Ab- 
bildungen. VI u. 275 S. (224 Sgr.) — 
II. Byam(G.), Wildes Leben im Innern 
von Central- Amerika. A. d. Engl. v. M. 
B. Lindau. M. 1 Ansicht. VIII u, 298 8. 
(1 Thir.) 


Die Arktischen Begionen, 


Simmonds (P. L.), Sir John Franklin 
and the Arctic regions: a narrative. 8d. 
edit. London 1853. 273 S. 12. (1 8.) 

Stuart (J.), The relief of the Franklin 
expedition: what has been done, and 
what may yet be done. Edinburgh 
1852. 688. 8. (28.) 

Arctic miscellanies; a sosvenir of the late 
Polar search. 2d edit. London 1852. 
8128. 8. (108. 6d.) 

Petermann (A.), The search for Frank- 
lin: a suggestion submitted to the Bri- 
tish Poblie. London 1852. 248. 8. 
With a Polar chart. (2 8.) 

Kennedy (W.), A short narrative of the 
second voyage of the Prince Albert in 
search of Sir John Franklin. London 
1853. 2008. 8.: with illustrations and 
a map by Arrowemith. (8 8.) 

Papers and despatches relating to the 
Arctie tions of 1850 
— 52; together with a few brief re- 
marks on the propable course pursued 
by Sir John Franklin. Collected and 

by James Mangles 2d 
edit. London 1852. 94 8. 8. (49. 6d.) 

Hulfsleistung der russisch-amerikanischen 
Gompagnie bei den Englischen Expe- 
ditionen zur Außsuchung Franklin’s. — 
Arch. f. wissensch. Kunde von Ru/sland. 
XI. 1852. p. 175. 

Expeditions arotiques & la recherche de 
8ir John Franklin. Trad. de l’anglais 
par M. de la Boquette. — Bullet. de la 


LVII 


Boc. de Geogr. TV Ber. IV. 1852. p. 
800. V. p. 73. 

Hooper (W. H.), Ten months among the 
tents of the Tuskl; with incidents of 
an Arctic Boat Expedition in the search 
of Bir John Franklin, as far as the 
Mackenzie River. London 1858. 4828. 
8.; with map and illustrations. (14 S.) 

Markham (C. R.), Franklin’s footsteps: 
a sketch of Greenland, along the shores 
of which his expedition passed, and of 
the Parry Isles, where the last traces 
of it were found. London 1858. 180 8. 
8. (18. 6d.) 

Inglefield (E. A.), A summer search 
for Sir John Franklin. London 1858. 
8. (14 8.) — Angezeigt im: Athenaeum. 
1858. N. 1841. 

Voyage du capt. Inglefield & la recherche 
du Sir John Franklin, et observations 
de M. A. Petermann; trad. de l’anglais 
par M. de la Roquette. — Bullet. de la 
Soc. de Geogr. IV Ser. IV. 1852. 
p- 541. 

Bellot, Rapport sur la part qu’il a prise 
& une des expeditions & la recherche 
de Sir John Franklin (1851). — Nour. 
Annal. des Voy. 1852. IV. p. 107. cf. 
Bullet. de la Soc. de Geogr. IV“ Ser. 
IV. 1852. p. 815. 

The Arctic Regions: Eine Recension von 
Barrow’s Chronological history of vo- 
yages etc.; von Desselben: Arctic vo- 
yages of discovery, und der Parliamen- 
tary Papers on the Arctic Regions from 
1848 to 1852. — Edinburgh Review 
1868. Octob. p. 342. 

Osborne (8.), Stray leaves from a Arc- 
tic Journal; or, eighteen months in the 
Polar regions, in search of Sir John 
Franklin’s expedition, in the years 1850 
— 5i. London 1852. 880 8. 8., with 
illustrations. (12 8.) 

Sutherland (P. C.), Journal of a voyage 
in Baffin’s Bay and Barrow's Straits, 
in the years 1850 and 1851 performed 
by H. M. Ships Lady Franklin and 
Sophia, under the command of Mr. 
William Penny, in search of the mis- 
sing Crews of H. M. Ships Erebus and 
Terror: with a narrative of sledge ex- 
cursions on the ice of Wellington Chan- 
nel; and observations on the natural 
history and physical features of the 
countries and frozen sea visited. 2 vols. 
London 1852. 1173 8. 8.; with two 
coloured charts by A. Petermann, six 


LVIII 


plates (four coloured), and wood engra- 
vings. (27 8.) 

Petermann (A.), On the distribution of 
Arctic animal life. — Journ. of theR. 
Geogr. Soc. XXII. 1852. p. 118. 

Richardson (J.), Arctic searching ex- 
pedition; a journal of a boat voyage 
through Ruperts Land etc., in search of 
Sir J. Franklin, with an appendix on the 
physical geography of North America. 
New York 1852. 506 8. 12. (2 Doll. 
25 c.) 

v. Humboldt u. Ritter. Die Auffindung 
der Nordwest-Passage durch Capitain 
M’Clure. — Zeitschr. f. allgem. Erdk. 
I. 1853. p. 821. 

Ritter (C.), Capitain Sir C. Belcher's 
Nordpolar-Entdeckungen. — idid. I. 
1853. p. 406. 

Tucker (8.), The Rainbow in the North: 
a short account of the first establish- 
ment of Christianity in Rupert’s Land. 
New edition. London 1852. 1228. 8. 
(38. 6d.) 

Force (P.), Grinnell Land. Remarks on 
the English map of arctic diseoveries, 
in 1850 and 1851, made at the Or- 
dinary Meeting of the National Insti- 
tute, Washington, in May 1852. gr. 8. 
Mit einer Karte. (23 8.) 

Rae (J.), Journey from Great Bear Lake 
to Wollaston Land. — Journal of the 
R. Geograph. Soc. XXII. 1852. p. 78. 

— Explorations along the 8. and E. coast 
of Victoria Land. — ibid. p. 82. 

Barrow (J.), Geography of Hudson's Bay; 
being the remarks of Capt. W. Coats, 
in many voyages in that locality, bet- 
wecen the years 1727 and 1761. London 

1852. 8. (Hakluit Society.) 

Lettre sur les inhabitants du territoire de 
la baie d’Hudson. — Nowe. Annal. d.Voy. 
1852. IV. p. 212. 

Observations recueillies par l’amiral Wran- 
gell sur les habitants des cötes N. O. 
de l’Amerique. — Now. Annal. d. Voy. 
1858. I. p. 196. 


Canada. 


Bonnycastie (Sir R. H.), Canada as it 
was, is, and may be. With additions 
bei Sir J. E. Alexander. New edition. 
2 vols. London 1862. 600 8. 8. (218.) 

Canadas Wachsthum u. Aussichten. Hansa. 
1858. N. 100. 

The progress and prospects of Canada. — 
The Colon. and Asiat. Review. 1868.1. pl. 


Geographie Canada’s. 


Amptre, Fragment d’un voyage an Cs 
nada. — Nowv. Annal. d. Voy. Nourv. 
Ser. XXXII. 1852. p. 200. 

Alexander (J. E.), Explorations in 
British America. 2 vols. London 1852. 
8. (12 8.) 

Railways in British North America — 
The Colon. and Asiat. Reriew. 18562. 1. 
p- 197. 867. 1858. II. p. 878. 

Jameson, Sketches of Canada and ram- 
bles among the Red Men. London 1852. 
16. (28.6d. orin 2 parts, 18. each). 
(Travellers Library.) 

Strickland, Twenty-seven years in Ca- 
nada West, 2 vols. London 1853. 6008. 
8. (21 8.) 

Picturesque sketches in British America. — 
United Service Magas. 18532. III. 8.102. 
280. 

Sleigh, Pine forestse and Hacmatack 
clearings; or, travel, life, and adven- 
ture in the British North American 
Provinces. London 1858. 4008. 8. 
(12 8.) 

Emigrants letters from Canada and South 
Australia. Collected in the Parish of 
Banham, Norfolk. By the Ber. Scott 
F. Surtees. London 1852. 8. (2d.) 

Webb (J.B.), The pilgrims of New Eng- 
land: a tale of the early settlers in 
America. — London 1862. 500 8. 12. 
(58. 6d.) 

Moodie (Susanna), Roughing it in the 
bush; or, life in Canada. 2 vols. Lon- 
don 1852. 608 8. 8. (218.) — ?2d 
edit. 2 vols. ibid. 660 8. 8. (218) 
Excerpirt im: Colonial Magas. XXIII. 
1862. p. 295. 

Synge (M.H.), On the Union of the 
dominions of Great Britain by inter- 
communication with the Pacific and the 
East, viä British North America. Lon- 
don 1852. 8. 

Communication with the East viä 
British North America. — Journ. of the 
R. deogr. Soc. XXI. 1852. p. 174. 

Recension mehrerer Schriften über Canada 
u. d. Titel: The condition and prospeets 
of Canada. The North American Review 
LXXIV. 1852. p. 261. 

The American fisheries. — The Colon. end 
Asiat. Review. 18532. I. p. 284. 

Recension einer Anzahl Schriften über das 
Brittische Nord- Amerika, u. d. Titel: 
Commercial intercourse with British 
America. — The Nortk American Review. 
LXXIV. 1852. p. 168. 


— 9 





Geographie der Vereinigten Staaten von Nord- Amerika. 


Die Vereinigten Staaten von 
Nord-Amerika. 


Wolfers: Die Vermessung der Küsten 
der Vereinigten Staaten i. J. 1849 nach 
A.D. Baches Bericht darliber. — Monats- 
ber. über die Verhandl. der Gesellsch. f. 
Erdkunde. IX. 1852. p. 120. 128. 

Nauwerk (C.), Statistisches Wörterbuch 
über die Vereinigten Staaten. Leipzig 
1853. 8. 

Sind die Vereinigten Staaten berufen, eine 
Weltrolle zu spielen und ia die polit. 
Geschicke Europa’s entscheidend ein- 
zugreifen? — Portfolio f. Länder- und 
Völkerkunde. H.I. 1853. p. 104. 

Stewart (R.), The United States of Ame- 
rica; their climate, soil, productions, 
populations , manufactures , religion, 
arts, governement. London 1853. 898 8. 
12. (28. 6d.) 

Bolin (J.), Beskrifning öfwer Nord-Ame- 
rikas Förenta Stater, i anseende till 
naturbeskaffenhet, djur, wexter, mine- 
ralier etc. Wexjo 1853. 864 8. 8. 
(1 BR. 8 Sk.) 

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 
im Jahre 1852. Kiel 1858. IV. 76 8. 
8. (10 Sgrr.) 

Der Handelszustand der Vereinigten Btaa- 
ten. — Hansa 1858. N. 145. 

United States illustrated, in views of the 

‚ eity and country; with descriptive and 
historical articles. Edited by Charles 
A.Dana. The East. Part I. New York. 
1853. 24 S. with 4 plates. 4. 

Census of the United States of America 
eto. Washington, December 1, 1851. — 
Journ. of the statist. Soc. of London. 
XV. 1852. p. 64. 

Fisher (BR. S.), Comparative agricultural 
statistics of the United Btates. — Bullet. 
of Ike American geogr. and statist. Soc. 
I. 1852. p. 80, 

Koch (Fr. C.L.), Die Mineral-Gegenden 
der Vereinigten Staaten Nordamerika’s 
am Lake Superior, Michigan und am 
obern Mississippi, Wisconsin, Illinois, 
Jows. Ein Leitfaden für deutsche Aus- 
wanderer, namentlich für Berg- und 
Hüttenleute, sowie für Waldarbeiter und 
Handwerker. Göttingen 1852. 72 8. 
gr. 8. (12} Sgr.) 

English Travellers of rank in America, 
enthaltend eine Recension von: Carlisle, 
Travels in America und Wortley, Tra- 


LIXx 


vels in the United States. — The Nortk 
American Review LXXIV. 1852. p. 197. 

Siljeström (P.A.), Resa i Förenta Sta- 
terna. 1. D. Stockholm. XIV. u. 424 8. 
8. m. 6 pl. (2 R. 32 Sk.) 

Richter (K. E.), Reisen nach Nordame- 
rika und zurück in den Jahren 1835 
bis 1848. Zugabe: Ein Brief aus Ca- 
lifomien von Mor. A. Richter. 2 Bde. 
Leipzig 1852. X u. 746 8. 8. (2 Thlr. 
25 Sgr.) 

Eine Lustfahrt nach Amerika. — Minerva 
1858. L p. 254. II. p. 115. 

Städte-Skizzen aus d. Vereinigten Staaten. 
— Hansa 1853. N. 161 fl. 

Briefe aus den Vereinigten Staaten von 
Nord-Amerika. 2 Bde. Leipzig 1853. 
XVI u. 632 S. 8. (23 Tbir.) 

Watkin (E. W.), A trip to the United 
States and Canada, in a series of letters. 
London 1852. 162 8.8. (2 8.) 

Tremenheere (H. 8.), Notes on public 
subjeets made during a tour in the 
United States and Canada. London 
1852. 820 8. gr. 8. (108. 6d.) 

Abbott (J.), Mareo Paul’s voyages and 
travels. In New York. On the Prie 
Canal. In Maine. In Vermont. New 
York. 1852. 16. 

Von New-York nach Milwaukie. — Hansa 
1858. N. 151 ff. 

Brunet: Note sur la relation d’un vo- 
yage fait en 1752 en remontant le Mis- 
sissippi, par M. Vaugeres de Nuisement. 
— Neur. Annal.d. Voy.1858.111. p. 329. 

Fleischmann (C. L.), Wegweiser und 
Rathgeber naclı den Vereinigten Staaten 
von Nord-Amerika. Mit 1 Karte und 
vielen Holzschnitten. Stuttgart 1852. 
IV u. 5008. 8. (1 Thlr. 15 Sgr.) 

Schecker (C.), Tagebuch, oder interes- 
sante Erfahrungen eines Mecklenburger 
Auswanderers auf seiner Reise von Ham- 
burg bis in den Amerikanischen Staat 
Jowa Clayton County mit belehrenden 
Berichten und Bemerkungen über Ame- 
rikanische Sitten und Einrichtungen. 
Stavenhagen 1852. 44 8. 8. (5 Sgr.) 

Schrader (F.), Das Buch für Auswan- 
derer nach den Verein. Staaten von 
Nordamerika, mit besonderer Berück- 
sichtigung von Texas, Californien, Au- 
stralien, Süd-Brasilien und den Frei- 
staaten von Mittel- und Südamerika 
nebst Mexico. Leipzig 1853. X u. 236 
8. 8. (1 Thlr.) 





LX 


Wander (K. F. W.), Auswanderungs-Ka- 
techismus. Ein Rathgeber für Auswan- 
derer, besonders für Diejenigen, welche 
nach Nordamerika auswandern wollen, 
in Bezug auf Kenntnifs des Landes, 
Abreise, Ueberfahrt, Ankunft, Ansiede- 
lung u. s. w., und ein belehrend. Volks- 
buch f. d. Hierbleibenden. M. 1 Karte. 
Glogau 18562. XVII u. 865 8. 8. 
(27 Sgr.) 

Die Auswanderer in Amerika. — Atlantische 
Studien 11. 1853. p. 16. 

Löher (F.), Aussichten f. gebildete Deut- 
sche in Nordamerika. Berlin 1858. VI 
u. 92 8. 8. (4 Thir.) 

Curtiss (D. S.), Western portraiture and 
emigrants guide. A description of Wis- 
consin, Illinois and Jowa; with remarks 
on Minnesota and other territories. New- 
York 1852. 862 S. gr. 12. 

Curtiss(D.S.), Der Deutschen Wegwei- 
ser nach den Staaten Wisconsin, Illi- 
nois und Jowa, mit Beschreibung von 
Minnesota und anderen Landschaften. 
Uebers. von E. L. Walz, aus ,„West- 
liche Gemälde“ u.s.w. New-York 1852. 
1808. m. 1lith. Karte. gr. 12. (27 Sgr). 

Handbuch für die Reise nach den Verein. 
Staaten von Nordamerika. Herausgege- 
ben vom Frankfurter Verein zum Schutz 
der Auswanderer. Nebst 1 lith. Eisen- 
bahn - Karte. Frankfurt a. M. 1852. 
72 8. 12. (12 Sgr.) 

Regan (J ), The emigrant’s guide to the 
Western States of America; or Back- 
woods and Prairies. 2dedit. Edinburgh 
1852. 412 S. 12. (28.6d.) 

Pelz (E.), Ein Jahresbericht der Emigran- 
ten-Commissäre von New-York. Aus 
der allgem. Auswanderer Zeit, abgedr. 
Rudolstadt 1852. 725. gr. 8. (10 Sgr.) 

Kennedy (J. C. G.), Statistics of Ame- 
rican railroads. Washington 1852. 68. 
8 

Die Eisenbahn vom Mississippi zum Stillen 
Weltmeere. — Zeitschr. f. allgem. Erdk. 
1. 1858. p. 156. vgl. Hansa 1858. 
N. 149, 

Ellet (C. Jun.), The Mississippi and Ohio 
Rivers; containing plans for the pro- 
tection of the Delta from inundation, 
and investigations of the practicability 
and cost of improving the navigation 
of the Ohio and other rivers by means 
of reservoirs: with an appendix on the 
Bars at the Mouth of the Mississippi. 
New York 1853. 8678. 8. with plates. 


Geographie der Vereinigten Staaten vou Nord- Amerika. 


Olshausen (Th.), Die Verein. Stasten 
von Amerika, geogr. u. statistisch be- 
schrieben. 1.Thl. A.u.d. T.: Das Mis- 
sissippi Thal und die einzelnen Staaten 
des Mississippi Thals. 1. Hft. 1. Hälfte, 
M. 4Karten (4.) Kiel 1858. VIu.1578. 
gr. 8. (24 Sgr.) 

Shea (J. G.), Disoovery and exploration 
of the Mississippi valley; with the ori- 
ginal narratives of Marquette, Allouez, 
Membre, Hennepin and Anastase Donay. 
New York 1852. 850 8. 8. (12 8.) 

De l'’exploration du Mississippi, et en par- 
ticulier de la decouverte des sources de 
ce fleuve, d’apres M. H. Schoolkraft, 
par M. de la Roquette. — Bull. de la Boc. 

de Geogr. IV" Ser. III. 1852. p. 118. 

Whittlesey (Ch.), Description of ancient 
works in Ohio. — Seithsonian Contribe- 
tion to Knowledge. Vol. III. 1852. 

de Smet, Le Haut Missouri. — News. 
Annal. d. Yoy. 1853. I. p. 287. 

Remarks on tbe proposed geographical 
survey of New York. — The Americas 
Journ. of science and arts. 1853. XIV. 
p- 84. 

Squier (E. G.), Antiquities of the State 
of New York, being the sesults of ex- 
tensive original surveys and explors- 
tions, with a supplement on the anti- 
quities of the West. New York 1852. 
With 14 pl. and 80 woodkuts. 8, 

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Geographie Säd- Amerika’s. 


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Geographie Süd-Amerika’s und Australiens. Neu-Holland. ıxv 


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Spaniards to the establisbment of their 
. political imdependenoe. 2d edition, en- 


Zeitschrift f. allgem. Erdkunde Bd. J. Anhang. 


larged. London 1852. 476 8. 8. (14 8.) 

Mittheilungen über die Verhältnisse in 
den Ländern am Plata namentlich mit 
Rücksicht auf die bestehenden Interes- 
sen deutschen Handels- u. Colonisations- 
wesens in Buenos-Ayres. I. Hamburg 
1852. XVI. u. 218 8. m. 2. Holzsehn. 
gr. 8. (1 Thir.) 

M’Cann (W.), Two thousand miles’ ride 
through the Argentine Province; with 
an account of Buenos Ayres, and the 
recent events in the Rio de la Plata. 
2 vols. London 18583. 600 8. 8.; with 
illustrations. (24 S.) 

Sarmiento (D. F.), Civilisation et bar- 
barie; moeurs, coutumes, caractödres des 
peuples Argentins. Trad. de l’espagnol 
par A. Giraud. Paris 1858. 12. (4 Fr.) 
Angezeigt in den: Now. Anal. d. Voy. 
1858. L p. 294. 

Hopkins (E. A.), Memoir on the geo- 
graphy, productions and trade of Paru- 
guay. — Bull. of the American geogr. 
and statist. Soc. I. 1852. p. 14. 

The giants of Patagonie: Captain Bour- 
ne’s account of his captivity among 
the extraordinary savages of Patagonia. 
With 6 fine engravinge.. To wich is 
added painfully interesting narrative 
of the fate of the Patagonian Bociety’s 
Mission in Tierra del Fuego. London 
1858. 160 8. 12. (1 8.) 

Bourne (B. F.), Life among the giante, 
or tbe captive in Patagonia: a perso- 
nal narrative. London 1853. 212 8. 
12. (1 8.) 

Despard (G.P.), Hope deferred, not lost. 
A. narrative of Missionary effort in South 
America, in connection with the Pata- 
gonian Missionary Society. London 
1858. 470 8. 12. (5 8.) 

The strait of Magellan: a nautical sketch. 
— Nautical Magazine. Febr. 1852. p. 78. 


Australien. 


Nen-Holland. 


A complete gazetteer of the Australian 
Colonies; containing a map of every 
county, an account of all the rivers 
and bays, with of all the mountains, 
and number of population, and other 
statistics; correct views of Sydney and 
other towns; a list of every estate and 
squatters’ stations, with the proprietors', 
name etc. London 1852. With 25 
maps. (21 8.) 


© 





LXVI 


Stewart (R.), Popnlar geographical li- 
brary: Australasia. With an appendix. 
London 1858. 6500 8. 12. (28. 6. d.) 

Ellis (W.), Polynesian researches. 4 vols. 
London 1852. 8. (Plates, reissued, cloth 
lettered 12 S.) 

Fabian (B.), Australia: being a brief 
compendium of the geograph. position, 
characteristics features on the principal 
rivers, headlands, productions, climate 
etc. With a map. New York 1852. 
112 8. 8. (87 ct.) 

Russel, Polynesia: a history of the 
South Sea Islands. London 1852. 4808. 
12. (48. 6d.) (Edinburgh Cabinet 
Library, New Series.) 

Ungewitter (F.H.), Der Welttheil Au- 
stralien. Nach den zuverlässigsten Quel- 
len bearbeitet. Mit einem Vorworte von 
G.H.v.Schubert. Erlangen 1858. VII. 
u. 515 8. Lex. 8. (2 Thir. 16 Sgr.) 

Mundy (G.C.), Our Antipodes; or, resi- 
dence and rambles in the Australian 
Colonies: with a glimpse of the gold 
fields. 8 vols. London 1852. 1246 8. 
8.(428.) — 2d edit. revised. ibid. 
1200 8. 8. 

Blundell, The aboriginal tribes of Au- 
stralia. — Colonial Magar. XXIII. 1852. 
p. 204. 

Australia, and how to get there; or Can- 
vas versus Steam. By an American 
Merchant. New York 1858. 128. 12. 

Mereweather (J.D.), Life on board on 
emigrant ship; being a diary of a voyage 
to Australia. London 1852. 92 8. 8. 
(1 8.) 

Heising (A.), Die Deutschen in Austra- 
lien. Berlin 1858. 76 S. gr. 8. (10 Sgr.) 

On emigration to Australia. — Colonial 
Magaz. XXIII. 1852. p. 546. Vergl. 
The Colonial and Asiat. Review. 1852. 
J. p. 68. 

Hursthouse (C.), Emigration: Where 
to go, and who should go. — New Zea- 
land and Australia (as emigration fields) 
in contrast with Canada and the Uni- 
ted States. — Canterbury and the Dig- 
gins. London 1852. 180 S. 12. (1 8.) 

Collins’s guide to Australia; with map. 
London 1858. 12. (1 8.) 

The emigrant’s guide to Australia. With 
a memoir of Mrs. Chisholm. London 
1868. 180 8. 12. (1 8.) 

Mackenzie (D.), Ten years in Australia. 
8d edition. London 1852. 12. (1 8.) 

Australia: its scenery, natural history, and 


Geographie Neu-Hollands. 


resources with a glance at its gold 
fields. London 1858. (10d.) (Religions 
Tract. Societ. Monthiy Volume, Vol. 98.) 

Lee (R.), Adventures in Australia. 2d 
edit. London 1858. 12. (6 8.) 

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2 parts. London 1852. (28. 6.d.) 

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nial Magaz. XXIH. 1852. p. 181. 

Lang (J. D.), Freedom and independence 
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reight of the colonies, and the interest 
of Britain and the world. London 
1858. 812. 8. (7 8. 6 4.) 

Sidney ($.), The three colonies of Au- 
stralia. New South Wales, Victoria, South 
Australia; their pastures, copper mines, 
and gold fielde. London 1852. 4468. 
8. (5 S.) (Ilustrated London Library.) 

The four colonies of Australia. London 
1858. 12. (6d.) (New Library of 
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nial Magar. XXIII. 1852. p. 287. 
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N. 116 ff. 

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kımde. I. 1858. p. 411. 

Kennedy, Exploring expedition along 
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of the R. Geogr. Soc. XXI. 1852. 
p- 2328. 

Governor Fitz-Gerald’s expedition to the 
Murchison river. — ibid. XXII. 18532. 
p. 71. 

Expedition under Mr. J. 8. Roe to the 
S.E. of Perth, in Western Australia. — 
ibid. XXH. 1852. p. 1. 

Settlers’ expedition to the northward of 
Perth. — ibid. XXII. 1852. p. 57. 

A month in Western Australia. — Colo- 
nial Magas. XXIII. 1852. p. 418. 478. 

Biundell, Western Australia. — ibid. 
XXII. p. 104. 

Lang (J.D.), An historical and statisti- 
cal account of New South Wales. 8d 
edit. 2 vols.. London 1858. 2008. 8. 
(21 8.) 

The convict classes in New South Wales. 
— Colonial Magaz. XXIII. 1862. p. 68. 

Passages from a Sidney diary. — ibid. 
XXIU. 1852. p. 78. 

Impressions of Sidney. — ibid. XXII. 
1852. p. 501. 

Henderson (John), Neu-Süd-Wales, des 


Geographie Neu-Holland;. 


sen Klima, Erzeugnisse ‘und Naturge- 
schichte, sowie Sitten und Gewohnhei- 
ten der Eingeborenen, nebst Anweisung 
für Auswanderer. A. d. Englisch. von 
E. Mai. Frankfurt a. d. O. 1852. IV. u. 
1718.8. Mit e. Karte von N.-S.-Wales. 
— Recensirt im: Leipe. Repert. d. Liter. 
1862. 1. p. 296. 

Lucas (H.), Journal of a voyage from 
London to Port Phillip, in the Austra- 
lian Royal Mail Steam Navigation Com- 
pany’s Ship Australian. Being the first 
voyage by steam between England and 
the Australian colonies, containing some 
useful hints to intending eınigrants. 
London 1858. 8. (6.d.) 

Forster (J.F.L.), The new colony of 
Victoria, or Port Phillip. London 1852. 
8. (18.) 

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and Asiat. Review. 1853. II. p. 147. 
Bericht der Handelskammer in Melbourne 
über die fortschreitende Entwickelung 
der Colonie Victoria während des Jah- 

res 1852. — Hansa. 1853. N. 150 ff. | 

The social condition of Melbourne. — The | 
Colonial and Asiat. Review. 1858. 11. 
p- 185. 

‘ Erste Eindrücke eines Reisenden bei der 

Ankunft in Melbourne. — Hansa. 1853. 

N. 148. 


— —— 


Australia visited and revised: a narra- 
tive of recent travels and old experien- 
ces in Victoria and New South Wales. 
With maps by A. K. Johnstone. Lon- 
dom 1858. 886 8. 8. (10 8. 6.d.) 

Angas (G. F.), Views of the Gold Re- 
gions of Australia. Drawn on the spot. 
London 1852. Small fol. 6 plates. (21 
S.; coloured 42 S.) 

Capper (J.), The emigrant's guide to 
Australia; with a large and accurate 
map of Australia and the gold fields. 
Liverpool 1852. 12. (1 8.) — 2d edit. 
enlarged, with 3 new maps. ibid. 1853. 
2708. 12. (28.6.d.) | 

Cassel’s Emigrant's handbook ; with an 
introductory essay on the importance 
of emigration, and the danger to which 
emigrants are exposed: to which has 
been appended, a guide to the gold 
fields of Australia etc. 2d edit., with 
considerable additions. London 1852. 8. 
(9 d.) 

Chauncy (W. S.), A guide to South 
Austzalia: being a descriptive account | 


Mossman (8.) and Banister (T.) 
| 


LZVU 


of the colony, containing the latest au- 
thentie information. 2d edit. London 
1852. 12. (18.6.d.) 

Earp (G.B.), Gold colonies of Austra- 
lia, their produce and capabilities; the 
progress of the gold mines in New 
South Wales and Australia; with every 
advice to emigrants, and how to get 
to them; with a map of Australia, 
showing the goldregions. London 1852. 
240 S. 12. (18.) — New edit. ibid. 
260 S. 12. (1 S.) 

—, The gold colonies of Australia and 
gold seeker’s manual. New edit. Lon- 
don 1853. 12. (1 8.) 

Fairfax (J.), Ihe colonies of Australia; 
the discovery of the gold fields; ad- 
vice to emigrants. London 1852. 8. 
(18.) 

Hall(W.H.), Practical experience at the 
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2d edit. London 1852. 568. 8. (18. 
6. d.) 

Lancelott (F.), Australia as it is; its 
settlements, farms and gold fields. 2 
vols. London 1852. 600 S. 8. (218.) 
— 2d edit. ibid. 1858. 8. (21 8.) 

Lang (J. D.), Australian emigrant's ma- 
nual: a guide to the gold colonies. 
London 1852. 12. (1 S.) 

Mackenzie (D.), The gold digger: a 
visit to the gold fields of Australia in 
February, 1852; together with much 
useful information for intending emi- 
grants. London 1852. 968. 12. (18.) 
(Readings in Popular Literature.) 

Mackenzie (E.), Australian emigrant’s 
guide. London 1852. 12. (5 S.) 

Mann’s emigrant's guide to the gold 
fields of Australia: being a description 
of the gold fields. To which is added: 
The emigrant's guide to the colonies. 
London 1852. 130 8. 12. (1 S.) 

Mossman (S.), A voice from Australia; 
giving practical advice and true infor- 
mation to gold seekers. London 1852. 
34 8. 8. (6.d.) 

—, A descriptive account of the gold re- 
gions of Australia. London 1852. 80 8. 
12. (1 8.) 

—, Emigrante’ letters from Australia. Lon- 
don 1858. 106 8. 12. (1 8.) 

—, The gold regions of Australia: a de- 

. scriptive account of New South Wales, 
Victoria and South Australia; with par- 
ticulars of the recent gold discoveries. 
3d edit. London 1852.186 8. 12. (18.) 





LXVIII 


Murray’s guide to the Australian gold 
diggings, where they are and how to 
get at them: with letters from settlers 
and diggers, telling how to work them. 
London 1852. 8. (1 S.) 

Pepper (J. H.), Australian gold fields: 
a lecture. London 1852. 12. (6. d.) 
Phillips (J. A.), Gold-mining and as- 
saying: a scientific guide for Australian 
emigrants. London 1852. 168 8. 8. 

With 88 engravings. 

Shaw (J.), A tramp to the diggings; or 
Australia in 1862. London 1852. 
820 8. 8. (7 S.) 

Sherer (J.), The goldfinder of Australia; 
how he went, how he fared, and how 
he made his fortune. London 1858. 
8., with 48 engravings. (28. 6.d.) 

Stirling (P. J.), The Australian and Ca- 
lifornian discoveries, and their probable 
consequences. Series of letters. London 
1858. 2708. 8. (5 8.) 

Tullock (D.), The gold diggings of 
Victoria in five views. London 1858. 
Oblong. (21 8.) 

Woods (D. B.), Sixteen months at the 
gold diggings. London 1862. 200 8. 
8 (48.6d.) 

Three letters addressed to Lord Jobn 


Russel upon the subject of gold in 
Australia. ByF.S.T. London 1852.8. | 


(1 8.) 
Correspondence relative to the recent dis- 


covery of gold in Australia. London . 


1852. 8328. 8. (6.d.) 

A trip to the Australian diggings. — The 
Colon. and Asiat. Review. 1852. I. p.82. 

South Australia and the gold discoveries. 
Reprinted, with revisions, from the 
South Australian Chronicle. London 
1868. 8. (6 d.) 

Letters from the diggins: s true picture 
of Australia and the gold fields. Lon- 
don 1852. 12. (6d.) 

A visit to Australia and the gold regions. 
London 1853. 202 8. 8. (28. 8.d.) 
Guide to Australia and the gold regions. 
By a Liverpool merchant. London 1852. 

12. (1 8.) 

Emigrant’s manual: Australis and the gold 
dig. London 1852. 128 8. 12. (1 8.) 
(Chamber’s instructive Library). 

Emigrant in Australis; or, gleanings from 
gold fields. London 1852. 12. (1 8.) 

Gold discoveries and their probable results. 
— The Colon. and Asiat. Review 1852. 
I. p. 72. 


Geograpbie der Australischen Inselgruppen. 


Australia: its gold felds and its wool. — 
The Colon. and Asiat. Review. 1852. I. 
p. 114. 

The gold fields of Australia. — ibid. 1852. 
I. p.812. 

The new Australian gold regulstion. — 
ibid. 1852. I. p. 879. 

Australian gold discoveries. — ibid. 1853. 
II. p. 453. 


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Cheyne (A.), Sailing directories for the 
Islands in the Western Pacific Ocean; 
with vocabularies of their various lan- 
guages. London 1852. 206 8. 8. (68.) 

de Bruijn Kops, Contribution to tbe 
knowledge of the north and east coast 
of New Guinea. — Journ. of the Indian 
Archipel. 1852. p. 308. 

Meredith (Mrs. Ch.), My home in Ta» 
mania. 2 vols. London 1858. 380 8; 
woodcuts. 8. (18 8.) 

Brandes, Neu Seeland in geschichtlichen 
Umrissen von seiner Entdeckung bis zur 
Gegenwart. — v. Raumer, histor. Ta 
schenbuch 1852. p. 481. 

Gladstone (W. E.), Speech on the se- 
cond reading of the New Zealand oon- 
stitution bill, May 21, 1862. Corre= 
ted by the Author. London 1852. 38S. 
8. (1 8.) 

| Discovery and early notices of New Zes- 

ı land. — Colonial Magaz, XXIII. 1852. 
p. 221. 

A passing glance of New Zealand. — ibid. 
XXI. 1852. p. 401. 

' A happy valley in New Zealand. — The 

Colonial and Asiat. Review. 1852. L 

: pP 144. 

New Zealand and its six colonies, histori- 
cally and geographically described. With 
directions for and advice to emi 
London 1853. 12. (6. d.) (New Library 
of Universal Knowledge.). 

Rough (J.), Narrative of a joumey 
through part of the North of New 
Zealand. London 1852. 40 8. 18. (8d.) 

Gold district of New Zealand; being s 
description of Auckland and its neigh- 
bourhood; also every information for 
intending emigrants, with a map. By 
the Colonial Secretary of New Zealand. 
London 1858. 8. (8.d.) 

Adams (C. W.), A spring in the Canter- 
bury settlement. London 1858. 100 8. 
8. (5.8. 6d.) 

A glance at the present state and fature 














Meteorologie. 


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— Colon. Magaz. XXIII. 1852. p. 542. 

Earp (G. B.), Handbook for intending 
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of New Zealand. 8d edition. London 
240 8. 12. (18.6d.) 

—, New Zealand; its emigration and gold 
Belds. London 1858. 260 8. 12. (1 8.) 

Brierly (0. W.), Sketch of the Friendly 
Islands and of Tongatabu. — Journ. 
of the R. Geogr. Soc. XXI. 1852. p. 97. 

Lawry (W.), Missions in the Tonga 
and Feejee Islands, as discribed in the 
journals. New York 1852. 50 8. 12. 
(80 C.) 

Lawry (W.), A second missionary visit 
to the Friendly and Feejee Islands in 
the year 1860. Edited by Rev. Elijah 
Hooke, 2d edit. London 1852. 104 S. 
8. (1 8.) 

Erskine (J.E.), Journal of a cruise 
among the islands of the Western Pa- 
cifie; including Foejees and others in- 
habited by the Polynesian Negro Races, 


3 


| 
| 





LXIX 


in H. M. S. Havannah; with maps. 
London 1853. 494 8. 8. (16 8.) 

Murray (T. B.), History of Pitcairn’s 
Island. London 1858. 12. (4 8.6.d.) 

Murray (T.B.), Pitcairn, the island, the 
people, and the pastor; with a short 
sccount of the mutiny of the bounty. 
2d edit. London 1853. 8008.13. (8 8.) 

Burrows Pitcairn’s Islands, its inhabitants 
and their religion. London 1858. 708. 
12. (6. d.) 
Henry (J.L.), Les iles Gambier. — Nowr. 
Annal. d. Voy. 1862. III. p. 348. 
Relation du voyage de decouvertes fait 
par Alvaro de Mendafio aux iles Salo- 
mon en 1567. Trad. de l’espagnol par 
Ed. Dulaurier. — Nour. Annal. d. Voy. 
Nouv. Ser. XXXI. 1852. p. 57. 

Coan (F.), On the eruption of Mauna Loa 
in 1851. — The American Journ. of 
science and arts 1862. XIII. p. 895. 
XIV. p. 219. 

Life io Hawaii. — Putmam’s monthly ma- 
gaz. 1868. 1I. p. 17. 


Meteorologie. 


Dove (H. W.), Die Verbreitung der 
Wärme auf der Oberfläche der Erde, 
erläutert dureh Isothermen, thermische 
Isanomalen und Temperaturcurven. Mit 
6 grofsen und 2 kleinen Charten, sowie 
2 normale und extreme Temperaturcur- 
ven darstellenden Tafeln. Zweite, sehr 
vermehrte Aufl. der Monatsisothermen. 
Berlin 1852. III u. 26 S. Imp. 4. 
(4 Thir. 20 Sgr.) 

— , The distribution of heat over the 
surface of the globe, illustreted by 
Isotbermal, Thermic Isabnormal, and 
other curves of temperature. London 
1858. 26 8. 4. With maps. (12 8.) 

— , Ueber die nicht periodischen Verän- 
derungen der Temperaturvertheilung auf 
der Oberfläche der Erde. 5. Abhandl. — 
Abhandl. d. Berlin. Akad. d. Wissensch. 
1858. 

—, Die Witterungsgeschichte des letzten 
Jahrzehnts 1840 — 60. Berlin 1853. 
ı Bl., 264 8. gr. 4. (2 Thir. 20 Sgr.) 

Pohl u. Schabus, Tafeln zur Verglei- 
chung und Reduction der in verschie- 
denen Längenmafsen abgelesenen Baro- 
meterstände. — Sitzungsdber. d. Wiener 
Akad. d. Wissensch. Mathem. Cl. 1852. 
VIEL p. 831. 


Pohlu. Schabus, Tafeln zur Reduction 
der in Millimetern abgelesenen Baro- 
meterstände auf die Normaltemperatur 
von 0° Celsius. — Sitzungsber.d. Wiener 
Akad. d. Wissensch. Mathem. Cl. 1852. 
VIII. p. 275. 

Hamel (J.), Blutregen und blutrothe Ge- 
wässer. Neun Fälle, welche sich in Eng- 
land und in der Normandie in dem Zeit- 
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— Bullet. de la Classe phys.-mathem. 
de !’ Acad. d. Sciences de St. Petersbourg. 
1852. N. 16. 

BabuRadhanath Shikdar, Table used 
for reducing barometrical observations to 
823° Fahrenheit. — Journal of the Asint. 
Soc. of Bengal. XXI. 1853. p. 829. 

Guyot (A.), A collection of meteorologi- 
cal tables with other tables useful in 
practical meteorology. (Smithsonian In- 
stitution.) Washington 1858. gr. 8. 

Witte (L.), Ueber die graphische Darstel- 
lung der mittlern Windrichtung im mitt- 
lern und nördlichen Europa. — Zeitschr. 
f. d. gesammt. Naturwissensch. herausg. 
v. d. naturwissensch. Verein f. Sachsen 
u. Thüringen in Halle, 1853. p. 181. 

Plieninger, Die Witterung im J. 1851. 


LXX 


— Würtemberg. Jahrbücher. 
HR. 2. p. 1. 


1852. 


Meteorologie. 


sey, and the present state of the island. 
Newcastle 1852. 8. (1 8.) 


Eisenlohr (O.), Untersuchungen überden | Lowe (E. J. and A. S. H.), The climate 


Zusammenhang des Barometerstandes mit 


der Witterung im Winter. Nach vieljähr. 


in Karlsruhe angestellten Beobachtungen. 
Karlsruhe 1852. VIIIlu. 116 8. gr. 8. 
(12 Sgr.) 

Hopkins, On the origin and nature of 
the forces that produce storms. — Me- 
moirs of the liter. and philos. Soc. of 
Manchester. 2d Ser. Vol. X. 1852. 
p- 59. 

Kreil, Erster Bericht über die K. K. 
Central-Anstalt für Meteorologie und 
Erdmagnetismus. Wien 1852. 10 8. 
Lex. 8. (4 Sgr.) 

Dove (H. W.), Die Witterungsverhält- 
nisse von Berlin. 2. verm. Aufl. Berlin 
1852. 54 S. gr. 8. (10 Sgr.) 

Weber (Fr.), Jahresbericht der meteoro- 
logischen Station in Halle. — Jahres- 
ber. des naturwissensch. Vereins in Halle. 
1853. p. 561. 

Thermometer- und Barometer-Beobachtun- 
gen vom J. 1805 — 51. Gemacht von 
Prof. Schramm, zusammengestellt von 
Dr. Joh. Fiedler. Programm des 
Gymnas. zu Leobschütz. Leobschütz 
1862. 4. 

Heydenreich, Die klimatischen Ver- 
hältnisse von Tilsit. Programm des 
Gymnasiums zu Tilsit. Tilsit 1852. 
228. 4. 

Beeck (E.), Ueber den Stand der Luft- 
Electricität in Halle vom Juni bis De- 
cember 1852. — Zeitschr. f. die ge- 
sammte Naturwissenschaft, herausgegeb. 
von d. nalurwiss. Verein für Sachsen 
u. Thüringen in Halle. 1868. p. 272. 

Fritsch (K.), Ueber die Temperatur- 


Verhältnisse und die Menge des Nieder- 


schlages in Böhmen. Mit 4 Taf. Wien 
1852. 22 S. m. 1 Tab. gr. 8. (20 Sgr.) 

Weörkundige waarnemingen op den Hui- 
zezwanenburg. — Zu Ende jeder Num- 
mer der: Allgemeenen Konst- en Letter- 
bode. 1852. 58. 

Meteorological table for the quarter ended 
December 18562 and for the quarter 
ended March 1858. — Journ. of the 
Statist. Soc. of London. 1858. p. 280. 

Smith (A.), On the air and rain of 
Manchester. — Memoirs of the liter. 


and philos. Soc. of Manchester. 2d Ser. | 


Vol. X. 1862. p. 207. 


Greenhow (E.), On the climate of Jer- . 





of Nottingham during the year 1853; 
together with descriptions of the atmo- 
spherical phenomena which occured in 
that year, as recorded at Highileld- 
House Observatory, near Nottingham. 
London 1858. 8. (28.6.d.) 

Das Klima von Tobolsk. — Arch. f. wiss. 
Kunde von Rufsland. XII. 1858. p. 645. 

Meteorological register kept at the Sur- 
veyer General’s Office, for Januar — 
December 1852. — Journ. of the Asiat. 
Soc. of Bengal. XXI. 1858. p. 103.193. 
280. 363. 448. 557. 558. 560. 562. 
648. 645. 647. 

Fayrer (J.), Meteoralogical observations 
kept at the Rangoon Field Hospital. — 
ibid. XXI. 1853. p. 520. 622. 

Bedford (J. R.), Meteerology of Ram- 
pur Bauleah for the year 1851. — Journ. 
of the Asiat. Soc. of Bengal. XXI. 1858. 
p. 598. 

Gubbins (C.), Daily register of tempe- 
rature during a part of 1850, at Mee- 
rut in the Upper Dooab. — ibid. XXI. 
1858. p. 563. 

Meteorological register kept at the field 
hospital, Rangoon, for October — De- 
cember 1858. XXIII. p. 113. 817. 

Meteorological register kept at the Sur- 
veyer General’s Office, Calcutta, for No- 
vember and December 1858. — ibid. 
XXIII. 1858. p. 117. 

Meteorological register kept at the oflice 
of the Secretary to Government N. W. 
P. Agra, for July — December 1852, 
and January 1858. — ibid. 1858. 
XXI. p. 217. 

Lamb, Registers of temperature and fall 
of rain kept by medical officers in dif- 
ferent parts of India. — ibid. XXL 
1858. p. 8883. 

Piddington (H.), Law of storms in the 
Indian and China seas. — ibid. XXI. 
1858. p. 283. 

Register of the rain fall at the Hors- 
burgh Light-House from November 1851 
to 8ist December 1852. — Journ. of 
the Indian Archipel. 1852. p. 699. 

Table of the average monthly tempera- 
ture, indicated by the thermometer at 
the Horsburgh Light-House from No- 
vember 1851 to Bist December 1852. 
— ibid. 1852. p. 698. 

Thompson (Z.), Abstract of metearo- 








Meteorologie. LXxXi 


logical observations made at Burling- | Observations made at the magnetical and 
ton, in 1851. — The American Journ. meteorological observatory at Hobart 
of science and arts. 1852. XIII. p. 850. Town, under the superintendence of Co- 

Hildreth, Abstract of meteorological lonel Edward Sabine. Vol. TI. London 
observations, made at Marietta, Ohio. 1852. 4. 


— ibid. 1852. XII. p. 287. Schomburgk (O.), Meteorologische Be- 
Thurburn (H.), Notice of a meteorolo- obachtungen im Jahre 1850 in Buchs- 
gical journal kept at Alexandria. — felde in Std-Australien. — Monatsber. 
Journ. of the R. Geogr. 80c. XXU. d. Berlin. Ges. f. Erdkunde. IX. 1852. 
1852. p. 128. p. 65. Vergl. X. 1858. p. 156. 





Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünstr. 18. 











Zeitſchrift 
Allgemeine Erdkunde, 


Mit Unterftügung der Gefellfhaft für Erdkunde 
zu Berlin 
und unter befonderer Mitwirkung 
. von 

9. W. Dove, €. ©. Ehrenberg, G. Kiepert un €. Ritter 
in Berlin, 

A. Andree in Bremen, A. Petermann in London und 3. E. Wappäus 
in Göttingen, 


Herausgegeben 


von 


Dr. T. €. Gumprecht. 


Zweiter Band. 
Mit zwei Karten. 


Berlin. 
Verlag von Dietrih Neimer. 
1854. 


Inhalt. 


1. G. S. Kerfi und Gumprecht: Paraguay nach neueren und älteren 
brafilianifchen, fpanifchen nnd norbamerilanifchen Quellen . 

TI. Die Javanefen. . . 

II. 6. Ritter: Die neberwinterung bes Capit. Maguire auf der polaren 
Nordweſtküͤſte Amerifa’s und die Weſt⸗GCequimaurſtaͤmme (1862 — 
1853) . . . 

IV. 4. von Epel: H. Rinde phyfllaliſch «geograpbifche eilig von 
Nord: Srönland (Hierzu Taf. I.) . . 

V. M. Willkomm: Die Gewäfler der iberifchen Salbinfel . 

VI. C. Ritter und Gumprecht: Dr. Barth’s Aufenthalt in Timbuetu 

VNn. Gumprecht: Die neueſten Unterſuchuugeerpeditlonen im Suneren Nord⸗ 
Afrika's.. 

VIII. 82. von Orlich: Die Inſel Iſchia .. 

IX. 8. Andree: Die Torresſtraße, Nens Guinea“ nnd der —* gt 

pelagus. Erſter Artikel. . 


Neuere Riteratur. 


Nehbod: Die Bereinigten Staaten von Amerika, geographiſch und ſtatiſtiſch 
befchrieben von Th. Olshanſen. Theill: Das Miſſiſippithal . 

Gumprecht: Atlas der Rheinifchen Miffionsgefellichaft, überfichtlich und ſpe⸗ 
ciell die Gebiete varftellend, auf welchen die Geſellſchaft thätig If. Zum 
Beften der Rheiniſchen Miffionsgefellfchaftl. Barmen 1853 . . . 

Nutenberg: Reife nach Brafllien durch die Provinzen von Rio de Janeiro 
und Minas gerass, mit befonderer Rüdficht anf die Naturgefchichte der 
Gold⸗ nnd DiamantsDiftriete. Von Dr. Th. Burmeifter, or. Pe 
der Zoologie zu Halle. Mit einer Karte. Berlin 1853 oo. 


Miscellen. 


Gumpredt: Silberproduction in Chile. . . 

G. Ritter: Rene Entvecungsunternehmungen in afrita .. 

A. Betermann: Einige ſtatiſtiſche Angaben über London nach dem Genfu 
von 1851 . . . 

3. Altmann: Sur Statifit fremder aulte in Rußland. 


Ecite 


125 
177 
257 
313 


363 
388 


433 


42 


168 


469 


65 


66 


72 
78 





K. Andree: Mittheilungen über Grinnell's Land. 

Gumprecht: Der Schifffahrtscanal buch Darin. . . 

K. Andree: Capit. Waltr M. Wibſon im indiſchen Archipel. 

Oumpredt: Gine Entvedungsreife nach Fezzan, Aghadéez und Kaſchna in 
den Jahren 1710 und 1711 . . 

5. Kiepert: Fresnel’s, Oppert’s und Nawlinſon's achäcagtge Untefa 
chungen im alten Babylonien (Hierzu Taf. II) 

K. Andree: Expeditionen im weftlichen Nord: Amerifa . . . . 

Bumpredt: Dr. Bleet’s Reife nach dem centralen Nord: Arte . 

Gumpredt: Dr. Bogel’s Ankunft am Tfapfee .. 

Sebald: Die Inſel Sumba in Hinterindien 

J. Altmann: Der gegenwärtige Stand des Manufacturweſens in Rußlaud 
und Moskau's Bedeutung in gewerblicher nud Handelsbeziehung 

E. Zoller: Die hinterindiſche Inſel Bawean und ihre Bewohner 


Bericht über die Sibungen der Geſeliſchaft für Grofunbe zus Berlin at am 7. Jan. 1854 


Desgl. . . 4 Feb. ⸗ 
Desgl. nenn 4.März -⸗ 
Desgl. :e 8.April - 
Desgl. = 6.MRaä = 


3. Juni 


—9 
. 
* 

a 
— 
XR 


Selte 
173 
174 
240 


245 


248 
417 
423 
425 
481 


502 


«9 
174 
256 
428 
431 





I. 
Paraguay 


nad) neueren und alteren brafilianifchen, fpanifchen und nord- 
amerifantfchen Quellen ?). 


Einem umgefehrten Propheten gleich haben die Hiftorifch»geographi- 
fhen Forſchungen der Neuzeit fih vorzugsweife dem alten Eulturlande 
Alien zugewandt. Reiche Schaͤtze wurden hier allmälig bis in bie 
neuefte Zeit durch den Fleiß der Forfcher aus den Trümmern, welche 
zahlreiche Revolutionen im Voͤlkerleben im Lauf dreier Jahrtaufende in 
Nacht vergraben hatten, Hervorgezogen, und der denfende Geift betrach- 
tet dieſe Refte untergegangener Eulturen mit nicht geringerem Intereffe, 
al8 der Naturforfcher die zahllofen, von der Erde in ihrem geheimniß- 
vollen Schoß verborgenen Meberbleibfel untergegangener Schöpfungen. 
Das WVölfergewühl, das einft den Haffifchen Boden belebte und fich 
früher, gleich einem weithin überfluthenden Strom, felbft über Europa 
zerftörend,, aber auch belebend und regenerirend ergofien hatte, fcheint 
nun feinem alten @ulturfeben völlig abgeftorben zu fein, während Der 
europäifche Einfluß immer tiefer und beftimmter dergeftalt in die afla- 
tischen Berhältniffe eingreift, daß die verhängnißvolle Frage, ob Aften 
im Stande fein wird, duch germanifche Bildung und Freiheit fich 
wieder zu regeneriren, bald zur Entfcheidung fommen muß. Iſt es ge: 


— — — 


ı) Zur Vervollſtaͤndigung dieſes von Herrn Dir. Kerſt mitgetheilten Aufſatzes über 
ein Land, das ungeachtet feiner ſtaunenswerthen Hilfsquellen noch fo wenig in Europa 
befanmt it, habe ich demfelben eine Anzahl, neueren und älteren, wenig verbreiteten 
brafilianifchen, fpanifchen und nordamerifanifchen Berichten entiehnte Zufäge einver: 
leibt. Diefelben find von dem urjprünglichen Tert durch Rlammern und das Zeichen 
G. gefchieven, die von Heren Kerft felbft herrührenden Iufäpe aber mit K. bezeich- 
net worben. G. 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 1 





2 ©. &. Kerſt und Gumpredt: 


ftattet, über zukünftige Dinge ein Urtheil fich zu bilden, fo dürfte nach 
den bisherigen Erfahrungen die Möglichkeit einer foldhen Regeneration 
wenigftens fehr zweifelhaft erfcheinen, da Europa in Afien wohl ero: 
bern und eine Zeitlang despotiſch herrſchen oder durch den Handel 
und die Zuführung europäifcher Bildung die erftarrte aftatifche für eine 
Zeitlang in neuen Fluß bringen kann, niemald aber e8 vermögen wird, 
feine eigenen Kinder, naturwüchfige Staaten bildend, auf diefem Bo: 
den dauernd und undegenerirt zu firiren. 

Das Land der Verheißung für die europäifche Menjchheit ift nicht 
Aſien, fondern Amerifa und Auftralin. Wie von dunflen Ahnungen 
getrieben, Löfen fih immer größere Volfdmafjen von der europäifchen 
Völferfamilie ab und fuchen jenfeits des Meeres unter großen Opfern 
und Anftrengungen das zu gewinnen, was die alte Heimath nicht mehr 
zu bieten fcheint. Der Wiflenjchaft ziemt ed, dem Boden und feiner 
überreichen Yülle taufendfältigen Lebens auf der Oberfläche, dem Reich 
tum in der Tiefe an verborgenen unermeßlichen Schäben in jenen 
fernen Gegenden, wo einft vorausfichtlich blühende Reiche europäifcher 
Abftammung fich erheben werden, ihre volle Aufmerffamfeit zu ſchen⸗ 
fen, wenn auch nicht überall Hiftorifche Monumente ald beveutfame 
Zeugniffe ehemaliger Eulturzuftände ihm Auffchlüffe über das ganze 
Weſen und Leben der Generationen gewähren, welche dort einft ihre 
Heimath hatten. Eins der großen Ländergebiete unferer Erbe, dem 
unzweifelhaft das 2008 zu Theil werden wird, eine gewaltige Bevölfes 
rung europäifhen Stammes auf feiner Cherfläche zu ernähren, if 
dasjenige, welches vom la Plataftrom und feinen mächtigen Zuflüffen 
bewäflert wird, aber noch gehört daffelbe zu den unbefannteften, den 
wiſſenſchaftlichen Forſchungen am unzugänglichften gewefenen Regionen. 
Einzelne Striche find zwar auch in diefem Jahrhundert von intelligen- 
ten Reifenden befucht worden, doch wurde dadurch die Kenntniß des 
Gebietes nicht wefentlich gefördert, weil theild die mühlam erworbenen 
Schäge und Beobachtungen der Forfcher, wenn auch geborgen, mit dem 
Tode derſelben für das Publikum verloren gegangen find (wir erin- 
nern hier an X. R. Renggers zum Theil verloren gegangene Papiere 
und vor Allem an die des verbienten Sello, die ſich in Berlin befinden 
follen, aber unzugänglich geworden find. G.), theild weil viele ber 
an die Oeffentlichfeit gelangten Mittheilungen anderer Reifenden zu 


Paraguay nach neueren und älteren brafllianifchen sc. Quellen. 3 


ſehr den Charakter der Berichte flüchtig reifender Touriften an ſich 
tragen. (Hiervon möchten wir jedoch mit Grund die trefflicden und 
umfafienden Beobachtungen mehrerer Forſcher, die ‚einige Jahre in den 
la Blataländern zugebracht haben, ausnehmen, namentlich die von Reng⸗ 
ger, Longchamp, Fr. de Caſtelnau und Weddell, und endlich den Bes 
richt des neuerlichft erft ernannten nordamerifanifchen Conſuls bei der 
Republif Paraguay, E. A. Hopfins, über dieſes Land, womit die Zeit- 
[hrift der neuen amerifanifchen geographifchen Gefelfchaft zu News 
York, Bulletin of the American Geographical and Statistical So- 
ciety. 1852. I, 1—46, beginnt. ©.) Ein eigener Unftern waltete 
überhaupt in der legten Zeit über vielen Unternehmungen in Süd» Ame- 
sifa, welche auch die Durchforſchung des Stromgebietes des Paraguay 
und des Gebieted des oberen und mittleren Laufs des Parana bezwedc⸗ 
ten, und namentlich hat die wiflenfchaftliche Welt neuerlichft wieder Ver⸗ 
Iufte durch den Tod eifriger und unermüdeter Forfcher, die Jahre lang 
der Uinterfuchung der central füdamerifanifchen Gegenden gewidmet hat- 
ten, zu beflagen, obwohl Hoffnung vorhanden ift, daß wenigſtens deren 
Nachlaß Eigenthum der Wiffenfchaft werden wird. (So ftarb der öftrei- 
hifche Naturforfcher B. von Helmreichen in Rio Janeiro nad) feiner Rüd- 
kehr aus Paraguay und dem zur brafilianifchen Provinz Mato Groſſo 
gehörenden Diſtrict Cuyaba, vorzüglich an den Folgen feines 24 jähri- 
gen Aufenthaltes in der leßtgenannten jumpfigen Landfchaft; fo verlo- 
ven wir in Cuyaba ſelbſt Helmreichen's Reifegefährten, den Dr. Mül: 
fer, und jo war in der letzten Zeit wieder der Tod zweier mit Lefevre 
Durouffl& nach Braftlien gegangenen franzöfifchen Naturforfcher zu bekla⸗ 
gen; Helmreichen's Nachlaß ift jedoch glüdlicherweife nach Wien ge- 
langt und jegt in den Händen tüchtiger Bearbeiter; Müllers Papiere 
und Sammlungen befinden fich dagegen noch in Euyaba, und es ift 
fehr die Frage, ob fie Europa erreichen werden. &.). — Eine neue 
Aera des Gedeihens beginnt für dieſe unermeßlichen Landſtriche feit 
dem Ball des Dictatord Rofas durch die neu eröffnete und durch Ber: 
träge feitgeftellte Freiheit der Schifffahrt auf den gewaltigen Zuftrös 
men des la Plata. Nichts hindert fortan den europäifchen Unterneh 
mungsgeift auf den Riefenftrömen des centralen Süd» Amerifa ein Le 
ben zu verbreiten, das an Reichtum und Mannigfaltigfeit bei Weiten 
das übertreffen fann, welches fich auf dem Miſſiſippi feit einem Men- 
1 * 


4 ©. G. Kerfi und Gumpredt: 


fchenalter entfaltet hat, da die Schäße aus allen Naturreichen, wie mir 
aus eigener Erfahrung durch langjährigen Aufenthalt in diefen nad 
vielen Richtungen von mir durchzogenen Ländern befannt ift, unendlich 
reicher und mannigfadher find, al8 in den vom Mifffippi, Miſſouri 
und den großen Zugängen diefer Ströme bewäflerten nordamerifani- 
fchen Landfchaften. (If doch das la Plata» Stromgebict der Größe 
nach ſchon das dritte unter allen befannten Stromgebieten der Erde, 
welches nur dem des Amazonenflufies noch um ein Bebeutendes, dem 
Gebiet des Miſſiſippi aber fchon verhaltnißmäßig nur wenig nad» 
fteht, da Lieutenant Maury, befanntlich einer der thätigften, kenntniß⸗ 
vollften und intelligenteften Seeoffiziere unferer Zeit, in feiner neueften 
Schrift: The Amazon and the Atlantic slopes of South America. 
Washington 1853, ©. 11 das Areal des Amazonen «Stromgebietes auf 
2048450 engl. DM. und das des Miffifippi auf 982000, das des 
Rio de la Plata aber auf 886000 IM. beredjnete, wogegen alle eus 
ropäifchen Stromgebiete auffallend zurüditehen, indem das größte derfel- 
ben, mit Ausnahme vielleicht des Wolgagebietes, nämlich das der Do⸗ 
nau, nah Maury's Schägung nur etwa 234000 IM. begreift. ©.) 
Unter allen Laͤndern im Bereich des la Plata und feiner Zugänge ift 
für den Forfcher aber wiederum Feind anziehender, als die Republif 
Paraguay, deren Eriftenz erft jegt anfängt befannter zu werben, nach⸗ 
dem fie befanntlich bis zum Tode ihres Dictatord, des Dr. Francia 
am 23. September 1840, allen Fremden hermetifch verfchlofien gewe⸗ 
fen war. Ihr Reichthum an natürlichen Producten, ihre Lage, Durch 
die fie zum Stapelplag für einen unermeßlich ausgedehnten Theil des 
Inneren von Süd-Amerifa präbeftinirt ift, ihre geheimnißvolle und 
originelle Gefchichte, und die Bedeutung, welche fie einft für Europa 
unausbleiblih erhalten wird, find werth, nach allen Richtungen Hin 
aufgeklärt zu werden. (So unbekannt jedoch dieſes Land im Ganzen 
jest ift, fo Hatte es ſchon früh genug die Aufmerkfamfeit auf fich 
gezogen, denn 9 Jahre, nachdem die päpftlihe Bulle die Errichtung 
des Jeſuitenordens fanctionirt hatte, wandte fich ſchon das prophetifche 
Auge des beriiämten Stifterd deſſelben Paraguay zu, wo feine Nach⸗ 
folger 150 Jahre hindurch die größte Macht und den größten Reichs 
tum erwarben, der ihnen irgendwo und zu irgend einer Zeit zu Theil 
geworden iſt. Hopfins a. a.O. S. 30. ©.) Zur Kennmiß diefes merk⸗ 





Paraguay nach neueren und älteren brafilianifchen ꝛc. Quellen. 5 


würdigen Landes dient namentlich mit die folgende, fichtlih aus fehr 
fundiger Feder geflofiene und aus dem brafilifchen Journal la Se- 
mana in das zu Rio Janeiro erfcheinende Hanvelsjournal (Journal do 
Commercio) von 26. Februar übergegangene Mittheilung, da fie die 
bekannten Berichte von Rengger!), Montravel?), Bage?), Woods 
bine ‘Barifd *) und felbft die Älteren trefflicden von Azara®) in mehr 

1) Rengger Reife nach Paraguay in deu Jahren 1818— 1822 aus nachgelaf- 
fenen Unterfnchungen herausgegeben von A. Rengger, Arau 1835, und Rengger unb 


Longchamp: Essai historique sur la revolution du Paraguay. Paris (auch deutſch uns 
ter dem Titel: Hittorifcher Verſuch über die Revolution von Paraguay und die Di: 


rectorialregierung von Dr. Francia. Stuttgart 1827. Mit 1 Karte). ©. 

2) La Plata au point de vuc des interets commerciaux de la France par Le 
Tardy de Montravel. Paris 1851. 8. ®. 

2) Le Paraguay et les republiques de la Plata in ber Revuc des deux 
Moudes. G. 

) Buenos Ayres and the Provinces of the Rio de la Plata. 2 Bd. 2. Ed. 
greatly enlarged. London 1852 (die erfte Ausg. von 1839). ®. 


;) Bon Azara war außer den rein naturbiftorifchen Arbeiten über die Thiere 
und Vögel Paraguay’s früher nur noch defien aus einen im Beginne biefes Jahr⸗ 
hunderts überfeßten älteren Manufeript Hervorgegangene Voyage dans 1’ Amerique 
sneridionale publi& par Walkenaer. Paris 1809. 4 B. 8. befannt gewefen. Ginige 
Jahre fpäter (1806 ) arbeitete ver Verfaſſer fein Manuferivt um, das aber bei dem 
Ausbruch der damaligen Unruhen in Spanien ungedruct blieb, bis erft die Familie 
des Verfaſſers dajjelbe im Jahre 1847 in Madrid unter dem Titel: Descripcion & 
Historia del Paraguay y Rio de la Plata. Obra pöstuma de Don Felix de Azara, 
la publica su sobrino y heredero J. Agustin de Azara in 2 Bd. veröffentlichte, 
aber nur in 500 Exemplaren druden lies und die Auflage faſt ganz an wiſſeuſchaft⸗ 
liche Inftitute verfchenkte. Da dieſe fyätere Bearbeitung theilweife vollftändiger if, 
als vie von Walfenaer herausgegebene, fo foll fie hier vorzugsweife angeführt wer» 
den. Außer der Descripcion hinterlies der überaus thätige Azara noch mehrere Ars 
beiten über Paraguay, 3.3. einen Aufſatz über deſſen Grenzen und einen zweiten 
über die landwirtHfchaftlichen Verhältniffe der la Plataländer (Memorla rural del rio 
de la Plata), die fich in den Händen der Samilie befinden, welche fie noch herauszu⸗ 
geben beabfichtigt, fowie endlich eine zu Buenos Ayres im Manuſcript vorhandene 
phyfiſche und fphärifche Geographie von Paraguay und den anliegenden Landſchaf⸗ 
ten (Geografia fisica et esferica de las Provincias del Paraguay y Misiones Gua- 
ranis, compucsta por D. Felix de Azara) nad einer Angabe von de Augelis in 
deſſen überaus reichhaltigen Werf Coleccion de Obras y Documentos relativos a la 
Historia antigua y moderna de las Provincias del Rio de la Plata por D. Pedro 
de Angelis. 6 B. fol. Buenos Ayres 1836 — 1837. VI. Abſch. 7. ©. VIII. Mit wel- 
chen Dlünfeligfeiten aber und welchen befonders von den fpanifchen Behörden ent: 
gegengeftellten Hinderniffen Azara bei feinen Unterfuchungen zu fämpfen hatte, ob: 
gleich er auf fpeciellen Befehl des Koͤnigs und ver Regierung des Mutterlandes reifte, lehrt 
Wallenaer's biographifche Notiz über ven Autor in der Voyage I, XXXIVAXXXVII. 





6 S. ©. Kerfi und Bumpredt: 


facher Hinficht ergunzt und mandje in Europa unbeachtete oder ſelbſt 
ganz unbekannte Notizen enthält. (Died gilt befonderd von dem hy: 
drographifchen Theil, der nirgends in folcher Vollftändigfeit vorkommt. 
Freilich würden unfere Kenntniffe in der Hinfiht viel vollftändiger 
fein, wäre Azara's phnfifche Geographie in die Deffentlichfeit getreten, 
da defien übrigen Werfe die natürlichen Verhältniffe des Landes nur 
zu fehr im Allgemeinen abhandeln und zu wenig in geographifche Des 
tail® eindringen, und wären nicht die ausführlichen, auf die forgfäl- 
tigften Aufnahmen einer Anzahl trefflidher Offiziere, welche die fpanis 
fhe Regierung im Jahre 1781 in die Landfchaften des la Plata 
Stromgebietes fandte, gegründeten Karten und handſchriftlichen Mate 
rialien von dieſer Regierung abfichtlich der wiffenfchaftligen Welt entzo- 
gen worden, fo duß viefelben theils ſchon in Amerika zerftreut wurden 
(Woodbine Parisb Buenos Ayres 1. Aufl. ©. VIII), theils noch in 
den fpanifchen Archiven vermodern mögen '). Noch jet dürften dieſe 
Karten, das Refultat zwanzigjühriger emfiger Arbeiten, das werthvollſte 
Material zur Kenntniß der geographifchen Verhältniffe Paraguay’s und 
der la Plataländer bilden ?), da bei den zerrütteten politifchen Ver: 


Selbft feine Bapicre nahm man ihm in Süd-Amerika weg und er erhielt fie nie zu 
rũck. Außerdem trafen den Neifenden noch verſchiedene, nicht minder empfindliche lites 
rarifche Verlufte, da mehrere von ihm nach Eurepa gefandte geographifche und andere 
Arbeiten durch die Schuld des indifchen Bureans zu Madrid cder der zu ihrem Ems 
pfange beauftragten Perfonen der Zollverwaltung zu Gabi (Descripcion II, 279) 
abhanden kamen. ®. 

ı) So eiferfüchtig war die fpanifche Regierung zu jeder Zeit auf die Kenntniß 
ihrer amerifanifchen Befigungen im Auslande, daß fie die Blätter einer im Auftrage 
des Rönigs von Spanien von d’Anville gezeichneten Karte von Quito dem Berfafler 
fogar vor der Beendigung abuahm, und daß die große, im Jahre 1775 zu Mayıh 
beeubigte Beneralfarte von SüdsAmerita Don Juans de la Eruz Gano y Olme⸗ 
dilla, welche Azara als vie beſte zu feiner Zeit vorhandene rühmte (Voyage I, XV 
und 12), und welde auch Al. von Humboldt bei feinen Reifen bie wefentlichften 
Dienfte Teiftete, bis zum Beginne viefes Jahrhunderts völlig unbefannt geblieben if, 
Bis fie in London unter dem Titel: Mappa geografica de America meridional in 6 
Blättern nachgeftochen wurde. G. 

2) In Azara's nachaelaffenem Werk Descripcion II, 231, 253, 260 — 261 wird 
von Azara's Familie Klage darüber geführt, daß demfelben in den Archiven von 
Madrid eine große Karte verloren gegangen wäre, worin ber Lauf und die Zuſtüſſe 
bes Paragnay, Parans, Pilcomayo, Bermejo, Tebiquari, Jejni, Daguarey, Gorrientes, 
Boimboi, Dyafla, Caray u A. mit größter Gewiſſenhaftigkeit verzeichnet waren, und 
daß Azara durch die bis zw feinem Tode im Jahre 1821 gehegte, aber unerfülli ges 





Paraguay nad) neueren und älteren brafllianifchen ıc. Quellen, 7 


haltniffen der lebten fchwerlich im Laufe dieſes Jahrhunderts eine Ar⸗ 
beit von dem Umfange der früheren unternommen werden dürfte, und 
jo ſind' auch alle neueren topographifchen Arbeiten, die wir im Lauf 
dieſes Jahrhunderts erhalten haben, fat ausſchließlich auf die in Ame⸗ 
rila geretteten Reſte jener älteren Arbeiten der fpanifchen Ingenieur 
Dffuiere begründet worven. Died gilt befondere von den fonft fehr 
werthvollen, noch fpüter zu erwähnenden Karten der la SBlataländer 
von 3. Arrowſmith, da diefelben vorzugsweife aus der von Wood⸗ 
bine Barifh in Buenos Ayres erhaltenen Karten der fpanifchen Ber: 
meflungen hervorgegangen find ')., Was in neuerer Zeit zur Kennts 
niß der hydrographiſchen und allgemein geographiſchen Verhältnifie der 
la Blatalander und fpeciel Paraguay's im ehemaligen fpanifchen Süd» 
Amerika geichehen ift, iſt Höchft beichrankter Natur, indem eigentlich 
nur drei Schriften zur Kenntniß des wifienfchaftlihen Publicums ge 
langt find, näͤmlich das Ensayo sobre la topographia de los Rios 
Plata, Paranä, Vermejo y Pilcomayo pera servir da memoria a 
su navigation por A. C. Dwerhagen. Buenos Ayres 1831; bie In- 
forme del Commissionado de la Sociedad del Rio Vermejo a 
los Accionistas por D. Pablo Soria 1831, und endlich die Noti- 
cias Historicas y Descriptivas sobre el gran Pais del Chaco y 
Rio Vermejo por Jos& Arenales. Buenos Ayres 1833. Und felbft 
diefe wenigen Beiträge blieben in Europa faft unbefannt, fo daß fie 


bliebene Hoffnung der Wiederanffindung der Karte in ber Heransgabe feiner unges 
druckt gebliebenen Schriften aufgehalten worden ſei Selbit bis jegt if die Karte 
nicht zum Vorſchein gefommen und alfo auch nicht veröffentlicht worden. Liegt dies 
fen Angaben nicht ein Irrtum zu Grunde und if diefe Karte nicht vielleicht die⸗ 
felbe, welche Azara felbft ſchon im Jahre 1806 au Walkenaer fandte und biefer im 
dem Atlas zu der franzöfifchen Nusgabe von Azara’s Reifen publicirte, indem Azara's 
Bamilie von der franzöfifchen Ausgabe auffallend genug gar feine Kenntniß zu haben 
ſcheint, fo darf die Ausficht zu ihrer einfligen Veröffentlihung noch nicht anfgegeben 
werden, da der Berfafler eine Eopie der Stadt Afuncion zum Geſchenk machte, wo fie freis 
li von dem damaligen fpanifchen Vicefönig entwendet wurde, und weil Angelis noch 
im Jahre 1837 verfiherte, das autographe Brouillon der großen Karte Ayara’s von 
Paraguay in Händen zu haben (Coleccion VI. Abfchn. ?. ©. V). G. 

2) Ueber den großen Werth ver älteren ſpaniſchen Aufnahmen in Amerifa und 
der daraus hervorgegangenen Karten haben wir noch in neueftet Zeit ein vollgiltiges 
Zengniß des englifchen Ingenieurs Lionel Gisborne erhalten, der in feinem Werk: The 
Isihmus of Darien. London 1853, 89 varkber wörtlidy fagt: The Spaniards, it must 
be owned, managed their topographical surveys very well aud their maps are to 
ıbis day the standard geographical documents of thcir late possessions. 








8 S. ©. Kerfi un Gumpreät: 


auch Hier in Berlin fehlen und mir nur durch einige Auszüge befannt 
geworden find. Bon neueren Karten der betreffenden Laͤnder find die 
von Rengger über Paraguay und die von Arromwfmith jedenfalls vie 
werthvollften, indem fich jene befonders Durch eine genaue Darftellung der 
Terrain Berhältnifie fehr vortheilhaft auszeichnet. Won Arrowſmith 
erfchien feine frühere Karte der la Plataländer im Jahre 1834, ald 
Theil eines Atlas, dann eine zweite verbefiert und vermehrt im Jahre 
1839 unter dem Titel: The Provinces of la Plata, the Banda 
oriental d ‘| Uruguay and Chile chiefly from Ms. documents com- 
_ municated by Sir Woodbine Parish late Hr. M. Charg& d’aflaires 
at Buenos Ayres als Beilage zu Pariſh's Werk. Endlich erſchien erfl 
in diefem Jahre zu Paris eine neue große Karte der la Plataländer in 
2 Blättern als Carta esferica de la federacion Argentina y de las 
Republicas del Uruguay y del Paraguay por D. M. Cabrer. ©.) 

Grenzen und Größe. Die Republif Paraguay umfaßt in 
ihrem gegenwärtigen Umfange 26000 fpanifche Quadrat⸗Legua's und 
grenzt im Norden und Often an Brafilien, im Weften an Bolivia, im 
Süden an die argentinifche Republik. (Diefer Klächeninhalt kann ie 
doch bei der Unbeftimmtheit der Grenzen der Republik, die noch einen 
Theil der weſtlich vom Paraguanfluß gelegenen Landſchaft Gran Chaco 
und felbft des Gebietes der ehemaligen Miffionen zwifchen dem mittle 
ren Parana und dem oberen Uruguay in Anfpruch nimmt, nicht ein 
mal annähernd für genau gelten. Beſonders die im Norden waren 
immer wenig ficher, während die nach den übrigen drei Welttheilen 
ſtets ziemlich durch die beiden großen Flüffe, den Paraguay und Pr 
vana, beflimmt blieben. Die Grenzregulirungen von 1752 kamen naͤm— 
lich niemald vecht in Anwendung, und fpäter wurde feine andere von 
beiden betheiligten Staaten trog des Vertrages von St. Ildefonſo im 
Jahre 1777, der eine folche anoronete, vorgenommen, weil die frühe | 
ren portugiefifchen Regierungen und die fpätere brafilianifche nie Den 
ernftlihen Willen hatte, es zu einer definitiven Grenzregulivung kom— 
men zu lafien, wie Angelis in f. Coleccion I, Abfchn. 6, S. 2 und Azara 
Voyage I, ©. LVIII und ©. 4 angeben. In welcher merfwürbigen Um 
wiffenheit überhaupt früher beide Regierungen über den Umfang ihre 
füdamerifanifchen Lander waren, ergicbt der Umſtand, daß, als zur 





Paraguay nach neueren und älteren braftlinnifchen ꝛc. Quellen. 9 


Ausführung des Bertraged von Ildefonſo Azara mit einer Commifs 
fion fpanifher Offiziere nach den la Plataländern gefandt wurde, es 
fih ergab, daß die von den beiverfeitigen Unterhändlern zur Grenze 
Paraguay’d angenommenen Flüſſe Igudréi und Corrientes gar nicht 
da eriftirten, wohin man fie verlegt hatte (Angelis II, Abſchn. 5 ©. I 
und III; IV Abfchn. 2 ©. 7, endlich IV Abfchn. 5 ©. I, 14 — 16). So 
befteht heute noch Diefelbe Grenzunficherheit zwifchen Baraguay nnd Bra- 
fülien, wie feit 300 Jahren, indem erfted Land fortwährend An- 
ſprüche auf die brafilianifchen, am Ufer des Baraguanfluffed gelegenen 
Ortfchaften Nova Coimbra und Albuquerque macht (Fr. de Castel- 
nau Sxpedition dans les parties centrales de l’Amerique du Sud 
de Rio Janeiro 4 Lima et de Lima a Para. 6B. 8. Paris 1850. 
11, 413). Zu Rengger's Zeit bildeten die factifche nörbliche Grenze 
Paraguay’s zwei in der Sierra de Joſéè unter dem 21. bis 22. Grade 
ſüdl. Br. entfpringende Flüffe, namlich im Nordweften der in den Pa- 
raguay mündende Mbotetei, und im Nordoften der dem Parand zuge: 
hende HDaguarey, oder eigentlich Dayuarsi, d.h. Daguarfluß, da i 
in der in diefen Gegenden herrfchenden Guaranifprache fo viel als 
Waſſer oder Fluß beveutet. Nach den verfchiedenen Annahmen über 
Die Lage der Grenzen ändern ſich natürlich auch die Angaben über die 
Größe des Flächeninhalts bedeutend. Seht man den Aequatorialgrad 
zu 264 fpanifchen Legua’s, fo betragen die 26000 TIXegua’d 8330 
deutfhe IM , was mit einer neueren nordamerifanifchen Angabe in 
vem Bulletin of the Geogr. and Statistical Soc. I, 71 von 18000 
englifchen oder 8571 geogr. DM. ganz wohl übereinftimmt, während 
in neueren deutfchen ftatiftifchen Werfen die Schägungen mit refp. 
3800, 5000 oder 7000 geogr. IM. variiren ©.) 

Flüſſe. (Die Hydrographie des Inneren von Süd =-Amerifa ge: 
hört zu den interefianteften Theilen der phyſiſchen Geographie, indem 
fih in feinem Theile der Erde fo viele und zugleich fo lange, breite, 
tiefe und fo von allen Hinderniffen der Befahrung freie Ströme vor: 
finden, al8 hier, Ströme, deren Quellen zugleich fo nahe liegen, Daß 
oft nur Tragepläge von geringer Breite die Fluͤſſe von einander jchei- 
den. Treten doch unter anderen zwei der gewaltigften Ströme Süd— 
Amerifa’d, der Rio de la Plata und der Amazonenftrom einander fo 
nahe, daß ver Aguapehy, ein Zufluß des Jauru (Xauru) und da 


10 S. &. Kerſt und Gumprecht: 


duch auch des Rio de la Plata, und der Guapore, ein Zufluß des 
Madera, welcher feinerjeitö dem Amazonenftrome zugeht, bei Billa Bella, 
der Hauptfladt der brafilianifchen Provinz Mato Groffo, nur Durch einen 
Trageplag von 3 englifchen Meilen von einander getrennt find (Journ. of 
the Geogr. Soc. of Lond. II, 250; Quiroga bei Angelis IL Abſch. 5, 17). 
Wäre die Trennung nicht vorhanden, fo vermöchte man fogar AA Grade 
hindurch, nämlich von der Mündung des Rio de la Plata (35° fühl 
Br.) bis zu dem Ausfluffe des Orinoco (9° n.Br.) mit Schiffen von 
wenigftens 8— 10 Buß Tiefgang ohne Unterbrechung zu jeder Jahres 
zeit zu fahren !). Diefe überaus merfwürdigen bydrographifchen Ber 
hältniffe des centralen Süd »Amerifa waren befanntlich feit Auffindung 
der fchiffbaren Verbindung des Orinoco und Amazonenftromd mittelſt 
des Gafiquiari und Rio Negro durch Al. von Humboldt Gegenftand 
mannigfacher Unterfuchungen geworden, da durch die gehörige Benußung 
der großen Wafferflraßen unausbleiblich einft die Cultur in das cens 
trale Süd» Amerifa getragen werden wird. Befonderd von den Staa- 
ten am la Plata aus wurden um das Jahr 1830 häufigere Forſchun⸗ 
gen zu diefem Zwecke eingeleitet. Unter den Ergebnifien derſelben zeich⸗ 
net fich außer den S. 7 erwähnten Schriften befonderd noch ein im 
Jahre 1851 zu Buenos Ayres unter dem Titel: On the Hydrogra- 
phy of South America erfchienenes Pamphlet durch eine Fülle in 
terefianter Detail aus, ©.) 

(Der Baraguayftrom?) mit dem Parana, befanntlich der größte 


1) Hopfins S.18 ſchaͤtzt nach einem oberflächlichen Meberfchlage die Möglichkeit 
der durch feine natürlihen Verhältniſſe gehinderten Binnen: Flupfchifffahrt vom ber 
Mündung tes la Plata am GE Maria an auf 1000 englifche Meilen, und daß etwa 
3 Millionen Bewohner diefer Gegenden mit ihren Gin- und Ausfuhren davon abhän: 
gig feien ®. 

?) Der Name Paraguay iſt mannigfach gebeutet worden und fchwerlich ge: 
nügend zu erflären. Daß er ein zufammengefebtes, ans der in Süd: Amerika be: 
fonders früher außerorventlich verbreiteten Guaranifprache abgeleitetes Wort if, er: 
giebt ſich freilich leicht ans der großen Zahl der im ehemaligen und gegenwärtigen 
Önaranigebiet vorhandenen Namen von Gewäffern und Localitäten, in venen das 
Wort Para vorfommt. Ayara ( Descripcion I, 34) glaubte jedoch, daß Paraguay 
durch Gorruption aus Paiagnay entftanden fei, indem das Land bei Anfunft der Spa⸗ 
nier durch ein zum Theil noch in Reſten vorhandenes Volk diefes Namens bewohnt 
gewefen fei, eine Anficht, die Rengger deshalb für wenig wahrfcheinlich Hält, weil ſelbſt 
in ben älteften Documenten niemals Paiaguay, fondern ſtets Paraguay vorfomme 
(Reife 7). Andere, wie Gharlevoir (Histoire du Paraguay. Paris 1756. 1, 6) er- 


Paraguay nach neueren und älteren brafllianifchen sc. Quellen. 11 


der Republif, war zuerft im verfloffenen Jahrhundert Gegenftand 
gründlicherer Unterfuchungen des eben erwähnten Pater und Mathe: 
matifer Quiroga, welchen das fpanifche Gouvernement dazu beftimmt 
hatte, feinen Commiſſair Flores bei der beabfichtigten Feftftellung der por⸗ 
tugielifch = [panifchen Grenzen im Jahre 1752 als Aftronon zu beglei« 
ten. Die Refultate von Duiroga’d Beobachtungen benußte der fchon 
genannte Luis de la Cruz, und das von ihm bearbeitete Memoir nahm 
Ciriaco Morelli (Don Domingo Muriol) in feine lateinifche Ueber⸗ 
jegung von Eharlevoir’8 großem Werf auf, worauf ed weiter in Pe⸗ 
dro de Angelid, große Sammlung von älteren Documenten zur Gefchichte 
und Kunde der la Plataftaaten II, 5. Abjchnitt überging. Eine fpätere 
und nach Angelis ſehr genaue Aufnahme ded Stroms von Afuncion bie 
zu den Grenzen des Landes erfolgte im Jahre 1790 durch den fpanis 
hen Schiffscapitain Boneo und feinen Steuermann 3. de Paſos; den 
Bericht hierüber veröffentlichte Angelis IV, Abjchn. 8, S.1—58. ©.) 
Der majeftätifche Paraguay hat feinen Urfprung theild in der brafis 
lianiſchen Provinz Mato Groffo, theild in der bolivifchen Provinz 
Santa Cruz de la Sierra. (Diefe Angabe, fo weit fie Santa Eruz 
betrifft, ift wahrfcheinlich unrichtig nnd vielleicht nur in fo fern wahr, 
daß der obere Paraguay die Abflüfe des Xaraies bequem aufnimmt; 
bisher wurden die Duellen des Stroms nur in der erften Lands 
fhaft angenommen, wo fie an dem füblichen, gold- und biamanten- 
reihen AbHange einer großen, Hunderte von Legua's langen und von 
Often nach Welten ziehenden Gebirgsfette in etwa 13° fübl. Br. und 12° 
weitlih von Rio Janeiro liegen follten ( Quiroga ©. 1, Hopkins ©. 16). 
Ihre beftimmte Stelle war hier bis in die legten Jahre ziemlich unbes 
fannt, und erft Eaftelnau gelang es, bis zu ihnen zu dringen und eis 
nen genaueren Bericht darüber zu liefern (a. a. O. II, 304— 312). 


Hären den Namen durch gefrönter Fluß, weil der Fluß ans den großen Taraies⸗ 
Lagunen kaͤme, welches letzte nicht einmal richtig if, indem ſchon Azara Voyage I, 45 
ausdrücklich fagt: Quelques anciens ont cru, que ce lac (der Zaraied nämlich) erait 
la source du fleuve du Paraguay et c’est precisement le contraire. Mehr Wahr: 
ſcheinlichkeit hat vielleicht eine andere, von Rengger (Reife 4) mitgetheilte Berfion, 
wonach Paraguay, oder angeblich richtiger Paraguasi, foviel ale Waffer der Pas 
raquas heißt, iudem eine Bogelart, die Baraqua’s (Penelope oder Ortalida Para- 
qua), in Menge an den Ufern des Ylufies leben follen. ®. 


12 © ©. Kerſt und Gumpredt: 


Durch die große Zahl feiner Quellen nimmt dieſer Strom überaus 
raſch zu, fo daß er in feinem, beinah ftetS ſüdlich gerichteten und faft 
500 Legua’s langen Lauf bis zu feiner Vereinigungsftelle mit dem Ba; 
rana bei Eorrientes (27° 27' füdl. Br. und 319° 55’ öftl. 2. von 
Ferro nad) Quiroga) oder wenn man die Verlängerung im Rio de la 
Plata bis Buenos Ayres (35° füdl. Br.) Hinzuzieht,  jogar 19 Brei⸗ 
tengrade hindurch zu jeder Jahreszeit fahrbar ift, da nirgends Klippen 
oder andere Hinderniffe vorhanden find (Descripcion I, 35). Mit 
Sicherheit beginnt aber die Schiffbarkeit erft 50 oder 60 Legua's ober: 
halb der Einmündung (10°25’ ſüdl. Br. und 320° 10’ öſtl. X von 
Ferro) des aus der weitlich gelegenen bolivifchen Provinz Chiquitos 
fommenden Jaurü (Kauru), da der Strom bei diefer Einmündung fchon 
ſehr wafjerreich ift (Duiroga ©. 1), und fie ift mit Fahrzeugen von 8 
bis 10%. Tiefgang fogar aufwärts bis zum Jaurd ftatthaft. G.). Mits 
telft des Cuyaba, eines von Often fommenden Stromes, gelangt nıan 
ſodann mit Leichtigkeit in das Herz von Mato Groſſo und bis zur Stadt 
Euyaba felbft "), duch den von Weften kommenden Latiriquiqui oder 
Dtuquis in das Innere der boliviichen Capitanie Oliden ?), endlich 
durch den Pilcomayo und Bermeio, beides lange und fchiffbare Flüſſe, 
weit in die füblicheren bolivifchen Provinzen, fowie in die nordweſtli⸗ 
hen argentinifchen, d.h. nah Gran Ehaco, Ehugiuifaca und Tucu⸗ 


1) Cujaba liegt in 15° 30’ ſüdl. Br. entweder an dem Fluſſe diefes Namens 
nach Gaftelnau II, 283 und der Corografia brasilica (Rio Janeiro. 1817. I, 299) 
oder, wie Hopfins S. 16 anführt, am St. Lorenzo, einem Zufluffe tes Cuyaba. Ga 
ſtelnau, der diefe Stubt exit vor einigen Jahren fah, giebt ihr 7000 Ginwohner um 
fand fie mit breiten, gut gepflafterten und mit Rampen erleudyteten Giraßen, fowie 
mit geweißten, ein» bis zweiftödigen Häufern von europäifchem Auſehen verfchen. 
65 ift fomit unrichtig, wenn Hopfins derfelben 30000 Ginwohner beilegt, was and 
Herr Kerft für übertrieben erflärt. Die Corografia fehilvert Cuyabs nur als consi- 
deravel, populoza, florecente e abastada de carne, peixe e frutas. I, 299. &s if 
die Stadt nah Hopfins mit Agricultur: Gtabliffements umgeben, nnd ihre Bevölkerung 
befigt bedeutende Heerden eines Viehes von erſtaunlicher Größe nebſt Gold: und Dias 
mantgruben, fo baß fich hier alle Elemente des Wohlftandes vereinigt finden. ©. 

2) Diefe Sapitanie, auch wohl die Provinz Otuquis genannt, von 2500 Re: 
gua's Oberfläche heißt fo theils nach einem Don Dliven, welchem das bolivifche Gen: 
vernement biefelbe unter ber Bebingung, fie zu colonifiren und Preihäfen für Para 
guay anzulegen, überließ, theils nad) dem Otuquisfluß, von dem fie von Weften ber 
durchſtroͤmt wird. Der Otuquis ſelbſt entiteht ans der Vereinigung dreier Gewaͤſſer, 
eines nordweſtlichen, des Tucabaca, eines ſüdlicheren, des San Rafael, weicher ſich bei 


Paraguay nad) neueren und älteren brafllianifchen ıc. Quclien. 13 


man. (Durch alle diefe großen Zuftröme erhält der Paraguay für das 
centrale Süd -Amerifa eine außerordentliche Wichtigfeit, ja er biürfte 
durch feine Sciffbarfeit fogar der wichtigfte Strom der Erbe fein. 
Noch bedeutungsvoller wird derfelbe dadurch, daß die von ihm 
und feinen fhiffbaren Zuflüfien durchzogenen Landfchaften ungemein 
reich an NRaturproducten aller Art find, welche einft in den großen 
Strömen ihre beften Abzugscanäle finden werden. Beide Seiten des 
Paraguay find 3.2. bevedt mit Waldungen der fchönften und dauer- 
bafteften Holzarten, welche nach dem Urtheil des einfichtsvollen Azara 
dergeftalt fefter, dauerhafter und fpröder al8 die europäifchen find, daß 
ein daraus gebaute Fahrzeug eine dreifache Zeit ausdauert, ferner reich 
an für Aderbau und Viehweide gleich geeigneten Feldern und zugleich 
an Kalf- und Salzlagern, ja, da der Strom fein brafilifches Quellen» 
gebiet in einer gold» und Diamantenreichen Gebirgslandfchaft Hat, führt 
er felbft in feinem oberen Lauf beide Foftbare Mineralien. Bon fei- 
nem Wafjerreihthum kann man fi dadurch einen Begriff machen, 
daß er bei Corientes, an feiner Vereinigungsftele mit dem Barana, 
nah Azara's Berechnungen (Descripcion I, 36), 312223 cubifche 
Vara's (zu 0,429 Toifen) in jeder Stunde vorüberführt. Im Früh- 
jahre wird die Waflermenge noch viel bedeutender, da fie vom Fe 
bruar bis zum Juni durch die Ergüffe aus den Zaraieslagunen fort- 
während und überaus vegelmäßig zunimmt, bis der Strom zulegt bei 
Afuncion einen Waflerftand von 6 Klaftern über feinem normalen ers 


dem Ort Oliven mit dem Tucabaca vereinigt und zunächft den Otuquis bildet, und 
endlich eines noch füblicheren, des Latiriquiqui, welcher zulegt ven Otuquis verflärkt. 
Der untere Latiriquiqui fließt zwiſchen Salzfeen in einer fo wagerechten und niebri- 
gen Ebene, daß diefelbe 3 Monate des Jahres hindurch von dem benachbarten Para⸗ 
guay überſchwemmt und, wie es in Aegypten durch ven Nil gefchieht, von maſſenhaf⸗ 
ten Ablagerungen des fruchtbarften Schlamms befruchtet wird. Die Ebene des Lati⸗ 
riquiqui if aber nur eine Fortſetzung der unermeßlichen, gewöhnlich unter dem Ra- 
men der Großen Wüſte bekannten bolivifchen Landfchaft Gran Chaco. Zwiſchen 
dem Tacubaca und dem San Rafael liegt fobann die Santjago s Bergfette, worin die 
Jefniten einft Silber gegraben haben follen, und welche anfehnlich hoch fein muß, 
wenn es gegründet ift, daß die Atmofphäre auf ihr fo Falt if, wie zu Botofi in Ober: 
Bern. Den Borderrand des Tucabaca begleitet die Sunfas: Bergtette, worin die Je⸗ 
fuiten früher auch Gold» Bergban betrieben und deren Bewohner noch heute darin 
Gold finden. An die Sunfasfette fließt fih im Süden zunächft der Zug der Pan: 
taleonsberge an, welcher dem unteren Turabaca und dem unteren Otuquis bis zu des 
Iehten Bereinigung mit dem Latiriquiqui folgt. K. 





14 ©. &. Kerſt und Bumpredt: 


reicht. Das Land gleicht alsdann nach Eharlevoir I, 92 einem Meere. 
Etwas oberhalb feiner Bereinigung mit dem Parana ift der Fluß etwa 
drei Mal fo breit, als die Seine bei Reuilly (Page) ©.) — Der Ba: 
rana (einft Barana-guazü von den Eingeborenen genannt ') G.), der 
öftlichfte Grenzfluß der Republik, entfpringt in der brafilianifchen Bros 
vinz Goydz auf dem weftlichen gebirgigen Abhange des fchon der Küſte 
benachbarten Hochlanded von Brafilien, und zugleich norbweftlich von 
Rio Janeiro. (Indeſſen führt derfelbe feinen Namen nicht von feiner 
Quelle an, fondern erhält ihn erft, nachdem der aus Goyaz fommende Pa⸗ 
ranahyba und der aus Minas Geraed kommende Rio Grande (Coro- 
grafia brasilica I, 205), beides große Fluͤſſe, fich mit ihm vereinigt 
haben. Faſt fein ganzer, 17 Lüngengrabe betragenver Lauf folgt einer 
weftlichen und fühweftlichen Richtung, indem derfelbe in Gemeinfchaft mit 
dem Paraguay mehre hundert Meilen lang das Gebiet der Republif von 
3 Seiten umfchließen bilft. Beſonders der untere Theil des Stromes 
ift fehr wafjerreich, da während die Vreite bei Candelaria, wo der Ba 
rana ganz in eine weſtliche Richtung einlenft und Paraguay's Süds 
grenze bildet, im Mittel nur 943 Vara's beträgt, hat diefelbe Corrien⸗ 
te8 gegenüber fchon 3500 Vara's (Descripcion I, 38) erreicht. Gleich 
dem Paraguay ift der Parana, mit Ausnahme einer einzigen, verhält: 
nißmäßig furzen Stelle, in einem großen Theile feines Laufed und be 
fonders aufwärts bis zur Einmündung des Iguazu fchiffbar, da ein 
Heiner Fall an der Ita genannten Stelle (27° 27' 20” füdl. Br. und 
39° weft. 2.) fein weſentliches Hinderniß bildet (Descripcion I. 44; 
Voyage I, 80). Dagegen durchbricht derfelbe in feinem oberen Lauf 
unter 24°4'27” fübl.Br. nad) Azara (23° 40’ nad Hopfins) in 
einer 36 Legua's langen Schlucht eine aus der brafilianifchen Provinz 
St. Paul fommende und weftlich gegen die Gorbilleren gerichtete Berg⸗ 
fette, indem er darin den Salto grande, Salto de Canendiyu ?), nad) 


") Parans Guasu (über da6 Wort Guasu f. bie folgende Eeite) Ilmaban los 
aborigines al rio, que llevö por algun tiempo el nombre de Solis y despues el de 
Rio de Plata con que es conocido. Marure Memoria historica babre el Canal de 
Niearagua. Guatemala 1845, 1. — Paranaguazu, que quiere desir Rio, como 
Mar o Agua grande fagte ſchon der alte fpanifche Hiftorifer Gomara in f. Hi- 
steria general de las Indias. Zaragorga 1553. fol. 99, a. G. 

2) In der Corografia brasilica I, 205 wird der Fall Uruboͤ⸗Punga, wahr 
ſcheinlich nach einem Buaraniwort, genannt. G. 


Paraguay nach neueren und älteren brafilianifchen sc. Quellen. 15 


einem von den erften fpanifchen Eroberern in biefen Gegenden ange: 
teoffenen @azifen fo genannt, oder den Salto de Guairä, d. h. einen 
Waſſerfall bildet, welchen Azara zu den merfwürdigften Phänomenen 
ber Erbe rechnet, und den er nur mit dem Niagarafall glaubte vergleichen 
zu können (Descripcion I, 42 — 44), obwohl er diefem in der Höhe 
jehr nachſteht. Die fenfrechte Höhe beträgt nämlich nur etwa 60 
Bara’s, und der Fall findet überdies auf einer unter 50 Grad geneig- 
ten Ebene ftatt. Unmittelbar oberhalb der Schlucht hat der Parana 
eine Breite von 4900 Bara’d oder von 2100 Toifen, die fich in der 
Schlucht felbft auf 70 Bara’8 verringert, fo daß die ganze ungeheure 
Waſſermaſſe mit ſchreckenerregender Wuth und mit foldhem Donnerges 
töfe durch die Schlucht ftürzt, daB man den Lärm 6 Legua's weit hö- 
ten fann. Durch die Gewalt der Prefiung verwandelt fich zugleich eine 
große Menge Waſſer in Dunft, welches in einer Säule auffteigt und - 
zu einem reichlichen Regen Veranlaffung giebt. In der unmittelbaren 
Nahe der Stelle findet fich weder ein Vogel, noch ein vierfüßiges Thier. 
Wenn aber Hopfins (S. 15) die Bemerkung hinzufügt, daß ein lebender 
Weißer ſchwerlich je diefe außerordentlichen Fälle gejehen habe, fo ift 
dies wenigftend für das verfloffene Jahrhundert unrichtig, da nicht 
allein die duch Azara mitgetheilten Maße, die aftronomifche Angabe 
der Lage des Phänomens und die genaue Befchreibung des legten be- 
fimmt dafür fprechen, daß Azara’s Mittheilungen von wohl unterrichte- 
ten Weißen herrühren müffen, fondern weil Azara fogar mit beftimm- 
ten Worten fagt, man habe den Fall gemefien (Voyage I, 71), wos 
mit defien Aeußerung in der Descripcion I, A0: En las immediacio- 
nes del Salto hay proporcion para tomar las medidas g&ome- 
tricas, que se quiera vollfommen in Einflang if, da die Meſſung 
nad Woodbine Barifh (184) durch die Grenzeommiffion im Jahre 1783 
geſchah. Auch felbft unterhalb diefes großen Falls, deſſen Schilderung wir 
noch einmal bei dem Jefuiten Quevara (Angelis II, Abth. 2, ©. 50 — 
31) finden, beruhigt fih der Strom nicht fofort, indem er faft 100 engl. 
Meilen weit, oder bis zur Aufnahme des Euritubä oder Sguazlı ?) fort 


ı) Ignazu ober Jguafiu bedentet bei den Urbewohnern Brafiliens fo viel ale 
großes Waffer. Corografia br. I, 207. Daher kommt auch bas häufige Bor- 
fommen vefielben Wortes im fichtlih zufammengefeßten Namen von Flüſſen, 3. 2. 
in Ipanesguazu, Tebiquari⸗guazu, S. Iguaciosguazu, Biraisguazu, Parana-guazu 











16 ©. ©. Kerfi und Gumpredt: 


während Stromfchnellen bildet. Oberhalb und unterhalb des Falles 
gehen demfelben zahlreiche und große Fluͤſſe zu, wovon ber eben er; 
wähnte, von Often kommende Eurituba allein bedeutender fein fol, ald 
zwei der vereinigten größten Ströme Europa's (Azara D. I, 41)'). 
Da wo der Parana vor feiner Vereinigung mit dem Paraguay fih 
bei Itapua plöglic nach Weften wendet, nähert er fich dem oberen 
Lauf des Uruguay fo fehr, daß in neuerer Zeit bei den Bewohnern 
des Landes der Gedanke entftand, beide Fluͤſſe durch einen Canal zu 
verbinden. Zu dem Ende bildete ſich zu Corrientes im Jahre 1846 
eine Actiengefellfchaft, doch ift bis jegt der anal, der von dem we 
fentlichften Nutzen für die Verfehrsverhältniffe dieſer Gegenden fein 
müßte, nicht zu Stande gefommen. Durch die Aufnahme fo vice 
großen Ströme nimmt der Barana immer mehr an Bedeutung zu; am 
meiften ift Dies aber durch die Vereinigung mit dem Paraguay ber Fall, 
wodurch er, nad Azara’8 Verſicherung (Voy. I, 69), der Größe jogar 
von hundert der größten Europa's gleich werben fol. Dem vereinigten 
Strom, welcher von Gorrientes feinen Lauf nach Süden wendet, bleibt 
der Name Parana, da der Paraguay nur eine geringere Waſſer⸗ 
menge hinzuführt. Erſt von der Einmündung des Uruguay tritt be 
Fanntlih der Name Rio de la Plata bis zu dem Eintritt der unge 
heuern Waffermaffe in das Meer an die Stelle. Wegen ber außer 
orbentlichen Größe des PBarana fagen auch die Indianer von demfelben, 
er fei mächtig wie das Meer, ja Eharlevoir (1, 7) verfichert fogar, Pr 
rana ſelbſt heiße im Guarani Meer ?). In der That muß der Bar 
ferfpiegel des unteren PBarana, wenn er nach der Regenzeit weit um 
breit feine flachen Ufer uͤberſchwemmt, einem Meere gleichen. Bei Bus 
nos Ayres überdedt er nämlich alsdann, nach der Angabe eincd zu— 


(S. 14), die ſaͤmmtlich darauf Hinweifen, daß daſſelbe ein Wort von allgemeiner 
deutung bei ten Guarani iſt. G. 

!) Die Corografia I, 205 nennt dagegen den Cururuhy, einen aus Copa) 
kommenden Fluß, als einen der größeren Zuftröme des Parana, die fich unterhalb det 
Falles mit ihm vereinigen, dann weiter abwärts den Tieté und endlich den 8 
jeiner Mündung 4 Klaftern breiten Aguapehy als weitere Zugänge. G. 

2) Azara verſichert indeſſen ausdrücklich (D. 1, 37), obgleich er gewiß mit Me 
Guaraniſprache genau befannt war, daß er die Bedentung des Wortes Parans nidt 
wiſſe. G. 





Paraguay nach neueren und älteren brafllianifchen sc. Quellen. 17 


verläfligen Mannes, des Oberften Monafterios (in einem ftatiftifchen 
Aufſatze aus dem Jahre 1822 bei Woodbine Pariſh ©. 188) die 
gewaltige Strede von 4000 TI Legua’s, weil der Theil Brafiliens, worin 
er und feine Zuflüffe entfpringen, ein noch viel höheres Niveau hat, als 
das Uuellland des Paraguay. &.) Außer diefen beiden Hauptſtroͤ⸗ 
men befist Paraguay eine unzählige Reihe anderer Fluͤſſe, die meift 
dem Fluſſe dieſes Namens zugehen und im öftliheren Theile des Lan- 
des entipringen. inige find von nicht unbedeutender Größe, und 
viele Derfelben 10 — 50 Legua's aufwärts ſchiffbar (Hopfins ©. 18) 
G.). — Zu den in den Paraguay mündenden gehören folgende: 
Zuvörberft der nörblichfte derfelben, der Apa (Appo, ein indianifcher, 
nach Azara Voy. II, 102 von dem großen Stamme der Mbay&s gegebener 
Name) oder Eorrientes (der Spanier), welcher unterhalb des großen 
Rio Branco Sid» Brafiliens fließt und nach Einigen ftatt des Mbotetey 
(S. hier S.9) die nordweitliche Grenze bildet. ©.) in feinem Lauf vom 
Baraguay 30 Legua’s aufwärts fchiffbar ift und deſſen Ränder Wälder 
von Pernambukholz, Caranda, Morosimon (eine Art Eoaba) !), Guajac 
( Guayacan der Eingeborenen nad) Angelis II, Abfchn. 2, ©. 41; Palo 
santo oder Lignum sanctum, Guajacum officinale Linn. ©.) und an- 
deren gejchägten Holzarten bedecken. (Die Quelle diefes Stromes liegt 
dicht an der des Guatimi, eines Zufluffes des Parana, feine Mün- 
dung in 22° 2’ ſüdl. Br.; 2— 3 Legua's ſüdweſtlich vom Corrientes 
befindet fich der Galvanberg, Cerro de Galvan, der einzige Berg im 
weftlichen Paraguay. Quiroga ©. 5. G.) Südlich vom Apa folgt zu: 
nächft der Aquidavanigui (Aquidaban der Mbayas. Azara V. II, 
102. ©.) welcher fruchtbare Weidenländer durchzieht und die Territorien 
per Städte Concepcion und Salvador fcheidet. Auch die Ränder die⸗ 
fe8 von Quiroga nicht genannten Yluffes befleivden Wälder mit Roſen⸗ 
holz und anderen ſchätzbaren, meift aber nur in der Landesfprache be: 
fannten „Holzarten, da noch fein Botanifer Paraguay's Waldregionen 
ducchforfcht Hat. Hier trifft man auch den das befte hiefige Kautfchuf 
liefernde Mangaifibaum. Noch füblicher findet fih der Ipand (Ipane- 
guazlı Quiroga's. G.), der die Gerichtöfreife der Städte ©. Pedro und 


») Alle diefe Namen, ſowie die folgenden einheimifchen, finde ich nicht in Aza⸗ 
ra's Aufzählung der Waldbäume Paraguay's (D. I, 55— 78). ©. 
Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. IT. 2 


18 S. ©. Kerfi und Gumprecht. 


Eoncepcion fheidet, felbft von Bergen herabfommt und noch diejenigen 
Berge begleitet, worauf der befannte Paraguaythee, die Yerba de 
Mat6 der Eingeborenen (Ilex Paraguensis St. Hilaire) wädt '). 
— Der Jejui (Xerui) teilt Die Gebiete der Städte S. Pedro und 
Roſario, und ift mittelft des Aguarai bis in das Departement von Te: 
recani, 87 Legua’d von Affuncion, und ſodann mittelft des Gun: 
guati, eines anderen Binnenfluffes, bis zur Stadt St. Iſidoro fchif: 
bar. Sein audgevehnter Lauf führt durch die Theewaͤlder von Its 
rana, Rio Verde und ©. Pedro. (Nah Quiroga kommt der Jejui 
aus den Grasebenen des Ortes Curuguati (Azara D. I, 317), und feine 
Mündung liegt in 27° 7' ſüdl. Br. Er dient befonders zur Verſchif— 
fung der Mate, obwohl er nur fehwierig mit beladenen Barfen zu 
befahren ift. Schon der Aguarai hat die Breite der Seine und er bil: 
det unter 239 28’ ſüdl. Br. einen 384 Fuß hohen Wafferfall nach Azarı 








) Mate ifi nad) Azara (D. 1, 70) zugleich die einheintifche Benennung ber Mei: 
nen Galabaffe, worin die Theeblätter mit heißem Waſſer übergoffen werben. Di 
Guaraui's nennen die erfle Sorte des Thee Gas (Charlevoix I, 13). Der Baum, 
wovon die Blätter gefammelt werden, bat die Größe des Orangenbaums, wädt 
wild in den Wäldern längs der Heinen Zuflüffe des Uruguay, Parana und ben, 
welche dem Paraguay von Ofen her zugeben, vom 24. Grade fühl. Br. gegen Rer 
den hin (Deser. 1, 69; Voy. 1, 120). In Paraguay, deſſen Thee überhanpt höher ge 
[häßt wird, als der von Paranagna und der aus ben Miffionen kommende, fammel! 
man die Blätter befondere an den Abhängen des Maracayu, 60 — 80 Legua’s von 
Aftuncion, und es waren eben die Waldindianer des Mondai und Maracayı, 
von welchen nach Azara bie Spanier den Gebrauch des Krautes Fennen Iernten. DR 
Sefuiten hatten während ihrer Herrfchaft in dieſem Lande zum Schreden ber Indie 
ner regelmäßige Pflanzungen in den Umgebungen ihrer Stationen angelegt und 3we® 
gen die Gingeborenen zu der Arbeit in den Plantagen, da fie mit dem There einen 
ſehr umfaffenden und gewinnreichen Handel trieben. Um ſich das Monopol 
zu fihern, follen fie es verfucht Haben, fo wie die Tabadspächter es früher is 
Spanien, die Holländer mit den Gewürznelfen- Bäumen auf den Woluden ige: 
ten, die Pflanzen überall innerhalb des Bereichs ihrer Macht auszurotten Der &: 
winn, den fie davon zogen, war außerordentlich, da ſich der Gebrauch des There al: 
mälig über bald Güd-Amerifa verbreitet Halte, und man befien jährlidye Gonium 
tion ſchon damals auf 4 Millionen Arroben berechnete, der Preis der Arroba (I 
25 fpan. = 23 Pfd. Zollgewwicht) aber zuweilen ſechsunddreißig ſchwere Piaſter EU 
reicht Hatte. Ein älteres Werk: Essai sur le commerce des Jesuites, ſchlug begeht 
den Vortheil der Jefuiten von diefem Handel auf einige Millionen Piaſter an (de 
Pauw. D. U. I, 291). Nah Azara (Descripcion I, 70) betrug indeſſen bie Ant: 
fuhr aus Paraguay im Jahre 1726 nur 12500, und im Jahre 1798 and u 
50000 fan. Centner (zu 4 Arroben). G. 


Paraguay nach neueren und Alteren brafilianifcgen ıc. Quellen. 19 


Voyage I, 75. Unter dem 24° 3’ nimmt ferner der Paraguay den Euas 
repoti, und unter 24° 29’ den Ibobi auf. Nach ihm läßt Quiroga 
als Zufluß des Paraguay den Tobati folgen, welcher ſich noch durch 
den Gapiat& verftärkt und in der Aufzählung des Eco do Commer- 
cio ganz fehlt. G.) — Der Manduvird (Mandubira nah Azara 
D. II, 111, fehlt dagegen bei Quiroga), fcheidet das Gebiet der Stadt 
Rofario von dem Departement de los Altos und ift felbft in feinem Nes 
benfluß Iguagi, welcher die fruchtbaren Diftricte Aparipi, Meynumbi 
und Garaguati ( Euruguati? ©.) durchfließt, und wodurch Baus und 
andere Hölzer aus diefen Gegenden abwärts geflößt werden, fchiffbar. 
An beiden Ufern des Fluſſes findet man namlich ſehr reiche Waldun⸗ 
gen und eine bewundernswürdige Vegetation. (In feinem unteren Lauf 
ift der Manbuvira breit, wie die Donau, und ſchwer zu paſſiren. @leich 
dem Baraguay felbft überfchwenmt er bei feinem Anſchwellen weit und 
breit feine Umgebungen (Azara D. II, 111). ©.) — Der Salado, weldyer 
nur auf eine kurze Strede ſchiffbar ift, fallt nach ebenfalls Furzem Lauf 
in den Ipacarai⸗See, und wird dann erft von Wichtigfeit werden, wenn 
man die Heinen Fluͤſſe Yacaspora, Abbari und Yuquird, die ihre Ges 
wäfler dem Pirayu, welcher auch in den IparacaraisSee fallt, zu- 
führen, mit dem Salado durch ein Canalfoftem verbunden haben 
wird. Die Ausführung dieſes Projectes fol keine Schwierigkeiten fin⸗ 
den, und es beabfichtigten ſchon die Jeſuiten kurz vor ihrer Vertrei⸗ 
bung diefelbe. Die jegige Regierung will die Arbeiten wieder aufneh⸗ 
men, um dem fruchtbarften und bevölfertften Diftrict des Landes eine 
Waflercommunication zu verfchaffen. (Der Salado mündet zulegt in 
ven Baraguay, 7 Legua's oberhalb Aſſuncion (unter 25° 1’ ſüdl. Br. 
Quiroga ©. 6. &.). — Der Surubie (Suruvi Azara's) if auch nur 
auf eine kurze Strede von der Mündung aufwärts fehiffbar und wirb 
ebenfalls erft Beveutung erlangen, wenn ex durch Ganalifation mit ben 
Zuflüffen des Iperua verbunden fein wird. — Der Paraié ſcheidet 
die Diſtricte Villeta und Oliva, und ift wiederum nur auf eine 
kurze Steede von feiner Mündung jchiffbar. Durch einen anal dem 
SpoasSee und deſſen Zuflüffen zugeführt, würbe er die Probucte 
der Viehzucht aus jenen Gegenden leicht in den Handel bringen koͤn⸗ 
nen. — Der Tebicuari (oder Tihicuari) iſt der mächtigfte Binnen- - 
fluß der Nepublif, welcher das Innere des fünlichen Theils derſelben 
2 * 


20 ©. ©. Kerfi und Bumpredt: 


in einem fehr langgeftrediten Lauf faft vom Barana an durchzieht, für 
nicht fehr tief gehende Dampfboote 80 Legua's weit befahrbar ift, über. 
haupt eine leichte und bequeme Schifffahrt bis über Villa Rica hinaus 
darbietet und durch feinen Zufluß, den Biraporaru, eine Communication 
bis in den Diſtrict von Yuti eröffnet, von wo aus die reichen Pro- 
ducte der inneren Landftrihe der Republik verjchifft werden. Seine 
überaus fruchtbaren Ränder find in ihrer ganzen Länge did bevöllert 
Zehn Legua’s unterhalb der Mündung des Tebicuari, ſchon in der 
Kähe der PVereinigungsftelle des Barana und Paraguay liegt der Ort 
Pilar, der einen privilegirten Hafen für die Erporten Paraguay’s hat. 
(Der Tebicuari wurde fehon im Sahre 1785 Gegenftand einer Unter: 
fuchung Azara’s, fo wie in neuerer Zeit wieder von Hopfins, Doch nur 
von dem Erften haben wir einen vollftändigeren, durch Angelid mitge 
theilten Bericht über feine Beobachtungen erhalten, worin Azara na 
mentlich von dem Diſtrict Yuti angiebt, daß er an Viehheerden alla 
Art und an llex Paraguense fehr reich fei (Collecion II, Abfchn. 6. 
17, 20 u.|.w.). Bon dem Hafen Pilar, oder, wie er vollftändiger 
heißt, Billa del Bilar de Reembuch, berichtet in neuerer Zeit Bage ©. 9, 
daß e8 ein etwa 20 Legua’d vom Zufammenfluß des PBarand und Pa- 
raguay entfernter, elend gebauter Ort von ungefähr A00 Einwohnern 
fei; derfelbe war zu Francia's Zeit der einzige Ort des Landes, von dem 
aus eine Berbindung des lebten mit dem Auslande ftattfanp, und 
auch nach Francia's Tode befchrankte fein Nachfolger Lopez den aus 
wirtigen Berfehr auf diefen einzigen Ort, da Lopez, obwohl Mit 
glied wifienfchaftlicher europäifcher Gefellichaften, und namentlich ver 
berliner geographifchen, früher fo fern von allem Intereſſe für von 
Außen kommende Einflüffe war, daß er fremden Reifenden und For: 
fhern den Eintritt in Paraguay verfperrte und ganz feines Oheims 
Francia Beifpiel und Politik folgte, wie auch Caftelnau zu feinem Ber 
druſſe noch im Jahre 1849 zu erfahren Gelegenheit hatte. Biel we 
niger befannt und zugleich viel fürzer find die fammtlich dem Parana 
zugehenden Fluͤſſe des öftlihen Paraguay, ba über biefelben ſowohl 
das Eco do Commercio, als Hopfins, Azara und Quiroga gänzlich 
fhweigen, und wir von benfelben faum etwas anderes, als die Na 
men durch Arrowſmith's und Hopkins' Karten wiffen. Der nörb- 
lichſte, der zugleich die nordoͤſtliche Landesgrenze bildet, if der Ivineima 


Paraguay nach neueren und älteren brafilianifchen sc. Quellen. 21 


(Ivinheyma), ein großer, tief aus dem Innern Brafiliens fommender 
Fluß, der mit dem Yaguarey (©. hier ©. 9) Rengger's iventifch fein 
fol, während er nach der Corografia brasilica nur durch einen brafilia- 
nischen Yaguarey verftärkt wird. Ihm folgt nach einigen Heineren Gewäf: 
fern weiter im Süben der den Nordrand der fchon genannten Maracaylı- 
fette (Cordillera de Maracayıı ) begleitente Ignatimyfluß, welcher von 
Nordweſten ber den Efcupil aufnimmt, während den Sübrand derfelben 
Gebirgsfette der Yuguiry begrenzt (Woodbine Barijh). — Wendet fich erft 
der Unternehmungsgeift den inneren Theilen Sud -Amerifa’8 zu, und er: 
reicht Die europäifche Emigration diefe von der Natur in jeder Hinficht fo 
reich gefegneten Landfchaften, fo werben die reichen Producte derfelben 
fehr bald ihren Weg anf den mächtigen Strömen nach der Küfte fin- 
den, und zwar erhält dann nicht allein Paraguay in dem Paraguay: 
und Paranaftrom einen natürlichen Abzugsweg für feine überreichen 
Producte, fondern e8 dürfte dieſes Land auch durch die tief in das In- 
nere des Continentes reichenden Zuftröme beider genannten Fluͤſſe zum 
Stapelplag für die Waaren der entfernten bolivifchen, argentinifchen 
und brafilianifchen Landfchaften werden '); fo für die argentinifchen Lande 
Saltaı, Tucuman und Ehaco durch den weltlichen großen Zuftrom des 
Paraguay, den Pilcomayo, für die bolivifchen Staaten Tarija und 
Chuquiſaca ebenfalls durch den Pilcomayo, und auch noch durch 
den Jaurü, endlich für die brafilianifhen Provinzen Mato Groffo, 
Goyaz und Sao Paolo durch den oberen Lauf des Paraguay und 
Parana und ihrer Zugänge, während bis jegt die bolivifchen Pro⸗ 
vinzen Tarija und Chuquiſaca gezwungen waren, ihre Producte auf 
dem befchiwerlichen Landwege über die Anden und durch bie waflerlofe 
Atacamawüſte nach Cobija, dem einzigen Hafen Boliviens am ftillen 
Meere, zu verführen (Hopfins S. 33). Daher fcheint allerdings bei 
geregelteren politifchen und focialen Berhältniffen dem Paraguay in der 
Zufunft die Beftimmung zuzufallen, eine der wichtigften Hanbelöftra- 
Ben der Erde zu werden. Schon Irala, der Nachfolger des Entdeders 
von Paraguay, Seb. Eabot ein Mann hohen Geiſtes und energifchen 
Characters in der Art Aleranderd des Macedoniers, hatte den Ge: 


1) para (D. II, 177) fagt ſchon befiinnnt, daß die inneren Provinzen Chi⸗ 
quitos, Moxos, Santa Cruz und andere, ohne die Flußſchifffahrt nah Spanien 
(Europa müßte man jeßt fagen) immer arm bleiben würben. 


22 ©. ©. Kerſt und Bumpredt: 


danfen gehabt, ven Paranda und Paraguay zu einer großen Berbin- 
dungsſtraße zwiſchen dem damaligen inneren Peru und Spanien zu 
machen (Azara D. II, 158—159), eine Abficht, die durch den befchränfs 
ten Geift feiner Nachfolger, die Engherzigkeit der fpanifchen Politik als 
ler fpäteren Jahrhunderte und durch das verlegte Interefie des Hans 
delsftandes von Lima und Sevilla unterging, bis erft in der neueften 
Zeit Schritte eingeleitet wurden, Irala's großartige Pläne zur Aus 
führting zu bringen. Die Befahrung des Rio de la Plata und feiner 
Zuflüffe ift von einer folchen Lebensfrage für alle Nachbarländer deſſelben, 
daß Rofas Sperrung des unteren la Plata das faum glaublihe Schau⸗ 
fpiel hervorrief, Brafilien, Baraguay, Bolivia, Entre Rios, Corrientes 
und Uruguay zu einem Bündniffe zufammentreten zu fehen ‘). ©.) 
Klima. (Paraguay's Flimatifche Verhältniffe find ungemein gim- 
fig, indem es hier weder Fieber, noch diejenigen Leiden giebt, welche 
an anderen Orten der Wechfel der Jahreszeiten bringt; felbft epide 
mifche Krankheiten fehlen. Deshalb fagte fchon Azara nach feinen 
vieljährigen Erfahrungen (Descr. I, 16): Puede tenerse por certo, 
que no hay en el mundo paises mas sanos, was im Ganzen 
fiherlich richtig ift, obgleich das Capland, Natalien und Auftralien darin 
Paraguay und den la Plataftaaten kaum nachftehen möchten. Auffal 
lend bleibt e8 freilich, daß die großen Ueberſchwemmungen des Para 
guay ohne nachtheiligen Einfluß auf die Gefundheit der Anwohner de 
Stromes bleiben follten. Die Berichte Charlevoix's (I, 93) über bie 
häufigen Todesfälle unter den erften fpanifchen Anfömmlingen oberhalb 
Paraguay’s, zur Zeit als das Land das Anfehen eines Meeres hatte, ſchei⸗ 
nen Doch Ausnahmen zuzulaſſen. Indeſſen ift auch Page S. 10 ganz be 
geiftert von dem hiefigen Klima; er nennt es ausgezeichnet, mit den canz 
rischen Infeln vergleichbar ; die Luft fand er wolluſtathmend und den Him- 
mel ganz von der Reinheit des ionifchen. Die Temperatur ift im Durch 
ſchnitte In den drei Hiefigen Sommermonaten, December, Januar und Ze 
bruar bis 35° 5' €. Hoch, Doch machen reichliche Regengüffe und faſt conts 


') So groß find die Nusfichten bei Eröffnung eines freien Handels ax 
ben Klüffen des Binnenlandes, daß in einer der Königin von England fhon im 
Sabre 1845 überreichten Petition der nach Süd-Mmerifa handelnden Kaufleute gefagt 
wurde, daß wenn man bie Freiheit des Handels erzwänge, biefer ſich im wenigen 
Jahren zu der Höhe des oſtindiſchen erheben würbe (Hoptins ©. 40). G. 


Paraguay nad) neueren und älteren braftlianifchen ıc. Quellen. 28 


nuirliche Nords und Sübwinde diefelben erträglih. Nach Azara’s 
langjährigen Erfahrungen flieg das Thermometer zu Affuncion (25° 
16’ 40” füdl. Br.) in den gewöhnlichen Sommertagen auf 85° $. 
(29,2° E.), und in den heißeften Monaten auf 100°. Descripc. 
l, 12.) Derfelbe lernte Hier die Nordwinde zugleich mit den Oſtwinden, 
als die häufigften Fennen; dagegen behauptet er, daß die Stipwinde 
nur etwa den zwölften Theil des Jahres hindurch wehen. Bon den 
Südoftwinden verfichert er, daß fie in kurzer Zeit jede Wolfe vom 
Himmel wehen; endlich, daß man Weftwinde faum fennt, und daß fie 
niemal® 2 Stunden dauern, unzweifelhaft, weil die Andeskette deren 
Zuteitt hindert (I, 12). Ueber den Winter dieſer Gegenden fagt der 
brafilianifche Berichterftatter gar nichts, Dagegen wilfen wir durch Azara, 
dag zu Affuncdion das Thermometer bei Südwinden auf 45° (5° 6’ €.) 
fallt, ja in den außerorbentlidden Jahren 1786 und 1789 gefchah dies 
bis auf 33° oder faft bis auf den Geftierpunft. Doc fand Azara 
Buenos Ayres noch viel kälter, ald Paraguay. Auch Page ©. 10 beob: 
achtete in Paraguay im Juli Reif, und ihm zufolge fol der Suͤdwind 
zuweilen Schneefloden treiben, was Ajara nicht beobachtet zu haben 
feheint, da er wenigftens nicht davon fpricht "). In Diefelbe Zeit muß in 
PBaraguay der von Lebtem behauptete Wechfel des Laubes vieler Bäume 
fallen, wogegen nah Page die Bäume hier nie die Blätter verlieren, 
und die Wiefen ihre Blumen das ganze Jahr behalten. G.) Außer 
dem Regen und den Luftfpiegelungen find andere meteorifche Erſchei⸗ 
nungen in Paraguay faft unbefannt. (Dies ift nach den Erfah: 
rungen anderer Berichterftatter nicht richtig. Page verfichert ©. 10 
z. B., daß reichlicher Thau das Erdreich in angemefjener Keuchtigfeit 
erhält, endlich Azara 1, 15, daß die zu jeder Zeit, am meiften aber im 
Zrühlinge fallenden Regen von Bligen begleitet find, die zuweilen fogar 
ohne Unterbrechung auf einander folgen, jo daß der Himmel rein in Feuer 
zu ftehen fcheint. Beſonders bei von Nordweften fommenden Gewittern 
folten fich hier und in Buenos Ayres fogar zehn Mal mehr Blitzſtrah⸗ 
(en ereignen, als in Spanien, und Blig und Donner überhaupt hefti- 
ger in Baraguay, als in Buenos Ayres fein (D. 1,16). Bon der Iu- 


») Mur einmal feit Menfchengedenfen foll es in Buenos Ayres gefhneit ha⸗ 
ben (Azara I, 14). Kamine und Yeuerbeden find deshalb Hier und in Paraguay 
felten. ®. 


24 ©. ©. Kerfi und Gumprecht: 


tenfität des electrifchen Zuftandes der Atmofphäre fonnte man fich da- 
durch eine Vorftellung machen, daß ein Gewitter am 21. Januar 1793 
im Bereich von Buenos Ayres allein 19 Perfonen tödtete. Auch die 
hiefigen jährlichen Regenmengen find nad Azara's Dafürhalten viel 
anfehnlicher, ald in Spanien (I, 15). Eine Beranlaffung für alle 
diefe atmofphärifchen Zuftände vermochte der genannte Beobachter indeſ⸗ 
fen nicht in den Einflüffen hoher Gebirge zu finden, da dergleichen erfl 
Hunderte von Legua's von hier vorfommen. Von der Temperatur der 
Winde führt derfelbe endlich mit Grund an, daß die aus den tropi- 
fhen Regionen fommenden warm find, und daß dies fogar noch im 
Winter flattfinde, wogegen die von Süden iwehenden Kälte brächten. 
Auch Hagel fehlte nicht, obgleich er nicht fo Häufig wie in Spanien 
fl. Seine Körner erreichen zuweilen eine erftaunlidde Größe. Bei 
einem Ungewitter am 7. October 1789, 2 Legua's von Affuncion, be 
obachtete man vergleichen von bis 10 Zoll Durchmefler. ©.) 
Raturproducte. Ihre Zahl iſt ungemein groß, doch gilt die 
vorzugsweife von dem Pflanzenreih, da das Mineralreih im Ge 
gentheil fogar dürftig ausgeftattet ift. (Leider find die meiften wert 
vollen Pflanzen Paraguay's noch nicht wiffenfchaftlich unterfucht wor: 
den, indem das Rand außer Bonpland faft fein Botaniker betreten hat, 
und da auch diefes Forſchers Schäge, wovon er im Jahre 1832 bes 
reitö einen Theil nad) Paris gefandt hatte, nur zum kleinſten Theil 
Eigenthum der Wiffenfchaft geworden find, und alle ſeitdem geſammel⸗ 
ten botanifchen Erwerbungen deſſelben fi) in feinem in Süd - Amerika 
zurüdbehaltenen großen Herbarium befinden. ( Monatöberichte der Ber 
liner geogr. Geſellſch. N. F. VHI, 212.) Bei der ganz außerorbent- 
lichen Holzarmuth der ungeheuern, im Süden an den Paraguay anſtoßen⸗ 
den Ebenen, der Pampas der Banda Oriental, Entre Rios, Corrien- 
tes und der argentinifchen Republif, die ein vollkommenes Seitenfüd 
zu den end= und vollig baumlofen PBrairien am Mifftfippi und Mit 
fouri find, fonnten die vorhandenen Walbungen hier allerdings einen 
ganz anderen Werth haben, als in den tropifchen Theilen des Conti 
nents, wo dergleichen ein faft endlofes Ganze bilden. So bedecken faſt 
ununterbrochene Wälder voll der colofjalften Baume, die genügen wuͤr— 
den, Taufende von Dampfichiffen zu bauen, fände fi erſt das Be 
dürfniß dazu vor, den öftlichen und nörblichen Theil Paraguay's 





Paraguay nach neueren und älteren braftlianifchen ıc. Quellen. 25 


Doch nicht allein die Größe der Bäume und die Ausvehnung der Waͤl⸗ 
der, fondern auch die mannigfaltigen Eigenthümlichkeiten und die ins 
nere Güte, wodurch ſich das hiefige Holz vor dem durch die Vereinig- 
ten Staaten Nord Amerila’s, Braftliend und Rußlands in den Hans 
del gebrachten auszeichnet ?) verleihen den Wäldern ihren befonderen 
Werth. Wenigftend 60 Hölzer von jeder Art und Farbe und jedem 
Grade der Elafticität und Dauerhaftigfeit, die ald Bau- und Nubs 
hölzer und zu den feinften Tifchlerarbeiten tauglich find, hat man bes 
reits fennen gelernt. Hopfins (S. 30) fah 3.8. zu Buenos Ayres das 
Holz einer Bignoniacee, ded Yberaro oder Lapacho, welches vor 200 
Jahren zum Dachdecken benupgt worden war, noch fo gefund, daß es 
anfcheinend bis zum Ende der Welt feine Dienfte fortleiften Fönnte, 
Eins der dauerhafteften und fehönften Hölzer von gelber Grundfarbe 
mit fohwarzen, rothen und andersfarbigen Streifen, das zu koſtbaren 
Möbeln dient, liefert der Uruadeiiral, während man auch aus dem Timbo 
und Kandipa wegen der Feftigfeit ihres Holzes Geräthfchaften macht, 
und endlich dienen die Laurineen, der Apeterebi und die von der Liba⸗ 
nonceder verfchievene Hlefige ever zum Schiffobau, doch iſt das Holz 
der legten fehr hydroſcopiſch (Azara D. I, 65). Einige Hölzer find 
fo hart, daß fie eiferne Werkzeuge abnugen, und überaus dauerhaft, 
wie das rothe, unverwüftliche, nur grün zu verarbeitenve, zu Balken aber 
fehr taugliche des Urundey -pita (Azara Desc. I, 62), oder wie das des 
Seibo, welches im frifchen Zuftande zwar weich und ſchwammig, wie Korf, 
ift und fih wie ein Apfel ſchneiden läßt, getrodnet aber jo hart wird, 
daß Stahl es nicht angreift (Hopkins 30) ; andere Hölzer find fo ſchwer, daß 
fie im Waffer unterlinfen und äußerft fehwierig im gewöhnlichen Feuer 
brennen, bei intenfivem Luftzuge jedoch fo ftarfe Hige geben, daß dieſe faft 
der der Steinkohle gleichfommt. Bemerkenswerth ift ferner der fogenannte 
Milchbaum (Palo de lecho), den man eine vegetabilifche Kuh nennen 
tönnte (wahrfcheinlich eine Euphorbiacee), der Schlangenbaum (Palo 
oder Yerba de vivora: Quevara in Historia de Paraguay bei An- 
gelis 11, 74), defien Blätter als untrügliches Mittel gegen den Biß 


1) Schon Mara (D. 1, 61) fagt in der Hinfiht: Sin embargo hablando, in- 
general las maderas de Paraguay son mas compactas, solidas y vidriosas, que las 
in Europa; por lo menos cs csperimenta, que una embarcacion construida de cl- 
las dura triplicado tiempo. 


26 S. ©. Kerfi und Gumpredt: 


giftiger Schlangen gelten, endlich der fogenannte Trinferbaum (Palo 
de borracho) , welcher ein eigenthümliches Deftillationsproduct gerwährt. 
Befonders Häufig find gummi⸗ und harzreiche Bäume. So liefern die 
unterivvifchen Wurzeln eines Baumes ein natürliches Pech, namlich das 
Zcica, das fofort zum alfatern der Schiffe zu benugen ift ( Hopfins 
©. 29— 30); fo findet ſich hier der alle Wälder erfüllende Mangaiſy 
(S. 17), deſſen Kautfchuf Para faft monopolifirt Hat (Hopfins 
&.29), und der in Bara felbft den Namen Seringa führt; Dann der 
Palo santo, der fogenannte Weihrauchbaum (Incienso), welcher gerigt 
ein fehr gefchüßtes, in allen Kirchen Paraguay's und der Miffionen 
zum Räuchern benußtes Harz giebt, fowie der ſchon erwähnte Randipa, 
welcher durch Einfchnitte eine Subftanz liefert, die mit Branntwein übergofs 
fen und der Sonne ausgeſetzt, einen für feine Möbel und Hölzer tauglichen 
Firniß gewährt; endlich noch ein anderer Baum mit einem trefflichen Gum- 
mi Elemi. Bon einer der einheimifchen Cedern gewinnt man einen natürs 
lichen Leim, der einmal getrocknet weder von der Näfle, noch von Duͤrre 
affleirt wird (Hopfins S. 29). Zu den flüffigen Harzen gehört endlich 
der Copaivbalſam, der durch Einfchnitte gewonnene Achte Terpentin, fo 
wie der aus den immergrünen Blättern des in den Miflionen in großer 
Fülle vorfommenden Ayuaraibaibaums erhaltene, zur Heilung von Wun⸗ 
den mancherlei Art und verfchievenen Magenfrankheiten von den Lan 
desbewohnern benupte und ſehr geſchaͤtzte Aguaraibaibalſam, auch Bals 
fam der Miffionen genannt, über defien mebicinifche Wirkſamkeit jedoch 
bisher noch nichts veröffentlicht wurde. Zur fpanifchen Zeit ſtand ders 
felbe in ſolchem Ruf, daß jedes Miſſionsdorf mehr, ald 2 Pfund davon 
an die Königliche Hofapothefe zu Madrid fenden mußte. Zur Gewin- 
nung ded Balſams werden die Blätter zuvörderfi in Wein oder Waf- 
fer gekocht, worauf Die abgegofiene, biß zu einem gewiflen Grade wei⸗ 
ter gefochte Slüffigkeit den Balfam giebt. Rügliche Fruchtbäume feh- 
len eben fo wenig in ‘Baraguay’8 Wäldern. Dazu gehört der Mbarb 
mit zahlreichen fleifchigen, apfelartigen Brüchten, ferner der große Wäl- 
der bildende Curiys, eine Conifere von der Größe der norvifchen Ras 
delhölzer, mit zapfenartigen, fopfgroßen Srüchten, welche efbare Kerne, 
gleich der Pinie, von der Dide eines Fingers haben; die Indianer efs 
jen die Kerne geröftet viel, da fie dann fo gut und noch beffer ale 
Kaftanien ſchmecken, und reiben fie zu Mehl, woraus Kuchen angefer- 





Taraguay nach neueren und älteren braftlianifchen sc. Quellen. 27 


tigt werden (Azara Descer. I, 64— 65). Zu den anderweitig nuͤtz⸗ 
lihen Bäumen gehört endlich, außer dem ©. 18 erwähnten Paraguay⸗ 
Iheebaum, der Brechnußbaum (Strychnos nux vomica), der Geis 
fenbaum (Sapindus saponaria) u. a. (Hopfins 29). So erfcheint es 
völlig richtig, wenn Hopfind S. 30 behauptet, daß die hiefigen Wälder 
freiwillig alles liefern, was zum Nutzen, zur Behaglichfeit und zum 
Prunf erforderlich ift, von dem fchönen Baumwollenbaum an, der dem 
Menſchen die Kleidung giebt, bis zu den Farben, die feinen Sinnen 
jchmeicheln, von den Hölzern, welche zum Schiffs» und Häuferbau Dies 
nen oder feine Möbel zieren, bis zu den Kräutern, welche feine Kranf- 
beiten heilen oder bis zu den Harzen, die feine Geruchönerven erfreuen, 
®.) Inter den Intereffanteren wildwachſenden ftrauch- und krautarti⸗ 
gen Pflanzen finden fich namentlich viele Medicinals, Farbe und Frucht: 
pflanzen. Unter den erften find mehrere Arten den Botanifern bes 
reits befannt, 3.3. Saflaparille und eine Art Rhabarber. Bon den 
unzähligen Yarbepflanzen aller Arten liefern die Iburetima und die 
Caau eine fchöne blaue, dann der Pacohami eine rothe und der Can⸗ 
gai eine lebhafte rofarothe Farbe, die zwei hiefigen Indigoarten einen 
Sarbeftoff, welcher dem von Guatemala gleich ift; noch andere Ge⸗ 
wähle färben grün. (Endlich gehört hierher der fogenannte vegetabili- 
fche Zinnober. Hopfins ©. 28. ©.) !). Bon den unbefannteren Frucht 
pflanzen gewähren der Apepuͤ, Baraguata, Pacuri, Guabirä, Ivajai 
und der Guabirami das ganze Jahr hindurch Krüchte von ausgezeich- 
netem Geſchmack und delicater Gewürzhaftigfeit. (Nicht minder häufig 
find von den befannten tropifchen und fubtropifchen Gewächfen Die pes 
ruanifhe Cocoa (Erythroxylon peruvianum, in diefen Gegenden aud) 
wohl El arbol del hambre y de la sed, d.h. der Hunger- und 
Durftbaum genannt. Pariſh S.286), Bataten, Vanille, Ingber, Zuders 
rohr, Baummolle in 2 bi 3 Arten, die trefflich zur PBapierbereitung 
tauglich find, Tabad, Manioc, Reis, Mais, Many (Erdnuß, Ara- 
chis hypogaea), Weintrauben, Melonen, welche legte nad Azara 
(I, 85) jedoch nichts taugen follen, Pfirfichen, die Palma Christi (Ja- 
tropha Curcas), und endlich gedeihen Weizen, Gerfte und Bohnen. ©.) 


— — — — 


») Moͤglich, daß dieſer vegetabiliſche Zinnober dieſelbe Farbe iſt, we die 
Wurzel des Caacangey nad) Azara Voy. I, 124 liefert. 


28 ©. ©. Kerfi und Bumpredt: 


Für das erben der Häute bietet fih im Weberfluß der Eurupai und 
pie Rinde des ſchwarzen Lorbeers dar. Bei den rohrartigen Gerwächien 
zeichnen fih unter den 7 Bambusarten einige durch ungeheure Größe 
aus, indem fie die Höchften Bäume überragen oder fo did und feſt 
find, daß die einheimifche Bevölkerung fich ihrer im verfloffenen Jahr- 
hunderte als Kanonen im Kampfe gegen eine ſpaniſche und portugie- 
fifche Militairmacht bedienen fonnte (Azara D. I, 68). — Nicht min⸗ 
der reich ift die Thierwelt, von der die Vierfüßler und Vögel be 
reits im Laufe dieſes Sahrhunderts einen ausgezeichneten Darfteller 
in Azara gefunden hatten. Aus den niederen Thierflafien finden fi 
nach demſelben Berichterftatter zahlreiche Bienen in mehreren Arten, 
felbft ſolchen, die nicht flechen; von ihnen werden ungeheure Quanti⸗ 
täten Wachs gewonnen. Eben fo wenig fehlt die Cochenille. (Hop 
fing S. 28 — 29.) ©.). — Das Mineralreich ift noch nicht erforfcht, 
doch kennt man reiche Erzablagerungen, 3.B. die zu Caapucu, die 75pEt,, 
und die zu Ibicui, welde 22 pCt. Metall Ausbeute beim Verſchmel⸗ 
zen ergeben. Blei gewinnt man zu Ibitimi mit-32 pCt.; Zink liefert 
die Feine Eordillere mit 22 pCt., Silber daſſelbe Gebirge mit 4pCt. 
An den Miffionen findet man Quedfilber, bei Villa rica Borzellan- 
erde, Grunaten und bei Paraguari Kalffteine, die letzten außerdem noch 
am oberen Baraguay und in den Umgebungen von Jtapucumi. Salpe⸗ 
ter giebt es bei Villeta, reiche Salzlager in den Diftricten von Luque, 
Gapiata und an verfehiedenen Stellen der Ränder des Paraguayufers. 
(Azara enthält Descripcion 3.1, ©. 27 —33 über die Salze und 
Mineralien des Landes gar nichts Bemerkenswerthes, indeflen geht 
aus deſſen Angaben Hervor (11, 15, 175), daß zur Zeit der Ent- 
defung des Landes weder Einheimifche, noch Spanier hier edle Me 
tale Fannten. ©.) 

Bevölkerung. (Dieſelbe ift verhäͤltnißmäßig ſchwach und ihre 
Zahl, wie es fcheint, allen Gouvernements niemals genau befannt ge⸗ 
weien. Rengger und Longchamp ſchätzten viefelbe auf etwa 200000 
Köpfe; Azara gab fie zu feiner Zeit nur auf 97480 an (D. I, 330), und 
endlich feßte neuerdings der Amerikaner Blodgood fie gar auf 1200000, 
(Bull. of the Amer. Geogr. Soc. I, 66). Sie nennt ſich ſelbſt Para⸗ 
guayos und befteht theild aus Abköminlingen eingewanderter Spanier, 
theils aus reinen Ureinwohnern, größtentheils aber find es Mifchlinge, fo: 


Paraguay nach neueren und älteren braſilianiſchen ıc. Quellen. 29 


genannte Pardos, aus der Verbindung beider Racen, oder auch diefer 
wieder mit Regern. Zu Azara’d Zeit war nur die Bevölkerung der 
Hauptftadt Afuncion rein fpanifch zu nennen (Azara D. I, 299). Die 
Mifchungen find fo mannigfadh, daß, wie Hopfind (S.16) fagt, Blu- 
menbach jelbft bei der Aufgabe, diefelben zu entwirren, in Berlegen- 
heit gekommen fein würde, und doch hatten hier die höheren Klaffen 
ſtets mehr Rückſicht auf die Erhaltung der Reinheit ihres Bamilien- 
bluted genommen, als fonft in dem fpanifchen und portugiefijchen 
Amerika der Fall war. Es ift übrigens befannt, daß ſchon Irala 
die Verbindung feiner Waffengeführten mit den Töchtern der einhei- 
mifchen Häuptlinge beförverte, und daß er dadurch, wie Durch die Be⸗ 
gründung einer Art militairifcher Ariftofratie die fpanifche Herrichaft 
in Paraguay fo befeftigte, daß fie fih von hier erft nah den Küͤ⸗ 
fin und nad Buenos Ayres ausdehnte (Page ©. 16). Indeſ— 
fen waren die Verbindungen Feine regelmäßig eheliche, fondern meift 
Gonrubinate. Dadurch verminderten fich aber allerdings die reinen In- 
dianer, die fi) nach und nach in Spanier umwandelten, indem bie 
aus folchen Ehen entiprungenen Kinder zu Spaniern erklärt wurden 
(Azara D. 1, 294.) ©). Im Ganzen find die Paraguayos ein fanfter, 
verträglicher, geduldiger, verftändiger Denfchenfchlag, deflen männlicher 
Theil leicht zu vereinigen, zu bewaffnen, in Dieciplin zu erhalten und 
dahin zu führen ift, wohin man ihn haben will. Zugleich find dieſel⸗ 
ben ernft, feſt, beftändig, phlegmatifch, beharrlich zäh in ihren Vorſaͤtzen, 
einiylbig, Falt, und befigen ftatt des ftürmifchen, verwegenen und fie- 
berhaften Muthes, der Gefahren herausfordert und auffucht, eine ru⸗ 
bige Tapferkeit, welche Gefahren und Tod Faltblütig nahen fieht. Schon 
die ernften, Falten Gefichter geben den äußeren Ausdruck für den Eha- 
rafter der Paraguayod. (Einen wefentlichen Einfluß auf den früher 
ſchon fo verfchloffenen Charakter der Männer übte noch in neuerer Zeit 
das graufame und argmwöhnifche Regierungsſyſtem Francia's aus, 
unter dem ein Vierteljahrhundert lang Niemand feines Lebens, feiner Frei⸗ 
heit und feines Eigenthums ficher war (Hopfins ©. 20; Rengger und 
Longchamp S.201. ©.). Die Neigung zieht den Paraguayo fehr zum 
militaitifchen Xeben, und ald Soldat erträgt er mit Refignation die Muͤh—⸗ 
feligfeiten und Anftrengungen des Krieges. Wird er in feinen hart- 
näckig feftgehaltenen Vorſätzen gehemmt, fo ftirbt er eher, als daß er da- 





30 ©. ©. Kerſt mb Gumprecht: 


von zuruͤckweicht. Es ift überhaupt ſchwer, ihn aus feiner Vorſicht 
und Zurüdhaltung, die er gegen Jedermann beobachtet, Herauszuloden. 
Zu den guten Eigenfchaften des Paraguayer’d gehört noch, daß 
feine Familie, fein Vaterland, feine Freunde für ihn feine Welt bil 
den, doch ift er den Berführungen einer ungezügelten Leidenfchaft nicht 
unzugänglid. Das weibliche Gefchlecht ift fchön, reizend, liebenswür⸗ 
dig, verfchwenderifch in Aufmerffamfeiten und Berbinplichfeiten, fleißig 
und dergeftalt Hingebend, daß es fcheint, ald wende es fein Leben aus 
fhlieglich dazu an, ven Mann in feinem Leben alle Unannehmlichkei⸗ 
ten vergeflen zu machen. Riemand weiß es befier, dem Unglüdlichen 
Theilnahme zu bezeigen, al8 die Paraguaya. Mitleidig von Ratur, 
wendet fie ihre Tröftungen ſowohl dem Leidenden auf dem Kranfen 
bette, ald dem durch Unglüd Verfolgten zu. Bon Ratur geiftreidh und 
graziös verbreitet fie überall Freude um ſich ohne alle PBrätenfion und 
Geziertheit. Geehrt durch Erziehung und Grundſatz ift fie eine fie 
benswürdige Gattin und eine vortrefflihe Mutter. (Mit diefem gro 
en Lobe der Landesbewohner, das freilich von einem Paraguayer ſeilbſt 
herzuftammen fcheint, ſtimmen Azara (D. I, 293) und Hopfins (31) 
überein. Erfter verfichert 3. B., daß die Baraguayer die Bervohner von 
Buenos Ayres an Scharffinn, Ihätigfeit, Wuchs und Ebenmüßigfeit 
des Körperbaues übertreffen, da der günftige Einfluß, den die urfprüng- 
lihe Kreuzung der Racen zu Buenos Ayres ausübte, fih allmälig 
wieder durch die große Einwanderung europäifcher Männer und Weis 
ber, welche Berbindungen mit den Mefizen eingingen, verwiſcht 
habe. Dadurch wurde auch in den maritimen Theilen der jeßigen ars 
gentinifchen Republif die fpanifche die überwiegende Sprache, währen 
fich diefelbe in Paraguay nie zur herrfchenden erheben konnte, indem man 
bier ſchon früher das Guarani allgemein revete (Azara Descripcion 1, 
298; Voyage II, 106). Durch die vieljährige Abſperrung Bara- 
guay's durch Francia und Lopez wurde das Spanifche natürlich noch 
mehr verdrängt, und das Guarani fogar zur Gefchäftsfpracdhe erho⸗ 
ben. ©.) — Bon Standesunterfchieden wußte man ſchon zur ſpani⸗ 
ſchen Zeit in Paraguay nichts; alle fahen fich für gleih an und nur 
die Beamten fanden in der allgemeinen Achtung etwas höher. — ( Ueber 
die jeßigen Zuftände der wenigen uncivififirten Indianer ift gar nichts 
beftimmte® befannt. Die zur altfpanifchen Zeit vorhandenen Stämme, 


Paraguay nach neueren und älteren braftlianifchen sc. Quellen. 31 


civiliſirte und uncivilifirte, welche lebte den Namen Waldindianer 
(Indios silvestres) führten, wurden am vollftändigften durch Azara 
befchrieben (D. I, 142— 252), der lange unter ihnen gelebt hatte. 
Seine Schilderung, welche aber auch die Indianer im Gebiet der jebi- 
gen argentinifchen Republik begreift, zahlt 38 Nationen von verfchiedes 
nen Idiomen, wozu er im Welten der Pampas noch 6 Idiome glaubte 
rechnen zu können. Als die erften Spanier in diefe Gegenden famen, 
waren die Indianer nicht Hirten, da fie noch feine Hausthiere befa- 
Ben, fondern fie lebten in Heinen, beftimmten Localitäten in großer Noth 
von Jagd, Fifchfang und Aderbau. Epbare Früchte von fpontanen Ge⸗ 
wächjen hatten fie ebenfalls wenig. So feft hingen diefelben noch au 
Azara’d Zeit an ihren Sitten, Gewohnheiten und ihrer Kleidung, daß 
drei Jahrhunderte nicht zureichten, wejentliche Aenderungen darin her: 
vorzubringen, felöft wenn die Indianer in der Hauptitadt des Landes 
geboren waren und 50 Jahre mit den Spaniern gelebt hatten. Der 
verbreitetfte und zahlreichfte Theil derſelben waren einft und find wohl 
noch die Guarani’8, die ſich zur Zeit der Anfunft der Europäer in die 
fen Gegenden von der Küfte des Meeres bis zum Paraguay in oftmefts 
licher Richtung erſtreckten und anbererfeits faft vom 29. und 30. Grabe 
füdl. Br. durch den größten Theil Brafiliens bis Guiyana reichten, jedoch 
nicht al8 compacte Maſſe den Baraguay überfchritten. Nur einzelne Ab- 
theilungen derfelben wohnten noch im Welten des Stroms zerftreut unter 
anderen Völferfchaften, 3.8. der Chiriguanosftamm nördlich vom Pilco- 
mayofluß in der Landichaft Gran Chaco (Weddell bei Caſtelnau VI, 
144), oder die Garajos in der jest bolivifchen Provinz Chiquitos, 
Trotz diefer enormen Ausdehnung waren die Guarani’d die unfriege- 
rifchften Indianer, die ſich fofort von den Europäern unterjochen lies 
Ben, während es diefen nicht gelang, die übrigen nach und nach fo fehr 
reducirten Indianerflämme zu unterwerfen. Wegen der großen Berbrei- 
tung dieſes Volkes Hat fich auch defien Sprache, wie erwähnt, als herr- 
fehende der Bevoͤlkerung nicht allein in Paraguay, fondern auch in 
dem größten Theil des erwähnten großen Landftrich8 erhalten (Azara 
D. I, 178— 188). Bon den übrigen Indianernationen unterwarf fich 
mur ein Heiner Theil der Payagud’d, die vorzugsmweife die Schifffahrt 
auf dem Paraguay betreiben und diefem Strom angeblich den Namen ge: 
geben haben (©. hier 10). Sie haben fih in Aſſuncion angefievelt 





32 S. ©. Kerft und Gumprecht: 


(Azara D. I, 217). Biel mehr tritt die aus Schwarzen beſtehende 
Bevölferung zurüd. In den Jahren 1782 — 1793 ergab die Bevöl 
ferungslifte fchon je 5 Weiße auf einen Neger und Mulatten; gleich 
zeitig verhielten fich die Schwarzen und Mulatten»Sclaven zu ben 
freien Negern und Mulatten wie 174:100, woraus folgt, daß zur 
altipanifchen Zeit bereitö die Zahl der Neger verhältnißmäßig unbe: 
deutend war, und daß fich auch darin der gute Charakter der herr⸗ 
fchenden Race zeigte, daß die Neger leicht aus der Kategorie der Scla⸗ 


ven hinaustraten. Seitdem hat die Einfuhr von Regern ganz aufge: 


hört, und der ſchwarze Theil der Bevölkerung bat fi) dadurch natuͤr⸗ 
lich fehr vermindert. ©.) 

Religion. Die Religion des Landes ift die Fatholifche; die Aus- 
übung eines anderen Eultus in oftenfiver Weife ift nicht geftattet, aber 
Niemand wird feines abweichenden Glaubens wegen behelligt. Die Be 
bürfniffe der Kirche werden aus dem Zehnten beftritten. Es befteht 
ein erft im Jahre 1847 gegründetes Bisthum. (Kloͤſter eriftiren faft 
nicht mehr, da fie fchon duch Francia aufgehoben und die Mönche fücus 
larifirt worden waren (Rengger und Longchamp ©. 257 — 258. ©.) 

Berfaffung. (Paraguay hatte bisher das Schidfal, einer der 
abgefchlofienften Staaten der Erde zu fein. Die mehr als hundert 
jährige Sefuitenherrfchaft, die darauf folgende der Spanier, die lange 
Verwaltung Francia’8 und felbft die feines Nachfolgers Lopez, welcher 
erft Durch das Decret vom 20. Mai 1845 das Land den Fremden, 
aber, wie es fcheint, nur auf dem Strommege öffnete, verftärften 
durch gewaltfame Maßregeln die natürliche, aus der Lage hervorge: 
hende Abdgejchloffenheit des Landes, indem fie den Verkehr der Bevot: 
ferung mit dem Auslande unterjagten oder wenigftens fo erjchiwerten, 
dag Paraguay nicht ohne Grund oft das amerifanifche Japan oder 
Ehina genannt worden ift. Fremde, denen Francia den Eintritt in 
Paraguay befanntlich gänzlich verboten hatte, erhielten felbft unter Lo- 
pez nur ſehr ſchwierig die Erlaubniß dazu, und auch darin ahmte 
dieſer bis vor Kurzem die Politif feines Vorgängers nad), daß er ven 
Poftverfehr möglichft beſchraͤnkte. Hatte ſchon Francia die Briefpoft 
mit dem Auslande faft völlig aufgehoben und fie nur für die Staats 
eorrejpondenz unterhalten (Rengger u. Longchamp ©. 209), fo geftattete 
Lopez ebenfalls nur ein Mal im Monat eine regelmäßige Verbindung mit 





Paraguay nach neueren und älteren brafllianifchen ac. Quellen. 33 


dem Auslande, indem eine Art Poft unter Leitung eines Indianers 
von San Borja am Uruguay nach Candelaria ging (Hopkins ©. 25). 
Bei der daraus folgenden Unbefanntfchaft mit fremden Ländern und 
Einrihtungen war der Baraguayo von den Zuftänden des feinigen fo 
eingenommen, und e8 hat fich dadurch bei ihm ein folcher Sinn von 
Untenvürfigkeit gegen die Machthabenden und ein ſolcher Nationalfinn 
ausgebildet, daß in Süd⸗Amerika fchwerlich noch ein Beifpiel der Art 
fi) vorfinden möchte. ©.) Der PBaraguayo gehorcht und refpectirt 
gern feine Mitbürger in höheren Stellungen, die Verwaltungschefs 
und Richter, die freilich einfach, anfpruch8los, im Allgemeinen uneigens 
nüßig, vol Vertrauen in ſich felbit und gewinnend, endlich fern von 
Beftredungen find, eine Herrfchaft auszuüben. Die Männer vom Krieges 
handwerk haben ebenfalls nicht, wie dies in den meiften anderen fübame- 
tifanischen Staaten flattfindet, die für die öffentliche Ordnung unglüd- 
liche Reigung, Regierungen eins und abzufegen, ohne ihre Mitbürger 
zu befragen, weshalb auch hier alle Beifpiele von MilitairsRevo- 
Intionen fehlen, woran die übrigen, von der fpanifchen Regierung 
abgefallenen amerifanifchen Länder fo reich find. Vielmehr beriefen Die 
Militairhiupter nach Francia's Tode im Jahre 1842 einen Congreß 
von 400 Bürgen aus dem Stande der Grundbefiger, um durch fie 
die Form ihrer Regierung beftimmen zu laffen. Deshalb finden wir 
in Paraguay eine freudige Unterwerfung unter die National» Autoris 
tät, fogar bis zu dem Grade, daß der Gehorſam als eine vollftändige 
Berläugnung des Individuums angefehen werden fann, aber zugleich 
find die Landesbewohner ungeachtet ihres fonftigen Phlegma's fehr em: 
pfänglich und delicat gegen Alles, was den Anfchein einer fremden 
Oberherrſchaft oder Weberlegenheit verräth, ja die Nationalitätsidee ift 
bei ihnen fo feſt gewurzelt, daß fie fih bis zum Fanatismus gefteigert 
hat. Eine fefte Verfaffung, welche der früheren Willkuͤr der Landes» 
regenten Grenzen zu feßen fuchte, beſteht indeſſen exft feit dem 13. März 
1844. Sie ging aus den Berathungen eines dem eben erwähnten 
folgenden zweiten Congreſſes hervor, und gab der öffentlichen Macht Re: 
gelmäßigfeit, theilte fie, beftimmte und begrenzte die Attributionen ver 
einzelnen Gewalten, concentrirte die Erecutivgewalt in einem Präfiden- 
ten und begründete die Freiheitd- und Rechtsprincipien des Staates. 
Die Einführung von Sclaven, die fehon feit fehr langer Zeit factifch 
Beitfchr. f. allg. Erdkunde. Bp. II. 3 











34 -©. ©. Kerft und Gumprecht: 


aufgehört hatte, wurde durch dieſe Verfaffung fogar gänzlich verboten 
und alle von Sclaven Geborene find nun für frei erflärt. ( Zum Praͤſiden⸗ 
ten erwählte man Francia's Neffen, Don Carlos Antonio Lopez, der fi 
bisher in derfelben Stellung erhalten hat. Es ift Died ein um fo be 
merfenswertherer Mann, ald er, ohne je die Grenzen feiner Heimath 
verlaffen zu haben, mit großer Einficht, Milde und auch Feſtigkeit, des 
ren Geſchicke bisher geleitet hat. Stets hat fich derfelbe des willfür: 
lichen Blutvergießensd enthalten, vielmehr durch weiſe Geſehe Handel 
und Aderbau geförbert und nad) Hopkins Zeugniß (S. 31) troß fei- 
ner Iſolirtheit von der übrigen Welt die Zuftände des Landes in nicht 
gewöhnlichem Grade reformirt und in die Höhe gebracht. Selbft die 
ganze Gonftitution in ihrem bürgerlichen, politifchen und religiöfen Theil 
war wefentlich fein Werk, fowie auch unter feiner Verwaltung perfön- 
liche Breiheit und Yreiheit des Eigenthums ſtets im Bereich Para- 
guay’8 geherricht hat. Was noch zu thun ift, fieht der Präfident wohl 
ein, aber zugleich ift ihm Far bewußt, daß Dies nur langſam gefche 
ben kann, und daß zu rafchen BVerbefferungen die gehörige Grundlage 
fehlen dürfte ( Hopfins S.31). Die Nationalverfammlung (Congreß) 
tritt gefeglich alle 5 Jahre zufammen; in der Ziwifchenzeit regiert ber 
Präfivent allein ohne Kabine. In befonderen Fällen hat dieſer ei- 
nen Staatsrat, beftehend aus 2 Oberrichtern, dem Bifchof und 3 am 
gejehenen Bürgern zufammenzuberufen. Außer dem Grundgeſetze des 
Staated wurden feit 1845 noch mehrere wichtige Einrichtungen getrof- 
fen und Geſetze erlafien, da Francia die älteren jpanifchen Einrichtuns 
gen zwar abgefchafft, aber nichts neues an die Stelle gefeht hatte. Seo 
wurden Gefege über die Miliz, die Erwerbung des Bürgerrechts, den 
Schuß der Fremden erlaffen und das dem frangöftfchen Code de com- 
merce nachgebildete fpanifche Handelsgefehbuch von 1829 in allen ſei 
nen Beftimmungen eingeführt. Die Städte und die wichtigeren De: 
partements haben zu Vorftänden einen Militair- Commandanten, einen 
geroöhnlichen Eorregidor, einen Frievensrichter und Auffeher (zelado- 
res). Ein wichtiger Schritt in der Befefligung der Zuftände des 
Staates iſt die endlich im Jahre 1852, nad Roſa's Entfernung 
aus Buenos Ayres, erfolgte Anerkennung Paraguay's als unab 
hängiger Staat durch die argentinifche Republik, die nordamerifanifchen 
Freiſtaaten und das Kaiſerthum Brafilien, obwohl die Regierung 


Paraguay nad) neueren und älteren braffianijchen ac. Quellen. 35 


jchon früher im Jahre 1842 einen Verſuch gemacht hatte, fich die An⸗ 
erfennung Seitens RordsAmerifa’s zu erringen, was aber von deſſen 
Gouvernement vernacdhläfligt wurde (Hopkins ©. 21, 39). ©.) 

Geſetzgebung und Redtsverwaltung Die Rechtöver- 
waltung ift fo einfach, als fie bei einem Volk mit fo wenig complicir: 
ten bürgerlichen Beziehungen nur fein kann, wird fich aber weiter 
entivideln, wenn die nationale Thätigfeit an Umfang gewinnt; für jetzt 
genügt fie, die gefeglihe Orbnung aufrecht zu erhalten, und daß der 
etwaigen Herrfchaft der Gewalt und Wilfür durch Anwendımg des 
Geſetzes Zügel angelegt werde. Es giebt Richter verfchievener Grade, 
Gorregidoren und Friedensrichter, wovon die erften zugleih mit an 
der Spite der Juftigverwaltung in den größeren Diftricten und Städten 
fliehen. (Daß das fpanische Handelsgeſetzbuch vollitundig Gefepeökraft 
erlangt hat, war fo eben erwähnt. ©.) 

Bewaffnete Macht. Das Heer des Landes befteht aus res 
gelmäßigen Truppen, fodann aus fogenannten National» und Auriliar: 
truppen, einer Art Landwehr im preußiichen Sinn, endlich aus der Res 
jerve, die ihrerfeitd dem preußifchen Landſturm entſpricht. Es ift re 
gelmäßig gekleidet und hat hinlaͤngliches Material, ſich Achtung zu ers 
halten. Rur die Artillerie befindet fich nicht in fonderlichen Umftänden, ob» 
wohl fie, gleich der Flußmarine, in der leuten Zeit durch brufilianifche 
Offiziere verbefiert wurde. Die Inftruction der Infanterie und Cavalle⸗ 
tie iſt dagegen vortheilhaft vorgefchritten. Die Necrutirung des Hee⸗ 
res gefchieht fehleunig und leicht. Im jedem Diftrict des flachen Lan- 
des (Partido) giebt ed einen Bauernchef, der eine Lifte aller junger 
Männer zwifchen 18 — 30 Jahren zu halten hat. Verlangt die Re: 
gierung eine Anzahl Reeruten, fo bezeichnet der Bauernchef Diejeni: 
gen, welche zu erfcheinen haben, befiehlt, daß fie an einem beftimmten 
Ort ſich verfammeln follen und beordert fie zur Armee. An dem feft- 
geftellten Tage fehlt gewiß Niemand; jeder hat ſich mit dem Nöthigen 
für den Marſch verfehen, und geführt von einem Sergeanten ihrer 
Bauernfchaft begeben fich die Soldaten nach dem Depot. Keiner ſucht 
fih dem Dienft zu entziehen, verbirgt fich oder defertirt. Iſt einer der 
Eonferibirten im Augenblid der Aufforderung abwefend und erhält er 
die Aufforderung, fo ift man ficher, daß er fich fofort nachträglich zum 
Dienſt ftellt. In dieſer Weiſe wurden feit 1836 zu verſchiedenen Zei⸗ 

3* 


36 ©. ©. Kerfi und Gumpredt: 


ten und in verfchievenen Snftructionspepots mehr ald 30000 Mann 
aller MWaffengaftungen vereinigt, die, nachdem fie inftruirt und disci⸗ 
plinirt waren, fih nach ihrem heimifchen Heerde zurüfbegaben, um 
durch neue Recruten erfeht zu werben. 

Finanzen. Die Einkünfte reduciren fi) auf die Zolleinnahmen 
für Ein- und Ausfuhr und einige andere regelmäßige Zollgefälle, Ab- 
gaben vom Verkauf von Heerden, Häuten und anderen Probucten, 
Orundfteuern, Stempel, Zehnten und dem Berfauf des Paraguaythees, 
der Staatsmonopol if. Sie genügen, um alle Staatsbevürfniffe zu 
befriedigen. Paraguay iſt mit Bolivia der einzige Staat Suͤd⸗Ame⸗ 
rika's, der feine Schulden im Auslande hat. 

Unterrichtswefen. Für Künfte und Wiſſenſchaften hat der 
Baraguayo Anlagen und viel Neigung. Fuͤr Rechnung des Staates 
wurden in allen Hauptorten des Departements Elementarfchulen ers 
richtet, unterhalten und mit allen für den Unterricht nöthigen Gegen: 
fländen ausgerüftet. Die Unterbrüdung einer Anzahl von Capellanien, 
welche nicht auf höhere Titel gegründet waren, lieferten in ihren bi6s 
her todten Bapitalien die Mittel zur Errichtung diefer Schulen. Dur 
diefen ausgedehnten Schulunterricht ift es jet felten, einen Paraguano 
anzutreffen, der nicht lefen und fchreiben Fönnte, doch ift die moralis 
ſche und religiöfe Erziehung beſonders empfohlen. In der wifienfchaft: 
lichen Akademie des Landes befteht ein Lehrftuhl für Philofophie und 
ein anderer für lateinifche Sprache. In einer von Dr. Juan Pedro 
Efcalada im Jahre 1816 errichteten Privatfchule werden die Elemente 
der Mathematif, Geographie, des Lateinifchen und Yranzöfifchen ge 
lehrt. 

SInduftrie, Aderban und Handel. Jene erfte befindet fich noch 
auf einer niedrigen Stufe. Man fpinnt und webt die Baumwolle (die 
freilich nur mittelft der Spindel gefponnen wird. G.) in hinreichender 
Menge für den Bedarf und liefert Außerft feine Baummwollenzeuge mit 
geſchmackvollen Defieins, Tafelveden, reiche Wolldecken und Hangemat- 
ten, welche fämmtlich jehr gefchägt werden, obwohl man den Saamen 
der Baummolle nur mit der Hand ablöft, und der Weber fein ganzes 
Geräth auf einem Mauleſel bei fich führt und feinen Webeftuhl an 
einen Baumaft oder in dem Winkel einer Mauer aufhängt. Aus Wolle 
macht man Ponchos, welche zum Bekleiven der Armee hinreichen und bie 


Paraguay nach neueren und älteren brafllianifchen sc. Quellen. 37 


jonft auch jeder Hirt und Tagelöhner fich anfchafft. Ebenfo verfertigt 
man noch andere Deden, Tücher, Hüte und jede Sorte von Eifenge- 
räthen, felbft chirurgifche Inftrumente, Gervehre und Karabiner. Am 
meiften vorgejchritten find in ihren Arbeiten die Goldſchmiede. Huch weiß 
man den Zuder zu raffiniren und Wein, Liqueur und eingemachte Süs 
Bigfeiten darzuftellen. (Doch kocht man den Zuderfaft noch immer in 
irdenen Zöpfen ab; vielleicht das einzige Haus in Paraguay, welches 
dazu fupferne Kefjel Hat, ift das, weichem vie Frau Praͤſidentin der 
Republik vorfteht. Die biefige Zudermühle ift ebenfalls nur ein durch 
Ochſen bewegtes Stüd Holz. Bretter zerfchneidet man mit der Hand; 
das Getreide zerftößt man mit einem Mörfer; der Neid wird auf dies 
jelbe Weife enthülft; die Gerberrinde zermalmt man mit einem Stein, 
welcher auf einer Holgplatte rollt, und doch hat die waldreiche Umge⸗ 
bung Affuncion’d Quellen und Bäche im Weberfluß, fo daß Mafchinen 
jeder Art fich leicht würden durch Waſſer betreiben lafien. Bage ©. 11. ©.) 
Bei der Fruchtbarkeit des reichen Landes, welches jeded Product in 
großen Maflen erzeugen und ausführen könnte, werden biefe Erzeug⸗ 
niſſe erft dann gewürdigt werden, wenn neue Bebürfniffe und Ge: 
nüfle die Bewohner zur Thätigfeit nnd zum Gewinn anfpornen. Bis 
jest betrachtet 3. B. dort Niemand den Aderbau ald gemwinnreichke 
Induſtrie oder als Grundlage eines foliden Reichthums; man pflanzt 
nur für den eigenen Bedarf und die Erhaltung der eigenen Familie. 
Ungeachtet ded Mangels ernfter Anftrengungen iſt jedoch der Reich 
thum an Raturproducten, womit Paraguay gefegnet ift, fehr wohl be- 
fannt. Die Qualität des Tabads könnte fehr wohl durch befferen Ans 
bau und größere auf die Behandlung des Krauted verwandte Sorgfalt 
wefentlich verbefiert werben, da berfelbe bereitS dem Havannatabad 
ziemlich gleich fommt. Auch die Baumwolle genügt allen Anforberun- 
gen des Fabrifanten durch Breite, feine und Doch ftarfe Faſern. Roch 
hat fich aber die Production verfelben nur auf. den einheimifchen Be: 
darf befchränft. (Bei der verhältnigmäßig geringen Entwidelung ber 
Induſtrie find die Aderbaugeräthfchaften begreiflicherweife ſehr unvoll: 
fommen, ja vielleicht die primitivften auf Erden. Ein zugefpigter Pfahl 
dient ald Pflug, und ein Knochen vertritt die Stelle einer Hade oder eines 
Spaten, Ihre Gehege verfchließen die Paraguayer mit einem auf zwei 
gabelförmigen Holzftüden ruhenden Palınflanm. Page ©. 11. ©.) — 








38 : © G. Kerſt und Gumprecht: 


Der Handel befchäftigte im Beginn dieſes Jahrhunderts ein Capital von 
14 Millionen Peſos (7 Mill. Azara D. I, 290. ©.) und 150 Fahrzeuge. 
Die Hauptausfuhren waren Baraguapthee, womit ein großer Theil des 
fpanifchen Süd⸗Amerika's verforgt wurde, und Hol. An die Ausfuhr 
anderer Grzeugnifie wurde damals nicht gedacht. (Auch fpäter nad 
der Unabhängigfeitserflärung, blieb der Verfehr mit dem Auslande febr 
befchränft, da Francia denfelben, wie erwahnt, fehr verhinderte und jpäter 
noch Roſas in Buenos Ayres bie zu feinem Yall im Jahre 1852 Pie 
Handelöbewegung auf dem Rio de la Plata auf alle mögliche Weile 
hemmte. So geftattete Francia und fein Nachfolger feinem argentini- 
ſchen Schiffe über Eorrientes hinaus den Paraguay aufwärts zu fahs 
ren, und umgefehrt verjagte Rofas jenem Paraguay: Fahrzeuge nad 
dem argentinischen Staate überzugehen (Hopfins ©. 25) '), und doch 
vermöchte Paraguay Zuder, Melaffe, Baummvolle, Kautfchuf, Häute von 
außerorbentlicher Größe, Zalg, Wachs, Hirſch- und Leopardenfelle, 
Haare, Reis, Korn, die verfchiedenen Producte der Maniocwurzel, Ba 
nille und eine immenfe Menge Farbematerialien in den Handel zu lie 
fern (Hoplins S. 29. G.), und felbft den Paraguaythee in weit gro 
Berer Menge, als bisher, ausführen. In den für den auswärtigen 
Handel geeigneten Häfen Pilar (5.20) und Encarnacion giebt es 
Zollhäufer; die oberfte Zollbehörde befindet ſich aber zu Afjuncion. 
Nach zwei Deereten der Regierung vom 14. Januar 1842 find Billa 
del Bilar de Neembucu am Paraguay und Itapua am PBarana zu Ein; 
gangss und Ausgangszollftätten beftimmt. Sol aber der Handel Bas 
raguay's mit dem Auslande gedeihen, fo wird es allerdings unbedingt 
nöthig werden, daß eine raſchere und öftere Poſtverbindung jtattfindet, 
als der Präfivent bisher zu unterhalten für gut erachtete (S. 32). ©.) 
Neuere Kortjchritte. Durch die neue Ordnung der Verhälts 
niffe Paraguay's feit Francia's im Jahre 1840 erfolgten Tode zeigt 
fi jet bereitd ein ſehr mefentlicher Fortfchritt faft in allen Dingen. 
Straßen werben nach geraden Linien in jeder Richtung und in einer 
Breite von 200 Bara’d durch das ganze Land gebaut, womit indefien 


ı) Bon welcher Bedeutung die Dampffchifffahrt für bie fübamerifanifchen Bin: 
uenländer wäre, ergiebt fi 3.3. daraus, daß nad Hopkins’ Berechnung ein Dam⸗ 
pfer in 4 Tagen von Montevideo nah Aſſuncion und in 8 Tagen bis in das Iunere 
von Braftlien und Bolivia gelangen Fönnte. 


Paraguay nach neueren unb älteren braftlianifchen sc. Quellen. 38 


fhon Francia den Anfang gemacht Hatte (Rengger und Longchamp 
209); man beginnt Brüden über Bäche und Heine Fluͤſſe, fowie Faͤh— 
ren über größere Ylüffe zu legen. In Affuncion errichtete die Regie: 
rung eine Gießerei von Kanonen, und Aehnliches geſchah am Kleinen 
Ibicuifluſſe in der Nähe des dortigen Giſenerz⸗Bergwerks (S. 28), 
wo feit dem Jahre 1851 eine Eifenfchmelze bereits Geſchütze und ans 
dere Gußwaaren liefert. Gleiche Verbeſſerungen erfuhr die Agricut 
tur, indem man bei der Billa de Rofario und im Departement Santo 
Eftaniflao Canäle, welche in dem flachen, oft weit und breit über: 
ſchwemmten Lande fehr nöthig find, zu ziehen begann. Außerdem ers 
muntert die Regierung duch den Erfindern und Einführern bewilligte 
Prämien und Privilegien Die größere Verbreitung von Majchinen, und 
ed wurden in ber legten Zeit fugar ein Hüttenbeamter, ein Minera- 
log und ein Profefjor der Medicin aus dem Auslande berufen, welche 
dem Lande fchon wefentliche Dienfte geleiftet Haben: follen. Auch die 
Erbauung neuer Städte und fefter Ortfchaften wurde nicht vernach- 
läffigt. So gründete man eine Stadt San Salvador in Ober» Para: 
guay nebft den Fortd Eonfluencia, Arrecife, Eftrela, Bellavifta, Rin⸗ 
conado del Rio Apa auf dem linken Ufer des leuten Fluſſes nahe einer 
Linie älterer Forts, und ſchuͤtzte dadurch, wie durch das ältere Fort 
©. Carlos, die nörblichften Grenzen des Landes und den Anbau dei 
fetten und fruchtbaren Ländereien vor den Einfüllen der wilden Hor⸗ 
den von Mato Grofio her in die nördlichen Yactorein. (In wel: 
chem elenden Zuftimde übrigens dieſe nörblichen Forts find, zeigt der 
Bericht Caſtelnau's, der im Jahre 1849 felbft längere Zeit in einem 
derfelben verbleiben mußte. Den wichtigften Fortſchritt Hat aber dag 
Land dadurch gemacht, daß durch Roſas' Flucht der Verkehr nach Bra- 
filien, Bolivia und der Küfte nicht mehr in dem Maße, wie bisher, ge: 
hemmt werden wird. Schon im Beginn des Jahres 1853 gelang «8 
nämlich einer Gefellfchaft diplomatifcher Agenten, worunter fich ein 
englifcher Gefandter, Sir Charles Hotham, ein franzöfier, St. 
Georges, und ein fardinifcher befanden, zu Afjuncion felbft einen Vertrag 
mit dem Präfidenten abzufchließen, wonach ben contrahirenden Maͤch— 
ten und ihren Angehörigen freie Fahrt auf dem Strom, ferner den 
festen Heirathen mit eingeborenen Weibern, der Beſuch der Stübte im 
Inneren und der Handel dafelbft, auch der Detailhandel, erlaubt wur: 





40 ©. G. Kerft und Gumpredt: 


den, Bewilligungen von fehr audgebehntem Umfange, da bisher Feine 
folche Ehen geftattet waren, Fremde nur fehr fchwierig die Erlaubniß 
zum Eintritt in Paraguay erhielten, und diefe endlich fih nur in Af 
funcion aufhalten durften. Bei dieſer Gelegenheit fuhren auch die ers 
fin Dampfer (es waren deren 2) den la Plata ohne Hinderniß hin 
auf. Mit dem Abfchluffe des Vertrages erfannten die betreffenden euro: 
päifchen Mächte zuerft formell Paraguay als felbfifändigen Staat an 
Doch ift e8 nicht unmöglich, daß der Argwohn des Präfiventen über den 
zunehmenden Einfluß fremver Mächte in dem Bertrage felbit Beranlafs 
fung findet, ihn illuforifch zu machen, da er ihn nur unter der Be 
dingung unterzeichnete, daß die fremden Mächte ihre guten Dienfte an: 
wenden follten, das brafilifche Gouvernement zu beflimmen, einen jetzt 
von defien Angehörigen bemohnten Lanpftrich abzutreten, indem er fich 
dadurch eine befiere Grenze im Norden erwerben wolle, viel wahr 
fheinlicher aber in der geheimen Abficht, feinen von 3 Seiten jchen 
durch die größeren Fluͤſſe gut ifolirten Staat gegen auswärtige Einflüffe 
noch mehr abzufperren. Schwerlich geht das brafiliiche Gouvernement 
auf das Anfinnen der Geffion eines Landſtrichs, größer ald mancher ver 
Heinen europäifchen Staaten, und worin dafjelbe erft im Lauf des Jahr⸗ 
Hunderts an dem äußerften Rande feiner Provinz Mato Groflo die Stadt 
Albuquerque (S. bier ©. 9) von jest 1000 Einwohnern erbaut hatte, 
ein. (Timed vom 24. Mai 1853 aus ber la Prensa Uruagaya.) 
Sollte aber trotz diefer vom Präfiventen von Paraguay geftellten Bes 
dingungen der Vertrag in's Leben treten, fo würde fi dadurch bie 
Möglichkeit, ſelbſt das Gebiet des Staates von Bolivia vermittelt des 
Pilcomayo zu erreichen, eröffnen. Beftrebungen der Art zu veranlafien 
und zu befördern eröffnete der bolivifche Congreß, nach dem Antrage des 
Präfidenten Belzi, am 27. Januar dieſes Jahres nicht allein alle 
ſchiffbaren, mit dem la Plata oder Amazonenſtrom in Berbindung fe 
enden Ylüffe dem Welthandel, ſondern decretirte auch, daß der erfle 
Dampfer, welcher in einen der bolivifchen Zlüffe einlaufen wuͤrde, eine 
Belohnung von 1000 Dollars erhalten ſolle. Schon rüften fich bie 
Nordamerifaner, die Erſten auf dieſer Waſſerſtraße zu fein und den 
Preis zu erringen. Aber noch von anderen Seiten befirebt man fidh, 
mittelft der großen Waſſerſtraßen in das Innere Süd -Amerifa’s einzu- 
dringen und zugleich den Zugang nad) Paraguay zu finden. Bor we- 


Paraguay nach neueren und älteren brajilianifchen sc. Quellen. 41 


nigen Monaten kehrte 3.3. der nordamerifanifche Lieutenant Gibbon, wel⸗ 
cher vor 23 Jahren mit dem Lieut. Herndon den Auftrag erhielt, den 
Amazonenftrom von der Mündung bis zu den Quellen zu erforfchen, 
nah Nord-Amerifa zurüd, nachdem er die bolivifchen Provinzen be- 
reift hatte. Gleich allen feinen Vorgängern fehilvert er diefelben in 
feinen Berichten als die fchönften, ergiebigften und gejundeften Län- 
der der Erde, wo es zu einem jährlichen Handel von mehreren Mil- 
lionen Dollars Material genug gebe. Auch auf die Mineralfchäge 
hatte Gibbon feine Aufmerkfamfeit gerichtet und eine Lilte angeblid) 
von mehr ald 1000 (? G.) auf dem Oftabhange der Wafferfcheide 
gelegenen Silbergruben mitgebracht, welche von den alten Bergwerks⸗ 
arbeitern nur bis zum Wafferfpiegel abgebaut wären, da die Minen- 
befiger in größerer Tiefe das Waffer nicht hätten gewältigen können. Die 
Waſſerhebungsmaſchinen nämlich, deren fich die alten Grubenarbeiter 
bedienten, waren nur Feine, die mittelft Maulthieren von der Küfte 
über die Andes gefchafft worden waren. Mit der Eröffnung der Fluß⸗ 
hifffahrt ift nun die Möglichkeit gegeben, zwedmäßige Mafchinen bis 
faft an die Gruben zu bringen und ein neued bergmännifches Leben 
jelbft zu Potoſi zu erweden. Somit fcheint die Eröffnung der Yluß- 
Schifffahrt im centralen Süd-Amerifa ein Moment von nicht geringes 
rer Wichtigkeit zu werden, ald es einft die Entdeckung des Seeweges 
um das Cap der guten Hoffnung war (New-York Tribune). Be: 
ftätigen ſich Gibbon's Mittheilungen, und find Bolivia’d Silbergruben 
nur zum Theil ertragsfähig, fo bieten dieſe die natürlichfte Ausglei- 
hung für die Revolution dar, womit die auftralifchen und californi- 
ſchen Goldmaſſen das feit fait 23 Iahrtaufenden oder feit der Zeit der 
großen Perferfriege in Europa nnd Vorder-Afien (Herodot III, 95) 
faft conftant gebliebene gegenfeitige Werthverhältnißg von Gold und 
Silber doch endlich bedrohen möchten. ©.) 
G. &. Kerft und Gumprecht. 





42 Neuere Literatur: 


Neuere Literatur. 


Die Vereinigten Staaten von Amerika, geographifch und ftatiftiich 
befchrieben von Theodor Olshauſen, in St. Louis im Staate 
Miffouri. Theil J. Das Miffiffippi- Thal. Kiel, 1853. 


Das Intereffe, welches dieſes Werk fchon durch ven darin behandelten 
Gegenftand an fich darbietet, wird noch ganz befonverd dadurch erhöht, daß 
es ein Deutfcher in St. Louis in deutſcher Sprache gefchrieben Hat '). 
Das Werk, welches mit großem Fleiße und tiefer Kenntniß ameritanifcher Zu⸗ 
fände verfaßt worden ift, giebt zuerſt in dem Abfchnitte: das Land eine all- 
gemeine geographifche Darftelung des Flußgebieted des Mifftfippi und feiner 
Nebenflüffe, dann folgt in dem zweiten Abfchnitte: das Wolf, eine Gefchichte 
dieſes Landes von der Entdeckung und den erften Anflevlungen bis zu tem 
Eintritt der weftlichen Staaten in die Union, eine Schilverung ver Indianer 
vormals und jeßt und des gegenwärtigen Zuſtandes ver Bevölkerung. Die 
folgenden Hefte werden die Befchreibung der einzelnen Staaten des Weſtens 
enthalten, nämlich” Mifjouri, Iowa, Wisconfin, Illinois, Indiana, Michigan, 
Ohio, Kentudy, Tenneifee, Miffifippi, Louiflana und Arkanſas, wobei nament- 
lich die Berfaffung, Verwaltung und die Verkehrs DVerhältnifje der einzelnen 
Staaten berüdjichtigt werden, auch wird der Befchreibung eines jeden Staa- 
ted eine die County-Eintheilung enthaltende Karte beigegeben. Sodann folgt 
die Befchreibung der übrigen Staaten, Territorien und Diftricte der Union. 

Dad Stromgebiet des Miſſiſippi, ein Theil der großen Ebene (des „In- 
terior Valley of North America“ der amerifanifchen Geographen), welche 
fih in der Mitte Nord-Amerika's, vom mericanifchen Meerbufen bis zum 
Eismeere und von den Alleghanies bis zu den Rocky Mountaind erftredt, 
ohne von eigentlichen Gebirgszügen unterbrochen zu werben, bat zwar ein be: 
ſonderes nationales Intereffe für ven Deutfchen, denn es nimmt feit Jahren 
die Hauptmafle der alljährlich nach Amerika wandernden Deutfchen auf; allein 
noch größer ift doch das Interefie, welches dies Eoloffale Central» Land Nord⸗ 
Amerika's durch feine welthiftorifche Bedeutung erregt. Seine große 
landwirthſchaftliche Grzeugungsfähigfeit, feine Mineralfchäge, gewähren nicht 
nur die Mittel zur Ernährung einer Bevölkerung von mehr, ald 100 Millio- 
nen Menfchen, ſondern geflatten verfelben auch noch die Ausfuhr ihrer Bo— 
dens Erzeugniffe. Die Verbindung des Mifftfippi mit dem Großen Ocean 
durch Eifenbahnen wird dem Welthandel eine andere Richtung geben und das 
durch auch das politifche Uebergewicht ver weftlichen Staaten in der Union 


ı) Des Berfaflers Name ift bekanntlich in den lebten Jahren in der Geſchichte 
feines Baterlandes Holflein viel genannt worden. Nach Beendigung der bortigen 
Kämpfe wanderte er nad) Anıerifa aus. Bumpredt. 








Olshauſen: Vereinigte Staaten von Amerika. 43 


begründen. Erwägt man, daß die größere Hälfte des Stromgebieteö des Mij- 
jifippi an Fruchtbarkeit von wenigen Ländern der Erde übertroffen wird, feine 
Schäße an Holz, Steinfohln und Metallen (Blei, Eifen, Kupfer, Zink) un 
erijchöpflich find, die meift wenig tief liegenden Steinfohlen nut geringen Kos 
ten angebaut werten fönnen, und der über 800 Meilen lange Hauptftron 
mit feinen großen Lieberflüffen eine Waflerverbindung varbietet, wie fie felten 
vorfonmmt, fo darf man es wohl nicht als eine leere Großfprecherei betrach- 
ten, wenn die Bewohner am Miffifippi vie Behaurtung audfvrechen, „daß fie 
en in Gemeinſchaft mit den nörblichen atlantifchen Staaten der Union 
Großbritannien dad Prinzipat im Fabrikweſen ftreitig machen werden.” Man 
fann dem Verfaſſer des vorliegenden Werkes nur beiſtimmen, wenn er in die 
fer Beziehung bemerkt: „Uno welch’ ein Volk ift bier, um fich viefe großar- 
tige Natur zu unterwerfen und Alles auf's Volftänvigfte auszubeuten, was 
an nathrlichen Mitteln für die Größe ciner Mation vorhanden iſt? Wäre 
die romanifche Raſſe mit dem füplicheren Amerika in den Befit des Miffifippi- 
Thales gelangt, oder hätte fie ihn vielmehr befauptet, wären vie Branzofen, 
die von Canada auß fich zuerft in diefen Thale anflevelten, over die Spanier, 
die Daß rechte Ufer des Mifjlfippi von 1763 bis 1803 befaßen, Herren des 
Landes geblieben und Hätten die Aufgabe zu Töfen gehabt, welche jeßt vor- 
zugsmeife den Anglo⸗Amerikanern zugemiefen ift, fo würde, aller Wahrfchein- 
lichkeit nach, dad Land noch auf einer fehr nievrigen Stufe ver Eultur fte- 
ben und wenig Ausficht für eine großartige Entwidelung vorhanden fein. 
Die Anglos Amerikaner mit ihrer Energie, Kühnbeit, Eugen Umficht, Selbft- 
beberrichung und Stetigfeit find ohne Zweifel dasjenige Volk, welches am 
geeignetften ift, die Eultur zu verbreiten und fremde Nationalitäten zu aſſi⸗ 
miliren...... Der Amerikaner ſchreckt vor keiner noch fo großen Aufgabe 
wegen anſcheinend unzureichenver Mittel zurück, wenn er fie einmal als noth- 
wendig oder überwiegend nüplich erkannt bat. Wie der Pioneer mit feiner 
einzelnen Art den vichteften Urwald angreift und fich feinen Acer Elärt, fo ift 
der wenig bemittelte Gefchäftemann bereit, Tauſende Meilen von Kanälen over 
Eifenbahnen bauen zu Helfen, wo das Zuftandefommen eines fo koloſſalen 
Werkes weder wahrfcheinlich, noch als fofort dem einzelnen Theilnehmer Nugen 
verfprecheno erfcheint. “ 

Mitten unter viefen glänzenten Auöfichten, welche ſich ven Vereinigten 
Staaten und namentlich dem Miffifippi- Thale varbieten, zeigt fich indeß ein 
für jet zwar noch) fernes Ungewitter, welched aber doch früher oder fpäter 
einmal fich entladen muß — «8 ift dies die Neger= Sclaverei. Iſt auch 
die Berechnung des Statiſtikers Tuder in Virginien, wonach die Sclaven- 
Bevölferung der Union um dad Jahr 1910 mehr ald 30 Millionen betragen 
würde, wohl etwas zu Hoch, fo bleibt der Zuftand der Dinge immer be= 
dentlich genug. In Nord» und Süd»Garolina, in Alabama und Louiſiana 
vermehrt fich wie SclavensBevölferung fchneller, als die freie, in Suͤd⸗Ca⸗ 





44 Neuere Literatur: 


rolina am Mifiljippi wohnen fchon jetzt mehr Sclaven als Freie, und Ala⸗ 
hama, Florida und Lonifiana gehen viefen Zuftande entgegen. Süd» Garo- 
Iina, welches von allen Staaten relativ die meiften Sclaven hat, beſaß 1850 
unter 663507 Einwohnern 385009 Sclaven; vie Neger vermehrten fich in 
dem legten Decennium um 17,6 p&t., vie Geſammt⸗Bevoͤlkerung des Staa⸗ 
ted dagegen nur um 12,4 PCt., und es Eommen etwa 36 bis 40 Sclaven 
auf die englifche Duabrat- Meile. 

„Auf Die Staaten, weldye ganz oder größtentheild dem Mifftfippi= Thale 
angehören, kommen von ven 3198324 Sclaven der Union 1133765, nämlich 
auf Miffifippi 309898, auf Tenneffe 239461, auf Louiſiana 239021, auf 
Kentudy 210981, auf Miffouri 87422 und auf Arkanfas 46982. Der 
Werth der Sclavens Bevölkerung der ganzen Union Täßt fi auf 900 bis 
960 Millionen Dolars, in den Miffifippi» Staaten auf 318 bis 340 Mil: 
lionen Dolars fhägen. Diefer Werth würde durch die Aufhebung ver 
Sclaverei zerflört, und follte dieſelbe auf geſetzlichem Wege und unter Entſchaͤ⸗ 
digung der Sclavens Befiter gefchehen, fo würde dies freilich eine große, je 
doch für die meiften Staaten nicht unerfchwingliche Xaft fein. Indeſſen giebt es 
eine noch weit fchwierigere Trage, ald die Entfchäpigungsfrage, vie nämlich, was 
aus den mehr als Millionen Sclaven werben follte, wenn ſie ohne Weiteres 
emancipirt wuͤrden. Es kommt hierbei beſonders zreeierlei in Betracht. Erſtlich 
fönnen die Sclaven, wenn fle jebt freigelaffen würden, fich im Ganzen genoms- 
men nur durch die rohefte Arbeit ernähren, da fie fuftematifch von aller Bil 
dung fern gehalten worden find. Zweitens fchließt aber auch die Sclaverei, 
d. 5. die Zwangsarbeit der Sclaven, eine Art von Mangel ver Arbeit zu 
Bunften der Sclaven in fich, denn dieſen ift die Arbeit gefichert, und freie Ars 
beiter find in den älteften Sclavenftanten von der Mitbewerbung in den jegis 
gen Hauptzweigen der Sclavenarbeit audgefchloffen. Es beſteht freilich nir⸗ 
gends ein Gefeß, daß nur Schaven gewiffe rohe Arbeit verrichten dürfen, aber 
die Sitte verbietet ed, daß ein Weißer bloße Handarbeit, beſonders auf den 
Plantagen und Barmen, thue. Diefe Sitte ift in den nörblichen Staaten 
Maryland, Virginia, weitlich der Alleghanies, Tenneffee, Kentucky und Mif- 
fouri jeßt fchon fehr gemilvert; es concurrirt dort die freie Arbeit mit der 
Sclavens Arbeit, und es ift deshalb in viefen Staaten die Aufhebung ver 
Sclaverei auch weniger großen Schwierigkeiten unterworfen. Aber in Norb: 
und Süd» Carolina, in Georgien, Alabama und Louiſtana ift ed dem freien 
Sandarbeiter jeßt faft unmöglich, zu eriftiren, denn er macht fich vwerächtlich; 
die rohe, ſchwere Arbeit ift dem Sclaven vorbehalten. Emancipirte man nun 
die Sclaven plöglich, fo würbe viefe Sitte aufgehoben nnd eine Goncurs 
renz der Arbeit der Weißen mit derjenigen ver Neger eröffnet werven, welche 
die Letzten nicht aushalten Tönnten. Unter folcden Umftänden würden aus 
den unwifjenden und natürlich trägen Negern in den Staaten, in welcher fie 
in bebeutender Minderzahl find, PBroletarier, Bettler und Diebe werben; in 


Dlshaufen, Vereinigte Staaten von Amerika. 45 


den Staaten dagegen, in welchen fie Die Mehrzahl bilden, oder doch ungefähr 
dad Gleichgewicht haben, würden fle über vie Weißen berfallen, durch Mord, 
Raub und Branpftiftung ihr Mebergerwicht zu erkennen geben und jede geord⸗ 
nete Staatd- Einrichtung vernichten. Um folche Bräuel zu verhüten, ift es 
aber ſicher nicht der richtige Weg, Alles beim Alten zu Taffen, vie Sclaven 
nicht zu emancipiren, fe nicht aufzuflären und ihnen jeden freien Verkehr mit 
den Weißen und unter einander zu wehren; im Gegentheil führt viefer Weg 
ficher zum größten Unheil, wenn auch die Kriftd fich noch eine Zeit lang 
durch Gewaltmaßregeln und Wachfamfeit fern Halten läßt. Man nennt mit 
Necht die Sclaverei die Achilles = Kerfe der Union. Auswärtige Mächte koͤn⸗ 
nen viefelbe im Kriege zu ihrer fchärfften Angriffswaffe machen, und fowie 
die Flamme des Parteifampfes Beftiger auflodert, wird vie Brage über die 
Fortdauer der Sclaverei jedesmal benußt werben, einerfeitd die Eriftenz ver 
Union, andererfeitd die Fortdauer ver Sclavenftaaten zu beprohen. Die bis⸗ 
berigen Compromiſſe fehieben die Erledigung der Trage nur hinaus, ohne fie 
befeitigen zu können. Es muß von allen Verſtändigen und Wohlgefinnten 
anerfannt werben, daß es fein anderes Mittel giebt, das Uebel zu hemmen, 
ald eine in der Zeit etwas hinausgerückte, vielleicht eine allmälige Emanci⸗ 
pation der von einem gewiffen Zeitpunfte an Geborenen. Die Republik Lis 
beria in Afrifa ') giebt den Beweis, daß vie freigelaffenen Neger fehr wohl 
fähig find, ein geordnetes Staatöwefen nicht bloß zu ertragen, fonvern felbft 
in Ausführung zu bringen, und daß fie fich in einem folchen Zuftande durch 
freie Arbeit fo gut ernähren, wie anvere Völfer. Die Vertheiviger und Be- 
fehöniger der Sclaverei haben durch dieſen gelungenen Verſuch wieder einige 
ihrer vielgebrauchten, abgeſchmackten Argumente verloren. 

Das ganz in der gemäßigten Zone liegende, anderthalb Millionen eng» 
lifcher Duabratmeilen große Gebiet des Mifftfippis Thales gehört, mit Aus» 
nahme einiger Fleinen Blußgebiete des oberen Miffouri, die innerhalb der bri⸗ 
tifchen Beiltungen liegen, den Vereinigten Staaten an und ift beträchtlich grös 
Ber, ald Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Deutfch- 
land, die Schweiz, Italien, Yingarn, die Türkei und Großbritannien und Ir⸗ 
land zufammengenommen. Das weite Gebiet zerfällt in vier natürliche Haupt 
abtheilungen: in das Flußgebiet des Ohio, des oberen Miffifippi (v. 5. 
oberhalb der Ohio» Münpung), des Miffouri und ded unteren Miffis 
fippi. Die Geftalt des Miffifippi- Ihales ift vie eines muldenförmigen Tief- 
landes, deſſen tieffte Senkung, welche im Allgemeinen der Lauf des Mifftfippi 
bildet, den Alleghanies viel näher liegt, ald ven Rocky⸗Mountains. Der Ber: 
faffer giebt Hier zroei Durchfchnitte des Miffifippis Thales, von Welten nad) 
Oſten und von Norven nah Süden. Beide find den Durchfchnitten nachges 


") Siehe Ritter: Begründung und gegenwärtige Suftände der Neger⸗Repu⸗ 
blif Liberia an der Weſtkuͤſte Afrika's, im erftlen Bande diefer Zeitfchrift, See 5, 


46 Neuere Kiteratur: 


bildet, welche ver Doctor Daniel Drake in jeinem trefflichen Werfe: Prin- 
cipal Defenses of the Interior Valley of North America, Vol. I mittheilt. 
In dem öftlih vom Miffifippi gelegenen Lanpftriche, welcher das Flußgebiet 
des Obio und einen Theil des oberen Miffifippi» Gebietes umfaßt, ift die Nei⸗ 
gung des Bodens vom AUlleghany- Gebirge nad) dem Miſſiſippi zu fehr all- 
mälig. Weftlih von den zum apalachifchen Gebirge gehörenden Bergfetten 
überfleigt die höchfte Erhebung am mittleren Ohio, in Kentudy und Weſt⸗ 
Tenneflee nirgenvs 900 Fuß. Da die Flüſſe ihr Bett fo tief in tie Ebene 
eingegraben haben, fo fcheinen fie von fleilen, einige Hundert Fuß hohen Hü⸗ 
geln begrenzt zu fein; hat man aber dieſe fteilen Flußufer (Bluffs) erftiegen, 
fo fieht man, daß fie fich Ianveinmärts in einer großen Ebene fortießen. Ob⸗ 
gleich daher dad Land, im Verhältnig zu ven hohen Grenz⸗Gebirgen im 
Oſten und Welten ein Tiefland ift, fo theilt es fich doch in mehrere “Bla: 
teau’3 oder Hochebenen, die mit der Annäherung an ven Mifjifippi im Allge 
meinen an Höhe abnehmen. Der Untergrund ded Bodens befteht im Allge- 
meinen aus Kalkitein, der, namentlich in Kentufy und Tenneffee, ſehr reich 
an Höhlen ift. Die Flußufer find in diefem Lanpfiriche ohne Ausnahme mit 
Wald bedeckt, ver ſich vorzüglich am Ohio, durch riefenhafte Baumſtämme 
und die Ueppigfeit und Mannigfaltigfeit des Unterholzes auszeichnet. Steigt 
man von den Flußgründen (bottoms) über vie Bluffd zu der höheren Ebene 
binan, fo tritt man aus dem wilden finfteren Urwald, worin Banther, Wölfe 
und Klapperjchlangen haufen, plöglich in eine weit ausgedehnte, mit reichen 
Graſe bemachjene, völlig baumlofe Landfchaft, vie Prairie, eine blumenreiche, 
heitere Wiefen» Gegend, die felten vollfommen eben, meift vielmehr wellenfoͤr⸗ 
mig (rolling) geftaltet ift. Nach Norden zu erhebt ſich dad Land von Ohio 
nach dem Erie»See, ver Örenze von Michigan und dem Michigan = re hin 
und bildet ein Tafelland, welches bis zur Waflerfcheive der Seen eine abje- 
Iute Höhe von etwa 900 Fuß erreiht. Der höchſte Bunft viefer Waflerfcheite 
in Ohio ift der Mony Hill. Weiter gegen Nordweſten, in Wisconfin, hat 
dad Land neben ausgedehnten ebenen Prairien und einzelnen Sümpfen fehr 
hügelige Streden, vie fich nörblid) vom Wisconfin= Fluffe der Hochebene an- 
ichliegen, auf welcher der Miſſiſippi entipringt. 

Das Baſſin des oberen Miftfippi ift von dem des Miffouri durch ein 
Tafelland, Coteau des Prairies, getrennt, weldyes fi) von 46° bis 43° 
n. Br. erſtreckt, hier in eine wellige Prairie ausläuft, etwa 200 engl. Meilm 
lang ift und von NNW. nah SSO. ſtreicht. Die Ebene nörtlich vom 
Goteau ift ein fchöner, von Hügeln, Thälern, Sen und Waldland auf lieb: 
liche Weife unterbrochener Landſtrich. Sie bilvet vie Höchfte Gegend zwiſchen 
dem Meerbufen von Merico und ver Hudſons-Vai. Ein anderes Platean, 
auf feinem Kamm mit dichtem Walde bedeckt und daher Coteau du grand 
bois genannt, erhebt fich zmifchen ven Quellen des St. Peters + Sluffes und 
denen des Mifjifippi. Gin drittes Tafelland, von dem leider zu früh verftor- 


Olshauſen, Vereinigte Staaten von Amerika. 47 


benen Nicollet Plateau du Coteau du Missouri genannt, trennt den Mif- 
fouri von dem Jacques» over Tſchanſanſan⸗Fluſſe; es bildet eine 500 Fuß 
über dem Miffouri liegende, aus Sand und Kies beſtehende und mit kurzem 
Graſe bewachſene, wellige Prairie. Der nörbliche Theil von Iowa, ganz 
Minnefota und ein Theil des fogenannten Manvan » Diftricts ift fo mit Grup⸗ 
pen und Ketten von Land» Seen erfüllt, vie Durch Bäche und Kleine Flüſſe 
verbunden find, daß Nicollet viefer Gegend ven Namen Undine⸗Re⸗ 
gion gab. 

Weſtlich vom Miffifippi und füplih vom Minnejota Gebiete iſt die Bil- 
bung des Landes derjenigen auf der Oftfeite im Allgemeinen ähnlich, nur 
großartiger. Die Bluffd an ven größeren Flüffen find oft hoch und fteil, die 
Prairien ausgedehnter, aber weniger hügelig und gewellt; die Baumgruppen, 
im Rorden Eicdyen= und fchwarze Walnußbäume, im Süden Tulpenbäume 
und Magnolien, find Häufiger unterbrochen. Höhere Gebirge giebt ed aud) 
bier nicht, nur im weſtlichen Arkanſas und in Miffouri fireift von SW. 
nad) NO. das Ozark» Gebirge, welches ſich 1000 bis 1800 Fuß Hoch erhebt, 
fih aber in geringer Entfernung vom unteren Miffouri und Mifftjippi in 
einzelne Borfprünge und ifolirte Bergfegel (Knob8) zerfplittert. Weiter weit- 
lih nimmt die Prairie fehr zu, und man fann über die weite Ebene tagelang 
reifen, ohne auch nur ein Gebüfch zu fehen, und fchon einige Hundert engl. 
Meilen weftlih vom Mifjifippi verhält fi das Prairieland zum Waldlande 
wie 20:1. Hat man die Grenze der Staaten überfchritten, fo dehnt fich eine 
hohe, etwas wellenförnige, meift blumenreiche und mit hohem Grafe bewach- 
jene Ebene in ermüdenver GBleichförmigfeit aus. Selten nur zieht fih an 
dem Uferrande eines Baches eine Zickzack-Linie von Erlen und Hafelftauden 
hin, mit Wein und anderen Schlinggewächfen überrankt. Dom Mio Brazod 
in Texas norpwärts bis über den Canadian⸗-River erftredlen fich vie foger 
nannten Groß» Timberd, ein fchmaler Streifen von niedrigem Gehölz, Ulmen, 
Wallnußbaͤumen und Smergeichen, welche auf einem hügeligen, aber zerrifle- 
nen Mante oder Abſatz in ver Prairie wachſen. Bis zu dieſer natürlichen 
Grenze find die Prairien des Hochlandes und die bewaldeten Flußthaͤler ſehr 
fruchtbar. Weiter weftlich Hört ver fruchtbare ſchwarze Boden nach und nach 
auf, und es verfchwinden alle größeren Bäume, mit Ausnahme von Cotton: 
Wood (Bombar? G.); dagegen beginnen bald (von 98° weſtl. 2. an) ver- 
ſchiedene Caetus⸗Arten, andere ftachelige Gewächfe und pas Büffel» Gras (Ses- 
leria dactyloides), mit welchem auch vie Büffel erfcheinen. Die Ebene fteigt 
bier fchneller an, ald auf der Oftfeite. In den Blußthälern wächft noch gu- 
te8 Gras, aber das höhere Land befteht aus Sanphügeln und Fahler Brai« 
rie, in welcher nur etwas Büffel⸗Gras, Cacteen und die wunderbare Ipo- 
mea lepthophylia wachjen, welche Ießte wegen ver Nehnlichkeit ihrer Wur- 
zel mit einer menfchlichen Bigur ven Namen Man root erhalten hat und eß⸗ 
bar iſt. Eigentliche Gebirge fehlen auch Hier. Bit ver etwa 3000 Fuß 











48 Neuere Literatur: 


hohen Ebene zroifchen den Blüffen Arfanfad und Cimarron beginnt eine dve 
und dürre Gegend. Auf eine Strede von 66 engl. Meilen, bis an die untes 
ren Quellen des Cimarron, trifft man in der trodenen Jahreszeit nirgends 
einen Wafferlauf oder eine Lache, und das Gras ift Außerft fpärlih. Hat 
man den Cimarron und feine verſchiedenen Zuflüffe überfchritten und verfolgt 
die Santa Féoͤ⸗Straße weiter, fo kommt man zu den Rabbit Car Mounds 
und zu dem Round Mound; letzter hat eine relative Höhe von nur 610 Fuß, 
während feine abfolute Höhe 6655 Fuß beträgt. Bon Hier aus bis zu ven 
zum Belfengebirge gehörigen Bergfetten bat das Land beftändig eine Höhe 
von 6000 bis 6500 Buß über dem Meere. Noͤrdlich und füblich von ver 
eben genannten Straße befteht das Land aus ijolirten Tafelländern, von den 
Spaniern Mesas genannt, die fich 600 bis 800 Fuß über dad anliegende Land 
erheben und häufig abfchüfjlge Raͤnder (Cejas) haben. Mit der Annähes 
rung an dad Gebirge nimmt die Ausdehnung dieſer Tafellänvder zu. Das 
größte verfelben ift die fogenannte Pfahlebene (el Llano estacado), welche 
fich vom Canadian River, in 36° n. Br., bis zu den Quellen des Rio Eo- 
Iorado, Brazos und Trinidad, 32° n.Br. und von 100° wefll. 8. Bis zu 
den Höhen am Pecos⸗Flufſe erftredt. Wo auf diefen Hochebenen die Fluͤſſe 
ihr Bett tief eingegraben Haben, die Mänver ver Meſas daſſelbe eng ein- 
ſchließen, da entftehen die fogenannten Cañones, tiefe und fleile Thalſchluch⸗ 
ten, welche oft fo eng find, daß ver Fluß den ganzen Thalgrund einnimmt. 
Da diefe Cañones bei größeren Flüſſen, 3.8. bei denn Canadian, bis 1000 Fuß 
tief fein follen, wie auch Herr Olshauſen nach Gregg erwähnt, wird durch 
die Beobachtung des Lieut. Pick widerlegt, welcher diefe Gegend im Sabre 
1845 befuchte und die Höhe der Thalmände auf 250 Fuß fchäßte, eine Höfe, 
die, wie er fehr richtig Hinzufügt, noch immer bedeutend genug iſt, um Ber 
wunderung zu erregen über die Macht des ftrömenden Waſſers. Diefe Hoch⸗ 
ebenen bieten ven Meifenven vie größten Schwierigkeiten dar, denn fie find 
ohne alle Vegetation und ven größten Theil des Jahres ohne Wafler, gewaͤh⸗ 
ren feinerlei Schuß gegen die Einflüffe des Klima's und feben befländig der 
Gefahr aus, von den räuberifchen Comanches und Kiowas angegriffen zu 
werben. 

Nördlich von ver Santa Féo⸗Straße geht eine anvere, welche dem Ars 
Fanfas folgt, fich Furz vor den Uebergange der Karavanen Straße über ven 
Arkanſas Yon diefer trennt und an der Chonteau⸗Inſel im Arkanfas vor: 
über gerade auf Bent's Fort zu. Man findet hier am Flußufer ſtets Gras 
und Wafler, aber fein Holz, und man bedient ſich ver wilden Salbei und 
des trodenen Büffelmiftes zur Benerung. Den Arkanfas und Canadian fchei: 
det das Raton= Gebirge, auf ven der letztgenannte Fluß entfpringt. Es führt 
ein ziemlich bequemer Paß von 7500 Fuß abfoluter Höhe hinüber, ven im 
Sabre 1846 eine Abteilung Artillerie und Kavallerie des Kearney'ſchen Corps 
paffirte. Die Ausfichten von dieſen Bergen follen fehr fchön fein und an bie 








Ols hauſen, Vereinigte Staaten von Amerika. 49 


Landſchaften von Balaflina erinnern. Die nordweſtlichſten Spigen des Ra⸗ 
ton» Gebirgeß bilden die fpanifchen Pils. Das Hinabfleigen gegen Suüdwe⸗ 
ften ift ſchwieriger, ald dad Hinauffteigen, und oft ift kaum bie Breite einer Was 
genfpur vorhanden. Jenſeits des Gebirges, bei San Miguel am Pecos, vers 
einigt fich dieſe Straße wieder mit der Santa Féoͤ⸗Route. Der nörblichere 
Theil der größeren Ebene, durch welchen ein Weg nach Braind»Fort und 
vorwärts davon längs des Platte- Flufies die große Strafe nach Galifornien 
und dem Dregon durch den Südpaß führt, zeigt eine abweichende Geftaltung. 
Laͤngs des fehr fchiffbaren Platte» oder Nebraska» Fluffes (Waſhington Ir⸗ 
wing nennt ihn den fehönften, aber unnügeften Fluß in ver Welt) ift viel 
Sand, und felbft an dem Fluſſe wenig Holz. Dennoch aber durchſtreifen bie 
ungeheure Prairie zahlreiche Heerven von Büffeln, Hirfchen und XAntilopen. 
An dem Nortarm des Platte⸗Fluſſes, mo die Vluffs niedriger werben und 
fi) allmälig in die Prairie verlieren, erheben fih 1—8 engl. Meilen vom 
Fluſſe Reihen röthlicher Sanvftein= Belfen, welche die Geftalt von Burgruis 
nen, Citadellen, Kirchen u. |. vw. haben und weithin fichtbar find. Einer ver 
merfwürdigften viefer Zellen ift der Ehimney Roc, welcher für Reiſende eine 
berühmte Landmarke bilde. Die Unterlage viefer Felſen ift Kalkftein, ver 
obere Theil brödliger Sandftein. Sie haben nach Wislizenus Aehnlichkeit mit 
dem Sanpftein=Zelfen der jächftichen Schweiz. In der Nähe des Platte⸗Flufſes 
findgt man die unterirpifchen Wohnungen des Prairie⸗Hundes (Arctomys Ludo- 
vicienus Ord. ©. dieſe Zeitf: Bd. J. S.151. ©.). Außer einem niedrigen Ge⸗ 
birgszug aus Kalkftein und Sandſtein zwifchen dem Nord⸗ und Sübdarm des 
Dattes River bildet dad Terrain eine Hochebene mit fanbigem Boden und 
Ipärlihem Graswuchfe, felten durch ein Birfenwälpchen unterbrochen. Weit: 
lich von dem Fort Laramie (42° 12’ n.Br., 104° 48' weil, 2.) erheben 
ih die Black Hills, eine dunkle, mit Nadelholz bewachſene Gebirgskette und 
eine höhere Kette, das Platte» Gebirge, in welchem ver Platte» Fluß ent- 
ſpringt. Es iſt dies eine unfruchtbare Berggegend, ohne PBrairies Bildung, 
in welcher vorzüglich Cactus und wilder Salbei ( Artemisia Columbiensis), 
Gras aber nur fpärlich wachien. Die Siour, Crows, Shyenned und Ara⸗ 
pahoes durchftreifen diefe Gegend, in welcher vie Büffel jelten, vie Wölfe aber 
zahlreich find, und auch der gefürchtete grizziy Bear bereits erfcheint. Daß 
Salbei Huhn (Tetrao urophasianus; Sage Cock), welches bier vorfommt, 
kann nicht gegefien werben, weil durch ven Genuß des wilden Salbei das 
Fleiſch einen bitteren Geſchmack erhält. 

Der füplichfte Theil des Mifjifippie Thales, namentlich Louiſiana, ift 
außer einigen Hügelreihen, wie zwifchen dem Sabine» Zluffe und dem Red 
River und der Pine Ridge im Staate Mifftfippi, eine große Ebene, die aus 
Bottom» Land, Sümpfen, Prairien und Wald beſteht. Das Bottom» ober 
Narfchlann des Miffifippi und feiner zahlreichen Arme (Bayou's), ſowie ein 
Theil des. Bottomd am Med River ift fehr fruchtbar. Reis, Taback, arten 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 4 


50 Neuere Riteratur: 


rohr und namentlih Baumwolle find die Haupt⸗Erzeugniſſe viefed Land⸗ 
ſtrichs. Aber vie niedrige Lage des Landes ſetzt es häufigen Ueberſchwem⸗ 
mungen aus, wodurch Sümpfe entſtehen, welche das Land zu einem der un⸗ 
geſundeſten in Amerika machen. Die Sumpfgegenden ſind meiſt mit gewaltig 
hoben und dicken Cypreſſen bewachſen. Der größte Theil der Prairien gehört hin⸗ 
ſichtlich ſeiner Fruchtbarkeit nur zur zweiten Klaſſe, und ein breiter Streifen 
derſelben laͤngs des mexicaniſchen Meerbuſens iſt ſumpfig und bei Regen⸗ 
weiter ungangbar. Fichtenwaͤlder, mit Hickories und Eichen vermiſcht, ſtehen 
meift auf hügeligem, wenig fruchtbarem Lande. 

Der geologifche Charakter des Miffifippi» Thales ift im Ganzen fo ein⸗ 
fach, wie kaum in einen anderen Rande von gleichen Umfange. Bolgt men 
dem Mifftfippi von der Mündung aufwärts, fo bat man zuerft das große 
Millifippie Delta, welches fich von ver Meeresfüfte bid zur Mündung bes 
Ned River erftreckt, einen Klächenraum von ungefähr 14000 engl. Quadrai⸗ 
meilen einnimmt und aus Alluvium befteht, deſſen Mächtigfeit man au 
400 bis 500 Fuß ſchaͤtzt. Die Beftandtheile des Bodens ſind zu feinem 
Sande zerriebene Steinmafle, Thonerde und andere zufällige organifche und 
unorganifche Subſtanzen; Sand und Thonerde bilden faht immer „; ber gan- 
zen Maſſe. Weiter nörblich folgt pas Höher liegende Diluviun, welchet 
am Rande des Mifflfippi- Delta beginnt, die allgemeine Oberfläche des Lan⸗ 
des conftituirt und Höhen und Thäler bedeckt. In viefem Terrain findet man 
Zähne, Knochen und ganze Skelette von urweltlichen Thieren. Hierauf folgt 
nordwärt® die Tertiär- Kormation, die dad nörbliche Zouiflana, die ſüd⸗ 
liche Hälfte der Staaten Miffifiypi und Alabama und ven füblichften Theil 
von Staate Arkanfas in einem breiten Saume umfaßt, außerdem weiter noͤrd⸗ 
lich einen fchmalen Streifen lange des Mifftfippi bis faſt an die Suüdgrenze 
des Staated Miffouri einnimmt, fo wie wefllich und noroweftlich den Arkan⸗ 
ſas⸗Fluß und den Med River hinauf ebenfalls ſich in einem langen Stres 
fen fortzieht. Diefer Landſtrich befteht aus Thon, Gyps, Sandftein und Kalf 
unb enthält viele Mufcheln, Ueberreſte des Megalonye, Megatherium und ver- 
ſchiedener Pachydermen und Saurier. Auf vie Tertiär- Kormation folgt nord 
wärtd die Kreide, die in der oberen Schicht aud Nummuliten« Kalk beſteht, 
der, na Süden fallend, Hier und da an den Abhängen ber tief eingejchnit- 
tenen Bluffs zu Tage herausſteht. Unter dieſem Kalk folgt, ebenfalls mit 
ſũdlichem Ballen, ein ähnliches weißes, leicht zerreibliches Geftein (rotien li- 
mestone), welches im mittleren und oberen Theile des Staates Mifſtſippi 
und im ſüdlichen Arkanjad in großen Wlächen zu Tage liegt. Beide Ge⸗ 
bilde führen viele Mufcheln und Ueberrefte von Schilpfröten und Getacern 
(Zeuglodon); and) Fußſtapfen von riefenmäßigen Vögeln Hat man bier ge 
funden. Die zur Kreivegruppe gehörenven eifenfchüfftgen Sandgebilde unt 
Mergel kommen im Oſten des Miffifippie Ihales in Iemneffee und Keutuckv 
zu Zage und verfchwinden unter ver Tertiärs $ormation. Der ganze Um: 


._ — — — Dr — — 





Olshauſen, Vereinigte Staaten von Amerika. 51 


fang ber Kreide» Formation umfaßt die nörbliche Hälfte der vier Staaten Mif⸗ 
fifippi und Alabama, Weit» Tenneflee und Kentudy, dann einen Theil von Ar⸗ 
kanſas und weſtlich bed Mifjifippi ein fehr großes Gebiet, deſſen Grenzen 
noch nicht genau befannt find. Die Kreide» Bormation und die tertiäre Gruppe 
nebft dem Diluvium und Aluvium nehmen alfo die große weftliche und füb- 
lihe Strede des Mifjijippi» Thale ein. Die Kreivegruppe ruht unmittel- 


bar auf ver Kohlen- Formation und der Tohlenführennen Reihe, und wo 


diefe und andere ältere Kormationen fehlen, auf dem Uebergangs⸗ ober kry⸗ 
ftallinifchen Gebirge. Die Kohlen» Bormation erftredt fich in ver Rich⸗ 
tung des Miſſiſippi⸗-Laufes von der nörblichen Grenze der Kreide- Kormation 
Bis gegen Wisconſin. An der Nordgrenze des Illinois⸗Kohlenfeldes beginnt 
ein dem devoniſchen Syſtem angehörenver Landſtrich. Der blaue ſecun⸗ 
däre Kalfitein (upper magnesian Limestone) verbrängt bier faft alle an⸗ 
beren Glieder dieſer Gruppe, hat eine große Mächtigkeit und Auspehnung und 
umfaßt das noͤrdlichſte Illinois, den Staat Wisconfin bis zum Wisconfin- 
Fluſſe und den norböftlichen Theil von Jowa. Er bildet in Wisconfin und 
Jowa das bleiführende Geftein der reichen Mineralviftriete, welche auch Eifen, 
Zink und andere Metalle liefern. Nörvlich vom Wisconſin⸗Fluſſe gehört das 
Sand dem filurifchen Syftem an. Das KHauptgeftein ift ein dem vorhin 
erwähnten ganz ähnlicher blauer Kalkitein (lower magnesian Limestone)), der 
mit mächtigen Sandftein » Schichten wechſelt. Weiter nörblich, auf den Gren⸗ 
zen des Miſſiſippi⸗Flußgebietes Fommen viele filurifchen Schichten mit den 
plutonifchen Gebilden in Berührung, welche ſich durch ganz Canada 
weſtlich bis zu den Miffouri- Quellen erftreden. 

Daß große weitliche Gebiet ift noch zu wenig geologifch unterfucht, um 
genaue Reſultate mittheilen zu Tünnen. 

Was die Flimatifchen Verhältniffe des Miſſiſippi-Thales betrifft, fo 
fehlt e& noch an zahlreichen meteorologifchen Beobachtungen, und namentlic) 
im Welten ver Grenze des bewohnten Landes, wo nur an einzelnen Militair- 
Stationen beobachtet wird. Die früher, vorzüglich von Iefferfon und Vol⸗ 
ney aufgeitellte Behauptung, das Miſſiſippi⸗Thal fei wärmer ald vie atlanti- 
fche Ebene im Often der Alleghanies, hat fich als ungegründet ermiefen. Auch 
ift Die mittlere Jahres» Temperatur durch die Beflenlung nicht, wie man haufig 
angenommen bat, erhöht worden. Die Schmanfungen des Thermometers, 
welche. im Ganzen mit ven höheren Breiten zunehmen, find oft fehr bedeu⸗ 
tend. Die Mitte des, Thales, von ver Mündung ded Miffouri an, ſcheint ven 
Ertremen beſonders ausgeſetzt zu fein. Don allen Orten bes flärker bewohn⸗ 
ten Landes bat St. Louis die größten Temperaturs Extreme aufzumweifen 


“(mittlere Temperatur +9°,3R.; höchfte + 34°,2R.; nieprigfte —25°,3R.), 


welche, in Verbindung mit dem flarfen Wechfel ver Tagedö- Temperatur, uns 

günftig auf wen Geſundheitszuſtand wirken. Die Schwankungen find ferner 

weiter nach Welten bin größer, als im Often, venn die vier weſtlichen Orte 
A * 


52 Neuere Literatur: 


(Forts Tawfon, Gibſon und Leavenworth und Council Bluffs) geben ein 
durchfchnittliche Schwanfung von 40%,2 R., währenn vie vier öfllichen Orte 
(Steubenville, Marietta, Cincinnati und Louisville) nur eine durchſchnittliche 
Schwankung von 36? R. zeigen. Die Temperatur DBerfchienenheit ver Jah⸗ 
reözeiten ift am Rande des mericanifchen Meerbufend verbältnigmäßig fehr ge 
ring (etwa 10 bis 11° R.); in höheren Breiten nimmt die Differenz bedeu⸗ 
tend zu, und ein ähnlicher Unterſchied finvet in ver Richtung von Oft nat 
Welt flat. Der wärmſte Monat ift an allen Beobachtungsorten der Juli 
(nur im Bert Gibſon am Arkanfas ift ed der Auguft), ver Fältefte überall 
der Iannar. Das Wachsthum der Pflanzen im Frühjahr beginnt in Louiſiana 
einen Monat früher, ald in Miffouri, und in Miffouri zwei bis drei Wochen 
früher, als in Iowa. Der tägliche Temperaturmechfel im Miffifippi= Thale be 
trägt im Jahres» Durchfchnitt 14°,5 bis 15°,5 F., im Juni jedoch 22° %. 
Die plöglichen Weiters Veränderungen find oft außerorventlich flarf und fol 
gen gewöhnlich auf Regen und Schnee, aber auf Gewitter folgt häufig wies 
der fchöned und warıned Wetter. Der Südweſt⸗Wind erhöht in der Regel 
die Rufttemperatur; ver Nordweſt⸗Wind geht faft jeder Abkühlung vorher 
oder begleitet fie. Die Norbweit- Winde, am mericanifchen Meerbufen los 
Nortes oder the Northern genannt, find dort fo Falt, daß durch fie auf den 
Niffen von Florida ſchon viele Fiſche erfroren find. Ihre Kälte erflärt fich 
wohl dadurch, daß fie über die ganze Ränge der Rocky Mountains hinweg⸗ 
ftreichen, ehe fie in das Mifftiippis Thal und an den Golf gelangen. In 
St. Louis find die Temperatur Wechfel häufig und flarf; fie betragen oft 
40° %. und find ſchon bis auf 54 und 56° %. geftiegen. Am haͤufigſten 
find fie im Januar und März, am fchwächften im Mai und Juni. 

Laͤngs des mericanifchen Meerbuſens und bis 33° n. Breite iſt der vor- 
berrfchende Wind SO., weiter nördlich in Allgemeinen SW.; in ver Mitte 
des Thales jedoch (St. Louis, Council Bluffs) Halten ver SO. NW. un 
SW. fich ziemlich dad Oleichgewicht. Die Winde aus den vier Hauptftrichen 
des Kompas find viel feltener, ald die aus den Zwifchenpunften. Der SW. 
Mind ift theils troden, theild feucht. Der erfte weht nur am Tage und 
bei fchönem Wetter, erhebt fich einige Stunden nach Sonnenaufgang und legt 
fich bei Sonnenuntergang, worauf Winpftille eintritt, hat alfo ganz den Cha⸗ 
after des Seewindes. Er weht vorzüglich in ver wärmeren Jahreszeit une 
ift dann angenehm Fühlen. Der feuchte SW.- Wind meht dagegen oft an: 
haltend mehrere Tage, bringt einen bemölkten Himmel, und wenn er auf 
hört, gewöhnlich Negen oder Schnee. Er ift an fich warn, bewirkt aber im 
Sommer durch den Regen etwas Kühlung. Se weiter man von Süden nad 
Norven gebt, um fo häufiger wird der Nordweſt⸗Wind; auch er iſt zwiefa⸗ 
her Art ein vorübergehender oder ein dauernder. Erfter kommt in Begler- 
tung von Gewittern oder folgt nach denfelben; letzter ift der heftigſte Wind, 
den man im Miffifippi- Thale kennt. Wenn er aufhört und Winpflille ein 


Olshauſen, Vereinigte Staaten von Amerika. 53 


tritt, fleigt auch Dad Barometer anı höchften und fällt das Thermometer am tief- 
ften. Er ift fo falt und durchdringend, Daß er auf den Prairien von Soma, 
Miffouri, Illinois und Wisconfin oft dem Vieh und felbft dem Menfchen ver- 
derblich wird. Der Norvofts Wind Hält gemöhnlich mehrere Tage an, ift ein 
feuchter Wind, ver oft Negen bringt, ift nicht fo kalt und Heftig mie der 
Nordweſt und nicht jo warm und eleftrifch, wie der Suͤdweſt oder der Süd⸗ 
oft. Volfommene und anhaltenne Windſtillen find felten. Die Nächte find 
in der Regel weniger windig, ald die Tage. 

Die jährliche Negenmenge ift in ven verſchiedenen Megionen des Miſſi⸗ 
fippi= Thales fehr verfchievden. Der meifte Megen, im Durchfehnitt jährlich 
55,9 Zoll, fällt in dem Küftenftrich längs des mexicanifchen Meerbufend bis 
32° n. Br., im Obig» Thale 45,5 Zoll, im Mifftfippi» Thale, norpwärts von 
32° n.Br., und weftlich etwa bis 96° W. Gr., 35 Zoll. Weiter weftlich 
nimmt die MNegenmenge bedeutend ab; jenfeit 102° W. Gr. regnet und thaut 
es felten. Erreichen die feuchten Winde jene Gegenden, fo Haben ſie ihre 
Beuchtigkeit bereits abgefeßt; der trodene Boden erzeugt Feine neuen Dünfte, 
und die feuchten Winde vom Großen Ocean ber werden burch das hohe Ge⸗ 
birge abgehalten. Dadurch erklärt ſich auch die geringe Waſſermaſſe, welche 
die weltlichen Flüffe des Miſſiſippi⸗Thales im Vergleich zu ven öftlichen ha⸗ 
ben, ein Mangel, ver noch dadurch vermehrt wird, daß. die Oberfläche des 
Bodens dort fehr ſandig ift und das Waſſer Leicht einfaugt. Diefe zuſam⸗ 
mentreffenden Umftänve dürften einer Anflevlung jener Gegenden große Schwie- 
rigkeiten in den Weg legen, wenn nicht fie ganz verhindern. 

Der atmojphärifche Niederfchlag (Megen und Schnee) ift überall am ge⸗ 
ringften im Februar, am ftärkften in ver mittleren Region zwifchen 38° und 
40° n.Br. im Juni. Heiterer Himmel ift vorberrfchend, und die Megengüffe 
find meift von kurzer Dauer, geben aber viel Wafler. In ver ganzen dftlis 
chen Hälfte des Wifftfippis Gebietes fallt Morgens und Abends viel Thau. 
Gewitter find am häufigften im Süden. In den ſüdlichen Küftenftrichen foms 
men fie in allen Monaten vor, häufiger jedoch in ben heißen; mehr am 
Tage, als bei Nacht, feltener am Vormittage, ald Nachmittags, und find ges 
wöhnlich Hefiig und mit Sturm begleitet. 

Die Tornadod, Wirbelftürme, richten im Miffifippis Thale große Ver⸗ 
heerungen an; vie Häufer werben nicht umgeweht, fondern dadurch vernich- 
tet, daß, wenn bie verbünnte Luft ded Tornado bie Käufer trifft, die in die⸗ 
fen legten eingefchloffene Luft plößlich ausgedehnt wird und Thüren, Fenſter 
und Dächer nad) außen wirft. 

In Bezug auf die Flimatifche Vertheilung der Pflanzen Fann man das 
Miffifippi- Thal in fünf Regionen theilen. Die erfte Region reicht von den 
Quellen des Mifitfippi bis an vie nörbliche Grenze von Illinois, alfo bis ge⸗ 
gen den 43. Breitengrad. Der Baumwuchd befteht in dieſer Megion Haupt» 
fächlich aus Birken, Balfanı-PBappeln, weißen Eevern, Laäͤrchenbaͤumen und 





54 Neuere Literatur: 


verfchiedenen Arten Fichten und Tannen. Nabel» und immergrünes Hol; 
überwiegt. In den Seen und fumpfigen Gegenden wächſt der wilde Reis 
(Zizania aquatica), und reichlicher Graswuchs bietet dem Vieh treffliche 
Nahrung. Im günftigen Lagen gedeihen Aepfel und Birnen. Das Haupt: 
product des Aderbaues ift Weizen, und man fönnte dieſe Region wohl die 
des Weizend nennen. Die zweite Region erftredit fi) von ber Nordgrenze 
von Illinois bi zur Mündung des Obio, von 42° bis 37° n.Br. Hier 
währt faft ausſchließlich Laubholz. Der Graswuchs iſt weniger gut, als in 
ber vorigen Region. Außer Aepfel und Birnen gebeihen Pfirfifche fehr gut. 
Haupt=Getreivearten find Weizen und Maid. In den füblichen Theilen vie- 
fer Region beginnt der Tabacksbau, und neben ver Kartoffel wird auch vie 
Batate (Convolvulus batatus) gebaut. Die dritte Region reicht won ver 
Ohio- Mimdung bis zur Nordgrenze von Roniflana, von 37° bis 33° n. Dr. 
Der Baumwuchs unterfcheivet fich wenig von dem der vorigen Region, Page 
gen wächft hier die befte wilde Weinrebe, eine Musfattraube (Vitis verru- 
cosa), und wahrfcheinlich würde im füblichen Theile ver Weinbau gut ge: 
deihen. Eine Rohrart (Miegia maerocarpa) von 30 Fuß Höhe fommt in 
feuchten und fumpfigen Gegenden in ungeheurer Menge vor. Der Graswuchs if 
fehr gut, und das Vieh kann ohne Nachtheil den Winter über im Freien bleis 
ben. Mais und Taback find die Haupt» Erzeugniffe Des Aderbaues; Baum: 
wolle wird nur für ven Hausverbrauch und Weizen wenig gebaut. Die 
vierte Megion, von 33° bis 31° n.Br., alfo bis zur Mündung des Re 
Niver, ift weſentlich verfchieven von ver vorigen. Viele Laubholzarten, z. B. 
Akazien, Zuder- Ahorn, vie blaue Eſche, Roßkaſtanie und Aepfelbäume 
wachſen faft gar nicht mehr, dagegen berrfchen Magnolim, Pride of 
China (Melia azedarach), immergrüne Eichen, die Bichte mit langen Re 
deln (Pinus australis) und die Eyprefle mit dem langen Mooje ( Tillandsia 
usnoides). Der Rohrwuchs ift noch eher größer, als in ver vorigen Re 
gion. Neben Pfirfichen reifen Hier auch fchon Beigen. Haupt» Erzeugnifte 
des Aderbaues jind Bauınmolle und Maid, außervem Neid und etwas Tas 
bad nebft europäifchem Getreide. Die fünfte Region umfaßt nur den Ki: 
ſtenſtrich von Louiſiana und Miſſiſippi am mericanifchen Meerbufen von 31° 
bis 29° n.Br. Der Wald ift wie in der vorigen Region, nur verfchwin: 
det das Laubholz ver nörblicheren Regionen noch mehr. Die bier wachſen⸗ 
den Orangen haben nicht die Süfigfeit, veie auf Cuba. Bananen gedeihen 
gar nicht. Baummolle und Rohrzucker find die Hauptprobufte des Landee. 
außerdem Maid und Reis. 

Diefe Eintheilung in fünf Megionen bezieht fich faft ausfchließlich auf 
den öftlichen Theil des Miſſiſippi⸗Thales, etwa bis zur Grenze der Staaten. 
Weiter nach Welten, wo das Land bedeutend höher und vie Luft trodener 
wird, ift der Pflanzenwuchs ein ganz anderer, inven viele Baumarten gan: 
verſchwinden, und in weiten Landſtrichen fehr wenig Bäume wachen, und 


Olshauſen, Vereinigte Staaten von Amerika. 55 


dann nur GBotton- Bäume und Weinen; auch viele faftreiche Pflanzen hören 
auf, dagegen Fommen mehrere Arten Artemifla (wilde Salbei), die wier bis 
fünf Fuß hoch werden, in großer Menge vor. 

In dem Abfchnitte „ Elimatifche Verbreitung der Thiere“ ift ver Herr 
Berfafler, durch den Sprachgebrauch verleitet, in einen Irrthum verfallen, ven 
er jegt mit Bielen theilt. Er fagt namlich: „Das Elen (EIE, Cervus Ca- 
nadensis oder Wapiti) trifft man dagegen nur im norbweftlichen heile. ” 
In den Vereinigten Staaten bezeichnet man aber mit vem Namen Elk nicht 
das Elen (Cervus Alces Linn.), fondern einen großen Hirſch (Cervus 
strongyloceros Schreber, Cervus canadensis Gmelin, auch Med Deer ges 
nannt). Das eigentliche Elen, welches fünmärtd etwa nur bid zu den gros 
Ben Seen vorfommt, wird in Amerifa nicht ELE, ſondern Moofe Deer ges 
nannt. Der Name Walpiti hätte, wie ver Prinz Mar von Neuwied bes 
merft, nie gewählt werben follen, da er in Amerifa faft gar nicht befannt ift. 

In Bezug auf die Afflimatifirung ver Hausthiere bemerkt ver Herr Vers 
faffer, daß die eingeführten Pferde in dem erften Jahre ſchwach find und wes 
nig ertragen fönnen, nach viefer Zeit aber erflarken und ſich afflimatifiren. 
Die unter den fürlichften Breiten (29° — 33° n. Br.) gezogenen Pferve find 
flein, aber ausdauernd; noch Eleiner find die im ſüdlichen Theile der großen 
weſtlichen Brairie wild berumlaufenden Pferde. Auf Waulthiere, welche in 
diefeß Land gebracht werben, bat das Klima feinen nachtheiligen Einfluß. 
Ochſen und Kühe arten aus in einer mittleren Jahreö= Temperatur von mehr 
als + 65° F. (+4 149,7 R.), alfo etwas fürlich von 33° n. Br.; ihr Fleiſch 
verliert an Güte, und die Milch an Dualität und Quantität. Schaafe ge- 
deihen nicht fhnlicher, ald die Süpdgrenze von Tenneffee (35° n.Br.); in nie 
drigeren Breiten wird die Wolle fchlecht. Dagegen kommt dad Schwein überall 
gut fort, im Süben, in der gemäßigten Region und im Norden; doch fcheint 
die größere Zucht in ven mittleren Staaten zu beweilen, daß ed dort am 
beften exiftiren kann. 

Die zweite Lieferung des vorliegenven Werkes bat die Ueberichrift: das 
Volf, und giebt im erften Abſchnitte eine gedraͤngte lieberficht der Ge⸗ 
fchichte des Miſſiſippi-Thales von ven erften Entdeckungs⸗Meiſen ver 
Spanier bis zum Jahre 1852. Der zweite Abfchnitt Handelt von ven In- 
bianern vormals und jet. Befanntlich wurde in Sahre 1825 in Folge 
einer Botſchaft des Praͤſidenten Monroe vom Kongrefie befchloffen, alle öft- 
lich vom Miſſiſippi befindlichen Indianer nach und nach über die weftlidye 
Grenze der Staaten hinaus im jegigen Indian Territory und weiter nörblid) 
bis an die Great Bend des Miſſiſtppi für immer anzufieveln und vie Auf 
techthaltung der gegen ein Kaufgeld und Jahrgelver mit ihnen abzufchließens 
den Berträge durch eigene Superintenventen und Agenten überwachen zu laſ⸗ 
fen. Die Indianer fügten fich theild freiwillig, theild gezwungen. Die Ab- 
findungd> Summen wurben größtentheild zu gemeinnüßigen Zwecken, wie zur 


56 Neuere Literatur: 


Errichtung von Schulen, zur Erziehung von Waifen, zur Anlegung von 
Mühlen, Schnieden und Tanpwirthfchaftlichen Mufter »- Anftalten beſtimmt und 
auch wirklich verwendet. Nach einem Beichlufle des Eongrefled am 30. Juni 
1851 ift die Ober» Aufficht über die gefammten Invianer «Angelegenheiten in 
den DBereinigten Staaten unter dem Departement des Inneren einem eigenen 
Indian Office übertragen, welchem ein Commissioner of the Indian Af- 
faires vorſteht. Linter vemfelben ftehen vier Superintendents, deren Spren⸗ 
gel vie Northern, Central, Southern und Minnesota-Superintendency hei» 
Ben. In Minnejota ift jeßt der Gouverneur ex officio Superintendent. 
Außerdem haben vie Territorien und Staaten weſtlich vom %elfen» Gebirge 
befondere Superintendenten. In ven oben genannten vier Superintenden- 
cies Öftlih vom Felfen- Gebirge fungiren 17 Agenten, fo daß jeder größere 
Stamm, wie die Choctas, Creeks, Cherokees u. ſ. w., feinen eigenen Agenten bat, 
Fleinere aber zu drei, vier ober fünf einen gemeinfchaftlichen Agenten erhielten. 
Die früheren Unter» Agenten find gegenwärtig abgefchaffl, Sind neue Ver: 
träge mit Indianern abzufchließen, fo werden dazu bejondere Commissioners 
und Special» Ugenten ernannt. 

Im Often ver Rocky Mountains ift das Verhältnig zu den Indianern 
im Allgemeinen ein fehr frienliches, und nur die Apaches, vor Allem aber die 
Comanches, diefe Bebuinen Amerika's, beunruhigen noch die zerfireuten Nie 
derlaffungen an der Grenze von Neu» Mexico und Texas. Mit den noͤrdli⸗ 
chen Stämmen der Sioux, Cheyennes, Arapahoes, Crows, Affiniboins, Gros⸗ 
ventred und Arricaras ?) ift erft am 23. September 1851 zu ort Laramı 
ein fogenannter „ewiger Friedens⸗ und Breundichaftd« Vertrag * abgeſchloſſen 
worden, in welchem die Indianer fich verbindlich machen, für alle von Mit 
glievern ihrer Stämme an Weißen verübte Raͤubereien Schadenerſatz zu leis 
ſten und den Vereinigten Staaten das Recht einräumen, Straßen durch ihr 
Gebiet anzulegen, fowie nulitairifche und andere Poſten zu errichten; dagegen 
garantiren die Vereinigten Staaten Schabenerfag für alle Beraubungen, die 
den Indianern durch Weiße zugefügt werden, und zahlen ven Staͤmmen aufer- 
dem ein Yahrgeld von 50000 Thalern auf 50 Jahre, als Entfchärigung 
für dad Wild, welches von den durch das Gebiet wandernden Emigranten 
vertrieben wirt. 

Der dritte Abfchnitt handelt von ven gegenwärtigen Zuftanve ver 
Bevölkerung. Nac ven berichtigten Cenſus⸗Liſten von 1850 beträgt bie 
Bevdlkerung im Mifiifippi- Thale 8696757 Seelen. Nechnet man bierzu vie in 
der Zählung nicht mit begriffenen Indianer, welche auf 270000 Seelen ge 
ſchaͤtzt werben, fo ergiebt fich eine Bevölkerung von 8966757 Seelen, over, 
in runder Zahl, von 9 Millionen. Da nach dem Genjus von 1350 vie Ge 


") Der Berfaffer Hat hier irrthümlih die Maudaner mit aufgezählt, deren 
ganzer Stamm befanutlih im Jahre 1837 an den Blattern ausgefiorben ik, MR. 





Olshauſen, Vereinigte Staaten von Amerika. 57 


fammt=»Bevölferung ver Union 23191074 Seelen beträgt, fo bildet die Ber 
völferung des Mifftfippi - Thaled etwa 37,5 vCt. der ganzen Bevölkerung der 
Union. (ine Tabelle zeigt, wie viel Weiße, freie Barbige und Sclaven auf 
jeden der im Miſſiſippi-Thale liegenden Staaten kommen. Die Bevölkerung 
ft sehr ungleich über vie einzelnen Staaten und Territorien vertbeilt. Es 
fonımen nämlich auf die englifche Quabratmeile: in News Morf, Pennſylva⸗ 
nien, Maryland und PVirginien 46 Einwohner, in Nord⸗Carolina und Geor⸗ 
gien 17, in Alabama und Mifftfippi 13, in Ohio 45, Indiana 20, Illi⸗ 
nois 15, Kentucky 19, Tenneflee 24, Louiſiana 9, Miffouri 10, Arkanfas 
und Wisconfin 4, Iowa 3 Einwohner. In dem Theile von Texas, welcher 
zum Miffifippis Thale gehört, und in ren Territorien kommt durchſchnittlich 
noch nicht ein Einwohner auf die englifche Quadrat» Meile, im Nordweſt⸗ 
Territorium vieleicht kaum ein Indianer auf je zehn englifchen Quadrat⸗ 
Meilen. In allen Wiffouris Staaten ift das männliche Gefchlecht der Zahl 
nach beveutenn überwiegend; bei ven freien Barbigen ift Dagegen das meib- 
liche Geſchlecht gewöhnlich zahlreicher. Es kommen 3.3. in Rouiflana auf 
100 freie farbige Männer 131 freie farbige Brauen. Bei ven Sclaven wa⸗ 
ren nach dem Genfus von 1840 die Männer nur um ein Geringes zahl« 
reicher. 

Der Verfaſſer giebt Seite 344 eine intereffante Meberficht von dem Vers 
bältniffe der Zunahme ver Bevölkerung nach ven lebten vier Volkszählungen, 
indem bie früheren Zahlungen das Miffifippi» Thal nicht mit umfaßten. Da 
die Zählung von 1850 (ohne die Indianer) 8696757 Seelen ergab und bie 
Zunahme jährlich faft 4,5 pCt. beträgt, jo Fann man die Bevölkerung des 
Miſſiſippi⸗Thales im Anfange des Jahres 1853 (mit Ausfchluß ver India⸗ 
ner) auf minveftend 9480000 Seelen jchäten. Die Sclavens Bevölkerung 
bat feit 1840 im Durchfchnitt um 32,8 p&t. zugenonmen; ſie wächft in Nord⸗ 
Carolina, Alabama, Kouiftana, Tenneſſee und Arkanſas rajcher, als bie übrige 
Bevölkerung; dad Umgekehrte finvet ftatt in Maryland, Virginien, Georgien, 
Mifjifippi, Kentudy und Miffouri. 

Hinfihtlic der Abſtammung gehört die Mehrzahl der Bewohner des 
Mifjijippis Thaled dem angelfähfifchen Stamme an, ver jedoch, feinem 
Hauptbeftandtheile nach, nicht aus Grofbritanien, ſondern aus den atlantifchen 
Staaten eingewandert if. Außerdem befteht vie ältere Bevölferung des Miſ⸗ 
ſiſippi⸗Thales größtentheild aus Sranzofen, Spaniern und Deutfchen; 
Leßte waren ſchon vor dem Unabhängigkeitd» Kriege die erften Anſiedler in 
Weſt⸗Pennſylvanien und werden daher auch Pennjylvania = Deutjche 
genannt. Die neneren Einwanderer aus Europa feit 1790 waren 1) Deut» 
fche. Sie bilden im Miffifippi- Thale die Mehrzahl ver Neu⸗Eingewander⸗ 
ten. Rechnet man die Nachkommen ver vor 1790 eingewanderten Deutfchen 
hinzu, fo fann man ihre Zahl wohl zu 1500000 annehmen. Sie wohnen 
faft alle in fogenannten freien, d. h. nicht felavenhaltennen Staaten, wie denn 





58 Neuere Literatur: 


überhaupt im Allgemeinen acht Mal mehr Einwanderer nach freien, ale nach 
Stlaven » Staaten ziehen. Man findet die Deutfchen ſowohl in den Städten, ale 
auf dem Lande, aber fie vermifchen fich Leicht mit ver vorhandenen Bevölke⸗ 
rung, fo daß nach zwei bis drei Generationen ihre nationale Eigenthümlich- 
feit verſchwindet. 2) Irländer, nach ven Deutichen die zablreichften, zie⸗ 
den im Allgemeinen vie Stäbte vor und nehmen feinen Anſtoß an ver Scla⸗ 
verei. Sie leben zahlreich in New Orleans, St. Louis, Louisville, Cincin⸗ 
nati und Pittöburg. 3) Engländer wohnen überall zerftreut und nur in 
dem Bleiminen- Diftritt von Illinois und Wisconfin Dichter zuſammenge⸗ 
drängt. Sie verfchmelzen ſich fehr bald mit den Anglo=- Amerifanern. 4) 
Schotten, meift aus dem fchottifchen Nieverlanve, find bier weniger zahl 
reich, als in Canada. 5) Franzoſen und Spanier einzeln, meift in den 
füdlichen Diftricten. 6) Walijer, beſonders in Gincinmati und bem für: 
öftlichen Obiv. 7) Norweger, im nördlichen Illinois, Wisconfin und 
Jowa. 8) Polen und Ungarn im ganzen Lande zerftreut, erfte faſt nur 
in Städten. 9) Juden, vorzüglich veutfche, englifche und polnifche, fat nur 
in Städten, beſonders zahlreich in @incinnati. 

Die Vermifchung der verfchiedenen Raſſen und Nationen fchreitet immer 
mehr vorwärtd. Im den Grenz-Diftricten verheirathen fich vorzüglich bie 
franzöflfchen und jpanifchen Kreolen, und auch Anglos Amerikaner mit In⸗ 
bianerinnen. Nach einigen Generationen ift das indianifche Blut nicht mehr 
zu erfennen. In ven Sclaven » Staaten ift zwar die Ehe zwifchen Weißen und 
Negern verboten, Dagegen finden iflegitime Verbindungen zwifchen Weißen 
und Negerinnen und anderen Barbigen ftatt; die daraus hervorgehenden Mu- 
latten, Quadronen u. f. w. fchließen gern Verbindungen mit folchen, tie 
weißer find, als fie felbfi. Verbindungen mit Abfünımlingen von Weißen 
und Negerinnen gehen am leichteften vie fpanifchen Kreolen ein, dann folgen 
die franzöflichen Kreolen, darauf tie Englänver, Irlaͤnder und Deutfche, am 
jeltenften die Anglo=Amerifaner. Heiraten zwifchen Branzofen und Angle 
Amerifanern find fo gewöhnlich, daß die franzöflfche Nationalität der Kreo- 
fen dadurch allmälig ganz verfchwindet. Daffelbe gilt in etwas geringerem 
Maaße von den Spaniern. Auch Engländer und Irlänver verheirathen ſich 
vielfach mit Anglo» Amerifanern. Die Deutjchen werden zwar für vie erflc 
Zeit ihrer Einwanderung durch die Verfchievenheit der Sprache mehr von 
ſolchen Shen zurückgehalten, doc) erfolgen viefelben bald. „Es fcheint, daß 
die Wanderung nach Welten die Nationalitäten immer mehr mit einander 
verbindet. Die Amalgamation erfolgt in ven atlantifchen Staaten Nord 
Amerika's häufiger, als in Europa, im Mifftfippis Thale mehr ale in ven 
atlantifchen Staaten, und wiederum mehr ale im Miffifippi - Thale, wie ed ven 
Anſchein hat, in Galifornien, wo zu den amerifanifchen Raffen noch die mon- 
goliſche und malaiijche kommen, welchen es chen fo wenig gelingen wir, ſich 
getrennt zu halten, wie die kaukaſiſchen und amerifanifchen unter fich. “ 


Dlshaufen, Vereinigte Staaten von Amerika. 59 


Die Lebensweiſe im Mifftfippi- Thale weicht natürlich von derjenigen 
in Europa und felbft in den atlantifchen Staaten der Union fehr ab. „Die 
Verſetzung aus einer vichten Bevölkerung in ein dünn bevölfertes Land ift 
ver Hauptfchlüffel zu dieſer DVerfchiedenheit. Während in jener allenthalben 
vie Einengung und die Befchränftheit gefühlt wird, ift bier in jeder Bezie⸗ 
Hung Raum die Fülle, um ſich ganz nach Belieben zu bewegen. Die Bes 
wegung und Beränderung ift ein Bedürfniß und bleibt Gewohnheit, wenn 
fie auch nicht mehr in venfelben Grade Berürfnig fein ſollte. Daher das 
häufige und weite Reifen, vie häufige Verlegung des Wohnorted, das Bes 
fanntwerden mit vielerlei neuen Gegenftänvden und Lagen, die Mißachtung 
von Gefahren, die Häufige Ifolirung und Befchränfung auf perfönliche Kraft 
und Hilfsmittel u. f. w., was Alles dem Charakter Selbftäntigfeit und 
Kühnheit, ven Berftande Gewandtheit und Schnelligkeit in der Auffaſſung, 
den Gemüthe Friſche und Zufriedenheit giebt. Die Einjamfeit macht gaft» 
frei, flößt aber feine Neigung ein zu häufiger und raufchenver Gefelligfeit. 
Zür eine längere Abweſenheit vom Haufe und vom Gefchäfte will man durch 
einen ernften Zweck entfchädigt fein. Sich vom Gefühle Hinreißen zu laffen, 
ift nicht Sache des Amerikaners, und wenn er auch nicht feinen Vortheil über 
das Gemeinmohl ftellt, jo fucht er doch jenen ſtets mit dieſem in Ueberein⸗ 
flinmung zu bringen, es fei denn, daß er durch eine glänzende Handlung dem 
Gemeinweſen einen wejentlidyen Dienft leiften kann. Im folchen Lagen bringe 
der Amerikaner nach Fühler Ueberlegung die größten Opfer; aber er ift fein 
Enthuflaft. in folcher Charakter bürgt für die Dauer der Freiheit in dies 
ſem Lande. — Die Natur herrſcht hier allenthalben vor, und in ihr gilt vie 
That; Kunft und Wiffenfchaft werden nur gefchäßt, infofern ſie helfend in's 
praftifche Xeben eingreifen, nicht um ihrer felbft willen. Sie treten daher in 
Werth und Geltung ſehr zurüd. Auf gründliche Kenntnig, ja auf grün» 
liche Arbeit und Eünftliche Ausführung mechanischer Werke kommt es regel= 
mäßig weniger, als auf rafche Ausführung bei, wenn auch nur nothdürf⸗ 
tiger, Brauchbarfeit an. Obwohl alles Gefagte zunächft von ver Land: 
bevölferung und den Fleinen Städten gilt, fo herrſcht doch derſelbe Cha⸗ 
rafter, wenn auch in vielen Beziehungen in geringerem Grabe, in den 
großen Stähten vor, vie fi von ihren Umgebungen nicht ablöjen wolfen 
und fönnen. Dagegen trifft Nachfolgendes vorzugsweiſe das ftädtifche Leben, 
wenngleich das ländliche in geringeren Maaße daran Theil bat. Während 
in Europa ein Bereich, ein &efchäft das ganze Leben auszufüllen pflegt, be> 
günftigt Hier Alles ven Wechfel der Geichäftsthätigfeit und die Verknüpfung 
verfchiedenartiger Gejchäfte. Es ift nichts Seltenes, daß diefelbe Perfon in 
einem Jahre drei over viererlei verfchienenartige Gefchäfte treibt. Es ftehen 
ihm weder bejchränfenne Zunft» und andere Gewerbe⸗Geſetze, noch and) Die 
öffentliche Meinung im Wege, die ed nicht für Wankelmuth anficdt, ein bef- 
fer rentirendes Gefchäft zu ergreifen, fondern es im Gegentbeil für Bornirt- 








60 Neuere Literatur. 


beit hält, ein Gefchäft fortzutreiben, welches nicht recht gehen will, wenn ein 
anderer Ausweg übrig bleibt, Die Speculation des öftlichen Anglo- meri- 
fanerd, vorzüglich ded Neu=Engländerd (des eigentlichen Yankee), reißt im 
Allgemeinen Ale mit fort, ven Gimvanderer fo gut, wie den Eingeborenen. 
Der arme Einwanderer, der in feinem Geburtölante nur daran denfen konnte, 
wie er für fich und feine Familie das tägliche Brot verdient, fieht hier plöglic) 
viele Wege offen, zu einem verhältnigmäßigen Wohlftande zu gelangen und 
ſich Eigenthum zu erwerben, ja wenn er Verftand und Talent befigt, zu eini⸗ 
gem Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten wenigftens feiner Gemeinde 
zu gelangen. Dies belebt feine Thätigkeit und erhbeitert fein Gemüth. Faſt 
fein einziger ohne alles Vermögen Eingewanderte wünfcht wieder von bier 
nach feiner Heimat zurüd, wenn er vie erften, gewöhnlich allerdings ſchweren 
Jahre überftanden hat. “ 

Die materielle Lebensweiſe der großen Maſſe des Volkes ift im Ganzen 
ziemlich gleichmäßig, d. 5. nicht fo fehr nach ven Vermögens⸗Verhaͤltniſſen 
verfchieden, wie in Europa. Im Allgemeinen iſt das Volk gut und zwed- 
mäßig gefleivet, wohl gewährt und wohnt in leivlichen Wohnungen, wenn 
auch manche Genüffe und Bequemlichkeiten des europäifchen Lebens fehlen. 
Die Häufer in den Städten find größtentheils leicht und undicht gebaut. Auf 
dem Lande find die meiften Häufer von wenig behauenen Baumflänmen 
aufgeführte Blocdhäufer (log houses), die übrigen find gewöhnlich von Bal⸗ 
fen und Brettern (frame houses), zuweilen auch von Gebaͤlk mit einge, 
mauerten Badfleinen (dutch frame), feltener von Bruchftein (stone houses) 
oder von Backſtein (brick houses) erbaut. In den fühlicheren Gegenden 
find die Käufer gewöhnlich mit bevedten Vorhallen oder Gängen und mit 
Veranda's verfehen, und werben gern in ver Richtung von Norden nach Sü- 
den gebaut, damit die hier Fühlennden Sübwinde Durchgang haben. Man 
bepflanzt auch im Süden die Umgebung ver Häufer mit Schattenbäumen; in 
dem mittleren Landftriche, wo der Sommer fehr heiß ift, fehlt es nicht felten 
in der Umgebung der Wohnungen an Schatten, weil man bei dem Lichten 
der Waldung zu unvorfihtig Alles ausrodete. Die Kleidung, im Winter 
aus mwollenem Tuch, im Sommer meift aus Leinwand oder Baumwolle be 
ftehend, ift dem Klima angemeflen. Als Leibwäfche wird faft allgemein Baum⸗ 
wolle getragen. Aufwand in Kleidern ift bei Wännern faft ganz unbefannt; 
die Frauen kleiden fich dagegen Foflbar und elegant, und die minder wohlha⸗ 
benderen Klaffen im Ganzen in theuerere Stoffe, ald in Deutfchland. Die 
Speijen find immer nahrhaft und reichlih. Es find im Allgemeinen brei 
warme Mahlzeiten gebräuchlich: des Morgens früh, Mittags und des Abends 
furz nach Sonnen» lintergang, die fammtlich fehr fchnell verzehrt werden une 
faft aus denfelben Speifen beftehen, unter welchen Fleiſch die Hanptjache ifl. 
Auf dem Lande find Schweinefleifch und Maisbrot nebft Eiern und Butter 
oft die einzigen Speifen. Gemüfe, felbft Kartoffeln, werden von den Anglo- 


Olshauſen, Vereinigte Staaten von Amerifa. 61 


Amerifanern verhältnigmäßig wenig gegeffen und meiftend jchlecht zubereitet; 
Suppe wird nur wenig genoffen, tagegen viel Kuchen. Das gewöhnliche 
Setränf, auch bei den Wohlhabenven, ift Wafler und Thee over Kaffee. Milch 
wird felbft in ven Land» Diftrieten nicht reichlich genoffen, und Wein wenig 
getrunfen, ausgenommen in Rouijlana, wo man viel franzöfifche Rothmeine 
confumirt. Nörblicher trinft man vorzugsweife Iered und Madeira, aber ge⸗ 
wöhnlich mit Branntwein vermifcht. Der inlänvifche Wein ift theuer; die 
Beften Sorten find Catawba und Herbermont. Durch die Deutichen findet 
Bier immer mehr Eingang, doch wird viel Eider getrunfen. Das früher all» 
gemeine Branntweine Trinfen bat fehr abgenommen; es ift dies wohl zum 
Theil den Mäßigfeitö- Vereinen zugufchreiben, obgleich dieſe Inftitute durch ihr 
fanatifches Treiben fich viele Feinde zugezogen haben und vie von ihnen in 
mehreren Staaten bewirkten gefetlichen Verbote nach und nach wieder aufs 
gehoben worden find. 

Deffentliche Vergnügungen find unter ven Amerikanern nicht fehr häufig. 
Ein allgemeiner Fefttag ift ver Tag der Unabhängigfeits - Erflärung (4. Juli). 
Deffentliche Bälle find felten geſchmackvoll arrangirt; Theater und Goncerte 
zeugen von einem niedrigen Grabe der Kunft=- Bildung; Kunft- Mufeen und 
Gemälde» Ballerieen giebt es nicht; öffentliche Gärten find felten und gemöhn- 
Tich Schlecht in Ordnung gehalten, und Spaziergänge Fennt man fogar bei den 
größten Städten nicht. „Dad Bamilienleben, die Freude des Mitwirfend an 
der Kuftivirung des Landes und der focialen Zuftände und das politifche Le- 
ben müſſen einſtweilen Erſatz bieten.“ 

Da in religiöſer und kirchlicher Beziehung geſetzlich vie unbeſchränkteſte 
Freiheit herrſcht, ſo haben ſich ſehr viele Secten gebildet, die häufig in ſich 
wieder in Glaubens⸗Streitigkeiten gerathen und ſich noch immer zu ſpalten 
drohen. Der Verfaſſer giebt Seite 356 u. ff. eine Ueberſicht der chriſtlichen 
Kirchen und Secten im Miſſiſippi⸗Thale. Die katholiſche Kirche in den Ver⸗ 
einigten Staaten hat drei Erzbisthümer, nämlich in Baltimore, St. Louis und 
Dregon »Eity, und dreißig Bisthumer. Der größte Theil des Miſſiſippi⸗Tha⸗ 
led gehört zum Erzbisthum St. Louis, in welcher Stadt e8 wohl mehr Katho- 
Iifen giebt, als in irgend einem anderen Orte im Miſſifippi-Gebiete. Acht 
bis zehn theologifche Seminare dienen zur Vorbereitung der Priefter und in 
allen von Katholiken ftärker bewohnten Gegenden find zahlreiche Klöfter. Die 
Zutheraner finden fich beſonders zahlreich in Ohio, Weſt⸗Pennſylvanien und 
Miffouri. Sie haben Haupt-Synoden in Ohio, Miffouri u. f. w. Die drei 
Iutherifchen Prediger Seminare liegen außerhalb des Mifftfippi» Thales. Die 
Dentfch-Meformirten wohnen vorzüglich in Weit» Bennfylvanien und Ohio, 
und bilden im ganzen Mifltfippis Thale eine gemeinfchaftlihe Synode (the 
Synod of the German Reformed Church of Ohio and adjacent States). 
Sie haben ein theologifches Seminar zu Merceröburg, Branflin County in Penn- 
folvanien, mit welchem auch eine höhere Schule verbunden ift. Die nieverlän- 





62 Neuere Riteratur: 


diſch⸗ reformirte Kirche Hat im Mifftfippi- Thale nur in Illinois fieben Fleine 
Gemeinden. Mofaifche Glaubendgenofien giebt ed im Mifjifippi » Thale wohl 
kaum mehr als 12000, die in einzelnen Städten Synagogen bejigen und 
theils der orthodoxen, theild der rationaliftiichen Slaubensrichtung angehören. 

Außer den theologifchen Seminarien der verjchievenen Secten zählt man 
gegenwärtig im Miffifippi» Thale 55 höhere Schul» Anftaltn (Colleges), 
von denen 14 fi) Univerfitäten nennen und mit einem etwas vollftändigeren 
Lehrers PBerfonale verfehen find. Auf dieſen Univerfitäten werden gewöhnlich 
nur die allgemeinen, aber Feine Fach-Wiſſenſchaften gelehrt; indeß find mit 
den Univerfitäten in Bloomington, Green»Gaftle, New⸗Orleans, Lebanon, 
Lerington und Louisville, fowie mit dem College in Gincinnati, Rechtsſchulen 
verbunden, deren jede drei Profejloren bat. Mediziniſche Schulen befinden 
fich bei den Univerjitäten in St. Louis, New» Orleans, Naſhville, Leriugton 
und Louisville; in Eineinnati, Columbos in Obio, Indianopolis und Laporte 
in Indiana giebt es befonbere Medical Colleges. Diefe medizinischen Schu⸗ 
len haben mindeſtens 7, Höchftens 9 Profefforen. Die Stubirenten bleiben 
ein, höchftens zwei Jahre auf den Univerfitäten und gehen dann bei älteren 
Aerzten in vie Lehre. Mancher praftizirt auch ald Arzt, ohne jemals regel» 
mäßige Studien gemacht zu haben, venn die ärztliche Praxis ift in den mei⸗ 
ſten Staaten ganz frei. 

Der Berfafler giebt nun eine umfaffende Ueberficht von dem Aderbau, 
der Manufactur und Fabrik» Thätigfeit und dem Handel. Eine jieben Seiten 
einnehmende Tabelle, welche ſich auf die Cenfuss Berichte von 1850 gründet, 
zeigt den Umfang und die Probuction des Aderbaued. Es ergiebt ſich dar⸗ 
aus, dag im Mifitjippi= Thale purchjchnittlich 78 Eultivirte Acres (zu 43560 
engl. Quadrat⸗Fuß) und beinahe 194 Acres Eultivirte$ und unfultivirted 
Land auf eine Landftelle (Farm im weiteren Sinne) kommen. In ven freien 
Staaten ift im Allgemeinen das Land in Stellen mittlerer Größe getheilt, 
doc giebt es auch dort fehr großen Grundbeſitz. In den fürlichen Sclaven- 
Staaten find Dagegen die großen Stellen überwiegend, und es kommen in 
Rouiflana durchſchnittlich 412 Acres, in Miffouri 312, in Kentudy 299 und 
in Tenneffee 261 Acres auf eine Landſtelle. Die großen Lanpftellen, welche 
der Befiger nur durch Sclaven unter Aufjicht von Weißen bearbeiten laßt, 
beißen bier Pflanzungen (Plantations), die Fleinen, weldye die weißen 
Befiger felbit, entwever allein, oder mit Hülfe einiger weniger Sclaven be- 
arbeiten, Bauerftellen (Farms im engeren Sinne). Der Werth eines 
Acre Landes (Fultivirtes und unfultivirtes, welches bei den Stellen ijt, durch 
einander gerechnet und ohne den Werth der Gebäude) beträgt, nach dem 
amtlichen Genfus- Bericht, im Miſſiſippi⸗Thale etwa 94 Dollars, Dagegen im 
Staate Maflachufetts faft 33 Dollars, im Staate NewsDorf über 29 Dol⸗ 
lars. Natürlich ift ver Werth des Landes in ven einzelnen Miſſiſippi⸗Staa⸗ 
ten ſehr verſchieden; es hat z. B. ein Acre Landes im Staate Ohio einen 


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Olshauſen, Vereinigte Stasten von Amerika. 63 


durchfchnittlichen Werth von 20 Dollars, in Indiana von 102 Dof., in 
Illinois von 8 Dol., in Miffouri von 64 Doll., in Iowa von 6 Doll. 

Das ganze Eultivirte Land des Miſſiſippi-Thales beträgt 34 alles kulti⸗ 
virten Landes der Vereinigten Staaten, alfo etwas mehr, ala ihm nach Ver⸗ 
baltniß ver Einwohnerzahl zufäme (32). Die Kultur ift aber im Allgemei⸗ 
nen noch auf einer niedrigen Stufe und das Land wird noch weit oberfläch- 
licher bearbeitet, ald im Often. Der Mangel an guten Wegen macht in vie 
len Gegenden des Weſtens ven vortheilhaften Abſatz des Getreides ganz un- 
möglich, und beshalb Hat vie Vieh⸗ und Schweines Mäfltung einen fo gro- 
Ben Umfang gewonnen. Dagegen ift die natürliche Sruchtbarfeit des Bodens 
im Mifftftppi= Thale weit größer, ald in ven atlantifchen Staaten, Etwa tie 
Hälfte alles Weizend, ver in ven Vereinigten Staaten gewonnen wird, wächft 
im Mifjifippi= Thale; an Mais erzeugt es fat 2. Berner kommt faft die 
Hälfte alles gejchlachteten Viehes und aller Wolle, und über 4 alles Rohr⸗ 
zuckers, Tabacks und aller füßen Kartoffeln (Bataten), faft aller Flachs 
und Hanf auf das Mifftfippi- Gebiet. Dagegen bleibt es in ver Erzeugung 
von Baummolle und Reis zurüd, von welchen der größere Theil in Süt- 
Carolina und den nicht zum Miffifippi« Gebiete gehörenden Theilen der Staa⸗ 
ten Georgien, Alabama und Miffifivpi produeirt wird. Seinen jehr großen 
Uebearfluß an Boden» Erzeugniffen führt es theild Direct nach ven öftlichen 
Staaten aus, theils über New⸗Orleans nach dem Often der Union und nad 
dem Auslande. 

Bon ven 122000 — 123000 Fabriken der Union, die über 500 Dollars 
an Werth probuciren, kommen etwa 40000, alfo gegen 4, auf das Miſſi⸗ 
fippi= Thal, die aber im Allgemeinen nicht fo. groß find, wie im Often. Won 
dem Capital von 530 Millionen Dollars, welche dad Fabrikweſen im ganzen 
Umfange der Union in Anfpruch nimmt, fallen etwa 135 Millionen Dollars 
auf pas Mifüflppis Thal; an robem Material verarbeitet daſſelbe jährlich für 
etwa 136 Millionen Dolars; an Arbeitslohn zahlt die ganze Union jährlich 
240 Millionen Dollars, das Miffifippi- Thal etwa 60 Millionen und ber 
Werth aller in der Union fabrizirten Waaren beläuft fich auf 1020 Millio- 
nen Doll., davon im Miljifippi» Thale etwa 280 Millionen. Die gelammte 
Fabrik⸗Induſtrie befchäftigt in ven Vereinigten Staaten 1050000 Menfchen 
im Mifftfippi- Thale etwa 250000. Die Baunmeollen»Fabrifen, die wichtig: 
fien in der Union, befchäftigen über 100000 Perfonen und produciren über 
60 Millionen Doll. an Werth; fie bewegen ungefähr 2900000 Spinveln, 
von welchen im Milftfippi- Thale nur 250000 etwa 100000 Ballen rohe 
Baummolle verarbeiten. Diefe befinden fich in Welt- Pennfolvanien, Weſt⸗ 
Pirginien, Obio, Indiana, Illinois, Kentucky, Tennefiee und Miſſouri; Pittö- 
burg allein beflgt 35000 — 36000 Spindeln, die 1500 Menfchen beichäftigen 
und 14 Millionen Dollars an Werth produciren. Auch von den Wollen- 
Manufacturen fommt nur ein geringer Theil auf das Deifiifippi- Thal; Die 





64 Neuere Kiteratur: 


bedeutendſten Wollen Fabriken find in Ohio und Welt» PBennfyloanien. Am 
weiteften ift der Weften in ver Eifen-Fabrication vorgefchritten. Allein in 
Weſt⸗Pennſylvanien find 114 Eifenwerfe, in Obio 35 und viele in Tenneſſee, 
Kentucky und Miffouri; die ganze Noheifen- Production im Difjtfippi= Thale 
fann man auf mindeftend 275000 Tons fchägen; Gifengießereien giebt et 
ſehr viele in Weit Bennfylvanien, Ohio (Cincinnati und Umgegend) und 
Weit-Birginien. 

Naͤchſt dem Eifen ift das Blei das wichtigfte der im Miffifippi=- Thale 
gewonnenen Metalle. Es giebt zwei fehr ausgevehnte, reiche Blei Megionen: 
die eine am oberen Miififippi, im nörblichen Illinois, im füdweftlichen Wit 
confin und im gegenüberliegenvden Iowa, von welcher Balena der Mittelpunkt 
ift, Die andere in der fühlichen Hälfte des Staates Miflouri, welche jich ſüd⸗ 
weftlich nach Arkanſas hinein erſtreckt. Die nördliche Region wird die up 
per ober northern lead mines, bie fühliche die lower oder Missouri lead 
mines genannt. Der Ertrag der Bleiminen bat zwar in den letzten Jahren 
abgenommen, doch ift dies wohl nur vorübergehenden Ereigniffen zuzufchre- 
ben. Das Blei erfcheint namentlich in Arkanfas fehr filberhaltig. Außerdem wird, 
beſonders in Miffouri, Kupfer, Zint, Galmei, Kobalt und Nickel gewonnen. 
Steinfohlen liefert Weſt⸗Pennſylvanien über 1 Million Tond und Ohio über 
64 Million Buſhel; in dem letzten Staate ift die Kohlenausbeute, welche 
fi in ven letzten zehn Jahren verbreifacht Hat, fortwährend im Steigen. In 
Welt» DVirginien gewinnt man flarf bitumindfe und Cannel⸗, fo wie auf 
Anthracite Kohlen; vie erften beiden Arten auch in Indiana, Illinois, Ken⸗ 
tucky, Tenneffee und Miffouri. Das große Iowa» Kohlenlager wird noch fa 
gar nicht ausgebeutet. Die Kohlengruben des Mifliftppis Thales befchäftigen 
direct etwa 20000 Menfchen. 

Das weftliche Virginien ift fehr reich an Salz. Quellm und bejondere 
wird im Kanawha⸗Thale in der Gegend von Charleſton das durch die gamt 
Union verfandte Kanawha- Salz gewonnen. Auch in Kentudy, in Howart 
County in Miffouri geminnt man viel Salz. 

In dem Abfchnitt „Handel und Verkehr” giebt ver Herr Berfaffer, nat 
den Unterfuchungen des Ingenieur-Oberflen Lang, eine interefjante Ueberſich 
der für Dampfichiffe fahrbaren Flußſtrecken. Es ergiebt ſich daraus, daß im 
Mifftfippis Thale 3573 deutſche Meilen für Dampffchiffe fahrbar find um 
groͤßtentheils fchon jegt regelmäßig mit Dampffchiffen befahren werben. daß 
der ganze innere Ganvelöverfehr der Bevölkerung Yon neun Millionen Rt 
fchen, fowie der Handel mit den öfllichen Unions« Staaten und dem Aus 
lande wird durch diefe Waſſerwege regulirt. Der Herr Verfaſſer ſchildert 
ausführlich auf dreißig Seiten die Handelswege, Transportmittel, Dampfſchiff⸗ 
fahrt, ven Umfang und die Zunahme des Miſſiſippi⸗Handels, das Bankwe⸗ 
fen, Müngen, Kanäle, Eifenbahnen und eleftro- magnetifche Telegraphen. Auf 
diefe Gegenftänve, fo intereffant fie auch an fich find, kann bier nicht nähtt 


Miscellen. 65 


eingegangen werben. Den Schluß ver zweiten Lieferung bilven vie Abfchnitte: 
„vie Berwaltung der Generals Megierung * und „vie Bundes-⸗-Juſtizver⸗ 
fafjung. “ 

Diefe flüchtige Ueberficht des Inhaltes Tann natürlich nur andeuten, welch’ 
ein reiches Material Herr Olshauſen in feinem trefflichen Werke, das zugleich 
in einem fehr anziehenven Stil gefchrieben ift, verarbeitet Hat. Die vorlies 
genden beiven Lieferungen rufen ven lebhaften Wunfch hervor, daß die Be⸗ 
fihreibung der einzelnen Staaten des Weftens, fowie ver übrigen Staaten- 
Territorien und Diftricte der Union, recht bald folgen mögen. 


Hebbod. 


— — — mn 


Miscellen. 


Silberproduetion in Chile. — Der Ertrag der Bergwerke in 
Ehile nimmt einen immer befriedigenveren Character an, indem allein im Juli 
des Jahres 1852 von Copiaps aus 43909, und in ven erften 6 Monaten deſ⸗ 
felben Jahres 160647 Mark Silber, d. 5. alfo in 7 Monaten 204556 Mark 
Silber auögeführt wurden. Dazu kommen noch 150000 Mark Silbererze 
(Times). Früher Hatten die Gruben von Gopiapö geliefert (Annales du 
commerce exterieur. 1852. No. 592, 13) 

im Jahre 18306659 Mark 

1831 5997 
1832 32734,3 


1833 94149,2 
1834 827821 


1835 84700,5 


1836 17204,3 ' 
1837 58449,1 


1838 636154 
1839 103766,2 


( Entdeckung ver Ehanareillogruben ) 


1840 19248,7 
1841 821121 
1842 82840,3 


1843 69199,6 
1844 122994,3 
1845 159447,8 
1846 160793,5 
1847 204104,4 
1848 261105,1 
1849 342239,5 
1850 334444,0 
Beitfchr. f. allg. Erdkunde. Bo. II. 5 


va sy ı au uva 8 u | » st u 8 4 


65 Reue Entoedung? - Unternehmungen in Afrika. 


fo vaß ſich daraus ergiebt, daß ver Ertrag ter Eopiayo - Minen, veren Werth 
man im Jahre 1850 auf 4437391 B. 2 N. berechnete, in fortwähreuen 
Steigen ift, und daß die Ergebniſſe des Jahres 1852 ven früheren nicht nach⸗ 
fichen werben. Außervem lieferten vie Provinzen Huadco und Goquimbo im 
Jahre 1850 noch refp. 727228 Piaſt. umd 1855998 P. 2. Silber, fe 
daß das ganze Silberbringen in Chile ſich damals auf 7020671 P.4% 
orer auf 35103357 Fred. 50 Gent. im Werth belief. Gumpreät. 


Neue Entdeckungs-Unternehmungen in Afrika. 


Der Fortfchritt geographifcher Entdeckungen in Afrifa ift unaufpaltiem: 
feine Schwierigfeit, Feine Gefahr vermag ihn zu hemmen. Wenm früherhu 
lange Jahrzehende und Halbe Jahrhunderte chne bedeutende Erfolge zurik- 
wichen, und nur einzelne glüdliche Entveder, wie Bruce, Horneman, Runge 
Park, Lichtenftein und Andere, in weit audeinanter liegenten Räumen um 
Zeiten, das große Werk zu fördern im Stande waren, aber als einſame Ban: 
derer nirgends ihres Gleichen begegnen Tonnten, fo ſchickt heut zu Tage jew 
Jahr feine muthigen Sendlinge in allen Richtungen zur melichen Durdirru 
gung ter biöher noch immer unnahbar gebliebenen Witte aus, und fchen fax: 
gen ihre bisher einfamen Pfade an, ſich gegenjeitig zu verzweigen, und ih 
Wanderer fi) auf eine fo freubige, wie ermuthigende und fördernde Weiſe a 
jenen weiten Einjamfeiten zu begegnen und die reiche Ernte ihrer mühevollen 
Arbeit in die gemeinfame Scheuer ver Heimat zurüadzubringen für vie Willen 
fchaft ver Eivilifation. 

In den letzten Wochen jahen wir hier drei Mitarbeiter an biefem ste 
Ben Bante, tie nach 7 und mehr Jahren ſchwerer Arbeit in jenen Ara 
zur Herſtellung ihrer Geſundheit oter zu einer geifligen Stärfung in MT 
Heimat ver Eivilifation auf kurze Zeit ihre Wifftons - Stationen in Afrifa verlaf 
fen hatten, um tie Srucht ihrer Griahrungen in Sprachen und anveren Kant 
niffen der gebilteten Welt tarzubringen. So Herr Kölle von Sierra row, 
bon der Church Mission England's, ver nun tie Grammatifen und Wirte: 
bücher feiner dort flubirten einheimijchen Sprachen in London truden läf 
und Wörterfammlungen von mehr als hundert, ihm fchon aus tem Runde 
ber Eingeborenen befannt gewordenen Negerfprachen herausgeben wir. Ebene 
den Mifitonar Herrn H. Hahn ver rheinifchen Biffionsgefelifchaft, aus der Ste 
tion Neu» Barmen im fürwefllichen Afrika, im Lande ter Ovaherero und am 
Zwachaub, einem Küftenfluß, ver im Weſten tes Fürzlich entdeckten Ngami- Ger) 
fh unter 22° fühl. Br. in den äthiopijchen Ocean ergieft. Gr if derſelbe 
Miſſionar, welcher dem engliichen Reifenden Herrn Galton, tem 


Neue Entvelungs - Unternehmungen in Afrika. 67 


des merkwürdigen fübafrifanischen Agrikulturvolfed der Ovampoͤ, noch weiter 
norbwärtd gegen Benguela hin (gegen 20° fühl. Br.), jo wefentliche Dienfte 
Leiftete und wichtige Nachrichten über vie dortigen Bevölferungen gab. Wir 
verdanfen ihm eine wefentliche Hülfe an der Iehrreichen Karten Bearbeitung 
diefer Gebiete in dem fo eben zu Barmen erfchienenen Atlas der niederrhei⸗ 
nifchen Miffionsgefellichaft. Der dritte dieſer Männer ift Herr Schultheiß, 
aud der berliner Miffton, von dem wir vor Kurzem im evangelifchen Vereindhaufe 
- einen fehr lehrreichen Vortrag aus feiner Mifjton über die Kaffern hörten. 

Leider werben wir vermuthlich in Kurzem einen vierten dieſer tapferen 
Kämpfer für das Seelenheil der afrifanifchen Heiden an der Oftfüfte, den 
Mifjionar Krapf, auf der Rückkehr aus feiner dortigen Miffion nach Mombas 
aus dem Wafambi- und Ujambara- Lande zu begrüßen haben, weil ihm fein 
fehr angegriffener Geſundheitszuſtand viefe zur Pflicht macht. 

Bon unſeren nordafrifanifchen Reiſenden Dr. Barth und Dr. Vogel 
find wieder gute Nachrichten eingelaufen, obwohl von erſtem fehr veraltete, fo 
daß fie und nur benachrichtigen, daß diefer fühne und energiiche Wanderer 
fih auf feiner Miſſion am 1. Januar des vorigen Jahres (1853) im beften 
MWohlfen und in voller Thätigkeit befand. Hier fein Brief an mich von 
jenem Datum, welcher aber erſt in diefem Jahre (1854) am 20. Januar 
eingelaufen if. Er wurde zu Zinver, dem Grenzorte des Königreichd Bornu, 
welches wir aus früheren Berichten fchon kennen, gefchrieben, aber fait alle 
übrigen im Briefe vorkommende Ortsnamen find uns in der Terra incognita 
jenes Landſtriches bis auf Katjchna (sic! G.), Sofoto, Kano und die Goberani 
ziemlich unbefannt geblieben. (Ueber diefe 3 Orte |. Geogr. v. Afrika 292. ©.) 

Zinder, 1. Januar 1853. 

„Möge das neue Jahr Ihnen glücklich begonnen haben. Ich habe es wohl 
und wohlgemuth, vol lebendiger Hoffnung für die in feinem Taufe zu erlan- 
genden neuen Mefultate angetreten. Es ift ein fchwerer Weg, den ich jekt 
vor mir habe; Gott der Barnıherzige wird mir, die Schwierigfeit zu überwin- 
den, belfen, um mich nach weiterer Erforfchung ver noch unbekannten Theile 
des Quaragebietes glüdlich irgendwo das Seegeflade wieder erreichen zu laſ⸗ 
fen. Die Verhältniffe find nicht ganz günftig, aber nicht eben poſitiv hinder⸗ 
lid; der Weg über den Hauptmarft Sudans, mo ich mich beveutend billiger 
mit den in ven mittleren Nilgegenven allein werthbaren Waaren, Nyffetoben, 
Turfedien und ven Bali oder fehmarzen Gefichtöfchleiern verfehen koͤnnte, iſt ger 
ſchloſſen, und ich muß ven gefährveten Weg über Taſaua nad) Katſhna noch 
einmal betreten. Der zu Aüku's Zeit, Bello’8 Bruder und Fräftigem Nach⸗ 
folger, der leider nur 5 Jahre regierte, völlig geficherte Weg zwiſchen Katſhna 
und Sofoto ift unter deſſen ſchwachem verweichlichten Nachfolger Alın fo un» 
ficher, wie je; von Soköto⸗Say, der großen Hafenſtadt am Quara, ift Alles 
ficher über Gando, Kebbi und Tamfäla; jenjeits des Fluſſes aber wird die Straße 
von den noch gar nicht oder nur halb unterjochten Kirdi« (d.h. Heiden- ©.) ſtaͤm⸗ 

5 * 


68 Neue Entveddungss Unternehmungen in Afrika. 


men fortwährend unficher gemacht. Diefe Schreierigkeiten jedoch find nicht fo groß, 
und da wir felbft nicht ſchwach und vortrefflich bewaffnet find, und va viele 
Kaufleute ſich an und anfchließen werden, werden wir uns fchon einen Weg 
bahnen, und Alles kommt nur auf den Empfang an, der mir an Alin’s 
und EChalılu’s Hof zu Theil wird. Durch die envlich von der englifchen 
Regierung geſandten Unterftübungen, fowie durch die Beihilfe Sr. Majeflät 
des Königs von Preußen und meines Vaters bin ich jebt in den Stand ges 
feßt, den Landesherren ſchoͤne Gefchenke, ohne vie Kein ficheres Fortkommen 
tft, zu bieten, und auch die aufgerebete Klaffe der Bevölkerung durch kleine 
Gaben zu erfreuen, ſowie ven Armen Almoſen zu fpenven, vor Allem aber 
die angefeheneren und gefcheiteren Mekfapilger und Sheriffe foftematiich zu 
unterftügen, eind der wirffamften Mittel, vie Gemüther in dieſen Erdgegen⸗ 
den zu beberrfchen, da fie die Träger ver Meinungen und Vorurtheile fin. 
Mein Name und mein Charakter find leidlich befannt und gelitten durch einen 
großen Theil Central» Afrikas, und fo gehe ich getroft meiner Aufgabe und 
meiner Beflimmung entgegen. Gott der Barmberzige, ver mich bis jeht gnaͤ⸗ 
dig durch alle Gefahren hindurchgeführt und mich allein von meinen Befähr- 
ten am Xeben erhalten Bat, wird mich auch ferner fchügen. (Leber inver f. 
Monatöberichte der berl. geogr. Geſellſch. 1852, 198, 219, 337, 338. ©.) 
Den 29. Januar. 

Die Gefahr, durch die obmaltenden Beinpfeligfeiten ven Weg vor mit 
ganz gefchloffen zu fehen, zwingt mich, mit dem nur kleineren Theile ver ges 
fandten Unterflügungen und ohne Briefe morgen meine Reife nach Kalk 
anzutreten; ob über Tefaun oder über Daura weiß ich noch bis dieſen Augen: 
blick nicht, da der erfte Weg durch die Goberani gefährbeter ift, Daura aber, 
ein mir intereffanter Punkt, Mefinenz einer befonveren Provinz und noch un 
befucht von Europäern, feines räuberifchen Gebieterd wegen verrufen ift. & 
liegt mir in ver That ſchwer auf der Seele, daß ich fo Tange nichts Ausführ⸗ 
liches nach Berlin geſchickt habe, aber England verfchlingt mich jegt. Wein 
ergebenften Grüße allen Denen, vie in Berlin an mich venfen.” (Ueber dab 
Land Gober ſ. Monatöber. 1852, 337, 339. ©.) 

Auch von Dr. Vogel find Nachrichten in London zu gleicher Zeit ein⸗ 
gelaufen, vie Herr A. Petermann im Athenaum Nr. 1369, 1854, 21. Ian. 
veröffentlicht und und einen Abdruck davon gütigft mitgetheilt Hat. Hier die 
Ueberfeßung dieſes Artikels: 

Die letzte Poft brachte Nachrichten von Dr. Bogel, vie er auf feinem 
Marfche von Murzuk zum Tſad⸗See am 4. Novbr. 1853 nieberfchrieh. Er 
war zu Tegerrp, zreifchen Murzuf und Bilma, wo mehrere Tage Halt ge 
macht wurbe, um Lebensmittel für die Karavane zu ſammeln, damit fie im 
einem Zuge die Wüfte, welche 10 Tagereifen breit, aber ohne alle Vegeta⸗ 
tion vor ihnen ausgebreitet Tag, durchziehen konnte. Die Winterzeit hatte ber 
gonnen, das heißt, die Hihe hatte fo weit abgenommen, daß fie Mittags miht 
mehr 82 bis 85° F. überflieg. Aber mit diefer angenehmen Kühlung wart 


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Neue Entdeckungso⸗Unternehmungen in Afrika. 69 


furchtbare Sanpftürme und Heftige Winpflöße eingetreten, vie jede Spur vom 
Wegpfade verwilchten, ja fo fehr, daß der Schwager des Pafcha von Mur⸗ 
zuf, der zwei Tagemärfche Hinter und zurücgeblieben war, feinen Weg wäh- 
rend 3 Tagen verlor. Unſere Karavane würde wahrfcheinlich daſſelbe Schie- 
fal gehabt haben, wenn nicht der Prinz von Bornu, der mit uns war, eine 
10 audgezeichnete Kenntniß der dortigen Landſchaften beſeſſen hätte. Währeny 
veir zu Gatrone (zwiſchen Murzuk und Tegerry) waren, fam die große Ka⸗ 
ravane von Bornu mit 400 bis 500 Sclaven an, welche meift aus Mäpchen 
und Knaben unter 12 Jahren beitand. Es war das erfte Mal, fchreibt 
Dr. Bogel, daß er eine Idee von Sclaverei und von dem erhielt, 
was der Sclavenhandel in der That iſt. Diefe unglüdlichen Gefan⸗ 
genen waren gezwungen, Bündel von bis 25 Pfund Gewicht auf ihren Kö- 
pfen zu tragen, fo daß fie dadurch das Huar und felbit die Haut auf dem 
Oberkopf verloren hatten. Außerdem mußten fie in eifernen Feſſeln durch die 
MWüfte gehen, die erft dann abgenommen werben, wenn bie Kinder in Murzuf 
antommen. Dabei werden dieſe auf dem ganzen Marfche auf die furchtbarfte 
Weife behandelt und ihnen nur fehr färgliche Nahrung gereicht. 

Mit der Karavane kam einer der Bornu» Prinzen an, der die Nachricht 
mitbrachte, daß von Dr. Barth in Kufa feit dem Anfange des verfloffenen 
Auguft nichts weiter gehört war, als daß er feinen Marjch bis Safatu fort« 
geſetzt habe. Auch brachte derfelbe die wichtige Nachricht mit, daß ein Krieg 
zwifchen ben Fellatahs und ven Bornuefen auögebrochen jei, und daB der 
Sultan von Bornu ein Heer weitwärts gegen Kano, in einer der Hauptpros 
vinzen der Fellatahs, gefandt Habe, mit dem Befehl, dieſe Stadt, weldye in 
commercieller Hinficht das ift, was London für daß britifche Reich, zu erobern. 

Daher find die Verbindungen mit den Rändern, welche Dr. Barth ges 
genwärtig bereifet, unterbrochen, und fomit alle Wege von ihm etwas zu hoͤ⸗ 
ren für jetzt abgefchnitten; doch find deshalb Feine Befürchtungen für die Sir 
cherheit und den Erfolg feiner Unternehmungen zu begen. Im Gegentheil, 
da er in Freundſchaft mit ven Fellatahs fchon vor dem Ausbruch des Krie⸗ 
ges getreten war, fo ift ihm dadurch die Möglichkeit, ihre Gebiete zu erfor⸗ 
ſchen, zu Theil geworben, ein DVortheil, den er gegenwärtig ſchon nicht mehr 
befigen würde. 

Seine Abſicht war e8, über Safatu Timbuctu zu erreichen, und dann 
über Dafoba zum eriten Orte, fomwie über die Länder am mittleren Laufe des 
Chadda⸗Benué, ded großen, von ihm in Adamaua entdeckten Stroned, zu⸗ 
rüczufchren. Anfange März 1853 war er in Kafchna; der Galadima 
(2. i. Premierminifter) von Sakatu hatte ihn unter feine fyerielle Protection 
genommen und verfprochen, ihn ficher bis zu dieſer Eapitale des großen Fel⸗ 
Iatah- Häuptling zu escortiren. Es iſt fehr wahrjcheinlih, daß indeß zu 
jener Zeit, nämlich im nächften Juni, dad Schrauben» Dampfboot ven Chadda 
aufwärts fchiffen wird, in dieſelbe Gegend, in der fich dann Dr. Barth befins 


det, ober zu der er fich Hinbegeben wird, und es wird dann möglicher Weife 


70 Reue Entreungs-Unternchmungen in Afrika. 


vie Dampfihiff- Errerition von ihm hören, erer vieleicht ibm ſelbſt be 
gegnen. Tenn, Bat er einmal vie Arenntiduit wur Ten Schub wer Fel⸗ 
latahs erworben, io wirt es ikm micht ſchwer fein, von Safatu nad De 
foba und weiter zu kemmen, ta dieſe ganıe Region der Fellnah⸗ Herr 
ſchaft angehört (Siebe tie Karte im Royal Geographical Kalendar, for 
1854). Shen im Juni 1851, auf ieiner Neiſe nah Aramaua, hatte er 
Dola, vie Gapitale, erreicht unv beabſichtigte, nach Safatu zu geben, um den 
großen Häuptling ter Fellatahs einen Beſuch zu machen: denn obwohl er 
ganz wohlwollend vom Sultan in Atamana aufgrnemmen wart, ſagte ibm Mies 
fer Doch, Daß er nur ver Sclave feines Herrn in Safatı ſei, und daß er ihm 
ohne vie Erlaubnis Er. Hoheit nicht geitatten fünne, länger im Lande zu ver⸗ 
weilen; bringe er aber Briefe von Sakatu, jo habe er Freiheit Ginzugehen 
wo er wolle, une fo lange zu bleiben als er wimſche. 

Es ift zu ermarten, daß Dr. Barth’ unermürete® Pemüben, ſich die 
Gunft ver Fellatahs zu erwerben, zumal ta er ſchon 1% Monate bei ıbam 
umbergemantert ift, auch der Dampibeet-Erpetition, Pie im nächſten Fruh⸗ 
linge dahin gebt, einen directen Vortheil bringen wirt. 

Zwar find noch einige Briefe von Barth eingelanten, ta fie aber von älte- 
tem Datum find, ald tie im September 1853 veröffentlichten, jo entalten ſie 
feine neueren Nachrichten zu ven torigen. 

So weit Herr A. Petermanm. — 

Andere linternehmungen für tie Entredungen in Afrika wurden in it 
legten Sigung der Geographical Society in London, am 9. Januar 1854, 
mitgetheilt, denen wir noch einige Aufmerkiamkeit zu fchenfen baben, zumal 
Briefe des Dr. E. ©. Irving an Dr. Sbam über feinen Reiferlan m 
die Nigergegenven. Er fagt: 

Ein neunjähriger Dienft an ber afrifanijchen Küfte, von denen er 4 Jahre 
an der Weſtküſte zubradhte, Hätten ihn zu feiner Unternehmung vorbereite. 
Im December 1852 ward er im engliihen Tienfte nach Abbeocuta geſandt, 
in Begleitung des älteren Dfficiers, Commander Koote. Das vortige Bell 
feßte ihn durch feine höhere Ausbildung, durch feine geiftigen Fähigkeiten, 
dur den Productenreihthum ſeines Landbaues in Erflaunm; vie Mamig⸗ 
faltigfeit vortiger Erzeugniſſe fchien ihm für ven Handelsverkehr mit England 
fehr vortheilhaft werden zu können, zumal durch Die Baumwolle, ein einhei⸗ 
miſches Gewächs, das von den Darubas mit großer Sorgfalt gebaut wird. 
Diefes Volk, an 3 Millionen Individuen, it ganz in Baummollenzeuge gefle 
det, die es felbit weht und verfertigt. (leber Yaruba und Abbeocuta |. 
Geogr. von Afrifa 217— 218. ©.) 

Bei feiner Rückkehr nach England theilte Ireing feine Erfahrungen ver 
Church Missionary Society mit; viele feiner mitgebrachten afrifanifchen Pro’ 
ducte erregten unter den Manufacturleuten große Aufmerffamfeit. Die Baum: 
wolle bewäßrte fich von jo guter Art, daß fle für die Fabrieation fehr nüf- 
lich werden Tann. Auch eine ganz neue Art von Seide, bie er mitgebradit, 


Neue Entvedungd- Unternehmungen in Afrika. 71 


erregte das Intereffe der erften Ionponer Kaufleute, und man wünfchte dar« 
über weitere Aufklärung. Er bot feine Dienfte zur Erforfchung der Länder 
zwifchen dem Niger, der Bucht von Benin und ver von ven Landers began⸗ 
genen Meiſeroute zwiſchen Badagry und Bouſſa au, welche, ein paar Stel 
len ausgenommen, bis zu denen auch Miffionare vorgedrungen waren, doch 
völlig unbekannt geblieben find. Diefer Plan wird nun zur Ausführung 
fomnen. Mr. Irving wird im Auftrage des Sir I. Graham und des Korb 
Glarendon als Agent zu feiner Station nach Daruba abgehen, wozu er mit allen 
Inſtrumenten zu Orts» und anderen Beobachtungen hinreichenn auögeftattet ift, 

Was nun die oben von Dr. Vogel berührte Nigerfahrt mit dem Schrau⸗ 
ben» Dampfichiff betrifft, fo gab darüber Mr. M'Gregor Laird näheren 
Aufſchluß. Dieſes Dampfichiff, welches ven Niger» und den Chadda⸗Strom 
aufwaͤrts zu fchiffen beſtimmt it, wird in Kurzem feinem Baue nach vollen- 
det fein. Das für die Chaddafahrt beſtimmte Schiff wird im März zur Abs 
fahrt bereit fein, jo Daß ed den Hauptarm des Nigerſtroms am 1. Juli vers 
lafien fann. Es wird von 3 auseinander zu nehmenden, aljo transportabeln, 
eifernen Booten begleitet fein, die 50 Buß lang und jedes an 8 Fuß breit, mit 
Negern bemannt, die oberen Theile des Flußlaufes zu erforfchen haben, und, 
wenn irgend ein Unfall das große Dampfichiff treffen ſollte, deſſen Dann 
fchaft ficher zur Inſel Fernando Po überfchiffen können. Die 3 Officiere, 
welche von der Upmiralität zu dieſer Exrpebition beflimmt find, werben im 
Boft- Padetboot den 25. Mai abgehen und das Fluß⸗Dampfſchiff in Fer⸗ 
nando del Po treffen. Auf diefem Schrauben» Dampfer werben fich nicht mehr, 
als 10 over 12 Europäer (die Aomiralitäts- DOfficiere eingefchloffen) befin⸗ 
den, und viefes find alled Männer von Erziehung und wiffenfchaftlichen 
Kenntniffen. Die Mannfchaft des Dampffchiffes und der Boote wird dagegen 
aud Negern beftehen, in Summa 80 bis 90 Mann. 

Das Dampfichiff, durch die Schraube getrieben, wird eine Geſchwindig⸗ 
feit von 10 Knoten erhalten, und mit 25 bis 30 Tage Kohlenvorrath (je 
den Tag zu 12 Stunden gerechnet) verfehen fein, was Hinreichen dürfte, daſſelbe 
schnell genug zu dem fchiffbaren Fluſſe des Chadda ohne den Aufenthalt, ver 
früher beim Holzhauen zum Feuermaterial fo nachtheilig war, zu bringen. — 
Bom 1. Juli an, fagt Herr M'Gregor Laird, rechne ich 75 Tage Anfteigen 
des Waflerd in den dortigen Strömen; es wird von den Befehlen ver Ad⸗ 
miralität abhängen, ob ver Aufenthalt der Schiffe noch über dieſe Periode 
hinausgehen fol. (Laird war mit Oldfield derjenige Europäer, welcher bisher 
am höchften den Niger von feiner Mündung an befuhr. ©.) 

Auch über die Erforichung einer Expedition in dem Außerften Süden 
Afrika's unter Mr. T. Baines, welche vom Gouverneur der Cap» Kolonie, 
General» Lieutenant Cathrart, in einem Schreiben beflrwortet wurde, gefchahe 
eine Mittheilung. 

Mr. Bained’ Plan iit von Grahams Town (alſo von der Südoſtgrenze 
gegen vie Kaffernfüfte) durch das britifche Gebiet norhwärtd fortzugehen, bie 


72 Ginige flatiflifche Angaben über London nach dem Cenſus von 1851. 


zu ben weftlichen Armen des Limpopo, deſſen Abflug an feiner fchmalften 
Stele in der Richtung des Großen See's zu überfeßen, dann einen ber 
von ven Lobales Bergen herablommenven Ströme zu verfolgen und auf ven 
größten Höhenzügen während ver wechfelnden Jahreszeiten jo weit als mög» 
lich gegen den Norven vorzudringen. Mr. Baines Aufſatz begleitete dieſen 
Plan und enthielt eine Nachricht über ven Lauf der Fluͤſſe in den nörblichen 
Theilen der Provinz der Orange Rivers und des Limpopo, von einem Mr. 
I. M’Cabe, ſowie über das Ländergebiet zwifchen dieſem legten Fluſſe und ber 
Delagoa-Bai von Mr. Eoqui. Außerdem waren vemfelben Zeichnungen und Ge: 
maͤlde beigegeben, welche die Lebensweiſe der Grenzbewohner zwifchen ven Be⸗ 
chuana und Kaffern, ihre Dörfer, zumal das Dorf des Gaika⸗Chefs Sandilli 
und Thaba⸗Unchu, auch die Stadt des Barolong⸗Chefs Maroko, fowie die Art 
des Reiſens, ver Kriegführung und des Jagdlebens, mit ven zahlreichen Heer 
den der wilden Thiere, welche die Ufer des Vaal⸗Fluſſes bevölkern, darſtel⸗ 
Im. Die Nachrichten Mr. Cabes von Limpopo begleitete eine nach vefien 
Mittheilungen gezeichnete Karte Arrowſmith's. 

Nach Mr. Bained fcheint die Annahme, als fließe der Limpopo in bie 
Delagon-Bai, zu voreilig gewefen zu fein, da Mr. Coqui von Origftabt, einer 
der bolländifchen Emigranten» Städte nach der Delagoa » Bai reifte und, wie er 
dafür hielt, alle Zweige des Manices Zluffes durchſetzt hatte. Ihm beflätigte 
in dieſer Anficht eine Karte des portugiefifchen Gouverneurs, nach welcher alle 
Duellen dieſes Fluſſes in dem Drakensberge entfpringen. Etwa 40 Mic 
vom Manice, innerhalb welches Raumes wohl ein großer Zufluß eintreten 
Eönnte, blieben allerdings noch zu bereifen übrig; aber auch die allgemeine Ans 
fiht der Emigranten» Unftenler ift die, daß der Limpopo, nachdem er dur 
die Drafensberge im Norden von Origſtadt vorübergefloflen, erft zu Inham⸗ 
bane (alfo viel weiter nörplich, unter dem Wendekreiſe) in das Meer einmünde. 

Ende Sanuar 1854. © Ritter. 


— — — — — 


Einige ſtatiſtiſche Angaben über London nach dem Cenſus 
von 1851. 


Der letzte Cenſus Großbritannien's iſt bekanntlich in einer hoͤchſt aus⸗ 
führlichen und genauen Weiſe ausgeführt worden. Ein Theil der dadurch 
gewonnenen Reſultate wurde im Anfange dieſes Jahres (1853) in drei dicken 
Foliobaͤnden veröffentlicht. Sie beziehen ſich lediglich auf das Duantum 
der Bevolkerung. Eine zweite Reihe der Cenſus⸗NActen, in welcher das Al⸗ 
ter, die Beſchaͤftigung, die Geburtsſtaͤtte ꝛc. einer jeden am 31. März 1851 in 
Großbritannien lebenden Perſon — Mann, Weib, Kind — dargelegt und zu 
jammengeftelt ift, wird vemmächft erfcheinen. Diefe Acten find von großem 
Werth und liefern hoͤchſt intereffante Auffchlüffe über vie Bevölkerung Groß⸗ 
britannien’d, und, da mir diefelben zur Gonftruction einer erläuternden Karte 


Einige ftatiftifche Angaben über London nach dem Cenſus von 1851. 73 


fo eben vorliegen, fo feheint e8 mir zweckmaͤßig, durch einige herauszuhebende 
Zahlen» Momente fchon jet die Aufmerfjamfeit darauf hinzulenfen. Ich will 
mich aber hierbei auf vie Metropole befchränfen, und wiederhole, daß die 
Angaben ſich auf das Jahr 1851 beziehen. 
Die Gefammt Bevölkerung London's betrug 
1,106558 männliche, 
2,362236 Perfonen, wovon 1.255678 weibliche, 
alfo 149120 weibliche mehr, als männliche. 

Betrachtet man das Alter viefer Bevölkerung, in Stufen von 5 zu 5 
Jahren, fo findet man, daß beiderlei Gefchlechter bis zum funfzehnten Sabre 
in Anzahl faft gleich find; von da an aber wird die Zahl des weiblichen Ges 
fchlechts mehr und mehr überwiegend, bis ſie in den höchſten Stufen faft 
das Doppelte im Vergleich zum männlichen erreicht, denn die Anzahl Perfos 
nen über 80 Jahr alt betrug im 

männlichen Gefchlecht 3062 
weiblichen ⸗ 6037 

Bon dieſen alten Männern waren 10, und von den alten Weibern 17 
über 100 Jahr alt. Es möchte ein nicht unintereffantes Schaufpiel fein, dieſe 
27 bunvertjährigen Londoner mit ihren Erinnerungen an einer und- berfelben 
Stelle vereinigt zu fehen. Eine Heine Gefelfchaft ift dies im Vergleich zu 
der am anderen Ende der Stufenleiter ſtehenden Zahl, wo wir nämlich 
293562 Kinder unter 5 Jahren finden. 

Das entfchievene Uebergewicht des weiblichen über das männliche Ge⸗ 
fchlecht in allen Altersftufen über 15 hinaus, bietet eine intereffante Aufs 
gabe für den Forſcher. Eng verbunden mit dieſem Punkt ift das Verhält⸗ 
niß der Wittwer und Wittwen. Es gab: 

37080 Wittwer, 

110076 Wittwen, 
aljo ungefähr drei Mal mehr Witwen, als Wittwer. Wie ift das zu erfläs 
ren? Weshalb bildet die verhältnigmäßige Mortalität einen folchen Contraft? 
Ein liebergewicht ver weiblichen Totals Bevölferung über die männliche Fönnte 
von Local⸗Verhaͤltniſſen berrühren, aber ein folcher frappanter Eontraft zwi⸗ 
ſchen Wittwern und Wittwen kann wohl nidyt dem allein zugefchrieben wer⸗ 
den. Man bat e3 nicht bloß angeveutet, ſondern mit Flaren dürren Worten 
mehr ald einmal gejagt, daß eine große Zahl der englifchen Chemänner fich 
zu Tode arbeite, während vie liebenswürbigen Ehebälften die Hände in den 
Schooß legten, ganz von Arbeit und fogar irgend einer nüßlichen Beichäfti- 
gung fich fern hielten und fomit vie Ehemänner überlebten. Leider geben 
hierüber die vorliegenden Tabellen Keinen fichern Aufſchluß. Sie liefern nur 
die genaue Zahl und Alter ver verfchievenen Gruppen. So 3.8. gab es 
fhon im jugendlichen 
Br 16 Wittwer, 
Alter von 15° bis 20 Jahren 48 Wittwen, 


74 Einige ftatiftifche Angaben über London nad) dem Genfus von 1851. 


die verhältnismäßig größte Anzahl jedoch in dem 
, one ur: 4871 Wittwer, 
Alter von 60 bis 65 Jahren, nämlich | 15207 Wittwen. 
Bon Verbeiratheten fanven fi) vor 399098 Chemänner, 409731 Eheweiber, 


unter im 

474 Chemänner, 

Alter von 15 bis 20 Jahren 3465 Ehefrauen, 

und von alle den vielen Ehepaaren erreichten bloß zwei ein Alter von mehr 
als 100 Jahren. 

Sodann ift in einer fehr überhäuften Tabelle das Alter aller verbeirathe- 
ten Perſonen vergeftalt zufammengeftellt, vaß man das beiderfeitige Alter al- 
ler Ehepaare Leicht überfehen kann. Dem Alter nach die meiſten unter ben 
etwa 400000 Londoner Ehepaaren, nämlid) 27774, waren Männer von 30 
his 35 Jahren und die Weiber von denfelben Alter. Sodann 26566 Ehepaare, 
wo Männer von 25 bis 30 Jahren an Weiber vom felben Alter, 22398 
Ehepaare, wo Männer von 35 bis 40 Jahren an Weibern von eben demſel⸗ 
ben Alter verbeirathet waren. 

Diefe Alterd= Gleichheit in den großen Zahlen der Ehepaare bleibt in- 
dei nicht purchgängig conjequent. So gab ed 1034 Ehemänner, deren Wei⸗ 
ber 15 Jahre Jünger waren. Ja e8 fanven fich zwei von 85 bi8 90 Iahren, deren 
Weiber blos 20 bis 25 Jahre alt waren, und fogar ein Mann von 70 bis 
75 Jahren, den ein Weib zugefelltt war, welches nur 16 Jahre zählte. Auf 
der anderen Seite gab es aber auch manche alte Weiber mit jungen Män- 
nern im Ehe⸗Verhaͤltniß: 

8095 Weiber zu 35 bis AO Jahren mit 5 Jahre jüngeren Männern 

300 ⸗ » 40 =» 45 = = 15 = ⸗ ⸗ 

15 = =» 455 => 50 = 5 = ⸗ ⸗ 
Ja eine Frau zu 65 bis 70 Jahren war ſogar mit einem Manne von nur 
20 bis 25 Jahren verehelicht, und eine von 95 bis 100 Jahren mit einem 
Mann von 60 bis 65. 

Es gab 25 Frauen von 16 Jahren und darunter. 

Was die Befchäftigung dieſer 24 Millionen anbelangt, fo heißt es zwar 
nach der vulgären Redensart, „daß die eine Hälfte London’ nicht wiſſe, was 
die andere Hälfte treibt oder thut, oder wie fie lebt“, doch Hat der würdige 
und emſige Registrator-General mit feiner Schaar von Affiftenten ven ge 
heinnißvollen Schleier gelüftet, und, außer einer unbedeutenden Zahl, meiſt 
Srauen, Hat er klar und deutlich in feinen Tabellen angegeben, wie ſich Je: 
dermann in Diefer Stadt befchäftigt. Da giebt ed dann von allen Profeſſio⸗ 
nen und anderen „befchäftigten ” Leuten, fo viel wie „Sand am Meer *. 

Zuerft die beiden allgemeinen Klaffen, Herren und Diener, ein Punkt, 
der bei Nichtbriten wohl der Beachtung werth ift, denn man fagt auf dieſer 
Seite des Continents oft, daß ver Reichthum einer Familie nad) ver Anzahl 


Einige flatififche Angaben über London nach dem Cenſus von 1851. 75 


der Bedienten zu ſchaͤtzen ſei, wie ed etwa an anderen Orten der Welt nach 
der Anzahl etwa — der Kameele gejchieht. Die Totale Anzahl der Dome» 
ftifen in London beträgt 217714, 
184786 weibliche, 
wovon ) 39928 männliche, 
beveutend mehr, ald Die Gefammt= Bevölkerung des Herzogthums Coburg: 
Gotha. 

Nimmt man die Durchfchnitts=« Summe ver jährlichen Befoldung der 
Domeftifen zu 20 £ an, was gewiß eher zu niedrig, als zu hoch ift, fo folgt, 
daß den Einwohnern London's die Bedienung wenigftend 2 Millionen Pfund 
Sterling oder gegen 15 Millionen Preugifche Thaler Foftet. 

Darunter jind aber die 36442 Wäfcherinnen und andere Abtheilungen 
sui generis nicht mit einbegriffen, und nur die Aufwärterinnen, „charwomen“, 
deren Anzahl 11570 ift, eine fir Diejenigen ſchreckensvolle Zahl, welche aus 
eigener Erfahrung die nähere Befannifchaft diefer im Allgemeinen nicht durch 
Ehrlichkeit, NeinlichFeit oder fonflige Tugenden vortheilhaft nudgezeichneten 
Klaffe gemacht Haben. 

Vertheitigt werden die 24 Millionen durch nur 12257 Soldaten und 
Invaliden. Bewacht werden fie durch 6367 Polizeiviener, welche letzte für 
ihre Töbliche und fchägbare Thätigfeit nicht felten von Mitgliedern der Diener: 
Schaft (184786, |. oben) durch unter dem Mantel der Dunkelheit zugefteckte 
gute Biſſen, Roaſtbeef's und vergleichen privatim belohnt werben. 

Gepredigt wird zu der Einwohnerjchaft durch 2393 Prediger und Pa— 
ftoren, während fie von 552 Doctoren (Physician), 3407 fogenannten Ghi- 
rurgen (Surgeon), — worunter viele echte Duadfalber —, und 932 in 
den Tabellen ald „andere medizinische Perfonen * angeführten, von Teiblichen 
Uebeln fich befreien zu Tafen fuchen. 3067 Apotheker forgen dafür, dag nie 
ein Mangel an Medizin ift. 

Gerathen London's Bewohner in Streit, fo warten fchon 5863 Advoca⸗ 
ten und andere gefeßfundige Menfchen, wie die Wölfe, fich varüberher zu ma— 
chen, um ihnen zu helfen, durch den Streit Hindurchzufommen. 

Zum Kaufmannd= und Handelöftande werden 39852 Perſonen (Hand- 
lungs⸗Commis find allein 19327) gerechnet. Davon finden fich aber viele 
Branchen auögefchloffen, die, fireng genommen, dahin gehören, als z. B.: 

Milhhändlr . . » . . 3938 
Gemüfebändler. . . -» . 3885 
Käfehändlr. . . . . . 2715 
Schhändler . . . . . 2571 
Geflügelfändlr . . . . 631 

Unter ven Gewerben und übrigen Geichyäftd- Branchen find folgende die 

vorzüglichften: 


76 Einige ſtatiſtiſche Angaben über London nach dem Cenſus von 1851. 





Tagelöhner . . . . . 50173 
„Porters“ (Boten, enfige u uf =. . . - 33214 
Shufle . ..» . ee. 30855 
Tiſchler. 00 na 23453 
Schneider . . - 22479 
Matroſen und andere zur Schifffahrt — Bao onen 18422 
Tapezierer u.f.w. . . .. 16314 
Schmiede und andere Gifenarbeiter 22 ee. 0. 15774 
Anſtreicher u.f.w. © © = 2 2 2 2 0. 15369 
Mauer. . . rn 13919 
Bäder » > 2 2 2 2 2 2 2 0. 11580 
Drude. » 2 2 2 2 2 2 ee ee. . 10365 
Fleiſcher . . . ... 9586 


Aus dieſer vorftchenben Tabelle erflebt man, daß bie Schneider und Schu: 
ſter von London beinahe der Zahl der Befammt- Bevölkerung von Schles⸗ 
wig⸗Holſtein gleich find. 

Auch die Jumeliere und Goldſchmiede find fehr zahlreich; fie betragen 
nänlich 7564 Individuen. 

Bon öffentlichen Häufern find befonders die Bierfchenfen, worin gewoͤhn⸗ 
lich aud) Schnaps und andere fpirituöfe Getränke gefchenkt werben, abermals ſehr 
zahlreich, wie aus ver Anzahl ver Bier⸗Schankwirthe, vie 6912 beträgt, er⸗ 
ſichtlich if. 

Maler und andere „Künftler" gab ed 2283, Schornfteinfeger 1179 ums 
„Wiffenichaftliche Leute“ nur 151° fürmahr eine geringe Zahl, wobei «# 
recht intereffant wäre, die Namen der letzten bemerkt zu finden. 

Der Unterricht ſcheint Bauptfächlich in den Händen des weiblichen Ge⸗ 
fchlecht8 zu Tiegen, wie aus ver folgenden Ueberficht hervorgeht: 


Schul=Lehrer 1804 | SchulsKebrerinnn . 4528 
Mufits Lehrer 1072 | WRufif»Lehrerinnen . 1124 
Andere Lehrer 1866 Andere Lehrerinnen. 1537 

Gouvernanten 5310 


| 

Total: männliche Lehrer 4742 | weibliche Lehrer . 12499 
Die vorhergehenden Zahlen, wo es nicht anders bemerft ift, beziehen fi 
auf das männliche Gefchlecht; unter dem weiblichen find nebft ven ſchon an- 
geführten Poſten die folgenden bemerlendwerth: 


Putzmacherinnen. . » 43928 
Nähterinnen . 21210 
Schneiverinnn . . . 8292 
Schnürleib- Sabrifantinnen 2466 
BlumensMacherinnen . . .. 2730 
Perfonen mit Seidenzeug befchäftigt .. 8277 


Einige ftatiflifche Angaben über London nach dem Cenſus von 1851. 77 


Diejenigen Londoner, die von ihren Vermögen, Leibrenten u. f. w. les 
ben, betragen: 
männlide . . . . 7940 
weiblihe . . . . 25929 


Total: 33869 Perfonen. 
Die Anzahl der Ausländer, nicht britifche Unterthanen, betrugen im 
Jahre 1851: 
Aus Europa: Seankreich ee ee. 9883 
Shwil. . 2 2 .2..2..85 
Spanin. » 2 2 2 0. .564 
Portugal . 2 2 2 202376 
Stalin . © 2 2 202. 1604 
Griehenlam . . . . .. 17 
Tri 2. 2 2 202000. 139 
Deutfhland . . 2... 9566 
Belgien . 2 2 70903 
Holland. . 2 2 2... 1930 
Dänemaf . . 2 2 2. .292 
Norwegen » 2 2 200. 922 
Shwmeen . » 2 2020. ..8335 
Rußlanı . 2. 2 2.2.1169 
Aus Afien: Pain . . . 2 2.2. 7 
Chin . 2. 2 202000 78 
Arabien. . ee i0 
Andere Bänder. 20. 40 
Aus Afrika: Egypten. 66 
Andere Länder. . . . . 114 
Aus Amerika: Bereinigte Staaten . . .. 1054 
Mein . . . ... 30 
Braſilien. 45 
Andere Staatenn..24341 
Nicht ſpecificirte Länder . . 94 


Total: 25674 
Außerdem giebt e& in London: 
Bit [BES | nf 

Blinde . 2 2 2 2 44111180 1125 2305 
Zaubflumme. . . en 783 542 1325 
Arme (in Arbeitspäufern) . >... | 9900 | 13099 | 22999 
Perfonen in Gefängnifien . 2 .2.2.1J5055 | 1133 | 688 
„ s Serenhäufern . . 1852 2309 4161 

⸗ ⸗GHospitaͤlern (die militairiſchen 
ausgefchlofien) . . - - . | 1779 1594 3373 


Noch muß bemerkt werden, das baflelbe Detail, wie für London, auch 
für ganz Großbritannien durchgeführt wurbe. AH. Petermaun. 


78 Zur Statifif der fremden Kulte in Rußland. 


Zur Statiftif der fremden Kulte in Rußland. 


Der neueſte NRechenfchaftd= Bericht über die fremden Kulte in Rußland 
(mit Ausschluß des Königreichd Polen und des Großfürſtenthums Finnland) 
für das Jahr 1851 ift am Sihluffe des vorigen Jahres aus dem Minifterio 
für Volfdaufflärung hervorgegangen. Cinige mir aus jenem wichtigen Do⸗ 
fumente von St. Petersburg zugegangene ftatiftiiche Notizen dürften wohl 
geeignet fein, ein allgemeines Interefie zu beanfpruchen, zumal es fich hier um 
diefelben religiöfen Tragen handelt, vie fo vielfach im eigenen Vaterland und 
in den ultramontanen Provinzen befprochen werben. 

Nach dem erwähnten Berichte belief fich an dem Schluffe des Jahres 
1851 die Gefammtzahl aller Belenner ver in Rußland nur tolerirten Reli: 
gionen auf etwas mehr als 94 Millionen (genau auf 9,510826), während 
fie zu Anfang des Jahres 1845 erft 8,673478, im Jahre 1835 nur 7,567000 
und im Jahre 1825 fogar nur 6,875000 Seelen betragen hatte. 

Seit dem Antrittöjahre ver Regierung des jetigen Kaiferd von Ruß⸗ 
land bi8 zum Beginne des jüngftverflofienen Jahres bat vie fremdländiſche 
Kirche demnach in Rußland einen Zuwachs von 2,635826 Bekennern erfah- 
ren, und es würde viefer Zuwachs fich noch um nahe an 200000 Confeſ⸗ 
fionsgenoffen beträchtlicher herausgeftelt Haben, wenn es nicht der ruſſiſchen 
Politik und Hierardyie gelungen wäre, dieſe Bekenner fremver Kulte ihrer 
Mutterfirche zu entfremven und für vie griechifch-orthonore Lehre zu ge 
winnen. 

Von ven oben angeführten 9,510826 gegenwärtig Unverögläubigen in 
Rußland bekannten ſich: 


zur roͤmiſch⸗ -atbolifchen Kirche . ... 2,994936 (1845: 2,722669), 
zur armenifch=Fatholifchen Kirche . . . 22253 ( = 20230), 
zur armenifch=gregorianifchen Kirche . . 372535 ( = 333668), 
zur lutheriſchen Kiche . . . . . . 1,836450 ( = 1,669500), 
zur reformirten Rice . > 2 2 2. 44590 ( = 40536), 
zur mubanıebanifchen Kirche. . . . . 2,557335 ( » 2,324850), 
zur bebräifchen Kirche. . - . 2... 1.266765 ( = 1,151605), 


zur lamaitifchen Kirche . . . 252776 ( = 229796), 
und zum Schamanenthum und anderen heid⸗ 

niſchen Kulten. 2 2.2. 4163186 ( » 175624). 

Kirchen, Bethäufer und Kapellen in allen dieſen Konfeffionen zählte man 

am Schluffe des Jahres 1851: 12288 (1845: 11421) und man fann dem⸗ 

nach gegenwärtig 775 (1845: 759) Belenner fremder Kulte auf ein gottts⸗ 

bienftliche® Gebäude rechnen. 
Bei weitem den größten Theil dieſer Kicchen befaßen die römifchen Ka⸗ 


Sigungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 79 


tholiten, nämlich 2400 (1845: 2291); fo wie ihnen auch die meiſten Kloͤ⸗ 
fter, 140 (1845: 139), in denen fich gegen 2000 (1845 etwas über 1900) 
Mönche und Normen befanden, zugehörten. Ihre Weltgeiftlichkeit zählte 1851: 
1710, 1845: 1689 Berfonen. 

Anlangend die anderen Confefitonen, fo erwähnen wir noch, daß die 
armenifch »gregorianifche GeiftlichFeit gegenwärtig aus 2350 (1845 aus 2247), 
die [utherifche aus 465 (1845 aud 442), die reformirte aus 35 (1845 aus 
32), die mubhamebanifche aus 19500 (1845 aus 18608), vie hebräifche aus 
1110 (1845 aud 1020), vie Iamaitifche aus 3700 (1845 aus 3655) und 
vie heidniſche aus 310 (1845 aus 346) Perſonen beftand. 

Die gregorianifchen Urmenier beſaßen 30 Klöfter mit 350 Mönchen und 
Nonnen. Die Zahl ihrer Klöfter Hatte fich gegen das Jahr 1845 nicht vers 
ändert, die Zahl ver Kloftergeiftlichen war aber um 39 Individuen gewachfen. 

Zur ortbodoren griechifchen Kirche wwaren im Jahre 1851 nahe an 10000 
römifche Katholifen und Proteftanten übergetreten (im Jahre 1844: 5468 Ka 
tholiten, 141 Proteftanten), während der Wechfel der Confeſſion innerhalb 
der Iegterwähnten Kirchen felbft nur ein äußerſt geringer war, da in Folge 
neuerer gefeglicher Beitimmungen ven Bekennern fremver Kulte ed aufs firengfte 
unterfagt ift, Profelyten zu machen und man jeden Uebertritt zu einer ande⸗ 
ven, als der „rechtgläubigen” Kirche, mit mißliebigen Blicken betrachtet. 

J. Altmann. 


Sitzung der Berliner Gefellichaft für Erdkunde 
am 7. Januar 1854. 


Herr Roſe berichtete über die Umgebungen des Thuner Seed, die er 
auf feiner letzten Reiſe im verflofienen Sommer befuchte, und mo er in ber 
nächften Umgebung des Sees manche anziehende Oertlichkeiten aufgefunden 
hatte, die außerhalb der Schweiz wenig bekannt find. So das liebliche Si⸗ 
griswil auf dem Höhenzuge des rechten Seeufers (2481’ über d. Meeresfl., 
775 üb. d. See), der aus den Gelänven des Kander⸗ und Simmenthales 
ftolz hervortritt. — Sigriswil, einer von Schmeizern vielbefuchten Sommer- 
frifche gegenüber, Tiegt noch höher auf dem linken Seeufer das reizende Aefchi, 
2700’ üb. d. Meeresfl. und auch mit noch audgedehnterer Ausficht. Bei ver am 
20. Aug. erfolgten Befteigung des Niefen fand ver Berichterftatter Schönen Wald, 
welcher ven Fuß vieles weithin in einem großen Theile der Schweiz fichtbaren 
Derges bedeckte, worauf der Weg auf Wiefenpfaden zu ven oberen Sennhütten 
geht, von denen man ziemlich fteil anfteigend in 2 Stunden ven Gipfel er- 
reicht. Die hohe und die freie Lage des Niefengipfeld gewährt dem Reiſenden 





80 Sigungäbericht ver Berliner geographifchen Gefellfchaft. 


den Genuß der berrlichften Naturanfchauungen, indem der Thuner nnd ber 
Brienzer See mit Interlakens dazwiſchen liegendem Böbelein, das freilich von 
bier aus geſehen nur einen unbebeutenden Raum einzunehmen fchien, ſich über⸗ 
fchauen ließen, während vor allen die Hochgebirge mit der fogenannten Frau 
(Blümlisalp) und der vom Wiloftrubel abfallende Näpligletfcher das Auge 
auf fich zogen. — Das herrſchende Geftein des Niefen ift thoniger Mergel- 
fchiefer (Fucoidenſandſtein? &.), der vorzugsweiſe die tiefere Maſſe bilvet, und 
Sanpfteintonglomerat (Bucoidenfanpftein? ©.) in der oberen. Erwähnenswerth 
find Mühlfteine, die feit mehreren Hundert Jahren in nicht unbebeutenver Zahl 
nach dem Gipfel des Niefen zu Liegen, ohne daß man veren Fertiger kennt. Sie 
haben, fo weit fie gefehen wurden, 4’ im Durchmefjer, waren fogenannte Laͤu⸗ 
fer und beſtanden aus Quarzkoͤrnern von der Größe einer Erbfe oder Bohne 
durch einen kalkhaltigen Sanpfteinfitt verbunden. — Die Flora des Niefen 
ift mehr oder weniger diejenige Flora, die fich in allen Alpen in einer Höhe 
von 4000 bis 7000’ wiederfindet, doch mit manchen feltenen Arten vereint. 
Obgleich der Sommer vorgerückt mar, blühte noch manche Pflanze, deren fich ver 
Berichterflatter erfreuen Fonnte. — Hierauf las Herr Ritter einen Bericht des 
Herren Cook, britifchen Eivilingenieurd über feine Ausmeſſung des Iſthums von 
Chiriqui in Central⸗America, und erläuterte denfelben durch 2 große von dem 
Verfaſſer an Ort und Stelle angefertigte Ichrreiche Panoramen des Quer⸗ 
ſchnitts des Iſthmus (der Vortrag wird in einem der nächften Hefte vollftän- 
dig mitgetheilt werden). — Demnächft berichtete Herr Trofchel aus Bonn 
über feine letzte im Herbſt des verflofienen Jahres mit Herrn Johannes Müller, 
behufs einer Unterfuchung bei Meffina von Fiſchen und anderen Meereöbe- 
wohnern nieverer Organifation unternommenen Heife nach Sicilien und ſchil⸗ 
derte befonderd die genannte Stadt, wo er Gelegenheit Hatte, vie Bevoͤl⸗ 
ferung an einem ver Hauptfefte zu ſehen. Hinſichtlich der altberüchtigten 
Scylla und Charybdis bemerkte der Vortragende, daß bei der Schlla fein 
Strudel wahrzunehmen fei, während an dem hohen Helfen ver Charybdis fich 
allerdings ein folcher wahrnehmen laſſe, was befonvers dann ver Ball fei, 
wenn die Strömungen wechjelten, was alle 6 Stunden gejchehe. Zum Schluß 
las Herr Ritter einen in dem Londoner Athenäum mitgetheilten Brief ver 
Heifenden, Frau Ida Pfeiffer, ven fie an Herrn A. Petermann zu London 
gerichtet, über ihre neueften Erfahrungen in Californien. 
Gumprecht. 


— — — — — — 





In. 
Die Savanefen'). 


— [m 


Uncivilifirt nach unferen Begriffen von menfchlicher Bildung, führt 
der Javanefe, ald echter Sohn der Natur und begeifterter Freund der 
Wildniß, ein den Wiffenfchaften und fchörfen Künften faft gänzlich frem- 
des Leben. In fortwährendem Kampfe mit den gefräßigen Ungeheuern 
der Wildniß fowohl, als mit einzelnen Nachbarftammen, Außerft genüg- 
fam in Speife und Tranf, aber kriegeriſch und beutefüchtig, ebenfo 
babjüchtig, als geizig, urfprünglich gutmüthig und fanft, einem überles 
genen Feinde gegenüber aber liftig und verfchlagen, als Sieger oft 
graufam und blutduͤrſtig, — fennt er nur zwei Hauptrichtungen ſei⸗ 
ner gewöhnlichen Thätigfeit: den Aderbau und den Krieg. Fremden 
Eindringlingen gegenüber fo oft und fo lange er fich Erfolg verfpricht, 
zu fletem Kampfe für feine Unabhängigfeit bereit, fügt er fich in wah- 
rer Sclavenfurht dem mit despotifcher Strenge herrjchenden Ober⸗ 
haupte feines Stammes. 

Der Javanefe gehört der malaiifchen Menfchenrace an, fteht, was 
Größe und Umfang des Körperbaues anbelangt, dem Europäer und 
Ehinefen nad, ift zierlicher als dieſe gebaut, ſchoͤn gewachſen und von 
brauner Hautfarbe. 

Die Religion, zu der fih die Bevölkerung Java’ vor der Ent- 
ſtehung des muhamedanifchen Glaubens befannte, war, des einzigen 


2) Vorſtehender Auffag aus dem Tagebuche eines geborenen Deutfchen, welcher 
lange Zeit als Officier in nieverländifchen Dienften auf Sava ſtand, ift mir zur Bes 
nutzung für die Zeitfchrift mitgetheilt worben. Gumprecht. 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 6 





82 Die Iavanefen. 


Werkes einheimifcher Literatur, einer gegenwärtig noch eriftirenden My⸗ 
thologie zufolge, die heibnifche. Seit Jahrhunderten aber durch ven 
gewaltfam vorfchreitenden Muhamedanismus gänzlich verdrängt, befun- 
den heute nur noch die Ruinen zahlreicher, der Sage nad von Hin- 
du's errichteter Tempel, fowie das erwähnte Schriftwerf ihr ehemali- 
ges, bei der jegigen Berölferung ganz in Bergeffenheit gerathenes 
Dafein. 

Gegenwärtig dem Muhamedanismus ergeben, hält er an demſel⸗ 
ben mit unglaublicher Zühigfeit feft, und wie günftig auch immer der 
Hortjchritt des Chriſtenthums in DOftindien gefchilvert werden mag, fo 
fann man, wenn man wahrheitögetreu berichten will, nur fagen, daß 
Java gerade zu den Punkten gehört, wo dad Kreuz, ald Wahrzeichen 
des herrfchenden Ehriftenthums, den Bemühungen frommer Mifftonare 
zum Trotz noch lange nicht feften Boden gewinnen wird. 

In teaulihen Gefprächen von mir befragt, warum das Chriften- 
thum bei der Bevölferung auf Java fo ſchwer Eingang finde, haben 
mir einfichtsvolle Javanefen wiederholt zur Antwort gegeben: „Warum 
follten wir denn unferen alten Glauben verlaffen und Chriſten wer: 
den? Ueberall wo der Drang putti, der weiße Mann — (bier gleich 
bedeutend mit dem Worte „Ehrift”) — hinfonmt, geht Treue, Glaube 
und Zuverläffigfeit verloren. Anmaßung, Trunffucht, Unfittlichkeit, Hab- 
ſucht, Heuchelei und Gewaltthatigfeit folgen ihn auf dem Fuße nad, 
um fih überall, wo er fich niederlüßt, auch einzubürgern. Glaubt «8, 
wir find beffere Menfchen ald Ihr!“ 

Das Zeugniß, welches fie fich felbft gaben, muß ich als Chriſt 
nah einem langjährigen Aufenthalte auf Java, wenn ich gerecht fein 
will, beftätigen. Mag immerhin der Diebftahl das Gewiflen des Jar 
vanefen wenig beläftigen, die Handlungsweife des chriftlichen Euro: 
päers ift leider auch nur zu oft der Art, daß letzter dem Javaneſen 
in dieſer Gewiffensfache feinen Vorwurf zu machen berechtigt ift. Wahr 
ift es ferner, daß überall, wo Guropäer in größerer Menge, wie zu 
Samarang u. ſ. w. fich niedergelaffen haben, die den Javaneſen ur: 
ſprunglich eigene Biederkeit und Gutmuͤthigkeit mit jedem Jahrzehnd 
immer mehr verloren geht, und Habſucht, Unſittlichkeit und fonftige im 
Gefolge der Eivilifation befindliche Intugenden an ihre Stelle treten. 

Dem befonnenen, in Allem überlegten Javanefen, der gern denft 








Die Iavanefen. 83 


und den übereilten, oft ohne Ueberlegung ſprechenden und denkenden 
Europäer mitleivig belächelt, kann dieſer ungünftige Umſchwung der 
Dinge nicht entgehen. Unkundig der Sprachen und Schriftzeichen, in 
welchen das heilige Buch der Ehriften, die Bibel, gedruckt erjcheint, be: 
urtheilt er den chriftlichen Glauben nach feinen Befennern, die nad 
meinen Beobachtungen hier zu Lande fich eben nicht fehr durch einen 
echt chriftlichen LXebenswandel auszeichnen. 

Nächftvem mögen wohl treue Anhänglichfeit an das Altherfömm: 
liche, von den Eltern auf Kinder und Kindesfinder Meberbrachte, fowie 
ein erfichtliher Mangel an eigener religiöfer Tiefe, die Hauptmotive 
der Feftigfeit und Unwandelbarkeit des Javanefen in diefer Beziehung 
ausmachen. 

Sein ganzer Gottesdienft bejchranft fich eigentlih nur auf Beob- 
achtung gewiffer Formen. Häufiges Beten und Wallfahrten gehört zu 
feinen Gewohnheiten eben nicht. PBriefter und Große pflegen nur den 
Hreitag als muhamedanifchen Sabbath zu feiern. Der gewöhnliche Ja⸗ 
vanefe feiert höchftens den Vorabend defielben, den Abend des Don- 
nerftage, durch eine gewifle feierliche Ruhe und Enthaltfamfeit von 
allerlei Luftbarfeiten. 

Um fo allgemeiner ift dagegen die firenge Beachtung der Puaſſa, 
der muhamedanifchen Faftenzeit, vom reichften Javanefen an bis zum 
ärmften Kulie (dem javanefifchen Tagelöhner) hinab. Vom Aufgange 
der Sonne an bis zum Untergange derfelben, alſo von 6 Uhr des Mor: 
gend bis 6 Uhr des Abends, ißt und trinkt der Javaneſe während dies 
fer einen ganzen Monat dauernden Faftenzeit nichts. Ja, er geht in 
der Enthaltſamkeits⸗Uebung fogar fo weit, daß er felbit feinem Lieb- 
Iingsgenuffe, um deſſen Willen er gern hungern und durften würbe, 
nämlich dem Ciri- oder Betelfauen, in diefer Zeit, fo lange als die 
Sonne am Himmeldgewölbe zu fehen ift, entjagt. 

Daß bei einem zwölfftündigen fo ftrengen Faſten und gleichzeiti: 
ger ungefchmälerter Arbeit viele IJavanefen erkranken, bleih und ma: 
ger werden und auffallende Zeichen geftörter Verdauung, 3. B. einen 
überaus unangenehmen Geruch aus dem Munde während der Puafja 
jeigen, wird man um fo mehr begreiflid finden, wenn man ber tros 
pifchen Hige und deren enormen Einwirkung auf den menſchlichen Kör⸗ 
per bie gebührende Rechnung zu tragen weiß. 

6 * 


84 Die Javaneſen. 


Diefe peinliche Baftenzeit endet mit dem Neujahrstage, dem ein- 
zigen religiöfen Feſttage, an welchem öffentlicher Gottesdienſt ftattfin- 
det. Die eigentliche Feier des Tages beiteht daher auch im Befuche 
des Miſſigiet's (Tempeld) und der Kubur (Gräber). 

Geburten und Sterbefälle, fowie die Genefung von einer ſchwe⸗ 
ren Krankheit, böfe Träume und andere nach der Meinung des Javas 
nejen Unglüd verfündende Zufälligfeiten geben in engeren Kreifen 
häufig Beranlaffung zu Ledeka's (Betftunden) und feftlichen Mahlzei⸗ 
ten, welche legte mit dem frommen Gebete eines Priefterd beginnen. 

Mit großer Gewifienhaftigfeit meidet er, den Vorfchriften des Ko: 
ran gemäß, alle Arten geiftiger Getränke, fowie den Genuß des Schweine, 
fleifches. Einige aufgeflärte Häuptlinge haben es zwar bei feftlichen, 
von Europäern veranftalteten Gelagen bisweilen nicht verfehmäht, ein 
Glas Wein zu trinken; fie bildeten aber eine fo feltene Ausnahme, daß 
man diefen Vorfall kaum erwähnenswerth nennen Tann. 

Wie ftreng verpönt aber der Genuß des Schweinefleifches ift, 
wird folgendes, thatfächlich von mir Erfebte am fchlagendften beweifen. 
So oft nämlidy bei einem gemeinfchaftlichen Feftmahle im Kriege auf 
Java ein Schinfen auf den Tifh Fam, verabfäumte der Regent von 
Pagal, Bangerang Aria Rora Ragara, ein aufgellärter Muhamedaner 
und unfer gewöhnlicher Gaſt, es nie, zu feinem bei Auftragung ber 
Speifen behilflihen Banafawang (Gefolge) auf den Schinken zeigend 
zu fagen: itu bukan babi, te tapi Ham (das ift fein Schweine 
fleifh, das iſt Schinken) ). 

Die Kleidung des Javanefen ift überaus einfach und praftifch. 
Bon frühefter Jugend auf an Ertragung Himatifcher Einflüffe gewöhnt, 
fühlt er ein wirkliches Beduͤrfniß, feinen Körper mit kleidbaren Stofs 
fen zu umhüllen, wenig oder gar nicht. Das urjächliche Moment ſich 
zu befleiven, geht bei ihn nur aus einem gewiſſen Schaamhaftigfeitöges 
fühl, woran fich erſt Die Putzſucht als gewöhnlicher Appendir anreiht, hervor. 

Der ganz arme Kulie (Tagelöhner) pflegt deshalb auch nur ein 
kurzes, von den Hüften bis an die Lenden reichendes Beinkleid und 
als unterfcheidendes, nur dem Manne gebührendes Merkmal ein Kopf: 
tuch zu tragen. Lebtes fchlägt er in feiner Diagonale von einem Zi 
pfel zum anderen derartig zufammen, daß beide Hälften des Tuches 


) &in Seitenftäd zu der befannten Anficht der Türken über den Champagner. ©. 





Die Iavanefen. 85 


genau auf einander zu liegen kommen. Iſt dieſes gefchehen, fo rafft 
er das fo zurechigelegte Tuch an der Diagonalfeite faltig zufammen 
und bindet e8 dergeftalt mitten um den Kopf, daß die beiden fich decken⸗ 
den Zipfel nach unten, dem Naden zu, hängen, umfchlägt alsdann die 
Enden der Diagonalfeite vorn an der Stirn ganz fo, als ob er einen 
Knoten zu fchürzen gebächte, ftedt fie aber, ohne den legten zu bilden, 
unter das fett am Kopf anliegende Tuch zu beiden Seiten mit folcher 
Geſchicklichkeit, daß er des Knotens gar nicht erft bedarf. 

Nach diefer Vorfehrung erfaßt er den vom Hinterhaupte nach dem 
Naden herabhängenden doppelten Tuchzipfel und zieht ihn in ſenkrech⸗ 
ter Richtung ftraff empor. Da nun diefer doppelte Zipfel nach vorn 
durch die langen, auf dem Kopfe baufchig zufammengelegten Haare 
geftügt, in ziemlich gerader Richtung nach oben erhalten wird, fo ge: 
winnt dieſer einfache Kopfpuß viel Achnlichkeit mit einer Grenadier⸗ 
Parademüge, deren vordere hohe Seite nach hinten gewendet iſt. 

Wohlhabendere tragen, je nachdem es ihre Mittel gerade geftat- 
ten, einen fürzeren oder längeren Sarong, von gröberem oder feinerem 
Stoffe gefertigt. Der Sarong felbft hat eine fadartige Form, iſt un- 
ten und oben offen und überall gleich weit. Er dient dazu, den Kör- 
per von der Bruft an bis an die Knie oder auch bis an die Knöchel 
zu bededen. 

Ohne Schlis, ohne Band, ohne Hafen und ohne Nadeln wird er 
beim Anziehen, wie ein an beiden Enden offener Sad, übergeworfen 
und, wenn Kopf und Arme fich hervorgearbeitet haben, aljo frei ge 
worden find, nach vorn oben an der Bruft zufammengerafft und auf 
eine höchft finnige Welfe durch wiederholtes Umfchlagen des oberen 
Randes feftgefchürzt. 

Auf Java felbft, und zwar von Frauen gefertigt, ift der Sarong 
am häufigften aus baummollenem, bisweilen aber auch aus fchwerem 
feidenen Stoffe gewebt und von verfchiedener Färbung und Mufter. 

Wohlhabende Javaneſen in den Städten, wie Samarang und Ba- 
tavia, tragen außer dem Sarong auch wohl noch eine an den Ober: 
förper eng anfchließende Jade, Badju genannt. Sie ift meift von 
Kattun. Nur bei größeren Beftlichfeiten tragen reiche Javaneſen Bad⸗ 
ju's von Seide, Sammetmanchefter oder Tuch. An Stelle der Badju 
trägt man wohl auch die malalifche Kabaya, ein Kleibungsftüd, welches 


86 Die Javanefen. 


die Form eined Hemdes hat, gewöhnlich von recht buntfarbigem Kat: 
tun ift und durch einen Gürtel um den Leib zufammengehalten wird. 

Ungleich häufiger jedoch, al8 des Badju und der Kabaya, bedienen 
fih wohlhabende javanefifche Frauen und Mädchen zur Umhullung Des 
oberen, vom Sarong unbevedt bleibenden Ruͤckens und Bufens des 
Elendang, eines langen ſchmalen Shawls, welcher bald von geringe: 
rem, bald von höherem Werthe, um Bruft, Rüden und Naden mit 
zierlicher Nachläffigkeit geſchlungen wird. 

Fußbedeckung fermt man im Allgemeinen ſehr wenig. Der Kulie 
bindet fi nur dann, wenn er viel zu laufen hat, ein einfaches Stüd 
Büffelfell unter die Füße. Für gewöhnlich geht er, ebenfo wie die 
wohlhabendere Klaffe, mit Ausnahme der Prieſter, welche beſſer berei- 
tete Sandalen zu tragen pflegen, barfuß. 

Größere Häuptlinge tragen zwar Pantoffeln oder wohl gar euro: 
päifche Schuhe; ihre Anzahl iſt jedoch jo gering, daß fie in Hinficht 
diefer Abweichung vom Allgemeinen faum erwähnt zu werden ver: 
dienen. 

Beide Gefchlechter (Männer, wie Frauen) laffen ihr fehönes, did; 
tes, pechfchwarzes Haar lang wachſen. Die Männer wideln es mit: 
ten auf dem Hirnfchädel bauſchig zuſammen und bergen ed unter dem 
bereitd angegebenen Kopftuche. Die Frauen wenden in Ermangelung 
des legten ſchon größere Sorgfalt auf die Vereinigung des Haares. 
Sie fügen es fogar häufig recht funftvoll zuſammen und ſchmücken «6 
mit wohlriechenden Blumen und foftbaren Nadeln von Gold und 
Brillanten. 

Ihre von Haus aus fehr fchönen weißen Zähne fchleifen fie ſich 
ganz platt ab. Die für jchön geltenden ftummelartigen Ueberreſte wer: 
den durch das viele Ciri- oder Betelfauen braun und entftellt. 

Die Lebensweiſe Des Javaneſen ift überaus einfach und geregelt. 
Er fteht in der Regel früh auf, pflegt fich gleich nach dem Aufftchen 
im Sluffe zu baden oder mit Brunnenwafjer zu begießen und bald dar— 
auf das gewöhnlih nur aus Naffi Cd. h. gefochtem Reis) und aus 
Sayor, einem pulverartigen Gemifch aus Salz, Tamarinden und fpe- 
nifchem Pfeffer beftehende Fruͤhſtuͤck einzunehmen. 

Nah dem Frühftüd beginnt die Arbeitszeit, welche des Morgens 
bis 11 Uhr und des Nachmittags von 1 bis 5 Uhr dauert. Die Zwis 





Die Javanefen. 87 


fehenzeit von 11 bis 1 Uhr wird theild mit dem Mittagbrote, theils 
mit Schlafen verbracht. Gegen Sonnenuntergang, alfo um 6 Uhr 
des Abends, pflegt der Javaneje feine lebte Mahlzeit zu fich zu 
nehmen. 

Er geht im Allgemeinen gern früh zu Bett und liebt e8 an recht 
fuftigen Orten zu fchlafen. 

Arme, vom Tagelohn lebende Javanefen fehlafen in Städten und 
folchen Kampong’s, wo fie feinen Ueberfall von Seiten der hier häufi- 
gen Tiger und amberer gefährlicher Ungeheuer zu befürchten haben, 
oft unter dem erften beften offenen Schuppen, unter einem Ballon, ja 
wohl gar unter freiem Himmel. Durch feine einfache Baftmatte vor 
den gröbften tellurifchen Einflüffen gefchüst, bietet er unbedeckt dem 
für den Europäer im Süden fo fehr gefährlichen Monpfchein vollfon- 
men Trotz. 

Seine Wohnung befchyränft fi) auf das einfachfte, allernothwen⸗ 
digfte Obdach, das er fih in Ermangelung eiferner Nägel, Hafen, 
Bänder und Schlöffer, fowie der zum Sägen und Hobeln erforberli- 
hen Inftrumente, aus Bambusftämmen und Bambusrohr hoͤchſt ges 
ihidt zufammenfügt und wo möglich mit einem folchen dichten Zaune 
umgiebt. 

Da nun aber der Javanefe die gefellige Vereinigung mit befreumn- 
deten Stammesgenoffen fehr liebt und nur, wenn es die Verhältniſſe 
bedingen, in einfamer Abgefchloffenheit lebt, fo pflegt ein hoher Zaun 
in der Regel mehrere Häufer, ja wohl gar ein ganzes Dorf (Kanı- 
pong), zu umfchließen. 

Diefer Zaun ſchützt die Bewohner eines Hauſes oder Dorfes, 
jo wie deren Vieh vor raubgierigen Tigern, die namentlich zur Nacht 
zeit bewohnte Orte beutefüchtig umfchleichen. Gleichzeitig fchüst er 
auch vor feindlichen Weberrumpelungen und bildet, namentlich bei 
größeren Kampong's oder Dörfern, eine oft faum zu überwindende 
Schutwehr. 

Er wird gewöhnlich aus ftarfen Bambusftimmen, weldye in bes 
feftigten Kampong's auf einem hohen Erdwalle pallifadenartig anein- 
andergefügt und nach außen hin mit ftachligem, unzugäanglichem Strauch⸗ 
werfe umpflanzt find, gebildet. Gewöhnlich ift der Zaun, mit ober 
ohne Erdwall, an zwei Stellen durch eine enge, leicht verfchließbare 





88 Die Javaneſen. 


Pforte, zu welcher von außerhalb her fehmale, für Vereinzeltgehende 
nur eingerichtete Fußwege führen, durchbrochen. 

Auf ſolche Weife wird bei dem üppigen Gedeihen der Pflanzen⸗ 
welt auf Java die Weberwachung und Bertheidigung eines ziemlich 
umfangreichen Dorfed an und für ſich ſchon außerordentlich leicht. 

Zur flärferen Befeftigung ded Kampong’8 wird aber häufig die 
äußere Umgebung deſſelben in größerer oder geringerer Entfernung 
noch mit Borang's bepflanzt. Dies find fehr flarfe Bambusftäbe, 
welche, nachdem fie feft in die Erde getrieben worben find, oben ver: 
fohlt und zugefpigt werden. Sie ragen, je nachdem fie auf freier Eric 
oder im Grafe, oder im Geſträuch angebracht find, mehr oder weni- 
ger über den Boden hervor und gehören zu den gefährlichfien Ber: 
theidigungsmitteln. Die Fürzeren dringen mit Leichtigfeit durch die 
dickſte Stiefelfohle hindurch, während man beim Vorbringen im Graje 
oder im Gebüfch leicht über die längeren ftolpert und ſich auffpießt. 
Mit diefer gefährlichen Eigenfchaft verbinden fie eine zweite noch fchlim- 
mere, naͤmlich die Erzeugung höchft bösartiger, fchiver heilender Wun⸗ 
den. Letztes mag feine Begründung in dem unvermeidlichen Jurüdbleiben 
des Kohlennatron (falireihen Kohle? &.) von der gebrannten Bambusfpige 
beim Herausziehen der lebten aus dem verwundeten Körpertheile finden. 

Die Säuberung eines mit Borang’s bepflanzten Terrains ift mit 
namenlofer Mühe verknüpft, außerordentlidy zeitraubend, in manchen Ge⸗ 
genden fogar nur theilweije oder aud) gar nicht möglich. Die Befeitigung 
folcher Borang’8 kann, da fie außerordentlich feſt in die Erde eingefeilt 
werden und nach der Spige zu durch das Verfohlen ded Bambus eine 
ungewöhnliche Härte erlangen, allein durch Abhauen eines jeden einzel- 
nen Borang’d ermöglicht werden. 

Kleinere Kampong's find gewöhnlich nur mit einem einfachen, aber 
hohen Bambuszaune umgeben. Einzeln ftehende Häufer dagegen find 
oft ganz frei, ohne jede Umzäunung. 

Sämmtlidyes Material, deffen der Javanefe zur Errichtung feines 
Haufes bedarf, befteht aus Bambusftämmen, Bambusrohr, ſtarken ſchnur⸗ 
artigen, aus Bambus gefertigten Faͤden, Atap oder Nipahblättern und 
Rohrmatten. Kein einziger Nagel, Hafen, fein Schloß oder Riegel, 
Haspe oder Klammer von Eifen oder anderem Metall ift an dem 
ganzen Haufe wahrzunehmen. 





Die Iavanefen. 89 


Eben fo einfah, wie das Material, woraus der Javaneſe fein 
Haus bauf, find die Inftrumente, deren er ſich bei der Zuberei- 
tung ded Materials, fowie bei defien Zufammenfügen bedient. Sein 
Hadmefier, Gollok, das er beftändig bei fich trägt und zu den vers 
jchiedenartigften häuslichen Verrichtungen fowohl, wie zur Bertheidigung 
benugt, und ein Kleines Mefjer, Gollok kitjil, machen fein ganzes, zur 
Errichtung eines Hauſes erforderliches Werkzeug aus, 

Die Form des Haufes ift gewöhnlich die eines länglichen Vier: 
eds. Sechs ftarfe Stämme von Bambus, bisweilen auch von Kofus- 
nußbäumen, von denen an jeder Ede des Haufes fich einer befindet, 
während Die übrigen zwei zu Thürpfeilern dienen, geben im Verein mit 
duͤnneren, pfahlartigen Strebepfeilern, auf welchen der 5 bis 6 Fuß 
über der Erde erhabene Fußboden des Haufes ruht, dem Haufe felbft 
den Haupthalt. Die Wände des Haufes, fowie fein Fußboden, wer: 
den aus dicht an einander befeftigten Bambusftämmen gebilvet. Zwei 
diefer Wände laufen giebelartig zu; e8 find dies die kurzen oder ſchmaͤ⸗ 
leren Seiten des länglichen Vierecks. 

An einer von den breiteren befindet fich der Eingang zum Haufe, 
die Thüre, und rechts und links neben derfelben eine fenfterartige Rufe. 
Die eigentliche, den Eingang verfchließende Thüre gleicht einer aus 
Bambus zufammengefehten Kleinen Wand, welche fih nach Belieben 
vor den Eingang oder von dieſem hinweg feitwärts ſchieben läßt. In 
ihrer Mitte ift ein aus Bambusrohr geflochtener Ring zur Aufnahme 
eines die Thüre an den Eingang befeftigenden Bambusftabes ans 
gebracht. 

Ganz in diefer Art werden die Lieder, welche die Lufen verfchlies 
Ben, angefertigt, nur mit dem Unterfchiede, daß fie viel Kleiner find 
und, da fie an ihrem oberen Rande befeftigt werben, fich nicht feitwärts 
fhieben lafjen, vielmehr vermittelft eines Stabes, wie eine fenfrecht 
haͤngende Fallthuͤre, beim Oeffnen geftügt werden müffen. 

Außer den beiden an der Thürfeite des Hauſes befindlichen Lufen 
find bisweilen an den anderen Seiten des Hauſes noch zwei bis drei 
jolcher Luken angebracht. 

In dem einen der beiden von der Thüre fchrägüber gelegenen 
Winfeln des Wohnzimmers oder inneren Raumes des Hauſes befindet fich 
ein Zeuerheerd, der aus einem durch Bambusſtaͤmme gebildeten und innen 


90 Die Iayanefen. 


mit lehmigter Erde angefüllten länglich=vieredigen, 5 bis 6 Fuß lan- 
gen und 3 bis A Fuß breiten Kaften befteht, angebracht. “Drei große 
auf dem Heerde befindliche Steine bilden den Dreifuß, auf welchen die 
zur Zubereitung der Speifen beflimmten Gefäße geftellt werden. “Bei 
diefer einfachen Gonftruction des Feuerheerdes iſt das häufige und 
ftarfe Anfchlagen der Flamme an die hölzerne Wandung des Haufes 
unvermeidlich. Für den Europäer ift dies eine Angftlihe, Beforgniß 
erregende Erjcheinung. Der Eingeborene bleibt jedoch dabei ganz ru⸗ 
big, denn, fo wenig ich e8 auch unter ſolchen Umftänden zu begreifen 
vermag, fo ift e8 doch eine vielfach beftätigte Thatfache, daß das Ab- 
brennen eined Haufes durch Bahrläffigfeit zu den größten Seltenheis 
ten gehört. 

Der Rauch des Feuers muß fich in Ermangelung einer eigends 
dazu beftimmten Deffnung feinen Weg felbft bahnen. Er dringt in 
Folge des durch fteted Dffenftehen der Thüre hervorgerufenen Luftzuges 
in der Regel ohne zu belaͤſtigen, mit großer Leichtigkeit zwifchen den 
Dachblättern Hindurd). 

Die zur Beftelung der Küche erforderlichen Geräthichaften des 
Javaneſen zeichnen fich nicht minder durch ihre geringe Anzahl, als 
durch eine außerorventliche Einfachheit aus. Eine eiferne Pfanne und 
einige wenige irdene Töpfe, ein Reibeeifen, Löffel von Kokusnußſchale 
und einige zum Zerreiben der Gewürze paffende Steine pflegen in ber 
Regel den Geſammtvorrath des Javanefen an Kochgeſchirr auszu⸗ 
machen. 

Der eifernen Pfanne, die ich in dem Kriege auf Java felbft in 
den entlegenften Ortfchaften im Binnenlande vorgefunden habe, bedient 
man fich fowohl zur Anfertigung der Speifen, ald zur Bereitung des 
Salzes, das man durch einfaches Verdampfen des Seewaſſers fich zu 
verfchaffen weiß. 

Die irdenen, nicht Hohen Töpfe werben theild bei der Zuberei- 
tung der Speifen, namentlich des Neis, theild zum Schöpfen und Auf 
bewahren des Waſſers in Gebrauch gezogen. Sie zeichnen ſich durch 
eine eigenthümliche Form aus, find unten breit, laufen oben in einen 
engen Hald mit breiter Randmündung aus und haben feine Hentel. 
Sie müfjen demzufolge bei ihrer Benugung mit beiden Händen oben 
am Halfe oder an deſſen Rande angefaßt werden. Während dem Kochen 





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Die Javaneſen. 91 


ruhen fie auf den die Stelle des eijernen Dreifußes vertretenden Stei- 
nen auf dem Yeuerheerbe. 

Mehr bemittelte Iavanefen befinden fi auch häufig im Befige 
eines oder mehrerer Fupferner Töpfe, denen fie, fofern es ihre Mittel 
erlauben, den Vorzug vor den irdenen Töpfen geben. 

In den Befiß der eifernen Pfanne und Fupfernen Töpfe gelangt 
der Bewohner des Binnenlandes von Java gewöhnlich durch Taufch 
oder Kauf. Die irvenen Gefüße, fowie das Neibeifen und die Löffel 
von Kofusnuß macht er fich allein. Es lafien die legten, was Zier: 
lichfeit und Form der Ausführung anbelangt, allerdings häufig etwas zu 
wünfchen übrig; ihren Zwed erfüllen fie jedoch vollfommen. 

Das Reibeifen, deſſen fie fich fat ausfchlieglich zum Reiben des 
Kokusnußkerns und des Dingding bedienen, befleht aus einem unge- 
fahr 12 Zoll langen und 6 Zoll breiten, mit kurzen Drahtftiften be- 
pflanzten Brettchen, das große Achnlichkeit mit unferer Flachshechel 
befißt. 

Von den zum Zerreiben der Gewürze beftimmten Steinen ift der 
eine mörferartig ausgehöhlt, während der andere mehr die Form einer 
Reibekeule befikt. 

Der andere, ſchräg über von der Thüre gelegene Winfel dient 
zur Schlummerftätte, die aus nichts weiterem, als aus einer dünnen 
Rohrmatte und einer aus gewebten oder geflochtenem Stoffe gefertig- 
ten, innen mit Baumwolle ausgeftopften Kleinen Rolle, worauf der Kopf 
ruht, befteht, Bei Ausfütterung diefer Schlummerrolle giebt der Java- 
nefe dem Kappof, einer Baummollenart, welche von einem hohen, gur: 
fenförmige und herabhängende Früchte tragenden Baume gewonnen wird, 
ven Vorzug. Sie unterfcheidet ſich von der gewöhnlich im Handel vor: 
fommenden Baummolle dadurch, daß fie elaftifcher ift, wie dieſe, Der 
Kürze ihrer Fäden wegen aber fich weniger zum Spinnen und We: 
ben eignet. 

Eine Dede zur Einhüllung des Körpers Fennt der Javanefe nicht. 
Fuͤhlt er jemald das Bedürfniß, fich ftärfer zu bededen, fo fehürzt er 
fein einfaches, von der Bruft bis über die Knie herabreichendes fad- 
förmige8 Kleivungsftüd (Sarong), welches er des Abends beim Schla- 
fengehen nicht ablegt, oben an der Bruft auf und zieht es fadartig 
bis über die Schultern. 





92 Die Iavanefen. 


Bei einigermaßen bemittelten Javaneſen ift diefer zur Schlafftätte 
beftimmte Winkel des Haufes durch einen Fattunenen Vorhang abge 
fperrt. In den Wohnungen der Aermeren dagegen wird er als fol 
cher nur durch die Anmefenheit der um die Schlummerrolle gewidel« 
ten Matte bezeichnet. 

Der Fußboden und die Wande des Haufes beftehen aus Dicht 
an einander befeitigten Bambusftämmen, nur mit dem Unterſchiede, 
daß die Bambusftämme der Wand entweder ganz frei daliegen, oder 
höchſtens mit Balmenblättern einfach bekleidet werden, während die den 
Fußboden bildenden mit einer großen, über dad ganze Zimmer reichen: 
den Rohrmatte bededt find. 

Das Dach des Hauſes läuft ziemlich ſpitz zu, ragt ungefähr 
2 Zuß über die Wandungen ded Haufed hinweg und bildet die Dede 
des einzigen, aber großen Zimmers des Haufed. Seine Conftruction 
ift eben fo einfach, als intereffant. Auf feinem leichten Gefparre ru: 
hen nämlich in entfprechender Entfernung von einander, ganz nad 
Art unferer Dachziegellatten, lange Stüden von ziemlich ſtarkem Bam- 
busrohr, an welchem die Blätter einer niedrigen, in falzjigen Moräften 
wachjenden Palmenart, Nipa benannt, höchft zwedmäßig angebracht find. 
Statt der Ripablätter nimmt man aber auch bieweilen die Blätter eis 
ner anderen, unter dem Ramen Kirai befannten Palmenart, welche in 
Hocdländern wächft und, der vorigen fehr ähnlich, im füßen Waſ—⸗ 
fer gedeiht. Diefe Blätter werden derartig um den fie tragenden 
Bambusſtock gejchlagen, daß das vordere und hintere Ende des Blat- 
tes, — das Blatt felbft alfo doppelt, — auf einander zu liegen fommt. 
Iſt diefes gefchehen, fo nimmt der Javaneſe einen feinen, von Bam⸗ 
busrohr Höchft geſchickt bereiteten Bindfaden, fticht diefen dicht am Bam: 
busftabe durch das zufammengelegte Blatt und heftet es feft, aber fo, 
daß das nächftfolgende immer das vorhergehende zur Hälfte bebedt. 

Die einzelnen, auf diefe Weife mit Blättern verfehenen Bambus: 
fHäbe werden alsdann theild neben, theild über einander auf dem 
Gefparre des Daches ebenfalls mit Bambusrohr fo feftgebunden, 
daß das Ganze ein überaus regelmäßiges und zierliched Ausſehen 
erhält und Wind und Wetter zu trogen im Stande if. Um jedoch 
dem Emporheben und Zerreißen der Blätter durch den Wind entſpre⸗ 
hend vorzubeugen, bindet der Javanefe noch außen quer über die Blät- 


-—n. wu , Zu VVl u: 


En Dun 2 DE zu. 














Die Iavanefen. 93 


ter hinweglaufende dünne Bambusftäbe fe. Die auf dieſe Weile ger 
bildete Außenfeite des Daches laßt fich nöthigenfals oben am Firften 
des Daches theilen, abnehmen und, von 18 bis 20 Mann getragen, auf 
dad Gefparre eines anderen Haufes befiebig legen. 

Der Fußboden des einzigen Zimmers im Haufe ruht, wie bereits 
erwähnt, nicht unmittelbar auf ver Erde, fondern auf 5 bis 6 Fuß 
hohen Stüben von Bambusftämmen. Durch diefe fonderbare Bauart 
will man fich namlich vor den in dieſen Gegenden nachtheiligen Aus- 
dünftungen der Erde zur Nachtzeit und vor allerlei Friechendem Ge: 
würm, namentlich vor einer eigenen Art weißer Ameifen und Schlan- 
gen, fhügen. Man muß demnach, um in den bewohnbaren Raun des 
Hauſes zu gelangen, eine ungefähr 4 Fuß breite, mit brettartigen Sprofs 
jen verfehene Leiter oder Treppe hinauffteigen. 

Bei ärmeren Leuten bleibt der Raum unter dem in der Schwebe 
gehaltenen Fußboden offen und unbenutt. Sieht ſich der Javaneſe 
dagegen im Befige von Federvieh (Hühnern oder Enten), fo ums 
ichließt er diefen Raum und benugt ihn, mit Ausnahme feines als⸗ 
dann forgfältig abgefchlofienen mittleren Raumes, zu Stallungen für 
fein Vieh. 

Der mittlere Theil ift nämlich zuc Aufnahme von Kehricht oder 
Gemülle, das wohl brennbar ift, aber angezündet Feine hochichlagende 
Flamme bildet, beftimmt. Diefes Gemülle zündet der Javanefe bei 
Anbruch des Abends an, um fi) durch den auf dieſe Weife erzeug- 
ten fchwachen Rauch, der eben fo gut feitwärts in die Stallung, als 
nach oben Hin durch den fpaltenreichen Fußboden und die auf demſel⸗ 
ben ruhende poröfe Rohrmatte ununterbrochen die ganze Nacht hin- 
durch in das Wohnzimmer dringt und Thiere und DMenfchen im Schlafe 
vor gefährlichen Müden fchügt, Ruhe zu fchaffen. 

Der wohlhabende Javanefe bringt außen am Haufe an der Thür: 
feite eine Gallerie an und pflegt den Kochheerd, den der weniger Be- 
mittelte in einer Ede des MWohnzimmers anbringt, hierher zu verlegen. 
Geftatten es feine Mittel, dann ſchneidet er auch noch einen Theil 
des MWohnzimmerd durch eine mit einer Thüre verfehene Bambusıwand 
ab und beftimmt denſelben zur nächtlichen NRuheftätte. 

Außen um das Haus zieht der Javaneſe, wie ſchon erwähnt, 
wenn daffelbe vereinzelt dafteht, zur Abwehr der hier in großer Menge 





94 Die Iavanefen. 


vorfommenden Tiger und anderer Ungeheuer der Wildniß, einen ho⸗ 
hen Zaun von Bambusftämmen. Nur die Hütte des Armen, Unbe—⸗ 
mittelten fteht frei und ohne Schutzwehr da. 

Neben dem MWohnhaufe des Javaneſen fteht fein Lombong (Reis: 
fchober, Scheuer), der ebenfalls aus dem oben befchriebenen Bauma— 
terial errichtet wird, jedoch weniger hoch mit dem Yußboden von der 
Erdoberfläche entfernt ift und nach oben zu breit ausläuft, alfo mehr 
die Form eines vieredigen, mit der Spige nach unten befindlichen Kes 
geld annimmt. 

Der Lombong dient ihm zur Aufbewahrung feines Reisvorrathes 
und entfpricht feiner Größe nach genau der Quantität des einzuern- 
tenden Reiſes, jo daß der Kenner den Umfang des alljährlichen Reis 
baues feines Befigers genau danach abzufchägen im Stande iſt. Der 
Javaneſe pflegt nämlich den geernteten Reis in Büfcheln aufzubewah- 
ren und ftetd nur fo viel davon zu entförnern, ald er gerade zum eige⸗ 
nen Gebrauche bedarf. Daß dies natürlich in der Nahe belebter Strand- 
orte oder größerer, von Europäern und Chinefen bewohnter Binnen 
orte, wo der echte Typus der Lebensweiſe des Javanefen fich bereite 
fehr zu verlieren beginnt, einer Abweichung unterworfen ift, darf wohl 
nicht erſt gejagt werden. 

Ungefähr 20 Schritt von der Wohnung des Javanefen fteht fein 
Kandang oder Kraal (Stall), worin er feine beiden Karbauen oder 
Zugbüffel Halt. Ein Theil von den Kandang ift durch eine Bambus 
wand von der für die Büffel beftimmten Näumlichfeit getrennt, und in 
diefem auf ſolche Weife gebildeten Kämmerchen bewahrt der Javaneſe 
feine zum Feldbau erforderlichen Geräthichaften und Werkzeuge. Lebte 
beftehen aus einer PBatjol (Hade), einem Parang ( Hadmeffer), einer 
Harrit (Grasfihel), einem Anisani (ein fleines zum Reisſchneiden 
erforderlihes Mefjer), einer Pedatie (zweirädrige Büffellarre), einem 
Luku finful (Pflug ohne Räder), einer Garoh (Egge), einem Lum 
pang (Reisblod) und eines Alu-alu (Reisftampfer). 

Der Lumpang ift ein 3 Fuß langes und 14 Fuß breites Stüd 
Baumftanım. Zwei Drittheile deffelben find trogartig ausgehöhlt und 
dienen dem Javanen zur Entförnerung der Reisähren vermittelit des 
4 bis 5 Fuß langen und 3 Zoll ftarfen, nach unten flumpf zugeſpitz 
ten Alusalu oder Reisftampfers. In dem noch übrigen Drittheile dieſes 








Die Iavanefen. 95 


Baumftüdes ift ein Fegelförmiges, oben weites, nad) unten zu aber en 
ges Loch, in welchem die auf eben genannte Art gewonnenen Reisförs 
ner, dem täglichen Bedarfe angemefien, wiederum durch Stampfen mit 
dem Alu⸗alu enthülft werden. 

Außer diefen zum Reisbaue erforderlichen Werkzeugen befiht der 
Javaneſe noch zwei für feinen Hausbedarf beflimmte Inftrumente, einen 
Gollof (großes Hauss oder Hadmefjer) und einen Gollof fitjil (ein 
feines Meſſer), die beide fchon erwähnt waren (©. 89). 

Den Gollof trägt er ftets bei fih. Er hängt an der Hüfte in 
einer aus 2 Stüden Bambusrohr gefertigten weiten Scheide, welche 
derartig an einem Gurte um den Leib angebracht ift, daß die ftarfe 
Mefferklinge fortwährend beim Gehen an die Seitenwände der Scheide 
anfchlägt und dadurch ein lautes Fapperndes Geräufch erzeugt. Es 
ift dies eine Vorkehrung, auf die der Savanefe bei der Bildung der 
Scheide darum fo bedacht ift, weil dem Tiger jedes Happernartige Ges 
räufch zuwider iſt. Der Javane, der das weiß, fucht ſich demnach 
beim Gehen durch den Wald auf dieſe Weife vor den Anfällen des 
gefährlichen Thieres zu fehügen. 

Die Klinge des Gollof, d. i. des großen Haus⸗ oder Hadmefiers, bes 
- findet fih an einem aus Büffelhorn over hartem Holze gefertigten einfa- 
chen Griffe, läuft nach der Spitze zu baudhig, mit der Schneide nach 
dem Rüden ſpitz zugebogen aus. Ihr Rüden dagegen bildet eine ge 
rade Linie und ift von ziemlicher Breite. 

Mit dem Gollok fällt der Javaneſe Bäume, bearbeitet fie zweck⸗ 
mäßig bei Errichtung feiner Baulichfeiten, fpaltet damit fein Brenn- 
holz, zerfchlägt damit die Schale der Kokusnuß, ja in Nothfällen dient 
er ihm felbft zur eigenen Bertheidigung. 

Den Gollok fitjil, das Heine Hausmeffer, trägt er ebenfalls in einer 
fieinen, nach unten zu gewöhnlich offenen, aus einem binnen, ausges 
höhlten Afte beftehenden Scheide bei ſich. Seine Klinge läuft geradezu 
in eine mefjerartige Spige aus, ift verhältnißmaßig Did und dient dem 
Javaneſen zu den mannigfaltigften häuslichen Arbeiten, namentlich aber 
zum Bohren Heiner Löcher und zum Schnigen und Spalten ded Bam- 
bus, aus welchem er mit einer bewundernswuͤrdigen Gefchidlichfeit Die 
feinften Bäden au machen verfteht. 

Der Waffenvorrath des Javaneſen befteht aus einem Kle- 








96 Die Iavanefen. 


wang (Säbel), einem Tumbak (Pike oder Lanze), einem Schießges 
wehr und dem Criſſ. 

Der Klewang hat einen flarfen Griff von Büffelhorn und eine 
2 Fuß lange und 14 bis 2 Zoll breite Klinge, deren ftarfer Rüden 
ganz gerade, deren Schneide aber bauchig ſpitz zuläuft. Die Klinge 
wird, weniger um die damit erzeugten Wunden zu verfchlimmern und 
zu vergiften, ald in der Abficht, dieſelbe vor Roſt zu bewahren, mit 
Limonenfaft und Arfenif eingerieben. Sie ftedt in einer einfachen Holz: 
fcheide von Bambus. 

Der Lumbak hat einen 15 Fuß langen hölzernen Stiel und eine 
breite, ameifchneidige eiferne Lanzenfpige. 

Der Eriff ift eine bolchartige Stoßwaffe, mit der nöthigenfalls 
auch Hiebs und Schnittwunden erzeugt werben fünnen. Er wird dolch⸗ 
artig unter dem Gurt um den Leib getragen und hat eine metallene 
Scheide, an deren einen Seite ſich eine ungefähr 2 Linien breite, mit 
fcharlachrothem Tuche ausgefütterte Spalte befindet. Bei weniger Be 
mittelten ift die äußere Scheivdenhülle von Meffing, bei Reichen vage 
gen von Gold und mit Diamanten reich befegt. In diefer metallenen 
Scheide befindet fich eine zweite von hartem Holz. 

Sein Griff ift von ausgefuchten harten Hole von folofjaler, aber 
Außerft gefälliger Form. Er würde, was Zeichnung und Sauberkeit 
der Arbeit anbetrifft, den gefchieteften Bildhauern Europa's Ehre mas 
chen. Seine Anfertigung liefert den fchlagenpften Beweis von der Ges 
fchieklichkeit und der namenlofen Gebuld des Javanefen, der fich zu 
feiner Ausarbeitung nur des Gollok kitjil, und zur Politur und Glaͤt⸗ 
tung ded Holzes der rauhen Haut eines Seefifches bebient. 

Die Klinge des Eriff ift anfcheinend zweifchneidig, ohne fchneiden- 
artig gefchärft zu fein, in der Mitte did, ungefähr 1 Fuß lang, einen 
reichlihen Zol breit und fchlangenartig gekrümmt. Ihre Spitze ift 
nicht doldyartig gefchliffen, bedarf alfo, wenn fie eindringen foll, ſchon 
eines flarfen Drudes. 

Sie wird mit Limonenfaft und Arſenik, welcher letzte zwiſchen 
zwei Steinen pulverifirt wird, in der Abficht, die Damit hervorgebrach- 
ten Wunden zu vergiften, von Zeit zu Zeit flarf eingerieben und als- 
dann zum Trodnen in die Sonne gelegt. Je öfter die Klinge mit die 
fer gefährlichen Mifchung eingerieben worden, deſto rauher wird fie an 


Die Javaneſen. 97 


ihrer ganzen Oberfläche. Ihre Spige und fehneldenartigen Seiten erlan- 
gen auf diefe Weife eine feilen⸗ oder fügenartige Rauhigfeit, welche 
die Haut leicht ritzt und gefährliche Verwundungen hervorruft. Daher 
fommt es auch, daß der Javanefe den Werth einer Criſſklinge nach 
ihrem Alter beftimmt und den Criſſ, je mehr die Außenfeite deſſelben 
von der erwähnten Mifchung angegriffen ift, auh um fo theurer 
bezahlt. 

Die Schießwaffe der Javaneſen beftand früher aus dem aus China 
nah Oſtindien gefommenen Luntengewehr. Durch den immer mehr 
zunehmenden Verkehr mit europäifchen Handeldleuten aber find fie 
nunmehr in den Beſitz von Gewehren mit Feuerfchlöffern gelangt. 
Seitdem fie und während meiner Dienftzeit in Oftindien Kanonen 
abgenommen haben, find fie fofort darauf bedacht gewefen, fich aud) in 
den Belig diefer Schußwaffe zu fegen. Woher fie diefelben, mit Aus⸗ 
nahme der wenigen von und erbeuteten Kanonen, bezogen haben, ift 
uns jedoch fremd geblieben, und wir wiſſen nur fo viel mit Beitimmtheit 
anzugeben, daß diefelben aus englifchen Gießereien hervorgegangen find. 

Das Gießen der Flintenkugeln, fowie die Anfertigung des Schieß- 
pulverd, defien Bereitung fie unzweifelhaft von den Chinefen erlernt 
haben, ift Sache der Frauen. Das Schießpulver ift an und für fich, 
wie man es bei folcher Bereitung leicht denfen kann, fchlecht und hoͤch⸗ 
ftend mit unferem verdorbenen Kanonenpulver zu vergleichen. 

Ein beffimmtes Maaß beim Berbrauche veffelben Tennt der Ja— 
vanefe nicht. Er fehüttet beim Laden des Gewehres nach Gutbünfen 
hinein. 

Zum Laden der Kanonen bedient er fich in Ermangelung der bei 
uns üblichen Kanonenfugeln möglichft runder Steine. 

Bemerkenswerth dürfte noch fein, daß der Javaneſe im Gebrauche 
des gewöhnlichen Schießgewehres noch immer fehr ungefchiet ift, und 
daß er Die Kanonen fortwährend am meiften fürchtet. Der Donner diefer 
legten macht ihn, und, wenn er bisher noch jo tapfer im Kampf geftans 
den, wanfend und zur Ylucht geneigt. 

Zur Erleuchtung feiner häuslichen Raͤumlichkeit bedient ſich der 
Javaneſe in den Abendſtunden eines vieredigen pfannenartigen Gefaͤ⸗ 
es von Thon, das er mit flüffigen brennbaren Stoffen, wie Kofuss 
nußöl, Erdöl, Katjangöl (Bohnenöl) u. dgl. füllt, In jeder Ede dieſes 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Br. II. 7 


98 Die Javaneſen. 


mitten im Zimmer angebrachten Gefäßes ruht ein baumwollener Docht, 
befien obered Ende über den Rand des Gefaäͤßes hervorragt, währen 
fein untered Ende in der öligen Ylüffigfeit ruht. 

Außer diejer großen Hüngelampe bat er noch Heine irdene 
Handlampen im Gebrauch. Bei Verrichtungen außer dem Haufe giebt 
er jedoch der Obur= oder Dammerfadel den Borzug. Sie if fein treuer 
Begleiter, fo oft er in den Abendſtunden oder zur Nadhtzeit die Um 
zaͤunung feined Haufes oder Dorfes verläßt und anerfanntermaßen 
das bee Schußmittel gegen die raubgierigen Tiger, Pie namentlich 
bei nächtlichen Dunkel die Dörfer umfchleichen und Thiere und Men: 
fchen zu rauben bemüht find. 

Bei der hier zu Lande nicht üblichen Sitte, die Straßen in ben 
Städten des Abends zu erleuchten, fpielt Die Dammerfadel auch in den 
größeren Binnenflädten und Hafenplägen eine wichtige Rolle. Beim 
Ausfahren in der Dunkelheit ift der hinten am Wagen auffitende Be 
diente ſtets mit einer brennenden Fackel verfehen. Reitet man aus, ober 
fpaziert man in den Straßen umher, fo läßt fi} der wohlhabende Curo⸗ 
paͤer fowohl, wie der Inländer, den Pfad vor und Hinter ſich durch 
dienſtbare Geifter mit lodernden Fackeln erhellen. 

Die Bereitungsweife der Dammerfadeln if, da fie aus weiter 
nichts, als aus einem mit Dammerharz gefüllten Bambusrohr beftchen, 
eine hoͤchſt einfache und billige. Indem das Bambusrohr fich Hier in um 
enblicher Menge vorfindet, und das Harz ohne alle Mühe in den Waͤl⸗ 
dern den Bäumen entquillt, alfo nur gefammelt zu werden braucht, fo 
hat es felbit der Armfte Javaneſe nicht nothwendig, haushälterifch umd 
fparfam im Berbrauche diefer Artikel zu Werke zu gehen. 

So wie bei uns in den niederen Klaſſen der Bevoͤlkerung die 
Kartoffel und Brod, welches Iehte dem Javaneſen gänzlich fremb if, fo 
bildet in Java der Reis das hauptfächlichfte Nahrungsmittel. Wäh- 
rend der Armere Bewohner diefes Landes faſt nur von Reis lebt, darf 
ſelbſt bei keiner Mahlzeit des Reichen dieſes mit Recht fo gepriefene 
und in hohen Ehren gehaltene Rabrungsmittel fehlen. 

Seine Zubereitung iſt folgende: Nachdem er enthuͤlſt und gerei⸗ 
nigt worden, wird er mit Waſſer angefeßt, bis er dreiviertel weich ge 
kocht IR; alsdann wird das Waſſer abgegoffen, der Topf mit dem 
Reis aber verdedt über gluͤhende Kohlen geftellt und fo lange ruhig 








Die Javaneſen. 99 


ſtehen gelafien, bis der Reis durch die im Topfe fich entwidelnpen 
Dämpfe völlig gar wird. Auf diefe Weife wird der Reis zwar weich, 
aber feineswegesd breiartig; jedes einzelne Korn bleibt ganz und von 
dem ihm benachbarten getrennt. Im diefem Zuſtande wird er in ein 
geflochtenes Körbchen gethan und aufgetragen, over auch, was nament- 
lich bei einer größeren Anzahl von Tifchgenoffen Häufig der Fall if, 
aus diefem Körbchen wieder auf ein im Kreiſe der Speifenden aus; 
gebreitetes großes Pifangblatt gefchüttet. Die Speifenden, welche, 
da der Javaneſe weder Tifch noch Stühle befist, um eine ald Tisch 
dienende Matte herumfigen, greifen nun nad) einem Stüd Pifangblatt, 
deren ſtets bei Tifche eine große Menge zu dieſem Zwecke bereit lie- 
gen, drüdt es teller- oder napfartig in die linfe Hand, nimmt mit ber 
rechten eine beliebige Portion, gewöhnlich eine Handvoll, von dem aufs 
getragenen Reis, thut diefe in das enwähnte Stuͤck Pifangblatt, Holt 
fih — aber immer wieder nur mit der rechten Hand — etwas 
Lambal (eine ſtets bereitftehende Mifchung von geftoßenem fpanifchen 
Tafchenpfeffer, Salz und etwas Limonenfaft), fchüttet denfelben über 
den Reid, durchmifcht ihn mit den Fingern und ißt ihn ganz in ber 
Art, wie wenn man in Europa Heine Krümchen Badwerl mit den 
Fingerfpigen in größerer Menge vom Tifche oder Teller aufnimmt 
und in den Mund ſteckt. Bisweilen ißt er dazu noch Sayör, eine 
bünne, fuppenartig bereitete Sauce. Es gefchieht dies aber im Gan- 
zen fo felten, daß es hier nur der Volftändigkeit wegen erwähnt zu 
werben verbient. 

Der Sayör oder die Kerri-Sauce wird aus Blättern wohl- 
fhmedender Kräuter, aus Knoblauch, Zwiebeln, einem fenchels oder 
fümmelartigen Gewürz, Lambal, Ingwer und Curcuma bereitet. Die 
@urcuma bildet infofern einen Hauptbeftandtheil diefer Sauce, weil «8 
nach hiefiger Sitte zu den Haupterforberniffen gehört, daß diefelbe mög- 
licht gelb ausfehe. 

Iſt der Javaneſe zufällig im Befite von getrodnetem Fiſch oder 
Dingding (getrodnetem Fleiſch), fo legt er fih ein Stüd von biefem, 
nachdem er es zuvor ftarf geflopft, auf Kohlen, läßt es auf beiden 
Seiten fo lange röften, bi8 es gelbbraun wird und ißt e8 zum Reis, 
wie wir das Brot bei Tifche. Er nimmt es jedoch nicht in die Hand, 

7 * 


100 Die Javaneſen. 


um davon zu beißen, fondern bricht fih von Zeit zu Zeit ein Stück⸗ 
chen von diefer harten holzähnlichen Maſſe ab. 

Ziegenfleifch pflegt der echte Javanefe felten, Schweinefleifh aber 
nie zu efien. Da er aber nur bei Hochzeiten nnd anderen großen 
Feftlichleiten Büffel und Hühner zu fchladhten pflegt und fi, mit 
Ausnahme der meift fchon von ihrer urfprünglichen Lebensweiſe abwei« 
chenden Strandbewohner, mit Fifchfang weniger befchäftigt, fo gehört 
der Genuß frifchen Fleifches bei den Binnenbewohnern Java's zu den 
Seltenheiten. 

Wird ein Büffel gefchlachtet, fo gebührt das Herz dem Dorf 
häuptlinge, während das übrige Fleifch und die Eingeweide gleichmäßig 
unter die Bevölkerung vertheilt werben. 

Die Zubereitungsweife des frifchen Fleiſches, gleichviel ob es von 
Büffel, von Hühnern oder Fifchen herruͤhrt, ift eine vierfache. 

Bei der einen, unter dem Namen Saffati bekannten Bereitungs: 
art wird Das Fleifch in kleine vieredige Stüde zerfchnitten, in Lambal, 
der zuvor, um ihn feitig zu machen, mit etwas Kofusnußmilch an; 
gemifcht worden ift, gehörig umhergewälzt, an Stäbchen gereiht und 
über Kohlen gebraten. Bei Tifhe erfaßt der Javaneſe ein ſolches 
Stäbchen mit den Fingern überaus zierlich, und beißt die daran befinds 
lichen Stüdchen Fleifch einzeln von dem Stäbchen ab. 

Die zweite Zubereitungsart befteht darin, daß man das friſche 
Fleiſch würfelartig zerfchneidet und mit Kokusnußmilch vermifcht kocht. 
Auf diefe Weife bereitet wird es mit Löffeln von Kofusnußfchalen ge 
fuppt oder aus Kofusnußfchalen getruufen, oder es wird, nachdem das 
Fleiſch mit Löffeln Herausgefifcht und gegefien worden, mit einem Löf⸗ 
fel etwas von der übrig bleibenden Suppe über ven Reis im Pifang- 
blatte der linfen Hand gegoffen. 

Eine dritte Art betrifft wohl auch Fiſche, mehr als diefe aber noch 
Hühner, welche gewöhnlich erft eine Halbe Stunde vor ihrer Zubereis 
tung geishlachtet werden. Das Huhn wird nämlich, nachdem es ges 
rupft und ausgenommen worden, am Rüden der Länge nach aufge 
ſchnitten und, nachdem der Bruftfnochen eingeprüdt worden, mit Bam⸗ 
busfäbchen ausgefpannt erhalten, alsdann mit einer Mifchung von 
Lambal und Tamarindenmuß ſtark eingerieben und über Kohlenfeuer 
gar gebaden. 








. Die Iavanefen. 101 


Die vierte Bereitungsweife des frifchen Yleifches enblich ift Die 
mit der bereitö angegebenen Kerri » Sauce. 

Das nicht fofort verbrauchte frifche, fowie das von vornherein 
Dazu beitimmte Fleiſch trodnet der Javaneſe. Er fchneivet es zu 
dieſem Zwede, nach Art des Beeffteaffleifches, längs der Yleifchfa- 
fer in möglichft dünne Scheiben, reibt e8 mit Salz, geftoßenem ‘Pfef- 
fer, geftoßenen Gewürznelfen, Tamarindenmus, Katumbar und Gin- 
tang (zwei nach Fenchel und Anis fehmedenden Gewürzen) tüchtig ein, 
legt ed alsdann in einen irdenen Topf und läßt e8 12 Stunden ftehen. 

Nach diefer Zeit wird es wieder aus dem Topfe herausgenom- 
men, an lange fehnürartige Bambusfäden angereiht und fo lange der 
Einwirfung der glühendften Sonnenftrahlen ausgeſetzt, bis es Enochen- 
Hart geworden. So zubereitet führt ed den Namen Dingding und 
wird an einem luftigen Orte, ſehr häufig oben im Zimmer in der Naͤhe 
des Feuerheerdes haͤngend, aufbewahrt. Es hält fich fehr lange und 
bleibt über ein volles Jahr hinaus wohlſchmeckend und genießbar. Gleich⸗ 
zeitig bleibt e8 in Folge der daran haftenden Gewürge von Inſekten 
völlig verfchont. 

Der meifte Dingding wird aus Karbaufleifch (Büffelfleifch) ge- 
macht. Der von Hirfchfleiich gefertigte dagegen übertrifft den ebenge- 
nannten an Seinheit des Gefchmads und heißt Dingding menjangang. 

Vom Schwein macht der Javanefe darum feinen Dingding, weil 
ihm feine religiöfen Geſetze den Genuß, ja felbit die Berührung dieſes 
Thieres ftreng verbieten. Die in hollänvifchem Militairdienft ftehenden 
Javaneſen nehmen es jeboch weniger genau damit. Sie tragen ung, 
- Allerdings unter dem Anfcheine großen Widerwillens, die auf der Jagd 
gefchofienen wilden Schweine nicht bloß nach Haufe in unfere Kafer- 
nen, fondern helfen audy aus dem von dem Bedarf zu einer Mahlzeit 
übrig bleibenden Fleifche Dingding bereiten. 

Sehr beliebt find bei den Javaneſen Tellor aflin, gefalzene En⸗ 
teneier. Sie werden auf folgende Weife bereitet: Man nimmt 2 Theile 
Salz, 1 Theil Holzaſche und 1 Theil Lehm, rührt dieſe Mafje mit et- 
was Wafler zu einem diden lehmigen Teige an und beflebt damit jedes 
einzelne Ei recht did. Die fo zubereiteten Eier werden zur Verhütung 
des Aneinanverfiebend nochmals in trockner Holzafche umhergewaͤlzt und 
in großen irdenen Töpfen übereinander gefchichtet, 3 bis A Wochen auf- 


102 Die Javanefen. 


bewahrt. Während diefer Zeit durchdringt das in der erwähnten teig- 
artigen Mifchung enthaltene Salz das ganze Ei, das vor feiner Zu- 
bereitung zur Abweichung des feine Schale umgebenden Teiges ftets 
erft in altes Waſſer gelegt wird. Von feiner Umhüllung befreit, wird 
das Tellor aſſin forgfältig abgewafchen, in fievendem Waſſer hart ge: 
focht und ungefchält, aber feiner Länge nach mitten durchſchnitten auf: 
getragen und zum Neid gegefjen. 

Das LKederite von Allem jedoch ift für den Savanefen der Genuß 
einer ungefähr 14 Zoll langen und 3 ZoU ftarfen Käferpuppe, bie fich 
in alten hohlen Baumftämmen vorfindet. Sie wird auf Kohlen fo 
lange geröftet, bis fie zu plaben droht. Ihrer Seltenheit wegen bildet 
fie gewöhnlich nur eine Speife für die Häuptlinge. 

Scilvdfröteneier und eßbare Schtwalbennefter fommen nur auf den 
Tafeln größerer Hüuptlinge und Finften zum Vorſchein. Die Zube 
reitung der legten ift eine eben fo einfache, als geſchmackreiche. Die 
Neſter werden, nachdem fie aufs Sorgfältigfte gereinigt und in Stüde 
gebrochen worden, den Hühnerjuppen beigemifcht. Sie löfen fi) wäh 
rend des Kochens in derfelden nur theilmeife auf und geben der an 
ſich Träftigen Suppe einen überaus angenehmen gelatinöfen Beige 
ſchmack. Die einzelnen Stüdchen erlangen an und für ſich eine Durch⸗ 
fichtigfeit, wie der Sago, und erfegen deſſen Stelle bei glänzenden Mahl: 
zeiten. Sie gelten für fehr nahrhaft und werden namentlich von reis 
hen, durch Krankheit oder Strapazen heruntergefommenen Perfonen mit 
erfichtlichem Erfolge der Kräftigung wegen genofien. Ihres hohen 
Preiſes wegen find fie aber, wie bereit angeveutet, nur für Häupt- 
linge oder veihe Privatleute zu befchaffen. 

Sehr beliebt bei den wohlhabenden Javaneſen ift endlich noch ein 
mehr zum Rafchwerf, als zur Stilung des Hungers dienended Gebäd, 
Kwee⸗Kwee genannt. Es wird von verfchienenen Reisarten, geriebe 
ner Kofusnuß, Zuder, Ingwer und Syrup bereitet und in den Städten 
in ungewöhnlicher Menge feilgeboten. 

Das feltfamfte Naſchwerk von allen dürfte jevoch wohl das fein, 
was ſich die Brauen hier bereiten und welches mit unbegrenzter Leis 
denſchaft von ihnen genoffen wird. Es wird aus einer eigenen Art 
rother Thonerde bereitet und, wie die in Düten verabreichte Condi⸗ 
torwaare bei den der Rafchfucht ergebenen Europäern, in der Zwiſchen⸗ 


Die Javaneſen. 103 


zeit gegefin. Da es bei der Männerwelt wenig beliebt ift, gilt «8 
ausichließlich für ein Naſchwerk vieler Frauen, die es faft ſtets bei ſich 
zu tragen pflegen. Sein Genuß fchadet invefien der Geſundheit und 
ruft nicht felten eine ſchwer zu befeitigende Appetitloſigkeit hervor. 

Der dazu verwendbare rothe Thon wird, nachdem er halb ge 
brannt ift, in dünne längliche Scheiben gefchnitten, welche dadurch, ganz 
wie die gewöhnliche europäiſche fefte Hausfeife, wenn fie gefchabt 
wird, eine locken⸗ over wellenartige Form erhält. Iſt dieſes gefchehen, 
fo wird fie bis zur völligen Trodenheit gebrannt und das Nafchwerf 
ift fertig. 

Der tiefer im Binnenlande wohnende Javanefe, dem derartige 
Leckereien noch fremd find, fucht durch Zubereitung verfchiedener Ges 
müfearten ober durch Beimifchung aromatifcher Pflanzen und Ingre⸗ 
dienzien einige Abwechfelung in die Einförmigfeit feiner Nahrungsmit⸗ 
tel zu bringen. 

Mais und Erbfrüchte, wie Obi, Yams (inländische, ſüßlich 
fchmedende Kartoffeln) verfhmäht der arme Javanefe in den Städten, 
wo gefochter Reis und Lambal fortwährend zu einem aͤußerſt niedrigen 
Preiſe feilgeboten werden, ganz und gar. Sie werden nur im Bin 
nenlande, und auch hier nur in gewiffen Diftrieten von Eingebore- 
nen genofien. 

Daß die im Laufe ber Zeit mit europäifchen und chinefifchen Sit 
ten und Gebräuchen bereitd vertraut geworbenen einheimifchen Zürften 
von der eigentlichen Lebensweife der Bevölferung auf Java in man- 
nigfacher Weife abzumeichen pflegen, wird man fich leicht denken föns 
nen. Sie halten ſich Köche und lieben eine möglichft große Mannig- 
faltigfeit der Speifen. Je größer die Anzahl der aufgetragenen Schüfs 
fein, je mannigfacher und verfchiedenartiger ihre Zubereitung geweſen, 
deſto glänzender war auch der Schmaus. 

Sp gern und fo flarf der vornehme Javanefe zu efien pflegt, fo 
begnügt er fi) Doch gern mit einer geringeren Quantität der Spei- 
fen, vorausgefegt, daß deren Qualität feiner Lederhaftigfeit entfpricht. 
Er ift zufrieden, wenn er ſich mit Reisipeifen fättigen und von den 
feineren, felteneren Gerichten nöthigenfalls nur koſten kann. 

Hinfichtlich der Getränke dagegen if der Javaneſe, vom Bors 
nehmſten an bis zum Niedrigſten herab, beifpiellos genügfam. Selbſt 


104 Die Iavanefen. 


bei ſchwerer Arbeit fühlt er das Bebürfniß nach erregenden Getränten 
nit. Er trinkt überhaupt wenig und fcheint die Qualen ermatten- 
den Durftes auch bei großer Hibe nicht zu empfinden. Sein gewöhnlis 
ches Getränf pflegt, fofern bei ihm das Beduͤrfniß zu trinfen eintritt, 
Waſſer aus dem erften beften Fluſſe zu fein. Ob daffelbe hell und 
Mar, oder, wie dies bei fließendem Wafler hier fehr häufig der Yal, 
trüb und mit erdigen Beltandtheilen überfättigt ift, das kuͤmmert ihn 
wenig. Nur dann, wenn es in Folge flarfer anhaltender Regen 
güffe in den Gebirgen gar zu trüb und ungenießbar wird, trägt er 
Sorge dafür, daß das zum Genuſſe beſtimmte Waſſer erft einige Tage 
in irdenen Gefüßen ruhig ftehen bleibt, bevor es genoffen wird. 

Der Europäer dagegen muß alles Trinfwafler aus gefunpheitli- 
hen Rüdfichten mindeftend 14 Tage hindurch in großen irdenen Töp- 
fen an fühlen Orten aufbewahrt haben, bevor er e8 zu trinfen wagen 
darf. Diefe eigens dazu beftimmten Töpfe haben gewöhnlich eine Höfe 
von 6 Fuß und flehen in größerer oder geringerer Anzahl in Fühlen, 
gleichzeitig zum Baden eingerichteten Zimmern. Zum größeren Schuße 
vor Täftigen flechtenartigen Ausfchlägen, welche auf den Genuß des 
biefigen Waſſers gern zu folgen pflegen, bevienen ſich wohlhabende 
Europäer, um das hiefige, allgemein ſchlecht fchmedende Waſſer zu Ha- 
ren, dazu mitgebrachter Tropffteine (? G.) und anderer Filtrirapparate. 

Gilt es, größere Feftlichfeiten durch den Genuß eined außer: 
gewöhnlichen Getränkes zu erhöhen, fo bereitet ſich der Javanefe ein 
eigenthuͤmlich beraufchendes, aus gährendem Reis erzeugtes Getränf. 

In Städten wie Samarang und Batapia, wo Europäer unb 
CEhinefen in die urfprüngliche Lebensweife der Javanefen bereits man: 
cherlei Beränderungen zu bringen gewußt haben, fieht man allerbinge 
im Widerfpruche zu dem oben Gefagten in allen Straßen kuͤhlende 
Getränfe aus Limonenfaft, Zuder und fchleimigen Sämereien bereitet, 
feilbleten. Der getoöhnliche, im Binnenlande wohnende Savanefe kennt 
einerfeitö dieſe Betränfe nicht und würde fie andererſeits bei feiner 
großen Genügfamfeit für etwas Weberflüffiges, der Mühe nicht Lohnen- 
des halten. 

Das einzige Getrinf, welches der Javaneſe mit wahrer Leiden: 
haft genießt, ift Kaffee. Ex bereitet ihm aber nur ſchwach und ver: 
feßt ihn mit etwas Zuder Cohne Milh). In Ermangelung der bie 


Die Iayanefen. 105 


weilen jelten werdenden Bohnen bebient .er fi) der Blätter des Kaffee- 
baumes bei der Zubereitung feines Goͤttertrankes. — 

Eine gewiffe Rangordnung oder Beobachtung herfömmlicher Ges 
brauche findet bei dem Javanefen, mit Ausnahme der Sitte, daß ber 
größere Häuptling allein, oder nur in &emeinfchaft mit Seinesgleis 
chen fpeift, nicht flatt. Er Fauert fi, nachdem er zuvor feine Hände 
auf das Sorgfältigfte gereinigt hat, auf eine Rohrmatte am Rande 
einer bunten Binfenmatte, auf welcher in Ermangelung eines Tifches 
die Speifen aufgetragen werden nad) Art der europäifchen Schneider 
während der Arbeit, bin, und langt ohne allen Zwang zu, fo lange es 
ihm behagt. Neben ihm flieht eine Kofusfchale mit Waſſer, in welches 
er, der Reinlichfeit wegen, von Zeit zu Zeit die Finger taucht. 

In Ermangelung der Teller liegen Pifangblätter auf der zum 
Tische dienenden Binfenmatte zum beliebigen Gebrauche bereit. Bon dies 
fen reißt fih ein Jeder, fo oft er eine neue Portion Spelfe zu neh⸗ 
men Willens ift, ein Stüd ab und drüdt es in die Höhlung der halb 
geichlofienen linfen Hand zwifchen Daumen und Zeigefinger derartig 
hinein, daß der benutzte Blatttheil eine duͤten⸗ ober fchüflelartige Form 
erhält. Zur Erleichterung dieſes Verfahrens kommen nicht felten die 
Pifangblätter bereits in angemeſſene Stüde gerifien auf die Binſen⸗ 
matte, nachdem fie zuvor, der Bequemlichkeit wegen, über glühende 
Kohlen oder auffleigende Waſſerdaͤmpfe gehalten worden find. Sie ver: 
fieren auf diefe Weife zwar an Färbung und Glätte, und erhalten 
ein gelbliched Ausfehen, werden aber auch weicher und fügfamer. 

So abftoßend und unmanierlich die Nachricht von dem Gebrauche 
der Finger beim Effen immer Flingen mag, fo muß man dem Ja— 
vanefen doch die Gerechtigfeit widerfahren lafien, daß er mit einer 
gewifien Zierlichfeit if. Mit dem Daumen auf der einen, mit den 
vier übrigen dicht aneinander gefchlofienen Fingern der rechten Hand 
auf der anderen Seite erfaßt er behutfam eine Keine Portion von der 
auf dem Bifangblatte in der linfen Hand ruhenden Speife, drüdt dieſe 
von mehreren Seiten zufammen und führt fie mit folcher Geſchicklich⸗ 
feit nach dem Munde, daß nicht das Geringfte den zierlich gefchloffe- 
nen Fingern auf dem Wege dahin entfällt. 

Er pflegt mit der größten Gemädhlichfeit feine Nahrung zu fich 
zu nehmen umd läßt fih nur durch die dringendſte Veranlafjung bei 


106 Die Iavanefen. 


Zifche ftören. Es geht dies fo weit, daß der javanefifche Diener, fo 
fehr er auch an unbedingte Folgſamkeit gewöhnt ift, während der Mahl⸗ 
zeit von feinem Vorgeſetzten gerufen Furz erwiedert: Saya makan (ich 
efie), oder Kitta orang makan (wir efien), alfo fo viel ald: „jetzt kann 
ih den Befehl nicht vollziehen, Herr, jetzt habe ich Feine Zeit Dazu, 
denn ich eſſe ja.” 

Um die Lebensweife des Javaneſen möglichft vollftändig zu bezeich- 
nen, darf ich eine ganz eigenthümliche, abfcheuliche Sitte bei Tiſche 
nicht vergefien. Will nämlich der Gaft dem Gaftgeber zeigen, daß es 
ihm recht gut gefchmedt, und das Mahl für ihm recht leder gewefen, 
fo bemüht er fich, nach Kräften ein wiederholtes, möglichft lautes Auf- 
ftoßen hervorzubringen. Je befier ihm dieſes gelingt, je öfter der Gaſt 
dieſes entfeglihe Manöver vornimmt, um fo größer ift die Artigkeit 
und Anerfinnung, welche er dem Gaftgeber darbringt, während der 
lebte darin den beften Beweis findet, daß die Geladenen mit dem Dar 
gebotenen recht zufrieven waren. 

Wie fchauderhaft und unmanierlih dem daran nicht gewöhnten 
Europäer diefer Gebrauch vorkommt, laßt fich mit Worten nicht befchreis 
ben. Es ift zum Davonlaufen, wenn ſechs ober adıt in Ausübung 
diefer Artigfeitsbezeugung eingeübte Fraftige Raturföhne dem Gaftgeber 
nach Tifche ihr Kompliment zu machen beginnen und dabei wohlbehag- 
lich ausrufen: „Hal saya makan ennak, itu biking enteng!“ (Ha! 
ich habe vortrefflich gefpeift, das giebt Erleichterung. ) 

An diefe Unmanierlichfeit reiht fich ein auch in Europa Hier und 
da üblicher Zeitvertreib würdig an. rauen und Männer huldigen 
nämlih auf Iava dem Gebrauche, Siri (Ziri oder Betel) zu fauen, 
auf eine unerhört leidenfchaftliche Weiſe, geben fich derfelben jedoch nie 
vor eingetretener Mannbarkeit hin. Sie nehmen zu diefem Zwecke ein 
Siriblatt, beftreichen daſſelbe mit gelöfchtem weichen, aus Muſcheln ge 
brannten Kalf, legen auf das fo zubereitete Blatt ein Stüd Pinang 
(Ruß der Areas Palme), Gambir (ein getrodnetes Blätterertract), 
rollen das Ganze rund zufammen, fleden dafielbe in den Mund und 
brüden, um dem Kaumateriale den Gefchmad des Tabacks zu geben, 
noch eine Prime Tabad vorn unter die Oberlippe. Alte Leute, wel 
chen das Kauen ſchwer fällt, floßen fich den Pfropf aus Siriblatt, 
Kalk, Pinang und Gambir erft fein, bevor fie ihn in den Mund 








Die Iavanefen. 107 


ſtecken. In diefer keineswegs Töblichen Eigenfchaft bringen es die Ia- 
vaneſen zulegt fo weit, daß ihnen das Betelfauen zu demfelben Beduͤrf⸗ 
niß wird, wie das Efien und Trinken. Ja, fie hungern wohl gar noch 
lieber, als daß fie den Siri meiden. 

Das Betellauen benugt der Javaneſe auch zur Angabe von Ent- 
fernungen. Während der gewöhnliche Mann in Holland auf die Frage: 
Wie weit ift es bis da und da hin? zur Antwort giebt: 2, 3, oder 
mehr Pfeifen Tabad, erwiedert der Javanefe: 2, 3 oder mehr Mal 
Betelfauen. Webrigend werben die Lippen, Zähne und die innere Aus- 
kleidung der Mundhöhle von dem vielen Betelkauen zuleßt ganz röth- 
lich braun gefärbt, während der Athem des Betelkauers einen deutlich 
wahrnehmbaren, aromatifchen Geruch annimmt, der nur dem daran 
nicht Gewoͤhnten fcharf und unangenehm vorfommt. 

Der Favanefe raucht auch wohl Taback; ed gehört Died aber im 
Allgemeinen zu den felteneren Erfcheinungen und gejchieht auf die Art, 
daß er etwas grob gejchnittenen, eben fo narkotifch wirfenven, als bei- 
Benden Tabad in ein trodened Maisblatt widelt, fo daß das Gange 
beinahe wie eine Cigarre ausfieht und angezündet innerhalb ungefähr 
5 Minuten verfohlt. In Ermangelung eines trodenen Mais⸗ (oder 
türfifchen Weizen⸗) Blattes nimmt er zum Einwideln des Tabacks das 
Blatt eines unter dem Namen Nipa befannten Schilfrohrs, deſſen er 
fih auch häufig zur Bekleidung der inneren Bambuswände feined Hau- 
ſes bebient. (S. hier ©. 92. ©.) 

Mit um fo größerer Leivenfchaftlichkeit ift dagegen der niebere 
Zavanefe in vielen Gegenden dem Opiumrauchen ergeben. Um biefem 
eben fo lodenden, als Verderben bringenden Lafter zu fröhnen, Fauft 
füh der Javaneſe ein Gemiſch von wäflerigem Extract des Opiums 
mit verfchievenen auf Java einheimifchen Kräutern und etwas Tabad, 
ftopft fih damit nach Art der Tabackraucher in Europa die Pfeife, zün- 
det dieſe ſchädliche Miſchung an und verfchlingt mit großer Gemüth- 
lichkeit den eingezogenen Rauch, bis Anfangs ein leichter Raufch, ſpaͤ⸗ 
ter eine erfichtliche Betäubung der Sinne und zulegt fefter Schlaf eins 
tritt. Bisweilen verfehlt das Opiumrauchen feine eben genannte ge 
wöhnliche Wirfung; es pflegt dann an Stelle des wollüftigen Rau- 
ſches und maßlos entzüdenden Traumes eine überaus gefährliche, bis 
zur Raferei fich fleigernde Erregung zu treten. Die unausbleiblichen 


108 Die Javaneſen. 


Folgen dieſes fcheußlichen Lafters find Höchft betrübenver Art und en- 
den ftetd mit gänzlicher Zerrüttung der Geſundheit und einem unna- 
türlich frühen Tode. Bisweilen trachtet der Javaneſe abſichtlich dar 
nah, durch Opiumrauchen die erwähnte Raferei in ſich hervorzuru⸗ 
fen. Er nennt dieſes Amof (Aufruhr) machen und wirb dabei gemöhnlid) 
durch Eiferfucht oder tief verfchloffene Rachegefühle dazu getrieben. 
Beim Eintritt der Raferei greift er zu den Waffen und füllt mit un 
bandiger Wuth Alles, was lebt und ſich in feiner Nähe befindet, an. 
Die heiligften Bande zwifchen Mann und Frau, zwifchen Bater und 
Kind kennt er im Zuftande der Beritandesverwirrung nicht mehr. Er 
mordet Frau und Kind und meßelt fo lange Alles, was er nur im 
mer zn erreichen vermag, nieder, bis er im höchften Grade des Wahn⸗ 
finnd entweder die verderbliche Waffe gegen fich felbft wendet oder im 
Wege der Nothwehr von Anderen getöbtet wird. 

Als charakteriftifch verdient bei der Schilderung des Java 
nefen feine unüberwindliche Neigung zum Müßiggange ganz be 
ſenders hervorgehoben zu werden. Er arbeitet nur dann, wenn er 
arbeiten muß und überläßt, wie bereits bei der Bereitung des Schie 
pulvers flüchtig angedeutet worden, fo manche urfprünglich dem Manne 
gebührende Verrichtung den Frauen. reift er zur Arbeit, fo gefchicht 
dies nur, um ſich den nöthigften Lebensunterhalt zu erwerben, oder iv 
gend einen lodenden Genuß ſich zu verfihaffen. Sparen und Fürforge 
für die Zufunft zu tragen find Eigenfchaften, die feinem Herzen jehr 
fern liegen. Der innere Trieb nach Reichthum fehlt ihm im Allgemei- 
nen ganz und gar, und wenn er in den Belis von goldenen Schmud- 
fachen und Brillanten zu gelangen bemüht ift, fo gefchieht dies nur 
aus der faft allen wenig civilifirten Völfern eigenen Sucht nach glaͤn⸗ 
zenden Zierrathen. Da fein Verlangen nach derartigen Gegenflännen 
indefjen von feiner weit größeren Rafchfucht überboten wird, fo trennt 
er fih auch mit Leichtigkeit wieder von Brillanten und geldwerthen 
Sadıen. 

Im engften Zufammenhange mit der großen Hinmeigung des Ja 
vanefen zum Müßiggange fteht ein auffallender Mangel an Reinlich⸗ 
feit. Der Javaneſe beiderlei Gefchlechts badet fich zwar häufig, und er 
liebt es, feinen Körper recht oft mit Wafler zu übergießen; er thut 
died aber weniger, um fich dadurch zu reinigen, ald der Abfühlung 





Die Javaneſen. 109 


wegen. Er befümmert ſich daher auch wenig darum, ob das dazu be- 
ſtimmte Waſſer Har ober trüb iſt; bereitet ed ihm Kühlung, dann er- 
füllt es feinen Zwed volllommen. Seine Kleider wäfcht er nur fel- 
ten und gewöhnlich mit bloßem Waſſer. Ausnahmsweife nur bevient 
er fich dabei gewiſſer Krüchte und Blätter, welche, mit Waſſer ange 
trieben, feifenartig ſchaͤumen. Die Matte, worauf er fchläft, wird 
auch von Zeit zu Zeit gewafchen, die ihm zum Kopfliffen dienende 
Heine Rolle jedoch nie einem derartigen Acte der Reinlichkeit uns 
teriworfen. 

Zur Reinigung feiner durch Schweiß und häufiges Einreiben mit 
Kokusnußoͤl oft bis zum Webelgeruche eingefchmugten Haare pflegt der 
Javanefe eine ſchwache und unter dem Namen Warirang befannte 
Lauge zu benugen. Sie wird aus der Afche verbrannter Reisähren 
oder Reisſtroh bereitet. 

Die natürliche Folge dieſer mangelhaften Liebe zur Reinlichkeit 
ruft In pafiender Vereinigung des eingefleifchteften Hanges zum Muͤ⸗ 
Biggange die Entftehung jenes überaus häßlichen Ungeziefers, das fich 
in Polen und Rußland ganz befonders Häufig zeigen foll, hervor. 

Schredlicher aber, als das wirflich Häufige Vorkommen dieſer elel- 
haften, verhaßten Thiere ift die über ganz Java verbreitete Sitte, 
dieſe Thiere zu eſſen, eine Sitte, der, fo unglaublich es immer klingen mag, 
alle Javanen, mit Ausnahme der wenigen Höherftehenden und Res 
girenden, mit unverfennbarer Leivenfchaftlichfeit ergeben find. Richt 
ein⸗, nein unzählige Male habe ich ganze Reihen von 10, 12, 20 
und mehr PBerfonen in einer Linie dafigen und fich dieſes Ungeziefer ab⸗ 
fuchen ſehen. Am häufigften gefchieht dies, wenn eine größere ober 
geringere Anzahl Javaneſen fih nach dem Baden im Fluſſe am Ufer 
zum Trocknen der Haare aufpflanzt. Während der erfte vie Kalten 
feines Sarong (Kleivungsftüdes) aufmerkſam durchfucht, macht der 
hinter ihm Kauernde und fo immer weiter der Naͤchſtfolgende, in ven 
Haaren des Vorhergehenden Jagd auf dieſes Ungesiefer. Diefer ſchau⸗ 
derhaften, thatfächlich über ganz Java verbreiteten Leidenfchaft wegen 
verdankt der Javaneſe das Stichwort: Orang Java makan kuttu, 
„Laͤuſefreſſer“, mit welchem ihn feine Nachbarn fo gern zu belegen 
pflegen. 

Eine befonderd Hervorftechende Neigung zum Betruge findet fich 








110 Die Iavanefen. 


bei dem Savanefen nicht vor. Mm fo mehr aber if er dem Hange 
zu ftehlen ergeben. Er übertrifft darin bei der ihm angeborenen Schlau 
heit felbft den gewinnfüchtigen Ehinefen. Er ift jedoch mehr ein Ge 
legenheitsvieb, ald ein Dieb von Profeffion; denn wenn er fehlen fol, 
fo muß ſich die Gelegenheit dazu von felbft darbieten. Seine Träg- 
heit und grenzenlofe Hinneigung zum Müßiggange geftatten es ihm 
nicht, fi) nad einer Gelegenheit dazu mit Beharrlichkeit umzu⸗ 
fehen. 

Bei den höher geftellten Javanefen, dem Regenten und den Häupt: 
lingen, denen biefer eben nicht fehöne Charakterzug zu fehlen fcheint, 
tritt an deſſen Stelle die talentvolle Eigenfchaft, Geringere und Unter 
gebene förmlih auszufaugen. Wird einem Häuptlinge zum Beilpide 
von dem holländifchen Gouvernement oder defien Truppen aufgegeben, 
eine gewiſſe Quantität Reis oder eine gewiſſe Anzahl Büffel, Hühner 
u. dgl. zn liefern, fo fordert er von feinen tributpflichtigen Untergebe⸗ 
nen oft mehr, ald das Doppelte und Dreifache ded Berlangten eim, 
liefert aber davon nur fo viel ab, al& ihm vorgefchrieben worden; das 
Uebrige behält er für fih. Ein fo methobifches Pluͤnderungsſyſten 
fann allerdings nur bei dem unbebingteften Gehorſam und einer mehr 
als fclavenähnlichen Furcht des Javaneſen vor feinem Häuptlinge bes 
ftehen. Das wiſſen die Häuptlinge ſehr wohl Sie find deshalb auch 
aufs Eifrigfte bemüht, dieſe Unterwürfigfeit nöthigenfalls mit aller 
Strenge aufrecht zu erhalten und fie felbft auf ihre erwachſenen, laͤngſt 
mannbaren Söhne auszubehnen. Aus diefem Grunde verlangt auch 
nur der im Umgange mit gebildeten Europäern nicht weniger als 
hochmüthige oder dünfelhafte folge javanefifche Häuptling von Bebau- 
tung, daß niemand von den Eingeborenen auf Java ihm anders, als 
demüthig auf den Knieen rutfchenn, und unter fleter Wiederholung des 
Sumbah's nahe. 

Der eigene Sohn von prinzlicdem Geblüte und einftmaliger Erbe 
aller väterlichen Gewalten darf feinem Vater, in welchem er fo gut, 
wie der nievere Javanefe, nur feinen firengen Herrn und Gebieter er- 
fennt, nicht anders als in felavifcher Furcht, auf den Knieen rutfchend, 
die Hände in flehender Stellung emporhebend und fenfend, ven Blid 
mit hündifcher Furcht nach unten gerichtet, nahen, und nidht eher fidh 
zu erheben wagen, bis ihm fein Herr in gnädigem Tone aufjuftehen 


Die Javaneſen. 111 


gebietet. Um die Tragweite diefer unerhörten Strenge und des ba- 
durch hervorgerufenen unbebingten Gehorfams möglichft klar vor Augen 
zu führen, will ich unter den vielen derartigen Erlebnifien nur eine 
einzige Scene hervorheben, die in mir und meinen Kameraden noth- 
wendigerweife einen unangenehmen, nie zu vertilgenden Eindruck zu- 
rüdlafien mußte. 

Als ich eines Tages im Vereine mit mehreren holländifchen Offi- 
zieren vom PBangerang von Tegal (Regent von Tegal) zum Gaft- 
mahle geladen, in traulicher Gemeinfchaft zu Tiſche faß, erfchien zu 
unfer Aller Freude ganz unerwartet der Sohn diefes Prinzen. Beim 
Anblide feines Vaters warf er fich mit dem Ausdrucke tieffter Erge- 
benheit auf die Knie, verbeugte fich, fo oft er mit beiden Knieen einen 
Schritt vorwärts gerüdt war, ehrfurchtövoll, indem er gleichzeitig fei- 
nen Sumbah machte, d. h. die Hände ausgeftredt, aber aneinander 
gefchloffen, unter ven Worten Ingi kulunon (mas fo viel als: „Sa 
wohl, Herr!” beveutet), oder Saya Tuwan („zu befehlen, Herr! ”), 
derartig emporhob und fenfte, daß bei dem Emporheben die Ballen 
der beiden Daumen Mund und Nafe, die Fingerfpigen dagegen die 
Stimm berühren. Vergebens bat ich ihn, diefen unzeitigen und herab» 
würbdigenden Scherz, wofür ich das Ganze hielt, zu unterlaffen, und 
als ich auffprang, um meinen werthen, lieben Freund und alten Kampf: 
genoffen aufzurichten und zur Theilnahme am fröhlichen Mahle einzu⸗ 
laden, hielt mich der firenge Vater mit den Worten: „Er wird es 
doch nicht eher thun, bis ich es ihm erlaube," davon zurüd, während 
er mir gleichzeitig halblaut zuflüfterte: „Laffen Sie das, diefe Strenge 
muß aufrecht erhalten werden, was follte fonft aus uns werben !? ” 

Der Regentenfohn, welcher in der Regentfchaft Tegal bereits einen 
anfehnlichen Poſten befleivete, blieb in unferer Gegenwart und troß 
unferer febhaften Aufforderung zum Aufftehen, fo lange in feiner er- 
niedrigenden Stellung, bis ihm der despotifche Vater in gnüdigem 
Tone aufzuftehen befahl. Dann erft erhob er fih, um uns als alte 
Kriegsfameraden auf das Herzlichite zu begrüßen nnd Scherz und Frof- 
finn mit uns zu theilen. 

Trotz diefer despotifchen Strenge des Gebieters und der hündis 
ſchen Furcht des Uintergebenen kommt es zur Ausübung von Grau⸗ 
famfeiten oder argen Mishandlungen der Untergebenen auf Befehl des 


112 Die Iavanefen. 


Häuptlings nicht. Das ift ed, was den in feiner Machtausübung 
völlig unbefchränften Häuptling auf Java charafterifirt und in ihm 
einen hauptfächlichen Charalterzug der Bevölferung auf Java, nam- 
lich den einer natürlichen Gutmüthigfeit und Sanftmuth, wiebererfen: 
nen läßt. 


Wie tief die erwähnten beiden Eigenfchaften mit dem ganzen 
Thun und Treiben der Javanefen verwebt find, glaube ich nicht befs 
fer darthun zu fönnen, als wenn ich folgende, thatfächlich vorgelom- 
mene Scene aus dem Kreife meiner Häuslichkeit wahrheitögetreu wie 
derzugeben mich bemühe. 


Zur Zeit als zwei echte, vom Umgange mit Europäern oder mit 
den durch auswärtigen Verkehr bereitd mehrfach veränderten Küften 
und Stäbtebevmohnern fern gebliebene Javanefen, ein Koch und eine 
Magd, bei mir in Dienft getreten waren, trug meine Frau eines 
Abends denfelben auf, eine gewiffe Anzahl Hühner für den nächften 
Tag zu fchlachten. Beide fahen fich überrafcht an und ſchwiegen, und 
al8 meine Frau diefe Aufforderung wiederholte und gleichzeitig fragte, 
ob man fie auch verftanden hätte, entgegnete der Koch in bittendem 
Tone: „Ad, Herrin! Das werden Sie doch nicht wollen!?" Auf das 
darauf folgende „Warum denn nicht?” meiner Frau ward ihr mit 
nachdrudsvoller, ungeheuchelter Betonung zur Antwort gegeben: „Ad 
nein, Herrin! laffen Sie das bis morgen, die Hühner fchlafen bereite; 
wenn fie morgen früh werden ausgefchlafen haben und munter herum: 
laufen, dann will ich fie Hafchen und fchlachten. Die armen Thiere 
aber des Nachts im Schlafe zu ergreifen und zu töbten, das fann ich 
nicht, das wäre ja Sünde!“ 


In der ganzen Art und Weife, wie dieſer Naturmenjch dem 
Drange feines Herzens folgend die angeführten Worte gefprochen ha- 
ben mußte, ging daraus wohl am Sicherften hervor, daß meine Frau 
mit thränenden Augen zu mir in's Zimmer trat, das Vorgefallene mit 
theilte und bewegt ausrief: „Sieh! Diefe Heiden befchämen uns 
Ehriften! “ 

Diefer Vorfall charakterifirt den Javaneſen um fo mehr, da er, 
an unbedingten Gehorfam gewöhnt, vie Befehle feiner Vorgeſetzten 
jonft blindlings zu vollführen bemüht ift und nur, wenn ihm das Herz 


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Die Iavanefen. 113 


gar zu voll ift, fch demüthig bittend eine Gegenvorftellung zu machen 
erlaubt. 

Trotz feiner großen Vorliebe für das ſchoͤne Gefchlecht ift der Ja⸗ 
vanefe in feiner Liebe doch fehr veränderlich und leicht. Er nimmt fich 
nicht felten mehrere Frauen und Beifrauen; ja er macht von der durch 
den Koran ihm zugeftandenen Freiheit in diefer Beziehung bisweilen 
einen fo weiten Umfang, daß er fich mehr Arauen nimmt, als er zu 
ernähren im Stande ift. 

Beabfichtiget der Javanefe, ein eheliched Bünpniß einzugehen, fo 
beauftragt er einen Blutsverwandten damit, fi) zu den Eltern des 
betreffenden Mädchens zu begeben und die Erlaubniß zu einer Unter: 
redung mit dem jungen Mädchen für ihn nachzuſuchen. Erfolgt bie 
erwartete Genehmigung, dann begiebt fich der Heirathscandidat in eiges 
ner Perfon nach der Wohnung diefer Leute und bietet dem Mäpchen 
feiner Wahl einen Siri Kambang, d. h. ein feines, wohlriechendes 
Priemchen zum Kauen an. Die Annahme deffelben ift fo viel, wie das 
Jawort bei Heirathsgefuchen in Europa. Lehnt fie es aber ab, fo 
wird aus der beabfichtigten Heirath nichts. 

Hat das junge Mädchen durch Annahme des Sirt Kambang ihre 
Zuftimmung zu dem Chebündniffe gegeben, dann erfolgt fehr bald bie 
Hochzeit. Tages zuvor fendet der Bräutigam den Brautfchag mit 
großem Pomp nach dem Brauthaufe. Boran werden die Iuftrumente 
eines Gamelangfpieles (d.h. die zu einem Orchefter nach dortigen Bes 
griffen erforberlichen Mufifinftrumente) getragen. Der raufchende Klang 
diefer ohrenverlegenden Muſik lenft die Schauluft der Neugierigen auf 
die den Reichthum des Braͤutigams verfündenden Gefchenfe, welche in 
tiefen hoͤlzernen Näpfen prunkend einhergetragen werden und in Pre 
tiofen, werthvollen Kleidern, vielerlei Früchten und gewöhnlich in einem 
zur Hochzeitsfeier beftimmten Büffel beftehen. 

Der Brautichag ift eigentlich für die Brautmutter beftimmt. Es 
pflegen vemfelben aber auch Pretiofen und Foftbare Sarong's (Klei- 
der) für die Braut beigegeben au werben. 

Die Hochzeitöfeierlichkeit jelbft beginnt mit der Verfammlung ber 
Hoczeitögäfte im Haufe der Brauteltern am Morgen gegen 8 Uhr, 
während der die firchliche Handlung vollziehende Hadjii (Prieſter) erſt 
gegen Mittag erfcheint und die Trauung nad) muhamedaniſchem Ritus 

Zeitfchr. f. allg. Erbfunde. Bd. 11. 8 


114 Die Iavanefen. 


volieht. Die übrige Zeit des Tages wird mit Schmaufereien, Game: 
langfpiel und Bajaderentanz verbracht. Gegen Anbrucd des Abende 
führt der Bräutigam die Braut in pomphaften Aufzuge nach feiner 
Wohnung, welche inzwifchen von feinen Frauen und Beifrauen — fe: 
fern folche vorhanden find — auf das Sorgfältigfte zu Ehren der ein 
ziehenden Braut gefehmüdt worden. Den die Feſtlichkeit beſchließenden 
Brautzug felbft eröffnet ein Chor Muſikanten. Hinter diefen folgt das 
junge, von Kulie's getragene Ehepaar auf einem bahrenartigen Trag- 
feffel, der von Bambusrohr gefertigt und mit einer um den Seftel 
laufenden Einfaffung verfehen if. Hinter dem Bräutigam folgen, ent: 
weder zu Zuß oder auch von Kulie’d getragen, je nachdem es ge 
rade die DVermögensverhältniffe geftatten, die zur Hochzeitsfeier ge 
ladenen Berwandten. Braut und Bräutigam, fowie Hochzeitögäfte, 
prangen in Gold, Seide und Brillanten, die nöthigenfalls felbft ge 
borgt werden. Am reichften gefchmüdt ift aber der Kopf der Braut, 
der unter dem Gewichte der Evelfteine, Schmudfadhen von ſchweren 
gediegenen Golde und flarf riechenden Blumen förmlich) wantft. 

Im Haufe des Bräutigamd angelangt, wird die Braut von den 
übrigen rauen, mit denen vereint fie fortan nur einen Mann befigt, 
füpwefterlih begrüßt; die Gäfte verabfchieden fih, und das Hochzeits⸗ 
feft ift zu Ende. 

Hochzeitsfeierlichkeiten der Art, wie fie eben mitgetheilt worden, 
finden jedoch nur dann flatt, wenn die Braut noch prawan (Jungs 
frau) iſt. 

Doch eben fo leicht, wie der Javaneje eine eheliche Verbindung 
eingeht, bricht er fie auch wieder, ohne fich in feinem Gewiffen nur 
im Geringften verlegt zu fühlen. Die Untreue der Frau erfcheint ihm 
aber ald ein großed DBerbrechen. Darin mag wohl der Schlüfs 
fel zu der fonft unerflärlichen großen Eiferfucht des Javaneſen, bie 
ihn zu den gräßlichiten Miffethaten zu verleiten im Stande if, zu fus 
chen fein. 

Eheſcheidungen gehen hier fehr leicht vor ſich und pflegen demge⸗ 
mäß an der Tagesordnung zu fein. Die natürliche Folge davon 
ft das Häufige Borfommen von ConcubinatssBerhältniffen, die na 
mentlich in den größeren Stäbten, wie Samarang 3. B., fehr zu Haufe 
find. Geld, überhaupt Geſchenke, vermögen deshalb auch in den Gtäbten 


Die Javanefen. 115 


die Tugendhaftigfeit der Frauen leicht zu untergraben und der über- 
hand nehmenden Sittenverberbniß den beften Vorſchub zu leiften. 

Bis zu welchem Grade überhaupt die Unfittlichfeit in den größe 
ren Städten gebiehen iſt, kamm man daraus am beutlichften entnehmen, 
daß javanefifche Mütter niederen Standes ſchaamlos genug find, um 
ihre eigenen Töchter, wo möglich ſchon vor eingetretener Mannbarkeit, 
für Geld nicht bloß der Verführung preiszugeben, fondern fie fogar aus 
gewwinnfüchtiger Mbficht reichen Europäern rückhaltlos dazu anzutragen. 
„Dia missi prawan“ (meine Tochter iſt noch Jungfrau), fagt die 
geroifienlofe Mutter, wenn ihr der darauf eingehende Wollüflling zu we⸗ 
nig bietet. 

In den Binnenländern herrfcht diefe mit der vorfchreitenden Ci⸗ 
vilifatton fo gern Hand in Hund gehende Sittenlofigfeit, die fich auch 
in den Reſidenzorten der beiden javaneitfchen Fürften zu Suralarta und 
Diocjafarta bereits eingebürgert hat, weniger. 

An dieſe verderbliche Schattenfeite in der Charakterifirung des 
Javaneſen reiht fich eine andere, nicht minder folgenreiche, deren Ur⸗ 
fprung fi aber keineswegs von der Einbürgerung der Europder auf 
Java herdatirt, nämlich die Leidenſchaft des Spieles. Während ber 
vornehme Javanefe, der Fürft oder Häuptling, nur für das Schach⸗ 
fpiel einige Vorliebe. befundet, liebt der nievere Javanefe die Hazarb- 
fpiele mit einer Leivenfchaftlichkeit, die ohne Grenzen ik. Im Allge 
meinen läßt fi) die Behauptung aufftellen, daß die Spielwuth im ums 
gefehrten Verhältniffe zu dem Befisthume des Javanefen fteht. Je Aus 
mer er ift, um fo leidenjchaftlicher ift er im Hazardſpiele. Es geht 
dies fo weit, daß der mit den befiglofen Koffäthen oder Inſaſſen Eus 
ropa's oder noch treffender mit den italienifchen Lazzaroni's vergleich⸗ 
bare Kulie (Arbeitsmann, Tagelöhner), auf Java, nachdem er feine 
Kleider, ja fogar fein Kopftuch, das einzige Unterſcheidungszeichen 
des Mannes binfichtlih der Kleidung, bereitd im Spiele verloren 
Bat, fogar feinen muthmaßlichen Verdienſt am folgenden Tage auf's 
Spiel febt. Weber das nothwendigfte Beduͤrfniß an Kleidern, noch 
die ſicherſte Ausfiht auf drüdende Entbehrungen vermögen feine Lei⸗ 
denfchaftlichkeit im Hazardſpiele nur einigermaßen zu zägeln. 

Bon Jugend auf an Befitlofigkeit gewöhnt, begiebt fich der Ku⸗ 
lle, wenn er alles verfpielt hat, in die Nähe folder Orte, wo er Be 

8 * 


116 Die Javaneſen. 


ſchaͤftigung und Löhnung zu finden Hoffen darf, alfo an Landungs⸗ 
pläge der Schiffsboote, zu den Speichern der Kaufleute u. f. w., legt 
fih mit wahrhaft fRoifcher Ruhe in den Schatten und fchläft anſchei⸗ 
nend ganz forglos, bis fich wieder Arbeit und Verdienſt für ihn dar- 
bieten. 

Die Art und Weile, in welcher der Jaranefe feine Hazardſpiele 
treibt, ift die einfachite von der Welt. Wenn fich zwei oder mehrere 
Kulie's irgendwo treffen, nichts zu arbeiten haben oder eine Freiftunde 
genießen, fo greift der eine in die Taſche, nimmt ein Geldſtück heraus 
und legt es, von der Hand bededt, auf einen Stein oder auf die bloße 
Erde und fragt den andern: Schrift oder Wappen. Trifft der Ra 
thende, indem er das Eine oder das Andere nennt, die zufällig nad 
oben liegende Seite des Geldſtücks, fo gehört es ihm; irrte er fi 
aber, fo muß er ein eben folches an den Fragenden zahlen. Eine zweite 
Art befteht darin, daß der Fragende mehrere Gelpftüde in die Hand 
nimmt, den Mitfpieler fragt, ob er fich für Schrift oder Wappen ent 
ſcheide und nach gefchehener Angabe des Einen oder Anderen bie 
Münzen in die Höhe werfend zu Boden fallen laßt. Entſpricht die 
Mehrzahl der Münzen nach diefem einfachen Erperimente der Angabe 
der Mitfpielenden oder Befragten, fo nimmt er fi) ald gewonnenen 
Antheil alle Münzen, welche die von ihm angegebene Seite nad) oben 
zeigen, hinweg. Bleibt er dagegen in ver Minorität, jo muß er eben 
fo viele Münzen, wie die mit verfehlter Oberfeite zufammen betragen, 
herausgeben. 

Mit Karten zu fpielen ift Feine echt javanefifche Sitte. Sie fi 
det fih auch nur an ſolchen Orten vor, wo Europäer in größerer 
Anzahl wohnen und durch lebhaften täglichen Verkehr ihren Einfluf 
auf die Sitten und Gebräuche der Bevölferung Java's auszudehnen 
gewußt haben. 

Der Javaneſe ift, wie bereitö weiter oben angedeutet worben, ge 
ſellig und liebt eine freunpliche Bereinigung mit den Bewohnern fei- 
ned Kampongs, oder mit befreundeten Nachbarn, über Allee. Man 
fiebt fie deshalb, troz ihrer Gewohnheit des Abends früh fich zur 
Ruhe zu begeben und zu fchlafen, an fchönen Abenven bei Monpfchein- 
beleuchtung oft maſſenweiſe in traulicher Unterhaltung zufammenfigen. 
Sie verbringen aber auch nicht felten den Abend mit Muſik und 


Die Javanefen. 117 


Tanz, in Städten fogar mit Marionetten- Theater (Wayang Ketop- 
ping) und dergleichen. 

Feder Dorfhäuptling pflegt deshalb für die Unterhaltung einer 
mit mufikalifhen Inſtrumenten verfehenen Pandoppe (Schuppen) 
in der Naͤhe feiner Wohnung Sorge zu tragen. In Heineren Kam⸗ 
pong’s finden fich Hier die betreffenden Mufifer gewöhnlich an bes 
fimmten Abenden zur Beluftigung der Dorfbewohner ein. Am Tage 
pflegen fie nur dann zu erfcheinen, wenn irgend ein hoher Gaſt ers 
wartet wird. In größeren Kampong’d dagegen figen die Mufifer in 
fortwährender Bereitfchaft, um beim Eintritte eines hoben Gafted- oder 
auf Befehl des Häuptlings ihre fonderbaren Inſtrumente ertönen zu 
laſſen. 

Die in einer ſolchen Pandoppe befindlichen Inſtrumente fuͤhren 
vereint den Namen Gamelangſpiel. Den Hauptbeſtandtheil dieſes 
legten bilvet ein Inftrument, welches einem mit Gurten bejpannten So» 
phageftelle gleicht. Auf den Gurten ruhen zwei Reihen Feiner, zweck⸗ 
mäßig angebracdhter Metallkefiel, von welchen jeder einzelne von vers 
Ichiedener Größe und Dide der Wandung einen anderen Ton hat. 
Dieje Keffel werden durch Feine Hämmerchen von Elfenbein angeſchla⸗ 
gen und geben, auf diefe Weife berührt, harmoniſche Töne von fich. 
Ein Mann, der in jeder Hand ein ſolches Hämmerchen hält, fpielt die⸗ 
fe8 Inftrument. Neben dieſem Inftrumente hängt an einem Balken 
ein großer Metalifefiel, Gom oder aud) Gongong genannt. Dieſer 
wird durch einen eigens dazu beflimmten Dann mittelft einer mit Pol⸗ 
fter umgebenen hölzernen Keule der Muſik entiprechend gejchlagen. Er 
liefert die zum Gamelangfpiele erforderlichen Baßtöne. 

Ein dritter Muſiker fchlägt nach gewiffen Vorfchriften zwei me 
tallene Beden an einander; ein vierter dagegen figt wieder vor einem 
größeren Inftrumente, das einem hölzernen Troge, deſſen Ränder ges 
polftert find, gleicht. Auf den Rändern diefed Troges ruhen von ſehr 
hartem Holze gefertigte Stäbe, die ebenfalls durch Fleine Hämmerchen 
in Bewegung gefeßt werben, neben einander. Jeder diefer Stäbe giebt, 
mit dem Hämmerchen angefchlagen, einen eigenthümlichen, mehr flap- 
pernden als klingenden Ton. 

Alle diefe Anftrumente, denen oft noch andere, weniger in bie 
Augen fallende Muflfinftrumente beigefügt find, werden vereint gefpielt 


118 Die Javaneſen. 


und gewähren, von der Kerne aus gehört, einen gewiflen harmoniſchen 
Klang, an welchen ſich das Ohr des Europäers felbft leicht gerwöhnt. 
In der Nühe dagegen hat diefe feltfame Muſik viel Achnlichkeit mit 
einem fchredlichen, das Ohr des Europäerd unangenehm berührenden 
Gelaͤute. 

Des Abends pflegen ſich die Bewohner des Dorfes regelmäßig 
auf dem freien, vor der nur für muſikaliſche Inftrumente beſtimmten 
Pandoppe einzufinden, und fi ſowohl durch Muſik, al durch Tanz 
bis fpät in die Nacht hinein zu belufligen. Man tanzt dann aber 
nicht, wie dies bei und in gefelliger Vereinigung zu gefchehen pflegt, 
d. 8. wem es gerade beliebt, zu tanzen. Der Tanz wird vielmehr, 
wie die Mufif, von beſonders dazu beflimmten Perfonen ausges 
führt, nur mit dem Unterfchiede, daß jene ausjchließlih von Männern, 
diefe von Srauensperfonen ausgeführt werden. Lehte führen den Namen 
Bajaberen. 

Die Tänze felbft zeichnen. fi) durch ihren außerorbentlichen Reich 
thum an Abwechfelungen aus und werben nicht felten von Geſang bes 
gleitet, welcher indefien nichts weniger als fchön und wohlklingend zu 
nennen if. Seine richtigere Bezeichnung würde die eines widerlichen 
Schreiens fein, das feine Erklärung in der übermäßigen Anftrengung 
der fingenden Bajaderen, welche durch ihren Gejang die rauſchende 
Muſik zu übertönen ftreben, findet. Sie befingen gewöhnlich in ihren 
Liedern die Lieblingsabenteuer eines Zürften, wollen alfo auch verſtan⸗ 
den werben und fchreien deshalb zur Webertönung der Muſik nicht 
felten in einem fo unerhörten, widernatürlichen Grade, daß fie die da⸗ 
bei mächtig anfchiwellenden Adern des Halſes und den aufgefpreigten 
Mund durch Bäder, die fie in den Händen tragen, oder auch wohl 
mit den Enden ded vom Bufen herabhängenden Clendang (Shawl) 
dem Anblid der Zufchauer zu entziehen fuchen. 

Die Bajaderen ſchweben nicht, wie die Tänzerinnen von Profeis 
fion in Europa, ſylphidenartig über den Erdboden dahin. Sie pro 
duciren eben jo wenig Kunftflüde, welche in einer außergemöhnlichen 
Balancirung des Körpers auf einem Beine oder in fchnellem Empor 
werfen der Beine und mächtigen Sprüngen ‚oder einförmigem wirbeln⸗ 
den Umherkreiſen auf einem Fuße beftehen. Ihre Tänze beſtehen mehr 
aus grazidfen Bewegungen des Körpers, welche, nach der ihnen zu 


Die Javaneſen. 119 


Grunde liegenden Bedeutung oder dem Inhalte der Dazu gefungenen 
Arien, bald einen mehr gemeffenen, bald einen tobenden Charakter an- 
nehmen, ftet8 aber auf den Zufchauer einen lieblihen, Bewunderung 
entlodenden Eindrud machen. 

Während nämlich in Europa die Tanzkünftler und Künftlerinnen 
allen Fleiß, alle Mühe, alles Studium, faft ausfchließlich der Ausbil- 
dung der unteren Körperhälfte widmen und bei einer erfichtlichen Ver⸗ 
nachläffigung des oberen Körpertheiles ihren Höhepunft in einer bes 
wundernswuͤrdigen Gewandtheit der Beine und Füße zu finden fuchen, 
bemüht fich die Bajadere allen Glievern und Gelenfen des Körpers, 
vom oberften Halswirbel an bis zum vorderſten Zehengelenf, eine wahr 
haft beifpiellofe Beweglichkeit zu verleihen. Die Bajadere vermag 3.8. 
das vorberfte Glied eines jeden Fingers, ohne die anderen Glieder 
defielben oder eines anderen Fingers zu beugen, nach Belieben vor- 
und rüdwärts zu fireden, kann ihre Hand nach außen oder rückwaͤrts 
eben fo flah und Hohl machen, wie wir nach innen, dem Handteller 
zu; ja, fie kann felbft die ganze Hand derartig rüdwärtd beugen, daß 
der fogenannte Handrüden volllommen auf den Borberarm zu liegen 
kommt. Ihre Zehen befigen dieſelbe Fertigkeit im Anfaſſen, wie bie 
Finger; ihre Wirbelſaͤule ift nach allen Seiten hin biegfam und gelen- 
fig. Kein Wunder alfo, wenn jede Bewegung ihres ungefchnürten, 
nicht in fleife, enge Wieder gewaltfam eingepreßten Leibes graziös und 
für dad Auge wohlgefällig wird. 

Arme, Hände, Finger, Beine, Füße, Zehen, Die obere und untere 
Hälfte des Rumpfes, fowie der Kopf bewegt fich bei dem Tanze ber 
Baiadere auf eime lieblihe, anmuthige Weiſe. Ja ſelbſt die Augen 
und der Mund nehmen lebhaften Antheil an den Bewegungen bes 
gefammten Körpers, jedoch nicht um ein erzwungenes widerliches Laͤ⸗ 
dein oder nichtsfagende Augenverbreherei hervorzurufen, fondern war, 
um Geift und Leben, um Ausdruck, Aumuth und Zwanglofigfeit in 
ihre bezauberndes Gebehrdenſpiel zu bringen. 

Zur Erlangung einer derartigen Gewandtheit und Gelenkigkeit 
bedarf es natürlich einer weit früheren, längeren und forgfältigeren 
Ausbildung des Körpers, wie die, deren die Tanzlünftllerinnen Euro⸗ 
pa's zur Anftrebung ihres Zieles bevürfen, es zu fein pflegt. Waͤh⸗ 
rend die Leuten mit dem vierten over fünften Jahre früheftens ihre 





120 Die Iavanefen. 


Studien zu beginnen pflegen, datirt fich der Anfangspunft ver förper- 
lichen Ausbildung der Bajadere vom erften Lebensjahre her. 

MWührend das Kind im Schoße der Mutter ruht oder an der 
Mutterbruft den Reichthum feiner Lebensfräfte zu erweitern fucht oder 
im Babe fich erquidt und flärft, ftrebt die Mutter mit raftlofem Eifer 
dahin, alle Glieder des Körper durch häufiges Vor⸗, Rüdwäarts 
und Seitwärtöbiegen möglichft gelenkig und biegfam zu machen. Daf 
diefe Operationen aber mit größter Behutſamkeit gefchehen, beweifet der 
Umftand zur Genüge, daß die Kinder, denen dabei anfcheinend alle 
Glieder gebrochen oder mindeftens verrenft werden, ganz ruhig Dabei 
bleiben und nicht einmal ein leifed Zeichen des Mißbehagens, geſchweige 
denn einen Schmerzendlaut von fich geben. 

Diefen unermüdeten Verfuchen, jedem Gelenke in frühefter Yu- 
gendzeit die möglichft größte Elafticität und Beweglichkeit zu geben, 
verdanft es die Bajadere, daß fie ohne alle erjichtliche Anftrengung 
die beifpiellofeften Stellungen und Bewegungen der verjchiedenften Kor: 
pertheile auszuführen vermag. Sie fchwingt, ohne zu feuchen und zu 
ermüden, ihren gejchmeidigen Rumpf des Körpers, dem zwar die wes⸗ 
penartige Taille, auf welche Europa’d Tänzerinnen hohen Werth le— 
gen, fehlt, der aber bei mäßiger Fülle, fchöngeformter Bruft und lieb: 
licher Rundung das Gepräge nicht erzwungener, natürlicher Schönheit 
an fich trägt. Sie hebt und fenft ihre mäßig vollen Arme, biegt ihren 
Nacken, fehwebt, gleitet und wirbelt im Tanze auf die lieblichfte, wahr: 
haft entzüdende Weiſe. Sie fefielt mit Zauberfraft die Blicke des won- 
netrunfenen Zufchauers, ohne zu ermüden, und entringt feiner Bruft 
fein bloßes Kundgeben des Erftaunend und der Vermunderung, fons 
dern der volllommenften Anerkennung, der wahren Bewunderung. 

Ihre Kleidung befteht zuvörberft aus einem Sarong, dem ſack⸗ 
förmigen Kleidungsftüd, welches ohne Band und Radeln durch einen 
eigenthümlichen Kunftgriff unter dem üppig fchwellenden Bufen feft 
zufammengefchürzt wird. Bei Aermeren ift der Sarong von Kattum, 
bei Reicheren von Seive, mit oder ohne Goloftidereien. Ex reicht vom 
Bufen bis zum Knöchel hinab. Der auf diefe Weife unbevedt blei: 
bende Bufen dagegen wird mit dem dünnen, A bis 5 Ellen langen 
jeldenen Shaw, dem Clendang, leicht umhüllt. 

Das volle, lange, pechfchwarze Haar trägt die Bajadere rüdtwärts 


Die Javaneſen. 121 


gekaͤmmt, in Knoten oder Schleifen (Konde benannt), geſchuͤrzt. Lebte 
werden durch filberne oder goldene Nadeln, die nicht felten mit Dia- 
manten gefchmüdt find, zufammengehalten und mit wohlriechenden 
Blumen verziert. Am haufigften bedient man fi) dazu des Nachtveil: 
chend (Kombang melatti), defjen Bluͤthen guirlandenartig an Fäden 
gereiht und im Form einer Perlenfchnur dem Haarfchmud einverleibt 
werben. 

Die völlig entblößten Arme fowie der Hald und das Geficht wer: 
den mit flarf riechenden aromatifchen Kräutern eingerieben. 

Auf dieſe Weife gefehmüdt und zum Erfcheinen vorbereitet raucht 
die Bajadere, in der Abficht ſich zu erregen und recht feurig zu tan: 
zen, bevor fie den Tanzplatz betritt, etwas Opium. 

Iſt die Bajadere alt geworden und ledig geblieben, fo befchäftigt 
fie fih mit Unterrichtung der Kinder im Tanzen. Bei der auf Java 
herrfchenden großen Vorliebe für den Tanz fehlt es ihre natürlich an 
Beichäftigung nicht. Sie unterrichtet dann nicht bloß die zum öffent- 
lichen Auftreten ſich heranbildenden Tänzerinnen, fondern auch andere 
Kinder, und zwar beiderlei Geſchlecht. Die Sitte erheifcht es nämlid) 
auf Java, daß alle Kinder diefe Tänze erlernen. 

Welch' hohe Bereutung der Javaneſe dem Tanze beilegt, geht 
einerſeits daraus hervor, daß er fich Fein großartiges Feſt, Feine gefel- 
lige feierliche Vereinigung ohne Bajaderentanz denfen Tann und im 
Zweifampfe, forte zum Theil auch in der Schlacht ), feinem Feinde 
tanzend entgegengeht. 

Zu den mehr localen, aber großartigften eftlichleiten auf Java 
gehört noch die Feier, mit welcher die fogenannte Nefterernte be- 
ginnt und fchließt. Sämmtliche Bewohner des den Nefterklippen zus 
nüchft gelegenen und mit der Einfammlung betrauten Dorfes verfam- 
meln fih am Tage der Eröffnungsfeierlichkeit an den Klippen, fchlach- 
ten Karbau's und ergögen fich bis fpät in die Nacht hinein an Speis 
fen, Gamelangfpiel (Muflf) und Tandak (Bajaderentanz). Was je: 
doch als beſonders charakteriftifch bei dieſer eigentlich doch nur auf 
gröbere Sinnesreize ſich bafirenden Yeftlichfeit hervorgehoben zu wer⸗ 
den verbient, ift der Umftand, daß fih der Javaneſe bei allen diefen 


— — 


2) Die Dublangs (Vorfechter, Tirailleure) gehen bei Beginn einer offenen Feld⸗ 
ſchlacht den feindlichen Truppen tanzend entgegen. 





122 Die Javaueſen. 


Sinnesreizen doch zu religiöfen Uebungen, zum Gebet, hingezogen fühlt. 
Er betet ald Muhamedaner, aber mit einer Inbrunft, welche den from: 
men Drang des Herzens nicht verfennen läßt. Eine reiche Ernte, fo 
wie die Abwendung unglüdlicher Ereigniffe bei dem gefährlichen Ein- 
fammeln der Nefter, bildet den Gegenfland feines aus tiefiter Seele 
zu Gott emporbringenden Gebetes. 

Unweit des Forts Karrang bollong, wo ich al8 Kommandant fta> 
tionirt war, habe ich nicht bloß dieſer Keftlichkeit mehrmals beizuwoh⸗ 
nen Gelegenheit gehabt, jondern auch die Producenten diefer eßbaren, 
unter dem Namen „oftindifche Schwalbennefter * im Handel vorfom- 
menden Bogelnefter vielfach beobachten fönnen. An den Berg nüm- 
ih, auf welchem das Fort Karrang bollong lag, fließ ein zweiter, 
unmittelbar am Meere gelegener Berg, defien Sübfeite durch ewig tos 
jende Brandung ſchluchtenartig ausgefpült war. Hier, wo ſelbſt bei 
fonft fliler See die Meereswogen lautvröhnend toben und unter Dums 
pfen, donnerartigen Droͤhnen ſich brechend ihren filberfarbigen Schaum 
wohl an mehr als hundert Fuß hoch emporfprigen; hier, wo weder 
Schlangen, noch Iltis und taufend andere Feinde der gefiederten Welt 
des Feſtlandes der Brut, fowie dem brütenden Vogel, nachzuſtellen ver- 
mögen, hier, an diefem graufig fchauerlichen Orte, wohin höchftens der 
Menſch in feiner Verwegenheit zu dringen wagen darf, baut die Ca⸗ 
langane oder Lawet, ihr verlodendes Neil. Zur Gattung der Schwal- 
ben gehören, befikt die Calangane große Aechnlichkeit mit der gewöhns 
lichen europäifchen Hausfchwalbe, nur mit dem Unterfchieve, daß fie 
größer, als dieſe, ift und nicht an Giebel und Fenſter, oder gar in zu⸗ 
gänglichen Raumen menfchlicher Wohnungen, fondern nur an den uns 
wirthbarften Stellen der Meeresfüfte in dunklen, mit fchroffen Yelfen- 
riffen verfehenen Buchten niftet. (Die Calangane (Salangane) if 
Hirundo esculenta; nad Raffles findet man ihre Neſter auch im 
Binnenlande Java's. ©.) 

ZTagüber fchweben fie zu Tauſenden über dem WMeeresfpiegel 
einher, um, wie der SJavanefe fagt, Telor Ikan (Siſchlaich) zur 
Nahrung zu ſuchen. Der Genuß dieſes Laichs foll der Sage nad 
eine große Geneigtheit zur Schleimbildung in ihnen hervorrufen und 
zur Production des zur Bildung ihrer Nefter erforderlichen Schleis 
mes unbedingt erforderlih fein. Woher fie nun auch immer viefen 


” nr Tı IT ru r 2* 


Die Javaneſen. 123 


Schleim nehmen mögen, fo viel ſteht feft, daß derfelbe urfprünglich 
eine zähe leimartige Maſſe bildet, weldde an der Luft leicht trocknet, 
dabei aber an Durchfichtigfeit verliert und hart und fpröde wird. Un⸗ 
mittelbar nach dem die Refterernte einleitenden Feſttage beginnt das 
Einfammlen der Nefter felbft und zwar auf folgende Weife: 

Da die gewaltige Brandung vom Waffer aus zu den betreffen- 
den Klippen zu gelangen nicht geftattet, fo müflen die von dem Res 
genten mit diefer Arbeit beauftragten Perfonen fich von der Spite des 
Berges aus, an deſſen Süpfeite die Calanganen niften, bis zu den 
mit Neftern verfehenen Stellen hinablaffen, ein Unternehmen, das fo 
gefährlich ift, Daß nur ſolche Berfonen, die von Jugend auf Daran ges 
wöhnt find, dazu brauchbar erfcheinen. 

Der mit dem Einfammeln vertraute Javaneſe nimmt deshalb ſei⸗ 
nen Sohn, wenn diefer das Alter von 8 oder 9 Jahren erreicht hat, 
bei diefer gefährlichen Fahrt in die fchauerliche Tiefe auf den Schooß, 
um ihn an die ſchwindelnde Tiefe und das freie Schweben über der 
tofenden, himmelanfprigenden Brandung früh genug zu gewöhnen. 

Der Sammler felbit fit auf einem aus Bambus gefertigten Stuhle, 
welcher vermittelft eines aus Bambus geflochtenen ftarfen Taues in 
die betreffende Schlucht beliebig hinabgelafien und wieder hinaufgezo- 
gen werben kann. In der einen Hand eine brennende Yadel, in der 
anderen eine Bambusftange mit eifernen Hafen, über ven Schultern 
einen Korb von Bambusrohr, fährt er in die Tiefe fo lange hinab, 
bis er an einer mit Neftern verfehenen Stelle anlangt. Dann giebt 
er durch Rütteln an einem zweiten, zum Hinaufziehen des gefüllten 
und ebenfo wieder nach Berürfnig zum Herablaffen eines leeren Kor: 
bes beflimmten Taues denjenigen, die ihn von oben hinablaſſen, ein 
Zeichen zum Anhalten, zieht fich vermittelſt des Hafens an die Klips 
pen heran, löft mit einem Meſſer die Neſter vom Felſen, jo lange er 
deren findet oder zu erreichen vermag und giebt dann wieder ein bes 
ſtimmtes Zeichen zum weiteren Hinablaffen in die Tiefe oder zum Hin- 
anziehen nach der Spige des Berges. 

Sind alle erreichbaren Galanganennefter geſammelt, fo wird dies 
felbe Feſtlichkeit, unter welcher die Nefterernte eröffnet wird, wieders 
holt, nur mit dem linterfchiede, daß an die Stelle frommer Gebete für 
eine fegensreiche Ernte und die Wohlfahrt der Sammler, Gebete des 





124 Die Javaneien. 


Danfed und der Freude für die gewonnene Gabe, jowie für die glüd: 
liche Erhaltung der fühnen Klippenfahrer treten. 

Nach beendeter Feftlichfeit werden die Nefter aufs Sorgfältigite 
gereinigt, im Schatten an der Luft getrodnet, fortirt und in Kiften 
verpadt dem betreffenden Regenten, dem Sufjuhunan von Surafarta 
überjendet. 

Bon hier aus gelangen fie in drei, dem Werthe nach jehr ver- 
ſchiedenen Sorten in den Handel. 

Die Harften, reinften, mehr blaßgelben Nefter gelten, weil ſie friſch 
und von der Schwalbe zur Brut noch nicht benutzt worden find, für 
die befte Sorte. Sie bilden im Handel einen bei den reichen Chi⸗ 
nejen fehr beliebten Artifel und werden buchftäblich mit Gold aufge 
wogen. Die Javanefen huldigen dem Glauben, daß die ganz reinen, 
mehr weiß, als gelb, ausſehenden Refter während der Brutzeit von den 
Männchen in der Abficht, die Weibchen zu beobachten und zu bejchügen 
gebaut werden. Die zur Ausbrütung der Eier benusten Nefter pfles 
gen fi von den vorigen durch eine dunflere Färbung und Berunrei- 
nigung mit Federn und Vogelſchmutz zn unterfcheiden. Sie bilden bie 
zweite Sorte und gelten im Handel nur halb fo viel, ald die vorigen. 

Die ülteften, bei früherem Einfammeln überfehenen oder nicht er: 
reichten machen die fogenannte dritte oder fchlechteite Sorte aus. 
Ihre wiederholte Benutzung zur Ausbrütung und Aufiehung der jun- 
gen Calanganen, fowie ihr höheres Alter, mit welchem naturgemäß 
auch eine längere Einwirfung atmofphärifcher Schädlichfeiten verbun⸗ 
den fein mußte, giebt ihnen eine ganz veränderte Faͤrbung. Sie fehen 
nicht mehr gelb, fondern braun oder grau aus. 

Bei ihrem enormen Werthe bilden dieſe eßbaren Schwalbenne 
fter, welche bei Karrang bollong zwei Mal im Jahre gefammelt und 
dem Raven Tommongong von Banjuman’s, Tjodro -Widono zur vor 
läufigen Aufbewahrung übergeben wurden, einen bedeutenden Theil der 
Revenüen des Sufjuhunan (Kaiferd) von Surafarta. 

Die meiften dieſer Nefter gelangen im Wege des Handels nad 
Ehina, wo fie bei der Mahlzeit an der Tafel des Kaiſers und feiner 
Mandarinen nie fehlen follen. Aber auch die reichen Chinefen in den 
hollandiſch⸗ oftindifchen Befigungen haben eine große Vorliebe dafür 
und verfehwenden viel Geld in dieſem gefuchten Hanbelsartifel. 


Die Iayanefen. 125 


Die üblichfte Art der Zubereitung dieſer genießbaren Schwalben- 
nefter ift bier, wie in China, die Suppenform. In Feine vieredige 
Stücke gefchnitten werden biefelben den Hühnerfuppen, Die, an und 
für ſich ſchon Fraftig und nahrhaft, dadurch noch Fraftiger, nahrungs- 
reicher und fättigender werden follen, beigemifcht. 

Eine zweite, faft nur an europäifchen Tafeln oder bei den Feſten 
einzelner einheimifcher Regenten (wenn dieſe Europüer geladen) vor: 
fommende Zubereitungsweife befteht darin, daß das Neft mit frifchem, 
würfelförmig gefchnittenen Fleiſch gefüllt und in dem dicken, auf foges 
nannte Kokusnußmilch fi) abfegenden Rahm (oder Sahne) ge 
ſchmort wird. 

Der Genuß der Calanganennefter gilt hier und in China allge- 
mein für jehr nahrhaft und bei Bruftfrankheiten, Erkältungen, Hals⸗ 
leiden und Zehrfranfheiten für Außerft heilfam. Die Chinefen, die 
hierin wohl für competente Richter gelten dürften, fchreiben demfelben 
auch noch eine befondere Einwirkung auf die Zeugungsorgane zu. 


II 


Die Ueberwinterung des Capit. Maguire auf der 
polaren Nordweft-Küfte Amerifa’s und die Weſt⸗ 
Edquimaurftämme (1852 — 1853). 


Der lehrreiche, erft im Beginn diefes Jahres zu London einge 
teoffene und in der Times vom 7. Jamuar mitgetheilte Bericht des Cap. 
Rochefort Maguire, Commandeurs des gleichzeitig mit Capit. M’ Elure 
zu einer Unterfuchung der arctifchen Meere im Norden Amerika's aus- 
gerüfteten Schiffs Plover, betrifft vorzüglich diejenigen Ränder dieſes 
Erdtheils, welche vom Hafen Elarence an den nordweftlichen Theil des 
Eontinents begrenzen. Port Elarence, ein bis in die lebten Jahre, wie 
es fcheint, völlig unbefannter und nur auf einer einzigen, ganz netten 
englifchen Karte diefer Gegenden verzeichneter Hafen, liegt nämlich un⸗ 
mittelbar am Suͤdrande des weit gegen Norbiweften aus dem Gontis 
nent vorfpringenden Prinz Wales Cap, und aljo auch in der Nähe 





126 C. Ritter: 


der Behringsftraße. Er diente den englifchen Admiralitätsfchiffen, welche 
aus der Südfee, gewöhnlich von der chinefifch-englifchen Infel Hong 
fong, durch die ebengenannte Straße zur Wieberauffuchung der Sir 
Franklin’fchen Erpedition abgefandt wurden, al8 eine bequeme Station, 
um von ihr aus das ganze benachbarte Nordweftende des amerifani- 
fchen Feſtlandes umfchiffen zu fönnen. Am Gap Lisbourne und Point 
Barrow, dem nörblichften Vorgebirge vorüber, Fönnen fodann die Schiffe 
gleich mit dem eriten Sommeraufbruche des Eifes (was indeflen erft 
Ende Juli oder Anfangs Auguft möglich ift), fo tief und weit, ale 
möglich, in die eißbefreite Polarfee eindringen; theils um das Gebiet 
der Nautik in jenen Gegenden zu bereichern, wie ed in den Jahren 
1850 — 1851 durch Capit. Eollinfon gefchah, der im Juli 1851 von 
Port Elarence aufbrah (Zeitfchrift I, A10), theild daſelbſt neue Ent- 
defungen zu verfolgen, was dem Gapit. M'Clure, wie wir in die 
fer Zeitfchrift berichteten (I, 419 — 476), fo trefflih gelang, oder 
endlich auch, um an den ſchon befannteren Küftenftreden von den Ein- 
geborenen Nachrichten über die von denfelben gemachten Erfahrungen 
und Begegniffe der leuten Zeit einzuzeichnen, wie ed vorzugsweiſe Capit. 
Maguire’d8 Aufgabe gewefen zu fein fcheint. Zu diefen Zweden vie 
nen bei dem frühen Einfrieren der Schiffe vorzüglich ſolche Winterfta- 
tionen, die eine gefchügte Lage befigen und zugleich von Esquimaur: 
Bevölferungen umgeben find. In Bezug auf ethnographifche Refultate 
iſt nun vorzüglich Maguire's Bericht, wie erwähnt, von Interefie, wo 
gegen derfelbe freilich Feine neuen Entvedungen von Küften und Infeln 
in der Art der M’Elure’fchen bringt. Die Refultate wurden durch 
den langen Aufenthalt der Maguirefchen Expedition in ihrer Winter 
ftation, wo fie 11 Monate und A Tage eingefroren biieb, in Folge 
des fortdauernden Umgangs der Glieder der Erpedition mit den Ein- 
geborenen, welche oft aus weiten Entfernungen zu ihren Jagdpartieen 
und nad) ihren Taufchhandelsplägen vorüberzogen, erworben, und fie 
haben auch deshalb fo viel Werth, weil fie meift fehr charafteriftifche 
Schilderungen der Ergebnifle mit dem weſtlichen, bisher weniger, al® 
defien öftliche Stammgenofien befannten Polarvolk liefern. Bei ſei⸗ 
nen menfchenfreundlichen Sefinnungen nahm der Führer der Erpebitien 
den lebhafteften Antheil an der edleren Ausbildung der armen Be 
wohner diefer Gegenden, indem er ihre Verhältnifie in Berührung mit 


Maguire'8 Ueberwinterung auf d. polar. NW.-Küfte N.⸗Amerika's. 127 


den Europäern durch milde Mafregeln zu ordnen und zu fichern 
fuchte. Bei diefem Verkehr fehlte freilich ein vermittelndes Glied, ein 
Dolmetfcher etwa in Miertfching’s Art, wodurch wahrfcheinlich noch fe- 
gensreichere Erfolge erlangt worden wären (Zeitſchrift I, A76). 

Der von Capit. Maguire befehligte Plover ift daſſelbe Schiff, 
welches jchon in den Jahren 1849 — 1850 feine Boote unter der da⸗ 
maligen Lieutenants Pullen und Hoopers Commando von Cap Lis⸗ 
boume aus über Point Barrow längs den Norbweft- Küften des Gon- 
tfinents bis zur Mündung des MadenziesFlufies und Cap Bathurft 
fandte. Die lebtgenannten Punkte wurden nicht überfchritten, ins 
dem die Boote nach Weften zurüdfehrten, wobei deren Mannfchaft in 
einen Kampf mit den ingeborenen gerietb und die mit dem Na— 
men Barnett bezeichnete englifche Flinte verlor, die fich fpäter in ven 
Händen der Esquimaur vorfand und ſchon Capit. M' Clure's Auf: 
merkſamkeit auf fich gezogen hatte, als er zu gleicher Zeit mit Pullen 
an diefen Gegenden vorüberzog, ohme jedoch mit letztem felbft in Bes 
rührung zu kommen (11. Auguft 1850. Zeitfchrift I, A22 und 424), in- 
dem die Plover Boats damald auf den Infeln an der Mündung des 
Madenzie verweilten. Maguire fam nicht fo weit, als fein Vorgän- 
ger, weil der Plover ſchon am 24. September 1852 in geringer Ent- 
nung öftlihd von Boint Barrow in der Gapit. Smithbai einfror und 
erft am 9. Auguft des folgenden Jahres aus feinem Eisgefüngniß be 
freit wurde, worauf Maguire feinen Ausweg gegen Welten und Süd⸗ 
weften über Point Barrow und ap Lisbourne nad dem Port Ela - 
rence nahm, den er endlich glüdlich erreichte. 

Hier mag nun Gapit. Maguire's eigener Bericht an die Admi- 
ralität, wie wir ihn in der Times finden, folgen. Er ift von Port Ela- 
rence felöft den 21. Auguft 1853 datirt. 





— 


Bon Port Elarence ſchiffte ih am Morgen des 21. Auguft 
1852 aus, fegelte mit vortheilhaftem Winde durch die Behrings- 
Straße in ihrem öftlichen Kanale am folgenden Mittage, wurde aber 
duch widrige Winde im weiteren Zortfchritte, um Point Barrow 
in fo fpäter Jahreszeit noch zu doubliren, fehr aufgehalten. Wir bes 
gegneten unfern Walfifchfahrern, die gefellfchaftlih die Meere durch- 
freuzten, um fich bei Nothfählen gegenfeitig beiftehen zu können. Wir 


128 ®. Ritter: 


hörten fpäter zu Point Hope von Eingeborenen, daß, feitdem vie 
Wallfiſchjagden hier begonnen haben, dieſe Fiſche fehr fparfam gewor⸗ 
den, auch hatten die uns begegnenden Schiffe feinen befonderen Yang 
gemacht; das legte war ein frangöfifches Schiff, welches wir am 25. Aus 
guft in diefen Gewäflern in 69° 30'n.Br. und 167° 43’ weſtl. 2 
von Greenwich trafen. 

Bald nachher fchifften wir durch ſchwere Eisflotten, hielten uns 
dicht an der Küfte, an welcher die und bisher widrigen Nordoſtwinde 
wenigftend den Vortheil brachten, eine von Eis freie Bahn von 10 
bis 15 Miles zu finden, in welcher wir freilich nur ſehr langfun ge 
gen Nordoften vorwärts rüdten, bis in der Nacht vom 2. Septbr. ein 
plößlich einfallender, nur furze Zeit Dauernder und Durch ein ſchnelles Sin; 
fen des Barometerd angezeigter Südfturm und den fchon nahen Wechſel 
der Witterung verfündete. Wir waren noch 50 engl. Meilen von Point 
Barrow fern, doch hoffte ich es vor dem Feftfegen des Eifed an der 
Küfte umfchiffen zu können; wir beeilten und, und es gelang am Mit 
tage des 3. Septbr. daffelbe zu doubliren. Um aber eine fichere Anker⸗ 
ftelle für das Schiff bei den treibenden Eismaffen und Stürmen zu 
finden, beburfte e8 langer Kämpfe, in denen man nur wenig vor 
waͤrts rüdte, bi8 man am 24. Septbr. eine foldhe für das Winterquar- 
tier fand. Heftige Stürme waren in der naͤchſten Woche fehr hinder⸗ 
lich in allen Arbeiten, die vorzüglich im Einfammeln des hier fparfamen 
Treibholzes, das zu Planken gefägt wurde, um Schugwände für 
Einrihtung von Hütten und um Brennholz zu gewinnen, beftanden. 
Am 25. Septbr. bildeten ſich in der Bucht flache Eisfchollen, die durch 
heftige Strömungen fortgeführt wurden. Darauf jollte das Schiff durch 
Boote nad) einer anderen Richtung gegen eine nahe Injel gezogen wer- 
ben, um vor einem Weberfalle der Eingeborenen von der Landfeite ber 
ſer gefhust zu fein. Dies war mit mancher Gefahr bei dem Treibs 
eife verbunden, wurde aber glüdlich erreicht. Nach Durdyfägung 
des Eiſes, um einen Kanal zur Verbindung mit ber Winterflation zu 
erhalten, der fich oft wieder mit Eis füllte, wenn er eben vollendet zu 
fein ſchien, waren wir endlich fo weit geviehen, daß das Schiff am 
30. Septbr. auf denfelben fortgegogen werden konnte, wozu ſich 70 Eins 
geborene, Männer, Weiber und Kinder, einfanden, die unter lautem 
Sreudengefchrei und bewundernden Gebehrden dabei hilfreich waren 
und ein intereffantes Schaufpiel darboten. 


Maguire'8 Ueberwinterung auf ver polar. Weſtküſte N⸗Amerika's. 129 


Wir trafen nun alle Borbereitungen für eine fo harte Win- 
tercampagne und erbauten eine temporäre Winterhütte, um darin Al⸗ 
le8 vom Schiffsverdeck niederzulegen, damit dieſes frei zu Uebungen 
und Arbeiten der Bootsmannfchaft würde, wenn das Wetter ihr hin- 
derlich fein follte, dafjelbe zu verlaffen. Ein Obfervatorium zur Auf- 
nahme der magnetifchen Inftrumente, das feinem Zwecke volllommen 
entiprach und während 8 Monate gute Dienfte that, wurde blos aus 
Eistafeln erbaut. 

Mit dem 20. October wurde die volftändige Winterorbnung in 
Bertheilung von Brennholz und Lebensmitteln fefgeitellt, mit den An- 
ordnungen für Erhaltung der Neinlichkeit, der Ordnung, der Arbeits 
vertheilung und der Erholungen und Vergnügungen, worüber Gapit. 
Parry's Vorgang als Mufter und zur Nachahmung diente. So ließ 
ich die Maften mit ihren Segelftangen an ihren Stellen ftehen, damit 
unfere auf der Ruͤckkehr begriffenen Land» und Seepartieen das 
Schiff ſchon aus der Ferne ficherer erbliden und erreichen konnten. 
Denn das Land umher war ganz flah, das Schiff aber dennoch 
durch feine hohen Maften aus einer weiten Berne von 9 Meilen aus 
jeder Richtung, bei Harem Wetter, zu erfpähen. 

Da e8 mir wichtig fehien, Die Umgebungen der Winterftation des 
Plover fo weit als möglich gegen Oſt zu fennen, fo machte ich be- 
reits am 21. September auf einem der Kleinen Boote, mit Mr. 3. 
A. Hull, dem zweiten Schiffömeifter, dahinwaͤrts eine Küftenfahrt auf 
einige Tage, um zugleich zu erforjchen, ob das weiterhin liegende Deaſe's 
niet zu einer Winterftation für ein Schiff geeignet fei. Indem ich 
an einigen Infeln und an Point Ehriftie vorüber, wo Signale ale 
Landmarken, welche die dermalige Winterftation des Schiffes Plover be⸗ 
zeichneten, errichtet wurden, und an Point Tangent vorbeiging, und fo 
Deafe Inlet erreichte, aber überall nur flaches Ufer und feine tiefere 
Sondirung als höchftens 11 Fuß in demfelben vorfand, überzeugte ich 
mich davon, daß Hier Fein Schiff feine Winterftation nehmen fönne und 
fehrte von da nad dem Plover zurüd. In allen Baien bemerften wir 
bei der Rüdfahrt, daß fich in ihnen ſchon Eis bei einer Temperatur von 
19° unter Ruß bildete. Sehr wahrfcheinlich Tonnten wir nun das 
völlige Zufrieren der See erwarten. Bei einer zweiten Ercurfion des 

Beitfchr. f. allg. Erdkunde. Bd. 11. 9 


130 C. Ritter: 


Mr. T. 9. Hull nad Deaſe's Inlet wurde die ganze Küfte von Point 
Barrow bis zu ihm aufgenommen. Auf den bisherigen Karten war 
das fühliche Ufer dieſes Inlet weiß geblieben; jetzt wurde es eingezeich- 
net. Es zieht ſich 20 engl. Meilen gegen Suͤdweſten, hat eine Breite von 
8 Meilen an der Mündung und endet an einer feichten Bali. Das Süb- 
oftufer ift höher als das übrige; eine der dortigen Klippen erreicht 
ievoch auch nur 24 Fuß Höhe; A Fleinere Fluͤſſe ergießen fih in die 
felbe, 2 am öftlidden, 2 am weftlichen Ufer. 

Die Inſelreihe, welche am Winterquartier des Plover nahe bei 
Point Tangent beginnt, deffen weftlicher Theil von Capit. Moore frü- 
ber entvedt und Ploverd Group genannt wurde, befteht aus 10 In- 
feln, davon 2 bis 3 der größeren ohne alle Spur von Vegetation 
find. Sie flrichen in einer Parallellinie mit der Küfle von OSO. 
und WNW., von Point Barrow bie Point Tangent, wo fie enden. 
Der einzige Kanal zwifchen ihnen, der noch tief genug für ein Schiff 
ift, war derjenige, in welchen dieſes Mal der Plover eingelaufen war. 

Bom Anfange unferes Winterquartierd an, das 2 Meilen in OSO. 
von einer Esquimaux⸗Anſiedlung auf Point Barrow liegt und Ru- 
Wuk (Noo⸗Wook) heißt, fanden wir dieſes Bölfchen ganz gegen 
unfere Erwartung zudringlich und fehr unfreundlich gefinnt. Dies 
ging fo weit, daß es rathſam geweſen wäre, unfere Station ganz we 
anders bin zu verlegen, was aber nicht möglich war, weil hier die ein- 
zige größere Waflertiefe für unfer Schiff war. Wir mußten und alfo 
in unfere Lage fügen, und hoffen, daß die Esquimaux mit der Zeit 
eine günftigere Meinung von uns faffen und danach ihr Betragen ver- 
beſſern würden. 

Anfänglich war unfer Zufanmentreffen mit ihnen jedes Mal mit 
Unannehmlichfeiten verbunden. Kein Boot Fonnte ſich in einiger Ent- 
fernung vom Schiff allein fehen laffen, ohne von ihnen beflohlen zu 
werden, und oft auf die allerfrechfte Weife; bei kleinſter Beranlaffung 
und ohne alle Herausforderung zogen fie ihre Meſſer und fließen damit 
nach unferen Leuten, die ihre Musfeten zwar hatten, aber nach fireng- 
ftem Befehl fie nicht gebrauchen durften, wenn nicht die Außerfte Noth 
dazu zwang. Die Möglichkeit, daß doch einmal einer von den Unſe⸗ 
tigen durch Berirrung in ihre Gewalt fommen fönnte, veranlaßte mich, 
jo behutfam gegen fie zu Werke zu gehen. Da fie aber den Richt: 


Maguire’3 Ueberwinterung auf d. polar. NW.-Küfte N. Amerika’. 1831 


gebrauch des Feuergewehrs flatt der Schonung gegen fie für Feigheit 
hielten, fo gebrauchten ein paar Offisiere, die mit dem Boote auf Ein- 
ladung von frifchem Waſſer ausgefhidt waren, ihre Flinten, um Heine 
Vögel zu fchießen, und dies hatte fo gute Wirkung, daß wir dabei 
blieben, die Gewehre mitzunehmen und zu gebrauchen, wenn ähnliche 
Gefchäfte zu beforgen waren. Dennoch mußten wir nad) einer paar 
maligen Wiederholung von dem Schöpfen des Waſſers in ihrer Nähe 
ablafien, da Died ihmen immer Gelegenheit zu ärgerlichen Auftritten 
gegen und gab, die wir lieber vermeiden, als hervorrufen wollten. 

Da folde Händel täglich mit den Leuten vorfielen, die in größe- 
rer Entfernung von unferem Schiffe zu thun hatten, jo waren, indem 
fih die Esquimaur dem Schiffe von allen Seiten näherten, alle uns 
fere auf demfelben zurüdbleibenden Leute mit der Ueberwachung defs 
felben beichäftigt, fo daß nur ein Heiner Theil der Mannfchaft zu 
den allernothwendigſten Arbeiten auf ihm verwendet werden fonnte. 

Am 15. Septbr. ſchien es, als ob die Esquimaux aus ihrem Som: 
merlager fich längs der Küfte oſtwaͤrts in ihre Winterhütten zurückbe⸗ 
geben wollten, und, da unſer Schiff eben in diefer Richtung lag, fo 
hatten wir täglich während 8 bis 9 Tage ihre Befuche zu erwarten, 
worunter auch die Stämme vom Gap Smyth fich befanden, an 500 
Köpfe, der zahlreichite Stamm von allen. Täglich kamen 7 bis 8 ihrer 
großen U⸗mi⸗aks mit ihren Sommerzelten, Bamilien, Hunden und 
Schlitten beladen, bei und an. Unſer Schiff wurde von ihnen als 
etwas ganz Fremdartiges mit Staunen betrachtet. Sie führten geringe 
Duantitäten von Fiſchen und Wildfleiſch mit ſich, aber von dem letzten 
gaben fie nur ungern etwas ab und zogen, ftatt auf Taufchhandel eins 
zugehen, es vor, auf die unverfchämtefte Weiſe zu betteln und zu 
ftehlen. 

Am Morgen des 17. Septbr. meldete man mir, daß ein großer 
U-misaf an die Schiffsfeite herangerudert fei, und daß die Esquimaux 
fih mit Gewalt auf das Schiff heraufgedrängt hätten; dies war ſchon 
öfter gefchehen, und ich fah nichts Arges darin, da Lieut. Vernon 
das Commando auf dem Verdeck hatte. Doch kam diefer bald zu mir, 
um zu melden, daß der Häuptling der Partei eine Musfete habe und 
für Wildfleiſch Pulver eintaufchen wolle. Diefe Botjchaft war die 

9 % 


132 C. Ritter: 


fchlimmfte, die man mir bringen fonnte, denn wenn fie Feuerwaffen 
hatten, fo fonnten wir nicht mehr in Frieden mit ihnen verfehren. 
Diefer Häuptling war, wie uns fpäter erft Far wurbe, derfelbe, ver 
den Commander Bullen am Point Behrens im Jahre 1849 ver 
folgte und mißhandelte, worüber diefer in feinem Journal vollftändige 
Nachricht giebt. 

Da er ausprüdlich mich zu fehen verlangte, fo ging ich zu ihm 
auf das Verdeck und fand einen großen, ftarfen, etwas alternden Mann 
mit befonderd widrigem Geſicht. Er trug eine Flinte von der Hud⸗ 
fonsbai mit dem Namen „Barnett” auf dem Schloß (©. vorher ©. 1277; 
fie war ziemlich verbraucht, aber doch noch abzufeuern. Um feinen 
linfen Arm hing nach Jaͤgerart ein Pulverhorn, aber ohne “Bulver 
und Blei; er war fehr zubringlich, indem er nichts weiter, als Am⸗ 
munition verlangte. Ich grüßte ihn fehr freundſchaftlich, befchenfte 
feine Frau und führte ihn hinab in meine Kajüte, wo ih ihm Ta- 
bad gab und dem Neugierigen Alles im Schiffdraume zeigte. Dann 
führte ich ihn zum Verdeck zurüd, in der Meinung, daß er weggehen 
würde; dies fiel ihm aber gar nicht ein. Er blieb an Bord, fehlüpfte 
mehrmals in die Lufen des Unterveds, wohin ich früher keinen der 
Esquimaur Hatte eindringen lafien. Nun kamen während des Bor: 
mittags noch mehrere U⸗mi⸗aks an die Langfeite des Schiffes und 
fhidten ganze Schaaren auf das Verdeck defielben, das von ihnen 
wimmelte. Man geftattete ihnen jede Freiheit, bei der fie jedoch von 
jedem Diebftahl, wozu fie fehr geneigt waren, abgehalten wurden; 
aber mehrere von ihnen, welche die Anderen an Frechheit übertrafen, 
waren ſchwer in Zucht zu halten. Einer wollte fogar die Hinterthür 
der Treppenflucht mit Gewalt erbrechen, und, da ich ihn daran hin- 
derte, kamen wir in ein kurzes Handgemenge. Das hinderte ihm nicht, 
bald darauf mit dem Quartiermeifter der Wache anzubinden, einem 
jungen fräftigen Manne, der ihn aber mit Matrofenfäuften zurüdwieg, 
jo daß er ſtillſchweigend fich zurüdzog, und, obgleich dies im Angeficht 
von wenigftens 60 feiner Genoſſen gefchahen, ftand ihm doch faft Fei- 
ner bei, und die meiften blieben ganz gleichgültig bei der Züchtigung. 
Mittags zogen etwa drei Viertel der Esquimaur ab; die übrigen hielt 
offenbar der alte Häuptling zurüd, der nicht ohne Gewalt wieder vom 
Schiffe wegzubringen war. Diefe wollte ich jedoch nicht anwenden und 


— — * —— — ... 


— — — — — — — — — - — — urn 


Maguire's Ueberwinterung auf d. polar. NW. Küfte N. Amerikas. 133 


ed lieber abwarten, bis er felbft feines Befuches überbrüffig fein würde, 
doch ſchien Dies nicht fobald einzutreten, denn er rief 3 Usmisafd voll 
Esquimaux heran, auf das Schiff zu fommen, wobei ich das Wort „Te- 
wac“ (Taback) wiederholt von ihm auöfprechen hörte, was ich für eine 
Lodipeife für fie Halten mußte, weil fie ihre Kinder erft entfernten und 
dann felbft heranfamen. Während deſſen fam mir bei der großen Zahl 
der Esquimaur, welche die unferige überbot, der Gedanke, daß fie 
wohl eine PBlünderung unferes Schiffes beabfichtigen möchten. Um auf 
jeden Fall dem zuvorzukommen, ſchickte ich einen Matrofen nach dem 
anderen vom Verdeck hinunter, fi mit Piſtolen, aber unter ihren 
Jacken verftedt, zu bewaffnen, fo daß, falls die Esquimaur ihre Meſ⸗ 
fer ziehen follten, fie ihre Gegner gut bewaffnet vorfänden. Als 
die Bewaffnung zu Stande gebracht war, wartete ich das Ende ruhig 
ab. Ein allgemeiner Stilftand unter den Esquimaur fchien ihre Uns 
entfchloffenheit zu verfünden, was fie ſonſt noch etwa außer den beab- 
fichtigten Diebereien, an denen fie fo viel wie möglich verhindert wor: 
den, auf dem Schiffe vollführen follten; ohne etwas zu wagen, zogen 
fie mit der eintretenden Dunkelheit ab, ließen aber den alten Häupts 
ling mit feinem einzigen Boote zurüd. Diefer hatte die ganze Zeit in 
höchft frecher Weile auf dem Schiffe umhergetobt, und es fchien mir, 
daß nur die Furcht vor unferen Yeuerwaffen ihn abgehalten hatte, 
uns einen böfen Streich zu fpielen. Als er allein zurüdgelafien war, 
wollte ich ihm nicht, wie zuvor, als er noch 70 Gefährten auf feiner 
Seite hatte, zum Abfegeln zwingen, und fo blieb er nach feinem Bes 
lieben 12 Stunden lang auf dem Schiffe, bis 7 Uhr Abende. Als er 
fih endlich entfernt hatte, und ich mich zerfchlagen und exrmattet von 
den Anftrengungen dieſes Tages fühlte, fowie daſſelbe auch bei meinem 
Volk der Fall war, befchloß ich, ein anderes Syftem zu befolgen, wozu 
eine Anzahl während des Tages geftohlener Heiner Gegenftände einen 
hinlänglichen Vorwand abgab. Alle Arbeit wurde für den nächften 
Tag eingeftellt, Dagegen die Einrichtung getroffen, daß immer nur bie 
Esquimaur eines einzigen Booted zu gleicher Zeit das Schiff betreten 
durften, was, fo vielen Aerger es ihnen auch verurfachen mochte, ganz 
nothwendig geworden war. Es fiel fehr fchwierig, eine bedeutende 
Volksmenge von Befteigung eines Schiffes, wie der Plover war, abzus 
halten, da die Eiswälle rings umher fehr bequeme Landungspläge für 


134 . C. Ritter: 


ihre Boote an der Außenfeite des Schiffes, das nur A Fuß über dem 
Waſſer fih erhob, darboten. Sie konnten ed an beiden Längenfeiten 
leicht befteigen, und wenn die Matrofen fie davon abhielten, ſchnitten 
jie ihnen mit ihren Meſſern in die Beine und ein paar Mal durd ihr 
dien Bärenfelle in’s Fleiſch. Indeß die einen mit ihren Meſſern frit 
ten, waren die anderen damit befchäftigt, die bleiernen Röhren, die 
zum Ablaufe des Waſſers vom Schiffe nach Außen gehen, abzufänes 
den. Die Kupfernaht des Befchlaged konnten fie nicht ablöfen, aber 
feine Seite der Schiffswand blieb ohne Verlegung, weshalb es notl- 
wendig wurde, alle Außenfeiten ver Schiffewände, die etwa zugängig mo 
ren, mit Bretterwänden zu befleiven, und, ald das Schiff ringsum vol 
fig eingefroren war, wurben Pfoften in das Eis getrieben und dieſe 
im Abftande von 7 Schritt von demſelben mit einer Kette eingezogen, 
was den Esquimaur zwar fehr unlieb, aber ver Mannfchaft des Shit: 
jed von großem Nuten war. Am nächftfolgenden Tage wurde dır 
Häuptling auf einer Landipige dicht am Schiffe bemerkt, wo er feinen 
Sig genommen und verlangen zu wollen ſchien, daß man ihn nad dem 
Schiffe bringe, was uns faft lächerlich vorfam. Aber bald darauf fam 
fein eigenes Boot und führte ihn an die Langfeite unferes Schiffe, 
wo er fehr verwundert fehien, daß man ihm wegen der vielen, am Tagt 
zuvor geflohlenen Suchen die Aufnahme verweigerte. Als er ein 
Zeitlang am Zugange zum Schiffe geftanden, auf dem er die Maus 
haft ihre Feuerwaffen pugen, entladen und wieder laden gefehen un 
befonder8 die beiden großen Kanonen am Vordertheil des Schiffes ge 
nauer betrachtet hatte, ging er endlih weg. Mehrere Usmisafe fr 
men auch heute, wie früher, an die Schiffsfeite, aber Niemand wurde 
an Bord gelaffen. Bald fingen fie Taufchhandel an, erhielten auch 
einige Gefchenfe, ſchienen ſich aber lieber durch Entwendungen, old 
durch Taufchhandel bereichern zu wollen. 

Am Morgen des dritten Tages machte und wieder berfelbe breit 
Häuptling einen Befuch; er war diesmal von einigen anderen Haupt 
lingen begleitet. Sie brachten als Friedenszeichen alle feit ein paat 
Tagen auf dem Schiffe geftohlenen Gegenſtände zurüd, wodurch ich 
ganz zufriedengeftellt, fie wieder an Bord aufnahm. Sie blieben den 
ganzen Tag; ihr Benehmen war nun ganz verämbert, weit befier ale 
zuvor das des alten Chefs, der jebt ſchon durch das Werbleiben auf 


— — — — — Pen - — 


Maguire's Uebennvinterung auf d. polar. NW.⸗Küſte N. Amerikas. 195 


dem Verdeck, das fie indeffen nicht überfchreiten durften, zufriedenge⸗ 
ſtellt fchien. Ich vermuthete daß die Waffenbefchäftigung am vorigen Tage 
ihn auf den Gedanken gebracht hatte, wir möchten ihn Leides anthun, 
was fein plöglich veränderted Benehmen jur Yolge haben mochte. 
Diefe Methode, fie vom Schiff abzuhalten und erſt nach befonder 
rer Erlaubniß aufzunehmen, und immer nur eine geringe Zahl, be- 
hielten wir während unferes ganzen dortigen Aufenthaltes bei, obgleich 
es ſchwer war, ihnen dies als nothwendig begreiflich zu machen. Vie⸗ 
len war dies ſehr aͤrgerlich, machte uns bei ihnen gehaͤſſig, und Doch 
war es bei ihrer großen Zahl und ihrer diebiſchen Neigung nicht mög- 
li, davon abzugehen. Anfänglich fuchten wir es ihnen deutlich zu 
machen, wie wir wünfchten, daß Alle zwar an Bord fümen, nur 
jeder in feiner Reihe; aber das wurde auch von denen, Die ange: 
nommen waren, nicht begriffen; denn wenn fie auch den ganzen Tag 
auf dem Schiffe zugebradht, fo waren diefelben am folgenden Morgen 
fhon wieder mit gleichem Verlangen da und die lautjchreiendften und 
ärgerlichften vom ganzen Haufen, dem man ben Zutritt verfagte. Ein 
paar Mal fuchten die Parteien, welchen man den Zutritt verweigert hatte, 
fich dadurch zu rächen, daß fie das von uns gefammelte Treibholz fort 
fchleppien und, da dies ihnen bald zu befchiwerlich wurde, legten fie 


Feuer dabei an. Als ein Bvot dahin abgefandt wurde, Dies abzuweh⸗ 


ren, entfchulvigten fie fih damit, daß der Brand ein zufälliger gewe⸗ 
fen fei. 

Bei dem Umzuge in unfere Winterhütten mußten unfere Leute 
Häufig fehr zerftreut auf dem Eife beichäftigt fein, und wurden Dabei 
oft von einer dreifach größeren Anzahl von Esquimaur, ald die ihrige 
war, umeingt, wobei es großer Vorficht gegen dieſe diebifche Ymges 
bung bedurfte. Nicht felten kam es bei diefen Gelegenheiten zu Fleis 
nen Kämpfen, weil allerlei Lift und Betrug dabei im Spiele war. Da 
die Esquimaur fi von unferen Leuten meift diejenigen ausfuchten, 
denen fie am erften ihre Streiche, ohne eigene Gefahr, fpielen zu koͤn⸗ 
nen hofften, aber nicht felten fich in ihrer Auswahl täufchten, und auf 
die Schlimmften trafen, die fih am wenigften dergleichen gefallen lie- 
Gen, fo war ed dem commandirenden Officier oft ſchwer, die Züichtigung 
zu verhindern, und es wurde ihm felbft unmöglich, den Edquimaur Die 
wahre Urſache der milderen Behandlung begreiflih zu machen. 


186 @. Ritter: 


Eine ernflere Begebenheit trug ſich an Bord des Schiffes zu. 
Der commandirende Officier, Mr. Hull, der Second master, der ſich 
bemühte, einen großen ftarfen Esquimaur, welcher mit Gewalt über 
die Seite des Schiffes vorbringen wollte, zurüdzuhalten, wurde durch 
einen von defien auf dem Schiffe befinplichen Freunden mit dem Mei: 
fer bedroht, und biefer rief fogleich MWeibern und Kindern zu, fi zu 
rüdzuziehen. Neben ihm fland Mr. Simpfon, unfer Chirurg, der 
jogleih dem Mann mit dem Mefier feine Piftole, einen Colts re- 
volver mit 6 Schüffen, vorhielt und ihm deſſen Wirfung erläuterte, 
worauf die Furcht unfere Befucher für diefen Tag ruhig erhielt. 

Als ich den Weibern und Kindern auf ihrem Rüdzuge über das 
Eis am Vordertheile des Schiffes begegnete, und dachte, daß etwas 
vorgefallen fein müffe, erhielt ich von ihnen nur die Antwort, daß fe 
zum Mittagsefien gehen wollten. Indem in vdemfelben Augenblic 
noch ein Häuptling herzufam, als ich die Fluͤchtigen befchwichtigte, ev 
Härten wir ihnen, daß wenn fie ihre Meſſer zögen, wir unfere Heuer: 
waffen brauchen müßten; unfer Wunfch aber fei es, mit ihnen gut 
Freund zu fein. 


Solcher Händel kamen fehr viele vor. Während unfere Leute 
das Vorrathshaus errichteten, zogen die Esquimaux ihre Meſſer, un 
zwei Mal wurden Weiber und Kinder fortgefchidt. Ich war dabei 
in nicht geringer Sorge, weil meine Leute unbewaffnet waren und da 
ber leicht den Esquimaur unterliegen konnten. Gab ich ihnen aber Wal: 
fen, fo wäre bei vielen von ihnen mehr Enthaltfamfeit nöthig geweſen, 
als ich ihnen zutrauen Eonnte, da fie nur zu oft bei ihrer Gutmüthig 
feit, wie fie den Matrofen eigen ift, betrogen und zur Rache herausgefor: 
dert wurden. Um nun unfere Matrofen bei ihrer Arbeit wegen ihre? 
wehrlofen Zuftandes zu fichern, mußte von jebt an der Quartiermei⸗ 
ſter der Wache und 2 Unterofficiere, mit Biftolen für dem äußerten 
Nothfall bewaffnet, den Arbeitöleuten am Ufer zur Hand fein; doch 
hoffte ich ſchon, durch ſolche bloße Demonftration einem größeren Uebel 
zuvorzufommen. Sehr bald traf es fich, daß ein Esquimaur nad fe 
ner Art einen der Arbeiter, der einen Balfen trug, von hinten in Die 
Knieekehle ſtieß, wofür diefer ihm ein Paar tüchtige Schläge in's Ge 
ficht gab. Darauf zog der Esquimaur fein Meffer, entfloh aber, ale 





Maquire's Ueberwinterung auf d. polar. NW.-Küfte N.⸗Amerika's. 137 


der MWachtmeifter mit dem Piſtol auf ihn zufam, weil er wohl wußte, 
daß es geladen war. 

Sole Händel hörten nicht auf, fo lange unfere Leute außerhalb 
des Schiffes zu arbeiten Hatten, doch zeigte fich das Benehmen der Esqui⸗ 
maur fehr verfchievden, wenn ihrer nur wenige oder fehr viele beifam- 
men fih fanden. Waren ihrer viele beifammen, fo wurden fie viel drei⸗ 
fter und übermüthiger, gingen um die Leute herum, fingen an, fie zu 
drängen, al8 machten fie nur Scherz, befühlten und befaßten ihre Kleis 
der, und, wenn fie nicht erhielten, was fie etwa begehrten, nahmen fie 
ihre Meffer und fehnitten die glänzenden Knöpfe ab u. ſ. w. Die Thä- 
ter mifchten fih dann unter die’ Anderen und entflohen, ehe die Unſe⸗ 
rigen fid nach ihnen umfchauen konnten, als wäre ed nur ein Spiel 
geweſen. Waren ihrer aber nur wenige, dann ſchienen fie ganz ru: 
hig, harmlos und fonnten felbft höflich fein; kamen aber neue Genof- 
fen hinzu, fo fingen ihre Diebereien von Neuem an. 

Bei Landung unferer Provifionen forgte ich befonderd dafür, daß 
dem Häuptlinge und anderen ihrer Borflände Alles gezeigt wurde, 
mit Ausnahme des eingefalzenen Yleifches, weil ich vorausfah, daß fie 
dies nicht effen würden, wenn man ihnen auch davon mittheilen wollte. 
Als nun Alles in das Vorrathehaus eingebracht war, ließ ich es zu⸗ 
fchließen und zeigte ihnen die beiden großen Kanonen, die darauf ge 
richtet waren, und erklärte ihnen, daß dies gegen die Diebe gefchehe, 
in der Hoffnung, und durch dieſe Bedrohung vor jedem Verſuche des 
Ueberfalls zu fihern. Dennoch brachen die Esquimaur drei Nächte 
fpäter in das Magazin ein, und der Verdacht fiel auf einige der 
Häuptlinge, denen zuvor gerade Die erwähnte Mittheilung gemacht war. 
Zum Glück wurden unbedeutende Dinge geflohlen, nur 3 Heine Schiffes 
fegel; eine zinnerne Kifte mit Mehl, welche den Officieren gehörte, hats 
ten fie zwar geöffnet, in der Hoffnung, Taback darin zu finden; da 
jedoch der Inhalt nicht fo leicht weggebradht werden konnte, hatten 
die Diebe es vorgezogen, fi mit dem Segeltuh davon zu machen. 
Auf diefen Diebftahl war Ich durchaus nicht gefaßt, da er in der Nacht 
ausgeübt worden, während vom Schiff aus, außer der Wacht, noch 
jeve Etunde dafelbft die Ronde gemacht ward, und da die Offtciere, Die 
nun fchon mit dem Charakter der Esquimaur vertraut zu fein glaub: 
ten, nur auf ihre Fleineren Diebereien, nicht aber auf einen or- 











138 C. Ritter: 


dentlichen Einbruch in größerem Maaßſtabe fich gefaßt gemacht hatten. 
Gegen diefen mußten nun Mafregeln zur Zurüdfchredung ergriffen 
werben, um etwaigen größeren und ernfleren Angriffen zuvorzufommen. 

Früher hatte das bloße Zeigen der Feuerwaffen bingereicht, die 
Diebe einzufchüchtern, und jedes Mal waren die geftohlenen Sachen zu: 
rüdgegeben; dies Mal ließ ich einen Dreipfünder auf einen Schlitten 
bringen, um ihnen damit bei einem Befuche zu drohen, fall8 fte die 
Segel nicht zurüdgeben würden. Bon einem Esquimaur, der jeden 
Morgen Futter für unfere Hunde brachte, erfuhren wir, Daß einige 
Leute während der Nacht diefen Raub begangen hatten, woraus ed und 
deutlich wurde, daß im Lager der Esquimaur, wo man das Segeltuch 
auch vertheilt hatte, der Diebftahl wohl befannt war. 

Um 9 Uhr des Morgend kam der Huuptling ganz fe, mit fei- 
ner Flinte auf dem Rüden, zum Schiff und bot feine Begleitung an, 
die geftohlenen Segel wieder aufzufuchen; aber da er und vorfchlug, 
nah dem Cap Smyth zu gehen, ftatt nach Point Barrow, weil er be 
hauptete, von dort feien die Diebe ausgegangen, jo nahm man feinen 
Beiftand gar nicht an. Das war nämlich bei Diebftählen die gewoͤhn⸗ 
liche Entfchuldigung, zu fagen: es feien die Diebe von Cap Smyth 
gewefen; fie war fchon jo gewöhnlich vorgebracht worden, daß man 
darauf feine Nüdficht mehr nahm. Rad einigem Zaudern kam ver 
Häuptling an Bord des Schiffes, wo ich ihm aber erklärte, daß wir 
fehr gut wüßten, wo die Segel feien, und gäben feine Leute fie nicht 
zurüd, fo würde ich mit der Kanone, die ich ihm zeigte, fie mir 
ſchon im Lager fuchen. Zu gleicher Zeit bemächtigte ich mich feiner Flinte 
und erflärte ihm, daß fie fogleich zurüdgegeben werben würde, wenn 
er das Geftohlene herbeigefchafft hätte. Dies fehte ihn in große Ber: 
legenheit. Noch ein paar Mal wiederholte er feine Lüge vom Cap 
Smyth, Fehrte aber dann in feinen Ort zurüd; wir hingegen feßten 
unfere Arbeiten auf dem Schiffe fort, das Refultat feiner Botſchaft 
ruhig abwartend. Nach zwei Stunden fam er wieder, mit allerlei Aus: 
reden, doch fagte er, daß man die Segel herbeibringen werde. Ex blieb 
außerhalb des Schiffes, in fehr unruhigen Bewegungen, aber feined- 
weges mißtrauifch, zurüd; mit ihm kamen einige Begleiter, auch Wei- 
ber und Kinder und ein Schlitten. 

Wir bemerkten nun Durch unfere Ferngläfer einen ungemeinen 








Maguire's Ueberwinterung auf d. polar. NW.⸗Küſte N.⸗Amerika's. 139 


Aufruhr in ihrem Lagerorte. Zunaͤchſt jah man Weiber und Kinder 
hinüber nah Gap Smyth ziehen, dann, wie die Männer ſich in 
drei gefonderten Reiben gegen das Schiff bewegten; fie waren mit 
Bogen und Pfeilen in ihren Köchern bewaffnet, und ich glaubte felbft 
Lungen bei ihnen bemerkt zu haben, wovon ich jedoch fpäter nichts fah. 
Ich war nun überzeugt, daß fie Feine friedlichen Abfichten Hatten und 
beichloß, im Abftande eines Ylintenfchuffes von ung, fie durch ein Ab- 
feuern über ihre Köpfe zurüdzufchreden, indefien fo, daß es fein Men- 
fchenleben koſten follte, falls uns nicht Die größte Noth dazu Zwänge. 
Unfere ganze Macht befand nur in A1 Mann, die unter dem Com: 
mando der Öfficiere die Eingänge, das Hintertheil des Schiffes und 
das Vorvercaftell beaivachte, und, ehe die Esquimaur in Schußweite ka⸗ 
men, eine bloße blinde Salve von unferer 18pfündigen Carronade und 
von 3 Kanonen abfeuerte, wodurch jedoch die erwartete Wirkung, fie 
zu zerftreuen, nicht hervorgebracht wurde. Ich ließ deshalb bei ihrem 
Porrüden bis auf Schußweite vom Vorbercaftel unfere Musfeten über 
ihre Köpfe abfchießen. Dies fprengte fie auseinander, indem fie Schuß 
unter einer Klippe juchten, die 50 Schritt vom Schiffe lag. Einer 
der Häuptlinge, welcher Häufig an Bord gewefen und von mir fehr 
freundlich behandelt worden war, nahm einen Anlauf gegen das Schiff, 
und Andere folgten ihm; da er aber die Kugeln über feinem Kopfe 
pfeifen hörte, fiel er zur Erde nieder, rannte dann noch eine Strede 
gegen das Schiff zu, und warf feinen Bogen und Köcher mit 17 Pfel- 
len, deren A eiferne Hafenfpigen hatten, von fih. MWahrfcheinlich hat⸗ 
ten einige der Matrofen, denen er befonders verhaßt war, ihm näher 
auf das Korn genommen, wodurch er erfchredt, feine Waffen von fi 
warf. Während dies gefchah, erhob fich ein falfcher Allarm auf dem 
Schiffe, daß die Esquimaur in das Vorrathshaus eingebrochen feien 
und ihre Beute fortfchleppten. Ich ſtand auf dem Vordercaſtell und 
gab meinem Nebenmann Ordre, auf einen Esquimaur zu feuern, der 
eben unter den Außeren Planken des Magazins hervorfprang; er fiel 
und fchien feine Beine auszuftreden, fo daß ich glaubte, ex fei ge- 
tödtet. Gleich darauf erfuhr ich, daß es nur ein falfcher Alarm ge- 
wefen, und daß der Mann, nad) dem man allein geſchoſſen hatte, glüd- 
licherweife nicht getöbtet worden war. 

Der Häuptling der Esquimaur war bis dahin hinter einem Eis- 





140 G. Ritter: 


berge verborgen geblieben; als er nun fah, daß ihm die überlegene Zahl 
feiner Leute zu Nichts verhalf, rief er fehr energiſch zum allgemei- 
nen Rüdzuge, den ich von der Höhe des Maſtkorbes aus ſehr gut 
überfehen fonnte, und wobei ich mich überzeugte, daß Fein einziges Leben 
eingebüßt war; denn Alle gingen fo frifch wieder zuruͤck, wie fie ge 
fommen. 

Obwohl dieſe Affaire den Esquimaur nur eine geringe Vorſtel⸗ 
lung von und als Schüßen geben fonnte, da fie unfere Gründe, 
warum wir fie fchonen wollten, nicht Fannten, fchien es mir doch, 
als hätten mehrere von ihnen die Kugeln fo nahe an ihren Ohren 
vorbeipfeifen hören, daß fie eine folche Unternehmung nicht eben wie 
erholen würden. Mr. Simpfon, der Chirurg, Hatte in den Angrei⸗ 
fenden mehr ald die doppelte Zahl der Unferigen gezählt, über 80. 
Der Häuptling mit noch einem Manne hielt fich noch einige Zeit um 
das Schiff, doch wurde er nicht lange dafelbft gebuldet, weil nod im 
mer eine Wiederholung des Verfuches möglich war, und indem ich mid 
im Beſitz feines Gewehres befand, welches er viel höher, als alles und 
geftohlene Gut ſchaͤtzte, konnte ich ruhig das Ergebniß feiner fermeren 
Unterhandlungen abwarten, erlaubte aber in der Zwifchenzeit feinem 
der Esquimaur, ſich auf Schußweite und zu nähern. 

Am folgenden Tage brachte man uns die Botfchaft, daß 
fie an denfelben alle in Schlaf liegen, den nächften aber uns all 
Entwendete zurückbringen würden. Weil fie fih vom Kampfplatz zu⸗ 
rüdgezogen hatten, ging ich mit einem Theile meiner Mannfchaft in 
einige Entfernung vom Schiffe, um mit dem Schlitten und ber dan 
auf befindlichen Kanone zu manveuvriren und ihren Gebrauch zu prüs 
fen. Da die Esquimaur dieſem zufahen und ftille ſtanden, ließ id 
eine Musfete abfeuern, als Zeichen, daß fie nicht näher rüden follten, 
und hoffte, daß diefe Demonftration die Rüdgabe der Segel befchlew 
nigen würde. So fam dann am folgenden Morgen der Häuptling 
und 7 Eöquimaur mit einem Schlitten, und luden die Segel ab; es 
waren dies 3 ſchon gebrauchte Stüde, die für uns von feinem beſon⸗ 
deren Wert mehr waren, doch mußte der Diebflahl geahndet werben, 
um fünftigen wichtigeren vorzubeugen. Man fagte mir, daß die && 
quimaur in zitternder Erwartung feien, denn fie Hatten die Segel ſchon 
zerfehnitten und für ihre U-⸗mi⸗aks zurecht gemacht, voorauf fie ver: 











Maguire's Ueberwinterung auf d. polar. NW.-Küfte N. Amerikas. 141 


theilt worden waren. Das machte es dem Häuptling fo fehwierig, bie- 
felben zurüdzuerhalten, was nicht ohne Zank abging, und daher ent- 
ftand auch der Auffchub der Zurüderftattung. Die Weiber hatten fie 
nämlich ſchon fehr emfig und fünftlich wieder anders zufammengenäft. 

Da ein volftänniger Erfa aller und während der Zeit un- 
feres Aufenthaltes geftohlenen Gegenftände nothwendig war, ließ 
ich während unferer Unterhandlung mit dem Häuptling Davon ein ge- 
naues Verzeichniß machen, wobei auch alles Eifenwerf von dem lans 
gen und niederen Flachboote, das, ald es auf einer benachbarten Ins 
jel geftrandet war, fie bei unferem erften Zufammentreffen mit ihnen auf 
eine recht Argerliche Weile faft in Stüde zerfchnitten hatten, aufges 
nommen wurde, und erklärte dem Chef, daß Alles zurüderftattet fein 
müfje, ehe er feine Flinte zurüderhalte, und che man es feinen Leu⸗ 
ten erlauben Eönne, ſich wieder dem Schiffe zu nähern. Hierauf ging 
er fort und kehrte am nächften Morgen mit allen vermißten Gegen 
fänden zurüd. Ich haͤndigte ihm alfo auch feine Flinte wieder ein 
und geftattete den Eingeborenen Zutritt zum Schiffe, wie zuvor. Ich 
hatte die Flinte unterfucht und gefunden, daß fie mit einer Kugel fo 
gut geladen war, wie wir es felbft nicht beffer hätten thun konnen, 
obgleich der Eigenthümer derfelben uns zuvor gefagt hatte, daß er feine 
Ammunition habe. Indem ich Feine Urfache hatte, zu glauben, daß er 
felbft mit zu den Stehlern gehörte, befchenkte ich ihn für feine Mühe 
mit etwas Tabad, und fein Weib, das fich fehr eifrig beim Zufam- 
mennähen der Segel gezeigt hatte, mit einem Meſſer. Er gab uns 
zu verftehen, daß er feine ganze Autorität und ſelbſt fein Meſſer nö- 
thig gehabt habe, um den Dieben ihre Beute wieder abzujagen. Ich 
freuete mich fehr, die Oberhand über fie, ohne weitere Händel be⸗ 
hauptet zu haben, nicht bloß aus den oben genannten Motiven der 
Menfhlichkeit, fondern auch weil unfere umberftreifenden Parteien ohne 
die Beilegung diefer Wirren leicht durch ihr feindliches Benehmen hät: 
ten in große Gefahr geratben Fönnen. 

Bei einem ſolchen Volfe muß man ſich, zu feiner eigenen Si⸗ 
cherheit, nothwendig durch einen gemäßigten Widerftand in Reſpect 
fegen, um jedes unziemliche Verlangen von ihnen von vornherein zus 
ruͤckzuweiſen. Hätten wir unfere Aufgabe nicht als eine ihrem Weſen nad) 
friepliche Expedition behandelt, fo wäre es vielleicht zweckerreichender ges 


142 C. Ritter: 


wefen, vor die Anſiedlung der Esquimaur felbft zu rüden und Glei⸗ 
ches mit Bleichem zu vergelten, da fie Wohlwollen und Schonung nicht 
zu begreifen und aus den paar blinden Schüffen gegen fie die Wir 
fung der Yeuerwaffen noch nicht zu beurtheilen im Stande waren. 
Sie fonnten fammt ihrem Häuptling, der mit zu den hartnädigften 
Berfolgern des Comm. Bullen längs des fogenannten Return Riff Sit 
Franklin's gehört Hatte, wobei man auch das Syftem bloß blinder 
Schredfchüffe gegen fie bis zum Alleräußerften in Anwendung brachte, 
in der Unterfchägung unſerer MWehrmittel irre geleitet werben, da auch 
damals feiner von ihnen das Leben einbüßte. Daß ihnen das Gefühl 
der Dankbarkeit fremd war, ergab fich daraus, daß zu denen, welde 
die Diebftähle begangen, gerade vorzugsweife diejenigen unter ihnen 
gehörten, gegen welche wir bei ihren wiederholten Befuchen auf unferem 
Schiffe am freigebigften gewwefen waren, um und dadurch bei den Ihri⸗ 
gen Freunde zu erwerben, im Fall wir ihrer Gegendienſte bebürfen 
möchten. Es war bei den bleibenden Mißverftänbnifien eine noch 
weitere Umgrenzung unferer Station, worin wir nun auch mit dem 
Schiff das Vorrathshaus einfchloffen, nothwendig geworden. Ein far 
kes Schiffstau, von Heinen triangulairen Stüßen getragen, bezeichnete 
während der ganzen folgenden Reihe der Wintermonate die Brent, 
die nicht überfchritten werben durfte, und wenn einige freche Geſellen 
fih einfallen ließen, viefelbe böswilig zu durchbrechen, fo wurben 
fie mit einer Tracht Prügel daraus zurüdgefchidt, wad wir ohne wer 
tere Rachtheile ein paar Mal wiederholten. 

linfer Verkehr mit den Esquimaur war nun erleichtert, doch ſchie⸗ 
nen fie felbft ihre Unrecht einzufehen und fuchten fich wieber Zutrauen 
durch Tänze und Tamburinmuſik zu erwerben, die fie in ben limge 
bungen des Schiffed unter großem Zulauf der Ihrigen, und mit Eher 
gefängen aller Theilnchmer, wiederholt ausführten. Sie kamen darin 
unferen Abfichten in fofern zuvor, als unfere Officiere zu derjelben 
Zeit damit befchäftigt waren, für das untere Verdeck einen ſogenann⸗ 
ten „native dance“ zu arrangiren, um ihnen unferen freundlichen 
Willen zu zeigen und zugleich bei unferer Schiffsmannfchaft vie Ein 
leitung zu den Wintervergnügungen durch ein gebrudtes Blatt zu tref 
fen, das, den fpaßhaften Titel „Große Neuigkeit“ führend, unter 
diefelbe vertheilt wurde. 











Maguire’3 Meberwinterung anf d. polar. NW.⸗Küſte N.⸗Amerika's. 143 


Zur erften Unterhaltung diefer Art wurden am 28. Ortober Nach⸗ 
mittags um A Uhr 70 Esquimaur auf das Verdeck des Schiffes zus 
gelaffen, wo man ihnen rund umher Siße bereitet hatte und den An- 
fang mit Darreihung von etwas Tabad machte Dann begann un- 
ſere Mufif: eine Violine, ein Waldhorn, eine Trommel und ein Tri- 
angel, mit fröhlichen Stüdchen, die allgemeines Staunen und Freudig⸗ 
feit erregten, da die mehrften der Säfte zum erfien Male in ihrem Le⸗ 
ben dergleichen zu hören befamen. Sogleich waren fie bereit, in Bes 
gleitung der Trommel, die man ihnen überließ, einen Tanz zu begin- 
nen, worauf ein Tanz der Matrofen folgte. In furzer Zeit kamen 
alle in ſolches Feuer der Tanzluft, daß die Esquimaux ihr Pelziacken 
abwarfen und bei 6 Grad Kälte mit ganz nadtem Oberleib ihre Tänze 
fortfegten. Die männlichen Tänzer brachen In lautes Triumphgefchrei 
aus, und die Zufchauer, bald eben fo begeiftert, wie die Tänzer, ſtimm⸗ 
ten in lautem Chorus mit ein; eine der wildeften Scenen, die man 
fih nur vorzuftellen im Stande if. 

Erft um 10 Uhr Abends brach die ganze Gefellfchaft, die nun 
genug zu haben fchien, völlig mit der Unterhaltung befriedigt, auf und 
zog ab; wir bemerften indeflen bald, daß aus den bunten Flaggen, die 
wir zur Feftfeier an die Eingänge geftellt, ganze Fetzen in handvollen 
Stüden herausgefchnitten waren. Der Häuptling, der mit einigen fei- 
ner Begleiter noch bis zuletzt zurüdblich, wurde, als man ihm dies 
mittheilte, beforgt, und verſprach Alles am naͤchſten Morgen zurüdzu- 
bringen. 

Am folgenden Morgen machte ich mit unferem Chirurg, Mr. 
Simpfon, einen Beſuch im Dorfe der Esquimaur. Einige der in der 
Nähe des Schiffes umherftreifenden Eingeborenen waren und nachge: 
laufen und verbreiteten fogleich im Dorfe das Gerücht von unferer 
Ankunft, wodurch deffen Bewohner in Bewegung famen und und am 
Eingange der Hütte des Häuptlings, in welcher alles zu unferem Em- 
pfange auf dem Dache der Hütte in Bereitfchaft fland, umringten. Die 
Winterhütten waren fchon unter dem Schnee begraben. Die des Häupt- 
fings fand 5 Zuß über dem Boden; an einem Ende derjelben war ein 
vieredfiger Eingang, von dem aus wir einem langen niebern, dunkeln 
Gange 5 bis 6 Schritt abwärts folgten, bis wir unter dem Eingange 
erft in die Hausflur oder den bewohnten Theil der Hütte eintraten. 





144 C. Hitter: 


Diefer ift Freisrund, groß genug, um Einem nad dem Andern den 
Zutritt zu dem Raume von 16 Zuß Länge und 10 Fuß Breite, defien 
Dede, 7 Fuß Hoch, in der Mitte eine Oeffnung für das einfallenve 
Kicht durch eine transparente Walfifchmembran zeigte, zu geftatten. 
Der dunfle Durchgang aus dem blendenden Tageslicht in diefen Raum 
hatte das Auge vorbereitet, daß wir uns darin umfehen fonnten. Man 
ließ uns in der Mitte der Hütte nieberfigen, und uns gegenüber nahm ver 
Häuptling, mit zweien feiner Weiber auf jeder Seite, feinen Plap ein 
Bier oder fünf junge Männer und zwei Weiber mit Kindern lagen 
auf dem Boden umher, alle nadt bis auf die Hüften. Der anfang 
lich widrige Geruch in der Hütte warb bald erträglicher, aber die ſchon 
hohe Temperatur in ihrem Innern, die bald durch viele in einen jo 
engen Raum eintretende Perfonen bis zur unerträglichen Hipe geftes 
gert wurde, konnte man leicht durch einen Durchſtich in der Hütte in 
die freie Luft abkühlen und zum Athmen erträglich machen. 

Unfer Befuch ſchien ſehr erwünfcht zu fommen, und fogleich wurde 
nad ihrer Art eine Partie Taback geraucht. Hierauf fuchte ich wih 
rend der Stunde unferes Beſuchs vorzüglich zu erforfchen, wie weit die 
nächfte Anfievelung der Esquimaur von hier gegen Often entfernt 
fiege, um mit diefer, noch ehe die heftigfte Winterfälte fich einftellen würde, 
in Berbindung zu treten; aber ich konnte Feine beftimmte Auskunft 
hierüber erhalten. Es war und ſehr fchwer, ihnen begreiflich zu ma 
hen, daß wir gar nicht auf Handelöverfehr ausgingen, da ihre 
Gedanken nicht darüber hinausreichten, obwohl, freilich erft nah 
fehr vielen Wiederholungen es ihnen verfländlich geworben zu fein 
ſchien, daß wir auf zwei Schiffe harrten, bie tief in die Eismaflen 
hineingefchifft fein. Wir befahen feine andere Hütte im Dorfe, ald 
die des Häuptlingd. Auf unferem Ruͤckwege über die Bai nad) dem 
Schiffe begleitete uns ein junger Mann und ein Knabe, die viel met 
Iprachen, als wir verfiehen konnten. Wir merkten jevoch ‚daß der Mann 
und von einer gewundenen Sorte Tabad fprach, die man ihm auf 
einem Schiffe gegeben habe, und indem er feine Finger frümmte er 
fannten wir, daß er den amerifanifchen gewundenen Tabad (amert 
can twist ober Negrohead)) meinte, und vermutheten aus feinen Be 
fehreibungen, es möchten die Schiffe Inveftigator oder Enterprije bei 
ihrer Abfahrt vom Eife im letzten Jahre gewefen fein, welche er gejchen 


Maguire'd Ueberwinterung auf d. polar. NW.-Küfte N. Amerifa’d. 145 


habe. Da beide und bis auf das Schiff folgten, fo konnte nun Pieut. 
Vernon, ein Kenner der Edquimaurfprache, ihre Erzählung befler ver- 
fiehen. Er ließ fie vollftindig ausfprechen, und wir verftanden nun, 
Daß ihre Angabe fih auf Schiffe bezog, die viel größer ald der Plover 
waren und ein diagonales Verdeck nebft einem größeren Eisbrecher 
Hatten. Die größte Aufmerkfamfeit hatten die Laternen des Schiffes 
auf fih gezogen, die fie als vieredig befchrieben, und als fie nun er- 
zählten, der Gapitain habe eine Brille getragen, fo war @apit. Col⸗ 
linfon und fein Schiff dadurch genau bezeichnet. Im Uebrigen flimmte 
die Zeitangabe, das Schiff ſei im vorlegten Sommer, 1851, gegen Often 
gefegelt, vollflommen mit der Fahrt der Enterprife. 

Im Frühjahr dieſes Jahres ftand ich auf der Stelle, wo das 
Schiff Enterprife beladen wurde und von wo der junge Mann feine 
Nachricht Hatte, nämlich vom Cap Governor Simpfon, welches die etwa 
45 Meilen im Often des Point Barrow gelegene Weſtſpitze der Smyths 
Bai bildet. Das Schiff fcheint eine Zeit lang durch leichte Winde zus 
rüdgehalten worden zu fein, bis es bei plöglicy eintretenden günftiges 
ren fehnell gegen Oſten getrieben, zweien Us mi-afs, die an feiner Seite 
fuhren, außer Geficht Fam; e8 war daffelbe, von deſſen Mannfchaft der 
Eingeborene eben mit fo großem Vergnügen fprach, fo wie er ſich noch 
der ihm damals zu Theil gewordenen Gefchenfe freudigft erinnerte. Wie 
merfwürbig, daß die befondere Tabadsforte dieſes Schiffes uns in drei 
Minuten mehr Auffchluß über fein Schidfal gewährte, als die feit Mona- 
ten wiederholten Nachfragen, die nach defien Schidfal bei allen Häuptlin- 
gen und deren Leuten gemacht worden waren. Nach manchen Erfahr 
rungen dieſer Art lernten wir bald mehr durch ihre zufälligen Erzähs 


‚lungen, als durch unfere oft abfichtlich an fie geftellte Fragen, da dieſe 


Menfchen meift fo fehr mit der Gegenwart befchäftigt find, daß die Ver⸗ 
gangenheit ihre Gedanken weniger aufzuregen fcheint. 

Am Abend des 5. November, bei der Feier eines Matrofenfeftes, 
das Opfer des Guy Fawkes genannt, von dem fie den dabei anwe- 
fenden Esquimaux fagten, daß er ein großer Dieb gewefen fel, 
geriethen dieſe in fichtbare Angft, und jeder verficherte, er ſei Fein Dieb, 
was viel Spaß machte, da fie eine ähnliche Behandlung, wie jene Buppe, 
zu fürchten fehienen. Die Zeftlichfeit wurde mit einem Racketenſchuß 
beendet, wobei fie fich in eine gewifje Entfernung zurüdjogen, indem das 

Zeitfchr. f. allg. Erdkunde. Bd. 11. 10 


146 C. Ritter: 


Geſehene auf fie einen großen Eindrud gemacht hatte. Man gab ihnen 
dann am Bord des Schiffes noch einen Tanz zum beften, womit bie 
Unterhaltung des Tages befchloffen wurde. Da mehrere der Matros 
fen den Wunfch geäußert, dad Esdquimaurs Dorf zu befuchen, auch 
Einige von ihnen von einem der Häuptlinge eine Einladung dazu ers 
halten hatten, fo gab ih 8 Mann am Nachmittage des 21. Novem- 
ber die Erlaubniß, fich dahin zu begeben. Auch ging ed mit Allen ganz 
gut, bis auf Einen aus der Partie, den Duartiermeifter, der ein 
mal bei einem Weberfall gegen das Obfervatorium den dabei erhaſch⸗ 
ten Esquimaur tüchtig abgeprügelt hatte; derfelbe wurde bei biefer 
Gelegenheit von feinem Antagoniften wiebererfannt, welcher in feiner 
Rache fo wüthend gegen ihn wurde, daß er fogar mit dem Meſſer im 
der Hand auf feinen Feind losging, wobei er aber glüdlicherweife durch 
feine Kameraden von einer Unthat abgehalten wurde. Der Edquimaur 
bemühte fih dann, einige der Matrofen in feine Hütte zu bringen; ba 
diefe aber feine Waffe noch in dem Aermel verborgen bemerften, fo ſchlugen 
fie es ihm ab. Alsbald wurden fie von einigen herbeieilenden Esqui⸗ 
maur umringt, während andere in ihrer Nähe ftanphaft ihre Befchüser 
blieben. Indeß wurde ein Matrofe, der Lehrburfche des Zimmermanns, 
der zufällig von feinen Gefährten abgefondert worden, von den Armen 
zweier Esquimaur umfaßt, während der Gegner des Duartiermeifters 
feine Tafchen ausplünderte, um etwas Tabad und einige Korallen, vie 
er als Gejchenfe eingeftedt hatte, zu rauben. Der Häuptling nahm 
hieran feinen Theil; es fchien ihm aber viel daran gelegen, einige 
unferer Leute in feine Hütte zu führen, in der Abficht, Pulver von 
ihnen zu erhalten, doch fehienen feine Hoffnungen durch die vorgefal- 
lenen Händel fehr geſchwunden zu fein, und die Matrofen fehrten 
heim. Nah dem fo mißglüdten Verkehr mit dem EsdquimaursDorfe 
gaben wir auf zwei Monate alle Verbindung mit demſelben auf, weil 
bie Matrofen Feine Neigung zeigten, noch ein Mal dahin zu gehen. 
Da jedoch uns hierdurch jede Gelegenheit abgefchnitten wurde, Naͤhe⸗ 
es von den Sitten und der Lebensweiſe des merkwuͤrdigen PVölfchens 
zu erfahren, fo wiederholten nur die Officiere des Schiffes verſchiedene 
Male ihre dortigen Befuche, aber ftets unter Begleitung einflußreicher 
Bewohner der Anfiedlung, welche fie vor den früheren, Händel fuchen- 
den Ruheftörern zu ſchuͤtzen wußten. 


Maguire'8 Ueberminterung auf d. polar. NW. Küfte N.⸗Amerika's. 147 


Aber auch diefer Verkehr ging bald zu Ende, als wir dem Esqui⸗ 
maur, ber fich jo verrätherifch bei feiner Hütte gegen unfere Matro⸗ 
fen gezeigt hatte, durchaus den Zutritt zu unferem Schiffe verwehrten, 
indem fih dann wieder ein neuer Streit entfpinnen fonnte. Schon 
mehrmals war er feit jenem Benehmen an das Schiff herangefommen, 
aber jedes Mal weggeichidt worden. Ein Mat fträubte er fich ernſt⸗ 
ih dagegen und wollte durchaus bleiben, um einen Aufruhr zu er- 
regen. Der Häuptling, der eben an Bord des Schiffes war, und eben 
fo noch ein zweiter Häuptling, bemühten fich, ihn fortzufchaffen, doch ohne 
Erfolg. Der Titel Häuptling iſt jedoch blos nominel in einer 
Gemeinde, in welcher jedes Glied für fein eigenes Beduͤrfniß forgt; der 
induftriöfefte, der Fühnfte, der glüdlichfte Jäger gewinnt durch fein Be- 
fisthum bald eine größere Bedeutung, als andere minder Begabte, nur 
dehnt fich diefer Einfluß nicht weiter, als über das Commando feiner 
Sciffsleute oder feiner Jagdpartei aus. 

Da wir die Hartnädigfeit dieſes Mannes, bleiben zu wollen, fa- 
ben, mochten wir ed zugeben oder nicht, fo hielt ich es für nothwendig, 
zu zeigen, daß wir die Herren des Schiffe wären, und nicht er. Ins 
dem feine eigenen Landsleute fein Benehmen tadelten, hatten wir jegt eine 
gute Gelegenheit erlangt, ihm dies zu verftehen zu geben. Nur war es 
immer fchwierig, einen foldhen Raufbold von feinen Kameraden zu tren- 
nen und diefen die Motive unferer Handlungsweife begreiflih zu ma- 
chen, zumal wenn vieles Volf, wie gewöhnlich, in Haufen da war, das 
dann immer frecher, als fonft zu fein pflegte und nur das thun wollte, 
was ihm beliebte. 

Als dieſer Streit an der Außenfeite des Schiffes feinen An⸗ 
fang nahm, verließen mehrere Esquimaur, die auf dem Schiffe waren 
und fich unfere Freunde nannten, daſſelbe, da fie und doch nicht vecht 
trauen mochten. Ich befahl dem Lieut. Bernon aus dem Schiffe zu 
gehen und noch ein Mal den Rüdmarfch zu verlangen, worauf zwei 
Drittheile der verfammelten Esquimaux, Männer, Weiber und Kinder, 
die ihm für den Commandeur einer Attade hielten, fogleich ihren Rüds 
marfch zum Dorfe antraten, während der geringere, dem Raufbold ans 
hängende Theil durch denſelben zurüdgehalten wurde, bis auch er end» 
lid den Anderen folgte. 

Als endlich die Ruhe hergeftellt fchien, waren die aus dem 

10 * 





148 C. Ritter: 


Schiff fo ängftlich entflohenen fogenannten Freunde fehr beeifert, mie: 
der zu demfelben zurüdzufehren; aber wir zogen es vor, lieber nur unter 
den ganz theilnahmlos gebliebenen Zufchauern Einigen den Zutritt zum 
Schiffe zu geftatten. Unfere Matrofen waren während defien ganz 
ungeftört beim Mittagsefien geblieben, weil unfere Einrichtung der Art 
war, daß in jedem Augenblide bewaffnete Mannfchaft in Bereitichaft 
ftand. Nachher riethen mir die Häuptlinge jedoch, nicht wieder zu ihrem 
Dorfe zu gehen, was und zwar Feine Entbehrung, aber ein Anzeichen 
war, daß fie felbft gar feinen Einfluß auf die Ihrigen hatten und daß 
die Stimmung des Dorfes noch keinesweges eine ganz freundliche ge 
gen uns fein konnte. 

Der Häuptling machte zwar alle 2 bis 3 Tage feine Beſuche, 
wie zuvor, auf dem Schiffe, bi8 auch diefe aufhörten; denn, als eins 
mal Lieut. Bernon, aus großer Theilnahme und Freundlichkeit ſich viel 
fach mit ihm befchäftigend, demfelben noch eine gute Strede vom 
Schiffe das Geleit gab und ihn dann zurüdfehrenn verließ, ſchlich 
ihm der Häuptling, Böfes finnend, nah, was ih vom Schiffe aus 
bemerkte und fogleich zwei Matrofenfchügen ihm entgegen fandte, um ihn 
an der Verfolgung des Lieutenants zu hindern. Als er Died merkte, fchien 
er fehr beleidigt und erboßt zu fein und zeigte feine Bruft als Zielfcheibe, 
doch wurde er fogleich von einigen wohlwollenden Esquimaur zurüdge- 
führt, und feitvem wiederholte er feine Beſuche nicht wieder, bis nad 
einiger Zeit andere Hauptlinge verficherten, er fei jeßt wieber „gut ”. 
Um mit ihm endlich auf einen ficheren Fuß des Umganges zu kom⸗ 
men, da ale Despotie gegen ihn nichts gefruchtet hatte, ließen 
wir ihm, als er fich wieder zum erften Male beim Schiffe fehen ließ, 
durch einen feiner Mithäuptlinge wiflen, daß er dies Mal nur wieder 
gehen follte; Fünftig werde man ihn erft dazu einladen laffen, wenn 
er auf dem Schiffe bleiben könnte. Er nahm Died ganz gut auf, 309 
fi zurüd, und, als man ihn nad) ein Baar Tagen auf das Schiff 
einlud, Fam er in jeinen beften Kleidern, benahm fi) anftändig und 
erhielt Die Erlaubniß, ven ganzen Tag zu bleiben, und fomit ſchienen 
alle früheren Mißverftändnifie beigelegt. 

An diefem Tage bei fehr fchönem Winterhimmel und 23 Grad 
Kälte Hatten wir 18 Esquimaur an Bord des Schiffes, und 72 Män- 
ner, Weiber und Kinder ſah man außerhalb des Schiffes, wo eine 











Maguire's Ueberwinterung auf d. polar. NW. Küfte N.⸗Amerika's. 149 


gleihe Anzahl, bis 90 Perfonen, auch im ftrengften Winter nicht fehl- 
ten, wenn diefelben nicht etwa auf der Jagd befchäftigt waren. Selbft die 
größte Kälte, bis 30 und 40 Grad unter Null, hielt fie von dieſen 
Befuchen nicht ab; ſchon um 6 Uhr am frühen Morgen, 3 bis A Stun- 
den vor Anbruch des Tages, faßen fie auf dem Schnee und lachten 
und fchäferten, wie wir ed nur im fchönften Sonnenfchein thun. wuͤr⸗ 
den. Damals wäre aber eine Partie von 6 ihrer Jäger faft umge, 
fommen; fie hatten einen weißen Bären verfolgt und waren mit ber 
losgeriſſenen Eisfcholle, die erſt nach längerer Zeit zum großen 
Glück wieder an das Landeis anfror, in das Meer getrieben worden. 
Bei der grimmigften Kälte waren fie in ihrer Noth durch ihre vors 
treffliche Pelzkleidung fo gefchügt, daß nur Einige mit ein Baar gefro- 
renen Gefichtöftellen zurüdfehrten, wobei aber der Hunger fie auf das 
Schredlichite geplagt hatte. 

Bald nachher verlor ein Eöquimaur bei einem allgemeinen Eis; 
bruche fein Leben. Da er ein Weib und zwei Kinder hinterlaffen 
hatte, ließ ich die Frau zu mir rufen, um ihr einige werthvolle Ge: 
ſchenke zu machen. Zu gleicher Zeit erflärte ich ihren Begleitern, daß 
auch wir hier auf Gefährten warteten, die im Eife verloren gegangen 
feien, indem ich dadurd an ihnen Freunde zu gewinnen hoffte, wenn 
unfere Streifparteien längs den Küften, die von ihnen öfter bejucht 
werden, auf Unterfuchungen ausgefandt werden würden. 

Wiederholte Lift wurde angewendet, zu erforfchen, ob wir auch gute 
Nachwachen ausftellten. Meift nur Fleine Parteien von 2 bis 3 Wel- 
bern jchlichen deshalb an dem Schiffe entlang und wußten, wenn fie 
ertappt wurden, allerlei Ausflüchte zu ihrer Entfchuldigung. Ein Mann 
wurde aber feftgehalten, ald cr in der mittleren Nachtwache aus einem 
der bei dem Obſervatorium aufgerichteten Zelte, worin der Theodolit 
nach der Schiffsfeite zu aufgeftelt war, hervortrat; man brachte ihn 
al8 Gefangenen auf das Schiff. Weil er jedoch nichts Kleines zum 
Stehlen gefunden, war fein Grund zu härterer Beftrafung da; er wurde 
indefien erſt den naͤchſten Mittag aus feiner Haft befreit und ihm ein 
Budel vol Schläge angedeutet, wenn er fich wieder fehen laffen würde. 
Während feiner Gefangenfchaft bei uns ließen fi nur A bis 5 Weiber 
und der Häuptling in der Nähe des Schiffes bliden. Ich hätte es gern 
gefehen, wenn unfere milde Behandlung des Diebes durch den Häuptling 


150 C. Hitter: 


bemerkt worden wäre; derſelbe blieb aber ganz gleichgültig, und es 
war ihm einerlei, ob eine Strafe Statt gefunden oder nicht. Run 
hörten die nächtlichen Befuche von ihrer Seite auf. 

Nur Einige von den Esquimaur bezeigten und von Anfang an 
eine entfchiedene Zuneigung, und dieſe belohnten wir dadurch, daß 
wir ihnen am Bord des Schiffes die Nächte zu fchlafen geftatteten, 
doch geſchah dies nur bei befonderen Veranlaſſungen. Anfänglich wa 
ven fie ſehr ängftlich dabei, faßten aber bald Muth und Bertrauen, 
und eben deshalb geftattete ich es, in der Hoffnung, daß ihre nähere 
Belanntfchaft mit unferer Art fie in dieſem Vertrauen immer fefter 
beftürfen würde. 

Anfangs Februar überrafchten uns die Ausfagen eines Esqui— 
maur, daß ein großes Schiff voll Leute füdwärts des Point Hope') 
überwintere. Eine Partei vom Cap Smyth war fürzlih vom Point 
Hope (auf einer Wanderung, welche die Edquimaur öfter im Winter zu- 
rüdzulegen pflegen) aurüdgefehrt, und follte am Bord des Schiffes ge 
weien fein. Da wir aber ſchon mußten, daß die Ueberwinterung eine 
großen Schiffes dort unmöglich fei, fo legten wir feinen großen Weith 
auf die Nachricht, obwohl folche Angaben meift eine Beranlaffung be 
ben, die bei näherer kritiſcher Beleuchtung fi aud wohl beftätigen 
lüßt. Die diesmalige Ausfage fehien nur der Vorläufer des Beſuchs 
einer Partei Esquimaux vom Point Hope zu fein, die um diefe Zeit 
am Point Barrow ankam und gleih darauf unfer Schiff aufſuchte. 
Sie fagten nun, es fei weiter im Süden ein großes Schiff, jedoch mit 
fehr wenig Leuten an Bord; ob wir aber ihren Ausdruck wenig 
Leute durch Fleine Leut deuten follten, blieb uns unficher. Auf jeven 
Fall war Died eine der Hiftörchen, die oft nur von einem ihrer Haw 
fen auf den andern übertragen wird, ohne auf bie Zeit Ruͤckſicht au 
nehmen, fo daß die Umänderung der Tradition zuweilen ſchon auf 
längft vergangene Umftänve fich zurüdbegiehen fann. Wahrſcheinlich 
hatte irgend ein Walfifchiäger in den Sommermonaten dort einige Zeit 
fich aufgehalten und zu dieſer Erzählung Beranlaffung gegeben. Sole 
Sagen fünnen bei den dortigen Küftenvölfern, die oft in ziemlich weite 
Fernen auf Taufchhandel ausziehen, fich ſehr weit verbreiten, weil ein 





) Point Hope Tiegt im Südweften des Point Barrow, alfo dem Kogebue: 
Sund und der Behrings: Strafe ſchon viel genäherter. M. 


Maquire's Meberwinterung auf d. polar. NW.⸗Küfte N.⸗Amerika's. 151 


Stamm dem anderen Neuigkeiten der Art mitzutheilen und weiter zu 
überliefern pflegt; fie Fönnen aber oft Feine Bedeutung an fich gewinnen, 
wenn fie nicht durch ein beſonderes Kriterium begleitet find. 

Der Häuptling diefer Partei der Esquimaur war ein angenehs 
mer junger, kluger Mann, erft von 35 Jahren, welcher von feinen 
beiden Frauen, die auch ein ganz gutes Ausfehen hatten, begleitet wurde. 
Er war auf Taufchhandel ausgegangen, um einige Kupferkeffel gegen 
Helle vom Vielfraß (Gulo borealis) einzutaufchen. Mr. Simpfon, uns 
fern Chirurgen, den er zu Hothams Inlet gefehen, erfannte er wieder; 
auch wußte er Den Namen des Capit. Moore und einiger früheren Offi⸗ 
ciere des Schiffes. Er gab uns eine Nachricht von feiner Reiferoute, auf 
welcher er 15 Mal Nachtlager, darunter 8 Mal auf dem Schnee, gehabt; 
doch hatte er von der Kälte nicht bejonders gelitten. Er ſprach fo, als 
wenn dad Meer an der Küfte ſuͤdwärts immer eisfrei geweſen wäre, fchien 
aber gar Feine Bekanntſchaft mit Schiffen zu haben, was ich dem flachen 
Boden um Point Hope zufchrieb, wodurch die Walfifchfänger, die fonft 
während des Sommers im hohen Meere fehr haufig find, von der näch- 
ften Küfte zurüdigefchredt werden mögen; es fchien ein Improvifator zu 
fein, denn er trug uns einen langen Gefang vor, worin der Rame 
unfereds Schiffes öfter wiederholt wurde. Dann ftrih er mit feiner 
Hand öfter abwärts feiner Magengegend, ald ein Zeichen großer 
Freundfchaft, lehnte feine Stirn gegen die meine zu wiederholten Mas 
len, um die Nafen an einander zu reiben, was bei feiner Erhigung 
nach dem Gefange freilich nichtd weniger ald angenehm war. Ein Häupt- 
ling dieſes Ortes machte ihn mit und fogleich fehr vertraut, da uns fonft 
gewöhnlich bei dem eriten Verſuche nur Mißtrauen gezeigt wird. Er 
befchrieb den Taufchhandel feiner Leute mit den Afiaten der gegemübers 
liegenden Küfte, den Tſchuk⸗tſchi, die fich aber ſelbſt Tfauschu nens 
nen; derſelbe befteht vorzüglich in Marder (Sable)-, Fuchs⸗Wolverene⸗, 
Wolfe: und Bärenhäuten, zuweilen auch in Walfifchöl und Fifchen, 
wogegen fie Kefiel, Tabad, Korallen, Meſſer Cruffifihe) und Wallroß⸗ 
zähne einhandeln. So lange er hier verweilte, war er ung ein willfom- 
mener und ausdauernder Gafl. Die Eingeborenen der fürlichen Küften 
find überhaupt weit angenehmer im Umgange, als die der nörblichen, welche 
felten befucht werben. Die Officiere lernten die erften ald dankbare 
und befcheidene Leute fennen, zumal auch die Frauen; die nörblicheren 


152 C. Hitter: 


find unverfchämt, undankbar. Beim Abfchiede fang er vom Lobe, das 
er unferem Schiffe auf feinem weiteren Küftenwege fpenden wolle, und 
dies konnte unferer Booterpedition bis zum Gap Lisburne nur zum 
Vortheil gereichen. 

Mitte Februar begaben fich fehr viele der eingeborenen Esquis 
maur in dad Innere des Landes auf die Rennthier- Jagd, die in 
den großen Ebenen des nordweſtlichen Amerika in zahlreichen Heerden 
fih vorfinden. 

Begierig, von dem Lande wie von der Lebensart diefer Leute in 
fo rauher Jahreszeit eine Vorftellung zu befommen, machte ich einen 
Ausflug in ihr Jagdrevier und wollte ihnen dadurch zugleich einen 
Beweis meines Vertrauens geben. 

Am 1. März verließ ich das Schiff mit Mr. Gordon, dem zweis 
ten Commandeur, 2 Matrofen und dem Führer auf einem von 6 Hun- 
den gezogenen Schlitten; wir führten ein Zelt, Flinten und Proviſio⸗ 
nen mit und und fuhren gegen SSW. über Schneeebenen, die we 
nig Verſchiedenheit vom Ufereis zeigten; nur in der Nähe eines Sees, 
wo die vom Winde befreiten Stellen ehvas Graſung fehen ließen, die 
einzige Nahrung für die Rennthiere, deren wir fehr viele begegneten, ging 
es fteiler bergan. Nach einer Fahrt von 34 Tagen kamen wir zu dem 
Lager am Ufer eines Fluſſes. Die Bervohner hatten ein Loch in das Eis, 
das 7 Fuß did bis auf den Boden reichte, gemadht. Ihre Häufer, 
verſchieden von denen, die Bapit. Barry befchrieb, waren entlang des 
Fluſſes im Schnee außgehöhlt; vor denfelben bildete das Eis eine ganz 
ebene Flur. Ihre Außenfeite war nur dadurch erfennbar, daß jeder 
Eigenthümer ein Jagdgeräth über der Spige feines Haufes hängen 
hatte. Die hiefigen Esquimaur waren wohl freundlich, aber gerade 
folhe Bettler, wie am Point Barrow. Die Art ded Fanges der 
Rennthiere war eigenthümlich, den Umftänden angemeflen. Das Land 
ift nämlich fo offen, daß man nirgends unter einem befonderen 
Schutze fih dem Wilde nahen kann; daher graben die Landesbe⸗ 
wohner tiefe Gruben in den fchneereichen Schluchten, fuchen Stellen 
mit ebener Oberfläche aus und legen über fie ganz oberflächlich Schnee 
tafeln, fo daß das Rennthier, fobald es dieſelben betritt, fogleich in 
die Grube, die zu tief gegraben ift, ald daß cd wieder herausſpringen 
fönnte, ſtürzt. Nachdem ich meinen Zwed erreicht und den Jaͤgern 


Maguire'd Meberwinterung auf d. polar. NW.-Küfle N.⸗Amerika's. 153 


meine Befuche gemacht hatte, Fehrte ich nach Abwefenheit von 7 Tagen 
zurüd. Die aftronomifch beftimmte Lage des Ortes war S. AO W,, 
38 engl. Meilen fern vom Schiffe. 

Nichts ereignete fi) nachher von Bebeutung bei uns, bis ich die 
Anftalt zu einer Küftenreife gegen Often machte, wo einige der böß- 
willigen Esquimaur fi alle Mühe gaben, einen jungen Mann, der 
mich als Führer begleiten wollte, von feinem Vorſatze abzubringen, ins 
dem fie ihm drohten, daß fie und nachfolgen und, wenn wir fohliefen, 
ihn und und ermorden wollten; dieſes machte auf denfelben jedoch kei⸗ 
nen Eindrud, da er dieſe Gefchichte erzählte und nur verlangte, man 
folle diefe Leute während meiner Abwefenheit nicht auf das Schiff laf- 
fen. Offenbar hatte man von der Verringerung unferer Kräfte gefpros 
chen, wenn wir und getheilt haben würden, und ich bebauerte nur, 
daß unfer Benehmen bei ihnen noch feine günftigere Wirkung hervors 
gebracht hatte. Ich hielt es deshalb für nothwendig, ihnen zu zeigen, 
daß wir und wohl zu vertheidigen wüßten, und auch reifen wuͤrden, 
wenn wir es für nothwendig hielten. 

Mit diefem Vorſatz begab ich mich auf die Reife, der guten Aus- 
rüftung meiner Partei vertrauend, und in der Ueberzeugung, daß id) 
das Commando des Schiffes Plover in den beften Händen, in denen 
des Lieut. Vernon nämlich, zurüdließ. Nach einem Ausflug von 25 Tas 
gen fand ich bei meiner Rüdfehr auf dem Schiffe Alles im möglichft 
beiten Fortgange. Die Esquimaur famen am Tage vor meiner Rüd- 
fehr, den 27. April, in AO Schlitten mit 93 Leuten von ihren Jagd: 
partieen zurücd und fuhren über die Bai. Don der Zeit an hatten 
wir Veberfluß an Wildpretfleifch, der einzige Vortheil, den wir wäh» 
rend unferes ganzen dortigen Aufenthaltes von unfern Nachbarn erlang- 
ten. Dies dauerte an 2 Monate, gab dem Sciffövolfe neue Kräfte 
und verbefierte defien Gefunbheitszuftand, der zuvor durch Scorbut 
ziemlich ungünftig geweſen war. 

Die Jahreszeit des Wallfifchfanges näherte fih nun fchon, 
und am 7. Mai begann er. Das offene Meer war noch A Meilen 
von Point Barrow fern. Am 11. hörte ich, daß ein Wallfiſch gefan- 
gen war; ich eilte dahin, in der Hoffnung, noch zur rechten Zeit ber 
Bertheilung beimohnen zu koͤnnen; als ich aber an Ort und Gtelle 
fam, war nichts mehr von dem Thiere übrig, als etwa ein halbes 





154 C. Ritter: 


Pfund Fett, fo vortrefflihen Gebrauch hatten fie in größter Schnellig- 
feit von allen Theilen ihred Fanges gemacht. 

Das offene, eisfreie Meer dehnte fih von OND. nah WER. 
aus; nirgends war bei 100 Klaftern Grund. Auch gegen Süden ſchien 
alles vom Eife frei zu fein, und ich vermuthete fogar bis zu der Beh 
rings Straße; wie weit gegen Norboften, würde zu erfahren lehrreich 
gewefen fein, da der Wind anhaltend von daher wehte. Sollte das 
Eis dort fhon aufgebrochen fein, fo müßte fih dort auch eine fehr 
große Strede offenes Meer finden. 

Der Wallfifchfang befchäftigte nun die Esquimaux fortwährend 
bis zum 21. Juni, wo fie ihre mehriten U⸗mi⸗-aks auf das Lund 
zogen, um fie für ihre Sommerreifen gegen den Often auszuruͤſten; 
vorher aber geftatteten fie fih, 10 Tage, wo man fich bloß dem Ber 
gnügtfein überläßt und die Zeit mit Effen, Rauchen und Tanzen zus 
bringt, zu feiern. Dann erſt geht ed wieder an die Arbeit. 

Bemerkenswerth ift die Behauptung der Edquimaur, daß die Walk 
fifche um Point Hope fi im April und Mai zeigen, wenn das Ci6 
in feinen Feldern aufbricht, daß aber die mehrften fchon wieder ver 
fhwunden find, wenn die meiften Schiffe der Wallfiſchfaͤnger anzufom- 
men pflegen. Zu gleicher Zeit zeigten fich diefe Seethiere auch hier 
an unferer Station und wurden von den Esquimaur in ihren U-mi 
aks verfolgt, bi8 Juni, wo man nur noch wenige zu fehen bekommt 
Im Juli ift feiner in der ganzen Nachbarſchaft. Die Esquimaur 
glauben, daß fie fich gegen Norven zurüdziehen und erſt von da im 
Auguft und September zurüdfehren. Die Meifter auf den zum Wall 
fifchfange ausgehenden europäifchen Schiffen belehrten mich, daß die 
Wallfiſche im Juli und Auguft feltener im offenen Meere vorkommen, 
al8 im September. - 

Einen Monat vor diefer Zeit erhielten wir ganz zufällig eine und 
jehr nügliche Nachricht. Zwei der Offiziere, Lieut. Vernon und Wr. 
Simpfon, der Chirurg, befprachen ſich mit einem der Häuptlinge, der 
weit klüger und mittheilender war, als feine Collegen, und fragten 
ihn, ob er jemald an der Küfte folche Boote, wie die unferigen, gefe 
ben habe. Ja, fagte er, am Eolville- Fluß. 

As Mr. Simpfon in des Kommandeur Bullen Journal bie 
Stellen auffuchte, in denen von feinem dortigen Aufenthalte die Rede 





Maguire's Meberwinterung auf d. polar. NW.-Küfte N.⸗Amerika's. 155 


ift, fand er, daß feine Erzählung mit den Angaben, welche diefer Häupt- 
ling von den dortigen Begebenheiten berichtete, ganz übereinftimmte, 
felbft biß auf die Windrichtungen. Daraus wurde es klar, daß der 
Häuptling unferer Esquimaur Station mit feiner Hubfonsbai Flinte, 
die den Namen Barnett trägt, diefelbe Berfon ift, welche in Comman⸗ 
deur Pullen’8 Journal als diejenige bezeichnet wird, die mit einem 
Haufen von Begleitern Pullen’d Küften:Erpedition im Jahre 1849 
in Booten verfolgt hatte. Der Erzähler wurde, nachdem er fo freimüs 
thig gefprochen, ganz betroffen; die beiden Officiere meinten deshalb, 
weil er fühe, daß das aufgefchlagene Buch ihnen ſchon alles Vorgefal- 
lene verrathen habe, und daß er nichts mehr zu verſchweigen brauche, 
weil fie felbft dad Geringſte der dortigen Begebenheiten wüßten. Er 
beftätigte daher alle Thatfachen, war aber eifrig bemüht, die Namen 
des Commandeurd nnd feined Begleiters, nämlich Pullen's und des 
Lieut. Hooper, zu erfahren, doch ließen fich die Officiere deren Perfön- 
lichkeiten erſt genau befchreiben, ehe fie ihm ihre Namen mits 
theilten. 

Es ergab fih aus allen nachfolgenden Gefprächen mit dieſen 
Eingeborenen, daß fie die weflichften Esquimaur feien; auch 
gab uns ihr Häuptling die Stationen feiner Wanderung an. Bisher 
waren wir darüber in Zweifel gewefen, ob die Diitanz zwifchen Point 
Barrow bis Barter Island (zwiſchen Point Barrow und Mackenzie⸗ 
Mündung liegend), eine Strecke von 240 Meilen, auch auf einer fo 
flachen Küfte durch ihre Lederboote zu befchiffen ſei, da fie, wenn ftarf 
beladen, feineswegs zu folchem Seetransport tauglich fohienen. Dies 
fen Zweifel löfte der Häuptling dadurch, daß er fagte, fie legten fchon 
einen Monat vorher, ehe das Eis aufbreche, ihre Boote auf Schlit- 
ten, und vermieden dieſe flache Küfte mit ihren großen Baien mit: 
teift einer binnenländijchen Schifffahrt durch uns bisher unbefannt ge- 
bliebene Flüffe und Seen. 

Die erfte Station der Wanderung iſt Eolville, 10 Tage, wo 
der Häuptling einen befonderen Esquimaur- Stamm, die Nuna⸗tag⸗ 
miutes, antrifft. Diefen Namen halten die Reifenden Deafe und Simp- 
fon nur für einen Namen der Rufien; es find aber entſchieden Esqui⸗ 
maur, die das ihnen eigene Ornament in der Lippe tragen. Dieſe Esqui— 
mau befchränfen ſich nur auf die Flüffe und das Land, das fie Nuna 


156 C. Ritter: 


(d. 9. Land) ) nennen, und ftehen durch die Fluͤſſe in Verbindung mit 
dem Inneren bis zur Küfte von Hothams Inlet. Zu Eolpille 
hatte der Häuptling in zwei aufeinander folgenden Jahren eine Frau 
gefunden, die öfter 1849 auf dem Schiffe in Kotzebue's Sund wäh 
rend des Winters geivefen und von da durch das Innere gereift war, 
ohne die dazwiſchen liegende Küfte zu berühren. 

Die Reife zu dem Eolville wird von den Landesbewohnern befon- 
derd vorgezogen; fie fprachen Häufig von den Wunderbingen, die fie 
am Bord des dortigen Schiffes gefehen, forwie von den Feſten und 
Zänzen, die fie dort mit ihren Freunden genoflen. 

Bon da begab fich eine abgefonderte Partei nah Barter Jo— 
land. Die Weiber begleiteten fie bis auf eine Tagereife fern von 
diefen öftlihden Esquimaur; die Männer gehen einen Tagemarſch 
weiter und machen ihre Gefchäfte mit ihnen fo ſchnell, als möglich, ab 
Sie gaben eine komiſche Befchreibung des gegenfeitigen, unter beiven 
Parteien herrfchenden Mißtrauend. Die Weft-Esquimaur legen 
fi) nie ſchlafen, fo lange fie noch von den Oft-Esquimaur gee 
hen werden können; aller Taufchhandel wird mit den Meffern in ber 
Hand abgemacht. Die Artikel defielben und die Mode dabei find von 
Sir 3. Franklin befchrieben. Ich vermuthe, daß ſpätere Berichten 
fatter die Meinung aufgeftellt Haben, es fünden ruſſiſche Waaren ihren 
Weg zu den Norbfüften von den Poſten am Golville; dies waren wir 
nicht im Stande zu beftätigen. 

Der hiefige Stamm erhält ruffifche, das iſt fibirifche, Artifel von 
dem Volk auf Point Hope, wovon zuvor die Rede war; er bringt fie 
gegen Often und vertaufcht fie gegen englifche Meſſer, welche man 
bier wieder von den Hudſonsbai⸗Poſten einhandelt; aber ein birecter 
MWaarenumfag findet, fo viel wir hören konnten, nicht Statt. 

Bon Cap Colville brauchen die Esquimaur oftwärts zu ihrer 
Wanderung 10 Tage, immer gegen den Wind, wie fie fagen; die Rüd- 
kehr nach Point Barrow und Point Behrens Foftet ihnen wenig meht, 
ald 2 Tage, während welcher fie die Zeit in ihren Booten ſchlafend 
zubringen und fi) bloß dem immer vorwärts treibenden Winde über 
lafien. Dies macht es wahrfcheinlich, daß die Oftwinde im Auguſt 
die vorherrſchenden ſind. 


J Auch bei den viel öſtlicheren, von Parry beſuchten Coquimaur heißt Nõõnã 
(Nũna) Land. Journal 564. @. 





Maguire's Ueberwinterung auf d. polar. NW.⸗Küſte N. Amerifa's. 157 


Mr. Simpfon, der fich fehr genau um die Ausforfchung dieſer 
Leute bemühte, vermuthet, daß der 25. Juli der Tag ihrer Adreife von 
@olville if. Dies wird auch durch die Thatfache beftätigt, daß der 
Tag des Angriffs des Commandeur Pullen auf den 9. Auguft fiel, 
und zwar auf feiner Rüdfahrt vom Barter Island am Return Reef 
Statt fand; denn die Zeit ihrer Befuche ſchwankt felten um mehr, als 
3 Tage. Wir fanden dies überall beftätigt, fo Daß wir vermuthen 
mußten, daß fie beftimmte Zeitdaten innehalten oder eine Art Kalen- 
der haben. 

Es ergiebt fich Hieraus zugleich, daß die Esquimaur ein Drittheil 
ihrer Sommerreifen mit dem Transport ihrer Böte über das Eis zu- 
rüdlegen, ebe diefelben für das offene Waſſer brauchbar werden, wodurch 
fie Zeit für die günftigfte Jahreszeit gewinnen. Das wird fie wohl die 
Nothwendigkeit gelehrt Haben, indem die Zeit des offenen Seewaffers ſehr 
furz ift, fo daß, wenn fie fih nur auf dieſes befchränfen wollten, ihre 
Reifen nur in gar fehr geringe Entfernungen gehen fönnten. ihre 
Rückkehr zur Winterfaifon findet mit dem 10. September Statt, und 
dann find auch ihre Arbeiten für das Jahr beendet. 

Nur zwei Tage nah Erlangung der obigen Nachrichten, am 
20. Mai, bemerften wir an der Außenfeite des Schiffes einen Mann 
mit einem Hanffad auf den Rüden, worauf eine Addreſſe gefchrieben 
fand: An den großen Handeldmann der ruffifhen Anfied- 
lung in Nord-Amerika. Begierig erfundigten wir und näher da⸗ 
nad), und erfuhren, er habe das anfänglich darin gewelene Papier in 
feiner Hütte, und er fei mit dem DBerfprechen, eine reiche Beloh⸗ 
nung an Tabad zu erhalten, abgefendet worden, wenn er baffelbe 
dem Schiffe überbringe. Einige Stunden fpäter kam er mit zwei zer⸗ 
riffenen Stüden Papier und beflagte es, daß fein kleines Mädchen 
das übrige zerrifien habe. Glüdlicherweife war der für uns wichtigfte 
Theil von dem erhalten, was darin eingefchlofien war. Es zeigte we⸗ 
nigftend mit Sicherheit, daß Commandeur M'Clure diefe Küfte ent- 
lang gefommen war, was auch fpäter von denjenigen Eingeborenen 
beftätigt wurbe, die am Bord unferes Schiffes zu Point Behrens oder 
Return Reef gewefen waren, wo fie fagen, daß fie Oſtwind hatten 
und fein Eis fahen. 

Das Schiff Enterprife unter James Roß, war im folgenden Jahre 
nicht fo weit, alfo nicht SO Meilen gegen Often gefehen worden; wahr: 


158 ®. Ritter: 


fcheinlich Hatte es alfo mit der Küfte weſtwaͤrts des Madenzie keine Ber: 
bindung gehabt, da die dortigen einheimifchen Küftenftämne, die mit 
den zur Mündung des Madenzieflufied wandernden Esquimaur in 
jährlich fich wiederholendem Verkehr ftehen, nichts von ihm gefehen 
hatten, wie fie und auf vielfach wiederholte Anfragen verficherten. Wie 
ſchwer e8 jedoch ift, den Esquimaur unfere Aufträge verftändlich, oder 
ihre Wichtigfeit begreiflich zu machen, davon hatten wir in dieſem Fall einen 
deutlichen Beweis. Auf dem Schiff Inveftigator befand ſich der Dol⸗ 
metfcher Miertfching, der über die vom Commandeur M’Elure 
eingehändigten, zur weiteren Beförderung beabfichtigten Papiere ihnen 
vollftändige Belehrung gegeben hatte, und doch dauerte es, unjerer 
fortwährenden Nachforfchungen ungeachtet, volle 8 Monate, ehe wit, 
nur zufällig, eine Spur von dem Auftrage auffanden, und auch da 
von würde uns nichts zu Ohren gefommen fein, wenn nicht zum Glüd 
der Hanfbeutel noch andere, dem Esquimaur nügliche Dinge enthal⸗ 
ten hätte, die er herauszunehmen und für fich zu behalten für gut de 
funden hatte. 

Um dem Träger ded Sades die Wichtigfett folcher Papiere und 
Commiſſionen recht eindringlich zu machen, befchenkte ich ihn mit eine 
bedeutenden Quantität Tabad, worüber er felbft, wie feine Begleiter, 
in Erftaunen geriethen und was fogleich die Wirfung hatte, daß eine 
von biefen ein altes amerifanifches Gefangbuch zum Vorſchein 
brachte, das einzige noch übrige Stüd, weldyes in ihrem Beſitz geblie 
ben war. 

Ein anderer Umftand brachte und manche Unannehmlichkeit, naͤm⸗ 
(ih daß ganz unabfichtlih durch einen Zufall ein Esquimaur vor 
einem Slintenfchuffe getödtet worden war, was jedoch von feinen Ka 
meraden aus dem ganz richtigen Gefichtspunfte aufgefaßt worden zu 
fein fchien. 

Es war am Morgen des 8. Juni, als David Dunftall, der Quar- 
tiermeifter der Wache, in meine Cajuͤte mit der fehredlichen Trauer⸗ 
botfchaft eintrat, daß er das Unglüd gehabt habe, einen Esquimam 
an der Außenfeite des Schiffes zu erfchießen. Ich fprang ſogleich 
hinab, fand den Kopf getroffen und den Unglücklichen ſchon in den⸗ 
felben Augenblide tobt. Mehrere Esquimaur waren zum Schiffe vor 
der beftimmten Erlaubnißgeit vorgedrungen und fehrten ſich nit an 








Maguire’8 Ueberwinterung auf d. polar. NW.⸗Küſte N.⸗Amerika's. 159 


die warnende Zurüdweifung der Wache, worauf Dunftall eine Vogel 
flinte drohend zur Hand nahm, die aber zufällig losging und ben 
Esquimaur mit der Kugel in den Hinterfopf traf. Die anderen 5 
oder 6 Männer liefen erfchredt davon und ließen die Leiche liegen. 
Wir entfernten diefe fogleich fo weit vom Schiffe, daß fich feine Ka⸗ 
meraden ohne Furcht vor und zu ihr begeben konnten und fich unfes 
rem Schiffe nicht weiter zn nähern brauchten. Wir ließen zum 3eis 
chen unferer freundfchaftlichen Gefinnung eine beveutende Quantität 
Taback neben der Leiche, in der Hoffnung, daß die uns Wohlwollen⸗ 
den dies erfennen und zu und kommen würden, um ihnen dann Auf 
fhluß über den Unfall zu geben. 

Dies gefehah auch, denn bald kamen zwei Häuptlinge zugleich zu 
unferem Schiffe, nachdem fie zuvor in ihrem Dorfe ihren ganzen Ein« 
fluß angewendet hatten, die Rachfüchtigen zu befchwichtigen. Einem 
von ihnen, dem intelligenteften, wurde die Möglichkeit eines folchen 
Zufalles begreiflich gemacht, und ihm forgfältig gezeigt, daß es eine 
Bogelflinte gewefen, Heine Vögel zu fchießen, Feine Waffe gegen Men- 
fhen. Nachdem er dies begriffen, baten wir ihn, feinen Leuten hier- 
über Auffchluß zu geben. Indeſſen hatte fich bei der Leiche ein gro- 
fer Haufe eingeftellt, darunter auch die Freunde und die Frau des 
Unglüdlichen, der jedoch glüdlicherweife keine Kinder hinterlaffen hatte. 
Sie hatten fi rund um den tobten Körper niedergelaffen, und waren 
zwei Stunden lang in ernften Gefprächen mit den Häuptlingen, die 
ihnen die Sache erklärten, vertieft. Dann unterfuchten fie Die Leiche, 
hüten fie in ihre Nennthierfelle ein und legten fie auf einen Schlit- 
ten; A Männer, die rauen ihnen vorangehend, zogen fie über die Bai 
hinweg nad dem Gräberorte nahe Point Barrow. Keiner der übrl- 
gen begleitete den Todten; nur einige berfelben näherten fich dem 
Schiffe, wo fle aber, da fie uns als Webelgefirmte befannt waren, dies 
Mal nicht zugelaffen wurden, um jedem verrätherifchen over Rache 
fireit vorzubeugen. 

An demfelben Tage freuete es mich, daß die Frauen der erften 
Häuptlinge an Bord des Schiffes kamen und ihre Sorge wegen ber 
Abweſenheit ihrer Männer, die nach der offenen See auf den Wall 
fifchfang ausgegangen wären, ausfprachen. Wir fandten nad ihnen, 
worauf fie nach beendetem Gefchäft an Bord unferes Schiffes kamen. 


160 C. Ritter: 


Sie erzählten und, daß bei ihnen während 5 Tagen alle Arbeit 
wegen des Trauerfalles eingeftellt werbe, und daß auch die rauen ihre 
Näheres in dieſer Zeit nach hergebrachter Sitte nicht fortfegen koͤnn⸗ 
ten; auch wünfchten fie, daß unfer Hammern und Klopfen während 
defien an unferem Schiffe aufhören möge, wozu ich auch, um ihnen 
meine Theilnahme zu zeigen, fogleich Befehl gab und die Trauerflagge 
am halben Maft aufhängen ließ, deren Bedeutung ihmen erklärt und 
ganz richtig begriffen wurde. Am Abend Fam einer der Haupt 
linge mit feiner Frau, und zu berichten, daß in ihrem Lager eine Par: 
tei auf Rache finne. Da fie, die Häuptlinge, deren Pläne aber nidt 
unterftüsten, fo würden dieſe wohl auch nicht zur Ausführung fom 
men. Dennoch trafen wir alle Vorbereitungen, um nicht überrafcht zu 
werden, was bei dem fehr diden Nebel, ver fich erhoben hatte, und 
um fo nothwendiger erfchien. 

Am folgenden Tage befuchten und A Häuptlinge mit ihren Frauen 
am Bord; mit Hülfe der Officiere wurde auch ihnen noch ein Mal 
eine vollfommene Erflärung des Unfalls, die fie auch verflanden um 
durchaus Feine Furcht weiter deshalb bewiefen, als fie wieder heimlehr⸗ 
ten, gegeben. Sie überzeugten uns davon, daß fie feine Macht über 
ihre Leute befäßen, riethen uns jedoch, allen Mitbervohnern der Hütte 
des Erfchofienen Heine Gefchenfe zu machen und und auch nicht Mu 
weit von unferem Schiffe zu entfernen, da man den Gefinnungen det 
Beleidigten nicht trauen könnte. Wir entließen fie mit Gefchenfen und 
dem Erfuchen, nach 5 Tagen, während welcher die Hausgenoffenfchaft 
die Hütte des Verftorbenen nicht verlaffen konnte, diefelbe uns auf dad 
Schiff zu führen. Sie famen wirklich, 10 Berfonen ftarf, von den Häupk 
lingen geführt, nah 5 Tagen auf das Schiff. Die junge Witwe 
war fo voll natürlichen Kummers, daß die reichen, ihr gebotenen Ge⸗ 
ſchenke ſie keineswegs erheiterten, doch mit der Zeit wurde durch un⸗ 
ſere fortdauernde Aufmerkſamkeit gegen fie ihr Schmerz fo gemildert, 
daß fie bei unferer Abreife mir ſelbſt fagte, wie leid ihr viefe fel. 

Natürlich konnte feitvem unfer Verfehr nicht auf gleiche befriedi 
gende Weife, wie zuvor, fortgefegt werden, obwohl wir alles Moͤgliche 
taten, den nachtheiligen Einfluß des Vorgefallenen zu mildern. Da 
fie jedoch feine Vorftellung von unferem Benehmen, noch von einem 
Oberbefehl oder von einer Verantwortlichkeit hatten, fo fiel bei ihnen 








Maquire's Ueberwinterung auf d. polar. NW.⸗Küſte N.⸗Amerika's. 161 


alle Schuld und der ganze Haß bloß auf den Thäter des Mordes, 
nicht auf ung Webrige. 

Etwa 14 Tage nach dieſem Vorfal war eine ihrer großen Ver⸗ 
ſammlungen am Point Barrow, um dem Feſte und den Taͤnzen bei- 
zuwohnen, die fie vor ihrem Abmarfche gegen den Often zu feiern 
pflegen. 

Eine Partei der Esquimaur bemühte ſich zwar, eine Mannfchaft 
zum Angriff auf unfer Schiff zufammen zu bringen, doch gelang es 
ihr nicht. Der Gegenpartei, welche fih mit ihrem Häuptling bei une 
ein Verdienſt daraus machte, daß fie nicht an ihren Plänen Theil ges 
nommen und dafiir von uns Gefchenfe erwartete, bemerkte ich nur, 
daß ed mir fehr leid thun würde, wenn fie mit ihren Bogen zum 
Schiffe heranrüdten, denn dann würde es fehr viele Todte unter ihnen 
geben. Damit war die Sache abgemacht, und man beläftigte uns nicht 
weiter mit folchen Gerüchten. 

Wir wünfchten fehr den baldigen Aufbruch der Esquimaur, weil 
auch unfere Zeit herannahte, in welcher die Boote vom Cap Lisburne 
abjegeln follten, da deren Uebergang über das Eis nicht ohne Gefahr 
einer Unterbrechung zu bewerkſtelligen war, fo lange jene noch in grö- 
Berer Anzahl zurüdblieben. 

Endlich brachen die Esquimaux den A. Juli auf, nachdem fie 3 Tage 
zum Abmarfche gebraucht. Jede Partei machte in der Nähe unſeres Schif- 
fes eine Nacht Halt, um bis auf den legten Moment eine Gelegenheit 
zum Betteln zu haben. Da ich indeffen eine Anzahl gedruckter Blät- 
ter zur Vertheilung an die öftlihen Eöquimaur auf Barter Island in 
Bereitfchaft gehalten, fo behandelte ich fie mit Nachficht und gab denen, 
welche mit den gedrudten Zetteln betraut worden waren, ein Gefchenf 
an Tabak, an blank polirten, zu dem Zwed in England gefertigten 
Knöpfen, worauf Notizen, die fih auf die arctifche Erforfchungs- Er: 
pedition beziehen möchten, eingegraben waren, und an anderen Kleinig- 
feiten, um fie an unfere Aufträge zu erinnern, die fie auch treulich aus: 
zurichten verfprachen. Den Häuptling nunmehr mit etwas Schieß⸗ 
pulver zu befchenfen, hielt ich für zwedmäßig; dies zeigte ihm, daß 
wir und nicht fürchteten, denn ich war von feinen früheren boͤswilli⸗ 
gen Projecten überzeugt, da er feine Flinte fo gut zu laden ge: 
wußt hatte. 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. 11. 11 


162 C. Ritter: 


Ich begleitete die eine der abreifenden Parteien auf eine kurze 
Strede, um von Ihrer Methode des Wanderns etwas abzulernen, was 
auch und beim Transport unferer Böte nütlich werden könnte. Vic 
U⸗mi⸗als brachten fie auf Keine Schlitten, die fich leicht durch 3 Män- 
ner ziehen ließen. Der Hauptteil ihrer Waare, Walfifchiped und 
Seehundsthran, wurde auf Heinen, für den Handel beftimmten Schlit- 
ten von den Frauen und den Hunden gezogen; die Männer beforg- 
ten nur den Transport der Böte, aber bei Waflerftellen und anderen 
beſchwerlichen Paſſagen halfen fie fich gegenfeitig hinüber. Sie famen 
ziemlich fchnel vom led, nur machten fie oft Halt, um zu rauchen, 
und, ehe ich fie verließ, hielten fie, obgleich fie ihrer Lagerftelle ſchon 
ganz nahe waren, noch eine tüchtige Mahlzeit. 

Zwifchen dem 4A. bis 7. Juli famen 27 bi 30 U-mi=-afs mit 
150 Perſonen gegen Often an und vorüber, was und nun wegen un- 
ferer eigenen Ausfendung von Böten von den bisherigen Sorgen 
befreite. 

Am 7. begaben wir und quer über die Bai, um uns über den 
Zuftand des Eifes zu unterrichten. Wir gingen 2 Meilen weſtwärts 
gegen die tiefe See zu, ohne aber in dieſer Richtung von dem höch⸗ 
ften Eishügel die geringfte Spur eines freien Meeres zu erblicken 
Dies brachte mich auf den Gedanken, die Böte über die Eismaflen ge: 
gen Süden fo weit zu fchaffen, bis wir ein freies Waſſer finden 
würben. 

Am 9. Juli verließ ich das Schiff mit dem Heinen Schnellboot, 
dem Gig, und dem Wallfifchhoot, um nad) Cap Lisburne zu fommen 
(gegen Südweft). Wir legten beide auf zwei ftarfe Schlitten, die von 
unferen eigenen Leuten und zwei Officieren, Lieut. VBernon und Mr. 
Gordon, dem Mate, fortgejchafft wurden, mit Beiftand von 10 anderen 
Gehülfen, unter denen ich mich felbft befand, und dem Zimmermann, 
jo daß wir zufammen 20 Mann ftarf waren. Der Proviant für die 
Matrofen auf 34 Tage, Kleivung und Ammunition wurden auf zwei 
Schlitten der Eingeborenen von Hunden gezogen; ein dritter Schlitten 
führte Lebensmittel für die anderen Begleiter. Einige Streden des Zus 
ges über das Eis waren fehr ſchwierig und das Ganze nicht minder müh- 
ſam, da die ganze Kraft der Mannfchaft dazu erfordert wurde. Oft muß 
ten die Eingeborenen dabei nachhelfen, doch erleichterten günftige Winde, 








Maguire's Ueberwinterung auf d. polar. NW. Küfte N.⸗Amerika's. 169 


für die wir Segel auf den Schlitten ausfpannten, unfere Arbeit. So 
rüdten wir 3 Tage lang gegen Süden vor, al8 wir in einer Entfer: 
nung von 2 Meilen das offene Meer erblidten. Ich ging mit Lieus 
tenant Vernon darauf zu, indefien ſchienen und die dazwiſchen liegen- 
den Eishügel die Annäherung faft unmöglich zu machen. Endlich ges 
lang es und am folgenden Morgen, den 12. Juli, bei günftigem Wets 
ter alle Schwierigfeiten zu überwinden und die Bote Nachmittags auf 
Das Waffer zu bringen, fo daß fie fogleich mit gutem Winde, der aber 
bald aufhörte, 8 Stunden weit forttrieben. 

Ich Fehrte zu meinem Schiffe zurüd und war am 15. Juli mit 
der Berechnung befchäftigt, wie weit die Erpedition wohl vorgerüdt 
fein möchte, ald wir um 8 Uhr Abends eine Anzahl Menfchen, einen 
U-misaf ziehend, von der Höhe herabfommen fahen. Indem wir einige 
unferer Leute zu unferem größten Erftaunen darunter erfannten, eilte 
ich ihnen in größter Beftürzung entgegen, indeſſen beruhigte mich die Zäh- 
lung der ganzen, gleich flarf gebliebenen Mannfchaft in etwas. In 
der Nacht vom 12. auf den 13. fah fich nämlich diefe Mannfchaft vom 
Eife umringt und zog ihre Böte auf eine Eisftrede, welche fie für 
ficher hielt, obwohl diefelbe in die entgegengefebte Richtung gegen Nor- 
den trieb. Die Eismaffen drängten nun immer mehr gegen das Land 
bin, zerjchellten die Eisftrede, worauf unfere Leute fi) befanden, und 
thürmten fie 20 Fuß hoch empor. Endlich rüdte auch die Eismaſſe unter 
ihnen fort. Das kleine Boot ward mit Eismaflen fogar fo befchwert, 
daß es ſich nicht wieder an das Land ziehen ließ, und endlich fand 
fi) das noch leichter gebaute Walfifchboot zufammengebrüdt, fo daß 
es nicht fortgefchafft werden konnte. Die ganze Mannichaft mußte 
demnach auf ihre Rettung nach dem Ufer bedacht fein, ehe die Eis⸗ 
jholfe abriß, und die Mannfchaft auf einzelnen Schollen umherirrend 
zurückblieb. Glücklicher Weife entwidelte fich dies Alles in einer zwar 
überwältigenden, jedoch fo allmäligen Weife, daß die Gefellfchaft Hin 
länglich Zeit gewann, fich mit Proviant auf 3 Tage und ihren Waf— 
fen und Ammunition zu verfehen, und daß fie das Schiff wieder 
zu erreichen im Stande war. Das meinem Berichte beigelegte Jour⸗ 
nal des Lieut. Vernon wird den Lords der Admiralität zeigen, wie die: 
fer Officier und fein Begleiter Gorbon fih in der Noth benahmen, fo 
wie ich auch auf das muthige Benehmen der Matrofen hinweife, von denen 

11* 


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Maguire'3 Meberwinterung auf d. polar. NW.⸗Küſte N. Amerikas. 165 


wir dieſes aus der geringen Die des Eiſes fchließen zu fünnen glaub- 
ten. Indem jedoch die heftigen Winde ausblieben, verharrte das 
Eis länger in feinem Zuftande, und erſt gegen Ende Juli begannen 
wir, in demfelben eine Veränderung zu fpüren. Am 30. Juli rüdten 
endlih einige Eishaufen etwas weiter nordwärts nach der tiefen offe- 
nen Seefeite zu, und Mr. Hal, der zweite Commandeur, den ich nad) 
der Meeresfeite zur Erforſchung des Zuftandes des Eifes abgefendet 
hatte, fand fogar eine Waflerftraße darin vor. 


Ich begab mich alfo am nächſten Tage auf ein Boot, die Aus— 
dehnung der Meeresgaffe zu ermitteln und die Tiefe zu fondiren, in 
wiefern fih unfer Schiff darin fortbewegen koͤnnte. Alle Umſtaͤnde 
fhienen vortheilhaft; ich hoffte am Abende zuruͤckzukehren und in Be: 
wegung zu fommen, als ich bei der Annäherung an das Cap Smyth 
zu meinem Verdruß bemerkte, daß fich die Waffergaffe dicht am Ufer 
fo verengte, daß nicht einmal ein Esquimaur- Asmi=af hinducchfchifs 
fen konnte. Died war eine der Geduldsproben, Die man mit vielen 
anderen ähnlichen zu überwinden hatte. 


Vom 1. bis 6. Auguft wurden jeden Tag ein Officer zum Cap 
Smyth in der Hoffnung geſchickt, beffere Botfchaft zurüdgubringen, aber 
immer blieb die Nachricht diefelbe, daß die Straße noch nicht breit ge: 
nug fei. Die Schönheit der Jahreszeit war, feltfam genug, die Ur: 
fache unferer langen Gefangenfchaft: die Stürme fehlten namlich. Waͤh— 
rend des ganzen Monats Juli hatte nur ein Tag Winde von 
5 bis 6 Grade Kraft, A Tage hatten Winde von A Grad Kraft, und 
die übrigen 26 Tage fogar nur ſchwache Winde von 2 Grad, fo daß 
das fihöne Wetter und weniger günftig war, als ftürmifches geweſen 
fein würde. 

Endlih brachte am 7. Auguft ein frifcher Oftwind einige Hoff- 
nung der Befreiung, und am Cap Smyth fahe ich wirklich, fo weit 
das Auge reichte, eine Waſſergaſſe frei in füdlicher Richtung fortzie: 
hen. Um 8 Uhr Abends verließen wir daher unferen Anferplag, wo 
wir 11 Monat und A Tage, folglich 7 Tage länger, als Capit. Parry 
im Winterhafen auf Melville-Infel zubrachte, in Schuß gelegen hatten. 


Wir rüdten mit dem günftigen Winde, der jedoch nur 8 Stunden 
anhielt, bedeutend vorwärts; dann aber drehte der Wind fich gegen Süd: 





166 C. Ritter: 


weft mit trübem Wetter und ftarfem Regen, weshalb es fchwer wurde, 
jeden Zufammenftoß mit den Eißmaffen in der engen Waflergaffe zu 
meiden. Das trübe Wetter und widrige Winde hinderten am folgen 
den Tage unferen Fortfchritt, und, als ich am Nachmittage feichte 
Waſſer fand, befeftigte ich das Schiff an cine Eisfcholle, die jede 
Stunde und eine Meile weiter gegen Often, aljo unferem beabſichtig⸗ 
ten Courfe entgegen, trieb. Nach einigen Stunden befreite und cin 
leichter Wind von der Eisfcholle und trieb und wieder gegen Südwe—⸗ 
fen. Während der Weſtwinde drängten fich die Eisfchollen abermals 
dichter um uns, fo daß es und in der Nacht bei dem ftärfften Nebel 
fehr jchwer war, unjeren Weg fortzufegen. 

Am 9. Auguft bog fich der äußere Rand der Küfte in die Peard— 
bai ein, die aber bis auf eine Entfernung von 9 Meilen vorwärts noch 
mit Eis belegt war, und zugleich ſchien die außere offene Meercöftelle 
zu ſchmal zu fein, um und eine Baffage zu gewähren, durch welche wir 
in unferer Richtung weiter gegen Süden fortzurüden hoffen konnten 
Bei günftiger werdendem Winde gelang es indeffen, das Schiff, wenn 
ſchon nicht ohne einige unvermeidliche heftige Stöße, in das offene Wafler 
zu treiben. Sch fuchte nun fo nahe, wie möglich, an der Küfte zu bleiben, 
um Böten, die vielleicht ihre Yahrt gegen Point Barrow richten möd- 
ten, da wir das Rendezvous in Cap Lisburne verfehlt Hatten, zu be 
gegnen. Um 2 Uhr Nachmittags, vor den Wallroß ( Seahorfe ) = Infeln, 
wo wir in 3 Faden Tiefe Famen, bemühte ich mich, ein Boot an dad 
Ufer zu fchiden, um eine Landmarke zu errichten, was jedoch bei dem 
heftigen Winde durch das Anfchlagen der Wogen unmöglich wurbe. 

Ich fteuerte aljo direct auf Cap Lisburne zu, und am 10. Aug 
um 11 Uhr Morgend traf ih das Schiff Amphitrite Ihrer Majeftaͤt 
der Königin unter dem Commando des Capitain Freverids, von wel 
chem ich die Ordre der Admiralität erhielt, in Point Barrow zu ble: 
ben. Der Gefunpheitözuftand meiner Mannfchaft würde mich indeſſen 
gehindert haben, dieſer Ordre zu folgen, felbft wenn ich fie vor me: 
nem Aufbruch aus dem Winterhafen erhalten hätte Da nun feine 
Schwierigkeit vorzuliegen ſchien, während der diesjährigen Saifon da 
hin zurüdzufehren, fo beyab ich mich in Gefellfchaft der Amppitrite 
zum Port Blarence, um dort die Ankunft der Rattlefnafe abzuwar 
ten, denjenigen Theil meiner Mannſchaft, der es nöthig hatte, umzu⸗ 





Maguire's Leberwinterung auf der polar. Weftküfte N.» Amerika’s. 167 


wechfeln und neue Vorräthe an Lebensmitteln und Yeuerung für die 
nächte Winter» Campagne einzunehmen. 

Unfere Rüdfehr ſchien um fo nothiwendiger, ald die Lords der 
Admiralitaͤt in ihrer Inftruction den Befehl gegeben hatten, daß Pro⸗ 
vifion in der Nähe von Point Barrow zurüdgelaffen werden folle, was 
von mir jedoch nicht gefchehen war, da ich zur Zeit, ald ich das Gap 
verließ, an eine baldige Rüdfehr dahin denken fonnte. Auch in Bezies 
hung auf Sir E. Belcher's Inftructionen für die Nordkuͤſten fchien es 
wünfcdenswerth, daß der Plover zu der Station, welche diefer Officier 
inne hatte, zurücfehren möchte, weil zu erwarten ftand, daß eine feiner 
Erpeditionen darauf ausgehen würde, am Point Barrow Hülfe zu finden. 


In dem Diefer Depeche angehängten furzen Bericht des Lieut. Vers 
non über feine Erpedition (©. 163) ift nichts Bemerfenswerthes enthalten, 
als etwa die Notiz, daß das Feftland an der Peard Bai durch hohe 
Klippen gebildet wird, und daß fich ein fchmaler Meeresarm in dal 
jelbe mit der Richtung nach Süden Hineinzieht. 

J C. Ritter. 

Seit dem Erſcheinen der Capit. M' Clure'ſchen Depeſchen in der 
Times, woraus Herr C. Ritter in dieſer Zeitſchrift Bd. I, ©. 419 — 475 
einen vollftändigen Bericht mittheilte, find diefelben noch befonders un- 
ter dem Titel: North-west passage. — Cap. M’Clure’s despatches 
from Her Majestys ship Investigator off Point Warren and Cape 
Bathurst zu London erfchienen. Der Beifall, womit die Fleine, 56 ©. 
umfafjende Schrift, aufgenommen wurde, war fo groß, daß bereits bie 
A. Auflage mit bedeutenden Zufägen, wie der Titel befagt, erjchienen 
if. Diefe neuefte Auflage enthält außer den Depefchen noch einen 
Anhang mit den auf dem Inveftigator vom Auguft 1850 bie März 
1853 beobachteten Barometer» und Iihermometerftänden, die Unterſu⸗ 
chungen über die mittlere Stärfe des Windes, einen Bericht, wie die 
Auffindung von M’Elure's Entvedungspartei möglich wurde, und end: 
lich ein Kärtchen der öftlichen arctifchen Meere, natürlih mit dem 
Schauplatze von M' Clure's Entdedungen. 

Gumprecht. 


— — — — — 


168 Neuere Literatur: 


Neuere Literatur. 


Atlas der Rheiniſchen Miffionegejellichaft, überjichtlich und ſpeciell 
die Gebiete darſtellend, auf welchen die Geſellſchaft thätig iſt. Zum Beſten 
der Rheiniſchen Miſſtonsgeſellſchaft. Barmen 1853. 9 BI. Querfol. 


Zu allen Zeiten bat ver Eifer, religiöſe Ueberzeugungen zu verbreiten und 
die eigenen zu Eräftigen, ver Natur» und Erdkunde vie erfprießlichten Dienfte 
geleiftet. Sind fihon die anfpruchdlofen und mageren, aus ven früheren 
Jahrhunderten unferer Zeitrechnung ſtammenden Berichte budhiſtiſcher Pilger, 
die aus dem Diten des ajlatifchen Continents nach ver urfprünglichen Hei⸗ 
math ihres Glaubens in Indien zogen, wichtig genug, daß ſie noch heute. wo 
die Wiffenfchaft fich zu einer fo außerorventlichen Höhe emporgeichwungen 
hat, manche Ergänzungen unjerer fpärlichen Kenntnig Inner-Aſiens und ver 
Himalayaländer gereähren, fo lieferten demnächſt die umfaffenten, feit ven Be» 
ginn des Mittelalters bis in bie neuefle Zeit fortvauernden Berichte einzelner 
riftlicher und muhamedaniſcher religiöfer Reiſenden eine ſolche Fülle intereſ⸗ 
ſanter und wichtiger Thatſachen für die Erdkunde, daß das Studium dieſer 
Mittheilungen von Niemand vernachläſſigt werden darf, der ſich eine gründ⸗ 
lichere Kenntniß ver Verhältniſſe unſerer Erdoberfläche zu erwerben beſtrebt. 
In der erfreulichſten Weiſe haben uns endlich noch im Laufe dieſes Jahrhun⸗ 
derts die chriſtlichen Miſſionsgeſellſchaften ECuropa's und Nord-Amerika'e, 
nach dem Beiſpiele der älteren Jeſuiten, immer mehr den Nutzen würdigen gelehrt, 
den ſie durch die Verbreitung ihrer Sendlinge über einen großen Theil der 
Erde den Wiſſenſchaften zu leiſten im Stande ſind, indem dieſelben es nicht 
verkennen, daß ernſte, religiöfe Beſtrebungen niemals den Zwecken ver Wiſſen⸗ 
ſchaft fremd ſtehen, ſondern daß beide in der Vereinigung ihr Ziel um ſo 
ſicherer zu erreichen vermögen. Die aus einer ſolchen Einſicht hervorgehenden 
Refultate, welche man jegt auch durch eine grümtlichere geiflige Ausbildung 
der Mifjionare, als fonft Sitte war, zu beförtern ftrebt, geben fich bereits 
in zahlreichen größeren naturwiffenjchaftlichen, Linguiftiichen, geographiſchen 
und hiftorifchen Arbeiten, wovon wir nur die höoͤchſt fchägbaren von Ellis, 
Moffat, Freeman, Krapf, Wilfon, Ifenberg, Koelle, Tafalis, Arbouffet, Dau⸗ 
mad, Huc, Gabet, Barges, Knoblecher und Hyacinth von vielen zu nennen 
Daben, und in ven zahllofen Fleineren, ven verfchievenen Miffionsjournalen 
einverleibten Beiträgen fund. In ven Iehten Jahren haben die Vorſteher 
einiger evangelifchen Miſſionsgeſellſchaften ihren Zeitfchriften einen neum 
Werth dadurch zu verleiben gefucht, daß fie ihnen inftructive Karten unt 
bilpliche Darftelungen beilegten. Mit einem ſolch rühmlichen Beiſpiel ging 
namentlich die parifer evangelifche Miffionsgejellichaft in ihrer feit 28 Jahren 
ununterbrochen fortgefegten Zeitfchrift (Journal des Missions evangeliques), 
die überhaupt einen unentbehrlichen Schag von Beobachtungen zur Kenntnik 
einiger Theile Süd» Afrifa’8 enthält, voran, indem viefelbe wiederholt Eleine 
Karten des Gebiets ihrer Stationen, namentlich Karten des Baſſuto⸗ und Kora- 








Atlas der Rheiniſchen Miſſionsgeſellſchaft. 169 


(Koranda) landes lieferte, und indem fie im Jahre 1853 eine feit Tanger 
Zeit, namentlich aber 1847 vorbereitete und nur durch die politifchen Er— 
eigniffe in ver Herausgabe verzögerte große Karte des Baſſuto Berichuanen- 
landes, Die erfte ihrer Art (Carte du Pays des Bassoutos et des pays envi- 
ronnants par H. M. Dyke, Missionaire, dressee d’apr&s ses propres 
observations et celles de plusieurs voyageurs. Paris 1847), veröffent- 
lichte. Dem fo gegebenen Beifyiel folgte in England feit 1850 die Church 
Missionary Society in ihrer neuen, biö zu 4 Bänden herangewachſenen Zeits 
fehrift Missionary Intelligencer. Diefe erhielt nicht allein durch Krapf's 
und Mebmann’d befannte Berichte über das füpöftliche Afrika einen Höchft 
bedeutenden Werth für den Geographen, fondern erwarb fich auch durch ihre 
zahlreichen bildlichen und fartographifchen Darftelungen aus Aften und Afrifa 
ein noch auögevehnteres Vervienft. In Deutfchland legt die rheinifche Miſ⸗ 
ſionsgeſellſchaft in Folge des Eiferd des gegenwärtigen, überaus thätigen In- 
ſpectors ihres Milftonshaufes zu Barmen, Prediger Wallmann, gleiche Bes 
firebungen an ven Tag, da vorzüglich die auf der Weitfeite Süd⸗Afrika's 
flationirten Sendlinge derſelben fich, wie die Zeitfchrift der Gefellfchaft feit 
einigen Jahren rühmlichft erweift, angelegentlichft beftreben, vie Natur ihres 
Gebietes und deſſen Bewohner zu flubiren, und da die Gefellichaft jegt auch 
durch Die Herausgabe des im Eingange diefer Notiz erwähnten Atlas eine 
grümdlichere Kunde der Ränter, worin ihre Abgefandten thätig find, zu vers 
breiten jucht. Der Wirfungsfreis des Atlas wird fich aber nicht darauf bes 
fchränfen, indem fein Inhalt der Art ift, vaß er auch den Wiflenfchaften zu gut 
fommt und manche Fartographifche Lücke ausfült, weshalb wir ed den Zwecken 
unferer Zeitjchrift für angemeſſen halten, bier davon Kenntnig zu geben. 
Der Atlas enthält 9 Blätter, nämlich: I. die Weltkarte, IL. Süb-Afrifa, 
II. die weſtliche Provinz des Caplandes, IV. die norbmweftlichen Hottentotens 
flämme, V. die fürlichen Bunvaftämme, VI. Borneo, VOL Süd - Oft» Bors 
neo, VII. das eigentliche China, IX. den Sanon-Kreis ver chinefifchen Bros 
vinz Kuangtung, und dient, wie erwähnt, zunächft dazu, ven zahlreichen Le⸗ 
fern des rheinischen Mifilonsblatted um einen billigen Preis eine Ueberficht ver 
verfchienenen Gebiete der Erde, wohin die Gefelfchaft ihre Aufmerkſamkeit ges 
richtet Hat, in die Hand zu geben. Die Auöftattung ift, diefem Zwecke gemäß, 
ohne allen Fünftlerijchen Luxus, doch kann die Zeichnung ver Blätter als flar 
und anfchanlich geruhmt werden. Bon neuerem wiflenjchaftlichen Intereffe 
find bejonderd die Nummern II, II, IV und V; doch enthalten auch vie 
übrigen Manches, was ihnen einen eigenthbümlichen und dauernden Werth giebt. 
Das erfte Blatt zeigt in ven außereuropäifchen Ländern mit Hilfe von 
51 Zahlen die Gegenden an, mo eben fo viel chriftliche Neligionsgemeinfchaften 
und Mifjionsgefellfchaften wirfen. Wir bemerfen indefjen bier einige leicht aus« 
zufüllende Lücken und auch einige Fehler. In ver englifchen hinterind jchen Pro- 
vinz Martaban (Monatöber. ver berl. geogr. Gefelfh. 1851. VIII, 51 — 
62), in Unter-Siam, Algerien, Tripolis, Tunis, Kairo, Alerandria und an 


170 Neuere Literatur: 


mehreren PBunften Ober- Negyptens, endlich in Syrien bei ven katholiſchen 
Maroniten und in Paläftina find vie Fatholifchen Millionen vergeffen wor: 
den, ebenjo fehlen die zahlreichen amerifanifchen, im Missionary Herald ſtets 
ausführlich berüdjichtigten Stationen in Klein Aften, unter anderen die von Er⸗ 
zerum, Djarbefir, Moful, befonders aber die am Wanfee bei ven Neftorianern; 
nicht minder vermiffen wir die Anabaptiften» Miffionen in Martaban bei ven 
Kariand, envlich auch Krapf und Rebmann's Stationen von Rabba Mpia bei 
Monıbad. In Angola dürfte es Feine Eatholifchen Miſſionare mehr geben, 
wenn auch bier noch Eatholifche Weltgeiftlicde vorhanden fein mögen; vie 
früher in Angola thätigen italienischen Mifjiondflationen fcheinen nämlich völ- 
lig aufgegeben zu fein. In Geylon, wo gar feine Zahl fleht, fanden ſich 
doch im Sabre 1849 (Church Miss. Int. 1850. I, 68) in den nörhlichen 
und öftlichen Diftricten 25, in den jüblihen und weſtlichen Diftricten jogar 
30, in Inneren 3, aljo im Ganzen 58 Wifftonen mit 510 einheimifchen Ges 
bilfen, vie ald Schullehrer, Catechiſtrende u. |. w. functioniren. 

Das zweite Blatt zeigt die in Sud⸗Afrika vorzugsweiſe überaus zahl- 
reichen Mifftonsftationen, indem bier 13 verfchievene Geſellſchaften, nämlich 
mehrere englifche, fchottifche und deutſche (unter ven lebten vie berliner», 
rheinifche= und die Brübergefellichaft), nebft einer normwegifchen und franzöf- 
fhen an ver Belehrung und Givilifation der Urbewohner arbeiten. Da vie 
Karte bid zum 15. Grade ſüdl. Br. reicht, jo hätte D. Cooley's neuefle Karte 
des centralen Afrika, London 1853, mit Nupen gebraucht werben koͤnnen. 
So fehlt 3. B. der wichtige, durch Oswald und Livingftone im Jahre 1851 
erreichte Seſhekefluß. Den Namen Abutua aufzunehmen halte ich nicht für 
zwedmäßig, obmohl denfelben auch Gooley nicht verichmäht Bat, indem bie 
fer feit de Barrod und dos Sanctod Zeiten in den Beographieen und Karten 
von Süd-Afrifa unvertilgbare Name wahrfcheinlich nur migverftänplich, als 
der eines eigenen Reiches fich eingefchlichen bat, da er, wie es fcheint, ein Wort 
von allgemeinerer Bedeutung ift und foviel, ald Menfchen, anzeigt. Es vürfte 
nämlich Batua nad) ven Befehen ver Präfirlehre in dem großen fürafrifanifchen 
Spradftamme einzig der Plural des Singulard Motu, d. 5. der Menſch, 
fein. So fagt der franzöflfche Miſſionar Cafalid (Journal des Miss. evan 
geliques, X, 35), daß Motu bei den Baffutobetfchuanen Menfch heit und 
auch ſchon bei Kichtenftein (Reifen II, 620) finden wir angegeben, daß ba 
einem anderen Betfchuanenflamm, dem ver Batlapi, Baatd Menſchen, 
Leute) bedeutet. — Banketze, als Name eines Volkes noͤrdlich von Lithalo, 
iſt wohl nur ein Schreibfehler für Bauaketzi, dem durch Campbell und Moffat 
befannten Namen eined Betfchuanenftammes. Unter den einbeimifchen Stäm- 
men finde ich die wichtigen Zulahs in Natal nebft dem Reich des Zulahkö- 
nigs Panda, nördlich von Natal, und die Amaſuatzi an der Lagoabai feh⸗ 

) Der bekannie ältere hollaͤudiſche Miſſionar van der Kemp ſagte deshalb ſchon. 


daß in der Amakoſa-Kafferſprache Batoa oder Abbatva Valdbew 
heiße (Missionary Transactions. I, 452 ) ohner Cbuchman) 








Atlas der Rheiniſchen Mifftonsgejellfchaft. 171 


Ind. Das Etabliffenient Caconda im Inneren Benguela’3 ift nach neueren 
portugiefifchen Berichten nicht ruinirt, wie die Karte angiebt, ſondern befteht 
fortwährene. Ein wirkliches Fort ift freilich nicht mehr vorhanden. 

Das dritte Blatt zeichnet fich durch die Angabe zahlreicher neuer Orte, 
beſonders aber von Bauernpläßen, in weitlichen Theil ver Cap⸗Colonie aus. 
So fomnıen Hier fchon die neuen, rejp. in ven Cornetien Hantam und Niens 
weveld gelegenen Orte Galvinia (Zeitfchrift I, 303) und Victoria, vie bis⸗ 
ber noch feine Karte zeigte, vor, ſowie hier auch zum erſten Male vie neuen 
Diviftonen Cap, Malmesbury und Paarl, fowie die nördlichen Fortſetzungen 
der Diviſionen Clanwilliam und Beaufort bis zum Garip erfcheinen. 

Das vierte Blatt ift wieder ein fehr lehrreiches, da auf ihm ein Landſtrich 
Dargeftellt ift, der auf allen unferen früheren Karten bis zu der des Gapit. 
Alerander völlig weiß war. Es giebt nicht allein von einer Menge von Lo⸗ 
calitäten die Namen an, die auf Zuverläjjigkeit Unfprüche machen können, da 
die rheinischen Mifjtonare feit einer langen Reihe von Jahren im Lande ver 
Groß Nama (Namaqua) wohnen und ed in allen Richtungen durchzogen 
haben, fondern auch eine Barftelung des Terraind. Aus den rheinifchen Miſ⸗ 
flonsfchriften und Capit. Alexander's befanntem Heifewerf (An Expedition 
of discovery into the interior of Africa trough the hitherto undescribed 
countries of the Great Namaquas, Boschmans and Hill Damaras. 2 Vol. 
8. London 1838) wiffen wir nämlich, daß das Land der Groß Nama (Na⸗ 
maqua) von Süden nad) Norden durch vie hohe Gebirgskette des Unuma, 
welche fich im Süpden an die Berge des fogenannten Fleinen Namalandes 
anfchließt (Gumprecht Geographie von Afrifa S. 165, 166), durchzogen 
wird, und diefe fehen wir nun bier nievergelegt. Ebenſo ift die politifche 
Eintheilung des Landes zwifchen dem Kuifip und dem Garip nach ven 14 
Territorien der verfchiedenen Groß Namaftänıme neu und Iehrreich. Am ges 
naueften ausgeführt erfcheint ver Strich im Norden längs dem Kuifip, wo 
die rheinifchen Mifflonare durch ihre Stationen Rehoboth (Annie), Schepps 
manndborf, Otjimbingue, Otjifango (Barmen) und Ofafantja allerdings am 
Beten bekannt find, fo daß und hier überhaupt eine höchft werthvolle Berei⸗ 
cherung unferer Kunde des Gontinentd zu Theil wird. Wir hoffen in Folge 
der neueren Unterfuchungen des Seren Hugo Hahn, Miſſionars der rheinie 
fchen Miffionsgefelfchaft, im Often des vargeftellten Terraind im Stande zu 
fein, unferen Leſern gründlichere Berichte über dad Namaland zu liefern. 

Das fünfte Blatt beruht theild auf den Grfahrungen ver rheini= 
ſchen Mifftonare, namentlich des ebengenannten Herrn Hahn, der zuerft tie 
fer in dad Ovahereroland einprang und es eigentlich für vie Erkunde ent- 
deckte, theild aber auch auf den neuen Beobachtungen und Aufnahmen Gals 
ton’, welcher, mit Inftrumenten wohl verfehen, in feiner, durch U. Petermann 
ausgeführten Karte ein ungemein werthvolles Bild des großen Lantftrich® zwi⸗ 
fchen den Kuifip und dem großen Kuneneftrom der Portugiefen, den dieſe 
faum in feinem unteren Lauf (Annales maritimos 1845. 197, 198, 210) 


162 C. Ritter: 


Ich begleitete die eine der abreifenden Parteien auf eine furze 
Strede, um von ihrer Methode des Wandernd etwas abzulernen, was 
auch und beim Transport unferer Böte nüglich werden fönnte Die 
U=misafs brachten fie auf Feine Echlitten, die jich leicht pur 3 Män- 
ner ziehen ließen. Der Haupttheil ihrer Waare, Wallfiſchſpeck und 
Seehundsthran, wurde auf Fleinen, für den Handel beftimmten Schlit- 
ten von den Frauen und den Hunden gezogen; die Männer bejorg- 
ten nur den Transport der Böte, aber bei Wafjerftellen und anderen 
befcehwerlichen Paſſagen halfen fie fich gegenfeitig hinüber. Sie famen 
ziemlich fchnel vom led, nur machten fie oft Halt, um zu rauchen, 
und, ehe ich fie verließ, hielten fie, obgleich fie ihrer Lagerftelle ſchon 
ganz nahe waren, noch eine tüchtige Mahlzeit. 

Zwifchen dem A. bi8 7. Juli famen 27 bis 30 Usmisafs mit 
150 PVerfonen gegen Often an uns vorüber, was und nun wegen un- 
ferer eigenen Ausfendung von Boten von den bisherigen Sorgen 
befreite. 

Am 7. begaben wir und quer über die Bai, um uns über den 
Zuftand des Eifes zu unterrichten. Wir gingen 2 Meilen weftwärts 
gegen die tiefe See zu, ohne aber in diefer Richtung von dem hödh- 
ſten Eishügel die geringfte Spur eined freim Meeres zu erbliden. 
Dies brachte mich auf den Gedanken, die Böte über die Eißmaflen ge: 
gen Süden fo weit zu fchaffen, bis wir ein freied Wafler finden 
würden. 

Am 9. Juli verließ ich das Schiff mit dem Heinen Schnellboot, 
dem Gig, und dem Walfifchboot, um nad) Gap Lisburne zu kommen 
(gegen Suͤdweſt). Wir legten beide auf zwei ftarfe Schlitten, die von 
unferen eigenen Leuten und zwei Officieren, Lieut. Bernon und Mr. 
Gordon, dem Mate, fortgefchafft wurden, mit Beiftand von 10 anderen 
Gehülfen, unter denen ich mich felbft befand, und dem Zimmermann, 
jo daß wir zufammen 20 Mann ftarf waren. Der PBroviant für bie 
Matrojen auf 34 Tage, Kleidung und Ammunition wurden auf zwei 
Schlitten der Eingeborenen von Hunden gezogen; ein dritter Schlitten 
führte Lebensmittel für die anderen Begleiter. Einige Streden des Zus 
ges über das Eis waren fehr fchwierig und das Ganze nicht minder müß- 
fam, da die ganze Kraft der Mannfchaft dazu erfordert wurde. Oft muß- 
ten die Eingeborenen dabei nachhelfen, doch erleichterten günftige Binde, 








Maguire's Leberwinterung auf d. polar. NW. Küfte N.⸗Amerika's. 163 


für die wir Segel auf den Schlitten ausfpannten, unfere Arbeit. So 
rüdten wir 3 Tage lang gegen Süden vor, ald wir in einer Entfer: 
nung von 2 Meilen das offene Meer erblidten. Ich ging mit Lieus 
tenant Vernon darauf zu, indeſſen fchienen und die dazwifchen liegen» 
den Eishügel die Annäherung faft unmöglich zu machen. Endlich ges 
lang es und am folgenden Morgen, den 12. Juli, bei günftigem Wet⸗ 
ter alle Schwierigfeiten zu überwinden und die Bote Nachmittags auf 
das Waffer zu bringen, fo daß fie fogleich mit gutem Winde, der aber 
bald aufhörte, 8 Stunden weit forttrieben. 

Ich fehrte zu meinem Schiffe zurüf und war am 15. Juli mit 
der Berechnung bejchäftigt, wie weit die Expedition wohl vorgerüdt 
fein möchte, al8 wir um 8 Uhr Abends eine Anzahl Menfchen, einen 
U⸗mi-ak ziehend, von der Höhe herabfommen fahen. Indem wir einige 
unferer Leute zu unferem größten Erftaunen darunter erfannten, eilte 
ich ihnen in größter Beftürzung entgegen, indeſſen berufigte mich die Zah: 
lung der ganzen, gleich ftarf gebliebenen Mannfchaft in etwas. In 
der Naht vom 12. auf den 13. fah fih nämlich diefe Mannfchaft vom 
Eije umringt und zog ihre Bote auf eine Eisftrede, welche fie für 
ficher hielt, obwohl diefelbe in die entgegengefeßte Richtung gegen Nor- 
den trieb. Die Eismaffen drängten nun inımer mehr gegen das Land 
hin, zerfchellten die Eisftredfe, worauf unfere Leute fich befanden, und 
thürmten fie 20 Buß hoch empor. Endlich rüdte auch die Eismafje unter 
ihnen fort. Das kleine Boot ward mit Eismaffen fogar fo befchwert, 
daß es fih nicht wieder an das Rand ziehen ließ, und endlich fand 
fi) das noch Leichter gebaute Wallfifchboot zufammengebrüdt, fo daß 
es nicht fortgefchafft werden fonnte Die ganze Mannfchaft mußte 
demnach auf ihre Rettung nad) dem Ufer bedacht fein, che die Eis: 
ſcholle abriß, und die Mannfchaft auf einzelnen Schollen umherirrend 
zurücblieb. Gluͤcklicher Weife entwidelte ſich dies Alles in einer zwar 
überwältigenden, jedoch fo allmäligen Weife, daß vie Gefellfchaft hin⸗ 
länglich Zeit gewann, fi) mit Broviant auf 3 Tage und ihren Waf- 
fen und Ammunition zu verfehen, und daß fie das Schiff wieder 
zu erreichen im Stande war. Das meinem Berichte beigelegte Jour⸗ 
nal des Lieut. Vernon wird den Lords der Admiralität zeigen, wie bie: 
jer Officier und fein Begleiter Gordon fih in der Noth benahmen, fo 
wie ich auch auf das muthige Benehmen der Matrojen hinweiſe, von denen 

11 * 


164 ®. Ritter: 


fein einziger Willens war, die Boote auf eine feige Weife zu verlaſ⸗ 
fen, ehe nicht der Entichluß des Anführers die Pflicht gebot, zu ret= 
ten, was filh ald möglich ergab. Sie zeigten vom Anfang diefer ge: 
fahrvollen Erpedition bis zur Rüdfehr zum Schiffe Gchorjam, fühnen 
Muth und Beiftesgegenwart in der Gefahr. 

Allerdings ift der Verluft der Böte ein nicht geringer, aber die 
Rettung der ganzen Mannjchaft läßt und jenen Verluſt doch nur ge- 
ring achten. 

Zwar wollte ich zwei Tage nach der Rüdfehr diefer Partei nody 
ein Mal den Verſuch einer Erpedition in einem U-mi=af wagen; aber 
der Gedanfe, daß die Zeit Doch zu kurz dazu fein möchte, das Rendez⸗ 
vous am Cap Lisburne in der beftinmten Zeit zu erreichen, und da 
das Schiff erſt die Rüdfehr diefer Erpedition abwarten müßte, der 
Aufſchub alfo uns felbft verhindern fonnte, noch die Winterftation zu 
erreichen, wenn die Ordre dazu und zufommen follte, alles dies lie 
mich die Idee aufgeben. 

Sch hielt ed für befier, unfere Kräfte nicht zu theilen, da die 
Anftrengung der gefammten Mannjchaft zur Befreiung des Schif- 
fe8 aus dem Eife und zur Ergreifung der erften Gelegenheit, für- 
wärts zu gehen, und die Gefundheit der Schiffsmannfchaft wieder zu 
ftärfen, nöthig war. 

Schon am 25. Juli wurde ed möglich, in der Umgebung des 
Schiffes das Eis zu lodern, und da dieſes in einer beveutenden 
Strede ſchon in Bewegung war, fo drängten wir und auf den beften 
Weg, um mit dem erſten Aufbruch in die offene, tiefe See zu ge: 
langen. 

Einige der Esquimaur brachten und die Nachricht, daß man um: 
fere verlafienen Bote nahe den Ufern der Wallroß⸗Inſeln habe treis 
ben fehen, und daß eine Heine Partei fich ihres Inhalte bemächtigt, 
auch das Heine Boot auf das Rand gebracht habe. Als wir zum Meere 
lings dem Ufer hinabgingen, brachten uns einige Esquimaur chen 
das Gerippe des Booted entgegen und taufchten es bereitwillig gegen ein 
U-misaf um, dad wir und indeß angefchafft hatten, und das fie gern 
dafür annahmen. Wir fchmeichelten und diesmal, daß der Eisauf 
bruch 14 Tage früher, ald im vorigen Jahre, Rattfinden würde, weil 











Maguire'8 Leberwinterung auf d. polar. NW.⸗Küſte N.⸗Amerika's. 165 


wir dieſes aus der geringen Dide des Eifes fehließen zu fönnen glaub- 
ten. Indem jedoch die heftigen Winde ausblieben, verharrte das 
Eis länger in feinem Zuftande, und erft gegen Ende Juli begannen 
wir, in demfelben eine Veränderung zu fpüren. Am 30. Juli rüdten 
endlich einige Eishaufen etwas weiter nordwärts nach der tiefen offe- 
nen Seefeite zu, und Mr. Hal, der zweite Kommandeur, den ich nach 
der Meeresfeite zur Erforfchung des Zuftandes des Eiſes abgefendet 
hatte, fand fogar eine Waflerftraße darin vor. 


Ich begab mich alfo am nächften Tage auf ein Boot, die Aus- 
dehnung der Meeresgafle zu ermitteln und die Tiefe zu fondiren, in 
wiefern fih unfer Schiff darin fortbewegen Fönnte. Alle Umftände 
jhienen vortheilhaft; ich hoffte am Abende zurüczufehren und in Be- 
wegung zu fommen, als ich bei der Annäherung an das Cap Smyth 
zu meinem Verdruß bemerkte, daß fich die Waſſergaſſe dicht am Ufer 
fo verengte, daß nicht einmal ein Esquimaur-Usmisaf hindurchſchif— 
fen fonnte. Died war eine der Gebuldsproben, die man mit vielen 
anderen ähnlichen zu überwinden hatte. 

Bom 1. bis 6. Auguft wurden jeden Tag ein Officier zum Cap 
Smyth in der Hoffnung geſchickt, beffere Botfchaft zurüdzubringen, aber 
immer blieb die Nachricht diejelbe, Daß die Straße noch nicht breit ge: 
nug fei. Die Schönheit der Jahreszeit war, feltfam genug, die Ur: 
fache unferer langen Gefangenfchaft: die Stürme fehlten naͤmlich. Wäh— 
rend des ganzen Monats Juli hatte nur ein Tag Winde von 
5 bis 6 Grade Kraft, A Tage hatten Winde von A Grad Kraft, und 
die übrigen 26 Tage fogar nur fehwache Winde von 2 Grad, fo daß 
das fihöne Wetter und weniger günftig war, als fürmifches geweſen 
fein würde. 

Endlich brachte am 7. Auguft ein frifcher Oftwind einige Hoff: 
nung der Befreiung, und am Cap Smyth fahe ich wirklich, fo weit 
das Auge reichte, eine Waſſergaſſe frei in füblicher Richtung fortzie: 
hen. Um 8 Uhr Abends verließen wir daher unferen Anferplag, wo 
wir 11 Monat und A Tage, folglih 7 Tage länger, ald Capit. Barry 
im Winterhafen auf Melville- Infel zubrachte, in Schuß gelegen hatten. 


Wir rüdten mit dem günftigen Winde, der jedoch nur 8 Stunden 
anhielt, bedeutend vorwärts; dann aber drehte der Wind fich gegen Süd⸗ 


166 C. Hitter: 


weit mit trübem Wetter und ftarfem Regen, weshalb es ſchwer wurde, 
jeden Zufammenftoß mit den Eismaſſen in der engen Waflergaffe zu 
meiden. Das trübe Wetter und widrige Winde hinderten am folgen: 
den Tage unferen Fortſchritt, und, als ich am Nachmittage feichte 
Waſſer fand, befeftigte ich das Schiff an eine Eisfcholle, die jete 
Stunde und eine Meile weiter gegen Often, aljo unferem beubfichtigs 
ten Courſe entgegen, trieb. Nach einigen Stunden befreite un ein 
leichter Wind von der Eisfcholle und trieb und wieder gegen Suͤdwe⸗ 
fen. Während der Weſtwinde drängten ſich die Eisfchollen abermals 
dichter um uns, fo daß es und in der Nacht bei dem ftärfften Nebel 
fehr ſchwer war, unferen Weg fortzufeßen. 

Am 9. Auguft bog ſich der außere Rand der Küfte in die Peurd- 
bai ein, die aber bis auf eine Entfernung von 9 Meilen vorwärts noch 
mit Eis belegt war, und zugleich ſchien die äußere offene Meeresſtelle 
zu fchmal zu fein, um und eine Baffage zu gewähren, durch welche wir 
in unferer Richtung weiter gegen Süben fortzurüden hoffen fonnten. 
Bei günftiger werdendem Winde gelang es indeflen, das Schiff, wenn 
fchon nicht ohne einige unvermeibliche heftige Stöße, in das offene Waſſer 
zu treiben. Ich fuchte nun fo nahe, wie möglich, an der Küfte zu bleiben, 
um Böten, die vielleicht ihre Fahrt gegen Point Barrow richten moöch— 
ten, da wir das Rendezvous in Cap Lisburne verfehlt Hatten, zu be 
gegnen. Um 2 Uhr Nachmittags, vor den Wallroß ( Seahorje)-Infeln, 
wo wir in 3 Faden Tiefe famen, bemühte ich mich, ein Boot an dad 
Ufer zu ſchicken, um eine Landmarfe zu errichten, was jedoch bei dem 
heftigen Winde durch das Anfchlagen der Wogen unmöglich wurde. 

Ich fteuerte aljo direct auf Gap LKisburne zu, und am 10. Aug 
um 11 Uhr Morgens traf ich das Schiff Amphitrite Ihrer Majeflät 
der Königin unter dem Commando des Gapitain Fredericks, von wel 
chem ich die Ordre der Armiralität erhielt, in Point Barrow zu bes 
ben. Der Gefundheitszuftand meiner Mannfchaft würde mich indeflen 
gehindert haben, dieſer Ordre zu folgen, ſelbſt wenn ich fie vor mei; 
nem Aufbruh aus dem Winterhafen erhalten hätte. Da nun feine 
Schwierigfeit vorzuliegen ſchien, während der diesjährigen Saiſon da— 
hin zurüdzufehren, fo begab ich mich in Gefellfhaft der Amppitrite 
zum Port Clarence, um dort die Ankunft der Rattlefnafe abzumar 
ten, denjenigen Theil meiner Mannfchaft, der es nöthig hatte, umzu⸗ 


Maguire's Lieberwinterung auf der polar. Weſtküſte N⸗Amerika's. 167 


wechfeln und neue Borräthe an Lebensmitteln und Feuerung für bie 
nächte Winter: Kampagne einzunehmen. 

Unfere Rüdfehr ſchien um fo nothiwendiger, al8 die Lords ber 
Admiralität in ihrer Inftruction den Befehl gegeben hatten, daß Pro— 
vifion in der Nähe von Point Barrow zurüdgelafien werden folle, was 
von mir jedoch nicht gefchehen war, da ich zur Zeit, al8 ich das Cap 
verließ, an eine baldige Rüdfehr dahin denken fonnte. Auch in Bezie⸗ 
Hung auf Sir E. Belcher's Inftructionen für die NRorbfüften ſchien es 
wiünjchenswerth, daß der Plover zu der Station, welche diefer Officier 
inne hatte, zuruͤckkehren möchte, weil zu erwarten ftand, daß eine feiner 
Expeditionen Darauf ausgehen würde, am Point Barrow Hülfe zu finden. 


In dem diefer Depefche angehängten kurzen Bericht des Lieut. Ver: 
non über feine Erpedition (©. 163) ift nichts Bemerfenswerthes enthalten, 
als etwa die Notiz, daß das Feſtland an der Peard Bai durch hohe 
Klippen gebildet wird, und daß fich ein fchmaler Meeresarm in dafs 
jelbe mit der Richtung nach Süden hineinzieht. 

G. Nitter. 


Seit dem Erfcheinen der Capit. M' Clure'ſchen Depefchen in der 
Times, woraus Herr E. Ritter in diefer Zeitfehrift Bd. I, S. 419 — 475 
einen vollftändigen Bericht mittheilte, find vdiefelben noch befonders uns 
ter dem Titel: North- west passage. — Cap. M’Clure’s despatches 
from Her Majestys ship Investigator off Point Warren and Cape 
Bathurst zu London erfchienen. Der Beifall, womit die Heine, 56 ©. 
umfaffende Schrift, aufgenommen wurde, war fo groß, daß bereits die 
A. Auflage mit bedeutenden Zufägen, wie der Titel befagt, erjchienen 
if. Diefe neuefte Auflage enthalt außer den Depefchen noch einen 
Anhang mit den auf dein Inveftigator vom Auguft 1850 bie März 
1853 beobachteten Barometer- und Thermometerftänden, die Unterfus 
chungen über die mittlere Stärfe des Windes, einen Bericht, wie die 
Auffindung von M’Elure's Entvedungspartei möglich wurde, und end: 
lich ein Kärtchen der öftlichen arctifchen Meere, natürlih mit dem 
Schauplatze von M'Clure's Entdeckungen. 

Gumprecht. 


— — — 


168 Neuere Literatur: 


Neuere Literatır. 


Arlasder Rheiniſchen Miſſionsgeſellſchaft, überjichtlich und ſpeciell 
die Gebiete darftellend, auf welchen vie Gefellfchaft thätig ift. Zum Beſten 
der Rheiniſchen Mifftondgefelfchaft. Barmen 1853. 9 Bl. Duerfol. 


Zu allen Zeiten hat der Eifer, religiöfe Ueberzeugungen zu verbreiten und 
die eigenen zu Eräftigen, der Natur» und Erdkunde die erfprießlichften Dienfte 
geleifte. Sind ſchon die anfpruchälofen und mageren, aus ven früheren 
Jahrhunderten unferer Zeitrechnung flammenven Berichte buphiftifcher ‘Pilger, 
die aud dem Oſten des ajlatifchen Continent® nach ver urfprünglichen Hei—⸗ 
math ihres Glaubens in Indien zogen, wichtig genug, daß fie noch heute. wo 
die Wiffenfchaft ſich zu einer fo außerorventlichen Höhe emiporgefchwungen 
hat, manche Ergänzungen unferer fpärlichen Kenntnig Inner» Afiens und ver 
Himalayaländer gewähren, fo lieferten demnächſt die umfaffenden, feit ven Be⸗ 
ginn des Mittelalters bis in die neueſte Zeit fortvauernden Berichte einzelner 
KHriftlicher und muhameranifcher religiöfer Neifenden eine ſolche Fülle intereſ⸗ 
fanter und wichtiger Tihatfachen für tie Erdkunde, daß das Studium dieſer 
Mittheilungen von Niemand vernachläffigt werden darf, der fich eine gründ⸗ 
lichere Kenntniß Der Verbältniffe unferer Grooberfläche zu ermerben beftrebt. 
In der erfreulichiten Weife Haben uns envlich noch im Laufe dieſes Jahrhun⸗ 
derts die chriftlichen Miſſionsgeſellſchaften Curopa's und Nord» Aınerifa’g, 
nach dent Beifpiele ver älteren Jefuiten, immer mehr ven Nußen würdigen gelehrt, 
den fie durch die Verbreitung ihrer Sendlinge über einen großen Theil ver 
Erde den Wiffenfchaften zu leiften im Stante find, indem tiefelben es nicht 
verfennen, daß ernfte, religiöfe Beitrebungen nientald ven Zwecken der Wiſſen— 
Ichaft fremd ftchen, ſondern daß beive in ver Vereinigung ihr Ziel um fo 
ficherer zu erreichen vermögen. Die aus einer folchen Einficht hervorgehenden 
Refultate, welche man jegt auch durch eine grünblichere geiftige Ausbiltung 
der Mifjtonare, als jonft Sitte war, zu befördern ftrebt, geben fich bereits 
in zahlreichen größeren natunwiffenjchaftlichen, linguiſtiſchen, geographiſchen 
und hiſtoriſchen Arbeiten, wovon wir nur die böhit fchäßbaren von Ellis, 
Moffat, Sreeman, Krapf, Wiljon, Ifenberg, Koelle, Caſalis, Arbonffet, Dau⸗ 
mad, Huc, Gabet, Barged, Knoblecher und Hyacinth von vielen zu nennen 
haben, und in ten zahllofen Fleineren, ven verfchievenen Miſſions journalen 
einverleibten Beiträgen fund, In ven letzten Jahren haben vie Vorſteher 
einiger evangelifchen Miſſionsgeſellſchaften ihren Zeitfchriften einen neuem 
Werth dadurch zu verleiben gefucht, daß fie ihnen inftructive Karten und 
bilvliche Darftelungen beilegten. Mit einem folch rühnlichen Beiſpiel ging 
namentlich die parifer evangelijche Miffiondgejellichaft in ihrer feit 28 Jahren 
ununterbrochen fortgejetten Zeitfchrift (Journal des Missions evangeliques), 
die überhaupt einen unentbehrlichen Schag von Beobachtungen zur Kenntnig 
einiger Theile Süd» Afrifa’8 enthält, voran, indem dieſelbe wiederholt Kleine 
Karten ded Gebietd ihrer Stationen, namentlich Karten des Baſſuto⸗ und Kora- 














Atlas der Mheinifchen Miffionsgejellichaft. 169 


(Koranda) landes lieferte, und indem fie im Jahre 1853 eine jeit Tanger 
Zeit, namentlic aber 1847 vorbereitete und nur durch die politifchen Er⸗ 
eigniffe in der Herausgabe verzögerte große Karte des Baſſuto Betichuanen- 
landes, die erfte ihrer Art (Carte du Pays des Bassoutos et des pays envi- 
ronnants par H. M. Dyke, Missionaire, dressee d’apres ses propres 
observations et celles de plusieurs voyageurs. Paris 1847), veröffent- 
lichte. Dem fo gegebenen Beiſpiel folgte in England feit 1850 die Church 
Missionary Society in ihrer neuen, bis zu 4 Bänden herangewachſenen Zeit⸗ 
fehrift Missionary Intelligencer. Dieje erhielt nicht allein durch Krapf's 
und Rebmann's befannte Berichte über das ſüdöſtliche Afrika einen Höchft 
bedeutenden Werth für ven Geographen, fondern erwarb fich auch durch ihre 
zahlreichen bilolichen und Fartograpbifchen Darftelungen aus Aften und Afrifa 
ein noch ausgedehnteres Verdienſt. In Deutfchland legt die rheinifche Miſ⸗ 
fionsgefelichaft in Folge des Eiferd des gegenwärtigen, überaus thätigen In- 
jpertors ihres Miſſionshauſes zu Barmen, Previger Wallmann, gleiche Bes 
firebungen an ven Tag, da vorzüglich die auf der Weftieite Süd⸗-Afrika's 
ftationirten Sendlinge derſelben fich, wie die Zeitfchrift ver Geſellſchaft jeit 
einigen Jahren rühmlichft erweift, angelegentlichft beftreben, vie Natur ihres 
Gebieted und deſſen Bewohner zu flubiren, und da die Geſellſchaft jetzt auch 
durch die Herausgabe des im Kingange viefer Notiz erwähnten Atlas eine 
gründlichere Kunde der Laͤnder, worin ihre Abgefandten thätig find, zu vers 
breiten fucht. Der Wirfungsfreid des Atlas wird fich aber nicht darauf bes 
fchränfen, indem fein Inhalt ver Art ift, daß er auch ven Wiffenfchaften zu gut 
fommt und manche Eartographifche Lücke ausfüllt, weshalb wir ed den Zwecken 
unferer Zeitfchrift für angemefjen halten, bier davon Kenntniß zu geben. 
Der Atlas enthält 9 Blätter, nämlich: J. die Weltfarte, II. Süd⸗Afrika, 
III. vie weftliche Provinz des Caplandes, IV. die norbweftlichen Hottentotens 
ftämme, V. die füblichen Bunvaftämme, VI. Borneo, VIL Sid - Oft» Bor- 
neo, VIII. das eigentliche China, IX. den Sanon⸗-Kreis der chinefifchen Pros 
vinz Kuangtung, und dient, wie erwähnt, zunächft dazu, den zahlreichen Le⸗ 
fern des rheinischen Miſſionsblattes um einen billigen Preis eine Ueberficht ver 
verfihiedenen Gebiete der Erve, wohin die Geſellſchaft ihre Aufmerkſamkeit ges 
richtet bat, in die Hand zu geben. Die Audftattung ift, diefem Zwecke gemäß, 
ohne allen Fünftlerichen Rurus, doch kann die Zeichnung der Blätter als Flar 
und anfchanlich gerühmt werden. Don neuerem wiflenfchaftlichen Intereffe 
find bejonderd die Nummern II, II, IV und V; doch enthalten auch die 
übrigen Manches, was ihnen einen eigenthümlichen und dauernden Werth giebt. 
Das erfte Blatt zeigt in den außereuropäifchen Länpern mit Hilfe von 
51 Zahlen die Gegenden an, wo eben fo viel chriftliche Meligionsgemeinfchaften 
und Mifjiondgefelfchaften wirken. Wir bemerfen indeſſen bier einige leicht aus⸗ 
zufüllende Lücken und auch einige Behler. In ver englifchen hinterind fchen Pro⸗ 
vinz Martaban (Monatsber. ver berl. geogr. Geſellſch. 1851. VII, 51 — 
62), in Unter- Siam, Algerien, Tripolis, Tunis, Kairo, Alerandria und an 


170 Neuere Riteratur: 


mehreren Punkten Ober- Negyptens, endlich in Syrien bei den Fatholifchen 
Maroniten und in Paläftina find vie Fatholifchen Millionen vergeflen wor⸗ 
den, ebenjo fehlen vie zahlreichen amerifanifchen, in Missionary Herald ftets 
ausführlich berüdiichtigten Stationen in Klein» Aflen, unter anderen die von Er⸗ 
zerum, Dijarbefir, Moful, befonverd aber die am Wanfee bei den Neflorianern ; 
nicht minder vermiffen wir die Anabaptiften » Mifjionen in Martaban bei den 
Kariand, endlich auch Krapf und Rebmann's Stationen von Rabba Mpia bei 
Monıbad. In Angola dürfte es Feine Fatholifchen WMifjtonare mehr geben, 
wenn auch Hier noch Eatholifche Weltgeiftliche vorhanven fein mögen; die 
früher in Angola thätigen italienifchen Miſſionsſtationen ſcheinen nämlich völ- 
lig aufgegeben zu fein. In Eeylon, wo gar feine Zahl fleht, fanden ſich 
doch im Jahre 1849 (Church Miss. Int. 1850. I, 68) in den nörklichen 
und öftlihen Diftricten 25, in den ſüdlichen und weltlichen Diftricten jogar 
30, in Inneren 3, aljo im Ganzen 58 Mifftonen mit 510 einheimifchen Ges 
bilfen, vie ald Schullehrer, Catechiſtrende u. f. w. functioniren. 

Das zweite Blatt zeigt die in Sud-Afrika vorzugemeife überaus zahl- 
reichen Mifjionsftationen, indem bier 13 verfchiedene Gefellfchaften, nämlich 
mehrere englifche, jchottifche und deutſche (unter den lebten vie berliner», 
rheinifche= und die Brüdergeſellſchaft), nebft einer normegifchen und franzöjt- 
fchen an der Belehrung und Eivilifation der Urbewohner arbeiten. Da vie 
Karte bis zum 15. Grade fühl. Br. reicht, fo hätte D. Cooley's neuefte Karte 
des centralen Afrifa, London 1853, mit Nußen gebraucht werben Fönnen. 
So fehlt 3.8. der wichtige, durch Oswald und Livingftone im Jahre 1851 
erreichte Sejbefefluß. Den Namen Abutua aufzunehmen halte ich nicht für 
zweckmäßig, obwohl denfelben auch Gooley nicht verfchmäht Hat, indem dies 
fer feit de Barros und dos Sanctod Zeiten in den Beographieen und Karten 
von Süd» Afrifa unvertilgbare Name wahrfcheinlich nur mipverfländlich, als 
der eines eigenen Reiches fich eingefchlichen hat, da er, wie es fcheint, ein Wort 
von allgemeinerer Bedeutung ift und foviel, ald Menfchen, anzeigt. Es dürfte 
nämlich Batua nach den Geſetzen ver Präftrlehre in dem großen ſüdafrikaniſchen 
Spradftamme einzig der Plural ded Singular Motu, d. h. ver Menſch, 
fein. So fagt der franzöftfche Mifftonar Cafalid (Journal des Miss. evan- 
geliques, X, 35), daß Motu bei ven Baffutobetfchuanen Menfch beißt und 
auch fchon bei Kichtenftein (Reiſen II, 620) finden wir angegeben, vaß bei 
einem anderen Betfchuanenflamm, dem der Batlapi, Baatd Menfchen, 
Zeute !) bedeutet. — Banketze, ald Name eines Volkes nörplich von Lithako, 
ift wohl nur ein Schreibfehler für Bauafepi, dem durch Campbell und Moffat 
befannten Namen eines Betichuanenftammes. Unter den einheimifchen Stäm- 
men finde ich die wichtigen Zulahs in Natal nebft dem Reich des Zulahko⸗ 
nigs Panta, nördlich von Natal, und die Amafuagi an ver Lagoabai feh- 


) Der bekannte ältere Holländische Miffivnar van der Kemp fagte deshalb fchon, 
daß in der Amafofa = Kafferfprache Batoa oder Abbatoa Waldbewohner (bushman) 
heiße (Missionary Transactions. I, 452 ) G. 











Atlas der Rheiniſchen Miſſionsgeſellſchaft. 171 


lend. Das Etabliffement Caconda im Inneren Benguela’3 ift nach neueren 
portugiefifchen Berichten nicht ruinirt, wie die Karte angiebt, ſondern beftcht 
fortwährene. Gin wirfliches Fort iſt freilich nicht mehr vorhanden. 

Das dritte Blatt zeichnet ſich durch die Angabe zahlreicher neuer Orte, 
beſonders aber von Bauernplägen, im weſtlichen Theil der Eap= Eolonie aus. 
So fommen bier fchon die neuen, reſp. in den Gornetien Hantanı und Nieu⸗ 
weveld gelegenen Orte Calvinia (Zeitfchrift I, 303) und Victoria, vie bis⸗ 
ber noch feine Karte zeigte, vor, ſowie bier auch zum erflen Male die neuen 
Divifionen Cap, Malmesbury und Paarl, forte die nördlichen Bortfeßungen 
der Divijionen Clanwilliam und Beaufort bis zum Garip erfcheinen. 

Dad vierte Blatt ift wieder ein fehr lehrreiches, da auf ihm ein Landſtrich 
dargeftellt ift, der auf allen unferen früheren Karten bis zu ber des Gapit. 
Alerander völlig weiß war. Es giebt nicht allein von einer Menge von Lo⸗ 
salitäten die Namen an, die auf Zuverläfjigkeit Anfprüche machen fünnen, da 
die rheinifchen Miffionare feit einer langen Reihe von Jahren im Lande ver 
Groß Nama (Namaqua) wohnen und ed in allen Richtungen burchzogen 
haben, fondern auch eine Barftellung des Terraind. Aus den rheinifchen Mifs 
flonsfchriften und Capit. Alexander's befanntem Reiſewerk (An Expedition 
of discovery into the interior of Africa trough the hitherto undescribed 
countries of the Great Namaquas, Boschmans and Hill Damaras. 2 Vol. 
8. London 1838) wiſſen wir naͤmlich, daß das Land der Groß Nama (Na⸗ 
maqua) von Süden nad) Norven durch die hohe Gebirgskette des Unuma, 
welche fich im Süden an die Berge des fogenannten Fleinen Namalanves 
anfchließt (Gumprecht Geographie von Afrifa S. 165, 166), durchzogen 
wird, und diefe fehen wir nun bier niedergelegt. Ebenſo ift die politische 
Eintheilung des Rande zwifchen dem Kuifip und dem Garip nach den 14 
Territorien der verfchiedenen Groß Namaftänıme neu und lehrreich. Am ges 
naueften ausgeführt erfcheint der Strich im Norden längs dem Kuifip, wo 
die rheinifchen Mifflonare durch ihre Stationen Nehoboth (Annie), Schepps 
mannddorf, Otjimbingue, Otjitango (Barmen) und Ofafantja allerdings am 
Beften befannt find, fo daß und hier überhaupt eine höchſt werthvolle Berei⸗ 
cherung unferer Kunde des Eontinentd zu Theil wird. Wir boffen in Folge 
der neueren Unterfuchungen des Herrn Hugo Hahn, Mijjtonard der rheini« 
fchen Miffionögefelfchaft, im Often des vargeftellten Terraind im Stande zu 
fein, unferen Leſern grümblichere Berichte über dad Namaland zu liefern. 

Das fünfte Blatt beruht theild auf den Erfahrungen ver rheini- 
ſchen Mifftonare, namentlich des ebengenannten Herrn Hahn, ver zuerft tie 
fer in dad Dvahereröland eindrang und ed eigentlich für vie Erdkunde ent» 
deckte, theild aber auch auf den neuen Beobachtungen und Aufnahmen Gal« 
ton’8, welcher, mit Inftrumenten wohl verfehen, im feiner, durch A. Petermann 
auögeführten Karte ein ungemein werthvolles Bild des großen Lant ſtrichs zwi⸗ 
fchen dem Kuifip und dem großen Kuneneflrom ver PBortugiefen, ven viefe 
kaum in feinem unteren auf (Annales maritimos 1845. 197, 198, 210) 


172 Neuere Literatur: 


Fennen gelernt haben, und ver mit dem Nourfe River einer englifchen Expe⸗ 
dition von 1824 und einem großen, nach ven Erkundigungen der rheinifchen Miſ⸗ 
flonare im Binnenlanvde an der Nordgrenge ded Ovampolandes vorfonmenven, 
dem prächtigen Omorongaftrom zugebenden Strom (Öumprecht Geogr. v. Afrifa 
172) muthmaßlich identifch ift, lieferte. Don neuen Völfernamen finden wir 
bier die auf Galton's Karte fehlenden Ovahinga, in ver Nähe ver See zwi⸗ 
fchen dem 18. bis 17. Grade fühl. Br., mit der Bemerkung, daß fie gemein- 
fhaftlich mit ven fürlich von ihnen wohnenden Ovajaarare (Ovayarè Gal: 
ton’8) und den mehr binnenländifchen Ovafuenjama und Ovapangari Sclas 
venhandel treiben. Oeſtlich von den Ovampoͤ Hat das Blatt das ebenfalls 
bei Galton fehlende Land Ovatjaona mit dem Zuſatz, es fei ganz unbefannt. 

Das fechöte Blatt ftelt die Infel Borneo in genügenver Anfchaulichfeit 
für die Zwecke ver Miffionsberichte dar. Für die Leſer unferer Zeitfchrift iſt 
es vielleicht nicht ohne Intereffe, anzuführen, daß die Infel Biliton, wos 
von Vd. I S. 134— 140 eine Skizze nad) neueren bollänvifchen Berichten 
lieferte, bier verzeichnet ift. 

Das fiebente Blatt giebt eine Leberficht des füvöftlichen Borneo in 
großer Ausführlichfeit. Diefer Theil der Infel ift es befanntlich, ver im 
neuefter Zeit durch vie Auffindung überaus reicher Steinfohlenlager von 
außerorventlichem Intereffe für tie Fünftigen Handels⸗ und Scifffahrtsver- 
bältniffe des binterinpifchen Archipels zu werben verfpricht, indem diefe Ent⸗ 
derung ein abermaliges Element des Wohlſtandes zu den vielen Gaben ver 
Natur, womit die Infel fchon audgeftattet ift, fügt. 

Das achte Blatt enthält das eigentliche China in Eleinem Mapftabe und 
ift nur von Interefie durch die am Rande beigefügte Erläuterung, welche die 
läge ver 12 verfchienenen proteftantifchen Mifjlondgefellichaften, worunter 
auch eine ſchwediſche, fomwie mit lobenswerther Unparteilichkeit auch vie ver 
Tatholifchen, aufzählt. Die große Zahl der Stationen zeigt deutlich, weldyen 
Werth die Neligionsparteien auf die Ermerbung des fihönen und reichen Lan» 
des für den chriftlichen Glauben legen, eine Eroberung, die freilich nicht vor 
einer völligen IImgeftaltung der politifchen Verhältniffe China's gelingen dürfte. 

Das neunte und legte Blatt flelt ven Sanon= Kreid in der chinefifchen 
Provinz Kuantung mit der jest britifchen Infel Hongkong vor, von welcher 
legten aus die Engländer ihren Einfluß auf das himmliſche Reich bekanntlich 
ausüben. Es weicht dafjelbe an vielen Stellen fehr wefentlid von dem nad 
Wyld's Karte gezeichneten Blatte der Umgebungen von Ganton in Envlis 
cher's Atlas ab und erweift ven Fortfchritt, den die Kenntniß diefer Gegenden 
feit 13 — 14 Jahren gemacht hat. So war die große, Hongkong gegenüber» 
liegenve, zum Kreis Sanon gehörende Halbinfel bei Endlicher im Inneren 
noch ganz weiß geblieben, während das vorliegende Blatt zahlreiche Ortfchafe 
ten aufweifl. Ferner war damald der fündftliche Hand der Halbinfel fo un» 
befannt, daß er nicht gezeichnet werden fonnte, wogegen wir bier eine fehr 





ii u — mr— 


— il — m. 





Atlas der Rheiniſchen Miſſtionsgeſellſchaft. 173 


eingefchnittene Halbinfel finven, die durch die Configuration ihrer Nänder und 
die vorliegenden zahlreichen Infeln ganz an die norbifche Scheerenbildung 
erinnert (muthmaßlich ift die Halbinfel, ebenfo wie Hongfong, granitifcher Na⸗ 
tur), und noch durch eine überaus ſchmale Landzunge mit einer Fleineren 
zufammenbängt. Auf ver eriten Halbinfel finden wir fogar 6 chriftliche Mif- 
fionaftationen, nämlich A rheinifche, zu Sanfın, Ufchifguam, Saiheong, Fuk⸗ 
wing, nebft zweien der bafeler Mijfionögefellichaft zu Pukak und Tungwo. 
Die Höhenangaben auf Hongkong felbft, dann auf ver weftlich Hongkong ge= 
Vegenen Infel Lantao und faft auf allen Rändern ver beiven Halbinfeln er- 
weifen zugleich deutlich, daß, wo der politifche europäifche Einfluß Eingang 
findet, auch die Wiflenfchaften fofort Eroberungen zu machen wiffen. Denn 
bis zu dem AUugenblid, wo die Engländer feiten Fuß in China faßten, gab 
ed im füblichen und weftlichen Theil des Landes Keine einzige bypfometrifche 
Beftimmung. Die muthmaglich englifchen Quellen entlehnten Angaben auf 
dieſem neunten Blatt geben ala höchfte Terrain Erhebung auf Lantao einen 
Berg von 3050 F., auf Hongkong zwei Berge von 1825 und 1715 %., dann auf 
der kleineren Halbinfel zwei Berge von 1300 und 1330 am Oftrande, einen 
von 1632 auf einem Ausläufer des Norboftrandes, zwei von 1825 und 1280 
am Nordrande, endlich noch einen von 2315 %. auf einem Ausläufer des Nord- 
randes u. |. w., fo daß die Fleine Halbinfel von allen Seiten fchroff in das Meer 
abſtürzen muß. Auf ver Verbindungszunge mit der größeren Halbinjel liegt ein 
1760 F. hoher Berg, im ſüdlichen Theil ver legten ver Buitoberg von 1700 
und öfllich davon ein zweiter Berg von 1900 $., dann am Oftrande zunächft 
der großen Mirshai bei Kukpu ein Berg von 1635, bei Ngthung einer gar von 
3095 %., und endlich fünlich Kufpu noch zwei von refp. 1670 und 1897 F. 
Bei feiner zweckmaͤßigen Anordnung kann es nicht fehlen, daß dieſer At⸗ 
las ſich viel Freunde erwerben, und daß die abſichtlich nicht ſtarke Auflage 
bald vergriffen fein wird. Indem wir dies aufrichtig wunſchen, haben wir 
die volle Ueberzeugung, daß die folgende Auflage durch die Bortfchritte neues 
rer Forſchungen noch näher dem beabfichtigten Ziel höherer Vollkommenheit 


rüden wird. Gumprecht. 


Miscellen. 


In der December⸗Sitzung der geographiſchen und ſtatiſtiſchen Geſell⸗ 
ſchaft zu Neu-Mork machte Dr. Hawkes einige Mittheilungen über Grin— 
nell’3= Land. Daffelbe liegt am Nordende des Wellington -Canals, in etwa 
75 n. Br. und 95° weil. 2. Sowohl die Engländer, ald die Amerifaner 
machten Anfpruch auf die Entdeckung veffelben; e8 fcheint aber keinem Zwei⸗ 
fel zu unterliegen, vaß Eapitain de Haven vom Schiff Rescue daſſelbe zuerft 
im I. 1850 gefehen; Capitain Penney fand es erft 1851 und nannte e8 Prinz 


174 Miscellen. 


Albertö-Rand, weil er es am Geburtötage dieſes Fürſten erblidte. Er 
Batte noch feine Kunde davon, daß Amerikaner im Jahre vorher dort gewe⸗ 


fen waren. Audree. 
Der Schiffscanal durch Darien. — Der ſeit drei Jahrhunder⸗ 
ten nie gaͤnzlich aus den Augen verlorene großartige Plan, Europa mit In⸗ 
dien und den oſt⸗aſtatiſchen Känvern mittelft eines oceaniſchen Canals durch 
den mittelamerikaniſchen Iſthmus in nähere Verbindung zu bringen, ſcheint 
endlich zur Ausführung zu gelangen, und zwar ift die Landſchaft Darien dazu 
beftimmt worden, nachdem ed den forgfältigen Unterfuchungen bed Dr. 6. 
Eullen im Jahre 1849 gelungen war, eine paflende Stelle dazu zwifchen ver 
talevonifchen Bai im Norden und dem in die Süpdfee-Bai mündenden gro« 
Ben und fchiffbaren Savanafluß zu ermitteln. Cullen's Forſchungen wurden 
im Sabre 1852 durch den englifchen Civil» Ingenieur 2. Gisborne und ſei⸗ 
nen Degleiter Forde beftätigt, und fo find die drei Männer nun auch vazu 
beftimmt, eine nochmalige fpeciele Aufnahme ver fräber von ihnen für die 
Ganallinie vorgefchlagenen Richtung zu unternehmen. Das englifche, franzöfl- 
ſche und nordamerifanifche Gouvernement haben fich vereinigt, dieſe Arbeiten 
und die Ausführung des Canals ald eined die ganze civilifirte Welt interefll- 
renden Unternehmens unter ihre Obhut zu nehmen und die Arbeiten ver 
Ingenieure im Nothfall mit Waffengewalt zu ſchützen. Zu dem Ende fchifl- 
ten fich die legten in Begleitung von 4 Hilfd= Ingenieuren und Dem britifchen 
Ingenieur» Lieutenant Singer bereitB am 14. December v. 3. nach Jamaica 
ein, wo fie mit franzöjifchen Genie» Offlcieren und dem nordamerifanijchen 
Schiffslieutenant Strange zufammentreffen follten, um darauf fofort ihre Ars 
beiten zu beginnen. Drei britifche, amerikanifche und franzoͤſiſche Kriege 
ſchiffe find beorvert, mährend ver Dauer der Unternehmung in der calevonis 
ſchen Bai vor Anker zu bleiben, mährend noch ein britiſches Kriegsfchiff au 
der Mündung des Savanafluffes die Ingenieure mit feinen Böten unterftühen 
fol. Die Canallinie durch Darien ift erfreulicher Weife aber bekanntlich vie 
jenige, welche noch vor wenigen Jahren Herr von Humboldt angelegentlichfl 
als vie geeignetfte für die große Unternehmung erklärt hatte (Anfichten ver 
Natur. 3. Aug. II, 391). Gumprecht. 


Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde 
am 4. Februar 1854. 


Herr Ritter legte ein volftändiges Eremplar fänmtlicyer bis jetzt in 
Steinſtich auögeführten Sectionen ver vom preußijchen Generalftabe bearbei⸗ 
teten Landesaufnahme (die wetlichen Provinzen im Maaßſtabe 
von 1:80000, die öftliden von 1:100000) als ein für bie Bir 











Sigungsbericht ver Berliner geographifchen Geſellſchaft. 175 


bliothef der Geſellſchaft beſtimmtes Geſchenk St. Ercellenz des Herrn Ges 
neralsLieutnant von Reyher, Chefs des Königlichen Generalftabs, vor, 
und las den die werthvolle Gabe begleitenden Bericht, worin über Ent: 
ftehung und Bearbeitung ver Karte, fomwie über die diefer zu Grunde lies 
genden umjfaffenden vieljährigen, von Offizieren der Armee unter Leitung 
des Generalftabes auögeführten Vermeſſungen genaue Kunde gegeben wurde. 
— Hierauf verlad noh Herr Ritter einen ihm erft am 20. Ianuar 
d. 3. zugegangenen, aber fchon am 1. und 29. Januar v. I. an ihn gerichte- 
teten und von Zinvder an der Grenze Bornu’3 gefchriebenen Brief Barth's 
(e8 ift Died derfelbe, den wir fchon im Januarheft d. Zeitfchr. S. 67— 68 
mittheilten). Endlich legte Herr Ritter den durch Herrn H. Range bear- 
beiteten und bei Weftermann in Braunfchweig eben erfchienenen Atlas von 
NordsAmerifa vor, wobei er deſſen Genauigkeit und zierliche Ausführung lo⸗ 
bend bervorhob und erwähnte, daß die Unterflügung des Herrn Dove, wel⸗ 
cher dem Berfaffer werthvolle Mittheilungen über die Temperaturverhält- 
nifje Nord⸗Amerika's machte, dem Atlas noch andere, ihm eigenthümliche Vor⸗ 
züge verliehen habe. — Herr Kiepert berichtete über feine aus eigenen Bor- 
[dungen an Ort und Stelle und den Unterfuchungen und BBergleichungen 
von 180 Routiers hervorgegangene große Karte von Klein= Afien, und erläu= 
terte dad durch ihn im der eben erfchienenen Schrift: Memoire über vie Con⸗ 
jtruction der Karte von Klein= Afien und türkisch Arnıenien in 6 Blatt von 
v. Vinke, Fiſcher, Moltfe und Kiepert, Berlin 1854, verfuchte Verfahren, bie 
Bevölkerung Klein» Ajtens zu ermitteln, wodurch fich eine ungefähre Geſammt⸗ 
zahl von 5 Millionen (worunter etwa eine halbe Million griechifcher und 
armenifcher Ehriften) mit ziemlicher Sicherheit herausſtellte. Werner fprach 
derfelbe mit fehr in's Einzelne gehender Kritif über vie dem Reiſewerke des 
Herrn Peter von Tſchihatſcheff beigegebene, vom General Bolotoff bear⸗ 
beitete Karte von Klein» Aften, in welcher er zunächft die aus Vernachlaͤſſi⸗ 
gung fremder und ausfchließlicher Benugung ruſſiſcher Aufnahmen hervorge⸗ 
gangenen zahlreichen Fehler in den Dispofitionen zu rügen Veranlaflung fand. 
Demnähft wurden die Hypfometrifchen Angaben ſowohl ver Karte als des 
Buches des Herrn von Tfchihatfcheff einer firengen Kritif unterworfen, 
und die Unhaltbarkeit einer großen Zahl verfelben, überhaupt die Nachläffig« 
feit ded Autors fomohl in ver Benußung fremden, ald in der Bearbeitung 
feine8 eigenen Materiald und die daraus auf der Karte hervorgegangenen Wis 
derfprüche im Einzelnen nachgewiefen. Das Nähere darüber wird ein Aufſatz 
ded Herrn Kiepert in einem der nächften Hefte dieſer Zeitfchrift bringen. — 
Herr von Sydow legte zur Unficht die große von dem k.k. Schulrath Beder 
und dem F. k. Sectionsrath Steinhaufer herausgegebene Karte von Nies 
der⸗-Oeſter reich vor, knüpfte daran einige Benerkungen über ven hohen Werth 
folcher gleichmäßig genau und fchön ausgeführten Hilfsmittel für vie Kenntniß 
der Heimathskunde, und nahm davon Gelegenheit, Herrn Steinhauſer's befons 






ANDZLSIISTAINTE 


GRÖHLANB 


astronomischen Bestimm- 
u den Jahren IM8-3 gemach- 
nden entworfen von 


LRINK. 





—— Geclchaft dr 


— 


| 
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| 


IV 


Phnfifalifch- geographifche Befchreibung von Nord- 
Groͤnland. 


Hierzu Taf. J. 


Das im Jahre 1852 in Kopenhagen erfchienene Werf: De Danske 
Handelsdistrikter i Nordgrönland, deres geographiske Beskaffen- 
. hed og produktive Erhvervskilder of H. Rink (die däniſchen Han- 
delspiftrifte in Nord> Grönland; ihre geographifche Befchaffenheit und 
ihre produftiven Erwerbsquellen von H. Rink) 1. Th. 201 S. 8. er- 
weitert unfere Kenntniffe der arftifchen Gegenden auf eine fo erheb- 
liche Weife, daß wir es neben den Arbeiten von Scoresby, Wrangel 
und den Berichten der Erpeditionen zur Auffuchung einer Nordweſt⸗ 
durchfahrt als eine Haupiquelle betrachten fünnen. Durch feine Lage 
innerhalb des Polarkreifes, feine großen Eisfjorde, feine geognoftifche Be- 
fchaffenheit und in Hinficht auf Die Xebensart der Bewohner Durch die 
Anwendung der Hundefchlitten unterfcheidet ſich Nordgroͤnland fo wer 
fentlih von Südgrönland, daß eine befondere Topographie jenes Theile 
des Landes gerechtfertigt erfcheint. Sie gründet fich auf faft vierjüh- 
rige Reifen 1848—1851 des Verfaſſers, welche befonders zur Erfor- 
fhung des Innern auf Schlitten unternommen find. Die dem Werfe 
beigegebene Karte, welche hier im verkleinerten Maßftabe wiedergegeben 
ift, gründet ſich zunächft auf 16 auf dem Lande von Capitain Graah 
und auf 7 von der See aus nah einem muthmaßlichen Abftande be⸗ 
ftimmte Punkte. Genauere Sperialfartener hielt der Verfaſſer dadurch, daß 
duch die auf dem Eife gelegten Grundlinien mittelfl des Sertanten 
alle fcharf hervortretenden Punkte der Küfte vermeflen wurden, welche 
wiederum zahlreiche Ausgangspunfte für weitere Winfelmeffungen ga⸗ 


ben. Die Richtung der Grundlinien beftimmte derſelbe vermittelft des 
Zeitfchr. f. allg. Erdkunde Br. II. 12 








ANDZLSDISTAIRTE 
GRÖNLANB 


astronomischen Bestimm- 
nden Jahren 18-5 gemach- 
nen entworfen von. 


URINK. 





IV 


Phyſikaliſch⸗ geographifche Befchreibung von Nord- 
Grroͤnland. 
Hierzu Taf. J. 


Das im Jahre 1852 in Kopenhagen erſchienene Werk: De Danske 
Handelsdistrikter i Nordgrönland, deres geographiske Beskaffen- 
. hed og produktive Erhvervskilder of H. Rink (die dänifchen Han- 
delspiftrifte in Nord - Grönland; ihre geographifche Befchaffenheit und 
ihre probuftiven Eiwerbsquellen von H. Rink) 1. Th. 201 S. 8. er- 
weitert unfere Kenntniffe der arftifchen Gegenden auf eine fo erheb- 
liche MWeife, daß wir es neben den Arbeiten von Scoresby, Wrangel 
und den Berichten der Erpeditionen zur Auffuchung einer Nordweſt⸗ 
durchfahrt als eine Haupiquelle betrachten können. Durch feine Lage 
innerhalb des Polarkreifes, feine großen Eisfiorde, feine geognoftifche Be⸗ 
ſchaffenheit und in Hinficht auf die Lebensart der Bewohner durch die 
Anwendung der Hunbdefchlitten unterfcheidet ſich Norvgrönland fo we⸗ 
jentlih von Südgrönland, daß eine befondere Topographie jenes Theile 
des Landes gerechtfertigt erfcheint. Sie gründet ſich auf faft vierjüh- 
tige Reifen 1848—1851 des Verfaſſers, welche befonders zur Erfor- 
[hung des Innern auf Schlitten unternommen find. Die dem Werfe 
beigegebene Karte, welche hier im verfleinerten Maßftabe wiedergegeben 
ift, gründet ſich zunächft auf 16 auf dem Lande von Capituin Graah 
und auf 7 von der See aus nach einem muthmaßlichen Abftande be- 
fimmte Punkte. Genauere Sperialfartener hielt der Verfaffer Dadurch, daß 
durch die auf dem Eife gelegten Grundlinien mittelft des Sertanten 
alle ſcharf Hervortretenden Punkte der Küfte vermeffen wurden, welche 
wiederum zahlreiche Ausgangspunfte für weitere Winfelmeffungen ga- 


ben. Die Richtung der Grundlinien beftimmte derfelbe vermittelft des 
Beitfchr. f. allg. Erdkunde Br. 1. 12 





178 Rink: 


Kompaß, wobei die Abweichungsbeſtimmungen von Graah als Cor: 
rectionselemente angewendet wurden. Ein weiteres Mittel zur Ermitte⸗ 
lung der relativen Lage und Configuration der Kuͤſte gab die Cours— 
rechnung mannigfacher auf Boͤten unternommener Reiſen; Azimuthalbe⸗ 
ſtimmungen nahm der Beobachter von höheren Punkten aus. Die Höhen 
“ wurden entweder durch Winfelmeffungen vom Eife oder barometrifch ge: 
funden, endlich über die Punkte, welche der Reiſende felbft nicht befuchen 
fonnte, fo viel wie möglich Nachrichten von den Eingeborenen und An 
fiedlern, unter denen der Verfaſſer defonders des Dr. Rudolph in Ja 
fobshaven gedenkt, gefammelt. An Mineralien wurden dem Mufeum 
der Kopenhagener Univerfität 600 Eremplare übergeben. Kür die fpeciel: 
(ere Erörterung der botanifchen und geographifchen Ergebniffe fo wie 
eine ausführliche Disfuffion über die meteorologifchen Berhältnifie be 
hielt fich der Verfaſſer eine fpätere Mittheilung vor, Die aber, da et 
von Neuem und zwar jegt nach Sübgrönland gereift ift, wohl erſt 
nach längerer Zeit erfcheinen wird, 

Aus dem reichhaltigen Werke theilen wir nach der Weberfegung 
des Heren A. v. Etzel den Abfchnitt über die orographifchen Verhälts 
niffe des Landes, über die Ausbreitung des Landeifes und den Ur 
fprung der fchwimmenden Eisfjelde mit. Das Abtrennen derſelben von 
den in das Meer vordringenden Gletfchern nicht durch Unterſpuͤlung, 
wie man früher angenommen, fondern durch Kydroftatifchen Drud von 
unten gegen die durch Verjchieben in immer größere Meerestiefen vor: 
dringende Eismaffe fcheint uns eine für die Löfung diefer verwidelten 
Erfcheinung wichtige Entdedung; die meteorologifchen Rotizen aber find 
für die Klimatologie jenes nörblichften Landes von Außerfter MWichtigfeit. 

&. Dove. 


l. Ueber die Form des Landes und die Höhen veffelben, über 
die Ausbreitung des Landeiſes und den Urfprung der 
ſchwimmenden Eisfjelve. 


Die Weftfüfte von Grönland zeichnet ſich durch zahlreiche und tiefe 
Einfchnitte des Meeres in Form von Fjorden und Sunden, welche lehtt 
den innern Gürtel des Landes in Halbinfeln und Infeln zerlegen, aus. 
Auf der vorliegenden Küftenftrede reichen viefe inneren Fahrwaſſer von 


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73 2 vı. 12 11 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Beſchreibung von Nord⸗-Groͤnland. 179 


den äußerſten Landſpitzen und Inſeln 10 bis 20 Meilen nach Oſten, 
worauf das gefchlofiene Feſtland beginnt, deſſen Grenzen wir erft ein 
paar hundert Meilen weiter öftlih in der unter dieſen Breitegraden 
fo wenig befannten „Oftfüfte“ wieder begegnen. Diefer Gürtel von 
Halbinfeln und Infeln, den wir „Außenland“ nennen wollen, ift ver: 
mittelft der Wege, welche das Meer durch denfelben gelegt hat, der 
einzige bebaute und zugängliche Theil, und er wird deshalb in dem 
Holgenden der Hauptgegenftand dieſer Betrachtungen fein; aber auch 
das gejchlofiene Feſtland, welches wir in dem Nachftehenven „Snnen- 
land * nennen wollen, ift wegen der außerorbentlichen Eismaffen, 
die es erzeugt und jährlich durch die inneren Eisfiorde in das Meer 
hinausfendet, obſchon an und für fich unbefannt und unzugänglich, 
doch von großer Bedeutung fowohl für das Polarmeer überhaupt, 
als insbefondere für dieje Küfte und Deren Bewohner. Wenn 
man die tieferen Fjorde, 3. B. die Verzweigungen des Omenafs-Fiord, 
fo weit man es kann, nad Oſten zu verfolgt, findet man die 
Thäler, die gewiffermaßen die Yortfegung des Kiordes in öftlicher 
Richtung auf dem Lande felbit bilden, ſämmtlich mit Eis angefüllt. 
Beiteigt man eine Höhe in der Nähe, dann fieht man ein ſolches 
Eisthal, welches von dem Meere anhebt, in dem Hintergrunde in 
eine einförmige Eisfläche, vie fich Hinter dem Lande ausbreitet 
und dad Thal einfchließt, übergehen. Steigt man darauf höher, 
fo daß man über das dazwifchenliegende Land hinausfehen kann, fo 
findet man, daß diefe Ebene diefelbe ift, wie Die, von welcher das Eis⸗ 
thal, welches jich in den nächften Fjordarm fenft, feinen Urfprung bat, 
und je höher man fommt, befto mehr wird man die Eidebene fidh 
über die Berge des Außenlandes erheben und über den öftlichen 
Theil des Horizonted, fo weit nur das Auge reichen fann, einför- 
mig und ohne Unterbrechung durch Land, ausbreiten jehen, und man 
wird fich endlich überzeugen, daß es ein und dieſelbe ift, von welcher 
alle Eisthäler ihren Urfprung nehmen. 

Daſſelbe wiederholt fih im Norden Des Omenaks⸗Fiord und hinter 
der Infelgruppe, welche den Upernivifs-Diftriet bildet, fowie gegen Sü- 
den in den Ziorden, welche von der Diefo-Bucht gegen Often aus» 
laufen. Und geht man von dem Grunde der weniger tiefen Fiorde, 
welche nicht mit einem folchen Eisthale enden, noch ein Stüd in öft- 

12 * 


180 Rink: 


licher Richtung überland, dann ftößt man früher oder fpäter auf den 
Außenrand einer folchen Eismafle, die, wie man es von der naͤchſt⸗ 
liegenden Höhe finden wird, ein und biefelbe ift mit der, von welder 
jene Eisthäler zu den Fijorden ausgingen. Kurz gejagt, wir Tonnen 
wohl die Behauptung aufftellen, daß biefelbe Linie, welche den Grund 
der Fjorde berührt und jenen 10 bis 20 Meilen breiten Gürtel von 
Außenland gegen Oſten begrängt, zugleich die Grenze einer Eismaſſe 
bezeichnet, die von hier und weiter, fo weit nur das Auge von den 
außeren Höhen reicht, das Innenland bedeckt und verbirgt. 

Diefe Eishildung zeigt fogleich eine wefentliche Verſchiedenheit von 
der, welche die hohen Berge des nächtliegenden Außenlandes und ge 
wiffe Berghöhen in allen Zonen der Erde bevedt, und mit den Namen 
Jokul, Jisbräer, Gletſcher u. f. wo. bezeichnet zu werden pflegt. Diet 
ift nämlich ſtets nach der Form der Oberfläche gebilvet; fie wird durch 
diefelbe bedingt und beginnt in gewiffen Höhen über dem Meere, legt 
fich dort, wie eine Schale, über die Oberfläche, neigt fich mit dieſer un 
gleitet auch an ihr hinab, fich in trichterförmigen Thälern anhaͤufend 
und ſich von dort weiter oder näher hinunter in die waäͤrmeren Re 
gionen des tiefer liegenden Landes verlängernd. 

Im Gegenfage hierzu fönnte jenes Innenlanveis eher von dem 
tiefer liegenden Lande ausgegangen zu fein fcheinen, einer flüffigen 
Maffe gleichenn, die das Ganze bis zu einer gewiffen Höhe über 
ſchwemmt hatte, über welche hinaus fie nicht fteigen konnte, fondern 
durch die Thaler nach dem Meere oder dem Außenlande abzufließen 
begann. 

Es war an den meiften Stellen gar nicht leicht, ja vielleicht 
auch ganz unthunlich, die Höhe dieſes allgemeinen Eisplateaus oder 
die Höhe, bis zu welcher dergeftalt das Land mit Eis überjchwenmt 
worden ift, zu meflen; doch glüdte es auf dem flachen Fiordeiſe 
und vor den Eisthälern im Innerit-, Sermelif- und Keriak⸗Fiord, 
Grundlinien zu vermefien und dadurch fefte Punkte in dem zerflüfteten 
und zadigen Eife in den Thälern zu beftimmen, und es zeigte ſich da 
bei, daß daſſelbe an der Stelle im Hintergrunde, wo es in Dad gleich⸗ 
mäßige Plateau übergeht, eine Höhe von etwas über 2000 Fuß hal. 

In diefem Außerften Theile, zunächft dem Außenlande, fieht man 
noch auf einigen Stellen Gipfel von Land über die Eisebene hervor 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Befchreibung von Nord⸗Groͤnland. 181 


ragen, gleichſam wie Infeln in einem Meere. Bon dort ab fteigt die Eis- 
ebene an, aber gleichmäßig abfallend und zulegt nur äußerft ſchwach, fo 
daß man, an Punften von über A000 Fuß Höhe fie wahrfcheinlich 
bis zu einer außerordentlichen Entfernung im Often überfieht, wo ihre 
ebene Oberfläche faft mit der Luft im Horizonte zufammenzufchmelzen 
fcheint, ohme daß die geringfte Unterbrechung durch Unebenheiten oder 
Land zu ſehen ift. 

Obſchon es alfo nicht mehr möglich ift, fich einen Begriff von 
der Form des alten Innenlandes zu bilden, fo fcheint e8 doch, ald ob 
diefer weftliche Theil des Ganzen niedriger geweſen fei, als das Außen- 
land, wo fo manche beveutende Streden 2000 Fuß Höhe weit über: 
fteigen, weil man fonft mehr Land aus der Eisebene hervorragen fe- 
hen müßte; und dies flimmt auch damit, daß die hohen Halbinfeln 
fih in der Regel nad) Often und dem Innenlande fenfen und nie- 
driger werden, überein. 

Der Außenrand des großen Innenlandeifes ift nach den beften 
Aufklärungen, die ich Durch eigene Beobachtung oder Erfundigung bei 
den Einwohnern erwerben fonnte, gezeichnet; aber Die Grenze veffel- 
ben ift natürlicherweife nur in einem groben Umriffe wiedergegeben, 
und fonnte weder, noch brauchte fie auf eine ähnliche Art, wie bie 
Küften, aufgenommen zu werden. Es war mir zuförberft vorzüglich 
darum zu thun, alle die Arme zu beſtimmen, die daffelbe zum Meere 
hinabfendet, und demnächft jo viel als möglich eine Ausficht über das 
dazwifchen liegende Land zu befommen und mich von der Verbindung 
diefer Arme hinter demfelben zu überzeugen; es glüdte mir, mich in 
Allem mit 22 folchen Eisthälern, welche über die ganze Fläche von Sit 
nach Nord zerftreut liegen, befannt zu machen; außer biefen folkten ſich 
dort noch 5 bis 6 finden, welche nach der Befchreibung wiedergegeben 
werden mußten. Aber ich habe es mit Bezug auf die Weberficht für 
das Zweckmaͤßigſte gehalten, die größere oder geringere Sicherheit an⸗ 
zudeuten, mit welcher der Rand des Innenlandeifed auf der Karte 
felbft wiedergegeben ift. 

Richt weniger merkwürdig, als diefe Form und die außerordent- 
liche Ausdehnung des Innenlandeifes, ift ferner die eigenthümliche Be⸗ 
wegung, die von deſſen Innern ausgeht und Anlaß zu den großar- 
tigften Naturphänomenen giebt, welche die Polarlaͤnder hervorbringen 





182 Rink: 


Es kann naͤmlich als entſchieden angeſehen werden, daß die unge— 
heure Eisdecke uͤberall die Tendenz hat, ihren Rand nach Weſten uͤber 
das Außenland oder das Meer vorzuſchieben. Man kann ſich dies 
am beſten vorſtellen durch die Benutzung des oben angeführten Gleich— 
niſſes, daß es wie eine halbflüffige Maſſe ift, wie ein Meer, welches 
das Land uͤberſchwemmt hat. Dieje Maſſe erhält einen beftändigen Zus 
wachs aus den Innern, fteigt dabei an, und ftrebt nun in demſelben 
Berhältniß überzufließen und diefen Ueberfluß über das Außenland un? 
das Meer zu ergießen. Es wird nur durch eine folche nach Außen 
wachfende Bewegung erflürlich, auf welche Art Landftreden unter Eis 
begraben werben fonnten, und ed an einzelnen Stellen, die fonit im 
Stande gewefen find die üppigfte Bolarvegetation zu tragen und Renn— 
thiecheerden zu ernühren, noch werden Fönnen. 

Bon dem Grunde des Balitfof- Fjord, im Norden von Jakobs— 
havn, hat man e8 vielleicht am nächften zum Rande des Innenlant: 
eifes, wobei überdies eine bequeme Gelegenheit gegeben ift, diejen gro 
Ben Eontraft zwifchen Außenland und Innenland zu beobachten. Das 
fleine Thal, durch welches ein Strom fein lehmhaltiges Waſſer von 
dem naheliegenden Eife zum Meere führt, zeichnet fich durch feine Br 
getation und namentlich durch die Menge aus, in welcher die Blaubee⸗ 
ren hier gebeihen und ihre Reife vorzugsmweife auf den außeren Küften 
erreichen. Hier muß alfo die Sonne den Erdboden noch lange erwär: 
men, nachdem fie den Schnee und das Eis des Winterd weggeführt hat: 
ja fie würde vielleicht im Stande fein, das Doppelte oder Dreidoppelte 
deffelben aufjuthauen, ehe es der nächfte Winter vermehren oder Ge— 
legenheit geben fönnte, es in unaufthaubares Eis zu verwandeln, und 
doch bebedt Died den angrenzenden Landftrich, als eine Schicht von 
mehreren hunderten, ja nicht weit davon von der Dide von ei 
nem Paar taufend Fuß. Die fteilen Eiswände hingen über bad 
Thal und die umliegenden Hügel hinaus und fcheinen langfam über 
daſſelbe vorzurüden; mächtige Eisblöde werden von diefen Waͤnden 
loögerifien und liegen herabgerollt auf der mit Vegetation bebedten 
Oberfläche. 

Die nah außen wachfende Bewegung kann noch befjer in den 
Armen, welche das Innenlandeis in das Meer hinausjendet, beobach⸗ 
tet werden. Wenn das Fjordeis im Winter gleichmäßig und feſt vor 


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Phyſikaliſch⸗geographiſche Beichreibung von Nord⸗Groͤnland. 183 


bemfelben liegt, dann ift jeder Drud, ven es von demfelben empfängt, 
leicht kenntlich, und ich muß dazu bemerken, daß ich nicht eine einzige 
diefer Stellen befucht habe, ohne einen folchen zu fpüren; in größerem 
oder geringerem Abſtande von dem feften Landeife war das Fjordeis 
ein wenig auf das Land hinaufgefchoben oder zu einer Barre zufam- 
fammengefchraubt, die quer über den Fluß ging. Im Sommer wird 
die Bewegung an den Bruchftüden, welche das Landeid zum Meere 
abgiebt, gefpürt, während dieſes felbft feinen Platz behält oder in dem⸗ 
felben Berhälmiß dadurch erneut wird, daß ed aus dem Innern 
hervorgefchoben wird. Hier zeigt fih nun der merkwürdige Um— 
ftand, daß die Bewegung, obfchon überall vorhanden, in dem Grabe 
ungleich vertheilt und auf gewifle einzelne in das Meer hinabgehende 
Arme concenteirt ift, daß die aller der Mebrigen für durchaus 
Nichts zu rechnen if. Dies bleibt aus dem Grunde auffallend, 
weil die Oberfläche des Innenlandeifes überall eine einförmige Hochs 
ebene bildet, in deren Form man feine Urfache dazu entdedt, daß die 
Eismaflen, fehon weit aus dem Innern her, vorzugsweile gegen ges 
wife Punkte des Außenrandes und eher als gegen andere bin, ge- 
drängt werden follten; die Urfache davon mag in dem Innern des 
Eiſes und wohl zunächft in der Form des darunter liegenden und 
nicht fichtbaren Landes verborgen liegen. Ich habe geglaubt, die Theile 
des Snnenlandeifes, welche in diefer Art in einem ftärferen Bewe⸗ 
gungszuftande find, nicht unpaſſend Eisftröme benennen zu fönnen; 
und es wird fodann der wefentliche Unterfchied zwiſchen diefen und ben 
beweglichen Eisbildungen, welche man in anderen Ländern Gletſcher, 
Jisbräer, Sturzgletfiher (Sfredjöfeler) nennt, darin beftehen, 
Daß das Vormwärtsfchieben der Letzten feine zu Tage liegende Urfache 
in der Korm der Oberfläche und in der Neigung des Bodens, worauf 
fie gleiten, hat, und unter allen Umftänden zum großen Theile 
die Wirkung der Schwere ift, wohingegen die Strömungen in jenem 
Sinnenlandeife innerhalb der Grenzen einer anfcheinend einförmigen 


Maſſe mit ebener Oberfläche vorgehen. Der größte Unterfchied möchte 


jeboch in der Stärfe der Bewegung und der Größe der Maſſen be- 
fiehen, welche durch viefelbe unaufhörlich in das Meer hinausgenrängt 
werden. Bon diefen Eisftrömen nämlich, und, wie es fiheint, aus⸗ 
fchließlich von ihnen, rühren die mächtigen Eisfolofje Her, welche in 








184 - Rink: 


den Polarmeeren umherſchwimmen und den Namen von Gisfjelden tragen 
Ihre außerordentlichen Dimenfionen ſind durch alle Reiſebeſchreibungen, 
welche von dieſen Gewäſſern handeln, bekannt, und haben mit Recht 
vor allem Anderen die Aufmerffamkeit der Seefahrenden auf ſich gejo- 
gen; wir wollen hier nur erinnern, daß deren über dad Meer hervor: 
ragender Theil fich zu einer Höhe von bis 200 Fuß und einem Um 
fange von mehreren taufend Ellen erheben faın. Macht man aber 
einen Weberfchlag über den Theil, welcher unter der Meeresfläche fledt, 
fo fümmt man zu dem Refultate, daß ſich vie Maſſe der größeren 
Eisfjelde bis zu 20 bis 30 Millionen Kubif» Een beläuft, und daß 
folhe Stüde, wenn man fie ſich auf das Land gebracht denken Fönnte, 
Berge von über 1000 Fuß Höhe bilden würden. Und doch find bie 
bier erwähnten, die ganz gewöhnlichen größeren Eisfjelde, welche von 
KRord- Grönland kommen, bei weitem nicht die größeften. Es kann 
angenommen werben, daß Eisfielde von 100 Millionen Kubik⸗Ellen 
nicht einmal zu den Seltenheiten in dem Meere längs der Küften von 
Grönland gehören. Bedenkt man, daß dieſe Kolofie, deren mindeſter 
Durchmefier 800 bis 1000 Fuß ift, bloß Bruchſtuͤcke des feſten Landeiſes 
find, dann wird es einleuchtend, von welcher außerordentlichen Mäd; 
tigfeit diefes fein muß, und welche bewegende Kräfte erfordert werben, 
um fie auf einer ſchwach geneigten Cherfläche aus dem Imern dei 
Landes hinaus in das Meer zu fchieben. Eine ſolche Platte von über 
1000 Fuß Die wird durch die erwähnten Eisthäler auf den Grund 
des Fiords hinabgefchoben und die Bewegung febt fi) im An 
fang unverändert über den Meeredgrund fort, bis der Außenrand 
eine Tiefe erreicht, in welcher das Waſſer ihn zu heben beginnt; aber 
noch behält es feinen Zufammenhang bei und rüdt, vom Meere ge 
tragen, vor, bis irgend ein außerer Umftand den Zufammenhang auf 
hebt. Dann wird defien innerfter Theil zerbrochen, und giebt dadurch 
die frei ſchwimmenden Gisfielde ab. Diefe Wirfung, welche man 
des „Eisjchimmers Kalbung“ (Jisblinkens Kalvning) nennt, jegt dad 
Meer bis in einen Abftand von A Meilen und darüber in Bewe— 
gung. Aus dem Ebenerwähnten dürfte es ſchon einleuchtenn fein, daß 
man fi) die Eisfjelde nicht mit einer Plötzlichkeit von dem Abfall lad 
brechend und herabftürzend denfen muß; man fönnte eher fagen, daß 
fie fi) erheben, denn in der Regel wird man finden, daß die Gigfielbe, 


Phyſikaliſch⸗ geographiſche Beichreibung von Nord-Grönland. 185 


welche noch nahe vor dem feften Landeife, von welchen fie herruͤhren, 
liegen, höher aus dem Meere emporragen, als der Außerfte Rand des⸗ 
jelben, der etwas Durch den hinterften noch auf dem Lande oder dem 
Meeresgrunde hinabgleitenden Theil niedergebrüdt zu werben fcheint, 
im Mebrigen aber durch das Meer getragen wird oder halb in dem⸗ 
jelben ſchwimmt; denn das Landeis, welches mit jähen Abfällen zum 
Meere Hinaus endet, giebt ficher Feine Eisfjelde ab, fondern nur Hei- 
ned Kalbeis (Kalviis). Es ift ungewiß, ob der äußere Rand von 
dem feften Eife gleichmäßig und beftändig oder periodiſch vorfchreitet; 
aber jelbft deſſen Entzweibrechen oder Kalbung fcheint unabhängig 
Davon auf äußeren Urfachen zu beruhen, fo daß der Standpunft von 
dem feiten Außenrand unbeftimmt ift und mitunter viel weiter vor- 
rüden kann, al& zu anderen Zeiten und ohne daß die Maſſe entzweigebro- 
chen wird; dazu ift es ganz unabhängig von der Jahreszeit, und felbft 
in jedem der Wintermonate falben große Eisfjelde hinaus in das Meer. 
Vom November bis ſpaͤt im Juni find in der Regel die Eisfiorde oder 
die innern Fahrwaſſer, welche hinauf zu den Stellen führen, von be- 
nen das große Kalbeis ausgeht, durch das Eis des Meeres gefchlof- 
fen; in diefer langen Zeit werben die Eiöfjelde in den innern 
Fiorden aufgehäuft. Im Juli, befonders aber im Auguft, werben fie 
Darauf in Maſſe vom Strome hinaus in das offene Meer geführt, 
und dieſes „Ausfchiegen der Eisfjorde,” wie ed genannt wird, bleibt 
bis fpat im Herbft bei, wenn die anhaltenden Oftftröme endlich die 
innern Fahrmafler ganz reinigen, mit Ausnahme von gewiſſen Banfen, 
an denen die Eisfjelde faft immer lange Zeit auf dem Grunde ftehen 
fonnen. 

Dadurch daß man jeht die Dimenfionen der Eifjelde fennt und 
ebenfall8 dadurch, daß man die innern Eisfahrwafler und Mündun- 
gen beobachtet, dürfte e8 nun möglich fein zu einem ungefähren Ueber⸗ 
Ihlag der Menge von Kalbeid zu fommen, welches jährlich von dem 
Sinnenland hervorgebracht und durch die Eisſtrome hinab in die Fjorde 
und durch fie hinaus in dad Meer geführt wird. 

Mir befigen nicht die nöthigen Data, um Beredinungen dar- 
auf zu gründen; indeſſen habe ich während meines ganzen Aufent- 
haltes in Grönland beftändig meine Aufmerffamfeit auf dieſen Punkt 
hingewenvet und glaube theild einen Weberblid über die relative Eis⸗ 


186 Rink: 


production der verſchiedenen Eisfiorde erlangt, theils mir einen Be: 
geiff über die Einheit gebildet zu haben, welche als Maß bei einer 
Angabe der abjoluten Menge, weiche fie an das Meer abgeben, ange 
wendet werden muß. 

Es ſcheint danach, al8 ob von den erwähnten 28 Eistäälern einzig 
5 faft die fammtlichen Eisfjelde abgeben, welche von diefer Küſte aus: 
gehen; 8 bis 10 tragen hierzu in einem geringeren Grabe bei, wo: 
hingegen Alles, was von den übrigen ausgeht, im Verhältnig hierzu 
ganz zu verfchwinden fcheint. — Die 5 jene Hauptmafle von Kalb: 
eis in das Meer führenden Eisftröme find: 

1) der von Jakobshavn, unter 69° 10’ n. Br., welcher ſich in 
den Eisfiord von Jakobshavn ergießt; 

2) der von Toffufatef, unter 69° 50’ n. Br., welcher fich in die 
Bucht Hinter dem Erbprinzen⸗Eiland ergießt; 

3) der von dem größern Kariaf, unter 70° 25’ n. Br.; und 

4) der von dem größern Kangerbturfoaf, unter 71° 25’ n. Br., 
welche fich beide in den Omenaks⸗Fjord ergießen; 

59) der von Upernivif, unter 73° n. Br., welcher fich Hinter der 
Inſel Aufpadlartof im UpernivifssDiftriet ergießt. 

Im Webrigen ift die relative Stärfe der Eisftröme auf der Karte 
dur Querſtriche und durch die Vertheilung des Kalbeifes in den 
innern Fahrwaſſern zu der Zeit angedeutet, worin die Eisfiorde aus 
hießen. 

Dadurch, daß ich in einzelnen Theilen DBermeflungen der Ei& 
fielve, welche den Winter über in den Fjorden eingefroren lagen, vor 
nahm und mich dabei mit den Dimenfionen derjelben vertraut machte, 
ferner dadurch, daß ich ſelbſt die Eismaſſen beobachtete, welche zu ver 
fihiedenen Zeiten aus dem Omenafs-Kjord und dem Jakobshavn⸗Eis⸗ 
fiord Hinauszogen, endlich dadurch, daß ich alle Aufflärungen, welche 
ih in dieſer Richtung zu erlangen vermochte, fammelte, bin ich zu 
dem Refultat gefommen, daß jeder jener großen Eisftröme jährlich über 
1000 Millionen Kubik⸗Ellen in das Meer hinausführt; jedoch muß 
ich Hierbei bemerfen, daß dies für einen der betreffenden Ströme, naͤm⸗ 
lich den, welcher fi in den größeren Kangerblurfoaf ergießt, nur auf 
die Ausfagen der Einwohner gegründet ift, da ich felbft dieſe entle 
gene Stelle nur einmal befucht, und wohl bie Mündung des Yiorbe 


31 61 


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Phyſikaliſch⸗ geographifche Befchreibung von Nord» Grönland. 187 


mit fehr großen Eisfjelden zugeftopft gefehen, aber nicht Gelegenheit 
gehabt Habe, Das Abtreiben derfelben in den Fahrwaſſern zur Som: 
merszeit zu beobachten. 

Diefes nur quantitative Verhälmig Fönnte uns theihveife zu 
Betrachtungen über die Natur der großen Eisftröme und ihre Bedeu— 
tung für das unbefannte Innenland führen. Das Außenland oder 
die Halbinfeln und Infeln haben, wie es wahrfcheinlich ift, ihre von 
dem Innenlande ganz gefonderten Abflußfyfteme. Hier ift e8 überall nahe 
zum Meere, und der größte Strom wird vielleicht nur von einem Ter⸗ 
rain von 30 bis AO Meilen genährt; deſſen ungeachtet findet fich 
ein folcher, der fo breit und tief ift, Daß Die Grönländer ihn mit ei- 
nem Ruderboot befahren können, foweit ed die Gewalt feiner Strö- 
mung zuläßt. Zahlreiche Bergftröme machen jedoch die Wanderungen 
in Sommer überall befchwerlidh. 

Wenn wir und aber dem Hintergrunde der Fiorden, dem großen 
Snnenlande, nähern, welches von hier bis zu der entgegengefebten, we⸗ 
nig befannten Oftküfte gegen ein paar hundert Meilen Ausdehnung 
hat, und Ylußmündungen zu fehen erwarten, die gegen hundert 
Mal fo groß fein follten, als die größte auf dem Außenlande, fo fes 
hen wir hier im Gegentheile fchlechternings gar feine. Die alten Fluͤſſe 
find verfchwunden, und die Thaler in denen fie flofien, find ausge⸗ 
ebnet mit den Gipfeln der Berge durch das ftetd zunehmende Eis, 
welches das Ganze bis zum Meere bededte, und fich fogar in daflelbe 
hinein fortfeßte, dad alte Meeresgeflade verbergend; und mit Recht 
müffen wir nun fragen, wo bleiben die Wafjermaffen, welche im Laufe 
des Jahres ald Schnee oder Regen auf die Oberfläche diefer weit: 
ausgedehnten Eiswüfte fallen? Gleichzeitig fünnen wir aus Gründen, 
die hier näher abzuhanveln zu weit führen bürfte, e8 als eine That- 
fache anfehen, daß die ganze Waffermenge, welche jährlich in der Form 
von Schnee und Regen auf dad Außenland füllt, e8 wieder Durch Die 
Ströme in fließendem Zuftande verläßt, den Theil abgerechnet, welchen 
die VBerbünftung wieder hinwegnimmt, fowie, daß der Theil, welcher als 
Eis in das Meer hinausfält, wenn das Hochlandseis ausfchiept und 
über dem Abhang zerbricht oder fich durch die Klüfte hinab in das 
Meer verzweigt, eine fo geringe Größe ift, daß fie ganz aus der Bes 
rechnung gelaffen werden kann. Dies beweift, welch’ ein geringer Theil 


188 Rink: 


der jaͤhrlichen Schneemenge es iſt, der unter dieſen Breitengraden 
im Stande iſt, dem Aufthauen und dem Fortfließen in dad Meer zu 
entgehen. Wenn wir aber dann auf der anderen Seite die Orte be 
trachten, wo jährlich über 1000 Millionen Kubif- Ellen Wafjer von 
dem Lande in der Form ald Eis abfcheiden, und bevenfen, daß diefe 
Menge ;5 oder möglicherweife ein weit größerer Theil der durch die 
Themfe jährlich gefammelten und dem Meere zugeführten Waſſermenge iſt, 
dann wird es einleuchtend, daß folche Eisftröme eined großen Hinter: 
landes zu ihrer Verforgung bedürfen, und dies, in Verbindung mi 
den mangelnden Fluͤſſen und der Größe des Innenlandes und feiner 
Ausdehnung gegen Often, führt und unwillkürlich auf den Gedanten, 
daß die Eisftröme die verſchwundenen Flußmündungen des alten Ins 
nenlandes repräfentiren, daß das Eis, nachdem ed das Land bis zu 
einer gewifien Höhe bevedt hat, den Weg in das Meer, wie ehemals 
das fließende Wafjer, zu fuchen beginnt, daß, gleichwie in anderen Kli⸗ 
maten das Waffer von den Flüſſen gefammelt und fortgeführt wir, 
es ebenjo hier theilweife in feftem Zuſtande durch die Eisftröme ge 
fammelt und weitergefchafft wird, endlich daß auf dieſe Art der Auf 
thürmung und Ausbreitung deſſelben über das Innere Groͤnlands eine 
Grenze gefebt ifl. 

Hiermit dürfte es ſodann wohl übereinftimmen, daß wir von feinem 
andern Orte mit Sicherheit wifen, daß dort große Eisfjelde probu: 
cirt werben, als gerade an diefer Küfte, welche den größeften Theil 
abgefchloffenen Landes um den Nordpol herum begrenzt, und weld« 
erft mit dem Eisfjord von Jafobshaun oder ohngefähr unter dem 69° 
n. Br., unter welchem Breitengrade Grönland bedeutend in der Ausdeh⸗ 
nung von Weſt nach Oft zunimmt, beginnt. Es fcheint, als ob die Größe 
diefes Hinterlandes eine ebenfo wefentliche Bedingung für die Bildung 
der Eisfjelde ift, wie das firengere Klima, und daß aus diefem Grunde 
weder in dem füblichen Theile von Grönland, noch auf Spitbergen, 
etwas den hier erwähnten großen Eisfiorden Entfprechendes gefunden 
wird. Die Eisfielde, welche längs der Oſtkuͤſte von Grönland herab 
fommen, bürften als von den Eisfjorden auf diefer Oſtküſte herrührend 
angenommen werben, und ebenfo unter einem nörblicheren Breitegrad 
und alfo an der entgegengefegten Seite von dem gefchloffenen Innen 
fande von Grönland. Auf eine folche Betrachtungsart fünnte auch bie 





Phyſikaliſch⸗ geographifche Beichreibung von Nord⸗Grönland. 189 


nachgewiefene Bertheilung der Eisſtröme längs der Küfte von Nord 
nah Süd und ihre Ausbreitung über diejelbe deuten; aber es iſt zu- 
gleich höchſt wahrfcheinlich, daß ſich an denfelben Stellen außerordent- 
liche Maſſen von Süßwaffer aus Refervoiren in dem Innenlandeife 
und unter demfelben in das Meer ergießen. 

Auf welche Art num jest die Bewegung des Eifes von dem In- 
nenlande und durch die Eisftröme zu den Fiorden vor fich geht, ift eine 
Frage, deren Auflöfung wir nur durch eine Unterfuchung des Kalbei- 
fes, der Bauart der Eidfjelde, und durch daraus hergeleitete Schlüffe 
über die Bildungsart derfelben, erwarten fünnen. Es muß in folcher 
Hinficht beſonders hervorgehoben werden, daß das weißliche, von fei- 
nen, langgedehnten und parallelen Blafenlöchern durchzogene Eid, wel- 
ches die Hauptmaſſe der Eisfjelden ausmacht, von großen und fpal- 
tenförmigen Gängen eines faphirblauen durchſichtigen Eifes begleitet 
ift, am welches fich die fremden Einmifchungen von Kies und Stein 
jederzeit anfchließen, und welches auf eine Ausfüllung der Spalten im 
Eife mit Waſſer und einen durch das Erftarren deſſelben möglicher: 
weife hervorgebrachten oder in allen Fallen vermehrten Drud nach der 
Richtung des natürlichen Ablaufes zu hindeutet. Die äußerſt einför- 
mige Vertheilung der feinen linienförmigen parallelen Poren in dem 
fpröden Eife, das die Hauptmaffe aller großen Eisfjelde ausmacht, 
fcheint von dem urfprünglichen Bildungsmoment des Eifes hergeleitet 
werden zu müffen, wenn es durch Schnee oder wiederholter Auflöfung 
und Froft entfleht; fie wird gar nicht, oder nur höchſt unvollfommen 
und undeutlich in den Jöfuln oder dem in die Thäler hinabſchießenden 
Hochlandseiſe wahrgenommen. 

Bei dem Aufthauen Iöft fich dieſes Eis nicht in regelmäßige, genau 
in einander paffende Körner auf, wie es Befchreibungen zu Folge bei 
dem eigentlichen Gletſchereis gefchehen fol; dagegen ift died mit dem 
blauen Eife der Fall, welches die ſcharfen abgefonderten, fpaltenför- 
migen Gänge bildet. Dies dürfte aber dennoch die Erflärung ihres 
Urfprunges durch Ausfüllung der Spalten mit Waſſer nicht verhindern, 
denn dieſes kann oder muß vielleicht mit Schnee vermifcht geweſen, 
und Daraus möchte die geförnte Structur entitanben fein. Fremde Ein- 
mijchungen, Stein und Kies, zeigen fich ſtets als fpaltenförmige Aus— 
füllungen oder geradezu in dem blauen burchfichtigen Eiſe eingelagert, 


190 Rink: 


aber niemals in jenem normalen Eiſe mit den parallelen Poren. Außer⸗ 
dem trifft man häufig conglomeratiſche Eisfjelde, zuſammengeſetzt aus 
unregelmäßigen an einander gehäuften Bloͤcken von verſchiedenem Eiſe, 
vermifcht mit Stein und Kies, der bejonderd das Eis färbt, wel 
ches das Bindemittel ausmacht. Daß in dem Innern des Eifed dann 
auch große MWaflerrefervoire gefunden werben, ift fchon darum 
wahrfcheinlich, weil die Mitteltemperatur, jelbit wenn fie in dem Erd⸗ 
boden unter diefen Breitegraden unter 0° fein fann, doch in einer ges 
wiſſen Tiefe, auf alle Falle von 1000 Fuß, fteigen muß, und daß Dies 
daffelbe fein muß, fei e8 nun der gefrorene Erdboden felbft ober eine 
auf demfelben liegende Lage von Eid. Aber in den Pakitſok⸗Fiord 
habe ich mich davon überzeugt, daß dieſes wirklich flattfinvet, indem 
ein Heiner Strom, der feinen Urfprung am Rande des Innenlandeifed 
hat und unflares, fehmiges Waſſer, wie die Zöfulftröme, führt, mit un- 
veränderter Gewalt den ganzen Winter hindurch firömt. Die Grön- 
länder erzählen von mehreren ſolchen ſehr großen Quellbornen des 
Innenlandeiſes. 

Die Kanäle, in welchen in dieſer Art dad Waſſer geborgen wird 
und fi) in dem Innern des Eifes bewegt, müfien, da das Eis ſelbſt 
in Bewegung ift, häufigen Veränderungen unterworfen fein; bald 
müfjen fie gefchlofien und gefperrt werden, bald müflen fich neue bil 
den, und das Waſſer fich ausbreiten und in demfelben erflarren. Aber 
diefe Betrachtungen fünnten uns leicht über die Grenzen dieſer geogras 
phifchen Abhandlung hinausführen. 

Es wird aus dem Erwähnten einleuchtend fein, welcher Unter: 
fchied zwifchen dem vollfommen unter dem Eije begrabenen unbewohn⸗ 
ten und unzuganglichen Innenlande von Grönland und dem Außen; 
lande gemacht werden muß. Es verfteht ſich von felbft, daß in dem 
Nachftehenden überhaupt nur von dem legtgenannten die Rede fein 
fann, und wir werben deshalb unfere Betrachtung nur biefem Theile 
des Landes zumenden, der durch die zahlreichen Einfchnitte ded Mees 
red, welche ihn zuganglid und bewohnbar machen und Ableitungs- 
fanale für die Eismaſſen bilden, die von dem Innenlande erzeugt wers 
den, und ofne jene ſich auch über einen großen Theil ded Außenlan- 
des verbreiten würden, charafterifirt wird. 

In runden Zahlen, welche feine Anfprüche auf eine Genauigfeit 








Phyſikaliſch⸗geographiſche Befchreibung von Norn-Grönlanr. 191 


machen, dürfte dieſes Außenland zwifchen 67° AO’ und 73° n. Br. 
auf ein Areal von 600 [Meilen angefchlagen und vertheilt wer 
den auf: 


2 Halbinfeln zu 120. . . » 2.2.2... 240 Meilen, 
die Infel Dis . . 2 220220..120 ⸗ 
2 Halbinſeln u 20. 2. 2 22.200.240 ⸗ 
12 Halbinſeln zu 6 bis 8 . . . 80 ⸗ 
kleinere Halbinſeln und Landſtriche noch un⸗ 

bedeckt von dem Innenlandeife. . . . 40 ⸗ 
2 Inſeln u 10 050022. 20 ⸗ 
10 Inſeln zu 2. 2 2 2 nn. 40 ⸗ 
60 Inſeln u bis 1... 20 ⸗ 
mehrere hundert kleine Inſelchen und unzäß- 

ige Shern . . 2 222020. 10 

610 me 


Die Bertheilung von Meer und Land fteht Hier in naher Ver: 
bindung ‚mit der Höhe des Landes, und dieſe wieder mit der geognoflis 
ſchen Befchaffenheit, fo daß dieſe drei Momente paffend in einer Ver— 
einigung abgehandelt werben fünnen. Es ift nämlich hier ein Factum, 
deffen Grund übrigens nicht ſchwer einzufehen ift, daß, je niedriger das 
unebene hüglige Granitland ift, es fich auch deſto mehr, fo zu fagen, mit 
dem Meere vermijcht, und daß die Küften um fo gewundener und gefchlän- 
gelter laufen; wohingegen hohes Platenu- Land, welches befonders für 
die Trappbildung geeignet ift '), mehr gleichlaufende Küften und größere 


) In Hinficht auf die in diefem Abfchnitte angewendeten geologischen Ausbrüde 
wird bemerkt, daß darin unter Granit und Gneus die älteſten Bergmaſſen over fo- 
genannten Urgebirge verflanden werben, von denen angenommen iſt, daß fie die Grund⸗ 
lage aller übrigen befannten Bergmafien bilden, und daß fie die urfprüngliche Berg- 
rinde geweien find, woranf die anderen und jüngeren Bergarten ſich fpäter ab- 
gelagert haben. Dagegen wirb unter Trapp eine Bergart verflanden, die im We⸗ 
fentlichen benfelben Urfprung nnd zum Theil daſſelbe Ausfehen, wie die Lava hat, 
welche die vulfanifchen Berge bildet. Aber gleichwie die Lava nur an gewiſſen Punk⸗ 
ten durch die Erdrinde hervorbrechen und ifolirte, Fegelförmige Berge bilden kann, fo 
muß die gefchmolzene, in fpäteren Erdperioden als Trapp hervorgebrochene Maſſe 
durch fpaltenförmige Oeffnungen emporgeftiegen fein, von benen fie ſich dann ausgebrei- 
tet, hunderte von Quadratmeilen bedeckt und fi zu Bergen aufgethürmt hat, welche 
fih nicht allein durch ihre Höhe, ſoundern auch durch ihre ebene Oberfläche ober bie 
großen Strecken, worin ſich dieſe Höhe erhält, und folglich durch den großen ku⸗ 








192 Rink: 


geſchloſſene Theile Land Hat. Der erſterwaͤhnte Charakter iſt dem ſuͤd⸗ 
lichften Theile der Feſtlandskuͤſte, mit den zahlreichen Infeln, welche fie 
umringen, eigen. 

Wenn wir nun, um und eine Vorftelung von den Berghöhen in 
den befannten Theilen von Nord-Grönland zu machen, eine Bergleichung 
zwifchen diefen und den nächft befannten Ländern anftellen, dann er 
giebt ſich das Nefultat, daß ungefähr ein Achtel des Außenlandes eine 
unebene Oberfläche hat, deren Gipfel ſich hier und dort zur doppelten 
Höhe der hoͤchſten Berge in Dänemark erheben, daß ein anderer Theil 
von ähnlicher Ausdehnung und gleichfalls unebener Oberfläche feine 
Gipfel bis zu dem dreis und fünffachen der höchften Berge in Di 
nemarf erhebt, und in der Höhe ungefähr mit den Yarörn verglichen 
werben fünnte, und endlich, daß der größte Theil oder ungefähr ; des 
Areals fih durch Bergmaffen mit Plateau oder Hochebenen und de 
zwifchenliegenden niedrigen und gleichfalls ebenen Thälern auszeichnet 
Ein bedeutendes Areal dieſer Hochebenen erhebt fich zu derſelben Höfe, 
wie die letzterwaͤhnten Berggipfel, aber in dem mittelften, oder dem zwi 
ſchen 70° und 714° n. Br. liegenden Theil des Gürtel des Auslan 
des, erreichen die Hochebenen ungefähr das Doppelte der lehtermähn- 
ten Höhe und nähern ſich over fallen vielleicht fogar mit dem höd- 
ften Theile von Island, oder mit 3 von den höchften Punkten auf der 
ftandinavifchen Halbinfel zufammen. 

Dieje bedeutenden Hochebenen werden nicht allein von ven Trapp 
gebirgen gebildet, fondern auch, wenn fchon in einer geringeren Aud 
Dehnung, von den Urgebirgen, und dann werben fie in der unmitte 
baren Nähe des Meeres gefunden, ja zum Theil erheben fie ſich auch 
aus demfelben mit lothrechten Klippenwänden; fie bilden den mittelften 
heil von Nord-Grönland und die in hohem Grade imponirenden 
Umgebungen des Omenafd- Fjord. 

In dem bekannten Theile des Diftrirted Egedesminde überfteigen 
bie Berge faum die Höhe von 1000 Fuß, und belaufen fich in der 
Regel bis auf wenige hunderte, fo daß die Infel Rifkol oder Omend 
ce. 67° 58' n. Br.), welche mit dem Barometer zu 829 Fuß gemeſſen 





biſchen Inhalt ver Bergmaflen auszeichnen, wohingegen andere Bebirgeftredten ſich TE 
in der Borm von Gipfeln oder Rämmen zu größerer Höhe erheben. 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Beichreibung von Nord» Grönland. 193 


ift, al8 ein in der Kerne fenntlicher Punkt hervorragt. Das Feftland 
bildet weit hervorfpringende fchmale und gewundene Halbinfeln, und 
diefe werden von dem offenen Meere durch einen Gürtel von zahlrei⸗ 
chen größeren und Eleineren Infeln geſchieden. Ganze Lanpftriche bieten 
ein einförmiges Ausfehen dar; überall erjcheinen graufarbige, unebene 
Anhöhen, fo daß ed auf Reifen nicht leicht ift, fich in dem Labyrinth 
von Meer und Land zu orientiren. Im Rorden dieſes Difteicts bildet 
das Meer mit der anfehnlichen Disko-Bucht einen tiefen und breiten Ein- 
fehnitt gegen Often. Das Feſtland, welches das Innenlandeis von 
dem Meere abjcheivet, wird hier weit fchmaler, wenn fchon es durch Die 
Diftricte Chriftianshaab (Chriftianshoffnung) Jakobshavn und Rittenbenf 
hindurch einen ähnlichen Charakter beibehältz aber die Berghöhen nehmen 
etwas zu. Zunaͤchſt Ehriftianshaab wurde der Bergrüden Kaffarfort (bei 
dem füblichen Wartthurm) mittelft des Barometers zu 1222 Fuß gemeffen, 
und auf gleiche Weife nächft Jakobshavn der Kakkarſoeitſiak Kangilia zu 
1250 Fuß und endlich wurde auch der höchfte, der Colonie Rittenbenf 
gerade gegenüber gelegene Punft auf Erbprinzen»Eiland, ver Kangeks⸗ 
Gipfel, 2200 Fuß Hoch gefunden. Diefe Punkte find abfichtlich erwählt, weil 
fie die bebeutendften Höhen in der ganzen Umgegend repräfentiren, und 
man wird daraus erfehen, daß das Land allmälig nad) Rorven zu ans 
fleigt Die erwähnten Diftriete werden durch vier Halbinfeln und eine 
große Infel, aber nicht Ducch fo zahlreiche Heinere Infeln, als dievo 
rigen, gebilbet. 

Aber Hier beginnen nun gegen Welten und Norden weit bebeu- 
tendere zufammenhängende Höhen, und das Land nimmt ein ganz an- 
beres Ausjehen an. Die Infel Disko tritt zuerft mit den ausge 
dehnten Hochebenen hervor, die durch die Trappformation bedingt find; 
aus der Entfernung gefehen, zeigt fie faft eine zufammenhängenve ebene 
Oberfläche, welche entweder ganz jäh, oder ſchwach terafienförmig zu 
dem Meere hinabfällt; wenn man aber näher kömmt, öffnen fich be 
jonders in dem fübweftlichften und zugleich am beiten befannten Theile 
ziemlich breite Thäler, wodurch die Bergmafje in befondere Syſteme ab- 
gefondert wird, jede mit ihrer eigenen ebenen Oberfläche. Es fcheint, ale 
ob diefe Thäler theilweife ihren Grund in der urfprünglichen Bildungs- 
art der Inſel hatten, und daß fie nicht erft fpäter durch die ausſpülende 


Wirkung des Waffers entftanden find. Man fönnte ſich nämlich vorftellen, 
Zeitfehr. f. allg. Erdkunde Bd. 11. 13 








194 Rink: 


daß geſchmolzene Trappſtroͤmungen, welche durch große Spalten aus dem 
Innern der Erde hervordraͤngten und ſich Horizontal übereinander bis zu 
einer Höhe von über 3000 Fuß ausbreiteten, fich erft über größere 
Streden abgelagert hätten, Darauf aber auf dieſen Stellen ftill ftehen geblie: 
ben feien, worauf dann die getrennten Bergpartieen durch die fpäteren, aus 
ifofirten Deffnungen hervorgedrungenen Ströme gebildet wurden. Die 
fünlichfte diefer Partieen wird Godhavn zunächft gefunden und fcheint 
eine Höhe von 2500 Fuß zu erreichen; der füblichfte Rand der Hod- 
ebene ift auf der beigefügten Specialfarte dargeftellt, wo mehrere H6: 
hen, theild vom Eife aus trigonometrifch, theild mit dem Barometer 
gemeflen, angegeben find. Im Oſten von derfelben erreicht das Sfar- 
vefjeld Imnerſoak über 3000 Fuß Höhe. 

Auf der MWeftfeite der Disfo-Infel fchneiden drei Fjorde ein, 
von denen der nörblichfte nur wenig befannt ift, aber der ſuͤdlichſte 
und größte, der Disko⸗Fiord, ift jebt beftändig beivohnt, wodurch 
fit) die Gelegenheit fand, ihm zu unterfuchen und feine Arme zu 
verfolgen. Der nordoͤſtliche der letzten erftredt fi bei Quannerſoit 
gegen den Mittelpunkt der Infel hin, wo fi) das niedrige Borland 
durch eine üppige Vegetation von Angelifa und Weidengeftrüpp aus 
zeichnet und einen fchönen Gegenſatz zu dem nächft umgebenden Hod- 
land mit den fteilen Klippenmauern und dem befländigen Eis und 
Schnee auf den Gipfeln, von welchen zahlreiche Heine Ylüffe und 
Waſſerfaͤlle ſich in den Ford hinabftürzen, bildet; auch hier herum er 
reicht das Hochland über 3000 Fuß Höhe (Akulliaroferfoah). 

Auf der Oftfeite der Infel, welche fich gegen die Waigat-Straße wer 
det, werden durchaus feine Fiorde gefunden, und, fo weit es befannt 
ift, auch Feine Thäler, mit Ausnahme von Koogengoaf an der nörbli- 
hen Mündung des Sundes. Doch wird von Grönländern, weld 
fih lange auf dieſer Küfte aufgehalten haben, behauptet, daß, ir 
dem fie über das Hochland in der Richtung von Kudliſät nach dem 
Disko⸗Fjord zugingen, fie in dem Innern der Infeln Thäler mit Lan 
feen angetroffen Hätten, und daß fie dort auch Rennthierjagd trieben. Tat 
Hochland fcheint in dem öftlichen Theile zufammenhängender zu feiR, 
und erreicht in dem Norden von Kublifät die bedeutendſten Höhen, 
auf denen überall ewiger Schnee und Eis ausgebreitet gefunden wir. 
Aber die Küftenftrede zeichnet fich hier durch einen breiteren Girtel 





Phyſikaliſch⸗geographiſche Beichreibung von Nord» Brönland. 195 


von niedrigem Borland unterhalb der fteilen Trappabhänge aus; ihre 
niedrigen Berge find von Sandftein und Lehm mit Kohlenfchichten und 
anderen Reften einer Vegetation der Vorzeit gebildet. Es ſcheint und 
ift für alle Bälle auf dem entgegengefegten Feſtlande deutlich zu fehen, 
daß fich die fohlenhaltigen Schichten unter den hohen Trappgebirgen hin 
erftreden und daß fie fo die Grundlage der legten, die ald gefchmolzene 
Strömungen fich weit und breit ausgedehnt und darüber aufgethürmt 
haben, bilden. Das, was wir nun von ihnen fehen, ift nur ihr Aus 
Berfter Rand, welcher unter jener über 2000 Fuß mächtigen Dede 
entblößt ift; wir Fönnen dagegen aus dem häufigen Hervortreten 
diefes Randes längs der ausgeftredten Küften auf das bedeutende 
Areal fchließen, das die Vegetation der Vorzeit und die Lehms und 
Sandſchicht, worin deren Reſte eingehüllt find, einft gehabt haben 
müffen. 

Auf der Feftlandsfeite erhebt fich das Land zu den bedeutendſten, 
jest von und in Nord = Grönland gefannten Höhen, nämlich auf 
der großen Halbinfel, weldhe den Omenafd- Fjord von der Waigat- 
Straße trennt, und welche wir Nourfoafss Halbinfel nach dem auf de- 
ren außerften Spige liegenden Handelöplag nennen wollen. Der weit 
liche und größere Theil ftimmt in Hinficht auf die Befchaffenheit der 
Berge mit der Inſel Disko überein; auf wenigen Stellen fpringt ein 
Heined Borland von primitiven Gebirgsarten vor; darüber lagern fi 
die erwähnten fohlenhaltigen Gebirgsarten, die im Uebrigen zum 
größten Theile allein das Borland bilden und unmittelbar die Küfte 
einnehmen; über ihnen erheben fich endlich überall in einem geringen 
Abftand, 4 bis 3 Meile von dem Meere, die Trappgebirge, in der Ne 
gel eine zufammenhängende Klippenmauer oder Abhänge von eini—⸗ 
gen taufend Fuß bildend, worunter Böfchungen von den losgefpreng- 
ten und längs des Fußes der jähen Abſchuͤſſe angehäuften Klippenblöden 
liegen. Wir fennen hier drei, durch Thäler deutlich gefchiedene Berg⸗ 
fetten. Die Außerfte und niebrigfte wird von den andern durch das 
Itifliks⸗Thal, das von der Mündung der Waigat-Straße in den 
Omenaks⸗Fjord himüderführt, getrennt. Zunädft diefem Thale hat 
fie eine Höhe von ungefähr 2000 Fuß, fallt aber gegen Nordweſt am 
Ende der Halbinfel fehr gleichmäßig fteil ab. Bon den beiden andern 
läuft die eine lange des Waigats⸗ die andere längs des Omenals 

13 * 


196 Rink: 


Ford; zwiſchen ihnen zieht, in gleicher Richtung mit der Ausdehnung 
der Halbinfel, ein großes Thal hin, welches man von der See aus, ein 
wenig im Norboften der Halbinfel, deutlich geöffnet fieht, und das den 
mittelften Theil diefer großen Halbinfel bildet. In den Thälern wer: 
den Landfeen gefunden, von denen ed heißt, daß jie die größten im 
Nord⸗Grönland feien, und von welchen aus fich auch der größte Strom 
gegen Norbweft in das Meer ergießt; diefe Gegend wird zugleich 
der Rennthierjagb halber haufig von den Grönländern durchftreift, und 
in den Seen behaupten diefelben Fiſche von einer eigenen Art und von 
außerorbentlicher Größe gefehen zu haben. 

Der Bergrüden längs des MWaigat-Sundes fcdheint Höhen von 
gegen 5000 Buß zu enthalten, aber es fand fich Feine Gelegenheit, 
bier Meflungen anzuftellen; die Abhänge find von der fteilften Art und 
zunächft dem Meere an der nörblichen Mündung der Straße, wo bei 
Kordlutok fchöne Heine Waflerfälle lothrecht über die dunklen Klippen- 
mauern herabftürzgen, von einem Paar taufend Fuß Höhe. Erft mit 
ten in der Straße ift die Bergmafje von einer Kluft durchſchnitten, 
woraus der Attane⸗Fluß hervorfömmt, und zunächft dem füdlichen 
Ende öffnet ſich ein breiteres Thal durch diefelbe bei Mannif, wo bie 
niedrigen und gleichmäßig abfallenden Berge mit zum Theil noch 
kräftig grüner Vegetation gut bevedt find; die Nennthiere kommen 
bier häufiger bis zum Strande herab, weshalb diefe Stelle von 
den Grönländernald interimiftifcher Zeltpla $ für den Sommer fehr 
geliebt if. 

Befiere Gelegenheit fand fich, Die Bergfette zu unterfuchen, welche 
längs der Suüdweſtſeite des Omenak⸗Fiords läuft. Von ihrem weſt⸗ 
lichen Ende bei Itiflik oder der Hollaͤnderbucht erhebt fie fih faſt 
gleichmäßig auf einer Strede von 2 bis drei Meilen zu einem Pla⸗ 
teau, welches cine ziemlich gleichförmige Höhe in den folgenden A 
bis 5 Meilen beibehält; gegen Often bildet fie dann eine fehr fcharf 
heroorfpringende Ede, die fi) von unten ald ein ſpitzer Gipfel zeigt 
und Kelertingoaf (Weiberhut) genannt wird. Durch forgfältige Wins 
felmefjungen von einer Grundlinie auf dem Fjordeiſe und in einem Ab⸗ 
ftande von einem Paar Meilen kam ich zu dem Refultat, daß der Gipfel 
ungefähr 6000 Fuß Höhe über dem Meere haben möchte. Da es mir 
auffallend war, bier das Doppelte der höchften Punkte zu finden, die 


u“ ri. v4 VI 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Beſchreibung von Nord⸗Groͤnland. 197 


ich bis dahin kennen gelernt hatte, wiederholte ich die Meſſung mehrere 
Male und von einer Menge verſchiedener Punkte auf dem Fjorde, 
erhielt aber Überall ein entfprechendes Refultat. Im Sommer 1851 war 
ich fo glüdlih, ein Baremeter zu erhalten, um die früheren Beobadh- 
tungen damit zu controliven; ich beflieg nun den Bergrüden an zwei 
Stellen, erreichte aber das oberfte Plateau nicht ganz, theild wegen der 
Steilheit des oberften Abhanges, theild auch wegen des Hochlandseifes, 
welches auf den oberften Böfchungen lag und fich als mit tiefen Spal- 
ten und lofen und gefährlichen Kanten verfehen erwies. Eine Erſtei⸗ 
gung hat aber gewiß an einzelnen Orten feine Schwierigfeit. Die erfte 
Stelle wurde zu 3700 Fuß berechnet, und die andere zu A800 Fuß. 
Indem ich nun den Winfel diefer beiden Punkte von der Omenaks⸗ 
Inſel nahm, In foweit fie zu erkennen und ihr Abftand zu ſchaͤtzen war, 
wurde jene auf 3900 Fuß und Diefe zu 5200 Fuß berechnet, wogegen 
zu derfelben Zeit der höher hervorragende Kelertingoaf 6000 Fuß er 
gab. Aber die Barometervermeflung von dem zweiten Punkte war theils 
wegen der veränderlihen Temperatur, theild auch wegen der ungün- 
figen Verhaͤltniſſe, unter denen ich arbeitete, da auf dem Flachlande 
ein warmer öftliher Wind, bei + 100 R. wehte, und auf den Gi⸗ 
pfeln Winpftöße von Süden her bei S 0° ftürmten, ziemlich unficher. 

Ich glaube alfo, nachdem Ich Alles in Betrachtung gezogen habe, 
daß man die Oberfläche des immerwährenden Eifes, welches auf dem 
Plateau liegt und etwas höher, ald die Außerften Hörner ſteigt, zu eis 
ner Höhe von zwifchen 5500 und 6000 Fuß, der legten Zahl jedoch 
näher, veranfchlagen kann. Die oberfle Kante fällt gegen den Yiord 
hinaus fleil ab; aber nach unten zu nimmt das Eis ganz gleichmäßig an 
Steilheit ab, jo daß es zuleht, zunaͤchſt dem Uferrande, ganz ſchwach 
geböfcht oder flach ausläufl. Man hat daher ganz unten eine ziems 
(ich große, vorzugsweiſe gleichmäßig mit Vegetation beflandene Rand: 
ebene; die grünlih-braune Farbe, die es dadurch erhält, nimmt ganz 
allmälig ab, jo wie es auffteigt und unfruchtbarer wird, bis es in 
die fleile Klippenwand übergeht, über deren Rand das fchimmernde 
weiße, das Hochland bedeckende Eis ſich jäh abgefchnitten zeigt oder 
hier und dort fich in muldenförmige Ihäler fenft und fich abwärts 
durch die Klüfte verlängert. Diefe Localitäten werden daher ficherlich 
zur Beobachtung der Abnahme der Temperatur und der Beränderun- 





198 Kin: 


gen des Klimas nach der Höhe zu, günflig fein; die wenigen Data, 
in deren Beſitz ich in dieſer Hinficht bin, und die ſich auf einzelne 
Temperaturbeohachtungen befchränfen, fo wie auch einzelne Bemerkun⸗ 
gen über die Begetation und den in demfelben Maße zunchmenten 
Schnee und endli das immerwährende Eis, werden in dem Yolgen- 
den angegeben werben. Aber auch in geologijcher Hinficht find die 
beiden erwähnten Bergftreden von großem Intereſſe; Sandfteinbildun 
gen mit Reften einer Vegetation der Vorzeit treten länge großer Streb 
fen der Küfte mächtig ausgebildet hervor; an einer Stelle fcheinen 
noch aufrecht ſtehende und unter Lehm und Sand in ihrer urfprünglichen 
Stellung begrabene Baumftämme beobachtet werden zu fönnen; zugleich 
find die Kohlenfchichten zahlreich und von vorzüglicher Befchaffenkeit. 
Ueber diefelben haben fich fpätere Trappftrömungen ergoffen und ſich 
zu jenen bedeutenden Höhen aufgethürmt; aber auch über dieſen hat 
in Zwifchenräumen ber Ausbrüche eine neue Vegetation ftattgefunden, 
indem man hier und dort auf dem Hochlande Kohlenbildungen antrifft, 
weiche auf alten Trappftrömungen ruhen und von jüngerem Trapp be 
dedt find. Das wachſende Eis, welches fich zuleht auf den Gipfeln über 
das Ganze gelegt hat, Höhlt wieder die Gebirge aus, führt jene Ueber⸗ 
tefte an das Tageslicht und bringt Bruchftüde koloſſaler Baumſtaͤmme 
von ungugänglichen Höhen herab in das Meer. Auch die Ein 
wirfung der gefchmolzenen Strömungen auf die organifchen Ueberreſte 
bat intereffante Spuren hinterlaffen. Die Kohlenfchichten find naͤmlich 
an einigen Stellen in natürliche Coaks verwandelt, an anderen in 
Anthracit und endlich an mehr als einer Stelle in Graphit. 

Wir fommen endlih zu dem öftlichen Theile der großen Rour 
ſoals⸗Halbinſel, dem Theil, der zunächft dem Innenlande oder dem In⸗ 
nenlandseiſe liegt. Ex befteht aus Urgebirgen und beginnt gleichfalls wit 
Höhen von über 5000 Fuß, zunächft Kelertingoaf; aber die Gebirge fal⸗ 
fen gegen das Innenland zu ab und find mehr ungleichmäßig gehügelt 
und von Thaͤlern durchſchnitten. Ein Paß führt hier quer über bie 
Halbinfel und wird zur Communication durch Schlittenfahrten zwifchen 
den Eolonieen Omenaf und Rittenbenk benupt. Der hoͤchſte Punkt 
dieſes Weges ift Majorfoeitfiat; ein großer Landſee, Teſſerſoak, erſtredt 
fich von dem Fuße defielden nad) dem Innenlandseiſe und dem ik 





Phyſikaliſch⸗ geographifche Befchreibung von Nord» Grönland. 199 


fiord von Toſſukatek zu; auch um biefen herum leben viele Reunthiere, 
und es wirb theilweife Jagd auf diefelben getrieben. 

Die Nourfaaf- Halbinfel bildet die fübliche Grenze einer großen 
Bucht, welche gegen Norden von einer ähnlichen Halbinfel begrenzt 
und von den Eingeborenen im Allgemeinen mit Omenaks⸗Fiord bezeichnet, 
von den englifchen Walfifchfängern aber Nordoſt⸗Bucht genannt wird. 
Diefer Fjord verzweigt fich in einen füröftlichen und einen norböftli- 
hen Hauptarm und fieben Fleinere Fjorde, welche alle bis zu dem In- 
nenlandeeife hinaufreichen. Hierdurch wird eine entfprechende Anzahl 
Heiner Halbinfeln gebildet, während gleichzeitig einige größere Infeln 
Das Innere des Fiords ausfüllen. 

Alle diefe Gruppen Landes, mit Ausnahme des „Unbefannten 
Eilandes“ und der gegen daſſelbe gewendeten „Upernivils-Nafe“ ge 
hören dem Urgebirge an, und werden von gejchichteten granitartigen 
Gebirgsarten gebildet. Die Bergmaflen zeigen hier eine auffallende 
Geneigtheit, injelförmige Partieen mit einer ebenen, beſonders hohen 
Oberfläche oder kleine Plateaus mit jäh abgefchnittenen Seitenwän- 
den, in welchen man horizontale oder wellenförmige Schichten fieht, zu 
bilden. Zahlreiche Winfelmeffungen überzeugten mich davon, daß der 
Gipfel von Omenak, die Hochebene auf der Disko⸗Inſel und Afpät 
fi) wenig über und unter 1000 Fuß halten. Ich fand dieſe Beftim- 
mungen zu meiner bejonderen Zufriedenheit befräftigt, indem ich während 
der Befteigung der Bergfette auf der Nourſoaks⸗Halbinſel eine vorzügliche 
Aufmerkjamkeit darauf wandte, auf welchen Punkten die verjchiedenen 
Gipfel in daffelbe Niveau fallen und ſich wieder von einander abjon- 
dern. Die größten Höhen erreicht aber das Land auf der Norpfeite 
des Fiords; im Umfreife von Okeſikſak, Kangerdluarfuf und der Uper: 
niviks⸗Inſel ragen überall fteile Wände von gegen 5000 Fuß über 
das Meer empor; die oberfien Kanten dieſer Klippenmauern find 
durch die Einwirfung der Atmofphäre ftarf zerrifien, zerflüftet und zei— 
gen fid) unter den allerphantaftifchften Yormen, wenn man fi nahe 
dabei unter denfelben befindet; das Iimmerwährende Eis Flebt in dieſen 
Höhen überall auf den Heinften Oberflächen und in ben geringiten 
Klüften und Spalten feft, von wo aus es dann oft über den Rand 
hinausfchleßt und unter einem tobenden Lärm Bruchflüde in den Ab— 





200 Rink: 


grund hinunterſchleudert. Aber alles dieſes Land verliert gegen Oſten 
an Höhe, wo es ſich ſenkt und unter der großen Hochebene des In⸗ 
nenlandeiſes verſchwindet. 

Wir kommen jetzt zu einem Landſtriche, welcher auf der ganm 
Küfte der am wenigften befonnte und am wenigften unterfuchte if, naͤm 
lich die große Halbinfel, wodurch der Omenaks⸗Fjord von dem nörlid: 
ften oder dem Uperniviks Handeld-Diftrict gefchieden wird. Die Umrifle 
derfelben find nad) Peilungen von der Infel Kakkak im Omenaks⸗Fjord, 
und auf Reifen in der Umgegend der Anlage „Pröven“ (die Probe) 
im Upernivils-Diftrict, und unter Abfeglungen längs der Küfte von 
und nad) pernivif entworfen; aber die Küften im Norden von 
Kifertarfoat und längs des Lachsfjords im Npernivifs-Diftriet haben 
nach der bloßen Befchreibung wiedergegeben werben müflen, befonders 
nad) derjenigen der Grönländer, welche diefe Landftriche der Rennthier⸗ 
jagd halber bereifen und regelmäßig zwifchen beiden Diftrieten, auf der 
fhmalen Landzunge, welche diefe, von und die Halbinfel des ſchwar— 
sen Winkels genannte Infel, von dem Innenlande trennen fol, ge 
troffen werben. 

Mir dürften fle nach diefen Umriffen zu einem ähnlichen Areal, 
wie die NourfoalssHalbinfel und die Infel Disko, veranfchlagen. Sie 
wird faft ganz und gar von der Trappformation eingenommen; in dem 
ganzen füblichen Theile erreicht ver Trapp keine bedeutenden Höhen und 
man fieht von der See aus faft gar Fein Eid auf dem Lande im Süden 
von dem ſchwarzen Winkel und um denfelben herum; die Berge fallen 
fteil und gleichmäßig ab, Platz für große Thäler lafiend, welche ſich in 
das Innere des Landes hinein erftreden; exit bei der Schalinfel umd 
im Norden berfelben zeigen ſich noch bedeutende Hochebenen mit im 
merwährendem Eife längs der Küfte. 

Im Norden von diefer Halbinfel macht das Meer wieder eine 
mit lauter größeren oder Hleineren Infeln ausgefüllte Bucht, in de 
ren norböftliher Ede das Innenlandeis fodann einen mächtigen 
Strom in das Meer ausgießt. Diefer Archipelagus mit den umge 
benden Küften bildet den nörblichften bäanifchen Handels⸗Diſtrict, bie 
Kolonie Upernivifz von den Infeln erheben fich die größeren Afulliar 
rofef, Nutarmiuts-Infel und Kaforfoak zu bedeutenden Höhen; wie 
e8 fcheint, werden nur auf den beiden leßteren, von welchen Kaſorſoal 





Phyſikaliſch⸗ geopraphiſche Befchreibung von Nord» Grönlann 201 


etwas über 3000 Fuß erreicht, Anfammlungen von immerwährendem 
Schnee und Eis gefunden. 

Im Norden von ihnen erfcheinen lauter Heinere Infeln, wozu auch 
die gehört, worauf die Kolonie Upernivif liegt; fie zeichnen fich faſt alle 
durch ein unfruchtbares und wüftes Ausfehen aus. Ein breiter Sund, 
im Allgemeinen der Eisfjord genannt, weil die Eisfjelde vorzugsweiſe 
den Weg aus dem innern Eisfiord in das Meer durch denſelben fus 
chen, fcheidet die Infeln von dem Feftlande Kastſerſoak; aber weiter 
nach Norden hinan werden für den Augenblid feine Bewohner mehr 
gefunden, die in irgend einer Verbindung mit den bänifchen Handels⸗ 
Etabliffiements ftänden. 


ll. Ueber das Klima des Küftenlanves, die Befchaffenbeit der 
Oberfläche in verfehievener Höhe über dem Meere, das Hoch» 
landseis, die Landfeen, das quellende und das rinnende 
Waſſer. 


Der hier abgehandelte Theil von Grönland liegt ganz innerhalb 
des Polarkreifed oder mit anderen Worten in dem Gürtel der Erde, 
wo die Sonne zu einer gewiflen Zeit des Jahres in Mitternacht nicht 
untergeht und gleichfalls eine gewiſſe Zeit ſich nicht über dem Hori⸗ 
zonte im Mittag zeigt. Obfchon nun dadurch bewirkt wird, daß man 
mehrere Monate des Jahres hier vollfommenen Tag hat, fo ift man 
doch aus leicht faßlichen Gründen weit von dem Falle entfernt, daß 
man In derfelben Art eine eben fo lange Zeit beftändige Nacht Hätte. 
Bei Godhavn auf Disko kann man 5.2. felbft an dem dunfelften Tage, 
um die Mittagszeit genügend fehen, um in einem einigermaßen lichten 
Zimmer lefen zu fünnen, bei Omenaf nur zur Roth, befonders wenn der 
Verſuch mit gar zu trodener Luft zufammentrifft; aber unter offenem 
Himmel kann man fogar an dem nörblichften Punkte zu der Zeit genug 
fehben, um die feinfte Schrift zu lefen. Im Allgemeinen ift in Be⸗ 
ziehung auf die dunkle Jahreszeit oder die Dauer der Winternächte eine 
große Verſchiedenheit auf den nörblicheren oder fünlicheren Punkten 
der Küfte herrſchend, und biefer Unterſchied wird überdies durch die 
umgebenden Berghöhen, welche die Sonne noch für eine gewiſſe Zeit 





202 Rink: 


verbergen koͤnnen, nachdem ſie ſchon uͤber den Horizont gekommen iſt, 
und ehe ſie unter denſelben verſchwindet, modificirt. Unter der Breite 
von Egedesminde verſchwindet alſo die Sonne am 1. Dechr. unter den 
Horizont und erfcheint erft wieder am 11. Januar, fo daß die dunkle Zeit 
40 Tage währt; aber in der Breite von Upernivif dauert die Winter 
nacht vom 12. November bis zum 30. Januar, oder 79 Tage, wo 
von 9 Tage dunkler find, als die dunfelften bei Egedesminde. Bei 
Omenak währt die eigentlich dunkle Zeit 63 Tage, aber auf Grund 
des hohen Landes im Süden der Kolonie wird die Sonne ſchon 12 
Tage vorher und nachher nicht gefehen, und fie ift folglich 87 Tage 
hindurch verfchwunden. Obſchon fie bereit am 22. Januar über dem 
Horizont fteht, ſieht man doch erſt am 2. Februar einen Heinen Schin⸗ 
mer ihrer Scheibe in einer Kluft des Feſtlandes hervorfommen und 
nach Verlauf von einer Minute bereitd wieder verfchwinden. In 
den letzten Tagen des Januard Hat man ſodann den prachtvollen 
Anblid, dag zur Mittagszeit die hohen, den Fijord umgebenden Berg: 
gipfel ein purpurrother Dämmerfchein färbt, welcher fich mit jedem 
Tage weiter über das jchneebededte Hochland ausbreitet und fi tie 
fer hinabfenkt, bis endlich die Strahlen über den Fjord und deſſen ein- 
gefrorene Eisfjelde geworfen werden. 

Die finftere Zeit macht fih nur dann drüdend fühlbar, wenn 
fie mit unruhigem und flürmifchen Wetter, mit dider Luft oder Schnee 
geitöber verbunden iſt. Bei klarer Luft und gutem Wetter entbehren 
die Einwohner zu feiner Zeit 2 bis 3 Stunden Tageslicht, um in dad 
Freie hinauszuziehen und ihren Erwerb auf dem Eife oder der Sr 
zu ſuchen; und eine foldye beftändige Witterung tritt gewöhnlich) nad) 
der Sonnenwende zur Weihnachtszeit in Verbindung mit der ftrengen 
Kälte ein, indem das Thermometer in der Regel erft zu der Zeit 
unter — 20 R. zu finfen pflegt. An folden Haren Tagen wird 
in der Mittagszeit, ohne das Leuchten der Sonne im Süden, eine 
prachtvolle Färbung der Luft im Norden oder an der entgegengefehten 
Seite des Himmeld gefehen, wo fich dann ein mehr oder weniger in 
tenſives rothes Licht in der Form eines, die Grenze zwifchen dem niedrig⸗ 
ften, dunfelblauen und von der Erde vollfommen befchatteten und dem 
oberften, von der Sonne erleuchteten Theile des Himmels bildenden 
Bogens zeigt, und in den Haren Nächten gewährt das Nordlicht ei 


Phyſikaliſch⸗ geographiſche Beichreibung von Nord - Grönland. 203 


nen nicht minder erhebenden und belebenden Anblid. Aber es ift eine 
unrichtige Vorftellung, daß das Nordlicht in diefem Theile der Polar: 
gegenden fo haufig und fo intenfiv fein follte, daß es wejentlich auf 
die Erleuchtung derfelben wirkte, wogegen allerdings der Mond in dies 
fen falten und flilen Nächten fo Har ift, daß man die feinften 
Umriſſe der fchneebededten Felde auf einige Meilen Abftand unter: 
fcheiden kann. 

Ebenſo wie die Sonne felbft in der finfteren Zeit vermittelft ih⸗ 
rer Nähe unter dem Horizonte immer noch etwas Tageslicht hervors 
bringt, hat man auch eine gewifie Zeit hindurch vor oder nad 
dem eigentlichen immerwährenden Tage im Sonmer feine wirkliche 
Naht. Man kann bei Upernivif auf einen gegen A Monate währen- 
den Tag rechnen, wofür man zum Gegenfage nicht einmal eine 3 Mo- 
nate dauernde Nacht hat, und felbft in jeven 24 Stunden derſelben ent- 
behrt man im Freien nicht einiger Stunden Tageslicht. Auf diefe Art 
geichieht ed, daß die Sonne in den Polarländern eine weit größere 
jährlihe Summe von heller Zeit hervorbringt, als in jenen Zonen, 
welche dem Aequator näher liegen, wie viel ftärfer auch der Contraſt 
in Beziehung auf die Temperatur in der firengen Kälte, welche da- 
durch erzeugt wird, daß die Oberfläche der Erde eine gewiſſe Zeit des 
Jahres hindurch ganz der erwärmenden Wirfung der Sonnenftrahlen 
enfzogen ift, dabei hervortritt. 

Es ift befannt, daß die jährliche Mitteltemperatur überall in Grön- 
land mehrere Grade unter dem Gefrierpunft ift; Beobachtungen wurden 
hierüber unter verjchiedenen Breitengraden angeftellt, unter andern bei 
Upernivif, Omenak, Godhavn, befonders aber bei Jakobshavn, wo ber 
Arzt der Kolonieen, Herr Rudolph, ein Journal über die Temperatur, 
den Barometerftand und die Witterung 11 Jahre hindurch, in der 
fünften Glodenftunde der 24 Stunden geführt hat. 

Wir fönnen erwarten, aus der Bearbeitung und der möglichen 
Vermehrung dieſes Materiald eine volltändigere Meteorologie zu er: 
halten, als man bisher von irgend einer anderen fo nörblichen und dem 
Kältepole jo nahe liegenden Gegend beſeſſen hat; vorläufig wollen wir, 
was die Mitteltemperatur betrifft, und hier auf die folgende Tabelle 
befchränfen, welche die Reſultate fünfjähriger Beobachtungen auf Drei 
verfchiedenen Punkten enthält. Bon dieſen habe ich die monatliche 





204 Rink: 


Mitteltemperatur für Upernivik und Jakobshavn von Herrn Prof. Pe⸗ 
terſen erhalten, der die Reſultate ſaͤmmtlicher Beobachtungen geſammelt 
und die Veranſtaltung derſelben auf verſchiedenen Punkten der Küſte 
gefördert hat; Die von Omenak rühren von dem Herrn Kolonieverwalter 
Fleifcher, der 12 Jahre hindurch, jedoch nur während der Wintermonate 
October bis incl. April beobachtet hat, her; die fehlenden Monate Tem; 
peratur wurden nad) der zwifchen den drei Punkten in den übrigen 
Zeiten des Jahres ftattfindenden Proportion interpolirt. 

Die fammtlihen Zahlen find nur aus den Morgen: und Mit: 
tagsbeobachtungen ausgezogen werben: 


Mitteltemperatur nah Graden Reaumur: 








Jakobshavn O 


menak 
69° 12 11” 70° 40’ 


Upernivit 

’ | 72° 47’ 49" 
noͤrdl. Br. noͤrdl. Br. nördl. Dr. 

Anguſt 1842 | Auguft 1833 | Auguf 1833 

. bis Juli 1846. | bis Jult 1838. | bis Juli 1838, 


Gonna 2 2 2 er 2 2. — 14,2 — 17,0 — 19,7 
Geburt .» > 2 2 en — 15,2 — 18,2 — 224 
Mi rn — 11,6 — 14,8 — 18,6 
en — 67 — 81 — 13,0 
7 .. — 01 (— 0,9) — 26 
Juni 2 2 2 2 ren + 3,7 (+ 3,0) — 1,39 
Mr. | + 59 (+ 4,9) + 3,3 
Auf. 2 2 2 2 + 4,3 (+ 3,8) + 29 
September . . 2. 2 20. + 10 (+ 0,) + 05 
October — 2,5 — 42 — 55 
November.. 2 2.0. — 91 — 81 — 97 
December . » 2: 2 000. — 12,2 — 14,3 — 172 





Unter diefen Beobachtungen find die von Upernivif wegen bedeu⸗ 
tender Mängel in der Zahl der beobachteten Tage in jedem Monate 
die wenigft zuverläfftgen. Im Ganzen bedarf es dort wegen der Uns 
beftändigfeit des Klimas einer längeren Reihe von Jahren, um daraus zus 
verläffige Refultate zu ziehen. Die Mitteltemperatur für die einzelnen 
Monate wird für Omenak nach zwölfjährigen Beobachtungen fat um 
einen Grab höher ald nach den obenftehenden fünf Wintern, welche 
offenbar ganz befonders firenge geweſen find. In runden Zahlen biürfe 
ten wir vielleicht die Temperatur der Küftle unter dem 69° n. Br. 
auf — AIR. veranfchlagen, unter dem 71° auf — 5! R. und auf 








Phnftkalifch=geographifche Befchreibung von Norb-Grönland. 205 


dem nörblichiten Bunfte unterm 73° n. Br. auf 740 R. Und mit dies 
jen Größen wollen wir und vorläufig begnügen, bis fpecielfere und ges 
nauere Berechnungen vorgenommen fein werben. 

Wenn wir die Temperatur in dem mittleren Theile Nord⸗Groͤn⸗ 
land’ mit der von Dänemark vergleichen, fo zeigt es fich, daß unfere 
fälteften Monate Januar und Februar dem Monat Mai in Omenaf 
entfprechen, ferner daß der wärmfte Monat Juli in Omenaf zunächft 
unferem April entfpricht, endlich daß die Fältefte Hälfte des Jahres in 
Dänemark, vom November bis April, um 2° wärmer ift, als die wärmfte 
Hälfte des Jahres, vom Mai bis October, in Omenaf. Zugleich fieht 
man aber, daß der Unterfchied zwifchen dem nörblichften und ſuͤdlichſten 
Punkte der hier abgehandelten Küfte ſchon bedeutend ift, und daß die 
Temperatur gegen Norden zu in einem erhöhten Verhältniffe abnimmt, 
indem bie beiden Breitengrade von Jakobshavn bis Omenak nur eine 
Abnahme der Temperatur von 1°, und die darauf folgenden Breiten- 
grade von Omenak bis Upernivif von 2° hervorbringen. Zwiſchen dei 
legten, der nörblichften Kolonie in Grönland und der füblichften, Juliane 
haab (Fulianes Hoffnung), ift der Unterſchied eben fo groß, wie zwi⸗ 
fhen Julianehaab und Kopenhagen. Man wird hieraus auf den 
außerordentlichden Grad fchließen fönnen, womit die Temperatur von 
Upernivif an weiter nach Nordweſten zu, in welcher Richtung man 
bie Lage des Kältepold annimmt, fich vermindert, und wie wenig bie 
Strenge des Klimas in der von den Dünen befeßten Küfte Grönlande 
gegen die zu bebeuten Kat, die in den Fahrwaſſern innerhalb des 
Lancafters Sundes herrfht. Man wird fi) davon auch bald und 
Durch einen flüchtigen Blid in vie Reifeberichte von Parry, Roß und 
Anderen, welche den grimmen Wintern in dieſen Gegenden getroßt ha⸗ 
ben, überzeugen fönnen. 

Das Klima von Rord- Grönland ift im MWefentlichen ein Küften- 
fima und ſehr abhängig von den Winden in der Davis-Straße und 
der Baffins-Bucht und durch fie wieder von dem großen Treibeife, 
das theils von Spigbergen längs der Oftfüfte von Grönland, um 
das Kap Farvel und die Straße hinauf bis höchſtens zum 64° n. Br. 
kömmt, theild aus dem Grunde der Baffins« Bucht und des Lancafter- 
Sundes bis gegen Egevesminde und Riffol; das lebte, oder das Weſt⸗ 
eis, erreicht jedoch nur in Außerft feltenen Faͤllen die Küfte. Als eine 


206 Rink: 


Folge hiervon, und im Ganzen, auch wegen der noͤrdlichen Lage, iſt 
das hiefige Klima in hohem Grade unbeftändig und weit größeren 
Zufällen unterworfen, ald in den temperirten Zonen. Hierzu koͤmmt 
noch der große, im Winter ſtattfindende Gontraft zwifchen denjenigen 
Theilen der Oberfläche des Meeres, welche mit Eis belegt find, und je 
nen, welche fich offen Halten, in welcher Hinficht in Nord-Grönland gleich 
falls eine große Variation in den verfchiedenen Wintern gefunden wirb. 
Die Unbeitändigfeit des Klima’d zeigt fih am fchärfften in der Strenge 
der verfchiedenen Winter oder in den monatlichen für einzelne Jahre 
berechneten Mitteltemperaturen. So treffen wir in der erwähnten Reihe 
von 12 Wintern in Omenaf einen December von — 6,4’ R. im Jahre 
1831 und einen von — 22,6 R. im Jahre 1832; einen Januar von 
— 5,0° im Jahre 1830 und einen von — 21,3 im Jahre 1835; eis 
nen März von — 5,9% im Jahre 1840 und einen von — 21,7° im 
Sahre 1832. 

Diefe Eontrafte find natürlicherweife noch weit größer, wenn man 
einzelne Tage in demfelden Monat des Jahres vergleicht, und bedenkt, 
daß die Temperatur in den ftrengften Wintern zu Zeiten plöglic) meh⸗ 
rere Grade über 0° fteigen kann, und daß man folglich in deinfelben 
Monat eine Temperaturverfchiedenheit von 20 bis 30° Kälte haben kann 

Es ift befonders dieſe Unbeftändigfeit und nicht fo fehr die firenge Kälte, 
woraus das Unbehagliche in dem grönländifchen Klima entfteht. Eine 
Temperatur von 20 bis 30° mit Harem und fiilem Wetter wird faum 
irgend Jemand, der fich der eigenthimlichen, zweckmaͤßigen und fowohl von 
den Grönländern, al8 auch von den Europäern benutzten Kleidertracht be 
dient, beſchwerlich. Es braucht zum Beweife nur erwähnt zu werben, daß 
man in derfelben Kleidung fich in einem Zimmer von 15° Wärme auf: 
halten, und aus demfelben hinausgehen und fi) in 25° Kälte bewegen 
fann, ohne fich durch diefen Wechfel von AO® fonverlich befchwert zu 
fühlen, um daraus fchließen zu Fönnen, wie vorzüglich hier die Kleider: 
trat dem Klima angepaßt ifl. 

Wenn fich aber mit diefer Kälte Wind vereinigt, was an ein 
zelnen Stellen nicht felten der Fall ift, dann wird fie auf einmal 
im höchften Grade unerträglich und für die entblößten Theile des Ge 
fichtes, welche man vergebens auf irgend eine Art gegen den Froſt zu 
fichern fucht, gefährlich, denn der Athem überzieht fogleich jede Bedeckung 





Vhyſikaliſch⸗ geographiſche Beſchreibung von Nord - Grönland. 207 


derjelben mit Reif und Eis, und macht fle dadurch fchlinnmer, als wenn 
man gar feinen Schuß hätte. Man ftellt ſich mitunter vor, daß die ſtrenge 
Kälte immer mit flilem und gutem Wetter verbunden ift; dies gilt 
jedoch nur für die öftlichen Gegenden, für das innere der Fiords und 
dann felbft nur für die allerftrengfte Zeit. An ven Außeren Küften, 
und daher befonders bei Godhavn, kann fogar noch bei — 28 bie 30° 
eine ganz frifche Kühle von Often her und zwar aus ganz ifolirten 
Inälern auf der Infel, unter denen das Windthal, welches aus die⸗ 
fem Grunde nicht mit Unrecht feinen Namen führt, wehen und beim 
Beginn des Winters, bevor fi) das Eis auf die Disko⸗-Bucht gelegt 
hat, find harte und ftürmende Oftwinde bei — 17 bis 18 R. fowohl 
bei Godhavn, als in den öftlihen Theilen der Disko⸗-Bucht, fehr haufig 
und langwierig. Diefe localen Winde oder Landwinde zeigen fich mit 
gutem Wetter und klarer Luft verbunden ober bilden vielleicht eine 
Folge davon; aber wenn in den firengen Wintern unruhiges Wets 
ter eintritt, bläaft e& in ver Regel bei — 10 bis 140 R. von Süden 
her ftürmifch und mit Schnee verbunden, ja es fann auch vorkommen, 
obfchon gewiß felten genug, daß e8 bei — 240 R. hart und mit Schnee- 
treiben ftürmt. Im Sommer ift das unbeftändige Wetter eben fo un- 
behaglich, ald im Winter; man kann gewöhnlich darauf rechnen, daß 
jeder Wind, mit Ausnahme defien aus Süboft, zu was für einer Zeit 
es auch immer fei, falt und empfindlich ift, wenn man fich auf Som: 
merreifen im Boote befindet, und daß dies befonderd dann eintritt, 
wenn der Wind mit Regen und Schnee verbunden ift, endlich daß man 
zu jeder Zeit des Jahres, im fchlechtem Wetter, genöthigt werden kann, 
fein Zimmer zu erwärmen. 

Die großen Veränderungen des Wetterd fcheinen meiftend von 
dem warmen Winde, der genau von DOften oder Südoften fümmt und 
gerade über das eisbededte Innenland herweht, auszugehen und fich 
um denfelben zu drehen. Diefer Wind, der in jeden Monate des 
Jahres und auf der ganzen Küfte eintreten kann, und beftändig eine 
Erhöhung der Temperatur mit fich führt, die fich befonvers im Win- 
ter bemerkbar macht, wo fie dad Thermometer plößlich zu einem Stel 
gen von 20 R. bringen Tann, ſcheint von dem atlantifchen Meere 
herzurühren und eine Ausgleichung zwifchen der weit milderen Tem⸗ 
peratur deſſelben und den falten Gegenden im Weiten Grön- 


208 Rink: 


land's, unter denſelben Breitengraden zu bewirken. Es iſt nämlich 
offenbar gar nicht zu erwarten, daß die wärmften Luftftrömungen 
von Süden herfommen können, wo wir die Küften von Labrador und 
Kewfoundland antreffen, fondern daß der nächfte wärmere Luftftrich im 
Dften oder Südoften liegt. Diefe einfache Betrachtungsart, im Ver⸗ 
eine mit verfchievenen Phanomenen von dem Winde felbft, fcheint am 
Beften den Urfprung des warmen, dem Anfcheine nad) von der großen 
Eiswüfte herfommenden Luftſtroms zu erklären '). 

Das Herannahen des warmen Sübofiwindes wird im Durdy 
ſchnitt durch den niedrigften Stand verfündet, welchen das Barometer 
haben kann; es fallt nicht felten unter 27”, erreicht ed aber 26” 10” 
oder darunter, fo fann man orfanartige Windſtöße erwarten. Zu 
derfelben Zeit zeigt fich der Himmel ſchwach überzogen, beſonders mit 
bläulichen, langen, ovalen Wolfen von einem fo eigenthümlichen Aug- 
fehen, daß man faum fehlgreifen fann, wenn man diefelbe ald Vorboten 
des Sturmed annimmt; diefe Wolfendede fcheint außerordentlich Hoch 
und erreicht nie die Berggipfel in der Weife, wie das Gewölf, welches im 
Gefolge der anderen Winde iſt. Inzwiſchen ift Meer und Luft jebt 
ganz windftille, und die Atmofphäre fowoHl im Sommer, wie im Win: 
ter durch die plögliche Temperaturerhöhung drüdend; aber die Luft 
zeigt eine feltene Durchlichtigkeit, und ferned Land, welches man fon 
faum fchimmern fehen fann, wird klar und deutlich erfannt. Dann 
tritt der Sturm auf einmal, aber erft auf den größeren Berghöhen 
ein; man fieht ven Schnee über das Hochland hinwirbeln, und befin- 
det man fich auf dem Yjordeife unter den großen fteilen Abbängen im 
Norden von Omenak, fo Tann man felbfl den Sturm faufen und 
braufen hören, während ed noch unten auf dem Eife ganz windſtill 
ift; er weht darauf 2 bis 3 Tage oder länger, jedoch fehr unbes 
ftändig, bald fich fanft bis zur Stille abſchwächend, bald wieder wit 
plöglicden Stößen hervorbrechend. Zuweilen, indeſſen felten, wird der Ein- 





+) Here Prof. Peterfen hat mich darauf aufmerffam gemacht, daß der warme 
Mind möglicherweife von dem zurückkehrenden Baflat herrühren türfte, wofür auch 
unlängbar der Umftand fpricht, daß er zuerſt in den hoͤhern Regionen der Luft ber 
ginnt. Es muß indeß hinzugefügt werden, daß die Richtung bes Windes, welche im 
Ganzen öftlich if, ſich nach der Küftenlinie zu richten und immer gerade von bem 
Lante her zu wehen fcheint, fo daß er im Diftrict Julianshaab ganz genan in Norvoft 
übergeht, was ich ſelbſt im Vorüberfegeln anf der See zu beobachten Gelegenheit ges 
habt Habe. 








Phyſikaliſch⸗geographiſche Beſchreibung von Norb- Grönland. 208 


tritt des Südoftwindes von Schauer: und Strichregen begleitet, felbft im 
Januar und Februar; aber dann wird helleres Wetter und er weht die 
übrigen Tage bei klarer Luft, wobei die außerordentliche Trodenheit des 
Windes Höchft auffallend ift; das Thermometer, welches auf + 3 bie 
40 R. Steht, finkt, wenn er befeuchtet wird, auf 0° und, ohne daß auch 
nur ein Tropfen rinnendes Wafler zum Vorſchein Fäme, fieht man den 
Schnee dünner werden und vom Lande verfchwinden. 

Aus dem bereitd erwähnten Journale des Herrn Fleiſcher über die 
12 Winter von 1829 bis 1841 in Omenaf geht hervor, daß der Wind 
in dieſem Zeitraume, mehr oder weniger intenfiv, genau von OSO. 
her aus dem Omenaks⸗Fiord berausgefommen iſt. Im jährlichen Durch» 
fchnitt wehten die Winde: 
3 Tage im October bei +14° oder 5° über der Mitteltemperatur, 
«» ss Rovembr = +2° = 4 2 5 ⸗ 
⸗2December⸗—30 = 10° 
s . Januar ⸗ —210 1230 
⸗Februar⸗ —2° 150 
2⸗Maͤrz = +4° » 15° 
⸗ ⸗ April 24 12° s„ 90 ⸗ ⸗ 
Hieraus erſieht man, wie bedeutend dieſer Wind beitragen muß, um 
die jaͤhrliche Mitteltemperatur zu erhoͤhen, und dies iſt vorzugsweiſe auf 
dem innern Feſtlande, welches derſelbe überfchreiten muß, und von wel⸗ 
chem er unmittelbar herfümmt, der Yal. Aber man muß keineswegs 
glauben, daß die hierdurch hervorgebrachte plöglihe Milde in der Luft 
eine Behaglichkeit oder Erleichterung der Strenge des Klima's herbei- 
führt; die plögliche Temperaturerhöhung um 20° wirft, felbit wenn 
dadurch 0° erreicht werden fönnte, eben fo abftumpfend und erfchlaf- 
fend, wie eine übertriebene Sommerwärme Dazu kommt, daß der 
Wind durch feine ungeheure Gewalt im Winter das Eis zum Treiben 
in die mehr ausgefebten Fahrwaſſer veranlaßt, daß er dadurch fogar zu 
jeder Zeit Hinderniffe in den Weg legt, um in das Meer hinauszu⸗ 
sieben, und daß er endlich fo Verlufte und Stillftand in den Erwerbe- 
zweigen der Einwohner mit ſich führt, fowie auch das aufgehobene 
Gleichgewicht in der Atmofphäre felten ohne Unwetter und Wind von 
andern Seiten wieder hergeftellt wird. 

Hat der Südoft ausgeweht, fo folgt in der Regel Wind genau 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. 11. 14 


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210 Rink: 


von Süden her und durch die Straße kommend, häufig ſtürmend 
und unruhiges Wetter mit fi) dringend, Schnee oder Regen führent, 
von deſſen jührlicher Menge der größte Theil in der Regel dem Winde 
aus diefer Richtung gefchuldet wird. Beim füblihen Winde hängen 
die Wolfen über die Fielden herab und Hüllen das über einer Höhe 
von 1000 Fuß liegende Land ein; das Thermometer hält ſich auf 
— 10 bi8 12° im Winter und + 4A bi 5° im Sommer. 

Bei Nordwind ift aber die Luft entweder Har, oder die Wolfen 
hängen ganz niedrig und gehen in Nebel über; dad Thermometer finft 
bi8 mitten im Sommerauf 0° und + 1°, und der Nebel fegt mitunter 
im Monat Zuli Eisförper auf dem Thaumwerf der Schiffe ab. Im Win- 
ter kann es bei — 240 R. aus Norden und mit Schnee vermifcht, hart 
wehen. 

Außer diefen mehr vorherrichennen Winden von Norden, Often 
und Süden, giebt ed in der Davisftraße auch häufig mehr oder we: 
niger landwärts von Weften, Nord- oder Süpdweften wehende Winde. 
Dies ift befonders im Sommer und im Herbft der Fall und fcheint we 
gen der mitfommenden Kälte und Nebel feine Urjache in dem Treibeife ver 
nördlichen Theile der Baffins-Bucht und in dem Temperatur- Unter: 
fchiede über berfelben und über dem Lande zu haben. Endlich wird 
bemerft, daß bei normalem Wetter die befannten loralen Land⸗ und 
Seewinde an dieſer Küfte fehr beftimmt und mit großer Heftigfeit ein- 
treten, und es iſt hierbei charakteriftifch, daß dieſe Winde nicht fowoN 
auf die 24 Stunden des Tages, als vielmehr gleichmäßig auf Tag 
und Nacht in den verfchiedenen Jahreszeiten vertheilt find. Ihre Stärke 
ift leicht aus den großen Contraften erflärlich, welche zwifchen der Tem: 
peratur der Oberfläche Ded Meeres und den durch die Sonne flarf 
erhigten eingefchloffienen Fiorden im Sommer flattfinden und endlich 
ebenfo zwifchen dem Meere, wo es noch offen, und dem in den fpä- 
teren Herbftnächten durch die Ausftrahlungen ftarf abgefühlten Lande. 

Der große, zwiſchen einander berührennen Luftfchichten flatt- 
findende Wärme-Unterfchied äußert auch in optifcher Hinficht feine 
Wirkung durch die in diefen Gegenden außerordentlich häufigen 
und zu jeder Jahreszeit beobachteten Luftfpiegelungen; aber gewöhn- 
lich erfcheinen diefe in der Art, daß der unterfle Fuß des Lars 
des verſchwindet, und an feiner Stelle der zunaͤchſt angrenzende obere 


— — — — — ⸗ — — — — — — — — — — — . — 


Phyſikaliſch⸗ geographifche Beſchreibung von Nord⸗Groͤnland. 241 


Theil fich umgefehrt zeigt, wobei Kleine runde Inſeln, welche fich ale 
Cirkelſegmente darbieten, fo wiedergegeben werben, daß fie fugelförmigen 
oder elliptifhen auf der Meeresfläche liegenden Gliedern gleichen, 
und fcharf abfallende Punkte fcheinen fih unten nach innen zu nei 
gen; feltener find die Luftfpiegelungen, wodurch der obere Theil 
der Berggipfel verfehwindet, und flatt deffen der untere Theil fi um- 
gekehrt abbildet, fo daß Fegelförnige Gebirge umgekehrte Kegel auf ih: 
ren Gipfeln erhalten und rauchenden Vulkanen zu gleichen fcheinen, wos 
gegen ih das ganze Land platt und mit nach oben fpringenben 
Winkeln an den Seiten zeigt. 

Der Seewind ift während der Sommermonate in den Fiorden überall 
fo vorherrfchend, daß er fi) nur wenig legt oder ein Paar Stunden 
in der Nacht einem fchwachen Oftwinde Platz macht; eben fo leicht ala 
ed deshalb ift, in die Fiorde hineinzufommen, eben fo fehwierig wird es 
aber auch aus ihnen herauszulommen, und an einzelnen Stellen, 3.8. im 
Disfo- Ford, macht diefer Wind durch feine Kälte und Heftigfeit Die 
befte Zeit des Jahres und der 24 Stunden fogar unleidlich. Noch anfal- 
tender ift der Landiwind, welcher vom Herbft bis zum Winter bläft. 
Er zeigt fih am heftigften, wo das große Innenlandseis dem Meere am 
nächften ift, folglich, wie man leicht fehen wird, längs der Disko⸗Bucht. 
Es giebt Jahre, in denen er hier im October, November und December 
faft unaufhörlich herrſcht; aber im Pakitſok⸗Fiord weht er im Septem- 
ber, felbft bei gutem Vetter, wie ein Sturm, der fih nur nach der wärms 
ften Zeit am Tage ein wenig befänftigt. Erſt wenn das Eis ſich im 
December oder Januar auf die Disko-Bucht gelegt hat, beginnt der 
Oſt⸗ oder Landwind abzunehmen. Daher fümmt es, daß das Eis ſich 
nicht von dem Lande aus in dem öftlichen Theile der Bucht zu bilden 
beginnen fann, wo der Wind diefe felbft noch in fehr firenger Kälte 
offen hält, fondern daß es fid) erſt weiter hinaus ald Treibeis zeigt, welches 
dichter und Dichter zufammenbadt, fih dann nah dem Lande zu aus: 
breitet und auf diefe Art endlich die Bucht mit dem Oftwinde erreicht. 
Aber bei Godhavn beginnt der Oftwind gerade erfl, wenn das Eis 
fich gelegt hat und firenge Kälte eingetreten ift; dies dürfte mögli- 
cherweiſe dadurch erklärt werden, daß dort noch oft große offene Waf- 
fer weiter nach Welten zu gefunden werden, und daß die zugefrorene 
Disko» Bucht dann dahin gebracht wird, die Rolle des Landes zu fpie- 

14* 





212 Kin: 


len. In den tiefen Fjorden des Diftricts von Egedesminde follen 
nach den Ausfagen der Grönländer beide Winde im Sommer vereint 
fein, indem dort eine Luftftrömung fowohl vom Meere, ald auch im 
Innerften der Yjorde oder von dem Innenlandeiſe aus ftattfindet, 
weshalb die Rennthiere nach dem legten hinaufziehen follen, um Schuß 
gegen die Sonnenwärme und die Müden zu fuchen. 

Beobachtungen über die Schnees und Regenmenge, welche in Hin- 
fiht auf die für das Aufthauen des immerwährenden Schnees und Ei⸗ 
ſes geltenden Geſetze Bedeutung haben, befonderd was das Innenland 
und das von demfelben ausgehende, ſchwimmende Kalbeis betrifft, werben 
noch fo gut, wie ganz entbehrt. In dem Journale des Herrn Rudolph 
für Jakobshavn finden ſich zwar einzelne Vermeſſungen, die einzigen 
die wir befigen, angeführt; aber wegen der Schwierigkeiten, welche 
mit der Meflung des Schnees verbunden find, find fie nur ausnahme- 
weiſe angeftellt worden. Wir wollen und darauf befchränfen, aus 
diefem Journale die Mittelanzahl der Tage auszuziehen, an welchen 
dort im Laufe von 10 Jahren, von 1840 bis 1849, jührlich in jebem 
einzelnen Monat Schnee oder Regen gefallen ift, wobei zu bemerfen if, 
daß die Tage, für welche Regen und Schnee angeführt wird, zu den 
Schneetagen gerechnet find; nur bei wenigen findet fi) ausdrücklich 
beigefügt, daß der Regen überwog. 


Regentage. | Schneetage. | Bufammen. 








Janmuat. . . 0,1 5,0 
Februar 0,1 4,3 
Min. .... 0,2 5,7 
Al . 2... 0,1 8,3 
Mi... .... 0,9 7,4 
Su ..... 3,2 81 
li. » 2. 22. 6,2 6,4 
Aufl . . . .. 9,4 10,5 
September 3,1 8,1 
Dichter. . . . . 1,5 7,3 
November . 0,3 6,5 
December . 0,4 6,3 
Das ganze Jahr .| 35 | sa | 888. 


Hierbei muß bemerkt werben, daß die Monate April und Auguſt, 
welche dort die meiften Regen: und Schneetage enthalten, zugleich die 
find, in welchen auf jeden Tag die größte Menge von atmofphärifchem 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Beichreibung von Nord⸗Grönland. 213 


Waſſer fat. Aber im Ganzen kann man wohl behaupten, daß Nord⸗ 
Groͤnland cher ein trodenes, als ein feuchtes Klima hat. Demnächft 
iſt die verjchiedene Vertheilung von Feuchtigkeit recht bemerkbar; bie 
Außerfte Küfte nimmt ficher mehr auf, ald die öftlicheren Theile und 
leidet im Ganzen mehr durch Nebel und rauhfaltes Wetter; daraus 
Dürfte e8 wohl erklärt werben, daß die Beeren immer in weit größes 
rer Menge im Innern der Fiorde und an der Disko⸗Bucht, felbft 
dem Innenlandeeife zunächft, ald auf den äußeren und weftlichften Ins 
feln ihre Reife erreichen. Der Südwind, welcher beſonders Schnee und 
Regen mitbringt, giebt auch, indem er über die Nourfoafss Halbinfel 
ftreicht, eine weit größere Menge an diefe Sühweltfeite, als an bie 
fi gegen den Omenaks⸗Fjord wendende Norboftfeite ab. 

Die Dürre und Kälte der Luft zufammen bringen zumwege, daß 
fi) die Einwohner aus den rohften und einfachften überall vorhans 
denen Materialien Häufer erbauen, welche im Stande find dieſem 
harten Klima zu trotzen. Es ift befannt, daß die Grönländer 
im Sommer in Zelten wohnen, und zum größten Theile ein herum» 
ftreifendes Jagbleben führen. Im Herbft gegen den Monat Septems 
ber zu, wenn fie von der Rennthierjagd auf ihre Winterpläge zuruͤck⸗ 
fehren, müflen fie darauf bedacht fein, fich ihre Winterhäufer zu er 
bauen over zu reftauriren; fie fuchen dann ganz flache und vieredige 
Steine aus und ftapeln fie abwechfelnd mit Rafenftüden auf, mit denen 
fie noch die Zwiſchenräume ausfüllen; wenn biefe einfachen Mauern 
fertig find, wird darüber mit Hülfe von Balfen und Brettern oder 
Zweigen und Rafenftüden, ein flaches Dach gelegt, welches das Ganze 
bedeckt. In einem milden und feuchten Klima würden dieſe mit fo 
geringer Sorgfalt aufgeführten Erdhaͤuſer kaum, als gegen die Feuch⸗ 
tigkeit Schuß gebend angefehen werden fünnen; aber hier, wo 7 Mos 
nate hindurch Dad und Wände beftandig gefroren find, Tann in 
der Regel von Feuchtigfeit von außen her nicht die Rede fein, und 
das Haus bleibt zugleich dicht und warn. Wan ift auch geneigt ſich 
übertriebene Vorſtellungen von der fchlechten und verpefteten Luft in 
diefen Häufern, worin fo viele Menfchen in einem engen Raume zus 
fammengebrängt find, und alle mit dem Seehundsfange und der Haut 
bereitung unreinlichen Berrichtungen vorgenommen werden, zu mas 
chen; die Strenge des Klima’d Hilft nämlich felbft diefer Unannehm- 





214 Rink: 


lichkeit ab. Man muß bedenken, daß die Luftveraͤnderung nicht fo fehr 
auf der Größe der Deffnungen, durch welche die Luft eindringen ſoll, 
al8 auf dem Unterfchied der Außeren und der inneren Temperatur, 
beruht. Es ift befannt, daß die Grönländer zum größten Theile ihre 
Häufer mit denfelben Lampen erwärmen, welche ihnen zur Beleuch— 
tung dienen, und daß fie dadurch im Stande find, eine flarfe Hitze im 
den kleinen Räumen zu erzeugen. Der Unterfchied zwifchen der Tem 
peratur außen und innen ift 30 bis A0* und auch noch darüber; das 
durch wird aber die Geneigtheit der äußeren Luft durch alle ervenfli- 
hen Deffnungen einzudringen, in einem hoben Grabe erhöht, und es 
ift Thatfache, daß man fich in den ftrengen Wintern von der Luft in den 
grönlandifchen Häufern nicht fonderlich beſchwert fühlt. Am wenigſten if 
dies am Tage der Fall, wenn die Häufer gut warm gehalten werben, und 
die Bewohner häufig aus⸗ und eingehen, inden die Thür geöffnet wire 
und man die falte Luft in der Form eines Nebeld bis mitten in Das 
Zimmer ſtroͤmen flieht; eher fühlt man die Luft am Morgen brüdend, 
wenn man die Nacht in einem folchen Haufe zugebracdht hat, alle Bes 
wohner in demfelben Raume gefchlafen haben, die Thüre nicht geöffnet 
war, und die Lampen halb ausgegangen find, indem dieſe Dadurch zum 
Dualmen famen und der Raum abgefühlt worden ift. 

Ganz anders verhält es fich, wenn mildes Wetter eintritt, unb Das 
durch ein geringerer Unterfchied zwifchen der außeren und ber inneren 
Temperatur entfteht; dann ift die Luft immer in einem hohen Grabe 
verdorben. Es giebt aber auch ſolche Pläge, wo die Grönländer in 
dem Grade arm und gleichgültig find, daß fie nicht die nöthigen Häute 
zu Zelten fanmeln können und deshalb den Sommer in ihren Win— 
terhäufern zubringen, wo asldann, wenn der Schnee verfchwunden if, 
die um die Häufer herumgeworfenen Unreinlichfeiten fichtbar wer: 
den, und das Faulen und die Verwefung des Blut und der ande 
ren Weberrefte von dem Schlachten der Seehunde in dem Innern dies 
fer Höhlen beginnt, wahre Schredensbilder des menfchlichen Elen⸗ 
des fich darbieten und natürlich im hoͤchſten Grade dem Geſund⸗ 
heitszuſtande der Bewohner gefährlich werden muͤſſen. Auch entfleht 
häufig das Ungemach, daß im Herbfte, wenn die Grönländer in bie 
auf Froſt berechneten Winterquartiere gezogen find, noch im Octo⸗ 
ber und felbft im Rovember Regen oder Thaufchnee mit Regen meb- 





— — — — 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Beſchreibung von Nord» Grönland. 215 


rere Tage hindurch eintreten kann, wodurch dann zuletzt das Dach 
durchweicht wird, und die Bewohner ſehr darunter zu leiden haben. 
Uber das beruht auf der geringen Sorgfalt, welche die Grönländer auf 
die Conftruction dieſer Häufer verwenden, indem ed dort Häufer giebt, 
welche Erbmauern und Erbdäcer haben, von bänifchen Leuten einge: 
richtet find und fowohl im Sommer ald im Winter bewohnt werben, 
ohne daß der Regen durch das Dach dringt, und die daher als fehr 
zwedmäßig angejehen werden müffen, beſonders wenn man die gerin» 
gen, bei ihrer Aufführung zur Verwendung fommenden Mittel in 
Betrachtung zieht. Die dänischen Wohnhäufer in den Golonien von 
Grönland find nämlih von übereinander gelegten Balfen aufgeführt, 
fogenannte Stodwerkshäufer ganz nach dem Mufter der norwegifchen 
Häufer; fie find warm und dicht, und müffen als die allein zweckmaͤ⸗ 
Bigen betrachtet werben, wenn man etwas Anderes, als die grönlän- 
difhen Häufer haben will; wozu noch kömmt, daß foldhe Holzhäufer, 
wenn fie erhalten werden, wegen der geringen Neigung des Hol 
zes in diefem Klima in Fäulniß überzugehen, eine fehr lange Zeit ſte⸗ 
hen fonnen Die meiften der jeht vorhandenen Kaufmannswohnungen 
Nord⸗Groͤnlands, haben fich fo feit der erften Begründung der Eolonieen, 
oder feit ungefähr 100 Jahren erhalten, und noch ift Fein Berfallen ders 
felben zu fehen. Recht auffallend, aber zu gleicher Zeit leicht erklärlich 
ift in diefen Häufern während des Winters die außerorbentliche Trofs 
fenheit, die fich theild in dem flarfen Staub, theild in der Schnelligfeit, 
womit Nahrungsmittel und andere feuchte oder fließende Gegenftände 
die offen hingeftellt werben, eintrodnen, äußert. Es ift einleuchtend, daß 
Died von dem ſtarken Luftwechfel und der vermehrten Faͤhigkeit, Feuch⸗ 
tigfeit aufzunehmen, welche die eindringende Luft dadurch erhält, daß 
fie 30 bis 400 wärmer wird, herrührt, und es ift nur ein aus ber 
Heimath mitgebrachted Borurtheil, daß man in diefen Häufern im ſtren⸗ 
gen Winter nöthig haben folte, Thüren oder Fenſtern zn öffnen, um 
friſche Luft zu ſchaffen. 

Diefelbe Strenge des Klima’, weldye es bewirkt, daß fich die 
Holzgebaͤude fo lange erhalten, gereicht auch in Bezug auf andere Dinge 
zu großem Nuten, und namentlich ift dies hinſichts der Aufbewaß- 
rung der Nahrungsmittel der Fall, gewiß ein fehr bedeutender Vortheil, 
der noch größer für ein Volk fein Fönnte, welches von animalifcher 








216 Rink: 


Nahrung lebt, indem die Erwerbung derſelben von fo vielen Zufälligfeiten 
abhängt, daß fie zu gewiſſen Zeiten fehr reichlich fein, zu anderen aber ganz 
ausbleiben kann. Das Rennthierfleifch, welches im Monat Auguft er 
langt wird, vermag, wenn ed erft im September gut in das Haus ge 
bracht ift, fich bi zum Juni des nächften Jahres zu erhalten, ohne daß 
ed befonderd eingerichteter Vorrathskammern bebürfte. In Kellern oder 
Erdhaͤuſern werden Fleiſchwaaren in gefrorenem Zuftande längere ober 
fürzere Zeit bis in den Sommer confervirt, je nachdem fie mehr oder we⸗ 
niger gegen das Eindringen der Wärme geſchützt find. Es iſt nam 
lich befannt, daß die Wirkung der Temperaturveränderungen in der 
Luft erft fpäter unter der Erde, und eben fo in foldhen abgefchloffes 
nen Räumen eintritt, fo daß ſich Die Wärme des Sommers dafelbft erſt 
im Herbfte Außert, fo wie auch die Kälte des Winters erft im Frühe 
jahre. Aber je mehr der Ort von der äußeren Luft abgefondert ift, 
defto mehr gleichen fich die Veränderungen aus; und wenn man be 
denkt, daß es dort nur A Monate giebt, in weldhen die Mitteltempes 
ratur über den Gefrierpunft geht, weshalb man bei dem Torfgraben auf 
den Heinen Torfinfeln fchon in 10 Zoll Tiefe auf immerwährenden 
Froſt ftößt, und daß man endlich felbft im Sommer ſich mit Leichtigs 
feit an den meiften Stellen frifches Eis aus dem Meere zu verfchaffen 
vermag, fo dürfte es fich gar nicht als fchwierige Aufgabe darftellen, 
Eisfeller in Grönland zu erbauen, oder Erbhäufer, in welchen man zu 
jever Zeit Lebensmittel niederlegen fönnte, bie fich darin fo lange 
erhalten würden, als man es irgend wollte Wohl eignet fih das 
Klima auf der anderen Seite auch zur Aufbewahrung von Fleifch 
waaren durch das Trodnen, welches die am meiften gebräuchliche Mes 
thode der Grönländer ift, um ihre Vorräthe für den Winter zu cons 
jerviren, fo weit diefelben im Ganzen einen Hang haben, Vorräthe 
zu fammeln und zu erhalten; aber diefe Methode erfordert doch weit 
mehr Zeitverluft, Hat Ungelegenheiten im Gefolge und ift fehr von ber 
Witterung abhängig, wogegen die eben erwähnten Vorrathshäufer 
nur ihre eigene Ausbefferung und den Transport der rohen Nah— 
rungsmittel an diefen Ort erfordern. 

Schließlich will ich mir den Verſuch auferlegen, ob es möglich 
fei, ein mehr anjchauliches Bild von dem geönländifchen Klima zu ge- 
ben, indem ich einige Rotigen über die Witterung anführe, fo weit als 


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Phyſikaliſch⸗geographiſche Befchreibung von Nord⸗Groͤnland. 217 


ich felbft in den 3 Jahren meines dortigen Aufenthaltes Gelegenheit 
hatte, fie fennen zu lernen. Der Sommer 1848 war ungewöhnlich 
beftändig und ſchoͤn; wenn dieſes der Kal ift, find die in einem Boote 
unternommenen Sommerreifen in Grönland, auf denen man aber ſo⸗ 
wohl Zelte, als alles Uebrige zu den Lebenserforderniffen gehörende 
mitnehmen muß, gerade fo behaglich und angenehm, als fte in den 
ungünftigen Sommern mühjfelig fein fünnen; das fommerliche Wetter 
währte noch bis gegen die Mitte des September, worauf Froſt ein- 
trat. Aber nun wurde ber Mebergang zur firengen Jahreszeit durch 
ein fehr ftürmifches und unruhiges Wetter bezeichnet. Nachdem die 
Landfeen ſchon überall im October mit Eis belegt geweſen waren, trat 
in den erften Tagen des Novemberd wiederum Thaumwetter mit vielem 
Regen und Schnee ein, welche die Fußftege bei Godhavn unwegſam mach: 
ten, in die Häufer der Grönländer eindrangen, und deren fchon durch 
das unruhige Wetter eingetretenen Mangel und fchlechte Verfafſſung 
vermehrten. Erft am 21. November fanf das Thermometer unter 100 R. 
und hielt fih fo den Reſt des Monates, wobei die Sonne zugleid) 
vom Horizonte verfchwand, nachdem man fie die legten Tage wes 
gen übertrodener Luft durchaus nicht gefehen hatte und dann begann 
Thaumetter nicht mehr vor dem April. Im Laufe des Decembers 
blieb die Temperatur, mit Ausnahme eines Zwiſchenraumes von einis 
gen Tagen, in denen das Thermometer wieder bis auf — 3°") flieg, 
dabei, abzunehmen, worauf unruhiges Wetter mit Schnee und Sturm 
von Sübweften und Norden bei — 12 bis 14°, und mehrere Tage 
Sturm aus Often bei — 17° folgte. Endlich am 22. December fegte 
fih das Wetter mit firenger Kälte, und das Thermometer fanf zum 
erften Male unter 20°. Nachdem das eingefchloffene Meer fchon län- 
gere Zeit hindurch belegt gewefen war, wurben jest zum erften Male 
fpiegelblanfe Stellen von duͤnnem Eife weit und breit auf dem offe- 
nen Meere der Disfos Bucht gefehen, und bald lag das Eis feſt, fo 
weit ald das Auge reichen Eonnte. In den ſchoͤnen und Haren Tagen, 
kurz nach Neujahr, konnte man jet die Nähe der Sonne unter dem 
Horizonte durch das eintretende vollfommene Tageslicht bemerfen. Um 
10 Uhr Vormittags Herrfchte indefien noch halbe Dämmerung, und man 


2) Hier, wie überall im Folgenden, find Grade nad Reaumur gemeint. 


218 Rink: 


ſah einzelne Sterne an dem dunkelblauen Himmel im Norden, erblickte die 
eisbedeckte Meeresflaͤche mit den eingefrorenen Eisfijelden, und das 
ſchneebedeckte Hochland zeigte feine Umriffe und Unebenheiten durch Die 
feinften Zeichnungen von ſchwachem Licht und Schatten; die tiefe Stille, 
welche über diefer Landfchaft ruhte, wurde nur durch einen fonderba- 
ren ftöhnenden oder fingenden Laut unterbrochen, den das Eis erzeugte, 
welches fich bewegte und längs des Uferrandes durch das Steigen und 
Fallen des Wafferd oder möglicherweife auf Grund einer Bewegung 
in den offenen Meere gebrochen wurde. Gegen 11 Uhr erfchien ver 
rothe Bogen am Himmel im Norbweften, an dem Uebergang zum Blau 
des Himmels in violett und gelb fpielend und fih dann allmälig, wie die 
Sonne fih auf der entgegengefeßten Seite näherte, zum Horizonte bins 
abfenfend. Um 114 Uhr wurde der Bogen nur noch durch das Windthal 
zwifchen den hohen Fjelden gefehen, worauf fih die Nähe der Sonne 
durch die flarfe Erleuchtung der Fleinen Wolfen über dem Horizonte 
im Süden zu erkennen gab. Befonders feierlich war ed aber die Son- 
nenfcheibe zu erbliden, weldhe 6 Wochen zuvor von dem finfteren und 
flürmifchen Himmel im November verfchwunden war, als fie fich an 
dem beftimmten Tage auf der ebenen und ruhigen, jchneeweißen Mer 
resfläche wieder zeigte, nachdem fie fehon zwei Tage zuvor, in der 
Mittagszeit einen purpurcothen Schimmer auf die hohen fteilen Abs 
hänge von Disko geworfen hatte. 

Die ftrenge Külte währte bis zum lebten Tage des März und ers 
reichte ihre Höhe in der erften Woche dieſes Monats, wo das Ther⸗ 
mometer in zwei Naͤchten auf 28 bis etwa 30° Kälte ſank. Die 
allgemeine Temperatur war in biefer ganzen Zeit 20 bis 24° Kälte, 
und am häufigften mit dem fchneidenden Ofhvinde verbunden, der ab 
und zu fehr flreng wurde, jo daß das Eis ſich von dem Lande zu lös 
fen und Spalten zu befonmen anfing, woraus dann das Wafler, 
welches fo plöglich der Eisfälte der Atmofphäre ausgefegt wurde, wie 
aus einem Kefjel dampfte und einen dunklen Nebel hervorſtieß. Nur 
ein paar Mal wurde die Kälte durch den milden Süboftwind, der Dazu 
beitrug, die Mitteltemperatur zu heben, unterbrochen. Am heftigften 
trat der Oftwind zulegt im Januar ein; am 31ſten des Morgens war 
es ganz ftil, und eine plößliche Milde wurde in der Luft verjpürt, 
indem das Thermometer bis auf — 10° geftiegen war und das Baro⸗ 





Phyſikaliſch⸗geographiſche Beichreibung von Nord⸗Groͤnland. 249 


meter ſchnell jan. Um 10 Uhr des Abends war das Thermometer wies 
der bis auf — 40 gefliegen und der Barometer auf 27” gefunfen; va 
brach plöglich ein Sturm aus, das Thermometer flieg bis auf — 1° 
und der Wind erichien, auf Grund des großen Eontraftes mit den vor- 
hergegangenen Tagen, wie eine milde Sommerluft. Um 11} Uhr war 
das Eis im Treiben, und das kohlſchwarze Meer wurde an eben ders 
jelben Stelle gefehen, wo man den ganzen Tag über zu Fuß gegan- 
gen und im Schlitten gefahren war. Am 1. Yebruar blieb es dabei, 
zu flürmen, aber fehr unbeftändig, während das Thermometer in der: - 
felben Weife unbeftändig zwiſchen 0° und einige Grade darunter bin 
und ber fpielte. Haft alles Ei8 war verſchwunden, fo weit man das 
Meer überjehen konnte. Eben fo fchnell aber, ald die Temperaturerhör 
hung eingetreten war, fiel das Thermometer am folgenden Tage uns 
ter Wind und Schneegeftöber, bi8 es am Abende bereit auf 22° 
Kälte bei fternenflarem Himmel fand. 

In der dunklen Zeit zeigen die Thermometer Beobachtungen am 
Mittage und den übrigen Tageszeiten faum einen conftanten Unter: 
ſchied; es jcheint, al8 ob die Sonne durchaus Nichts dazu beiträgt, 
die Atmofphäre zu erwärmen, und als ob die Erdoberfläche einer voll 
ftändigen und ununterbrochenen Abkühlung durch die Waͤrmeausſtrah⸗ 
lung überlafien fei. Aber felbft wenn fie im Januar klar fcheint, merft 
man noch kaum eine erwärmende Wirkung von deren fteil herabfals, 
lenden Strahlen. Erft im Februar könnte man das Antlig dadurch 
gegen die Angriffe des Froſtes fehügen, daß man ed der Sonne zus 
wendet; aber dad Thermometer zeigte doch im Schatten im Durchfchnitte 
faum 1 Grad Unterfchied zwifchen Nacht und Mittag. Im März wird 
der Mittelunterfchied plößlich gegen 40; dies rührt beſonders von 
den falten und ftillen Tagen her, und er zeigt fic) an diefen am größ- 
ten; fo ftand das Thermometer in der Nacht vor und nach dem 19, 
Mäaärz, einem Haren und flilen Tage, auf 22 und 25° Kälte, aber 
am Mittage fland es im Schatten auf 12° Kälte; und in einer Kleis 
dertracht, welche für Winterreifen eingerichtet ift, fühlt man fich an 
folchen Tagen im Sonnenfchein fat durch die Wärme befchwert. 

Nichtsdeſtoweniger fehen wir aus obenftehender Tafel, daß die Sonne 
nicht im Stande iſt, die Mitteltemperatur diefes Monate um mehr ald 2° 
über die des fälteften Monats zu erheben, und felbft der Kulminationspunft 


220 Rink: 


der Winterkaͤlte oder die kaͤlteſten Tage treten oft erſt in dieſen Monaten ein. 
Die Nacht zwifchen den 26ften und 27ften fanf das Thermometer zum 
lebten Male in biefem Jahre unter 20°. Gleich mit dem Anfange des 
April gewann eine mildere Temperatur Oberhand; die Mitteltemperatur 
diefes Monats blieb 14° Höher, ald die des vorigen und das Thermo⸗ 
meter fiel gar nicht mehr unter 13°. In diefem Monate wurde der 
größte Unterfchied zwifchen der Temperatur in Sonne und Schatten bes 
merkt, und am allerfchärfften fand derfelbe zwifchen dem Mittage und der 
Nacht ftatt; zu derfelben Zeit, in der ed frifch mit 6 bis 8° Kälte wehte, 
fonnte man im Sonnenfchein, wo das Thermometer im Schuß vor dem 
Winde fiel, die Luft faft vrüdend warm nennen. Dieſer Eontraft ift jehr 
füh!bar, unbehaglich und für die Geſundheit nachteilig. Die allgemeine 
Erfältungsepidemie im Fruͤhjahre in Grönland hat fich als in dieſem häufi⸗ 
gen und plöglichen Wechfel begründet erwiefen. Am 4. April flieg das Ther⸗ 
mometer zum erften Male feit dem November über den Gefrierpunft, und 
diefes wiederholte fich im Laufe des Monats 11 Mal, aber immer nur zur 
Mittagszeit und fo, daß die Sonne noch faum erfenntlich auf den Schnee 
wirfen fonnte, ausgenommen dort, wo fie an einen fchwarzen Gegenftanb 
grenzte, und noch war feine Spur von rinnendem Wafler zu fehen. 
Gleichzeitig zeichnete fi) dieſer Monat durch die größte Schneemenge 
und durch unruhiges Wetter aus; das Eis brach überall auf dem 
„offenen Meere, und am 10ten fchon halb innerhalb des Fiordes, wor 
auf ed noch auf der Disfo-Bucht lag und hin- und Hertrieb und die 
Walfifchfängerfchiffe, die ſchon am 26ften zwifchen denfelben und ſich 
dem Lande nähernd gefehen wurden, hindert. Endlich fand ſich der 
1. Mai ein, an welchem man an Blumen und grüne Felder zu den- 
fen pflegt, von denen hier aber fchlechtervings nicht die Rede war, und 
man würde am Morgen auf der ganzen Infel Godhavn vergeblich num 
nach einem Xöffel vol Waſſer gefucht haben. In der Nacht Hatte es 
8° gefroren, die Kleinen Landſeen waren mit Eis bebedt; das wenige 
Waffer, welches fi am Mittage in einem hohlen Steine gefammelt 
haben Fonnte, war wieder um 8 Uhr Abende mit Eis bevedt; eine fteil 
und fcharf abgefchnittene Eismaffe von 3 bis A Ellen Dide Hebte 
als ein Reſt von dem Eife des Meeres noch rund umher an dem 
Uferrande, der Schnee lag 5 bis 6 Ellen tief in den Klüften, und nicht 
ein Korn von den Eis⸗ und Schneemaffen, welche ſich auf dem Lunde 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Befchreibung von Nord⸗Grönland. 221 


aufgehäuft oder längs dem Strande erſt feit dem November angehef- 
tet hatten, war fo aufgetbaut, daß das Waſſer davon hätte in das 
Meer fließen können. 

Erft am 2. Mai begann der Schnee, welcher bisher fo Iofe und 
leicht gelegen hatte, daß jeder Windſtoß ihn in Bewegung jebte, un- 
ter Einwirkung eines milden Oftwindes, der bei klarer Luft und 
einem paar Grad Waͤrme wehte, am folgenden Tage beiblieb, und am 
4. Mai in Sturm mit 4 bis 6° Wärme überging, kennilich zufammen 
zu finfen. Dann begannen am Bormittage die Steine und die Gipfel 
Der Berge aus dem Schnee hervorzuragen, und am Rachmittage wurde 
in den Vertiefungen und unter dem Schnee das erfte rinnende Waffer 
bemerkt; noch fchneller fah man ſodann die dunklen Klippenwände auf 
dem Hodlande von Disko hervortreten, und zugleich führte der Sturm 
alles Treibeid aus der Disfo-Bucht hinaus, worauf ed nicht mehr ger 
fehen wurde. In dem übrigen Theile ded Mai trat der Froſt regel: 
mäßig jede Nacht ein, aber am Mittage waren minbeftend 2 bie 
A? Wärme, und nur an einzelnen Tagen 0° mit nebeligem Wetter; 
zuweilen fiel noch Schnee, welcher jedoch fogleich wieder verfchwand, 
doch wurde von Regen bis in diefen Monat nicht gefpürt. Der 
regelmäßige Rachtfroft machte den Schnee ſchon um 10 bis 11 Uhr 
des Abends Kart, und da ed nach dem 10. Mai immerwährendes Ta⸗ 
geslicht If, war dieſe Jahreszeit vorzugsweiſe dazu geeignet, wäh 
rend der Nacht Reifen über Land zu unternehmen. Am Abende des 
10ten fuhr ih nach Tunnurfoaf, ein Thal, welches fich hinter dem 
Sfarvefjeld ausbehnt und halb mit immerwährendem, auf der gans 
zen Norbfeite diefes hohen Berges niedergelegtem Eife angefült ift. 
Der Strom, welcher aus dem Windthale hervorföümmt, hatte fich 
fchon den Weg duch ein Bett von Eis und Schnee gebahnt, doch 
ließ er fi) noch paffiren; aber in dem oben erwähnten Thale, welches 
fehr eingefchlofien und von den Fielden befchattet liegt, war noch kaum 
ein Zeichen von dem beginnenden Verſchwinden des Schnees, der Alles 
eben und gleichmäßig feft bededfte, zu fehen Am 13. Mai des Mor- 
gend um 23 Uhr begab ich mich auf den Weg zu dem Gipfel von 
Disko zunächft Godhavn; der Schnee war wieder hart, wie Eis, und 
die Wafferpfügen fonnten ung tragen. Auf dem Gipfel war zur Mittags- 
zeit, obfchon die Sonne in dem ftillen und Haren Wetter faft brennend 





222 Rink: 


genannt werden konnte, keine Spur vom Thauen des Schnees, welcher 
auf dem Hochlande und dem immerwaͤhrenden Eiſe Alles miteinander 
bedeckte, zu bemerfen; auch nicht einen Tropfen Wafler konnte man fin- 
den, um auf demfelben den Durft zu löfchen. Aber beim Herabfleigen 
ſank man überall in den Schnee ein, der Die gegen Süden gewendeten 
Abhänge bevedte, und in dem fogenannten Lyngmark⸗Thale ( Haides 
kraut⸗Thal) hörte man in den feinen Bächen, tief unter dem Schnee, 
Waſſer riefen und Steine rollen. 

Am 3. Zuni fiel zum erfien Male in diefem Jahre ein wenig 
Regen, ver jedoch bald wieder durch Schnee abgelöft wurde, und am 
5. Juni wurde die erfte Blume, Saxifraga oppositifolia, welche auf 
Disko entfprofien war, gefunden. Den Sten bis 10ten trat Sons 
nenfcheinwetter mit 10 bis 12° ftarf auf die Reſte von Schnee wir: 
fender Wärme; Cochlearien, Weiden, Potentillen und mehrere an- 
dere Pflanzen fingen an zu blühen. Aber dann folgte wieder unruhi⸗ 
ges Wetter, darauf füdlicher Wind mit vielem Schnee, welcher mehrere 
Tage liegen blieb. Bei der Anfunft im Disfo-Yjord, am 16. Juni, 
wurde Alles mit dem neuen Schnee bevedt gefunden; hier fonnte 
man noch in den innerften Theilen der Fjorde auf dem Eife gehen. 
Sin dem übrigen Theile des Monats war es recht Flared und fchönes 
Wetter, kaum hatte aber die Sonne am Vormittage begonnen, diefen 
von hohem Lande eingefchlofienen Fiord zu erwärmen, als fi aud 
ein eisfalter Seewind einftellte, der hartnädig bi8 zum Abende an- 
hielt; und es fehlte noch felten an Nachtfröften, welche befonders zwi- 
ſchen dem 27ften und 28ften jo flrenge waren, daß das Eis der Waſſer⸗ 
tiimpel faft tragen konnte. 

In der erften Woche des Juli, während einer Reife nach Uper- 
nivif, kreuzten wir gegen einen harten Nordwind, der Nebel oder ganz 
niedrige Wolfen über das Meer Hintrieb. Hier auf der See fam das 
Thermometer mehrere Tage nicht über O*, und felbft zur Mittagszeit 
bildete der Nebel eine Glafur von Eis an dem Tauwerfe, von wel⸗ 
chem die Rinde jedesmal, wenn es gewendet wurde, auf das Ded 
herabfiel. Während ber Reife im Diftricte von Upernivif hatten wir 
darauf fehr viel unbeftändiges Wetter mit Regen, und in der Nacht 
vor dem 15. Juli fogar Schnee; im übrigen wurde aber in dieſem 
Monate fein Froſt auf dem Lande bemerkt. Im Anfang des Au 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Beichreibung von Nord- Grönland, 2723 


guft gab e8 einzelne fchöne und warme Tage bis zu 10°; am' 13ten 
des Morgens wurde der erfte Reiffroft auf der Prövens⸗Inſel ge 
fehen, und man fonnte damals faft darüber in Zweifel fein, ob und 
in wie weit er dem nächftfolgenden oder dem fchon vorhergegangenen 
Winter angehöre, ob der Sommer fchon vorüber oder noch zu erwar- 
ten fei. Zulegt im Auguft war der Nachtfroft bei Omenaf fo ftrenge, 
daß man am Morgen auf den Waffertümpeln gehen fonnte. Darauf 
traten im September wiederholte und zum Theil orfanartige Stürnte 
von Südoft her, zum Theil mit mildem Wetter ein, und in der ganzen 
legten Woche diefes Monats wehte es hart, aber gleichmäßig und be- 
ftändig, bei Harer Luft und A bis 8° Wärme nach dem Fiorb hinaus, 
Endlich am 3. October fanf das Thermometer unter den Geftierpunft 
und fo endete diefer fchlechte Sommer, der leider nicht zu den feltenen 
Nord » Grönland’8 gehörte. 

Der Winter 1849 zu 1850 zeichnete fi bei Omenak vor dem 
oben erwähnten durch einen fpäteren Eintritt und eine längere Dauer 
der ftrengen Kälte aus, da das Thermometer am 10. Januar zum er 
ftien Male und zum lebten Male am 10. April unter 20° Kälte fanf. 
Im Laufe diefer Zeit traf mehrere Male der milde Süpoftflurm ein, 
wodurch die Temperatur plölich über den Gefrierpunft flieg; und im 
Januar zeigte fi die ganz ungewöhnliche Erfcheinung, daß e8 einen 
Tag jchönes, klares und filled Wetter mit 2° Wärme gab. Die Kälte 
erreichte ihre größte Höhe in den 13 Tagen vom 17. Februar bis zum 
2. März, während welcher die Mitteltemperatur 26° war, und das 
Thermometer zwei Mal am Morgen auf 30° ftand, am Mittag aber 
nicht über 24° Kälte flieg. Das Quedfilber ſchien jedoch noch nicht 
gefroren, wogegen Rum, der in einem Anfergefäß auf dem Boden des 
PBroviantamtes gelegen hatte, didflüffig wie Del und unflar geworben war. 
Befondere Norblichte wurden nicht in diefem Winter gefehen; aber uns 
gewöhnlich Mare Mondfcheinnächte fielen in der dunklen Zeit auf. Am 
10. März hatte die Sonne bei ihrem Aufgange eine Nebenfonne von fo 
ftarfem Schein, daß Mehrere fie in einem Augenbli für die wirkliche 
Sonne anfahen. Am 14. und 15. März trat wieder Suͤdoſtwind ein, 
und das Thermometer flieg faft bis auf den Gefrierpunft; nichtödefto- 
weniger fonnte in einem Erdhauſe, welches den Winter über leer geftan- 
den hatte, und deffen Wände von der legten firengen Kälte durchdrun⸗ 


224 Rink: 


gen waren, die Temperatur dadurch, daß zwei grönländiſche Lampen 
eine ganze Nacht hindurch brannten, nicht höher gebracht werden, als 
daß ein warmes Getränk, welches in einem Topf auf die Erde geftellt 
wurde, in Zeit von einer Biertelftunde erft gefroren war. Am 22. 
April fand das Thermometer noch des Morgens auf 14° und des 
Mittags auf 3° Kälte. Nach einer Zwifchenzeit von mehreren Tagen, 
mit Südoftfturm und ſtarkem Thaumwetter, hatten wir fodann am 8. 
Mai in der Nacht wieder 12° Kälte, und am Mittage bei hartem 
Rordivinde 8° Kälte. | 

An diefem Tage war die Wirfung der Sonnenftrahlen im &e- 
genſatze zu der Falten Luft befonders merklich; trotz 8° Kälte bei Ome⸗ 
naf war es auf der großen Infel, weiter hinauf in dem Bord, wo 
hin der Falte Wind nicht kam, am Mittage fo warm, daß die Erde 
weich wurde, die Wafferläufe zu riefeln begannen, und die großen 
Eiszapfen überall raſſelnd berabfielen; die Fleinen Landvögel begannen 
zu zwitfchern, in einem Zelte von Segeltud) wurde es fo warn, wie 
in einem Treibhaufe, Yliegen und Spinnen famen aus dem Graſe 
hervor. Aber in der Nacht erftarrte und verflümmelte die ganze Na 
tur wieder. Am 9. Mai fam ein Grönländer im Schlitten von dem 
„unbefannten Eilande” an, und brachte Briefe für den Capitain Penny, 
welcher mit zwei Schiffen abgefendet war, um Franklin aufzufuchen, 
aber mit dem Eife in die Mündung des Omenak⸗Fiords eingetrieben 
war, wo er noch am A. Mai eingefroren lag. 

Diefem falten Frühjahre folgte ſodann plöglid ein warmer und 
beftimmter Sommer. Am 22. Mai wurden fchon überall in einem 
Thale des Feſtlandes diefelben Blumen entfproßt gefunden, die ich bei 
Godhavn am 5. Juni im Jahre zuvor gefehen hatte. Bereits vor 
Mitte Juni waren die meiften Pflanzen in Blüthe; es fchien, als ob 
Alles, was von der Ratur auf den Sommer angewiejen war, fi 
damit beeilen wolle, das Wenige davon vorhandene zu benußen; 
gleichfalls Famen damals die Müden in unglaublicher Menge her: 
vor und ſelbſt die Nachtfröfte fingen an auszubleiben. In Ddiefer 
erften Hälfte des Juni fland das Thermometer auf 5 bi 9% Wärme 
im Schatten und ftieg fogar in der Sonne am Mittag bis 34°; in 
der Nacht fanf es gewöhnlich etwas unter den Gefrierpunft; aber nad 
der Mitte des Juni nicht mehr. Der Monat Juli war bis auf ci- 


— — —- — — — — — * 7 


Phyſikaliſch⸗ geographifche Beichreibung von Nord» Grönlann. 225 


nige unruhige Tage faft beftändig warm. Am 28ften fand das Ther- 
mometer im Schatten in Chriftianshaab bei Südoſtwind auf 14° 
Wärme, das höchfte, was ich in Nord⸗Groͤnland gefehen habe. 
Schon am 2. Auguft wurde in dieſem Jahre bei Egedesminde 
die erfle Spur von Nacdhtfeöften bemerkt, die jedoch wieder ganz auf- 
hörten, wogegen fich der letzte Theil dieſes Monats durch viele Regen 
tage auszeichnet... Der gute Sommer äußerte feine Wirfung in dem 
außerorbentlihen Reichthume an Beeren während der Monate Auguft 
und September in der Gegend öftlich von der Disko - Bucht. Die 
Raufchbeerenbüfche (Kräkkebaer), welche die allgemeinften find, waren 
an einzelnen Stellen fo voll von Früchten, daß fie Weintrauben gli- 
chen, und der ganze Erdboden, welchen fie bevedten, war ſchwarz. Die 
Bidebeeren (Blaabär), welche etwas günftigerer Bebingungen beduͤr⸗ 
fen, um reif zu werben, wurden in dieſem Jahre faft eben fo reichlich, 
als jene, gefunden und waren von ausgezeichneter Größe und Süße. 
Die in Nord» Grönland theild nur auf einzelnen Bunften, theild nur 
in gewiſſen Jahren zur Reife fommenden Preißelbeeren (Tyitebaer), 
wurden diesmal um die Süpdoftbucht herum in ziemlicher Menge ges 
fammelt. Aber den ganzen September und October hindurch Fonnte 
man in den Diſtricten von Chriftianshanb und Jakobshavn, wo man 
auch immer an's Land ging und fo lange Fein Schnee lag, ſich fatt 
an Beeren efien, und fie an manchen Orten fogar tonnenweife fammeln. 
Erft nach der Mitte September trat Froft auch am Tage ein, 
und am 20. September fchneite es zum eriten Male auf dem flachen 
Lande; aber im October fiel noch 3 Tage hintereinander Regen, das 
Thermometer flieg am 10ten auf 3° Wärme, und aller Schnee war 
vom Lande verfchwunden. Der darauf folgende Winter, 1850 bis 1851, 
zeichnete fich durch feine Unbeftändigfeit und Milde aus. Die Tempe: 
ratur fanf bis auf 20° Kälte zum eriten Male am 4. Februar und 
zum lebten Male am 20. März, und ihr niedrigfter Stand war am 
8. und 9. Februar 25°. Der Januar war merkwürdig durch den häu- 
figen Eintritt ded warmen Windes. Der Barometer fanf am ten 
auf 26” 8,4", und das Thermometer ftieg bis zum Gefrierpunft, wäh- 
rend es noch windftill war; aber am Abende brach plöglich ein orcan- 
artiger Sturm aus, die Häufer wurden erfchüttert und Heine Steine 
gegen die Fenſter gepeitjcht. Am folgenden Tage ftand dad Thermo: 
Zeitſchr. f. allg. Erdkunde Bo. 11. 15 





226 Kin: 


meter auf 6° Wärme. Faſt aller Schnee war vom Lande verſchwun⸗ 
den, aber vom Winde aufgetrodnet, fo daß fich nirgendwo rinnendes 
Waſſer zeigte. Auf den milden Winter folgte ein Falter und unbeflän- 
diger Sommer. Im Monat Mai gab e8 3 Tage Schnee mit 2 
bis 7° Kälte; am 20ften ftand das Thermometer am Mittage auf 4° 
Kälte, und die Fenfter waren in einer warmen Stube den ganzen Tag 
über gefroren. Eine ftarfe Erfältungs- Epivemie verbreitete ſich bald 
darauf unter der ganzen Bevölferung. Obfchon der Winter milde ge- 
wefen ift, ging ich doch noch am 15. Juni auf dem „Erbprinzen » Ei: 
land” queer über einen Landſee; das Eis zeigt ih nun etwa 2 Ellen 
die, wovon die oberfle 4 Elle durch das Aufthauen in lothrecht ſtehende 
Nadeln von derfelben Länge aufgelöft war; zahlreiche dunkle, auf 
der Oberfläche zerftreute Gegenflände hatten das Eis feiner gan- 
zen Dide nach durchgethaut und fcharf begränzte Köcher gebildet. Der 
ganze furze Sommer ging Hin unter abwechfelnd ſüdlichen Winden mit 
unruhigem Wetter und Regen und nördlichen Winden mit eiöfaltem Nebel. 
Erft im Auguft gab es mehrere Tage fehönes fommerliched Wetter. Am 
1. Auguft fchneite e8 zum erften Male auf dem flachen Lande, und 
am 23ften wurde der erfte Rachtfroft bemerkt. So endete diefer lebte 
Sommer und das Refultat war, daß von den vier Sommern, welche 
ich hier erlebte, jeder zweite beftändig und fehon, die anderen beiden 
aber rauh, Falt und unbeflandig waren. 

MWofern man unter Schneelinie die Höhe über dem Meere, in 
welcher zu einer jeden Zeit des Jahres Schnee fallen kann, verftcht, 
fo ift diefe in NRord- Grönland in gleichem Niveau mit dem Meere 
gelegen. Wir werden auch in dem Folgenden Beifpiele davon fehen, 
daß daſelbſt auf dem flachen Lande und in der Nähe des Meeres ſich 
Eisrinden bilden fönnen, welche den Sommer über liegen bleiben und 
nur ausnahmsweife in gewiflen Jahren aufthauen, ja daß fie an man- 
hen Stellen dieſes vielleicht nie thun, fo wie es auch Gegenden giebt, 
wo Schnee zu fallen pflegt und fih in fo großen Haufen zufammen- 
thürmt, daß er die Falten Sommer über liegen bleibt, bis der Schnee 
des naͤchſten Winters die Menge vermehrt, ja daß diefer nun unter 
allen Umftänden bid in den Monat Auguft hinein verharrt, was dann 
natürlich die Vegetation von ſolchen Stellen fern halt und fie wuͤſt 
und unfruchtbar macht. Die Umftände, unter denen diefe localen Auf 





Phyſikaliſch⸗ geopraphiſche Befchreibung von Nord» Grönlant. 227 


häaufungen von immerwährendem oder fafl immerwährendem Eis und 
Schnee flattfinden, dürften uns über die Gründe belehren, durch welche 
in dem großen Innenlande fowohl die Thäler, als die Hügel unter 
jener außerorbentlihen Eisrinde verfchwanden und zu einer einförnis 
gen Eisebene ausgeglichen wurden. 

Aber auf dem Außenlande find diefe Eisbildungen in den flachen 
Streden jeltne Ausnahmen; die Empfänglichfeit des Erdbodens zur Her: 
vorbringung einer Vegetation und das Vermögen, durch diefelbe Renn- 
thiere zu ernähren, fteht hiermit in einem fchneidenden Widerfpruch und 
zeigt, wie lange Zeit des Jahres derfelbe vom Schnee entblößt und der 
Sonnenwärme ausgejeht fein muß, welche vielleicht hinreichend fein würde, 
um eine weit größere Menge, vielleicht die dreifache vom Schnee des Win- 
ters zu fchmelzen, che der neue Winter anfangen koͤnnte, fie zu vermeh- 
ren und Dadurch eine neue Bildung immerwährenden Eifes zu veran- 
lafien. Dagegen findet eine folche Anhäufung von unaufthaubarem 
Schnee fowohl bier, wie überall in einer gewiſſen Höhe über dem Meere 
ftatt. If es diefe Höhe, welche man die Schneelinie nennt, dann wird 
die Frage ſchon mehr complicirt, denn jene Anhäufung ift nicht allein 
von der jährlichen Temperatur und der Wärme des Sommers, fondern 
auch von der gefallenen Schneemaffe und von den übrigen für das 
Aufthauen deſſelben mehr oder minder günftigen Bedingungen ab» 
hängig. Die Erfahrung zeigt, daß auf diefer Küftenftrede, mit gerin- 
gen Ausnahmen, faft immer eine Höhe von etwas über 2000, vielleicht 
von 2200 Fuß zur Bildung immerwährenden Eiſes auf dem Lande nöthig 
ift; aber felbft in diefer Höhe tft das Eis weit Davon entfernt, fortwäh- 
rend gefunden zu werden. Es wird außerdem erfordert, daß die Ober 
fläche eine gewiffe Auspehnung habe und horizontal fei oder auch nach 
Norden zu abfalle, und endlich varlirt die Höhe fehr für die gegebe- 
nen 2ocalitäten, nicht gerade im VBerhältniß zu der niedrigeren Mit- 
teltemperatur unter den nördlichen Breitengraden, fondern nach ber 
größeren Schneemenge, welche die herrjchenden Winde über gewiſſe 
Striche bringen. 

Forfchen wir nach dem Grunde, daß eine fo geringe Höhe über 
dem Meere im Stande ift, einen anfcheinend fo großen Gontraft, 
wie er zwifchen immerwährendem Eife und einer Vegetation liegt, zu 
bepingen, dann koͤmmt dabei gewiß die mit der Höhe abnehmende 

15 * 





228 Rink: 


Temperatur, aber doch wohl noch mehr die Schneemenge und die Be— 
dingungen, denen dieſelbe ausgeſetzt if, in Betracht. Denmn es if be: 
fannt, daß diefe auch nach der Höhe varliren, daß Schnee» und Re 
genfchauer oft die Gipfel der Berge einhüllen, daß es oft in einer Hoͤhe 
von 2000 Zuß fehneit, während es auf dem flachen Lande reg 
net u.f.w. Was die abnehmende Temperatur betrifft, fo vermiflen 
wie natürlich Hier die gleichzeitigen Beobachtungen auf den Berghoͤ⸗ 
hen und dem Flachlande, welche nothwendig find um das Gefeh auf: 
zufinden, wonach diefelbe abnimmt. Wir wollen von ganz directen Be 
obachtungen hier nur einige mit dem Thermometer anführen, welche 
gelegenheitlich der Vermeſſungen gewiffer Berghöhen mit dem Ba- 
rometer geivonnen wurden. Die Temperatur wurde auf dem Flach⸗ 
(ande vor und nach der Befteigung beftimmt, und danach Habe ich Pie 
Temperatur, welche in dem Augenblide, wo die Beobachtung auf dem 
Hochlande angeftellt wurde, mit einem größeren oder geringeren Grad 
von Wahrfcheinlichkeit, zufolge des täglichen Ganges der Temperatur 
veranfchlagt. 





Thermo; 
Ei er a 
über meter na 
Drt. Jahreszeit. Meere. | Gelfine. u dem Wied 
lande. 
Fuß. rat. 
Proven 6. Auguft 40 | + 71 | + 8 
⸗ 7. Auguſt — + 104 —+ 105 
s 110. Anguft — + %| + 9% 
Godhavn 25. Ang. 11 Uhr 5Min. VBorm.| 2354 + 44128 
⸗ 25. Ang. 1 Uhr Nachmittagg 58 | + 6 | + 8 
. 30. Auguft 34 | +8| + 7% 
Rittenbent 14. Juni 4 Uhr Nachmittags 2000 | + 2! | + 5 
Ataueherdinf |17. Juni 11 Uhr Bormittage| 1050 | + 44 | + & 
Sarfarfif im Omenafs- 
Fjord 18. Juli 34 Uhr Nachmittags 3800 | + 4 | + 9 
⸗ 18. Juli 5 Uhr Vormittages 2940 + 7 +10 
18. Juli 1 Uhr Rachmittage | 2270 | + 5 + 7 
Rarfot im Din djord 16. Juli 10 |+5 | +9 
30. Juli 14 Uhr Nachmittagg— — +9 + 104 
⸗ 0 En 54 Uhr Nachmittage| 3900 | + 6 + 10} 
‚ Suli 64 Uhr Rachmittage| 4800 | + + | +10 
Rifkol ng. 64 Uhr Nachmittag 829 + 12 +13 
Chriſtianshaab een 2 Uhr Nachmittags: 1222 +9 +11 
Jakobehavt 2. October | 1236 +4 


Hieraus ift zu erfehen, daß eine Höhe von 400 Fuß flets einen 
niedrigeren TIhermometerfland bedingt hat. Aber in welcher Art dieſer 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Befchreibung von Nord» Grönland. 229 


im Allgemeinen der Höhe nad) abnimmt, darüber läßt fih aus fo vers 
einzelt ftehenden Daten durchaus Nichts abnehmen. Es wurde nur be 
merft, daß die mitwirkenden zufälligen Urfachen am größten bei der 
Befleigung der Höhe von A800 Fuß geweſen find, da damals auf dem 
flacheren Lande ein warmer Süboft blies, und auf dem Gipfel flür- 
mende Windftöße aus Süden famen, woburd der Temperaturunter- 
ſchied fich in einem fo beträchtlichen Grade vergrößerte. 

Wir haben des hohen Bergrüdens längs der Südweſtſeite vom 
Omenald- Fjord, deffen Plateau fich der Höhe von 6000 Fuß nähert, 
als eines in Bezug auf die fucceffive Abnahme der Vegetation und 
die im halben Verhältniffe nach der Höhe zunehmende immerwährende 
Schnee» und Eismaffe befonders Iehrreihen Erwähnung gethan. Vom 
KarfoksBorgebirge (Raͤs) ab führt ein gleichmäßig fleigender Abhang, 
mit cinem Paar einzeln hervorfpringender Terafien vom Strande bis 
zu dem eisbevedten Plateau d. 5. auf einer Strede von 1! Meile bis zu 
einer Höhe von 5000 Fuß hinauf. Die geringe Menge Schnee, welche 
auf dieſer Küfte, vorzüglich auf der fübweftlichen Seite der Halbinfel, 
fallt, und die lange Zeit, in welcher die legte im Sommer von ihm 
entblößt if, bewirkt, daß die Vegetation hier höhere Grenzen ald an ans 
deren Stellen erreicht, fo wie fie auch hier zu ihrer beveutendften Höhe 
in dem ganzen Lande gelangt. Wir wollen deshalb kuͤrzlich erwähnen, 
wie diefer Weg am 30. Juli 1851 in einem fehr Falten und unbe; 
fländigen Sommer befchaffen war. 

Das äußerfle Borland wird von niedrigen Granitbergen gebildet, 
die mit den gewöhnlichen niedrigen und friechenden Bufchgewächien: 
Empetrum, Andromeda u. f. w. bewachfen find, und mit befonders 
grünen, von Gräfern und Moofen bevachten, zum Theil aber auch 
fumpfigen und wiefenartigen Flächen (Immerikſok, „was reich an fri- 
fchem Suͤßwaſſer iſt“) wechjeln. Weber eine Fläche mit großen Geröll- 
blöden, welche von dem Karſok⸗Strome herabgefpült find, fümmt man 
zu einem fleileren, terafienförmigen, den niebrigften Buß der Trappfchich- 
ten, welche von hier ab den ganzen oberen Theil der Gebirgsmaffe 
einnehmen, bildenden Abhange. Mehr nach oben auf diefer Terraffe bes 
findet man fich in einer Höhe von über 1000 Fuß, und auf dem äußerften 
Theile der Terrafie tritt dann ein in Graphit verwandeltes Kohlenlager hier 
und dort in ausgefchnittenen Klüften zu Tage. Sehr häufig erreicht die 


230 inf: 


Wolfenvede gerade genau den Rand der Terraſſe und hüllt ibre 
Sherfläche in Nebel, und vie if faft immer im Auguft und Scptem 
ber der Fall, wenn cd fih nad) Regen oder auch nah Regen um 
Schnee aufflärt, jo Daß man die Oberfläche gerade unterbalb bie zu 
diefem Rande mit Schnee beftreut jiebt, der mehrere Tage bindurd 
liegen bleiben fann, während ed auf dem flachen Lunte nur geregme 
hat, over der Schnee in demfelben Augenblid, in weichem er gefallen, 
auch verjchwunden ift. 

Nichtsdeſtoweniger zeigte die Cherfläche von hier ab bis zu 2000 
Fuß aufvarıs feine kenntliche Beränderung Ter Grund wird ven 
einem Alluvium von Kied und Geröll, bevedt mit einem dichten cher: 
jug von Begetation, in welchem viejelben Pflanzen, wie auf dem He 
cheren Lande gefunden werden, gebildet, nur in einer einzelnen Eeinen 
ſchattigen Kluft laßt fich eine iſolirte Cismaſſe wahrnehmen, die aus Schete 
zu beſtehen und mehrere Jahre über gelegen zu haben jcheint; aber ron 
unten ber ift dieſelbe durchaus nicht fichtbar. Erft von 2000 bis 3000 
Fuß beginnt ter einförmige Teppich ver Begetation dünner zu wer 
den; Gräjer, Halbgräjer und Lichenen, welde die Grundmaſſe Teil 
ben bilden, werden von grünem Mooſe abgelöft, Das bei 3000 Fuj 
Höhe noch Heine fumpfige Flecken mit jehr vielen blühenden Girempia 
plaren von Ranunculos nivalıs zufammenhängend bedeckt Bei 3900 
Fuß Höhe, wo ich an einer Stelle eine Vermeſſung anftellte, tie ta 
durch fenntlich ift, Daß die zu 3800 Zub Höhe vermeſſene Omenals 
Inſel trigonometriich mit der Oberfläche Ted Innenlanteijed am of 
lichen Horizonte zujammenfüllt, bilpet die Beyetation feinen jwium 
mienbängenden Teppich mehr, jondern tie Pflanzen fteben nur verein 
zelt in dem Kies, unt die fumpfigen Stellen ſind ganz unfnschtbur. 
Hier verjhwintet die Weide, Salıx glauca, gänzlich; Tagegen brain. 
nen mande alte Schneehaufen fih zu zeigen, wecde auf ihrem 
Grunde aus hartem compacten Eije beſſehen Spuren von Nemibie 
ven werben bier in tem Kies bemerkt, und cd finden ſich fchr alte ab: 
geworfene Renmthiergeweite. Die Schnechuufen nehmen num nad 
oben Hin zu, und bei ungefähr A500 Fuß füngt der Rand von cima 
jujammenbängenven Schaale von Gis und Schnee an, oberhalb weiber 
ed nicht glüdte auf entblößte Stellen zu fommen. Nahe dem Rande 
dieſes Hochlandsciſes und mitten zwiſchen den zahlreichen Haufen 


Phyſikaliſch⸗ geograpbifche Berchreibung von Nord» Grönland. 231 


von altem Schnee wurden folgende Pflanzen gefammelt, welche von 
dem Botanifer Herm Dr. Bahl beftimmt find: 
Papaver nudicaulis (am häufigften). — Potentilla Vahliana. 
— Saxifraga tricuspidata (ohne Blume). — Saxifraga op- 
positifolia. — Saxifraga caespitosa. — Alsine rubella. — 
Silene acaulis.. — Draba arctica. — Testura brevifolia. — 
Carex nardina. 

Außerdem wenige und fchlechte Eremplare von Lichenen, zu den 
©efchlechtern: Peltigera, Parmelia, Capitularia gehörend, aber nicht 
vollftändig genug, um beftimmt werden zu fünnen. Im Ganzen find 
Die Lichenen weit entfernt, hier die vorherrfchenden zu jein. 

Ganz ähnliche Verhältniffe traf ich am 17. Juli bei dem Beftei- 
gen derſelben Bergfette weiter gegen Oſten zu, bis zu einem fcharfen 
Zelfenfamm, der von einem hervorragenden und weniger leicht verwit- 
terlichen Trappgang gebildet wird, und vom Meere aus gefehen, ſich 
wie ein fpiger Kegel ausnimmt, weshalb die Grönländer ihn auch „Inno- 
fuaofät,” oder „was da einem Wartthurme gleicht, nennen. Diefer Punkt 
wurde 3700 bis 3800 Fuß über dem Meere gefunden, und hier zeigte 
fih, wie auf dem obenerwähnten 3900 Fuß hohen Punkte, der Gipfel 
von Omenak mit der Oberfläche des Innenlandeiſes zufammenfallend, 
während noch etwas von der „großen, trigonometrifch zu A000 Fuß 
gemeffenen Inſel“ diefe Oberfläche dedt. Bon den auf diefer Wan- 
derung gefammelten Pflanzen fand, die Iehte Salıx glauca in 2300 
Buß Höhe, und an dem Innojuaofät wurde außer den obenerwähnten 
noch Draba alpina gefunden. 

Wenn wir jebt behauptet und zu beweifen gejucht haben, daß 
immermwährendes Eis fih nur in einer gewifien Höhe bilden Tann, 
fo dürfte im erften Augenblide dagegen zu ftreiten fcheinen, daß 
wir auf ganz berfelben Küfte große Klüfte oder ganze Thäler fe 
hen, die mit Eis ausgefüllt find, vielleicht in einer Dide von meh 
reren hundert Zuß und an zwei Stellen ganz bis an dad Meer hin» 
abreichend, jo daß dieſes die fleil abgefcehnittenen Eiswände befpült. 
Aber wenn man diefe Eismaffen näher betrachtet, wird man finden, 
daß fie alle in Verbindung mit dem Hochlandeife ftehen und fo 
gleichſam Verzweigungen deffelben find; und eine Unterfuchung derſel⸗ 
ben thut dar, daß fie keineswegs in den Thälern felbft entſtanden, 


232 Rink: 


ſondern wirkliche Theile des Hochlandeiſes find, welches überall eine 
Geneigtheit beweilt, fih auszubreiten und dann feinen Rand nach unten 
hin in der Richtung des natürlichen Ablaufs des von ihm bedeckten Ter⸗ 
rains fo fchieben, alfo auch ein Streben, fich denfelben Weg in das 
Meer hinab zu fuchen, den ed nehmen müßte, wenn es thaute und zu 
rinnendem Wafler würde. Diefe Bewegung wird überall in dem Land⸗ 
eife verfpürt, wo es auf einer Oberfläche mit einem gewifien Abfalle 
ruht, fowie in den Spalten, welche ihren Urfprung aus der Bewegung 
des Eifes haben, die nach einzelnen Richtungen ftärfer ald nach ande 
ren, iſt; aber fie concentrirt fich befonders gegen die größeren Abläufe, 
welche Zufchüffe von einem größeren Terrain empfangen, und ver 
folgt man diefe Klüfte niederwaͤrts zu, fo koͤmmt man zu einem PBunfte, 
wo das Eis nicht Durch den Schnee zunimmt, der fich auf feiner Ober⸗ 
fläche anhäuft, fondern nur durch die von oben herabſchießenden Eis⸗ 
mafien erhalten wird; Dagegen beginnt ed von hier ab und weiter 
hinab auf dem flacheren Lande durch die überwiegende Sommerwärme 
zu ſchmelzen. Bon einem gewifien Punkte ab ift aljo foldyes Eis in 
den Thälern nur eine fich beivegende, aber durchaus nicht in ſich ſelbſt 
anwachjende oder zunehmende Mafle, und wir haben demnach hie 
im Wefentlichen daſſelbe, was man in den Alpen unter Gletjchern, uns, 
wie es fcheint, in Island Schußgletfcher (Skredjokel) nennt. Auch in 
Grönland fpielen dieſe Schußgletfher die gar nicht ungewöhnliche 
Rolle, daß Schnee und Eis, welches auf dem hohen Lande ewig auf: 
gethürmt wird, durch fie in die niedrigeren und wärmeren Regionen 
hinabgeführt und durch Wegſchmelzung vernichtet wird, flatt Daß beide im 
anderen Halle auf den Gipfeln der Berge in fteter Zunahme bleiben 
müßten. Nur auf ganz einzelnen Stellen in Nord-Grönland if der 
Zufguß von Eis aus dem Hochlande zu einem einzelnen Thale fo 
groß, daß die Aufthfauung mit dem Zuwachs nicht Schritt Halten kann, 
wodurd das Eid dann bis zum Meere hinabreicht, und fogar im Stande 
geweſen ift, einzelne Bruchftüde in daffelbe abzugeben. 

Dies ift auf zwei Stellen der leßterwäahnten Bergfette, nämlich 
bei Sermiarfut und Umiartorfif der Fall, im Webrigen aber auf der 
ganzen befannten Küfte von Nord - Grönland Außerft felten; Daß vie 
von dem Innenlande ausgchenden Eisthuler Hiermit nicht verwechielt 
werden dürfen, wurde jchon früher erinnert. 


Phyſikaliſch⸗ geographifche Befchreibung von Nord» Grönland. 233 


Auch in Beziehung auf die Art, in welcher die Bewegung vor fich 
geht, zeigen dieſe Schußgletfcher eine theilweife Analogie mit den Glet- 
fhern in den Alpen, nämlich darin, dag ihr Rand in gewiſſen Berio- 
den fich vorfchiebt, wogegen er in einer anderen Reihenfolge von Jahren 
fih wieder zurüdzieht, indem die Wegfchmelzung über den Zuwachs 
von oben die Oberhand gewonnen hat. Yür den Augenblid werben 
auf der erwähnten Küfte des Omenaks⸗Fiord drei folder Schlußglet- 
jcher bemerkt, die der Wegfchmelzung einer langen Reihe von Jahren 
hindurch ausgefeßt geweſen find, namlich in den Thälern bei Sofaf, 
Zuöparfoit und Sarfarfil. Die Wegſchmelzung giebt ſich befonders 
duch die Maſſen von Stein und Kied zu erfennen,; welche urfprüng- 
lich zwifchen den Eisfchichten eingelagert gelegen haben, aber durch all- 
mälige Verminderung der legten auf der Oberfläche der zurüdgebliebenen 
Maffe liegen gelaffen find, fo daß diefe Dadurch ſchwarz und in einiger 
Entfernung unfenntlich wird; auf der Grundlage, welche das Eis in den 
legterwähnten Thale bevedt, hat noch eine fparfame Vegetation Wur⸗ 
zel zu faffen begonnen. Wenn in fpäteren Perioden das Eis wie: 
der vorrüdt, fchiebt e8 die Maffen von Stein und Kies vor fich her 
und zu beiden Seiten weg, man fieht daher diefelben vor und befonders 
zu beiden Seiten der Schußgletfcher aufgethürmt; fie enthalten Klip- 
penblöde von Erftaunen erregenden Dimenfionen, und die Länge und 
Höhe der Aufthürmungen deutet auf mannigfache vorausgegangene 
Perioden von abwechfelndem Vorruͤcken und Wegſchmelzen. Endlich 
wird bemerkt, daß ſich die groͤnlaͤndiſchen Gleiſcher (Jokel) darin von 
den Gletſchern auf den Alpen unterſcheiden, daß dieſe auf einem Erd⸗ 
boden von über 0° Temperatur hinabgleiten, weshalb fie von unten 
fchmelzen und nicht unmittelbar auf dem Boden ruhen, fondern baß fie 
auf Steinblöden gleiten, welche ven Zwijchenraum ausfüllen, woge⸗ 
gen die grönländifchen dicht auffchließend auf dem Boden ruhen und 
nur von oben fehmelzen. 

Wir haben in dem vorhergehenden Abfchnitte die Ausbreitung ber 
vorzüglichften Höhenftreden erwähnt und angeführt, welche von ihnen, fo 
wie die hier bejchriebene, immerwährendes Eis und Schnee tragen. Es 
ift nur noch hinzuzufügen, daß die Bedingungen für eine folche Erfcheinung, 
mit Ausnahme der Höhe und Ausdehnung des Plateau's, faſt überall 
günftiger, als hier, find; Die immerwährende Eisdede löft Die Vegeta⸗ 





234 Rink: 


tion in der Regel in einer geringeren Höhe als A500 Fuß ab, aber, 
wie erwähnt, nur ausnahmeweife unter 2200 Fuß. Doch kann man 
wohl überall fugen, daß das Zuwachſen des Eifes außerorbentlich 
langfam gejchieht, daß der geringe Wärmezuwachs auf dem Flach— 
lande im Stande ift, der Ausbreitung deſſelben eine Grenze zu feßen, 
und daß nur einzelne von den allergrößten unter ihnen im Stande 
find, das Meer zu erreichen. Wir können daher mit Grund behaup- 
ten, daß die ganze jährliche Menge von atmofphärifchem Waffer auf 
dem Lande das Meer im fließenden Zuſtande erreicht, und daß die 
Behauptung, welche man häufig von Leuten, die fih in Grönland 
aufgehalten haben, ausfprechen hört, daß das Land in Gefahr fei, um 
bewohnbar und unter Ei begraben zu werden, ganz ungegründet iR. 
Nur auf dem Innenlande allein wird beftändig ein großer Weberfluß 
an Eis gebildet; aber wir jehen dort durch die Kjorde Ableitungsfanäle 
gebildet, Die dazu dienen, diefen Weberfchuß in ferne und wärmere 
Gegenden des Meeres zu führen; und fichere Boliwerfe find von ver 
Natur aufgeftellt, daB das zunehmende Innenlandeis fich nicht wei- 
ter, als bis zu einem gewifien Grade über das Außenland ausbrei⸗ 
ten fann. 

Run bleibt noch übrig die Art, in welcher das fließende Waſſer 
das Meer erreicht, nebft den Reſervoirs zu erwähnen, in welchen e6 
vorher und inzwifchen aufgenommen wird. Dan fann wohl im Durdy 
fehnitt behaupten, daß der Schnee, welcher vom 20. Octbr. und den Win 
ter über auf das Land fallt, erft in den letzten Tagen des April auf 
zuthauen beginnt, daß die dadurch ernährten Klüffe in den erften Tagen 
des Mai zu laufen anfangen, aber noch durch die Rachtfröfte feftgehalten 
werden, und daß fie bis nach der Mitte des Mai fehr unbeveutent 
find, wo fie dann an manchen Stellen plöglich mit großer Gewalt her: 
vorbrechen. Im Juni führen fie die größte Menge Wafler in’s Meer; 
und man fann dann bei den Heineren deutlich den Unterfchieb zwifchen 
dem Fälteften und dem wärmften Zeitpumft der 24 Stunden bemerken; 
im Juni haben fie dann feine große Gewalt, die fie im Auguft, und 
zwar am häufigften durch den in dieſem Monate vorherrfchenden Re 
gen, wieder erreichen. Gegen den Schluß des September, wenn die 
tägliche Temperatur unter 0° ſinkt, nehmen fie endlich ſehr ſtark ab; 
bie Hleinften verſchwinden zuerſt, dann nach und nach die größeren: 





Vhyſikaliſch⸗ geographiſche VBeichreibung von Nord» Grönland. 235 


aber fchlieglih will man bemerfen, daß hier und da einzelnen Klüffen, 
und namentlich den größeren eine gewiffe Waflermenge und ein ges 
wiſſer Lauf bleibt, welchen fie fpäter nicht mehr verändern, ſondern den 
ganzen langen firengen Winter über behalten. Dann können zwei Fälle 
eintreten; es vermag fich nämlich an einzelnen Stellen eine ſchuͤtzende Rinde 
von Eis und Schnee über dem fließenden Wafler zu bilden, fo daß die⸗ 
fes das Meer erreichen kann, ohne der jcharfen Kälte preisgegeben zu 
fein; aber auf anderen Stellen und befonders da, wo das Waſſer über 
mit Geroͤll bededte Streden fließt, wird der Lauf deſſelben durch die 
Eisförper, welche ed daran abſetzt, gehemmt; es breitet" fich darauf zu 
den Seiten aus, fest neue Eisförper ab und bleibt wieder flehen, und 
fo fort. Man fieht daher folche unebene Gerölflächen im Laufe des 
November und December fih in fpiegelglatte Eisflächen verwandeln; 
ein frachender Laut wird beftändig in dem Eife gehört; er rührt 
von dem Wafler her, welches in der Falten Atmofphäre rauchend und 
dampfend in alle Rifie des Eifes, worin es erftarrt, eindringt, daſſelbe 
fprengt und zu Heinen fegelförmigen Höhen aufthürmt. 

Es iſt ein entfchiedened Factum, daß auf Stellen, wie die leßt- 
erwähnte, fih Eisförper von einer Dide, wie fonft nirgends auf dem 
flacheren Außenlanvde bilden, und daß man, wenn Schnee und 
Eis im Sommer von dem Linde und den Landfeen verſchwunden 
find, noch mächtige Eisförper am Steingeröll in den Mündun- 
gen der großen Ylüffe, und auf Stellen, wo im Winter fließendes 
Waſſer geweſen ift, findet. Es ift aber auch nicht ſchwierig ein- 
zufehen, und fann faum ein Zweifel darüber vorhanden fein, daß 
in einem Lande, in welchem die jährliche Mitteltemperatur A bis 
7° unter dem Gefrierpunkte ift, nur die hinreichende Menge Wafler 
fehlt, daß daffelbe, wenn es auf die gebührende Art dem 8 Monate wäh⸗ 
renden Froft ausgeſetzt wäre, die Oberfläche überall mit einer aufthaus 
baren und ſtets zunehmenden Eisrinde würde befleiden fünnen. Halten 
wir Dies und zugleich das, was in dieſem Abfchnitte über die Beringungen 
für die Bildung von immerwährendem Eife auf dem Lande gefagt it, 
mit dem Umftande zufammen, daß ſich Das Innenland gerade vor dem 
Außenlande durch die Größe des Ablauf oder der urfprünglichen 
Zlußgebiete und durch Die Länge ded Weges auszeichnet, welchen das 
Waſſer in der kurzen Sommerzeit bis zum Meere zurüdzulegen hat, 





236 Rink: 


ehe es der Winterkaͤlte ausgeſetzt war, fo tritt die Wahrſcheinlich 
feit, daß das Innenland ganz unter Eis begraben werden müßte, 
fehr nahe. 

Die Refervoire, welche das fließende Wafler auf dem Lande auf: 
nehmen, und die im Stunde find, aud im Winter die Zlüffe Damit 
zu verfehen, werben forwohl über, ald unter der Oberfläche gefunden. 
Wir Haben ſchon die großen Landſeen berührt, welche man auf der Rour 
foafss Halbinfel fennen gelernt hat; fie follen nad der Ausfage der 
Grönländer in einer eben folchen Größe auf dem anderen größeren 
Theile des gefchloffenen Landes, der Svartenhuks Halbinfel, vorkommen. 
Aber Kleinere Landfeen von allen erdenklichen Dimenfionen finden fidh 
überall verbreitet; das Eis pflegt fich erfi Ende September, vollkän- 
dig jedoch erft im Laufe des October auf diefelben zu legen, und es 
thaut erft völlig im Ende des Juni oder im Juli, ja wohl auch noch 
fpater auf, je nachdem die Seen eine größere Ausdehnung und Hleineren 
Küftenrand haben, was befonders zur Erwärmung beiträgt. Doch erreicht 
das Eis wohl felten eine Dide von 3 Ellen, und man fann deshalb 
in jeder der Colonieen fi) den ganzen Winter über mit Wafler von 
einem der nächften Landfeen verfehen. Auf einem folchen Landſee 
bei Omenak wurde am 10. October die Temperatur unter dem Eike 
in einer Tiefe von 21 Ellen zu + 13°, bei Jakobshann am 10. Mai, 
noch ehe das Eis an den Uferrändern fichtbar zu thauen ange 
fangen hatte, in einer Tiefe von 5 Fußen zu + 24° gefunden 
Man beobachtet nicht felten, daß die Zlüffe, welche durch ſolche Land⸗ 
feen gegenfeitig mit einander in Verbindung fliehen oder mit dem 
Meere zufammenhängen, den ganzen Winter hindurch unter einer Eis 
dee ihren Lauf behalten, fo bei dem Hausplage im Pakitſok⸗Fiord 
zwiſchen dem Tefferfoal- und Amelurtok⸗See auf der Nourſoaks⸗Halb⸗ 
ine. Es kann auch nicht fehlen, daß gewifle Landſeen unterirdiſche 
Adflüffe Haben müffen, und daß die Refervoire, welche die fpringenden 
Quellen mit Waffer verfehen, zum Theil wieder durch jene verforgt 
werben. Es ift befannt, daß Rord- Grönland weit hinein in jener Zone 
liegt, in der man darauf rechnet, daß der Erdboden in einer gewiſſen 
Tiefe beftändig gefroren if. Auf einer der niedrigen Torfinfeln bei Ege⸗ 
desminde wurden Demnach am 10. October die oberften 3 Zoll des Torfla- 
gerd durch Die Herbflfälte gefroren angetroffen, die darauf folgenden 6 bis 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Befchreibung von Nord- Grönlann. 237 


7 Zoll aufgethaut, und in einer Tiefe von in Allem 10 Zoll erfchien 
der immerwährende Froſt. Aehnliche Erfahrungen, aber doch mit einem 
Unterfchiede in Bezug auf die Tiefe, erwarb man, indem man in 
Lehm: und Sandbergen nach Steinfohlenfchichten u. |. w. grub. Aber 
ed ift auf der anderen Seite wieder ein Factum, daß auch auf zahl 
reichen Stellen, in größerer oder geringerer Tiefe unter der Oberfläche 
Reſervoire von fließendem Waſſer gefunden werben, welche in der Re⸗ 
gel gegen 2° Wärme haben, jedoch auch fehr oft weit darüber. Von 
den fpringenden Quellen, welche fie nähren, und die mit unveränder- 
ter Waflermenge das ganze Jahr hindurch fließen, wollen wir hier 
fehließlich folgende anführen: 

1) Die Quellen bei der TeffiurfafsBucht auf der Sakkardlek⸗ 
Infel, 1 Meile ſüdlich von Egedesminde. Es find drei oder 
vier nahe bei einander; die größte entfpringt aus einer Spalte 
der feſten Granitwand, hat eine Temperatur von + 43°; 
und kann ihrer Stärke nach mit dem Karlöbader - Sprudel 
verglichen werden. Die andern fommen aus dem Moosboden 
in der Nähe hervor, find jedoch faft von derſelben Stärke. 
Auf dem Meeresgrunde nahe diefer Küfte, follen der Ausfage 
nach noch mehrere Strahlen von frifhem Waſſer hervorkom⸗ 
men welche das Eis darüber den ganzen Winter hindurch 
offen halten. 

2) Die Quelle in der Lehm⸗Bucht des Diftricts Chriftians- 
haab dringt aus einer Sand- und Lehmfchicht zu Tage, welche 
eine große Fläche Land, kaum ein Paar Hundert Fuß hoch 
über dem Meere bildet. Sie zeigte im September + 13°, 
und es wird behauptet, daß fie im Winter viel mehr MWaf- 
fer habe. 

3) Die Quellen bei Gobhaun auf Disko find ziemlich zahlreich 
und fommen unter den Trappfchichten oder zwoifchen dieſen 
und dem Granite hervor. Die reichften find die im Meere 
von Lynymarken (Heidegegend) und Engelöfmanden. Sie 
haben + 2° und fließen im Winter unter dem Schnee, in 
einer Höhlung, in welcher Pflanzen feimen, und Landſchnek⸗ 
fen und Inſekten fih in den ftrengften Wintermonaten lebend 
erhalten. 





238 Rink: 


A) Die Ounartof » Quelle im Disko⸗Fiord, die wärmfte von 
allen, entipringt am Fuße eined etwas über 2000 Fuß ho⸗ 
hen Trappgebirged auf einem mit gleichmäßiger Vegetation 
bevestten Flachlande, 110 Schritt vom Strande. Sie zeigte 
im Suni 1849 faft + 10°, aber ihr zur Seite flofien meh- 
rere Fleinere, welche A bis 5° zeigten, und viel Schneewafler 
von + 4°. Es ift daher wohl möglid, daß die Meineren 
Laufe mit Schneewaſſer, welches überall uber dem Moosboden 
fteömte, vermifcht war, und daß felbft jene wärmfte nicht frei 
davon geweſen ift, und von Haufe aus eine höhere Tempera: 
tur, al8 + 10°, Batte. 

5) Bei Sermingoaf, 3 Meilen von Riafornaf im Omenaks⸗Fiord, 
tritt aus dem Trapptuff eine mächtige, fpringende Quelle zu 
Tage; fie hat eine Heine ifolirte, angeblich au immerwähren: 
dem Eife beftehende Maffe, die ganz nahe unten am Strante, 
mitten auf dem mit Vegetation bededten Flachlande liegen 
und fo eins der wenigen DBeifpiele diefer Art abgeben foll, 
gebildet. 

6) Im Imnerit-Kjord, 2 Meilen von Okeſikſak, in demfelben Di- 
firicte, wird eine ähnliche Eisbildung auf dem Flachlande uns 
tee fehr hohen Abhängen von Gneis, welcher mit großen 
Schichten von Förnigem Kalkſtein oder Dolomit abwechlelt, 
gefunden. Unter diefem Eife kommt dort gleichfalls im Win- 
ter Waſſer hervor, weshalb ed angenommen werden dürfte, 
daß fie auch aus einer Springquelle entftanden ift. 

Schließlich Fönnte e8 an diefer Stelle pafiend fein, ein Paar 

Bemerkungen darüber hinzuzufügen, wie fich die Einwohner mit Trink: 
waſſer verfehen. Im Sommer mangelt es wegen des aufthauenven 
Schnee, wo man auch an’d Land geht, in den Heinen Seen, Tuͤm⸗ 
peln oder Flüſſen faft nirgends an Waſſer. Man hat faum über 100 
Schritte gehen, um das Nothwendigſte zu finden. Doc fann es in 
bürren Sommern dahin fommen, daß es auf fleinen Infeln daran 
fehlt, jo daß es etwas weiter hinweg geholt werden muß, oder man 
muß Kalbeis von den Eisfjelden in der See nehmen. Aber im Win- 
tee und den größeren Theil des Jahres hindurch bedienen fich bie 
Grönländer des Eifes, welches fie theild von den Landſeen nehmen, 


Phyſikaliſch⸗geographiſche Befchreibung von Nord» Grönland. 239 


theil8 von den eingefrorenen Eisfielden Holen, in Stüde hauen und 
aufthauen. Bei den Eolonien, ganz in deren Nähe, werden Seen von 
der Größe gefunden, daß fie nicht biß auf den Boden zufrieren. Man 
hält dann den ganzen Winter über Löcher auf und Holt das Waffer 
auf Schlitten. Bei Godhaun bedient man fi), wenn auf dem Meere 
gefahren werden kann, des Waflerd aus den Quellen von Lynymars 
fen. Jedoch herrſcht in Grönland das VBorurtheil, daß Wafler, wel- 
ches auf dem Lande fteht oder fließt, hart fein und mineralifche Bes 
ftandtheile enthalten foll; dieſes ftreitet fchon gegen defien nächften un- 
mittelbaren Urfprung aus thauendem Schnee, aber außerdem findet 
man überall, daß es leicht mit Seife fehaumt, und fchließlich erlaube 
ich mir anzuführen, daß Wafler, fowohl aus mehreren der benußten 
Landfeen, fowie auch, was am wenigften zu erwarten war, aus den 
erwähnten Quellen bei Godhavn, ſich bei einer chemifchen Probe faft 
fo rein als deftillirted Waſſer zeigte"). 


A. von Ekel. 


— — — — —— 


2) Bei ven Seefahrern in den arctiſchen Meeren hat fich eine eigenthümliche 
Terminologie für die verfchievenen Gattungen von Eis gebildet, die nicht jedem unfe- 
rer Lefer bekannt fein dürfte. Schon der mit den norbifchen Meeren fo vertraute 
Capit. Parry hielt es für nöthig, eine Erklärung folder Ausdruͤcke zu geben, von de: 
nen wir bier drei mit den Originalworten herausheben (Journal of a second voyage 
XIX, XX.), da diefelben theils in dem obigen Aufjabe, theils in den früher mitge- 
theilten M’Elure’fchen Depefchen häufiger vorfommen: Calf (Kalbeis) — a mass of ice 
lying under a floe near its margin and when disengaged from that position rising 
with violence to the surface of the water. — Tongue — a mass of ice projec- 
timg under water from a iceberg or floe and generally distinguishable at a conside- 
rable depth ın smooth water. It differs from a calf in being fıxed to ur a part 
of the larger body. — Pack ice — a large body of ice consisting of separated 
masses Iying close together and whose extent cannot be seen. 


Gumpredt. 





240 Miscellen: 


Miscellen 


Capitain Walter M. Gibſon im Indifchen Archipelagne. 
— Die Nordamerifaner Hatten ein fcharfes Augenmerk auf vie Hinterinvifchen 
Eilandfluren, ſchon bevor ſie Californien dem großen Staatenbunde einverleib- 
ten, und ehe die Golventvedlungen im Großen Oceane ein ganz neues Leben 
bervorriefen. Die erfte Anregung gab, im Jahre 1845 wenn ich nicht irre, 
ein unermüdlich thätiger Dann, Aaron H. Balmer, jett General⸗Conſul 
der Vereinigten Staaten in Ecuador, derſelbe welcher auch vie erfle Gefell- 
fehaft bildete, der e8 Ernft damit war, eine Schienenftraße über ven Iſth⸗ 
mus von Panama zu legen ober einen Canal zu graben. Es kam den Ames 
rifanern darauf an, fich beim invifchen Handel zu betbeiligen, und namentlich 
auch ihren Baummollenfabrifaten in China und im Ardjipelagus Abfap zu 
verfchaffen; werthvolle Ruͤckladungen waren dann ſtets ficher. Bor zehn Jah: 
ren ftrebten die Dankee'& freilich noch nicht mit Bewußtfein nach ven Ziele, 
worauf fte jest mit voller Klarheit Hinarbeiten; nämlid Norvpamerifa 
zur großen Karawanenftraße für den Weltverfehr zu machen, 
aber ihr maritimer Spürftnn, ihr Handelsinſtinet trieb fle ſchon nach jener 
Richtung Hin. Mit ihren ortinairen Domefticd (grauem Baummwollenzeug) 
fonnten fle in China und im Archipelagus, foweit viefer neutrale Märkte 
darbot, in Mitbewerb treten. Schon 1831 ſtellten ihre Ausfuhren nad 
China ſich auf ven Geldwerth von 1200835 Dollars, die Einfuhr aus China 
auf 3038205 Dolard. Zwanzig Jahre fpäter, 1851, waren die erften auf 
2485257 D. geftiegen, die Iehte auf 7065144 Dollars. Diefe Ziffer deutet 
darauf Hin, daß die Nordamerifaner jegt eine bei weitem größere Menge Thee 
direct aus dem Erzeugungslande holen und ſich nad und nach ver Abhän- 
gigkeit vom englifchen Markt entlevigen. Bon jenen Exrporten kommen 1851 
auf Baummollenwaaren für 1894419 Dollard. Für 1851 fand ich neulich 
in einem amerifanifchen Handelöberichte die Verkehrsbewegung nach und von 
Ehina auf 20 Millionen angegeben; nach und von Britifch- Indien, dem Ar: 
hipelagus und den Infeln im Stillen Weltmeerr auf 6 Millionen. Diefelbe 
ift aber feitvem fo raſch geftiegen, daß man für 1853 fie wohl auf mehr als 
15 Millionen veranfchlagen darf. Palmer Hatte einen folchen Aufſchwung 
voraußgefehen ?), und die Kaufleute in den großen Hafenſtädten waren ver⸗ 


?) Letter to the Hon. C. J. Ingers oll, chairman of the committee on foreign 
affairs, containnıng some brief notices respecting the present state, production, trade, 
commerce etc. of the Comoro Islands, Abyssinia, Bersia, Burmah, Cochin China, 
the Indian Archipelago and Japan; and recommending, that a special mission should 
be sent by the governement of the United States, to make treaties and extend our 
commercial relations with those countries, by Aaron H. Palmer, councillor of 
the supreme court of the United States. 


Eapitain Walter M. Gibſon im indifchen Archipelagus. 241 


fländig genug gewelen, feine praftifchen Bingerzeige zu befolgen. Auch die Re⸗ 
gierung der Vereinigten Staaten benugte feine Winfe. In der Perfon des 
vielgenannten Herrn Bannifter wurde ein fehr gewandter Agent nach China 
und dem Archipelagus gefandt, und dieſer war es wohl, von welchem bie 
Idee zu der Erpevition gegen Japan herrührt. Daß man überhaupt ernftlich 
darauf audgeht, den amerifanifchen Einfluß in viefem „fernen Weften”, dem 
fernen Orient der alten Welt, zu begründen, unterliegt feinem Zweifel. Eben 
ießt, im Januar 1854, ift Herr Nobert Mac Kane nah China unterwegs; 
er geht als Minifterreflvent dorthin und wird die Operationen der Flotte, 
welche unter Commodore Perry in ven öftlichen Gemwäflern Ereuzte, zu leiten 
haben. Wahrfcheinlich ſoll er auch nach Jeddo geben, denn es iſt nun ein- 
mal der Lieblingsmunfch der Amerikaner, daß gegen Japan „a bold stroke“ 
geführt werden müfle. „Wenn wir nur erft feften Fuß im dfllichen Archipe⸗ 
lagus gefaßt haben, dann befigen wir die Stüße, auf welcher wir einen He⸗ 
bel anfegen, der die ganze öftliche Welt in neue Bewegung bringen fol.” 
So leſe ich in einem Newyorker Blatte vom 22. December. Und die Anlage 
einer Golonie oder zum Mindeſten einer Factorei an irgend einem geeigneten 
Punkte wurde fchon im Jahre 1846 fehr dringend von John Ruſſell Bartlett 
empfohlen '). Daß waͤhrend ver beiven Ießtverflofienen Jahre amerifanifche 
Seeleute ven bolländifchen Behörden allerlei Anftoß gegeben haben, ift befannt, 
und man hat deshalb zwifchen dem Haag und Wafhington fehr lebhaft Hin und 


- ber unterhanvelt. Den Nieverländern find dieſe amerikanischen Schiffer, melche 


von Infel zu Infel fahren, alle Häfen „purchichnüffeln”, da und dort abpeilen 
und fich mit ven Eingeborenen in Verbindung fegen, fehr unwillfommene Gäfte. 

Zu folchen Erploratoren gehört auch Gapitain Walter Gibſon, welcher in 
der Decemberfigung der geographifchen und ſtatiſtiſchen Gefelichaft zu New 
Dort einige feiner Erlebniffe im invifchen Archipelagus ſchilderte und eine Reihe 
von Karten vorlegte, vie er felbft entworfen, 3. B. über die Straße von Du⸗ 
rian, die Infeln Pandjore und Bali, über die Gewäfler von Palembang, das 
Gebiet von Palembang und das fünöftliche Sumatra; auch einen Plan von 
Palembang legte er vor. Gemäß einem Wunfche des Vorſitzenden Georg 
Bancroft und des Dr. Hawkes fprach Eapitain Gibſon zuerft ausführlich über 
die Infel Bali und ihre Friegerifchen Bewohner, deren Zahl er auf minde- 
ſtens 920000 annimmt. Sie feien von entfchieven kaukaſiſcher Organifation; 
er babe viele unter ihnen mit braunem Haar und braunen Augen angetrof- 
fen. Intereſſant iſt die Mittheilung, daß die Balinefen gegenwärtig eine res 
gelmäßige Auswanderung nach Neu» Guinea begonnen haben; ihr Eiland ift 
allerdings, wenn es mit jener Zahl feine Nichtigkeit haben follte, viel zu ſtark 
bevdlfert. 

Sehr ausführlich verbreitete ſich Gibſon über die Orang Kubus over 


— 


) Proceedings of the New York Historical Society, for the year 1846. Ap- 
pendix, ©. 203 und 205. 


Zeitſchr. f. allg. Erofunde. Br. 11. 16 











242 Miscellen: 


braunen Leute auf Sumatra. Der wefentliche Inhalt feiner Mittbeilung ift 
in dem Folgenden zufammengefaßt. 

Unter allen Menſchen ftehen viefe Kubus wohl auf ver tiefften Stufe; 
in ihnen Bat vie Ausartungsfähigkeit unferer Specied jene Grenze erreicht, 
wo der Menfch beinahe aufhört, und das Thier anfängt. Die Kubus bilven 
gleichfam ein WMittelglied zwifchen beiden. Sie find mit Haaren bevedt, haben 
lange Arme, und ed mangelt ihnen dad Kinn, ober vielmehr bildet daſſelbe 
feinen Theil des Geſichts. Diefe Eigentbümlichkeiten fielen dem Gapitain Gib- 
fon gleich auf, ald er die erften Kubus ſah; er wollte in ihnen nicht mehr 
finden, als eine etwas höhere Entwidelung ded Orang Utang. Bei genauer 
Unterfuchung überzeugte er fich jedoch, daß fie eine allerdings raubtönenbe, 
einfolbige Sprache reden, und daß ihre Gefchlechtdorgane jenen ver übrigen 
Menfchen glichen. Auch werben fie von den Malaien für Menfchen gehalten, 
aber man macht Jagd auf fie und verwendet fie als Laflvieh. 

Die Drang Kubuß leben nur in den unzugänglichen Sümpfen und Waͤl⸗ 
dern zwiſchen ven Gebieten Jambi und Palembang auf Sumatra und meoh- 
nen auf ven Hohen Teak» und Marringin- Bäumen. Sie legen Bambusrohr 
auf wagerecht abftehende Aeſte und bauen auf dieſer Grundlage eine Eegelför: 
mige Hütte, welche fie mit Blättern decken. Gleich ven meiften wilden Stams- 
men im Öftlichen Archipelagus find auch fie vorzugsweiſe Ichihyopbagen, une 
e8 mangelt ihnen an Fifchen nie. Als Gibfon einen Kleinen Zufluß de Sun⸗ 
fang Hinanfuhr, fah er die Kubus zum erften Male; eine genauere Unterſu⸗ 
hung fonnte er aber erft anftellen, als er fich im Palafl des Sultans von 
Palembang und bei einem unabhängigen Banpfcherang oder Fürften, Nanıms 
Osmin, befand. Diefer letzte befaß unfer feinen Sclaven mehrere Kubus; fie 
mußten die nievrigften und widermärtigfien Arbeiten verrichten, Schmug weg⸗ 
tragen und Steine fchleppen. Osmin bezeichnete fie ald Tai Drang, Aus⸗ 
wurf, Schmuß der Menfchen; fie feien, fügte er hinzu, als vie niedrigſten 
Sclaven geboren feit „hundert Generationen”; ſie flammten von den Scla⸗ 
ven und LRaftträgern der Armee Alexander's ab. Man nannte fie auch ine 
gemein nur Hamba⸗ over Budak⸗Iskender, over Sclaven Alexander's. 
Es iſt Thatfache, daß auf Sumatra noch viele Trapitionen von Alexander, 
dem Dhu 'l Karnain, d. 5. dem zweigehörnten, leben; vafjelbe ift auf dem 
aftatifchen Feſtlande ver Kal. 

Man bat ſich vergebliche Mühe gegeben, vie Kubus ven Gebrauch von 
Kleivungsftüden zu lehren. Sie find fehr gierig nach Stüden bunten Zeus 
ged, die fle an verfchienenen Theilen des Körpers befeitligen; eine Jade bins 
den fie zum Beifpiel auf den Kopf oder um ven Unterleib. Gibfon war 
Zeuge, daß Männer eine bunte Müte, ein Tafchentuch oder einen Handſchuh 
unter Grinfen und freudigem rungen an ihren Gefchlechtötheilen befeftigten. 
Ale Berfuche, fte die Sprache ihrer Herren zu Ichren, find gleichfalls ver» 
geblich geweſen; felbft jene, welche als Hausſclaven aufwuchien, fließen das, 


Gapitain Walter M. Gibfon im indiſchen Archipelagus. 243 


was fie von der malaiifchen Sprache fich angeeignet, rauf, einfylbig und im 
Tone eined unbefchreiblichen Grunzens heraus. Bon einem Zuſtande der Ehe 
fcheinen fte feinen Begriff zu haben; fie paaren fich für ein Jahr. Der Pand⸗ 
jerang Osmin erzählte den Amerikanern auch, daß er nie eine Spur von 
Verehrung eines höchiten Wefens bei ihnen bemerkt habe. Dagegen bemerkte 
ein boländifcher Hauptmann Dan Woorden, der vier Jahre Iang auf 
dem Heinen Poften Lahat im Inneren Sumatra’3 befehligt Hatte, er fei fehr 
häufig mit Kubud beiverlei Geſchlechts zufammengetroffen und babe gefehen, 
daß fie um einen Buluh batang, einen Bambus, ver eine beträchtliche Höhe 
erreicht, faßen, danıı Alle zufanımen mit dem Kopfe gegen den Bambusftanım 
anrannten und dabei grungende Töne auöftiegen. Diefer Brauch fand alle 
Mal flatt, wenn Einem von ihnen over Allen etwas Angenehmes oder Un⸗ 
angenehmes widerfuhr. Nun iſt ed bekannt, daß die am wenigften civiliftr- 
ten unter den halbheidniſchen Stämmen und Völfern Sumatra’8 in dem Wahne 
leben, daß in den mächtigen Büfcheln ver Buluh batang und in den Warin« 
ginbäumen gute und böfe Geifter wohnen, — Widadiri Dewas und Mal: 
fchafad. Bemerkenswerth ift dabei, dag durch ganz Sumatra alle Weien 
der Mythologie weiblich find. Gibſon hörte aus dem Munde der Drang Mes 
nyanyi oder Pantunverdfänger einige ganz herrliche Schilverungen der Wida⸗ 
viri oder Waldnymphen, welche auf den Buluh batangs wohnen. Die Drang 
Kubus ſcheinen eine Art Vorftelung von folcdyen Wefen zu Haben. Diefe 
„behaarten viehifchen Menfchen ” find invefien für den Handelsverkehr fehr 
nüglih. In den für alle übrigen Stämme unzugänglichen Wälvern ver In» 
fel, in denen von Batang Lekos, fammeln ſie Droguen, namentlich) das Ben⸗ 
zoin oder Benjamin» Gummi. In der Landſchaft Jambi erfuhr Gibfon von 
arabifchen und malaiischen Kaufleuten Näheres über vie Art und Weife, wie 
man mit den Kubud verkehrt. Der Handelsmann begiebt fich nach irgend 
einer Stelle, in deren Nähe er vie Landbewohner vermuthet, meift an den 
Saum des Gehölzed, zu einer beftimmten Zeit im Jahre. Er legt allerld 


Siebenſachen, namentlich bunted Zeug, Glasperlen und vergleichen auf den 


Boden, fchlägt dann eine Weile tüchtig auf eine weitſchallende Keſſelpauke 
(Bong) und geht fort. Nach etwa einer Woche kehrt er an vie Stelle zu- 
rück und findet ftatt feiner Sachen eine Quantität Benzoin, bie er mitnimmt ). 
Gibſon vermweilte längere Zeit in BPalembang, daß er ald das Venedig des 
Orients bezeichnet. Statt der Straßen wird es von Kanälen und Bächen durch⸗ 
zogen, und die meiften Häufer ſind ſchwimmende Gebäude, die man am Rande, gleich 
Schiffen an einem Werft, befeftigt hat. Die Bewohnerzahl wird auf etwa 70000 


ı) Diefer ſtumme Handelsverfehr erinnert ganz an den flummen Golbhandel 
im Inneren Nord: Afrifa’s, wie ihn zuerft Herodot (TV, 196), dann Cadamoſto (Ra⸗ 
mufto I. fol. 100, a), Jobſon (Purchas II, 1573), Hof (Marocco 279) und Andere 
(Purchas 11, 872) befchrieben, wovon neuere Reifende aber freilich nichts bemerkt ha⸗ 
ben. In Süd: Afrika fol etwas Achnliches bei den Mafua flattfinden ( Thoman’e 
Reife: und Lebensbefchreibung. Augsburg 1788, 119). Gumprecht. 


16 * 








244 Miscellen: 


angegeben. Die Häufer der wohlhabenden Araber, Malaien und Chineſen 
find fehr geſchmackvoll aus feinen Hölzern aufgeführt, und vie Gauptfeite, 
welche dem Fluſſe Muft zugefehrt Tiegt, ift glaͤnzend gefirnißt. Weberhaupt 
find die Bewohner von Palembang weit und breit im Archipelagus als ge 
ſchickte Ladlirer berühmt. Gibfon meint, fle Hätten einige Arten von Gunmi, 
welche nur ihnen befannt feien, und verftänden es, venfelben eine eigenthüm- 
liche Zubereitung zu geben. Auch ihren Prahus und ihren TZambangand ober 
Nachen geben ſie einen Ueberzug von Lad. Der Amerikaner fah eine Prabu, 
die funfzig Mann faffen fonnte und außen wie innen fo glänzend ladırt 
war, wie das feinfte chineftfche Käftchen. Auch in Filigran liefert Palem⸗ 
bang ausgezeichnete Arbeiten. 

Sowohl auf Sumatra, ald auf Borneo und Eelebes, wurde Gibſon um 
Abdrücke des Korand von Rabi Iefa, das heit der Bibel, gebeten; er fügt 
aber Hinzu, daß die Häuptlinge nach dem Heiligen Buche ver Ehriften haupt⸗ 
fächlic) nur deshalb Verlangen trügen, um in venfelben Nachweifungen über 
Pflanzen und Schifffahrt zu fuchen. Die Macht und die höhere Bildung der 
chriſtlichen Völfer ſtammt, ver Annahme jener Malaien zufolge, aus ver Bir 
bel ber, und ſie meinen gleichfalls einen großen Zuwachs an Macht gewin- 
nen zu Fönnen, fobald fie nur jenen Koran des Rabi Jeſa befigen. Jeden⸗ 
falls wird fich das Chriftenthum im Nrchipelagus nur fehr langfam verbrei- 
ten Fönnen; überall, wo die Mohammedaner feften Fuß haben, trifft es auf 
zaͤhen Widerſtand. 

Ueber die Handelsverhaltnifſe Außerte ſich Gibſon nur kurz, doch wird 
erwähnt, daß er auf manchen Inſeln in ver Djava⸗See eine dem Guane 
ähnliche Subſtanz gefunden, welche vie Eingeborenen ald Dünger benutzen; 
fie Scheint ihm aus einer Infuforienmaffe zu beftehen, und ift beinabe 
unfühlbar, wenn fie völlig troden geworden. Bitumindfe Kohlen bat er an 
vielen Stellen getroffen, aber die Engländer können, — bekanntlich Bulo Las 
buan ausgenommen, — nicht zum Bearbeiten verfelben gelangen, weil vie 
eingeborenen Säuptlinge wiberftreben, und die Holländer nicht Macht genug 
haben, um fie zu Paaren zu treiben. Gibfon meint, mit der nieverlänvifchen 
Herrſchaft fei es, allein Djava (und wir fügen hinzu die Moluffen) ausge⸗ 
nommen, fehr prefär beftelt. Die Englänver könnten energifcher verfahren, 
ihnen find aber durch den Vertrag von 1824 die Hände gebunden. Diefer 
Trartat beflimmt, daß England fich in Hinterindien auf das Feſtland befchrän- 
fen folle, während ven Holländern auf den Infeln freie Hand bleibt. 

Gibſon's politifche, zum Theil auf erweislich falfchen Angaben berubenve 
Erpertorationen übergehen wir, ebenfo die Ruhmredigkeit und Eigenlob, ohne 
welche die Yankee's nun einmal vergleichen Gegenftänve nicht behanteln. Wahr 
ift aber, daß vie Amerifaner ald mächtige Mitbewerber im inpifchen Ocean und 
Archipelagus auftraten, und daß, wenn nicht fünf Sechötel, doch weit über die 
Hälfte des letzten noch zu freier Auswahl vorliegt. Gier mag bemerft wer 





Eine Entdeckungsreiſe nach Fezzan, Aghadéz und Kafchna. 245 


den, daß die Holländer Herren der ganzen großen Eilanpflur fein könnten, 
wenn fie, ein Bolt von faum 3 Millionen Seelen, fich nicht von dem großen 
Deutfchland fo egoiftifch fern gehalten hatten. Nun kommen ihnen vie Ames 
rifaner in die Quere, welche dort ein „böchft einladendes Gebiet für ameris 
kaniſchen Unternehmungdgeift “ fich erfchließen wollen. Man weiß von Teras, 
Dregon, Californien und den Sanvdreich »Infeln her, was das bebeutet. 
Wahrfcheinlich wird Gihfon ein Werk über vie von ihm befuchten In- 
feln des Archipelagus erfcheinen lafien, dad ohne Zweifel eine Menge wichti- 
ger Nachrichten, namentlich in Bezug auf Schifffahrts⸗ und Verfehröverhält- 
niſſe enthalten dürfte. Audree. 


— — — — — 


Eine Entdeckungsreiſe nach Fezzan, Aghadéz und Kaſchna in 
den Jahren 1710 nnd 1711. 


Die katholifchen Mifjlonare Haben fich bekanntlich in früherer Zeit nicht 
unbedeutende Verdienſte um die Kenntniß des afrikanischen Continents erwor⸗ 
ben, ja mehrere ihrer Berichte, wie die von Alvarez, dos Santos, Zuchhelli, 
Merolla, Earli, Cavazzi und Anderen galten faft Jahrhunderte lang als ein: 
zige Duelle für die Kunde einiger Theile Afrika's und müſſen zum Theil fogar 
noch heute ungeachtet des geringen Grades wiflenfchaftlicher Bildung, den 
ihre DVerfaffer ohne Ausnahme befaßen, dafür dienen. Im Laufe des vorigen 
Jahrhunderts war die Zahl folcher Beiträge für die Erdkunde viel geringer, 
fo daß eigentlidy nur die des Pater Krump, auf den ich zuerft die Aufmerk⸗ 
famfeit gelenkt Habe (Monatäber. ver Berl. geogr. Gefelih. 1850. VII, 39 
— 88), fowie die ver P. Sicard und Labat, dann die ver Abboͤs Demanet und 
Proyart zu nennen find. Die wenigen erhaltenen Refte von Sicard's ſchriftſtelleri⸗ 
ſcher Thätigkeit laſſen e8 aber gar fehr bevauern, daß ein frühzeitiger Top an der 
Peſt dieſen unterrichteten und eifrigen Korfcher hinweggerafft hat, da das von 
ihm verheigene große Werk über Aegypten, das Nefultat mehrjähriger un⸗ 
unterbrochener Borfchungen, nach dem umfaflennen Profpect ven wir davon 
befigen (Choix des lettres edifiantes 1809. VI, 166 — 183, 438), ficher- 
lich ein treffliches geworden wäre. Nach Ianger Unterbrechung wendet fich 
erft feit Kurzem wieder die Aufmerffamkeit ver Fatholifchen Mifflonare dem 
afritanischen Eontinent zu, und wir haben nun von dem Eifer des P. Knob⸗ 
Iccher auch für die Erdkunde manche erfreuliche Mefultate zu erwarten, aber 
leider waren biöher die Elimatifchen Verhältnifie in Nubien und am oberen 
Nil, wo fich Knoblecher und feine muthvolle Schaar bewegt hatte, jo verderb⸗ 
lich für die förperliche Conftitution der lebten, daß dadurch bereitd manche 
werthvolle Beobachtung unmiverbringlich verloren gegangen fein dürfte. 
Sp berichten die neueften, von dort ber eingegangenen Nachrichten wieder den 





246 Eine Entveedungdreife nach Fezzan, Agbarez und Juyıyım. 


Tod des P. Mathäus Milharcie, welcher die Mifflonsfchule zu Ehartum ge> 
leitet Hatte. Nicht minder ift zu beflagen, daß das große Werk, welches ein 
anverer neuerer Tatholifcher Mifflonar, der P. Sapeto, ein nach den von ihm 
veröffentlichten Proben fehr unterrichteter Mann (Vivien St. Martin Nou- 
velles Annales des Voyages. 1845. II, 296— 310; IH, 31 —56), und 
mehrjähriger Bewohner Abefjiniens, über died Land vor einigen Jahren her⸗ 
auszugeben verheißen hatte, noch immer nicht erfchienen if. Selbſt von ven 
älteren ungedruckten Berichten ver Fatholifchen Mifftonare, die noch in reicher 
Menge zu Rom in den Archiven der Gongregation de Propaganda fide ver» 
graben fein mögen, vürften einige felbft jet ver Bekanntmachung nicht um« 
werth fein. Ich zähle dazu beſonders vie des Entdeckers der Nilquellen, des 
in der Gefchichte Abeſſiniens fo wichtig gereordenen P. Paiz, vie längft für 
verloren geglaubt, fich mit ähnlichen portugiefifchen, aus dem Beginn tes 
17. Jahrhunderts ſtammenden Berichten in dem Nachlaſſe des befannten bes 
rühmten Reifenden 3. Bruce vorgefunden haben follen, wenn nämlich eine 
darüber in Schloͤzer's VBriefmechfel 1780. Nr. VIII, 66 enthaltene Notiz bes 
gründet if. Es wäre den Zweden ver Hackluyt Society ganz angemeflen, 
wenn file der Auffindung dieſer Documente früherer wifjenfchaftlichen Thaͤtig⸗ 
feit ihre Aufmerkſamkeit zumenvete und viefelben veröffentlichte. 

Eine der vielen muthvollen Beftrebungen fatholifcher Mifftonare in das 
Innere Afrifa’8 einzubringen, blieb Tange Zeit völlig unbekannt, und auch die 
einzige neuere Notiz, die wir darüber John Barrow oder dem durch feine 
Küftenaufnahmen im mittellänpifchen Meere fo bekannten Gapit. Smith in 
dem Quarterly Review XVII, 375—376 Jahrg. 1817— 1818 verdan⸗ 
fen, hat fo wenig die Aufmerkfamfeit auf fich gezogen, daß e8 nicht unzweck⸗ 
mäßig fcheint, Hier noch einmal daran zu erinnern, wenn auch vie Wiſſen⸗ 
fchaft von diefer Entdeckungsreiſe, worüber die Notiz handelt, Feine weſentlichen 
Refultate ziehen dürfte. Eine in dem Klofter ver Congregation de Propa- 
ganda fide zu Tripolis in Afrika vorgefundenes® Manufeript, deſſen weiterer 
Inhalt unbekannt ift, giebt nämlich nad) dem Referenten die Nachricht, daß der 
- Priefter Carlo Maria von Genua, der vom Papft ven Titel eines Präferten von 
Bornu erhalten Hatte, in Gefelfchaft eines Pater Serafino vi Salefla, over 
wie derfelbe fpäter genannt wird, Sevarino da Silefla ’), am 20. Juli 1710 
von Tripolis abgereift fei, um fich nach dem Inneren Nord »Afrifa’8 zu bes 
geben. Ein dritter Geiſtlicher, P. Anaftafio, der an dem Zuge Theil neh» 
men follte, wurde daran durch Krankheit gehindert und zur Rückkehr gezwun⸗ 
gen. Der Weg nach dem Inneren fcheint nach Barrow's Bemerkung früher 
offen und ſelbſt für Ehriften mit geringeren Gefahren verfnüpft geweſen zu 
fein, als e8 heute ver Fall ift. Dennoch wurden die italienifchen Geiftlichen da⸗ 
mals durch Häuber, welche ven geraden Weg von Fezzan nad) Bornu ver» 


— — ———— 


ı) Gin Mal ſteht nämlich im Tert Serafino, zwei Male aber Sevarino. 


Eine Entveungsreife nach Fezzan, Aghadéz und Kaſchna. 247 


fperrten, verhindert nach dem leßtgenannten Rande zu gelangen. Sie begaben 
fih von Tripolid zuerft nach Fezzan, und waren fo die erften europäifchen 
Reiſenden neuerer Zeit, welche dies Land befuchten, das bekanntlich erft faft 
100 Jahre fpäter, nämlich im Jahre 1798, Hormemann von Xegypten auß 
erreichte. Im Jahre 1711 feßten ſie ſodann ihren Weg von Berzan nach 
Aghadéz fort, wohin erſt im Jahre 1850 wieder Barth gelangte, den 
man bisher mit großer Wahrfcheinlichfeit al8 denjenigen Europäer anſehen 
tonnte, welcher Aghadéz zuerft betreten hatte und dem wir eine werthvolle Schil« 
derung der Stadt und des Landes gleiches Namens verbanfen (Journ. of the 
Geogr. Soc. of London. XXI, 137— 142 und 142— 153. Monatöberichte 
der Berl. geogr. Geſellſch. 1852. IX, 260— 291). Da vie Neifenden die 
Zwecke ihrer Mifjion Hier nicht erfüllen Eonnten, und hörten, daß dies ihnen 
eher in dem Lande Caſſina (die italienifche Schreibart für das heutige Kafchna ) 
gelingen würde, wenn auch nicht gerade in deſſen Hauptſtadt, fo gingen fie 
weiter und kamen von Aghadéz nad) einmonatlicher Reiſe durch die Wüfte 
nach der Stadt Kafıhna, wo aber die Unternehmung durch den Tod der 
beiden Miffionare bald endete. Der Praͤfect erkrankte zuerft durch den Genuß 
des fchlechten Waflers; fein Körper ſchwoll ganz auf, und in 8 Tagen war 
der Kranke tobt. Der Fürft von Kaſchna beraubte venfelben feines ganzen 
Eigenthums und felbft der Kleider, fo daß, als fich der zweite Mifitonar dem 
wiberfegen wollte und zur Begründung feiner Anſprüche anführte, daß die 
Kleider nicht dem Verftorbenen perjönlich gehört hätten, ſondern gemeinſchaft⸗ 
liches Eigenthum geweſen feien, ihm vom Fürften der Antrag gemacht wurde, 
Muhamevaner zu werden, wie er es felbft fei, was dieſer jedoch ablehnte, wor⸗ 
auf ihm ver Fürft fagte: Geh’! für Deine Thaten ſollſt Du auch fterben. 
In der That erfolgte der Tod unmittelbar darauf, indem der Mifflonar an dem⸗ 
felben Uebel, wie fein Gefährte, erkrankte und zwei bid drei Tage barauf 
farb. Aus dieſem Hergange ergiebt ſich allerdings, daß vie beiden Reiſenden, 
ungeachtet fie ihr Chriſtenthum nicht verläugnet Hatten, ungehinvert bis in 
das Innere des Continents hatten gelangen können, wogegen Barth und Overs 
weg ihr Leben und ihre Freiheit faum retten konnten, ald die Tuareg fle mit 
Gewalt zur Apoftafie zwingen wollten (Monatöber. 232, 233). Die Nach⸗ 
richt von dem Tode der Mifftonare brachte ver Hadſchi Milleit, ein gutmüthiger 
Mann, der fie von Tripoli über Fezzan bis Aghadéz begleitet Hatte, nach 
Tripolis. Auf den weiteren Wege von Aghadéz nach Kafıhna war ein 
Freund Milleit's in ihrer Geſellſchaft geweſen, von dem biefer ihr Schickſal 
erfuhr. Das boͤſe Waſſer war nad veffen Angaben allein die Urfache des Todes 
geweien, da Alle, vie nicht an daſſelbe gewöhnt find, in Kafchna unfehlbar 
dadurch hingerafft werden. So war der Berichterftatter felbft von zehn Reiſenden, 
mit denen er dahin gelangte, ver einzige Ueberlebende geweſen. Died mußten je 
Doch die Araber fo wohl, daß damals die Karavanen derjenigen, die mit Kafchna 
handeln wollten, nur bis Aghavez gingen. Dies fcheint jegt nicht mehr ver Fall 


248 Eine Entdeckungsreiſe nach Fezzan, Aghadéͤz und Kaſchna. 


zu fein, weil Barth nicht davon ſpricht, und auch Clapperton, welcher Kaſchna im 
Jahre 1824 befuchte (Denbam und Clapperton Nar. II, 122), ausvrädlid 
angiebt, daß dieſer Ort ein Lieblingdaufenthalt der Tuareg, freilid nur m 
trodenen Monaten, jei. Eine von Milleir berichtete Sitte, die gleichfalls nicht 
in neueren Berichten vorkommt, die nämlich, daß die in Kafıhma ver: 
fterbenden Fremden, felbft vie reichften, nicht vafelbft begraben werben, 
fondern daß man vie Leichen zur Stadt binausichafft, um fie ven Thieren zur 
Beute zu ü. rlafien, Elingt aber in der That fehr unwahrſcheinlich, va Kaſchna 
damals wohl fchon eine vorberrfchenn muhamedaniſche, aljo gefittetere Bes 
völferung hatte, bei ver folche Gebräuche, die nur rohen Heiden eigen int, 
nicht vorzufommen pflegen. Auch von ver großen Ungefunvheit Kafchna's 
ſpricht Clapperton nicht ausdrücklich, wiewohl fich allerdings eine ſolche aut 
defien vorhin angeführten Andeutungen abnehmen läßt. Weitere Berichte ver 
erwähnten italienischen Miſſionare über ihre Reife befigen wir leiver mich, 
doch möchten fich viefelben noch zu Rom im Archiv der Gongregelion 
de Propaganda fide auffinden lafien. Das WManufrript, woraus vie en- 
geführten Notizen entlehnt find, fol außerdem viele andere intereffaumi 
Details enthalten Haben. Da viefelben fpäter nicht publicirt worben fin, 
fo ift zu bevauern, daß fie nicht gleich von dem eferenten im Quarteriy 
Review mitgetheilt wurben, und zwar dies um fo mehr, als man vielleich 
jet nicht mehr weiß, wo dad Manufeript geblieben ift. 
Sumvprecht. 


—— — — — 


F. Fresnel's und J. Oppert's Entdeckungen in Babylonien 
aus Briefen derſelben mitgetheilt von C. Ritter und 
A. von Humboldt. 


I. Aus einem Schreiben des franzöſiſchen Conſuls Herrn Fal— 
gence Sreönel, Chef de la Mission Artistique et Scientifique 
en Mesopotomie, an ®. Ritter. d.d. Bagdad 24. Novbr. 1853. 


„Ich ergreife die Gelegenheit, um unter ven verſchiedenen Srrthümern, 
aber noch mehr Drudichlern, vie bei meiner Abmwefenheit vom Drudort und 
der Unmöglichkeit der Correcturen meine publicirten Arbeiten über Arabien 
und die Subdanlänver ') entftellt Haben, menigftend einen Hauptpunft, den Sie 
fhon lange bemerkt hatten, zu berichtigen. 

Er betrifft Zhafär (oder Zafär), dad als antife Reſidenz ver Himya- 


2) Ueber feine den Sudan betreffenden Worfchungen berichtete F. Fresnel im 
dem Bull. de la soc. de Geogr. de France 3 Ser. XI, 5, XII, 82, XIV, 153. 








Zeitschrift f.all&em. Erdkunde BU. Taf. 
— — —— — — 
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1 


Die mit feutarer chrift 
geichenen Sumen sind 
Zusiülze aus anderen Quellen 
und stehen nıcht im Original. 


Berlin bei D.Reimer. 





| 
IEN ven BABYLON 
| 


inometrischen Aufnahmen von 
JULIUS OPPERT, 18,53. 


« la Societe' de Geographie de Purıs 
1834 121. | 


— —— — — ——4 


! 


| | 


AEG 
Lith Anst v.L Kraatz in Berlin 


Fresnel's, Oppert's u. Rawlinſon's archäologijche Unterfuchungen. 249 


riten angejehen wurde. Im Vertrauen auf die Ausfage der Hadramis in 
Diedda wollte ich ') dieſe Reſidenz mit einer gleichnamigen Stadt, die am 
indifchen Dcean, in der Lanpfchaft Mahrah und in ver Nähe von Mirbat 
liegt, iventificiren. Damals ſahe ich die Sprache von Mahrah als einen Reſt 
der alten himyariſchen an; ich zweifelte naher nicht daran, daß die Ruinen 
des maritimen Zhafär diejenigen der Hauptſtadt der Tobba's (Tababi’ah) 
feien, um fo mehr, da Feiner meiner Berichterflatter eine andere Rocalität die⸗ 
ſes Namens in Daman (Jemen) over fonft wo kannte Es war cin großer 
Irrthun von ihrer und meiner Seite. In Folge Ihrer Forſchungen (Erdkunde 
Bd. 12, Arabien I, S. 261) fagten Sie hierüber ganz richtig: „ Directe 
Beweife, daß dieſe Seeſtadt Zafar am invifchen Ocean wirklich, wie Fresnel 
dafür hält, vie Reſidenz alter himyaritiſcher Könige gewefen, fehlen jedoch 
u.f.w.” Heute würde ich noch beſtimmter fagen, fogar ein birerter Be⸗ 
eis, daß ich irrte, ift vorhanden — dieſen directen Bemeis enthält der Ar⸗ 
tifel Zhafär im geographifchen Lericon Däfüt'd, wo es entfchienen beißt: 
„In Arabien gab es zwei Orte (mawäde) mit Namen Zafär; der eine 
war die Nefivenz ver Könige von Himyär, in geringer Entfernung von Sand 

.. der andere (welcher zu Däfür’d Zeit allgemeiner unter dem Namen Za- 
fär befannt war) liegt am indifchen Ocean, fünf Farſakh (Parafangen) von 
Mirbät ". Schon aus Ibn Batütah wußten wir, daß der letzte zur Zeit 
diefeß afrifanifchen Reiſenden in Flor ftand; jegt können wir, aus allen An⸗ 
gaben ver Araber, mögen fie wahr ober falfch, wie fle confus und ſich oft 
widerfprechend find, fchließen, daß vie Reſidenz Zhafar der Himyar fchon feit 
langer Zeit vor ihren Schreibereien in Auinen lag. Es iſt ficher vaflelbe 
Zhafär, das von Seegen ?) bejucht wurde und von dem unftreitig bie erfte 
himyaritifche Infchrift in Europa befannt gemacht wurde ?). Und gewiß 
liegt dieſes nicht fehr fern von Aden; wie geht es aber zu, daß eine fo in- 
tereffante Ortfchaft noch von feinem ver Engländer, die doch in jenem Ha⸗ 
fenorte einheimifch geworben, befucht worben ift? 

Gegenüber dieſem nun berichtigten Irrthum Tann ich zugleich heute eine 
Entdeckung über die wahre Lage von Babylon mittheilen. 

Ich fpreche zunächfi von der Auffindung zweier feit Jahrhunderten (mie 
fo unzählige andere) verlaffenen Ganäle an vem rechten Ufer des Eu« 
phrat; der eine im Norden von Hillah, Sinpjär, ver zweite im Süden, 
Düra genannt. Jener erhielt fein Wafler nahe dem Dorfe Annänch (Anana 
bei Chesney) 2), wendet ſich gegen SO. und verliert ſich in die Moraͤſte, 


— — 





1) Journ. Asiatique Vome V, 

2) S. unſere Nachricht hierüber in "Ger Erdkunde Arabiens I, ©. 258 nad 
Seetzen und Niebuhr. EN. 

3) Bon Seeden an Herrn J. von Hammer für die Fundgruben des Driente 
überfandt; A v. Zach monatl. Eorrefp. TH.XXVIN. Gotha 1813. ©.228. ©. 

2) ©. den Plan in Kiepert’s Karte der Euphrat= und Tigrisländer (Atlas zu 
Nitter’8 Erdkunde von Aften Heft 1V, 1854). 





250 Fresnel's, Oppert's u. Rawlinſon's archäologische Unterfuchungen. 


die im Norben und Welten des Birs liegen. Der Düra» Canal nah feis 
nen Anfang an 2 Stunden im SO. von Hillah; er zieht faft parallel mit 
dem erften gegen die im SO. des Bird gelegenen fehr beveutenden, Mokhat⸗ 
tat und Duwéôir genannten Ruinen, die ich entdeckt Habe und mit Bor: 
fippa identiflcire. 

Rich hatte zwar auch vom Mofhattat fprechen hören, ebenfo wie von 
Dumeir (er fpricht und fchreibt Anevar), aber er bat feinen von beiden 
Punkten, die durch eine ganze Meihe bedeutender Auinenhügel in einer Ausdeh⸗ 
nung von etwa einer halben Stunde mit einander in Verbindung ftehen, be⸗ 
fucht,. Sindjär aber ift, nad) meiner Schreibweife und meinem Gehör, nichts 
anderes, als eine mildere Form von Schin’är (WI) Genesis XI, 2) '), 
dem Sennaar ver LXX und ver Bulgata (Sinear ver Ruth. Ueberf.), 
und Dürs if, Buchflab für Buchftab, der Name ver Ebene, in welcher Ne⸗ 
bufadnezar feine berühmte goldene Statue errichtete (Daniel IH, 4). 

Alfo kann das zwifchen dem fehr alten Kanal von Sinpjär und bem 
fehr alten Kanal Dürd& gelegene Bird nichts anderes fein, ald der Thurm 
von Babel ?), im Babylonifchen auch Borfif geheißen. Ich zweifle durch⸗ 
aus nicht an der Nichtigkeit diefer Lesart, zumal da fie eine gut begründete 
Meinung des Colonel Rawlinſon beftätigt, welche dieſer lange vor Auffin- 
dung ter in Thon gebrannten Infchrift mitgetheilt Hatte. 

Anvererfeits ift e8 ar, daß eine Eoloffale, folid ausgefüllte Maſſe von 
gebrannten, mit Gypsmoͤrtel zufammengefitteten Backſteinen ſehr wohl einen 
Thurm oder ven Kern eined Thurmes, zu dem man von außen binaufftieg, 
bezeichnen kann, aber Feine Stadt fein konnte. Nah Rawlinfon fol bie 
Stadt durch den benachbarten Tumulus Ibrahimsel-Ehalil, ver mir 
aber für fich allein zu unbedeutend fcheint, um einer nur einigermaßen be 
deutenden Stadt anzugehören, bezeichnet werden. Died iſt nur eine der Urfa- 
hen, vie mich veranlafien, Borfippa in den nur wenig entfernten Ruinen 
von Duweäir und Mofhattat zu fuchen. 

Nun iſt in der Geneſis Babel ſowohl Name ver Stabt, als des 
Thurmed. Kein Hinderniß fland dem Gebrauche ver alten Babylonier ober 
der fpäteren Chaldaͤer, fowie der Juden aus ver Schule von Sürk, 
entgegen, mit dem Namen Borfif oder Borfip zugleich ven Thurm, 
gewöhnlih Thurm von Babel genannt, und vie Stabt felbft, die nicht 
fern davon lag, zu belegen. Die Identität von Borfippa mit den Mo» 
khattat und Dume&ir genannten Ruinen ift mir um fo wahrfcheinlicher, 


2) Fresnel beruft fidy wegen bes Uebergangs des Y (ain) durch J (gimel) in 
arabifhes z (dschim) auf Geſenius, der aber nur für erſteres ein paar Beifpiele im 
Auslaut der Sylbe anführt; einen doppelten Ueber wie jenen, anzunehmen, 
erfcheint uns aber um fo mißlicher, als der Name fehr leicht in nen neuerer Zeit von dem 


befannten mefopstanifchen Sindjär aus hierher verpflanzt fein 
2) ©. die Stellen in d. Allgem. Exbf. TH. XI. 1844. rY 876 — 903. 














Fresnel's, Oppert's u. Rawlinſon's archäologifche Unterfuchungen. 251 


als diefe Stadt nah Strabo dem Apollon und ver Artemis (d. i. ven 
Böttern der Sonne und ded Mondes) geweiht war, und man noch an bei⸗ 
den äußerften Enden Ruinen von zwei Tempeln fieht, davon der eine bie 
befannte Korn der Belus»-Thürme mit den Yuftlöchern, ver andere aber 
eine vieredfige, 100 Schritt lange Ummanerung zur Seite hat. Den erften 
nennen die Araber El⸗Mokhattat, den zweiten ed Duwéêir. Die Stabt 
dehnte ſich von einem zum anderen aud. Hierzu kommt die Entdeckung von 
Sora, Name eined Diftricted im Norven des Dorfes Barnün (Mujel- 
Iibeh bei Nich.), welche nach allen talmubifchen Traditionen vollſtaͤndig der 
fo berühmten jüdifchen, in den legten Zeiten des Beſtehens von Babylon 
mit diefer faſt in eind zufammenfallenden Schule von Sura entfpricht. 

Nahe der von hier nach Baghdad führenden Straße, etwa 5—6 Stun 
den von hier, liegt zwifchen Chan Azauͤd und Ehan Birsensnuff zur Linken 
eine bedeutende Gruppe von Schutthügeln, unter denen zwei fich durch befon- 
dere Größe auszeichnen, die Sheifhubar !) genannt werben, ein Name, den 
ich mit ver Sonnenftabt Sis para bei Berofus und Abydenus, wo der Zifuthrus 
der babylonijchen Sage vor der allgemeinen Fluth die auf Backſteine einges 
grabene Kunde aller anteviluvianifchen Weisheit aufbewahrt und nach ver 
Fluth wieder ausgegraben haben fol, zu ibentiflciren geneigt bin ?). 

Ich übergehe das Weitere, auch die faft unzählbare Menge von Schutt« 
bügeln, die ſich um das arabifche Babylon erheben und faft bis zum Diebel» 
Hamad hinziehen, indem fie vom Ende der Moräfte Hindiyah bis zur nahen 
MWüfte von Kefil hin eine lange Berfchanzungslinie bilden. Die wichtigften 
diefer neuaufgefundenen Rocalitäten werben auf Der Karte eingetragen fein, die 
Herr Oppert nach feinen trigonometrifchen Aufnahmen zu zeichnen befchäf- 
tigt iſt. 


— nr 


II. Aus einem Briefe von Dr. Julius Oppert, philologifchem 
Mitglievde der franzdfifhen Erpedition in Mefopotamien an 
Alerander von Humboldt, d.d. Hillah, 8. Decbr. 1853. 


Der unferer Sendung zu Grunde liegende Zweck war die Unterſuchung 
Babylon’d und Chaldaͤa's. Beſonders mußte ſich mein Augenmerk darauf 


!) Sheikh Shubar bei Ri, Bursa Shishara bei Kerporter, der irrthünilich 
Borfippa Hier fucht (vgl. Erbfunde XI, S. 870) Schoschobar auf Kiepert's oben 
angeführter Karte. 

2) Diefe nur auf der falfchen Lesart Zianaga bei Syncellus beruhende Iden⸗ 
tification bat, wie H. Kiepert bemerkt, gegen bie im Tert des Bufeblus durch die alte 
armenifche Ueberfebung in 5 Stellen gefigjerte Lesart Zinzapn, und die faſt ibenti- 
[he Zinpapa bei Ptolemäus, Keine Autorität und wird auch in einem zweiten, am 
mich von Bagdad durch Fresnel am 14. Dec. gefchriebenen Briefe Be genommen, 

. er. 





252 Fresnel's, Oppert's u. Rawlinſon's archäologische Unterfuchungen. 


richten, die Stele der alten Weltſtadt und ihre Grenzen zu erkennen. Id 
glaube Hierin zu einem den Zeugnifien der Alten, den infchriftlichen Angaben 
und den Anforderungen des Bodens felbft entfprechenven Endziele gefommen 
zu fein und werde nächftend die Ehre haben, eine nach 1000 trigonometri- 
ſchen Beobachtungen aufgenommenen Karte von Babylon vorzulegen. — 
Die ungeheure Stadt hatte drei Mauern; die erfte große und bedeutende 
Befeftigung befaß eine Länge von 480 babylonifchen Stadien, die nach alt 
chalväifchem Maaße 172800 Ellen oder 288000 Fuß betrugen. Die zweite 
- Mauer hatte 440 Stadien im Umkreis, der von Strabon angegebenen Länge 

von 385 alerandrinifchen Stadien entfprechend, und die Dritte oder eigent- 
liche Stadtmauer, die ver Ueberlieferung Klitarch's entipricht, 360 dieſer Laͤn⸗ 
geneinheiten. — Dieſes Viereck von 9 deutſch. Quadratmeil. war an der Nord⸗ 
und Südfeite von NEO W. gegen S 80D. (dr ® ION — DO —10°5.), 
an der Weſt⸗ und OÖftfeite von N10° DO. gegen S. 10 W. orientirt '). 
Der Birs-Nimrüd und die Ruine el» Oheimir ?) bilden vie Diage- 
nale von NO. nah SW.; in der Richtung der anderen Diagonale unge 
fähr durchfloß der Euphrat die Stadt Noch finden fih im Welten als 
Ueberrefte der inneren Stadtmauer die Hügel (Tell's) Ghazaleh, Sce- 
tihah und Zuĩyeh; im Norden gebt von Oheimir gegen NSO W. (d. i. 
wahren Weſt) ein Hügelzug aus, welcher die Weſtlinie in einem rechten Winkel 
im Tell⸗Zuryeh (d. i. dem Eckenhügel) trifft. In dieſer inneren Stadt 
befand ſich die Akropolis, umgeben von ver von Herodot erwähnten fe⸗ 
ſten Ummauerung (mepißolos). Diefe Mauer ift in ihrer Grundlage faft 
ganz erhalten und war 40 babylonifche Stadien (eine deutſche Meile) Tang. 
Innerhalb derfelben Iag ver große Balaft des Zerftörers von Ierufalem, wo 
der größte Herrfcher des Altertbums, Alexander, verjchied ?). Südlich von 
ihm befanden fich vie haͤngenden Gärten, erfennbar in dem jetzt fo genannten 
Hügel des Amraͤn⸗ibn⸗Aly. Gegen vie Fluthen des Euphrat fchüßte die Kö- 
nigsburg der Kai des Nabonid, ven ich fchon an derſelben Stelle vermuthete, 
wo ein halbes Jahr fpäter das ungewöhnliche Sinken des Yluffes eine aus 
Ziegeln mit dieſes Königs Namen gebaute, jeht aber wieder für eine lange 
Zeit vom Euphrat überfluthete Riefenconftruction troden legte. — Außerhalb 
biefer inneren Mauer fand fich der einen eigenen Namen führende Stadttheil 
Borfippa, das heutige Birs⸗Nimrüd. Diefe ſchon vorlängft von meh: 


ı) Sind hierunter, wie wahrfceinlih, magnetifche Compaßrichtungen zu 
verfichen, fo wäre, wie es auch von den aflronomifch gelehrten Chaldaͤern zu erwar⸗ 
ten fland, die alte Mauer genau nad den aſtronomiſchen Weltgegenden orie: 
tirt, da die Abweichung der Maguetnadel in diefer Gegend nad) Chesney's Angaben 
jet ungefähr 9 bis 10° W. beträgt. 8. 

2) Arabiſche Diminutivform von dem auch auf meiner Karte eingetragenen Ra: 
men, den Layard der Ruine giebt: el-Himar, oder vielmehr el-Ahmar, d. i. 

8. 


roth. 
?) EI Kasr auf meiner Karte, nad) Ri, Ker Porter, Coſte. 8. 








Fresnel's Oppert’8 u. Rawlinſon's archäologifche interfuchungen. 253 


reren vermuthete Iventität habe ich durch einen Beweis — einen bier ge- 
fundenen, aus Borfippa vom 30. Tage des 6. Monats des 15. Jahres Nabo- 
niv’8 datirten Backſtein — zur Gemißheit erhoben. Die genauere Unterſu⸗ 
hung der Auine macht eine vollfommene Wieverherftellung möglih. Nach 
den Talmud war Borfippa der Ort nes babylonifchen Thurmbaues, und 
der Name bedeutet „ Thurn der Sprachen“. 

Die Meffung der einzelnen Badfteine und anderer Baumaterialien batte 
mich ſchon feit längerer Zeit veranlaßt, in der Ränge und Breite berfelben 
das babyl oniſche Fuß maß zu erfennen. Diefe Vermuthung hat fich durch⸗ 
weg beftätigt, und ich habe bedeutende Folgen aus ihr ziehen können. Wie 
die Ziegel ven Fuß, gaben mir die Steinplatten die Elle (myyvs), die 
mit dem Fuße im Verbältniffe 5:3 fteht, erfter enthält 525, letzter 315 Mil 
limeter (reſp. 232,73 und 139,64 parif. Lin.). Mehrere, zum Theil philolo⸗ 
gifche, Unterſuchungen brachten mich zu ver Ueberzeugung, daß eine Laͤn⸗ 
geneinheit auß 360 Ellen beſtand. Nebukadnezzar giebt ven Umfang feines 
MWohnfiges auf 480 diefer Maaßeinheiten an !), und Die Mittheilung beftätigt die 
Herodot's, der die babylonifche Schäßung in dem beinahe identifchen grie⸗ 
hifchen Maaße wiedergab. Das haldpäifche Stadium — fo fann man 
es fchlechtiwveg nennen — befland, wie alle Stavien, aus 600 Fuß, feine Länge 
war 189 Meter ?). 

Diefe Annahme nun Tapt fi) an Ort und Stelle auf alle Ruinen an 
wenden. Die Seite der Königsburg mißt 380 Meter, d. i. 2 Stadien. Die 
Höhe des erften Stockwerks des Bird Nimrüd beträgt 24 Meter, vie aller 
acht Stockwerke zufammen ergab aljo 192 Fuß. So mißt auch der große 
Hügel Mupjelibeh, aud) Bäbil genannt, an einer Seite 185 Meter. — Die 
120 Stadien oder 72000 Fuß jeder Seite (ver äußerftien Mauer) Babylon’s 
betrugen 22680 Meter, ver ganze Klächenraum alfo 514 Quadrat» Kilometer 
oder 9 deutfche Duadrat- Meilen. 

Bei Babylon befand ſich Dura. Noch heute findet fih in SSO., von 
Hillah 16 Kilometer (etwa 2 deutſche Meilen) entfernt, eine dieſen Namen 
führende Gegend. Hier ift ein 10 Fuß Hoher vierfeitiger, aus Lehm errichte- 
ter Hügel, ver von feiner Negelmäßigkeit ven Namen Mukhattat „ver ab» 
gezirkelte" führt, und am vie Unterlage der Bavaria erinnert. Kat die golvene 
Bildſäule Nebukadnezzar's eine hiſtoriſche Grundlage, fo befand fe ſich Hier. 
Was nun die anderen Localitäten betrifft, fo fehe ich in Niffar ?) dftlih 


2) Diefe mir unverftändliche Angabe fcheint fi, da im Buche Daniel nichts 
barauf Bezügliches vorkommt, auf eine vom Verf. entzifferte Infchrift zu lügen. N. 

2) Wegen der aus diefen Angaben in Bergleid) mit den ägyptifchen und grie- 
chiſchen Maaßen ſich ergebenden allgemeinen metrologifchen Reſultate verweifen wir 
anf eine im Maͤrzheft der Monatsberichte der Berliner Akademie mitgetheilte Ab: 
handlung von A. Bödh. 8. 

2) Buerft 1850 von Layard befucht und auf feiner, und danach auf meiner 
Karte eingetragen. Chalneh des alten Teftaments habe ich bisher für identiſch mit 


254 Fresnel's, Oppert's u. Rawlinſon's archäglogifche Unterfuchungen. 


von Hillah, mit dem Talmud des Chalneh ver Bibel. Chalanne wie die 
LXX fchreiben, ift iventifch mit dem Telane des Stephanus Byz. und dem 
Hipparenum des Plinius. Diefen vreien entfprechen vie babylonifchen, auf 
Infchriften in Niffar vorfommennen Namen Kal»-Anu, Tel»Anu, Ip⸗ 
parsAnu, d.h. Wohnung, Hügel, Land des Anu (Danned). 

Das mit Hipparenum öfters vermechfelte Sippara ift das heutige Su⸗ 
feira im Norben von Felüdja (dem altn Phalga) ?); es Tommt, wie 
Rawlinſon gefunden, in Infchriften ald „ Sippar des Sonnengottes“ 
vor und ift da8 Sepharvaim ver Bibel. Hingegen in der Ruine Sci» 
fhubar zwifchen Bagdaͤd und Hillah erkenne ich das in den Infchriften zu 
lefende Bar Siſchir: es war die Kornkammer Babylon’d, von Nebukadnez⸗ 
zar gegründet, und ver heutige Name ift aus dem alten Schitfubur, d.i. 
„Getreideniederlage“, verftümmelt. 


—mm — — 


Wir benutzen dieſe Gelegenheit, wo von babyloniſchen Entdeckungen die 
Rede iſt, um auf C. Ritter's Veranlaſſung aus einem früheren Schreiben 
des berühmten Erforſchers ver perſiſchen und mediſchen, jetzt auch ver 
babyloniſch-aſſyriſchen Keilinfchriften, des britifchen Gonfuls zu 
Baghdad, Colonel Rawlinſon, die Hauptergebniffe mitzutheilen, vie ſich 
ihm bis dahin für Altefte ethnographifche Verhältniffe Vorderaſiens als an- 
nähernd ficher herausgeſtellt hatten. 

Angeblich follen vie in ven babylonifchen Ruinenſtaͤdten Niffer, Warka, 
Senkereh und Sufa gefundenen Infchriften, in venen die Stammnamen 
Kufch, Put, Nimri, Abar, Sus, Berber, Num, Elut, Sind und Lud vorfom- 
men, die Eriftenz einer, jene Orte einft bewohnenven vorfemitifchen Bendl- 
ferung biweifen, melche mit ven Kuſchiten (d. i. den vorfemitifchen Aethio⸗ 
piern in Sübarabien und Oftafrifa), ald deren ältefte Heimath nach der Nim- 
rod»- Sage das Cuphrat- TigrissNieverland erfcheint, identifh und in ber 
Sprache den Himjariten, Uegyptern und Berbern (joweit noch nidyt darin 
femitifche Elemente eingedrungen feien), alfo überhaupt ven Chamiten, ande 
rerfeitö aber auch der Sprache der biäher fogenannten mediſchen Infchrif 
ten nächft verwandt befunden wirt. Befremblicher noch als letzteres lautet ber 
Gefammtname, welchen Rawlinſon mit großer Beftimmtheit für viefe ganze fup- 


dem Chalone, Kallonae, Kelonae der Griechen (wovon bie —— Chalo⸗ 
nitis an der mebifchen Grenze benannt war), auf der Straße nad) Ekbatana, dem 
Chalun der fyrifhen und dem Holwän der arabifchen Autoren, angenommen. Es 
wäre indeſſen möglid, daß derfelbe Name an verſchie denen Dertlichkeiten vorgefonnnen 
wäre, umd ich will deshalb die gewiß noch näher zu begründende Identification des 
Heren Verfaſſers nicht beftreiten. K 
2) Gben wie es bereits auf meiner oben angeführten Karte ber Guphrat Ti⸗ 

gris - Länder im Atlas zu Ritter's Erdkunde eingetragen erfcheimt. 





— — — — — — 2 


Fresnel's, Oppert's u. Rawlinſon's archäologifche Unterfuchungen. 255 


ponirte Völkerfamilie gebraucht, nämlich Schthen, da man nach dem Vor⸗ 
gange der Griechen venfelben bisher audfchließlih auf nor diſche Wander⸗ 
ffämme, und zwar auch auf diefe fchon in meift viel zu weit übertragener 
Ausdehnung anzumenden gewohnt gemefen ift. Im Einzelnen vergleicht Rawlin⸗ 
fon die angeblich fegthifchen Stämme Num, Sus (nad) denen Sufa benannt 
fei, die Elamiten des Könige Kedor-Laomer) und Abar mit den in Agypti- 
fchen Infchriften genannten öftlihen Völfern Naamu und Schafu und dem 
Abaris der Hyffchos. Werner beſtimmt er als öftlichere uralte Wohnſitze 
derfelben Nation, außer ihrem eigentlichen Mittelpunkt in Suflana over Khuͤ⸗ 
ziftäan noch die Öftufer des ſchwarzen Meere (wobei er wohl an Herodot's 
Angabe über die Kolchier denft), dad nörbliche Choraffan und Segiftan, fo 
wie Gedroften bid zu den Indusmündungen, wo die Balutfchen (angeblich 
von den Arabern als Einwanderer aus Südarabien Kus oder Kuf genannt) 
ihre Nachkommen fein follen. Cbenfo fol aus dem Nanıen des unter dem 
affprifchen Reiche mit ven Numi und Elut in Suſiana vermifchten Vol- 
kes der Nimri, der auch in der babylonifchen Ueberfeßung der Infchrift von 
Baghiftän neben den aflatifchen Safa, d. i. Schthen, angeblich vorkommt, die 
Wurzel des biblifchen Nimrüd fich ergeben, und dieſe Etymologie durch die 
Borterifteng eines alten Stammes Nimrüd (gewöhnlich neuperfifch in Nim⸗ 
rüz corrumpirt) in der Öftlichen Landſchaft Sciftän beftätigt werden. Wir dürfen 
aber gegenüber viefen immerhin noch ſchwach begründeten Gonjecturen wohl daran 
erinnern, daß letztgenannter durch Erweichung der älteren Form Safafthän 
(d. i. Wohnfig der Safen) entſtandene perfifche Name nicht vor ven Skyhtenein⸗ 
wanberungen des 1. Jahr. v. Chr. vorkommt, während früher viefelbe Lanpfchaft 
ausschließlich unter dem Namen Drangiana, altperf. Zarafa, erfcheint, — fo 
wie wir gegenüber dem Urtheil competenter Sprachforjcher über vie nahe 
Berwandtichaft der Balutfchen zu ven Neuperfern vie obige Aeußerung über 
ihre Verhältniß zu einer uralten Wethiopenbevölferung uns höchftens durch 
eine Verwechſelung mit dem unterworfenen Urvolfe des jegigen Balutjchiftän, 
den Brahüi, erklären Fünnen, durch deren jetzt nachgewiefene Verwandtſchaft 
mit der dunfelfarbigen Bevölkerung des ſüdlichen Indiens der Kreis der „aſiati⸗ 
fchen Aethiopen“ des Herrn Rawlinſon fich freilich noch um ein bedeutendes mehr 
gegen Südoſten ermeitern würde. Weberhaupt müflen wir vie Wahrfchein- 
lichkeit aller jener ethnographiſchen Nefultate fo lange in Zweifel geftellt fein 
laſſen, bis für die Nichtigkeit der Lefung von Eigennamen in aflyrifchen In⸗ 
ſchriften befriedigendere Garantien geboten werben, als in den zulegt veröf- 
fentlichten Erflärungöverfuchen des Herrn Rawlinſon (Outlines of the hi- 
story of Assyria, London 1852), und in mehreren Auffägen veifelben im 
Athenäum, welche durch den competenten Drientaliften %. de Saulcn (im 
Athenee francais, 1853 Nr. 22, 24) eine fehr frharfe, doch keineswegs 
ganz ungerechte Kritik erfahren haben. &. Kiepert. 





256 Situngsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 


Sikung der Berliner Gefellichaft für Erdkunde 
am 4. März 1854. 

Herr W. Nofe berichtete im Anſchluß an frühere Mittheilungen über 
einige Thaler und Bergübergänge im ſüdweſtlichen Theil des Kanton Bern, 
wohin ihn feine Reife im vergangenen Sommer geführt Hatte. Von dem am 
Fuß des Niefen und am Eingange des Mpelboventhald gelegenen Ort Fru⸗ 
tigen war er zuvörberft über das alpenreiche Hahnemoos in dad obere Sim» 
menthal und dann über den Trütliäberg in dad Rauenenthal gefommen, von 
welchem aus der Chrinenpaß ven Uebergang in das obere Saanentbal ver: 
mittelt. Nachdem er von Gfteig, dem letzten Bernerdorfe an den Grenzen ber 
Kantone Waadt und Wallis, ven Sanetfchpaß, deſſen Höhe einen prachtvollen 
Blie in die penninifchen Alpen gewährt, überftiegen, gelangte er nah Sit⸗ 
ten, der Hauptfladt des Wallis. — Herr E. Ritter verlad Hierauf einen 
ibm vom Herrn A. von Humboldt aus den Proceedings of the Royal So- 
ciety Bd. VI mitgetbeilten und aus Murzuf dem 14. October v. I. datirten 
Brief des Dr. Vogel, welchen viefer an den Oberften Sabine gerichtet hatte 
und worin er von feinen dort angeftellten aftronomifchen Beobachtungen Nach» 
richt giebt. Zugleich vervollſtaͤndigte der Reiſende feine früheren Mitthei⸗ 
lungen über Fezzan, beſonders in Bezug auf deſſen Elimatifche Verhältniſſe. 
Berner legte Herr Ritter zwei von Heren Rugendas im großen Maaßſtabe 
ausgeführte und von vemfelben auf feinen Reifen im weſtlichen Merico bis 
zum ftillen Ocean entworfene hanpfchriftliche Karten vor, deren Heraus⸗ 
gabe vie Terrainfunde eined bisher noch fehr wenig durchforſchten Theils vom 
Merico in fehr wünſchenswerther Weife vermehren würde. — Herr Ru- 
gendas ſelbſt zeigte eine Meihe in Süd-Amerifa und NAuftralien von ihm 
gemalter Bortraitd von Eingeborenen vor. — Hierauf berichtete Herr Rit⸗ 
ter über die Binnenftädte zwifchen dem Rio Gila und R. Colorado, über 
die erfte Grinnel’fche arctifche Expedition und über die zur Auffindung Sir 
Franklin's beftimmte zweite der Norbamerifaner unter Commodore Kane in 
den Jahren 1853 — 1854. — Herr Gumpredt las ein aus London vom 
28. Sehr. d. I. an ihm gerichteted Schreiben des Herrn U. Petermann über 
feine Bearbeitung ver Barth» Dvermeg’fchen bandfchriftlichen Materialien unt 
die neue nach dem Niger beftimmte Expedition. — Herr Kohl bielt einen 
längeren Vortrag über die von Europäern und Inpianern herrührenden geo- 
graphifchen Namen in Amerika, wobei er mit zahlreichen Beweifen tarthat, 
durch welche Einflüffe die europäifchen Gntveder bei der Wahl ihrer Namen 
beflimmt worden wären, und wie viele ver letzten unnöthiger Weife fehr gute 
und bezeichnenve ältere der Eingeborenen verbrängt hätten, bis tiefe in neue⸗ 
rer Zeit zum Theil wieder in Gebrauch kamen. — Zuletzt begleitete Herr 
N. Schlagintweit die Vorlegung feiner Karte über vie Höhenverhältniffe 
der Gletfcher in den Alpen mit einigen Erläuterungen. Gumprecht. 








V. 
Die Gewaͤſſer der Iberiſchen Halbinſel. 


Die phyfiſche Geographie von Spanien und Portugal wimmelt, 
wie die neneften und beften Karten diefer Länder fattfam beweifen, 
noch immer fo fehr von Irrthünern, daß man glauben möchte, vie 
Halbinfel der Pyrenden gehöre gar nicht zu Europa. Noch auf ven 
neueften Kasten findet man an vielen Stellen hohe Gebirge da angege- 
ben, wo in der Wirklichkeit gar Feine exifliren, oder umgekehrt Ebe⸗ 
nen, wo der Boden fih in der That zu Bergen und Gebirgsfetten ers 
hebt. Wie lange hat fich die irrige Anficht behauptet, ja man fin» 
det diefelbe ſogar noch jegt in manchen Lehrbüchern der Geographie 
audgefprochen, daß die Gebirgsſyſteme von Spanien umd Portugal 
bloße Ramificationen der Pyrenden ſeien, während biefelben doch, mit 
Ausnahme der fogenannten cantabrifchen Kette, welche wirklich eine 
unmittelbare Verlängerung der Pyrenaͤenkette Ift, von den Pyrenaͤen 
und ihren Verzweigungen vollfommen iſolirt find und auch unter fich 
in feinem oder wenigftend nur In fchwachen Zufammenhange ftehen '). 
Weniger fehlerhaft, doch immer noch mangelhaft genug, find die An- 
fichten über den Urfprung und den Lauf der Ströme und namentlich 
ihrer Zuflüffe, über die Befchaffenheit der Waflerfcheiden, kurz, über 
die hydrographiſchen Verhaͤltniſſe ver Halbinfel. Diefe irrigen Anfich- 
ten zu berichtigen, ift der Zweck der folgenden Schilderungen, welche 
der Hauptfache nach auf eigene Anfchauung bafixt find. Diefelben bes 
ziehen fich vorzüglich auf den Verlauf der Wafjerfcheiden und auf den 


— — — 


2) S. dieſe Seitfrift 1. &. 91 und 9. G. 
Zeitſchr. f. allg. Erdkunde Bd. II. 17 








260 M. Willkomm: 


neuen Richtung nur noch einige Stunden länger, als es der Fall iſt, 
treu geblieben, fo hätten fie fich unfehlbar vereinigen müflen. Anſtatt 
deſſen wendet fich die Pifuerga, nachdem fie fih dem Ebro bis auf 
drei Meilen genähert hat, plöglich mitten im ebenen Lande nach Su: 
den, um durch die weite Ebene von Palemcia dem Duero entgegenzu- 
eilen, der Ebro dagegen abermals nah Often, um, nachdem er das 
hügelige Plateau von Villarcayo durchfurcht hat, Die norböftlichen Bers 
jweigungen der zum Iberifchen Syſtem gehörenden Sierra de Oca zu 
durchbrechen und fich mitten durch diefe rauhen Berge hindurch einen 
Weg in das fruchtbare rebenbedeckte Hügelland der Rioja zu bahnen 
Wir fehen alfo hier fchon in den nörblichiten Gegenden des iberifchen 
Tafellandes, daß die Waferfcheide zwifchen den beiden Meeren Feines: 
wegs auf einem Gebirge, fondern viele Meilen lang auf einem faR 
ganz ebenen Plateau liegt, und daß ein Fluß, welcher dem Gebiete des 
atlantifchen Meeres angehören zu muͤſſen fcheint, nicht den nächkten in 
geringer Entfernung von ihm dahinftrömenden Fluß auffucht und durch 
denfelben feine Gewäfler dem Ocean zuführt, fondern ein viele Mei- 
len breites Hügelland und mehrere nicht unbedeutende Bergfetten durch⸗ 
bricht, um auf den Abhang des Tafellandes zu gelangen, und Länder 
ſtrecken zu bewaͤſſern, welche anfcheinend nur auf die Fluͤſſe des Suͤd⸗ 
abhanges der Pyrenaͤen und des Weftabhanges der iberiſchen Gebirgs⸗ 
gruppen Anſpruch zu machen hatten. In einem viel großartigeren 
Maaßſtabe wiederholen fich viefelben Erfcheinungen in der füblichen 
Hälfte der Waſſerſcheide. Nachdem die letzte nämlich von dem Plateau 
von Burgos an den die nörblichen Parthieen des iberifchen Abhanges 
kroͤnenden und ebenfo, wie der Lauf des Ebro von RO. nah SL. 
ſich erſtreckenden Kämmen der hohen Gebirge (Sierra de Dca, Montes 
de Urbion, Sierra Eeballero, Sierra de Campod, Sierra de Ma 
dera, Sierra de Moncayo) gefolgt ift, und fie Hierauf in ſuͤdweſtlicher 
Richtung die Llanura de las Serranias, eine öde balte, nur von unbeden⸗ 
tenden Höhenfämmen burchzogene und bie nörblichen Gebirgsgruppen 
des iberifchen Syſtems von den erften Erhebungen des centralen Syftems 
ſcheidende Hochebene überfchritten hat, fchlägt fie zwiſchen Mebinaceli 
und Siguenza abermafs die fünöfliche Richtung ein, um das hohe wels 
lenförmige Plateau von Molina zu kreuzen, worauf fie ſich endlich füb- 
weitwärts wendet und bald Cin ber Nähe von Pozondoͤn in Aragonien) 


Die Sewäfler der iberifchen Halbinfel. 261 


bie wilde Serrania de Euenca y Albarracin betrifft. Nichts fcheint nun 
natürlicher, als. daß die Waſſerſcheide über die hervorragendfien Gipfel 
dieſes Berglandes oftwärts bis zum dem 7000’ hohen Pik der Peña⸗ 
golofa in Nordvalencia und von da in füdweftlicher Richtung über Die 
Gebirge des mittleren und ſüdlichen Valencia nach dem Plateau von 
Murcia und der Sierra de Segura und über dieſe nach der Terraffe 
von Granada liefe, und daß folglich die am Oftabhange der höchften 
@ipfel der Serrania und der Gebirge von Valencia entfpringenden 
Gewaͤſſer fich in das mittellänvifche Meer, die dem Weſtabhange ents 
quellenden dagegen in die beiden am nächften liegenden Ströme des 
Zafellandes, den Tajo und Ouadiana ergöffen. Dies ift aber feines, 
wegs der Kal. Denn anftatt über die culminirenden Gipfel der Ser- 
rania von Cuenca und Albarracin auf die nordvalencianifchen Gebirge 
überzugehen, verläßt die Waflerfcheide bereitö in der Gegend von Als 
barracin in Südaragon das Gebirge und fteigt auf die weite, häufig 
in meilenweiter Ausdehnung vollfommen horizontale Hochebene von 
Reucafiilten hinab. 

Nahe bei Albarracin erhebt fich einer jener merkwuͤrdigen, abges 
ſtutzten, von den Bewohnern bes fübiberifchen Berglandes „Muelas“ 
(Badenzähne) genannten Kegelberge, nämlich die Muela de San Juan. 
Diefer A400’ Hohe Berg ift einer der hydrographiſch intereflanteften 
Bunkte der iberifchen. Halbinfel, weil auf ihm In geringer Entfernung 
von einander vier Flüffe entfpringen, von benen bloß ein einziger den 
naturgemäßen Weg einichlägt, die anderen brei die größten Hinderniſſe 
überwältigt haben, um den Stroms und Meereögebieten zu entlommen, 
in welche fie zu gehören fcheinen. Diefe vier Klüffe find der Tajo, 
Turia, Cabriel und Jucar. Der Turia, auch Guadaliviar genannt, 
entquilit dem Nordabhange der Muela de ©. Juan und firömt ans 
fange acht bis zehn Meilen lang in einem weiten, von hohen Berg: 
fetten eingefchloffenen Thale oſtwaͤrts bis in die Nähe von Teruel. 
Diefe Stadt liegt auf einem fteilen, felfigen, al8 die unterfte Schwelle 
der hohen norbvalencianifchen Bergterrafie anzufehenden Vorſprunge, 
an dem Zufammenflug des Turia mit dem von Dften herfommens 
den Rio Alfambra und am fühlichen Rande eined weiten Ters 
tiärbaffind, welches gegen Norden von dem gebirgsartig erfcheinenden 
Abhange des 4200’ Hohen Plateau's von Pozondoͤn, dem öftlichiten 








26% M. Willflomm: 


Borfprunge des centralen Tafellandes, gegen Weflen von den Berg; 
fanmen der Serrania, gegen Süden von dem ungeheuern Walle der 
norbvalencianifchen Terraffe begrenzt und einzig gegen Often, nach den 
weiten Tiefebenen Niederaragons bin, offen if. Rur ein nichriges, 
aus Gyps, Mergel, Thon und anderem leicht zerftörbaren Material 
zufammengefehtes Hügelgelände, aus dem hier und da einzelne ifolirte 
Berge und Felſen hervorragen, ſcheidet das Becken von Teruel von 
dem um mehr als 2000’ tiefer gelegenen Bette des Ebro. Es wuͤrde 
dem Turia ein Leichtes gewefen fein, ſich durch jened Hügelland einen 
Weg in’s Ebrobaffin hinab zu bahnen, gleich dem Rio Martin, wel 
cher wenige Meilen norböftlich von Teruel auf den Höhen des Campo 
de Viſiedo, eines öden Blateau’s, entfpringt. Allein anftatt dieſes zu 
thun, wendet fich der Turia bei Teruel plöglich unter ſpitzem Winkel 
nah SSW. und durchbricht während eines Laufed von mehr als 15 
geogr. Meilen Länge die gefammten, ungeheuern, aus Kalf, Marmor, 
Sandftein und Thonfchiefer zufammengefeßten Gebirgemauern von Een- 
tral- Valencia, um feine Gewaͤſſer dem Mittelmeere unmittelbar zuzu⸗ 
führen und durch diefelben eine von Natur fterile Ebene in ein reis 
zendes ewig grünendes Paradies zu verwandeln (die berühmte Huerta 
de Valencia). Die intereffantefte Stelle feines Laufes ift die Schlucht 
von Chulilla, woſelbſt der Fluß zwiſchen den Gebirgen von Chiva und 
Eheloa, die eherem offenbar bloß eine einzige Kette gebildet haben, 
hindurchgeht. Er hat fich Hier eine mäandrifch gefrümmte Schlucht ge: 
graben, deren Sohle höchſtens 50 Fuß im Durchmefier hält, während 
ihre far ſenkrechten, aus riefigen, furchtbar zerflüfteten Marmorfelfen 
beftehenden Wände eine Höhe von 800 Fuß erreichen. Faſt noch auf 
fallender ift der Lauf des Jucar, welcher nämlich, gleich dem Tajo, vom 
Weftabhange der genannten Muela herabfommt und, nah SEHR. 
fteömend, bei Euenca, wo er aus einem tiefen engen Felfenthale her: 
vortritt, an den weftlichen Rand der Serrania nnd nach einem kurzen 
Lauf durch das fünmeftlih von Cuenca fi) ausbreitende Hügelland 
jehr bald in die weite, öde, hier faft völlig horizontale Ebene der Mancha 
gelangt. Im ſuͤdlicher Richtung ftrömend nähert fich derfelbe hier den 
Zuflüfien des in den Guadiana mündenden Zancara fo fehr, daß er bie 
weilen, wie 3 B. bei San Elemente, nur durch einen Zwifchenraum 
von 2 bis 3 Stunden vollfommen ebenen Landes von bemfelben ges 








Die Gewäfler ver iberifchen Halbinfel. 263 


trennt iſt; allein anftatt den Guadianga aufzufuchen, innerhalb defien 
Gebieted er viele Meilen weit binftrömt, biegt ex. in der Gegend von 
Tarragona de la Wanda unerwartet nach Often um, und wühlt fich, 
nachdem er das Blateau von Albacete durcchfurcht Hat, durch die un: 
geheuere Gebirgomaſſe der Sierra de Caballon hindurch, um fich we⸗ 
nige Meilen fünlih von Valencia, wo er die Reisfelder bewäflert, 
in’s Mittelmeer zu ergießen. Einen ganz ähnlichen Berlauf hat der 
bei Cofrentes inmitten der wildeften Gebirge Gentrals Valencia’ in den 
Jucar fich ergießende Gabriel. Nur der Tajo bleibt der Richtung, 
welche fein Urfprung an dem Weſtabhange der Muela andeutet, bis 
an fein Ende getreu. 

Bon Euenca aus, bis wohin bie weſtlichen Kaͤmme der Serra- 
nia Die Waſſerſcheide bilden, läuft diefe in füblicher Richtung, die Ge: 
birge Valencia's weit zur Linken laffend, fortwährend über die Ebenen 
des füdlichen Neucaftilien bis Alcaraz. Lange Zeit begleitet fie den 
Jucar, Indem in geringer Entfernung von defien rechtem Ufer die Quells 
bäche und erfien Zuflüfle des fpäterhin mit dem Guadiana ſich verei- 
nigenden Zancara entfpringen; dann bis Alcaraz windet fie fich zwiſchen 
den unbedeutenden Zuflüffen des Guadiana und der Segura Hin, 
deren Quellen auf dem meift ganz ebenen Plateau oft in unmitteldars 
fier Nähe von einander liegen. Die Umgebungen der Stadt Alcaraz 
find in hydrographiſcher Hinficht ebenfo intereffant, wie die Muela de 
©. Juan. Es entfpringen hier nämlich in geringer Entfernung ven 
einander der Guadiana, der Guadarmeno, einer der bedeutendſten jes 
ner Klüffe, aus deren Vereinigung der Guadalquivir entſteht, und der 
Rio Madera, ein Zufluß des in das mittelländifche Meer ftrömenden, 
die reigende Huerta von Murcia bewäflernden Segura. Die Quellen 
des Mabera und des Guadarmeno liegen nahe bei einander am nörb- 
lichen Fuße der Hohen, füblich von Alcaraz auffteigenden Sierra be 
Alcaraz, welche man als das öftlichfte Glied des großen marianifchen 
Gebirgoſyſtems (Syftem der Sierra Morena) betrachten muß. Beide 
Bäche fließen anfangs in berfelben Richtung, gen Norden bloß durch 
einen unbebeutenden Hügelfamm getrennt und hätten fich, wären fie 
diefer Richtung treu geblieben, unfehlbar in den Zancara ergießen müfs 
fen. Das faR völlig ebene, aus Sand und Geſchiebe beftehende Land 
des nordweſtlich von Alcaraz ausgebreiteten und die Quellen des 





264 Mm. Willkomm: 


Guadiana beherbergenden üben Campo de Montiel, würde den ge 
nannten beiden Büchen feine große Schwierigfeit entgegengeftellt ha⸗ 
ben, um ihren Lauf weiter in nörblicher Richtung zu verfolgen. Nichts 
deftoweniger wenden fich beide fehr bafb, der Guadarmeno nad SW, 
der Madera nad Oſten und kurze Zeit darauf nah SO. Lebter 
furcht das Hügelland am öftfihen Zuße der Sierra de Alcaraz und 
fallt unweit der Grenze von Murcia in den vom Weften ber, vom füb- 
lichen Abhange der Sierra der Alcaraz herabfommenden Rio Munde, 
welcher unterhalb Hellin auf dem Plateau von Murcia in den Se 
gura mündet; der Guadarmeno dagegen durchbricht die ganze, gegen 
10 Meilen breite Kette der öftlichen Sierra Morena, um in das Baſſin 
des oberen Guadalquivir zu gelangen. 

Bei Alcaraz wendet fi) die große Theilungslinie zwifchen den im 
das atlantifche und mittelländifhe Meer fließenden Gewaͤſſern nad 
Süden und fteigt zwifchen Alcaraz und Djos de Arquillo zu der Sierra 
de Alcaraz empor, deren @iebellinie fie bis in die Nähe der Quellen 
des Rio Mundo begleitet. Hier verläßt fie das genannte Gebirge, 
überfchreitet das Plateau von Riopar und Gatillad und geht auf bie 
Sierra de Segura über, deren Kamme fie bis in die Gegend von 
Hornos folgt, wo fie ihre bisherige Richtung aufgiebt und, nad) Often 
umbiegend, in den Gebirgsſtock der majeſtätiſchen Sagra Sierra de 
Huescar eintritt, welche auf den Grenzen der Königreiche von Mur 
da, Granada und Jaen in Form eines riefigen Glodenberges bis nahe 
an 8000’ aufragt.. Auf dem Kamme der öftfich von dieſem Bergriefen 
binziehenden Sierra de laß Cabras angelangt, wendet ſich die Thei⸗ 
lungslinie abermald nah Süden, feßt über die Hochebene von Huck 
car und bie Sierra de Periate hinweg und erklinmt die gegen 6000' 
hohe Sierra de Maria. Nun läuft fie fortwährend zidzadförmig bald 
in füdlicher, bald in weftlicher Richtung über die Sierra de Gullar, 
das Plateau von lad Bertientes, die Gebirgsfetten von Oria und 
Baza und die Steppe von Guadix bis zum Cerro Montayre, einem der 
öftlichften Gipfel der Sierra Nevada, von wo an fie lange Zeit nad) 
Weften gerichtet bleibt, indem fie mit der Giebellinie jenes Hochgebirges 
zufammenfällt. Bon dem bei Dilar gelegenen weftlichen Ende der Sierra 
Nevada an ſcheidet der fanfte von ONO. nah WSW. gerichtete umd 
die Bega von Granada gegen Süben begrenzende Höhenlamm das &e- 


Die Gewäffer ver -iberifchen Halbinſel. 265 


biet des Guadalquivir von den in das mittellänbifche Meer fich ergie- 
fenden Gewäflern Nach Ueberfchreitung dieſer Hochfläche geht die 
Theilungslinie in das hier von OSO. nah WNW. gerichtete füb- 
liche Randgebirge der granadinifchen Terraffe über, welches fie bis zur 
Sierra de Loja begleitet, ohne jedoch fortwährend feiner Giebellinie 
teeu zu bleiben. Ungefaͤhr im Meridian ven Alfarnate, eines am füd- 
lichen Fuße der Sierra de Loja gelegenen Yledens, verläßt fie dieſes 
Gebirge und begiebt fich, ihre- frühere Richtung beibehaltenn, bis nord- 
wärts von Archidona, wo fie zum legten Male nach Süden umbiegt 
und fih nun ununterbrochen auf dem Blateau von Mollina, la Roda 
und Setenil oder der öftlichen Hochebene der Terraffe von Granada, 
bis in die Gegend von Ronda hinzieht. Nach Weberfteigung des ho⸗ 
hen Bild von San Eriftobal bei Grazalema, des nordweſtlichſten Strebe- 
pfeilerd der wilden Serrania de Ronda, gelangt fie auf das weftliche, 
an der Meerenge von Gibraltar bei Tarifa endende Randgebirge der 
granabinifchen Zerrafie, defin von Norden nach Süden verlaufende 
Giebellinie das lebte und fünlichfte Stüd der großen Waſſerſcheide zwi⸗ 
ſchen dem mittelländifchen und atlantifchen Meere bifvet. 

Meberbliden wir die vorfichenden Schilderungen noch ein Mal, fo 
ergiebt fi), daß die große Waſſerſcheide zwiſchen den beiden Meeren, 
welche die Halbinfel befpülen, viel Häufiger von ebenen Lanpd- 
ftreden, als von Bebirgen gebildet wird. Sie befchreibt im 
Allgemeinen einen Bogen von NO. nah SW., deflen Converität nach 
SD. gerichtet if und fcheidet die Halbinfel in zwei fehr ungleiche Hälfs 
ten, indem ber andere, nordweſtlich von ihr gelegene und den größten 
Theil des centralen Tafellandes, Nordſpaniens, das Guadalquivir - Bafs 
fin und ganz Bortugal umfaßende Theil der Halbinjel beinahe drei Mal 
fo groß ift, als der füblich von ihr gelegene Theil, welcher bloß aus 
dem Ebro-Baffin, den ſuͤdoöſtlichen Abhängen des centralen Tafellandes 
und der füblichen Hälfte der Terrafie von Granada befteht. Die Gewäj- 
fer des bei weiten größten Theils der Halbinfel fliegen alfo in den 
atlantifchen Ocean. Eine öftliche Fortſetzung der großen Wafler- 
ſcheide der Halbinfel ift die die Gewäffer ded Suͤd⸗ und Nordabhan- 
ges des öftlichften Theiles der cantabrifchen Kette und ber weftlichen 
Hälfte der Pyrenäen, fowie die Gewäfler Frankreichs ſcheidende Linie. 
Diefe beginnt an den Quellen des Ebro, folgt anfangs den erhabenften 





266 M. Willfonm: 


Gipfeln der Montanas de Burgos, verläßt aber bald das cantabrijche 
Gebirge und fteigt auf das Plateau von Alava hinab, von welchem 
fie auf das Gentralplateau von Navarra übergeht. Alle nördlich von 
ihr entfpringenden Ylüffe, d. h. die fämmtlichen, beveutenderen Kuͤ— 
ftenflüffe der basfifchen Provinzen, müffen daher Das ganze breite und 
hohe, aus mehreren Parallelfetten beftehende Gebirge Gantabriens 
ducchbrechen, um in den Ocean zu gelangen. Nörblid von Bam; 
plona geht die Theilungslinie wieder auf die füblichfte Kette des can: 
tabrifchen Gebirges und von dieſem auf die Montes Alduides über, 
eine das cantabrifche Gebirge mit den Weftpyrenden verbindende 
und das weite, fruchtbare Thal von Baztan in Nord-Ravarra gegen 
SD. begrenzende Kette. Auf dem Kamme der Pyrenden angelangt bfeibt 
die Theilungslinie der @iebellinie diefes Hochgebirges bis zum Bi 
Pedrous, welcher fich zwifchen den Quellen des Segre, der Arriöge und 
der Aude erhebt, getreu. Won den beiden lebtgenannten Fluͤſſen 
des franzöfifchen Abhanges ftrömt die Arciöge in die Garonne, bie 
Aude in das mittelländifche Meer. Die Thellungslinie verläßt daher 
am Pic Pedrous den Kamm der Pyrenaen und fleigt zwiſchen jenen 
beiden Klüffen in das Hügelland von Languedoc hinab, welches fie 
bald wieder verläßt, um in das Centrum von Frankreich einzudringen. 


2. Die Waſſerſcheide ziwifchen den Stromgebieten des Guadiana 
und Guadalquivir. 


Die Linie, welche die Zufläffe des Guabiana und Guadalguivir, 
oder das hydrographiſche Syftem der ſuͤdlichen Hälfte des neucafill 
chen Tafellandes von dem Nieder» Andalufiens fcheidet, läuft Feines 
wege, wie zu vermuthen wäre, auf den höchften Kämmen des zwifchen 
diefen Strömen befindlichen marianifchen Gebirgsfuftens hin, ſondern 
höchft unregelmäßig bald innerhalb dieſes Kettengebirges, bald und am 
haͤufigſten außerhalb deſſelben auf den längs feines nördlichen Fußes 
fi ausbreitenden Hochebenen der Mancha und Eſtremaduras. Alle 
auf den Plateaufegmenten, die zwifchen diefer Linie und der Sierra 
Morena gelegen find, entfpringende Bäche und Fluͤſſe gehören dem 
Gebiete des Guadalquivir an und mäflen daher das ganze ums 
geheuer breite Gebirge durchbrechen, um ihre Wafler in jenen Strom 


Die Geräffer der iberifchen Halbinſel. 267 


zu ergießen. Daher ift die Sierra Morena von einer Menge tiefer, 
romantiſcher Thalfchluchten und Thäler durchſetzt und ſtellt folglich eine 
in viele einzelne.Stüde zerrifiene Kette dar. Man zählt von Oſten 
nah Weiten 8 Haupt Durchbruchthäler der Sierra Morena, nämlich: 
die Thäler der Ylüffe Guadarmeno, Guadalen, Jandula, Rio de las 
Deguas, Guadiato, Bembezar, BiarsRibera und Guadiana. Die ers 
ften fieben Fluͤſſe ergießen fih in den Guadalquivir. Die Theilungs- 
linie zwifchen dem Gebiete diefes Stromes und dem des Guadiana 
beginnt mit dem oben erwähnten Campo de Montiel bei Alcaraz zwi⸗ 
fchen den bloß drittehalb Meilen entfernten Quellen des Guadiana und 
Guadarmeno. Auf jenem Plateau läuft fie anfangs In ſüdweſtlicher 
Richtung bis in die Gegend von Albaladejo, dann in weftlicher Nich- 
tung bis in die Nähe von la Mata und Pirtydes hin, wo fie auf 
furze Zeit den nördlichiten, doch Feinesiwegs höchften Kamm der Sierra 
Morena betritt. Schon bei el Viſo hört dieſer auf, die Waſſerſcheide 
zu bilden, indem die Theilungslinie von Neuem auf die Hochebene der 
Mancha hinabfteigt und gen NW. bis zur Sierra von Almaden hin- 
läuft. Hier wendet fie fich plöglich nach Süden, um dem Kamme dies 
ſes Gebirges zu folgen, kreuzt dem öftlihen Theil des Plateau's von 
108 Pedroches und ftreicht Hierauf 12 Meilen lang in weftlicher Rich» 
tung auf der nörblichften Kette der Sierra Morena hin. Am weſtli⸗ 
hen Ende diefer Kette angekommen befchreibt fie einen mit feiner Con- 
verität nach Suͤden gefehrten Bogen über die breite Hochebene von 
Zuente-Ovejana, Azuaga und Llerena, auf welcher die Quellen des Biars 
Ribera und des in den Guadiana fließenden Matachel und ihrer zahl 
reichen Zuflüffe liegen, worauf bie nörblichften Verzweigungen der 
Sierra Morena zum dritten Male die MWafferfcheide werden. In der 
Gegend des Puerto de Segura biegt die Thellungslinie nah SSD. 
um, überfteigt den Monte Segura, kreuzt das Beden von Aracena und 
Täuft gen Süden auf dem fich bis Palma in Nieder» Andalufien ers 
ſtieckenden Afte der Sierra Morena hinab, mit dem fie endet. — Das 
eben genannte Becken von Aracena iſt wieder in hydrographiſcher Hin⸗ 
ficht ein fehr intereffanter Punkt. Es liegt daffelbe mitten im wilde⸗ 
ften Theile der weftlichen Sierra Morena und ift auf allen Seiten 
von romantischen waldbedeckten Wellenbergen umgeben. In feinem wohl- 
angebauten, von Kaftanienhainen, Weingärten, Gemüfefeldern und zer- 





268 NM. Willkomm: 


fireuten Gehöften wimmelnden Schooße liegt das freundliche und wobl- 
habende Städtchen Aracena zwifchen ven Quellbaͤchen des Rio- Tinte, 
Huelva-Ribera und Murtiga, die von den benachbarten Bergen herab: 
fommen und an drei Stellen den Berggürtel des Beckens durchbrochen 
haben. Der Rio Murtiga ftrömt in den Guadiana, der Huelva- Ri 
bera in ven Guadalquivir, der Rio Tinto unmittelbar in das atlanti- 
fche Meer, worin er bei dem ehemals berühmten Hafenplate Me: 
guer unweit Huelva mündet. Das Beden von Aracena gehört aljo 
gleichzeitig drei verſchiedenen hydrographifchen Gebieten an. Daſſelbe 
fönnte ein fehr wichtiger Punkt fein, indem feine andere Stelle der 
weftlichen Sierra Morena fo zum Mebergange für eine Kunftfiraße 
oder felbft eine Sevilla mit Liſſabon in directen Verkehr fehenbe 
Eifenbahn fich eignen dürfte. Das Thal des Rio Tinto, in def 
fen oberem Theil die berühmten, der Krone von Spanien gehörenden 
Kupferminen liegen, bietet nämlih von Palma aus cinen bequemen 
Aufiveg für eine Kunftfiraße bis Aracena dar, und das noch vie 
weitere ded Murtiga einen bequemen Weg von Aracena bie an 
den Guabiana, in welchen Strom der WMurtiga bei der portugiefifchen 
Feſtung Moura füllt. Bon bier, wo der Guadiana leicht überbrüdt 
werben fönnte, bis Evora, der Hauptſtadt von Alem⸗Tejo, IR faft ebe 
ned Land, ebenfo von Evora bi an die Mündung des Tejo. Eine 
directe Verbindung zu Lande zwiſchen Liſſabon und Sevilla, refp. 
Cadiz, wäre gewiß für diefe Handelöpläge von unberechenbarer Wich⸗ 
tigkeit. Auf jenen von der Natur vorgezeichneten Weg durch das 
Beden von Aracena ſcheint aber bis jest noch Niemand geachtet 
zu haben. 

Der weftlichfte zwifchen dem Becken von Aracena und dem Durch⸗ 
bruchsthale des Guadiana gelegene Stod bilvet bloß noch die Waſſer⸗ 
fheide zwifchen dem Gebiete jenes Stromes und denen der unmittel- 
bar in den Ocean fallenden Flüffe Weſt⸗Andaluſiens. Und zwar geht 
die Theilungslinie wiederum nicht auf den höchflen Ketten des Gebir- 
ges Hin, Die an ber romantifchen Stelle des Salto del Lobo vom Gua⸗ 
diana durchbrochen werben, fondern auf den viel niedrigeren Plateau's 
der Terraſſe von Cerro oder dem ſüdlichen Abhange der weftlichkten 
Sierra Morena. 


Die Gewäfler der iberifchen Halbinſel. 269 


3. Der Ebro und feine Zuflüſſe. 


Die Quelle des Ebro liegt am Fuße eines einſamen Thurmes, 
genannt la torre de Fontibre, in einem kleinen Thale in der Hochter⸗ 
raſſe von Reynoſo, welche das Centrum des pyrenaͤiſchen Gebirgsſy⸗ 
ſtemes bildet. Der aus der Quelle hervorſtroͤmende Bach, ein fchös 
nes kryſtallhelles, von trefflichen Korellen wimmelndes Bergwaſſer, if 
fo ſtark, daß. er bereitö eine kurze Strecke unterhalb feines Urfprungs 
eine große Mühle treibt. Bon dem oberen Laufe des Ebro ift bereits 
die Rede geweſen. Er verflächt fi, während er das Blateau von 
Bilarcayo furcht, Durch zahlreiche, von dem cantabrifchen Gebirge und 
den nörblichften Berzweigungen des iberifchen Syſtems herabfteigenve 
Bäche fortwährend, fo daß er bei Miranda de Ebro, wo ihn die große 
caftittanifch » Frangöfifche Heerftraße überfchreitet, bereits als ein fattlicher 
Fluß erfcheint. Doch hat ex hier noch ganz den Charakter eines Gebirgs⸗ 
fluffes, denn ex fließt fehr raſch, indem fein Bett ftarf geneigt ift, und 
er befipt helles kaltes Wafler. Diefen Charakter behält der Ebro wahr- 
fcheinlich 6i6 zu feinem Eintritt in die falzige Einöde von Gaparrofo 
und Baltierra im füblichen Ravarra, welche den Anfang der großen 
aragonefifchen oder iberifchen, von mir an einem anderen Drte ges 
fchifverten Steppe bildet '). Dort, wenn nicht fchon früher, wird 
fein Wafler durch die thonige Befchaffenheit des Bodens getrübt, fo 
daß es eine gelblichs graue Farbe annimmt, weldhe ed bis zur Mün- 
dung des Stromes beibehält. Nachdem der Ebro einige unbeveutende, 
fein ebenes Baffin gegen Süboften begrenzende Höhenzüge durchbrochen 
hat, tritt er bei Tudela in das weite, fein unteres ungleich groͤ⸗ 
ßeres Baffin bifvende Beden Nieder» Aragons ein, und er durchſtrömt 
dann. die große iberifche Steppe der Lange nach, wodurch feine Ufer im 
Allgemeinen hoͤchſt troſtlos und öde werden. Bon Tudela bis Zaragoza 
it das Gefälle ded Stroms noch bedeutend, weshalb hier die Schifffahrt 
mit großen Schwierigkeiten zu Fämpfen haben würde; von dort an aber 
fehleicht derſelbe langſam durch die weiten-ununterbrochenen, bis an die 
hohe Gebirgsmauer der norbvalencianifchen Terraffe fich erſtreckenden 
Ebenen, gewaltige Stromfchlingen bildend. Hier würde die Schiff 


2) Die Strand⸗ und Gteppengebiete der iberiſchen Halbinfel S. 70 ff, W. 








270 M. Willkomm: 


fahrt leicht ſein, waͤre der Strom nicht ſo ſehr verſandet. Allein die 
Sand⸗ und Schlammmaſſen, welche der Ebro auf feinem raſchen Laufe 
durch die oberhalb. der Hauptflabt Aragond gelegenen Steppen mit: 
nimmt und während feines ruhigen Strömens durch die übliche Hälfte 
Niederaragoniens abſetzt, haben, da man niemals etwas für die Ent- 
fandung des Bettes gethan hat, die Schifffahrt von Tortofa bie Za- 
ragoza feit langer Zeit unmöglich gemacht. Gegenwärtig, ja feit Jahr 
hunderten ſchon, ift das Bett des Ebro von Zaragoza an bis Tortofa 
fo fehr von Sandbaͤnken verfperrt, und es haben die Sandablagerungen 
eine fo ftarfe Auspehnung gewonnen, daß die Entfandung des Stres 
mes und die Wiederherftellung der Schifffahrt bis Zaragoza mit un⸗ 
geheuern und dem Ertrage der Schifffahrt auf Feine Weiſe entiprechen- 
den Koften verfnüpft fein wären. Auch wäre, felbft wenn man das 
Bett des Stromes volllommen entjanden wollte, nicht daran zu 
denfen, daß Seefchiffe bis Zaragoza oder nur bis Mequinenza gelan- 
gen Fönnten, denn die Waſſermaſſe des Ebro ift felbft im Fruͤhlinge 
nicht ſehr beträchtlih. Es wäre daher bloß eine Binnenichifffahrt 
mittelft flachgebauter Kaͤhne möglih. Diefer Umftand, verbunden wit 
den enormen, durch die. Entfandung verurfachten Koften, ließ lehte 
fhon zu Zeiten Katfer Karls V. als umpraftifch erfcheinen und ver 
anlaßte damals das großartige Project der Anlegung eines fchiffbaren 
Kanals längs des rechten Uferd des Stromes, wodurch die Schifffahrt 
von Sästago aus, bis wohin damals Flußſchiffe noch gelangen konn⸗ 
ten, bi8 Tudela möglich gemacht werben follte. Leider ift dieſes nügliche 
Project nicht vollſtaͤndig ausgeführt worden, denn der Kanal erſtreckt ſich 
bloß einige Leguas unterhalb Zaragoza. Diefer unter dem Kamen 
des Kaiſerkanals von Aragen bekannte, gleichzeitig für den Guͤtertrans⸗ 
port, Perſonenverkehr und die Bewäfjerung beflimmte, im großartig 
fen Style auögeführte Kanal beginnt einige Leguas unterhalb Tupela 
mit einem großartigen Schlußwerfe, el Bocal del Rey genannt, wer 
dur ein bedeutender Theil der dort beträchtlichen Waflermenge des 
Ebro in den Kanal geleitet wird. Dur den Kaiferlanal und durch 
den am enigegengefeßten Ufer hinlaufenden, bei Tubela felbft begin- 
nenden Bewäflerımgsfanal von Tauste wird die Waſſermenge des 
Ebro, die oberhalb Tudela befonderd Durch den aus den Gentralpys 
renden kommenden Aragon einen flarfen Zuwachs erhält, fehr betrücht- 


— — — — —— wo 


Die Gewaͤffer ber iberifchen Halbinſel. 271 


lich verringert, weshalb der Ehro bei Zaragoza, bis wohin er nur einen 
einzigen anfehnlichen Zufluß erhält, nämlich den Jiloca, nichts weniger, 
als einen großartigen Eindruck macht. Er tft dort kaum breiter, als die 
Saale unterhalb Giebichenſtein und durch mächtige Sandbänfe in meh⸗ 
vere Arme getheilt, welche im hohen Sommer, wo ſich das Waſſer der 
meiften zwifchen Zaragoza und Tudela einmündenden Zuflüffe in den 
Bewäflerungsgräben verliert, oft fo feicht find, daß man fie durchwa⸗ 
ten kann. Unterhalb Zaragoza empfängt ex nur noch zwei bebeutenve 
Zuflüffe, nämlich den Gällego umd den Segre, beide aus den Pyre⸗ 
naͤen fommenb; die Zuflüffe des rechten Ufers find fümmtlich von ge- 
ringen Betrage. Daher ift der Ebro bis Mequinenza noch gar fein 
ſehr anfehnlicher Fluß; erſt da, wo die flarfe Waflerader des Segre in 
ihn fällt, wird er beträchtlicher und für Kähne fahrbar, und endlich erft 
bei Zortofa, wo die Seefchifffahrt beginnt, erhält er ein ſtromartiges 
Anfehen. Während feines vielfach gewundenen Laufes durch bie Tief 
ebene von Aragon iſt das Bett des Ebro, wie ſchon oberhalb Zara- 
goza, faft überall von fleil abfallenden, durch die atmofphärifchen Ge⸗ 
waͤſſer bizarr zerriffienen Hügeln von Gyps, Mergel, Thon, Lehm und 
Geſchiebemaſſen begrenzt, die der Vegetation meift gänzlich entbehren '). 
Diefe Hügelreihen find die Abhänge der durch den Ebro ausgehöhlten 
und das Centrum des großen aragonifchen Tieflandes faft allenthalben 
erfüllenden Steppenebenen. Achnliche fterife weiße oder röthliche Huͤgel⸗ 
reihen ziehen fich längs des unteren Laufes aller innerhalb des Tief- 
landes in den Ebro fallenden Fluͤſſe und Bäche an beiden Ufern Hin. 
Das gewaltige, ungefähr 350 geographifche Quadratmeilen Areal 
umfafiende Baffin Rieder-Aragons, das größte Tiefland, welches bie 
iberiſche Halbinfel aufzumelfen hat, ift, wie fihon feine ganze Geftals 
tung und namentlich die von Salz flarrenden Tertlärablagerungen ber 
die tiefften Stellen einnehmenden Steppengebiete verrathen, offenbar 
der troden gelegte Grumd eines ehemaligen Binnenmeeres. Die Ent: 
wäfferung viefes großen Baffins gefhah durch den Durchbruch der 
aus Kalk beftehenvden, die norboalencianifche Terraffe mit den Gebir⸗ 
gen Süd »Eataloniens verbindenden Gebirgsmauer. Die Zerberftung je 


nes Bergwalles erfolgte gerade an einer Stelle, wo die Waflermenge Des 


ehemaligen Meeres am beträchtlichften war und den ſtaärkſten Drud 


2) Ezquerra del Bayo in Leonhard's Jahrb. f. Mineralogie. 1835, 284—289. ©. 


272 M. Willlomm: 


ausübte, denn die Ebenen von Easpe und Mequinenza gehören noch 
gegenwärtig zu ben tiefften Regionen des unteren Ebro-Baffine. 
Beranlaßt wurde der Durchbruch vielleicht durch die Emporhebung ber 
Pyrenäen, die nothwendig eine fehr gewaltige Aufregung des iberi⸗ 
fchen Binnenmeeres und ein. ungeflümes Drängen feiner Fluthen ge 
gen die füböftlichen Schranten verurfachen mußte. Das Envrefuliet 
jenes gewaltfamen Naturereignifies war das tiefe und weite Thal, das 
der Ebro durchftrömt, um feine Gewäfler ins mittellänbifche Meer zu 
ergießen. Das großartige und malerische Durchbruchsthal beginnt ei⸗ 
nige Leguas unterhalb Mequinenza, bei welcher Stadt fi) der Segre 
mit dem Ebro vereinigt. Anfangs find es niedrige Hügelreihen, die 
die Thalfohlen begrenzen; allmälig aber erheben fih die Thalwaͤnde 
höher, bis fie zulegt gwifchen Garcia und Tortofa, wo die Hauptge 
birgsfette durchbrochen If, zu Hohen Felfenbergen anfchiwellen. Bei Tor 
tofa wird das Land eben, und ein paar Leguas weiter firomabwärts 
bei Ampofta, woſelbſt man auf der Straße von Barcelona nach Ba 
leneia den Ebro auf einer Faͤhre überfchreitet, beginnt das niedrige Ebro⸗ 
delta, deſſen Beſchaffenheit ich nicht aus eigener Anfhauung kenme 
Der Ebro empfängt feine meiften und bedeutendſten Zuflüfle aus dem 
pyrenäifchen Gebirgsſyſteme, indem die von dem iberifchen Syſteme, den 
Plateau’d des centralen Tafellandes und der nordvalencianifchen Ter⸗ 
raſſe herabbommenden Gewäfler, mit alleiniger Ausnahme des Jiloca, 
fammtlich unbedeutend find und zum Theil während der heißen Jah⸗ 
reszeit verfiegen. Dafjelbe gefchieht faft mit allen innerhalb des Ebro⸗ 
Baffins entfpringenden Bächen, von denen viele geſalzenes Waſſer füß- 
ven (fogenannte „salados“). Unter den Zuflüflen des linfen Ufer 
find die beträchtlichften der Ruela und Egra, welche von dem canta⸗ 
brifchen Gebirge herablommen und der Aragon, Gällego und Segre 
fowie der Einca, den der Segre furz vor feiner Mündung in den 
Ebro aufnimmt, Ylüfje, welche ſaͤmmtlich in den Centralpyrenaͤen ent 
fpringen. Die vier zulegt genannten Flüffe durchbrechen das wilse, 
aus mehreren Parallelfetten zufammengejehte und an einem anderen 
Orte unter dem Namen der pyrenäifchen Bergterrafie von mir befchrie 
bene Bergland Hocharagons !). Bon den Durchbruchstäälern biefer 


) Die Strand» unb Gteppengebiete der iberifchen Halbinfel S. 33 f. W. 


— — -— nn — — — — -— — — hc — u 5 — | el — -- 


Die Gewaͤſſer der iberifchen Halbinſel. 273 


vier Fluͤſſe ift mic bloß das des Aragon genauer befammt. Daffelbe 
beginnt an dem Zufammenfluß des Irati und Aragon unterhalb der 
Stadt Sanguͤeſa im oͤſtlichen Navarra und zeichnet fich durch feine Weite 
aus. Daſſelbe fcheint mir nicht von dem Aragon ausgehöhlt worden 
zu fein, fondern feine Eriftlenz dem Durchbruche der Gewäfler eines 
ehemaligen Süßmwaflerfeed zu verdanken, welcher ſich in der Miocens, 
vielleicht gar erft in der Pliocenperiode zwiſchen den Pyrenäen und 
ber erſten und hoͤchſten Kette der hocharagonifchen Terraſſe befunden 
haben mag, und deſſen troden gelegter, aus tertiären Mergelfchichten 
beſtehender Boden jeßt eine fchmale, bandförmige Hochebene zroifchen ven 
Gentralpgrenäen und der genannten Bergkette bildet, die ich als das 
eigentliche Plateau der Hocharagonefifchen Terraffe betrachte. Dasienige 
Thal dagegen, worin der Gällego die hocharagonefifche Terraffe 
durchſtroͤmt, ift jedenfalls son den Gewäffern dieſes Fluſſes gegraben 
worden. Die Durchbruchsthaͤler des Einca und Segre kenne ich nicht. 
— Der Aragon, ein ftattlicher, wilder Gebirgsfluß, bildet ſich aus zahl: 
reichen, an den Abhängen des Puerto de Canfranc entfpringenven und 
in ſchäumenden Kasfaden über die fleilen Felſenberge in das wildro⸗ 
mantifche Aipenthal von Canfranc oder das Bal de Gaicipollepa hin 
abſtuͤrzenden Baͤchen. Bei Jaca, der alterthümlichen Hauptſtadt Hochs‘ 
Aragond, wo der Fluß aus den Pyrenden hervortritt, wendet er fich gen 
Nordoſt und durchſtroͤmt in vielfach gefchlängeltem Laufe, und oft in 
mehrere Arme getheilt, die breite Thalebene des hocharagonefischen Pla⸗ 
teau's oder des Bal de Berdun der Länge nach, meiſt zwifchen kahlen, 
ftellen, weißgrauen Mergelhügeln fließend. An der Grenze Navars 
ra's, nach dem Zufammenfluß mit dem von Norden herfommenven, 
far eben fo ſtarken Irati biegt er nach Süboften um, welche Richtung 
er nur noch ein Mal bei Caparroſo verläßt, um abermald auf kurze 
Zeit nach Norbdoft zu ſtrömen. Schon bei Billafranca, wo er den die 
Wälle von Pamplona befpülenden Arga aufnimmt, kehrt er wieder zu 
der ſuͤdöſtlichen Nichtung zurüd und mündet bald darauf oberhalb At 
faro im fünlichen Navarra in den Ebro, der durch ihm gu einem 
ſehr ftattlichen Fluſſe anfhwillt, dieſen impofanten Charakter jedoch 
bloß bis zum Bocal del Rey beibehäft. 

Unter den zahlreichen, dem Sübabhange der Pyrenäenkette ent⸗ 
quelienden Gewäffern, welche der Aragon auf feinem Laufe durch 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. II. 18 











274 M. Willkomm: 


die hocharagoneſiſche Ebene empfaͤngt, iſt beſonders der ſchon ge⸗ 
nannte Irati intereſſant. Dieſer Fluß entſteht aus der Vereinigung 
der ſtarken, in den navarreſiſchen Pyrenäen entſpringenden, die Ba: 
ralleithäler von Erro, Aezcoa und Ronc burchfirömenden Bäche. Ben 
hier bis zu dem befefligten Städtchen Lumbier, welches höchſt malerifch 
auf einem dicht am linfen Ufer des Irati befindlichen ifolirten Häge 
hart an der nörblichen Baſis eines koloſſalen, faſt fenfrecht abfleigen 
den Felſenberges liegt, fließt num der Irati burch ein weites, anmmuthiges, 
baffinartiges, von hohen Bergen eingefchlofienes Thal, in welches ft 
bei Lumbier auch das Bal de Salazar. öffnet, durch deſſen Bach ber 
Irati bedeutend verflärft wird. Der oben erwähnte Felſenberg ſchließt 
im Verein mit einer ſich an ihn anlehnenden Hügelrabe das Thal dee 
Irati gegen Süden vollftändig, wodurch daſſelbe eine vollendete Beden: 
form erhält. Suͤdlich von diefer natuͤrlichen Mauer, am füdlichen Zus 
jenes Yelskolofied, beginnt das Thal von Alba, welches ebenfalls vom 
Irati bewäflert wird und nur eine geringe Länge befikt, da ber ge 
nannte Fluß ſchon zwei Leguas unterhalb Lumbier in den Aragon 
mündet. Wer, wie ich, von PBamplona herkommend, von den Hoͤhen 
des Pafies von Monreal aus die beiden Thäler von Lumbier und 
Aiba überfchaut, zerbricht fih den Kopf, wie der Irati aus dem 
erften Thale in das lebte gelangen Tann und denkt nicht anders, 
als daß derfelbe Hinter dem fich zwilchen beiden Thaͤlern troßig erhe⸗ 
benden Yelfenberge hinweggehe. Wie erflaunt man aber, wenn man 
bei dem Hinabfteigen in das Thal von Alba hart am füblichen Fuße 
jenes Felſenkoloſſes ein faft Freisrundes Waſſerbecken erblidt, woraue 
der Srati ald breiter Fluß hervortritt, dann bald darauf eine dunkle 
Kluft in dem Feljenberge fich öffnen fieht und nun gewahrt, daß der 
Irati durch eine enge, fpaltenartige, jenen mehrere hundert Fuß hohen 
Felskoloß ſenkrecht und rechtwinkelig von Norden nach Süden Durchfeßende 
Schlucht firömt. Die Schlucht Hat das Anfehen, als wäre ber Berg mils 
ten aus einander geborften, venn fie folgt einer fat gerablinigen Richtung, 
jo daß man durch fie Hindurchfehen kann, und bex Berg, wenn man 
fich dem Eingange der Schlucht gerade gegenüber befindet, erfcheint 
wirklich, als wäre er mit einem Mefier ſenkrecht durchgeſchnitten. Das 
bei ift die Schlucht faum zwei Klaftern breit, und ihre ſenkrechten Wände 
find fo glatt, als wären fie von Menfchenhand behauen und yo 








Die Gewäfler der iberifchen Halbinfel. 275 


lirt worden: Es ift in der That unbegreiflich, weshalb der Srati 
oder richtiger der See, welcher einft das Baffintgal von Lumbier aus- 
füllte, gerade dieſe Stelle und nicht Tieber die viel geringeren Wider⸗ 
ftand darbietende und an jenen Yelfenberg ſich anlehnende Hügelreihe 
zu feinem Durchbruch gewählt Hat, und faſt möchte man glauben, daß 
die Spalte das Refultat einer Erverfchütterung war. Doch berechtigt 
Nichts zu diefer Annahme, welche auch dadurch unmwahrfcheinlich wird, daß 
das in jener Spalte vollkommen bloßgelegte Schichtenfuftem des aus Kalf 
beftehenden Berges nicht die geringfle Störung erkennen läßt. Der 
gewaltjam eingeengte Fluß fchleicht langfam durch die von ihm volls 
fommen ausgefüllte Spalte hindurch, und die grünlichhlaue Farbe feines 
kryſtallhellen Waflerd verräth die bedeutende Tiefe des natürlichen Kas 
nald. Am Ausgange der Schlucht ragen zu beiden Seiten zwei nie 
drige Felsvorſprünge empor, welche man benubt hat, um eine Brüde 
über den Zrati zu ſchlagen. Diefe jebt zerſoͤrte Brüde wird die Teufele- 
brüde genannt. Wenige Punkte Spaniens bieten ein fo hohes In- 
terefie für den Raturforfcher und Geographen dar, als die Schlucht 
des Irati bei der Teufeldbrüde. | 

Der Gällege, ein ebenfo ſchoͤner Gebirgsfluß, wie der Aragon, 
entipringt auf den Höhen des Puerto de Sallent, unweit des füblichen 
Fußes des Vic du midi d'Os und burchfirömt das weite, fruchtbare 
und fchönangebaute Bal de Tena, welches parallel mit bem von Kan 
frane läuft und von welchem e8 durch eine Mauer impofanter, in der 
Peña colorada bis zu 8000’ fich erhebender Schneeberge getrennt 
ift- Nach ungeflümen, oft behinderten Lauf durch den unteren einge- 
engten und walderfüllten Theil des Thales tritt er bei dem Flecken 
Biescas in die hocharagonefifche Ebene hinaus und nähert fich hier 
dem Aragon bis auf A Leguas. Anftatt aber in der eingefchlagenen 
weftlichen Richtung weiter zu fließen und fich mit dem Aragon zu vers 
einigen, wovon ihn nur unbedeutende, aus Mergel und Sandftein 
zufammengefeßte Höhenzüge trennen, wendet er fich plößlich direct nach 
Süvden und durchbricht rechtwinkelig die erfte und hoͤchſte, aus har⸗ 
tem Gongfomeratgeftein beftehende Kette der aragonefifchen Terraſſe, 
öftlih von der mehr ald 5000’ Hohen Peña de Oroel, worauf er 
in einen weiten Längenthale, das fich zwiſchen der eben erwähnten 
Bergfette und der nächftfolgenden niedrigeren befindet, 3 bis 4 Meilen 

. 18 * 





276 M. Willtomm: 


(ang gen WVeften firömt. Bei dem Flecken Murillo, biegt er wieder ploß- 
lich unter rechtem Winfel nach Suͤden um, worauf er die füdfichkten 
und niedrigften, aus Sandftein und Kalk beſtehenden Bergfetten der Ter⸗ 
raffe, welche ihn noch von dem Tieflande Rieder Aragon fcheiden, durch 
bricht, bis er endlich eine Legua unterhalb Zaragoza m den Ebro mündet. 
Der Gällego ift im oberen Laufe eben fo flarf, wie der Aragon, an 
feiner Mündung aber um vieled wafferarmer, da er bei weiten nich 
fo viele und fo ftarfe Zuflüffe erhält, wie der erfigenannte Klug. Ein 
nicht unbedeutender Theil feines Waſſers verliert ſich auch in den zahl: 
reichen Bewäflerungsgräben, welche nach feinem Eintritt in das Tier: 
land Rieder» Arragoniens, befonders zwifchen Zuera und Zaragoza, 
von ihm ausgehen. Daher wird die Waflermenge des Ebro durch ihn 
nicht wejentlich verftärft. 

Ganz anders verhält es fich mit dem Segre. Diefer, die beträcht⸗ 
lichfte, den Pyrenden entquillende Waſſerader, fteht dem Ebro bei Me 
quinenza, wo er ſich mit dem lebten vereinigt, an Waflermenge wenig 
nah und macht den Ebro eigentlich zu einem Strome. Der Segre wirt 
jedoch felbft erft durd) den Einca, den er eine Legua von feiner Mir: 
dung aufnimmt und der ihm an Waſſermenge ziemlich gleichfommt, zu 
einem fo bedeutenden Fluſſe. Der Einca entfpringt im wildeflen Theile 
der Gentralpyrenien an den Abhängen der Päfle von Pineda und 
Bielfa unweit der Quellen der Garonne, der Segre dagegen in den 
Oſtpyrenäen oberhalb Puigeerda am Puy de PBrigue, in unmittelbarer 
NRühe der Quellen des die Ebene von Rouffilon bewäflernden Fluſſes 
Teta. Beide Fluͤſſe nehmen während ihres Laufs ſaͤmmtliche Gewaͤſſer 
auf, welche am Südabhange des zwiſchen ven Thälern von Andorra und 
dem Mont Perbu gelegenen Stüdes der Eentralpyrenäen entfpringen 
und führen deshalb zulegt eine fehr bedeutende Waffermaffe. Beide 
bewäffern zugleih nad) ihrem Austritt aus dem Gebirge ein weitet 
Thalbecken, worin Bory de St. Vincent ebenfalls einen ehemali⸗ 
gen See erkennen zu müffen glaubt *). Diefed Beden wird gegen 
Südweſt durch Höhenzüge von dem tiefer gelegenen Ebrobaffin ge 
fhieden und ſteht hier zugleih am Zufammenfluffe des Cinca und 
Eegre mit dem Ebrobaffin durch ein weite® Thal, woburd ber 


) Bory, Guide de voyageur en Espagne p. 56. W. 





Die Gewäfler ver ibertfchen Halbinſel. 277 


Segre fließt und welches feine Entftehung wahrfcheinlich dem Durch⸗ 
bruche des ehemaligen Sees verbanft, in Verbindung. Ich kann aus eige- 
ner Anfchauung über dieſe Stelle, wie überhaupt über den Lauf des Einca 
und Segre nicht urtheilen, da ich nicht in jene Gegenden gelangte. 
Unter den Zuflüffen, welche der Ebro von rechts her aus dem 
iberifchen Gebirgsſyſteme und von den Abhängen des centralen Tief⸗ 
landes empfängt, verdient blos der Ziloca eine Erwähaung. Derfelbe 
entquillt dem ſchönen und großen Nacimiento von Celda, welches, wie 
bereit bemerkt worden ift, am nördlichen Abhange des Bedens von 
Teruel, etwa 500’ über dem Spiegel des in geringer Entfernung vor⸗ 
beiftrömenden Turia liegt. Beiläufig will ich hier erwähnen, daß das 
Becken von Teruel chemald von einem Sußwaſſerſee erfüllt geweſen 
fein muß, da fein Becken aus von Süßwafferfchneden der Gattungen 
Planorbis, Limnaea, Paludina u. a. wimmelnden Kalfs und Mergel- 
ſchichten zufammengefeßt if '). Entwäflert wurde nun dieſes hochge⸗ 
legene Baffin durch die Ruptur der nordvalencianiſchen Terraffe, in 
Folge deren jened merkwürdige, bereit gefchilderte Thal entftand, wor 
duch der Turia abfließt. Anftatt fih nun in diefen, fo nahe gele 
genen Fluß zu ergießen, ftrömt der Jiloca nad Norden, fortwährend 
auf dem zweiten Abſatze des terraffirten Abhanges des weucaftiliani- 
ſchen Tafellandes bleibend, wo er fich ein flaches, unter dem Nas 
men der Nibera de Daroca befanntes und wegen feiner üppigen Frucht⸗ 
barkeit in ganz Aragonien berühmtes Thal gegraben hat. Während 
feines Laufes empfängt der Jiloca nur unbedeutende Bäche und ver 
liert auch fortwährend fehr viel Wafler durch die zahlreichen von ihm 
abgeleiteten Bewäfjerungsgräben; erft bei der Stadt Calatayud erhält 
er einen anfehnlichen Zufluß, namlich den Jalon, deifen Quellen auf 
dem Hohen, Falten und öden Plateau von Sigüenza in Neucaftilten 
liegen. Nach der Vereinigung mit diefem Fluſſe wendet fich der Ji⸗ 
loca plöglich oftwärts, durchbricht einige unbedeutende Bergfetten, betritt 
hierauf die öde im Ebrobaffin gelegene Steppe von Plaſencia, übers 
fchreitet den Kaiferfanat mit einem kunſtvoll gearbeiteten Aquaͤduct, 
biegt fovann fübwärts um und mündet enplich oberhalb Zaragoza in 
den Ebro. Auf feinem Wege durch die Ebroebene verliert er fein meis 
ſtes Waſſer durch die künſtliche Bewäflerung, weshalb er an feiner 


1) A. Brann im Journal de la soc. geologique de Fr. XI, 169. G. 








278 M. Willtomm: 


Mündung nur ein unbedeutender Fluß If. Die übrigen, am rechten 
Ufer einmündenden Zuflüfle des Ebro, unter denen der von der nord: 
valencianifchen Terraffe herabfommende und bei Caspe mündende Bus 
dalupe der beveutenpfte zu fein ſcheint, habe ich nicht fennen gelernt. 
Zwifchen dem Stloca und Turia, desgleichen zwifchen dem Jiloca und 
dem Ebrobaffin, findet man auf den meiften Karten Bergfetten gezeich⸗ 
net, die aber in der Wirftichkeit nicht exiſtiren. 


4 Der Duero, Tajo und Guadiana. 


Ich kenne diefe drei Ströme der Halbinfel zu wenig, als daß ib 
es wagen dürfte, eine ansführliche Schilderung Ihres Urfprunges, Lau 
fe und ihrer Zuflüffe zu entwerfen. Ich will mich daher hier auf 
wenige Bemerkungen über einige Eigenthümlichfeiten diefer Ströme umn 
ihrer Gebiete befchränfen, welche vieleicht nicht allgemein befannt fim 
und dieſe Gelegenheit zugleich benupen, um auf manche, fat auf 
allen Karten von der Halbinfel zu findende und Immer von Reuem 
reproducirte Fehler in der Terraindarftelung aufmerffam zu machen. 

1. Des Duero. Diefer Fluß bilder fih aus zwei Bächen, welde 
die Abflüfie zweier in den Montes de Urbion gelegenen Bergfeen find, 
deren einer Laguna de Urbion, der andere Laguna negra genanm 
wird. Die Montes de Urbion gehören zu dem tberifchen Syſtem, je 
doc) Feineswegs zu den heroorragendften Gliedern deffelben. Im Ge 
gentheil erfcheinen fie, mwenigftends von fern gefehen, nur als unberew 
tende Bergzüge auf der Hochebene, der fie aufgefeht find. Nichesde⸗ 
ſtoweniger liegen die Quellen des Duero in einer bedeutenden Hoͤhe 
über dem Meere, vielleicht eben fo hoch, wenn nicht höher, als we 
Duellen des Ebro, denn die eben erwähnte Hochebene oder das Bin 
teau von Soria, welche fi) fübwärts von ben Monted de lrbiem 
ausbreitet und im Verein mit der Llanura de lad Serranias, werk 
fie gegen Süden unmerflich übergeht, eine ununterbrochene Communi- 
cation zwifchen ven großen Plateaus von Alt» und Reucaflilien her- 
ſtellt, ift erwiefen das höchfte Plateau Spaniens und Europa’s über 
haupt. Man kann feine mittlere Höhe, ofme zu übertreiben, zu 4500’ 
veranfchlagen, da Die im Thale des Duero gelegene Stadt Soria be: 


—— — — — — — — — —- —— 





Die Gewaͤſſer ver iberifchen Halbinfel. 279 


reitd eine Seehöhe von A300’ hat. Das That des Duero ift hier 
tief, von ſehr Feilen, oft felfigen Wänden eingefchlofien, und ganz den⸗ 
felben Charakter tragen die Thäler aller Bäche und Flüſſe, welche aus 
jenem Theile des iberifchen Syſtemes kommen und fich mit dem Duero 
vereinigen. Im Grunde diefer romantifchen Thaler könnte man glau⸗ 
ben, in einer Gebirgögegend zu fein; fobald man aber an den Thal: 
wänden emporgeſtiegen ift, befindet man fich zu feinem Erſtaunen auf 
einem vollkommen ebenen oder hoͤchſtens etwas hügeligen Plateau, wels 
ches ſich gegen Oſten, Süden und Welten in unabfehbarer Weite er» 
fredt und mur gegen Südweſten und Norden von Gebirgen begrenzt 
erſcheint. Es ift grumbfalfch, in dem fehr weiten Raume zwiſchen 
den nörblichen Gliedern des iberifchen Gebirgsſyſtemes und ven öft- 
lichten Gliedern des centralen ober caftillanifchen Scheivegebirges 
(Sierra de la Mata, de Paredes, Altos de Barahona, Cueſta de 
Atienza u. ſ. w.) auf den Karten irgend einen Bergzug zu zeichnen, 
indem jenes ganze Land nichts, als ein enormes, hochgewölbtes, von 
dem Duero und feinen Zuflüffen tief durchfurchtes Plateau iſt. Daffelbe 
trennt das iberifche Gebirgsſyſtem vollſtaͤndig von dem centralen und 
fegt die beiden großen Flachlaͤnder Eentraffpaniens, die Ebenen Alt 
und Reucaftiliend in unmittelbare Communication. Nicht wäre leichs 
ter, al8 von Calatayud aus, welche Stadt an der großen, von Zara⸗ 
goza nach Madrid führenden Heerftraße liegt, eine Kunſtſtraße über 
Das Berbindungsplateau nach Burgos zu führen und auf dieſe Weife 
Aragonien in unmittelbaren und bequemen Berfehr mit Altcaftilten zu 
fegen. Das Plateau von Soria oder der oberfte Theil des Dueroge⸗ 
biete ift übrigens eine der ödeften und rauheften Gegenden der Halbinfel 
Fortwaͤhrend von Stürmen gepeiticht, kann fih auf demfelben Fein 
Baum erhalten; nur niedriges Geftrüpp; Wachholverarten mit auf den 
Boden hingefiredten Achten und Halbſtraͤucher bedecken fledweife den 
feifigen Boden, der im Sommer von den Gluthftrahlen der Sonne 
verbrannt, im Herbft und Frühling oft Tage lang von dicken, ſchwe⸗ 
ren, feuchten Rebeln verhüllt, im Winter meift mit tiefen Schneemafien, 
weiche alle Communication zwifchen den wenigen, weit von einander 
entfernten und meift in den fehluchtenartigen Thälern der Fluͤſſe verfted- 
ten Ortfchaften unmöglich machen, bebedt wird. 

Der Duero flleßt anfangs bis in die Gegend von Soria gegen 





280 M. Willtomm: 


Südoſt, dann weit nad Süden. Hätte er diefen Lauf noch einige 
Meilen länger verfolgt, fo würde er in den Jalon gefallen und eim 
Zufluß des Ebro geworben fein. In der That fliehen dieſem Lauf 
feine größeren Hinderniſſe hinfichtlich ver Plaſtik des Bodens entgegen, 
al8 dem. Laufe nad) Weiten, den ber Duero in der Gegend von Al⸗ 
marail, drei Meilen unterhalb Soria, plögli einſchlägt Berantlaf 
fung zu diefer auffallenden Aenderung bes Laufes fcheint nicht die Ter⸗ 
raingeftaltung, fondern die Zufammenfegung des Bodens gegeben zu 
haben. Bis zu dem genannten Orte beſteht nämlich der Boden aus 
weichen, leicht zerftörbaren Kalfs, Mergel: und Gonglomeratfchichten 
der Kreideformation, welche fich auch gen Weften längs des norblichen 
Fußes des centralen Scheidegebirges weithin erftreden und wahrſchein⸗ 
lich den größten Theil der altcaftilianifchen Ebene unter den Terüar⸗ 
bifdungen, woraus ihre Oberfläche befteht, zufammenjehen; zwiſchen 
dem Moncayo dagegen und den öftlichfien Borfprüngen des centralen 
Gebirgsſyſtems beftcht Das „Verbindungsplateau“ aus fehr" harten 
Schiefern und Sandfteinen der devonifchen und filurifchen Formatien 
Auf diefe Geſteine trifft der Duero wahrfcheinlich bereit in der Ges 
gend von Almarail und unfähig, mit feiner dort noch unbeträchtlichen 
Waſſermenge diefelben zu durchbrechen, mag er ſich gen Welten ge 
wendet haben, in welcher Richtung er hier weRlich von Zamora nur 
leichte zerftörbare Sebimente des Kreives und Tertiärgebirges vorfand. 
Dazu kommt, daß bie altcaftilianifche Ebene fi) im Allgemeinen beden⸗ 
tend von Often nach Weſten fenft. 

Verſtaͤrkt durch zahlreiche von dem iberifchen umb centralen Ge⸗ 
birgsinfteme herablommende Bäche und Fluüͤſſe erfcheint der Duers bei 
Aranda, wo ihn die caflilianifch» Franzöfifche Heerſtraße überfchreitet, ber 
reitd als ein flattlicher Fluß. Er ift fchon Hier breit und tief genug, 
um zue Schifffahrt mittelft flach gebauter Kähne benußt werben zu fürs 
nen. Auch ift jein Gefälle von nun an nicht mehr bedeutend, bean 
die dicht an beiden Ufern gelegene Stadt Aramba befigt eine Seehöhe 
von 2515’ und die circa 30 geogr. Meilen weite ſtromabwaͤrts in der 
Nähe der portugiefifchen Grenze ebenfalld hart am Duero erbaute, alt 
berühmte Stadt Zamora eine Sechöhe von 1770. Folglich beträgt 
der Riveauunterfchied zwifchen beiden Punkten 745’, was für den Duero 
ein Gefälle von blos 24% Fuß auf die geographifche Weile giebt. Richts 


Die Gewäffer ver iberifchen Halbinfel. 281 


deftoweniger wird der Duero kaum bei Zamora mit Kähnen befah- 
ren; die eigentliche Schifffahrt beginnt aber erſt in Bortugal bei Torre 
de Moneorvo !). Seeſchiffe gehen felbft über Oporto nicht hinaus. Wahrs 
fcheintich ift das Bett des Stromes fehr verfandet; doch trägt jeden⸗ 
falls auch die Indolenz der Anwohner des Duero einen großen Theil 
ver Schuld, daß diefer fchöne Strom fo gänzlich unbenupt und ver 
laſſen bleibt. Selbſt zur Bewäflerung wird er nur wenig benußt, obs 
gleich die von ihm durchftrömten Gegenden, meift einen fehr fruchtba- 
ven Boden befigen, oder ‚Derfelbe Durch Bewäflerung wenigſtens fehr 
exgiebig gemacht werben könnte. Doch beftehen nicht alle Gegenden 
der ungeheuern Hochebene ron Altcaftilien und Leon aus fruchtbarem 
oder mittelft künſtlicher Bewäflerung fruchtbar zu machendem Erdreich; 
es giebt auch Landſtriche, weldhe man niemald dem Anbau von Cerea⸗ 
lien oder Garten» und Baumfrüchten zugänglich zu machen hoffen darf. 
Dahin gehören die zahlreichen, aus Flugſand beftehenden Lanpfireden, 
welche hier und da, 3.9. an den Ufern des Adaya und Niofero zwi⸗ 
ſchen ˖hoͤchſt fruchtbares Terrain eimgefchoben find, und namentlich die 
Gyps⸗, Thon» und Mergelgebifde der altcaftilinnifchen Steppe. Diefe 
mir bloß aus dürftigen Notizen näher befannt gewordene Einöbe breis 
tet fich zwifchen Olmedo, Valladolid und Medina de Riofero aus. 
Die beveutemdften Zuflüfle des Duero find der Bifuerga, Efla, 
Adaya und Tormed. Bon den Quellen und dem Berlauf des erfiges 
nannten Ylufjes ift bereitd die Rede gewefen; der Eſla mit feinen zahl⸗ 
reichen Zuflüffen entquillt ebenfalls der cantabrifchen Kette. Der Adaya, 
ein muntered helles Bergwafler, fommt von der PBaramera von Avila 
hinab, nimmt unterwegs den im Guadarramagebirge entfpringenven, bie 
Mauern von Segovia befpüfenden Eresma auf, längs deſſen Ufern fich 
der Bewaͤſſerungskanal von Segovia erfiredt, und fallt der Mündung 
der Pifuerga ziemlich gegenüber in den Duero, welcher von hier an ein 
fehr anfehnlicher Fluß fein muß. Der Tormes, nächlt dem Pifuerga 
der ftärffte Zufluß, den der Duero erhält, bildet fi) aus den Abflüf 
fen der wildromantifch gelegenen Alpenieen der hohen, auf den Gren⸗ 
zen von Leon, beiden Gaftilien und Eſtremadura fich erhebenden Sierra 
de Gredos, ſtromt anfangs lange Zeit direct nach Norden, biegt aber 
in der Ebene von Salamanca plögli nach Weſten um und mündet 


— — 





2) Ueber die Schiffbarkeit des Duero ſ. M. d. Berl geogr. G. 1880. VI1,137. ©. 








282 . M. Willkomm: 


daher erſt an der Grenze Portugals in den Duero. Der Tormes if 
ebenfalls ein fchöner und waflerreicher Yluß, der ſchon von Sala; 
manca aus mit flachen Kähnen befahren werben fünnte. Sein oberer 
Lauf durchfurcht ein ungemein hohes Plateau, weiches nur von um 
bebeutenden Höhenzügen durchzogen, theilweis auch mit lichten Gichen- 
wäldern bedeckt und fpärkich bevölkert iſt. Diefes Plateau zieht ſich von 
der Ebene von Salamanca aus, womit ed unmerklich verfchmilzt, fehr 
almälig empor gegen das centrale Scheidegebirge, deſſen bier ſehr 
unzuſammenhaͤngende, oft völlig ifoliete und meift von ARNO. nad 
SSW. ftreichende, kurze, aber ſchroffſte Bergketten oder richtiger 
Gebirgswälle von Norden aus nur als umbebentende Krönungen 
des Platenus erfcheinen. Breite Streifen des legten ziehen fich hie 
und da zwifchen den einzelnen Bergwällen hindurch und fegen jenes 
Blateau und die Ebene von Salamanca in unmittelbare und leichte 
Eommunication mit dem beveutend tiefer gelegenen Plateau von Hoch⸗ 
Efiremadura. Auf den meiften Karten findet man in biefer Gegen 
fteile Gebirgsketten gezeichnet, wodurch die zahlreichen, einerfeits in den 
Tormes, andererfeitö in den Alagon, einem Zufluß des Tajo, ſich ergie 
ßenden Bäche von emander gefchieven werben. Solche Gebirge exiſtiren 
jedoch gar nicht, und es findet hier gerade dafjelbe Verhältniß, wie in ver 
Gegend von Soria, ſtatt, indem jene Bäche und Fluͤſſe nur durch Stüden 
oft völlig ebenen Landes getrennt find, wohl aber in tiefen, fchluchtenarti- 
gen, zum Theil böchft malerischen, fchön bewaldeten und gut angebaw 
ten Thälern hinftrömen, die fie in das Plateau gegraben haben. 
Nachdem der Duero eine Zeit lang in fuͤdweſtlicher Richtung fire 
mend die Grenze zwiſchen Spanien und Portugal gebildet hat, wen 
det er fich abermals nach Weiten und internirt fi) in Portugal, wo 
er den Namen Douro erhält. Er bewäflert hier zunaͤchſt das hoͤchſt 
fruchtbare und reigende Hügelland des Diftricts Altos Douro !), beffen 
zahlloſe Weinberge ven berühmten Portwein erzeugen, tritt dann um 
terhalb Pezo da Regda in eine ebene, wenig fruchtbare Gegend ein 
und mündet emblich eine Meile unterhalb Oporto, an feiner Münbung 
eine gefährliche Barre bildend, welche ſchon manchem Schiffe den Un⸗ 
tergang brachte. Der Duero ift derjenige Fluß der Halbinfel, welcher die 
langſte langſte Stromentwickelung und das ausgedehnteſte Stromgebiet beſiht 


1) Gortefler 6 Weinbeziste (Berl. M. VII, 194, 147 
giebt ein — Bir di Veen bie G. 


— — — — — — * — — XX — 








Die Gewaͤſſer der iberiſchen Halbinſel. 288 


2. Der Tajo. Von dem Urſprunge dieſes Stromes iſt bereits 
die Rede geweſen. Eine genaue Schilderung ſeiner Quelle und der 
Beſchaffenheit der ſie beherbergenden Gegend, verdanken wir dem ver⸗ 
dienſtvollen Engländer Bowles, ſeit deſſen Zeit fein Naturforſcher mehr 
jene intereſſante Stelle beſucht zu haben ſcheint. Der Tajo entquillt aus 
der Fuente de Abrega, einer zwei Leguas ſüdöſtlich vom Flecken Bes 
ralejos mitten auf einem gen Often immer höher anfchwellenden und nur 
wenig unebenen Blateau gelegenen, fehr waflerreihen Quelle. Das 


eben erwähnte Plateau iſt nichts anderes, als der fanft geneigte Weft- 


abhang der Muela de San Juan, und auf demfelben Blateau befin: 
den fid) in geringer Entfernumg von der Duelle des Tajo andere 
„nacimientos“, denen der Jucar, Gabriel und Guadalaviar oder Tu- 
ria entftrömen. Jene ganze, mit lichter Waldung einer baumartigen 
MWachholderart (Juniperus thurifera L.) bevedte und einen integriren- 
den Theil der Serrania de Euenca bildende Gegend ift, wie Bowles 
ausprüdlich bemerkt, eime faft ebene Hochfläche, Diefelbe zieht ſich nord⸗ 
lich um die Muela de ©. Juan herum und .erreicht hier bei Pozon- 
Don, wo ich fie felbft überfihritten babe, die enorme Sechöhe von 
4200', weshalb die AA00’ Hohe, gegen Norden und Often ſchroff ab- 
fallende Muela de S. Juan von dort aus bloß das Anfehen eines uns 
bedeutenden Höhenfammes hat. Eben jo niedrig erfcheinen alle übrigen 
Sierren der Serrania, obwohl fie ſaͤmmtlich die Höhe von 4000' über: 
fteigen. Ganz anders nehmen fi die Muela de &. Juan und bie 
ihr benachbarten Kuppen der Serrania in dem Beden von Teruel aus, 
denn bier, wo man fich mehr ald 2000" tiefer befindet, ald das Niveau 
jener Hochfläche, erfcheinen die genannten Kuppen als hochanſchwel⸗ 
ende Berge des Plateaus, worauf der Tajo entfpringt, und gehen 
gegen Norden unmerklich in das nicht viel niedrigere Plateau von Mo- 
lina über, welches feinerfeit6 durch die Llanura de lad Serraniad mit 
dem „Berbindungsplateau* zufammenfängt. Gegen Süden und We 
ften jentt fih das Plateau des Tajo allmälig und geht weſtwaͤrts zus 
letzt in die hügelige Ebene der Alcarria über. In dem ganzen weiten 
Raum zwifchen Euenca, Sigüenza, Molina und der Muela de ©, 
Yuan iſt auch nicht ein einziger, irgend bedeutender Gebiraszug, und 
dennoch findet man hier auf allen Karten hohe, vielfach verzweigte 
Bergfetten angegeben! — Der Quellbach des Tajo Hat ſich einen feich- 





284 M. Willkomm: 


feichten Grund mit breiter ebener Sohle gegraben, durch den er eine 
halbe Legua weit in männbrifch-gejchlängeltem Laufe fließt. Die- 
fer Grund heißt el ano del Tajo und verwandelt fich zuleht im 
eine enge Felsſchlucht mit durch den Tajo zwifchen Bergen ausge: 
höhlten fenkrechten Wänden von ungefähr A00’ Höhe; der nördliche 
der Berge wird die Sierra blanca genannt, der füpliche führt den Na 
men Cerro de ©. Felipe. Bon hier an firdmt der Fluß, eine feichte, aber 
felfige Buche duch das aus Kalk zufammengejehte Plateau ziehemd, 
gen Nordweſt bis zu feiner Vereinigung mit dem von Molina berab- 
fommenden Rio Galle, wo er ſich nach Welten und fpäter nad Ex 
weit wendet. Nachdem er die fruchtbare Ebene der Alcarria beſpült 
bat, tritt er in die öden Gefilde der neucaftilianifchen Steppe ein, bie 
er einige Meilen unterhalb Aranjuez wieder verläßt. Aber dieſer Theil 
feines Laufes bietet einen höchft triften Anblid dar. Die trüben, ſchmutzi⸗ 
gen, oft ftagnirenden und fumpfigen Waller des fchmalen Fluſſes jchlan- 
geln fi, häufig in mehrere Arme getheilt, durch eine ſandige ober 
fhlammige Niederung, weldye beiderfeitd von einer Mauer fleiler, wild 
jerrifiener, weiß, grau oder vöthlich gefärbter und volllommen nadter 
Mergels, Thons, Gyps⸗ und Geichiebehügel eingefaßt find 1). Kein 
Daum ift an feinen öden, fpärlich bewohnten Ufern zu fehen, und ſelbſ 
das Grün, mit Ausnahme einiger Streden bebauten Landes in ver 
Kühe der wenigen Ortfchaften, verfchwunden. Nur die Gegend von 
Aranjuez macht eine Ausnahme; da nämlich, wo der aus dem centralen 
Scheidegebirge herablommende, wafjerreiche Jarama in den Tajo füllt, 
ift die breite Thalflaͤche mit üppigem Baumwuchſe und grünen Wieſen 
bevedt, weshalb dieſe Gegend den Einprud einer Dafe in der Wüſte 
bervorbringt. Durch den Jarama fchwillt der Tajo zu einem waffer- 
reihen, doch Feine bedeutende Breite befigenden Fluſſe an. Bei Tos 
ledo ift derfelbe etwa fo breit, wie die Saale bei Halle, und hier 
bei Toledo iſt auch fein Lauf hoͤchſt merkwürdig. Jene hochbe⸗ 
rühmte Stadt liegt nämlich auf einem ſteilen Granithügel, der als 
nörblichfte Schwelle der in Süden fich erhebenden und ebenfalls aus Gra⸗ 
nit beftehenden Montes de Toledo angefehen werben muß. Um den noͤrd⸗ 
lichen Zuß des Stadtberges fchlingt ſich fobann eine breite, aus Diluvial⸗ 


") Gzquerra del Bayo in den Anales de Minas III, 312— 314. G. 


Die Grwäffer ver iberifchen Halbinſel. 285 


gebilden zufammengefehte Thalebene herum, welche die unmittelbare Fort⸗ 
ſehung des ebenfalls ſehr weiten Tajothales oberhalb ver Stadt ift und 
fich unterhalb der Stadt auch wieder in das Tajothal hineinzieht. Ans 
ftatt nun diefen bequemen Weg um den nörblichen Fuß des Stadiberges 
herum zu wählen, hat der Tajo den Karten Granitoorfprung durchs 


brochen und dadurch den Stabthügel von der übrigen, zu höheren Hügeln 


anfchwellenden granitifchen Felsmaſſen losgeriſſen und völlig iſolirt. Das 
Durchbruchsthal des Tajo iſt eine hoͤchſt romantifche, tiefe, Sförmig 
gefrümmte Schlucht, deren Wandungen aus fchroffen, wild zerflüfteten 
Helfen beftehen, und deren Grund an. vielen Stellen von den gewalt⸗ 
fam eingezwängten Wogen des wafferreichen Fluſſes gänzlich ausges 
fült wird. Ein zweiter, noch großartigerer Durchbruch des Tajo hat 
in Eftremadura flattgefunden. Nachdem nämlich der Tajo bis unters 
halb Talavera de la Reyna, vor welcher Stadt er durch den Rio 
Alberche bedeutend verftärft wird, durch eine offene, meift ebene Ters 
tiärgegend geftrömt ift, betritt ex von Neuem eine Granitformation, 
die anfangs ein Hügelgelände bildet, fpäter aber, in der Gegend 
von Almaraz, fih zu bedeutenden Bergen zu erheben anfängt. Durch 
diefe Berge hat fih nun der Tafo ein tiefed und enges Thal gewühlt, 
defien Abhänge von Felfen flarren. Das großartige Ducchbruchsthal 
beginnt oberhalb der berühmten, 131’ hohen Brüde von Almaraz, auf 
welcher die Heerftraße von Eftremadura den Tajo überfchreitet, und 
hat eine Länge von mehreren Meilen. Der Tajo drängt fich hier zwi⸗ 
fchen zwei kurzen Bergfetten hindurch, wovon die nörbliche Sierra 
de Beneruelo, die füdliche Sierra de la Moheda Heißt. Bon hier an 
durchfurcht er das Plateau von Hoch» Eftremabura, eine offene, ſandige, 
hoͤchſt einfame, größtentheild mit Eichenwaldung bevedte Gegend, bis 
Alcantara, wo ein nad) Süden weit vorfpringender Zweig der gra- 
nitmen Sierra de Gata fein Bett abermals, jedoch nur auf kurze Zeit, 
bedeutend verengt. Unterhalb Alcantara erweitert fi das Bett des 
Tajo beträchtlich, indem das Land ſich mehr und mehr verflacht. Bald 
nad feinem Eintritt in Portugal, wo er den Namen Tejo empfängt, 
beginnt der Fluß den Charakter eines Stromes anzımehmen, Doch wird er 
erfi nach der Aufnahme des Zezere fchiffbar. Bon Santarem aus trägt 
er große Flußfchiffe, auch Dampfböte; Seefahrzeuge gehen wohl nicht 
über Billafranca hinauf. Der Tejo hat bekanntlich eine fehr weite 





286 | MN. Willkomm: 


Mündung oder richtiger er mündet in eine baflinartige, fat gan von 
Land umgebene Meeresbucht. An feiner Mündung in diefe Bucht bil⸗ 
det er ein Heines, von Lagunen wimmelndes und von vielen natürli⸗ 
hen Kanälen durchſchnitienes Delta, indem er ſich unterhalb Salva⸗ 
terra in zwei Hauptarme theilt. Dieſes öde Sumpfland IR unter dem 
Kamen as Lizirias befannt. 

Der Tajo feheint ein fehr ungleiches Gefälle zu haben und eig 
net fich deshalb, mit Ausnahme feines unteren Stromlaufes, wenig 
für die Schifffahrt. Im oberen Laufe fließt er ſehr raſch, durch die 
neucaftilianifche Steppe dagegen fehr langfam. In den Durchbruche 
thälern von Toledo und Almaraz bildet er bedeutende Stromjchnellen: 
zwifchen vdiefen beiden Punkten fließt er jeboch ziemlich ruhig, daher 
fönnte er von YZuentivuenas an bis Almaraz recht wohl ſchiffbar ge 
macht werden, indem ſich die Stromfchnellen von Toledo vermittelk 
eined fchiffbaren, um den nörblichen Yuß des Stabiberges von Te 
ledo herumzuführenden Kanals vermeiden ließen. Die Stromfchneflen 
von Almaraz dagegen find nicht fo leicht zu befiegen, weil das Land 
hier weit und breit gebirgig ifl. Es wäre dies nur mittelft eines län 
geren Kanals möglich, weldjer bereits von Puente del Arzobispo im 
Reucaftilien und in nordweſtlicher Richtung über Calzada de Oropela, 
Gafatejada und el Zoril nach dem Rio Tietar und an diefem waſſer⸗ 
reichen Fluſſe abwärts bis an defien Mündung in den Tajo geführt 
würde. Da der genannte Fluß ein flarfed Gefälle hat, fo müßte ver 
Kanal mit vielen Schleufenwerfen verfehen werden. Die zu wieher 
holten- Malen projectirte Schiffbarmachung des Tajo dürfte gegenwär: 
tig, wo Aranjuez mit Madrid durch eine Eifenbahn verbunden ift, in 
der That rentiren, befonders wenn von Aranjuez auch nach Balencia 
eine Eifenbahn gebaut würde. Denn die am Tajo jelbft gelegenen 
Etädte find zu imbedeutende Handelspläge, um die Schifffahrt wit 
dem Fluſſe in Schwung zu bringen. — Der Tajo ift derjenige Strom 
Spaniens, welcher die meiften Brüden beſitzt Bon feinem Eintritt in 
die neucaftilianifche Steppe an, wo er zuerſt ald ein Fluß von Bedeu⸗ 
tung erjcheint, bis an die portugleftfche Grenze, führen 8 Brüden über 
denjelben. Die beiden oberften, die von Fuentidueñas und Aranjue, 
find Zugbrüden; unter denfelben zeichnet ſich die erſte, aus der neue 
fen Zeit ſtammende, eine Drabibrüde, durch Länge und Schönheit aus 


—m — — — 


— — — — 





Die Gewaͤſſer ver iberiſchen Halbinſel. 287 


Die beiden nächftlen Brüden befinden fich bei Toledo; fie find mauris 
fhen Urſprunges. Dann folgten die langen Steinbrüden von Tala- 
vera de la Reyna (35 Bogen) und Buente dei Arzobiopo, die fchon 
erwähnte Brüde von Almaraͤz und endlich bie ebenfalls durch Höhe 
ausgezeichnete Brüde von Alcantara (175' hoch, 576’ lang), befannt- 
fih ein Werk der Römer. 

. Das Baflin des Tao iſt im Allgemeinen gegen Norden weit, 
gen Süden dagegen fehr befchrämft. Die Waflerfcheide zwifchen dem 
Tajo und dem Guabiana läuft nämlich in geringer Entfernung von 
dem finfen Ufer des Tajo hin, ja an manchen Stellen, wie innerhalb 
der Steppe zwifchen Tarrancın und Ocana; und fodann bei Almaräz, 
nähert fte fi) dem Tajo bis auf 2 Leguas. Der Tajo empfängt näm- 
(ich feine meiften und ftärffien Zuflüffe von dem centralen Scheidege- 
birge; die Zuflüffe des linfen Ufers, welche theild auf dem Plateau 
von Neucaftilien, theild in den Bergen des Gebirgsfyftens von Eſtre⸗ 
madura oder des zwifchen dem mittleren Tajo und Guadiana befind- 
lichen Scheibegebirge8 entipringen, find fämtlich bioße Bäche, von de: 
nen nicht wenige im Sommer gänzlich verfiegen. Die bedeutendſten 
Zuflüffe des rechten Ufers find der Jarama, Alberche, Tietar, Alagon 
und Zegere. Der Jarama bildet fh aus einer Anzahl munterer, von 
den Abhängen der Sierra de Ayllon und des berühmten Paſſes von 
Somofierra entjpringenden Gebirgsbähe und nimmt gen Süden 
frömend zuerft den Lozoya auf, einen fchönen wilden Bergfluß mit 
kryſtallhellem Wafler, welcher aus der Laguna de Pehalara, einem am 
Fuße des Kegeld des 7716’ Hohen Pils von PBenalara, des culminis 
renden @ipfeld der Sierra de Guadarrama, gelegenen Alpenteich her: 
vorftrömt und das malerijche, großartige, walderfüllte Langenthal von 
Lozoya bewäffert, fpäter, anderthalb Leguas unterhalb der Föniglichen 
Domäne San Fernando den von Rorboft herabfommenden Henares. 
Diefer die Mauern der ehemals berühmten Univerfitätsftadt Alcala, fowie 
die der Stadt Guadalajara befpülende Yluß, welcher dem Jarama an 
Waſſermenge gleichfommt, ſtroͤmt von dem hohen Plateau von Sigüenza 
herab, wo feine Quellen in geringer Entfernung von denen des Ja⸗ 
(on liegen. Er verftärkt fi) unterwegs durch verfchlevene Bäche und 
durch den Bornova, ein fehr wildes Bergwaſſer, welches den öft- 
lichſten Gliedern des Scheidegebirges entquilit und fich ein höchft ro: 











288 PM. Willkomm: 


mantifches, tiefes und enges Felfenthal durch das hohe, in neueiler 
Zeit wegen feiner reichen Silberminen fo berühmt gewordene nei 
platenu von Hiendelaendna gegraben hat. Unterhalb des Zuſammen⸗ 
fluffes mit dem Henares nimmt der Jarama noch den Rio Tajuna 
auf, welcher auf dem Plateau von Molina entfpringt und die Alcar⸗ 
ria der Länge nach durchfirömt. Zwifchen dem Henares und Tajuña 
fält der Manzanared in den Jarama, und wenig oberhalb befien 
Mündung überfchreitet den Jarama die neugebaute fhöne Straße von 
Balencin nad Madrid auf einer fehr langen und eleganten Draht 
brüde. An feiner Mündung übertrifft der. Jarama den Tajo beinafe 
an Waffermenge und nach ihm tft der Alagon der flärffle und zus 
gleich merkwuͤrdigſte Zufluß des Tajo. Derfelde entfpringt nämlich 
innerhalb des Duero⸗Baſſins auf jenem hohen Plateau, welches ſich 
von der Ebene von Salamanca aus erhebt und zwifchen den ifolixten 
Ketten des weftlichen Scheidegebirged hindurchzieht. Die zahlreichen 
Bäche, woraus fich der Alagon bildet, burchfurchen jenes Plateau in 
vielfach gefchlängeltem Laufe, als ob fie nicht wüßten, wohin fie ſich 
wenden follten, und fie find an vielen Stellen nur durch geringe Zwiſchen⸗ 
räume von den Quellbaͤchen des Tormed geſchieden. Endlich wende 
ſich der Alagon fünwärts und eilt in rafchem Lauf in ein weites, gre 
Bentheild mit Eichenwaldung erfüllte Baffin hinab, das gegen We 
fien von den hohen Sierren von Gata und Falama begrengt iſt, worauf 
er bei feinem Austritte aus diefem Baflin den von NW. berabfommen- 
den, an den füdlichen Abhängen der Sierra del Pico entipringenden 
und Das weite, fchöne, reichbevölferte und prächtig angebaute Thal von 
Plaſencia bewäfjernden Rio Ferte, welcher ſich unterhalb Plaſencia 
ein ähnliches Kelfenthal wie der Tajo bei Toledo durch die granitme 
Bafis des Scheidegebirges gegraben hat aufnimmt, bis er endlich bei der 
alten Römerftadt Corla vorbeiftrömt und fich als ein breiter, anfehnlicher 
Fluß oberhalb Alcantara in den Tajo mündet. Der Alagon ift auch du 
buch merkwuͤrdig, daß er bei Eoria, wohl in Folge einer Erderſchuͤt⸗ 
terung, fein. urfprüngliches Bett verlafien und fich ein neues gegraben 
hat. Deshalb ſteht jept die fchöngebaute, von den Römern herrührenve 
fiebenbogige Steinbrüde gänzlich auf dem Trornen und man muß den 
Alagon, der anftatt, wie fonft die Mauern jener Stadt zu beſpülen, 
eine Strede weiter füblich fließt, in einer Fähre überfchreiten. Der Bor 


[ 


Die Gewaͤſſer ver iberifchen Halbinfel. 289 


tugal angehörende Rio Zezere entipringt in der wilden Serra d’Eftrella, 
bem legten, bedeutenden, bis über 7000’ fich erhebenden Gliede des 
centralen Scheidegebirges. | 
3. Der Guadiana!). Ein Höchft eigenthümliches Phänomen, 
welches bereits im Altertfum die Aufmerkſamkeit der Geographen er 
regte, ift die Urfache gewefen, daß man ben Urfprung dieſes Stro- 
mes an einer Stelle gefucht Hat und noch gegenwärtig fucht, wo, will 
man der Wahrheit die Ehre geben, bloß ein eben nicht bedeutender . 
Zufluß des Guadiana entfteht. Ich glaube es nicht nöthig zu haben, 
jenes Phänomen näher zu bezeichnen ?); denn wem wäre es unbekannt, 
daß der Bach, den man allgemein ald den oberen Lauf des Guadiana 
betrachtet, etwa 9 Meilen von feinem Urfprunge fih in Sümpfen ver: 
liert und etwa A Meilen weftlih von diefer Stelle aus einigen fehr 
waſſerreichen, gewaltſam hbervorbrechenden Nacimientos, die man die 
„Augen des Guadiana” nennt, wieder hervorbricht °)? Die Quellen 
dieſes Guabiana, eine Reihe fumpfiger Teiche, lad Lagunas de Aui- 
dera *) genannt, befinden fi) auf jenem erhabenen Blateau von Al⸗ 


») Der Guadiana kommt im Altertfum fehon unter feinem gegenwärtigen Na- 
men in der Form Anas bei Strabo (Ed. H, Cas. S. 139) und PBlinius (ib. IIT, 
c.2) vor. Auch die Araber behielten den Namen im Wefentlichen bei, inbem 
Edriſi (Ueberſ. von Jaubert II, 25) den Strom Jana nennt; nur dadurch, daß fie 
ihm, wie den Nanıen vieler anderen fpanifchen Flüffe, das Wort Ouadi (Fluß) oder nady 
Der Ausfprache der weftlichen Araber Guadi vorfeßten, entfland der Heutige Nanıe. G. 

2) Der Berfafler des beflen Werkes über die Geographie feines Vaterlandes 
D. Pascual Madoz, meint bezüglich des GStreites über den Urfprung des Fluſſes 
(Diccionario geografico-estadistico-historico de Espafia y sus possessiones de ul- 
tramar. Madrid 1847. IX, 33): Su nacimiento ha sido siempre una curiosa y 
debatida cuestion: su curso, su hundimiento, sus apariciones, han sido otras tantas 
novelas, que Ban entretenido ä historiadores y geögrafos muy graves, que se han 
transmitido de generacion en generacion sin examen, sin criterio y de las, que han 
hecho uso personas muy solemnes; tiempo es ya, de que desaparezcan estos errores. 
Schon Blinius (ITI, 2) äußerte ch hierüber folgendermaßen: Ortus hic Laminitano 
agro (Laminium war ein bei Fuenllana zwifchen Montiel und Alcaräz gelegener und 
auch durch aufgefundene Inſchriften bekannter Ort) et modo se in stagna ſundens, 
modo in angustias resorbens aut in totum cuniculis condens et sacpius nascı gau- 
dens, ın Atlanticum Oceanum effunditur. 

2) Bowles in feinem bekannten ſchätzbaren Werke: Introduccion ä la historia na- 
tural y & la geografia fisica de Espalia, 3. Ausg. Mabrid 1789, S. 185, jagt von 
den Augen des Guadiana: Los 0ojos de Guadiana son mas grandes lagunas, 
que tambien se cummunican entre si (S. aud) ebendort ©. 184). ©. 

%) Nace este famoso rio indubitablemente en las lagunas de Ruidersa, 


Beitfehr. f. allg. Erdkunde. Bd. 11. 19 





290 M. Willkomm: 


caraz in der ſuͤdlichen Mancha, wovon bereits bei der Schilderung 
der großen Waſſerſcheide die Rede geweſen iſt. Die eigentlichen Quel⸗ 
len des Guadiana liegen in einer ganz anderen Gegend, nämlich am 
öftlichen Rande der neucaftilianifchen Steppe. Hier entjpringen zwei 
Fluͤſſe, welche beide, weil fie ziemlich dieſelbe Länge und an ihrem 
Zufammenfluß eine faft gleiche Waflermenge befigen, Die Ehre in 
Anspruch nehmen könnten, ald der wahre obere Lauf des Guabianı 
- betrachtet zu werden. Der nörblichere derfelben, Gigliela, entquillt den 
weftfichften Verzweigungen des niebrigen, jedoch auf einem ziemlich he. 
hen Plateau gelegenen, aus Sedimenten der Buntfandftein -Formatior 
beſtehenden Hügellandes, welches fich fühmeltlih von Cuenca ausbrei- 
tet; der füblichere, mit Namen Zancara, entjpringt in derfelben Bunt: 
fandftein» Formation beim Dorfe Huerta de la Obispalia in geringer 
Entfernung von einem in den Jucar fallenden Bache. Jenes Bunt: 
fandftein» Hügelland, durch welches mich meine Reife von Euenca nat 
Madrid geführt hat, befteht bloß aus welligen Höhenzügen, woelde 
durch breite feichte Thäler geſchieden find; nirgends iſt eine Spur von 
der hohen Bergkette zu fehen, die man dort auf fo vielen Karten 
angegeben findet. Das Hügelland verflaht fi namentlich gegen 
Süden, in welcher Richtung der Zancara anfangs bis zu feiner Ber: 
einigung mit dem Rio Ruz ftrömt, fehr raſch, weshalb der erfigenannte 
Fluß ſehr bald in eine vollfommen ebene Gegend eintritt, die ſich 
nach allen Seiten unüberfehbar ausbehnt und bisweilen, wie bei San 
Elemente, einem Tifche gleicht. Während dieſes Laufed durch bie 
Ebene nähert fi der Zancara einmal in der Nähe des Dorfes Bil- 
far de la Encina dem diefelbe Ebene durchftrömenden Jucar bis auf 
zwei Meilen; ja der Rio Ruz, welcher bei dem elenden, An ber alten 
Heerftraße von Valencia in einer Seehöhe von 2124’ gelegenen Fleden 
el Provencio in den Zancara fällt, entfleht in derſelben Ebene zwi⸗ 
fhen den Dörfern Marin y Zara und Atalaya de Cañarate aut 
einigen Bächen, deren Quellen in einem fumpfigen, faum eine halbe 
Stunde vom Bette des Jucar entfernten Terrain liegen. Ein 10 Zus 


pero sus fuentes estan diseminadas y confundidas verfidherte noch Maboz (IX, 33). 
der felbft feinen Fleiß in der Aufllärung diefer Frage rühmt, in feinen Mefulksten 
jedoch von unferen Verfaſſer abweicht, da er fih, wie eben angegeben, ganz am bie 
älteren Anfichten anjchließt, obgleich ihm der längere Lauf des Zancara und — 
ſehr wohlbekannt war. 


Die Gewäfler ver iberifchen Halbinfel. 291 


tiefer Kanal von einer halben Stunde Länge würde, wie Bory de St. 
Vincent bemerkt, hinreichen, um den Jucar zu einem Zufluffe des Gua- 
diana zu madhen. Das gefammte Land zwifchen dem Jucar und den 


Augen des Guadiana iſt eine volllommene Ebene; nichtsdeſtoweniger 


find auf vielen Karten zwifchen dem Jucar und den Quellen des Jans 
cara Bergfetten angegeben, ja fogar zwifchen denen des Ruz und dem 
Jucar, wo nicht einmal Platz zu einem Berge vorhanden ift. Jene Ebene 
bildet den entvölfertften, dürrſten und ödeften Theil der berüchtigten 
Manda; nirgends gewahrt man einen Baum, und der brauntothe 
Sanpfteinboden ift meift nur mit Difteln und aromatifchen Halbfträus 
chern dünn beftreut. Bon el Provencio an ftrömt der Zancara weft: 
lich und vereinigt ſich unweit des an der andalufifchen Heerftraße ges 
legenen Fleckens Villaharta de S. Juan mit dem Gigüela, nachdem er 
zuvor noch einen bedeutenden Theil feines Waſſers durch biefelben 
Sumpfwiefen, auf denen der Guadiana verfchwindet, verloren hat. Der 
dem Zancara an Waflermenge faft gleiche Rio Gigüela ift bei Hor- 
cajada in der neucaftilifchen Steppe, wo ihn die Straße von @uenca 
nach Madrid überfchreitet, ein unbedeutender Bach mit brafifchem Wafs 
fer. Er wird auch erft durch den Rianzares, von welchem der Ge- 
mahl der Königin Ehriftine feinen Herzogstitel entlehnt hat, weil die⸗ 
fer Fluß bei feinem Geburtsorte Tarrancon vorbeigeht, zu einem Fluſſe. 
Der durch die Vereinigung des Gigüela und Zancara entftandene 
Fluß, welcher den erften diefer Namen beibehält, ift da, wo er mit dem 
neugebornen Guadiana zufammenfließt, um vieles waflerreicher, als 
diefer,, und übertrifft, man möge nun den Gigüela oder Zancara ale 
den Hauptfluß anfehen, ven aus den Lagunen von Ruidera entftande- 
nen Fluß faft um das Dreifache der Länge. 
Der vereinigte Guadiana ftrömt nun bis an die Grenze von Por- 
tugal in weftlicher Richtung. Dort angelangt wendet er ſich ſuͤdwaͤrts 
und fpäter in der Gegend von Serpa in Portugal direct nah Suͤ— 
den. Er ift dort bereitd ein flattlicher Strom, indem er unterwegs 
mehrere flarfe Zuflüffe, befonders aus dem marianifchen Gebirgsfyfteme, 
erhält Sein bisher, befonderd gegen Süden hin, fehr weites Baſſin 
verengt. fih in der Gegend von Serpa raſch und verwandelt fih un- 
terhalb diefer Stadt bald in ein mit jeder Viertelftunde enger werden 
des Thal, indem er hier das marianifche Gebirgsfyftem zu durch— 
19 * 


292 M. Willtomm: 


brechen beginnt. Die Großartigfeit dieſes Durchbruchthales wird man 
begreifen, wenn man bebenft, daß Fein unbeveutender Fluß, fon 
dern ein majeftätifcher Strom daſſelbe gegraben hat und noch gegen- 
wärtig bewäflert, und daß es gerade den breiteften, zwiſchen den er—⸗ 
habenen Gruppen von Aracena und Mertola gelegenen Theil des ma 
rianifchen Syſtems durchfchneidet. Um fo mehr bevauere ich, von die- 
fem Thale nichts, al8 feine unterfte Strede gefehen zu haben, wo feim 
Winde bereitö aus niedrigen, fich mehr und mehr verflachennen Wel 
(enbergen beftehen. Weiter hinauf, namentlich in der Gegend von 
Mertola, muß das Guadianathal den dürftigen Notizen zufolge, die ib 
erhalten habe, das Gepräge der wildeften und großartigften Romantıl 
tragen, indem bort feine Wände von hohen, fteil bis an das Ufer dee 
Stromes abfallenden, dicht bewaldeten und felfenbefüeten Bergen zu— 
fammengefegt find. Noch malerifcher mag der unterhalb Serpa befint: 
liche Kataraft des Guadiana, el Salto del Lobo (der Wolfsfprung ) 
genannt fein, da ſchon Link die Stelle mit der Roßtrappe am Har: 
vergleicht. Der Katarakt macht übrigens eine ununterbrochene Schiff 
fahrt auf dem Guadiana unmöglich, weil er fich durch feinen Kanal umge 
hen läßt. Deshalb erfiredt fi die Schifffahrt gegenwärtig bloß ven 
der Mündung des Stromes an bi6 Mertola, bis wohin Feine Ser 
fahrzeuge gehen. Wohl aber ließe fich auch der mittlere Lauf des 
Guadiana bis Serpa fchiffbar machen, wenn man den Strom entſan 
dete und feinen Lauf regelte. Die beiven Verladungspläge Serpa unt 
Mertola könnten übrigens ohne große Schwierigfeit mittelft einer durd 
das Guadianathal gelegten Kunftftraße verbunden werden. Zept if 
aber der Guadiana bis Mertola ganz verlaffen und er wird ſelbſt zur 
Bewäflerung der ihm benachbarten Fluren nur wenig benußt. 

Der Guadiana befigt drei Mündungen, deren jede an ihrem Ein 
gange durch eine oder mehrere Barren mehr oder weniger gefiperrt iſt 
Die Hauptmündung befindet ſich eine halbe Stunde fühlich von der 
fpanifchen Stadt Ayamonte, welche der portugieflichen Stadt Billarea! 
de Santo Antonio ſchief gegenüber liegt, zwifchen der Punta de S 
Antonio und der Punta de Eanelas, der weftlichften Ede einer nietri- 
gen Infel, und Hat zwei Eingänge, nämlich die Barra nova ode 
Barra de Boquete und die Barra de la Ganela oder Barca de Ava— 
monte. Pete, der Hauptfanal zu den Häfen von Villareal und Ava— 








Die Gemäfler ver iberiichen Halbinfel. 293 


wonte, wird durch zwei Sanbbänfe gebildet, die fi) von den eben ge- 
nannten Landfpigen in füdlicher Richtung ungefähr eine Legua welt 
in die See hinunterftreden. Der Kanal felbft mißt gegen 250 Klaftern 
in der Breite und hält an feiner feichteften Stelle, welche fi am ſuͤd⸗ 
lichten Ende jener Sandbänfe befindet, fogar zur Zeit der Ebbe noch 
14Fuß Waffer, weshalb er nicht bloß von Fifcherbarken, fondern auch von 
größeren Seefahrzeugen, ja auch von Dampffchiffen, paffirt werben kann. 
Weiter hinauf befikt die Guadianamündung 18— 19, an der Punta 
de S. Antonio 28, und zuletzt bei Villareal 38 Fuß Tiefe. Bei Bil- 
lareal, welcher Ort als der nordweſtliche Grenzpunft der Guadiana⸗ 
mündung angefehen werden muß, erreicht der Strom feine größte 
Breite, namlich 340 Klaftern. Bei Ayamonte verengert er fich wieder; 
fpäter wird er abermals breiter und befült fobann bis Mertola zwi⸗ 
fchen 38 und 31 Fuß Tiefe. Die Barra nova ift ein fchmaler Ras 
nal, der in ſüdſüdweſtlicher Richtung den Iſthmus der Punta de 
©. Antonio durchfthneidet. Sie warb vor nicht fehr langer Zeit durch 
einen Sturm geöffnet und fann bloß von Schiffen von 3— 4000 Ar⸗ 
roben Laft paffirt werden. Die Feine niedrige Sandinfel, welche fie 
von der Barra de la Canela fcheidet, gilt feit 1839, wo ihre Benupung 
zu einem Streite zwoifchen den Bewohnern von Villareal und Ayamonte 
Beranlaffung gab, für neutraled Land. Zwifchen der Infel von Ca 
nelas, deren weftliche Ede die gleichnamige Punta bilvet, und Aya- 
monte liegt eine zweite ähnlich geftaltete Infel von ziemlich gleicher Länge, 
und öftlich von. beiden, getrennt von ihmen durch einen fchmalen Ka- 
nal, eine dritte größere Inſel, deren Südrand ziemlich in gleicher Li- 
nie mit dem Südrande der erften Infel und der öftlichen Fortſetzung 
der Küfte des Feſtlandes liegt, während ihr Norbrand beinahe in ber- 
felben Linie verläuft, wie der Nordrand der zweiten, nörblicheren In; 
fel. Auf dieſe Weife entfliehen zwei parallel gehende Kanäle,. die mit 
einander communiciren und das öftlich von der Punta de Canelas ger 
legene Meer mit dem Guadiana in Verbindung fegen. Der erfte, 
fünlichere Kanal öffnet ſich zwifchen der erften und dritten Infel an 
der Barra de la Higuerita, fo genannt nad dem von catalonifchen 
Fifcheen bewohnten und am weftlichen Ufer der dritten Inſel liegen 
den Dorfe la Higuerita; der zweite, um vieles laͤngere, jedoch minder 
breite und tiefe Kanal mündet zwei Meilen oftfüböftlich von Ayamonte an 





294 M. Willkomm: 


der Barra de la Tuta, die ſich zwiſchen der öſtlichen Ecke der dritten 
Inſel und dem Feſtlande befindet. Der Anfang dieſes Kanals bilder 
den Hafen von Ayamonte. Legtter iſt zwar gegen die Stürme vol: 
fommen gefichert, kann aber wegen feiner geringen Weite und Tieke 
bloß fleine Fahrzeuge beherbergen. Zu den eben gefchilvderten beiten 
Nebenmimdungen des Guadiana fommen bloß Böte und feine Barken 
herein, und zwar nur während ber Fluth, denn zur Zeit der Ebbe lie 
gen ihre Kanäle beinahe troden. Die Infeln an der Mündung te 
Guadiana verdanken ihre Entftehfung offenbar den von jenem Strom 
im Laufe von Jahrtaufenden herbeigefchafften Sand» und Schlamm 
maffen, und müflen folglich al8 eine Art Delta betrachtet werben 
Sowohl fie, al8 der benachbarte Küftenfaum des Feſtlandes und das 
rechte Ufer des Guadiana oberhalb Villareal find fo niedrig, daß fr 
zur Zeit des Hochwaſſers theilweife überfluthet werden. Daher beſte 
ben dieſe Landſtrecken faft gänzlich aus Moräften, fogenanntea 
„esteros“. " 

Unter den Zuflüffen, welche der Guadianag während feines mit 
leren Laufes empfängt, verdienen befonderd der Japalon, Zuja wat 
Arvila erwähnt zu werden. Alle drei entjpringen im marianifchen Sr 
ftem und find die ftärfften Zuflüffe des Guadiana. Der Javalon bil 
det fih aus den Abflüffen der Ojos de Montiel, einer Anzahl gewalr 
fam hervorftrömender großer Quellen oder nacimientos, welche fich zwi 
hen unbebeutenden Hügeln auf dem hohen Plateau von Almaraz oder 
dem Campo de Montiel in geringer Entfernung von den Quellen des 
Guadarmeno befinden. Der Javalon furdht, in nordweſtlicher Richtung 
fließend, das vulcanifche Plateau von Almagro und mündet unterhalb 
Eiuad-Real in den Guadiana. Süpweftlih von der genannten Stadt 
erhebt fich die impofante, aus mehreren Barallelfetten zufammengefegte 
Gebirgsyruppe der hohen Mancha, innerhalb welcher ſich die weltbe 
rühmten Zinnoberbergwerfe von Almavden befinden. Als eine weſtliche 
Bortfegung diefer Gebirgsgruppe, deren ſüdlichſte Kette gegen Often 
mit der Sierra Morena zufammenhängt, ift die Sierra del Pedroſo zu 
betrachten, welche fich auf der Grenze von Andalufien und Eſtrema⸗ 
dura erhebt. Zwifchen diefen Gebirgen und der weiter ſuͤdwaͤrts hin⸗ 
jiehenden Sierra Morena breitet fih ein geränmiged Plateau, dic 
Ebene von [08 Pedroches aus, deren aus Granit beftehender Boden 


— — — — -- 


um. — — ran — 





Die Gerwäffer der iberifchen Halbinſel. 295 


wohl gegen 3000’ über dem Meere liegen mag. Diefes ziemlich ftarf 
bevölferte und theilweife mit Eichenwaldung bedeckte Plateau fenkt fich 
von dem Nordrande der Sierra Morena gegen die Sierren von Al: 
maden und del Pedroſo Hinz es ift im diefer Gegend jedenfalls ehe⸗ 
dem von einem See bevedt geweſen, denn das weite Thal, wos 
durch die Sierra del Pedroſo von der Sierra de Almaden gefchieden 
war, fieht ganz fo aus, wie ein Durchbruchsſsthal. Durch diefes Thal 
fließen gegenwärtig alle am Nordabhange der Sierra de los Pedroches 
oder der nörblichiten Kette der Sierra Morena, fowie alle auf dem Pla⸗ 
teau felbit und an den Südabhängen der Sierren von Almadén und 
del Pedroſo entjpringenden Gewäfler vermittelft zweier Fluͤſſe ab, aus, 
deren Vereinigung der Zuja entfteht. Der eine von Often fommende 
Fluß, welcher den Kamen Guadalméz führt, entfpringt in der öftli- 
chen Sierra Morena am Monte NRavalayarza und befpült den fübli- 
chen Fuß der fchroffen Sierra von Almaden; der zweite fommt aus 
den Bergen von Suadalcanal im Südweſten des Plateausd und fließt 
längs des füdlichen Fußes der Sierra del Pedroſo hin. Bevor ſich 
beide Ylüffe vereinigen, nimmt der Guadalméz den Valdeazogues auf, 
welcher das breite, zwifchen den Ketten der Gruppe der hohen Manıha 
befindliche Thal von Alcudia bewäflert und bei Almaden vorbeigeht. 
Der vereinigte Zuja bewäflert, gegen NW. ftrömend, die fruchtbare 
Hochebene der Serena, die einen Theil des Plateau’ von Nieder 
Eftremadura bildet und mündet endlich als ein ſehr anfehnlicher Fluß 
oberhalb San Benito in den Guadiana. Der Ardila endlih, ein 
fehr reißender Fluß, entquillt dem hohen, am Nordrande der weſtli⸗ 
hen Sierra Morena fi) ausbreitenden Plateau von Bienvenida, 
ſtrömt unausgefegt gen Weften und tritt endlich bei der portugie 
fifchen Grenzfeftung Moura in den Guadiana. Er nimmt unterwegs 
eine Menge der in den wilden Berggruppen der weftlihen Sierra 
Morena entfpringenden Bäche und Ylüfie auf, worunter dem bereits 
früher erwähnten, aus dem Beden von Aracena fommenden Rio Mur: 
tiga der erfte Rang gebührt. 


296 Mm. Willfomm: 


5. Das Stromgebiet des Guadalquipir. 


Der Guadalquivir (d. i. Wad⸗al⸗libr, d.h. große Fluß) ') iR, 
felbft wenn man nicht der gewöhnlichen, fondern der naturgemäßen 
Anfchauung folgt und die Quellen des Guadarmeno als feinen Urfprung 
betrachtet, der Fürzefte Strom der Halbinfel, jedoch für Spanien ve 
wichtigfte, weil er der wafferreichfte umd deshalb prafticabelfte für tie 
Schifffahrt if. Dazu kommt, daß einer der erften Hanvelspläge und zu 
gleich eine der volfreichften und wichtigften Städte Spaniens an feinen 
Nfern, ein zweiter Haupthandelöplag unweit feiner Mündung liegt, um 
dag fein Baffin reich an Producten der mannigfachflin Art iſt. Das 
Gebiet des Guadalquivir befindet fich faft gänzlich innerhalb der politi⸗ 
fhen Grenzen Anvalufiens. Anders geftaltet fich freilich das Berkält 
niß, wenn man Andalufien naturgemäß abgrenzt und die Hauptfette 
des marlanifchen Syſtemes oder die Sierra Morena als die nörblick 
Grenze diefed Landes betrachte. Dann bemerkt man mit Erftaunen, 
daß die ganze nördliche Seite des Guabalquivirgebietes innerhalb des 
Guadianabaſſins liegt, indem die Mehrzahl der Klüffe, welche der Gua⸗ 
dalquivir an feinem rechten Ufer aufnimmt, auf dem Plateau ter 
Mancha und Eftremabura’s zwifchen den Zuflüfien des Guadiana, oft 
in unmittelbarfter Nähe von einander, entfpringen. So liegen 42. 
auf dem hohen, zwifchen ven Ketten der centralen Sierra Morena ein 
geichobenen Plateau von Fuente⸗Ovejuna, einer öftlidden Forſegung 
des fchon erwähnten Plateaus von Bienvenida, die Quellen des in 
den Buadalquivir fließenden Guadiato und des in den Guadiana ſich 
ergießenden Matachel fo nahe bei einander, daß unbedeutende Kanäle 
hinreichen würden, um ben einen Fluß in den anderen zu leiten. Daf- 
felbe findet, wie bereits nachgewiefen worden ift, in dem Becken von 
Ararena bei den Quellen des Murtiga und Rio Tinto flat. Wir 


2) Unter den arabifhen Schriftftellern find es befonders Edriſi, Abulfeda um 
Ibn al Quardi, welde den Fluß unter dem Namen des Großen Stroms (Ba 
al Kebir bei Eorifi [Ueberf. von Saubert II, 19], Wadi ’Ifebir [ebendort II, 51], 
Nahr el Kebir [ebendort II, 42, 56 und bei Ibn al Ouardi Ed. Hylander 16]) aa: 
führen. Reinaud in einer Anınerfung zu Abulfeda's Geographie IL, 1, 58 fagt über 
den Kamen mit beſtimmten Worten: Alouady -alkebyr ou d’apres la prononciation val- 
gaire Ouad-elkebyr, d’ou on a fait par corruption Guadalquivir. G. 


Die Gewaͤſſer ver iberifchen Halbinfel. 297 


haben bereitö gezeigt, daß alle viefe im Gebiete des Guadiana ent- 
fpringenden Zlüffe das gefammte. marianifche Syſtem durchbrochen ha⸗ 
ben, um In den Guadalquivir zu gelangen. Diefes eigenthümnliche 
Phänomen ift fchwer zu erflären, denn man Tann hier faft nirgends 
das Borhandengewefenjein früherer Seen annehmen, welche ihren Damm 
gefprengt hätten. Das Beden von Aracena mag allerdings ein fol- 
her See gewefen fein, und ein Gleiches laͤßt fih am Ende für Die 
Hochebene von Fuente- Ovejana, fowie für die Gegend von Serpa, wo 
das Durchbruchſthal des Guadiana beginnt, annehmen. Bel den übris 
gen Durchbruchsthälern iſt Dagegen die Annahme ehemaliger Seen durch⸗ 
aus unzuläffig. Das Stromgebiet des Quadalquivir, defien Areal auf 
940 Quadratmeilen ‚geichägt wird, umfaßt die gefammte Sierra Mor 
rena bis zum Beden von Aracena, das ganze Klachland Niederanda⸗ 
Iufien und das Königreich Jaen, den Nordweſt⸗ und MWeftabhang, fo 
wie das centrale und öftlihe Plateau der Terrafie von Granada und 
endlich die nördliche Hälfte des centralen Spftemes der Eierra Ne 
vada, von welcher der Guadalquivir feinen ftärfften Zufluß, den Se 
nil, befommt. 

Das eigentliche Baffin des Guadalquivir oder das von dieſem 
Steome bewäflerte Flachland zerfällt in zwei natürliche Abtheilungen, 
welche ich an einem anderen Drte ald das obere und untere Guabal- 


quivir⸗Baſſin bezeichnet habe '). Das obere Beden befindet fich zwi⸗ 


ſchen der öftlichen Sierra Morena, der Sierra Segura und dem Nord⸗ 
abhange der öftlichen Hälfte der granabinifchen Terrafie und iſt ein 
längliches, muldenförmig eingebogene6, fehr unebened, von Often nad) 
Weſten fich erftredenvdes und in diefer Richtung von dem Guadalqui- 
vir gefurdhtes Plateau, deſſen Beden ſich in der umgefehrten Richtung 
almälig von 500 bis 1500’ und darüber erhebt. Hügelerfüllte Pla- 
teaus, welche eine fcheinbare Verbindung der den nordweſtlichen Ab- 
hang der granadiniſchen Terraffe Frönenden Gebirgögruppe von Jaen mit 
der Sierra Morena bewerfftelligen, fcheivden zwifchen den Städten Mon- 
toro und Andujar das obere, in feiner öftlihen Hälfte bereits entfchie- 
den den Charakter der hohen Plateaus der benachbarten Terrafle tra- 
genden Becken des Ouadalquivir von dem unteren, fünf bis ſechs Mal grö- 





ı) Die Strand: und Steppengebiete ber iberifchen Halbinfel ©.50. W. 


298 M. Willfomm: 


Beren, welches die Ebenen von Cordova und Sevilla umfaßt und fi 
von Nordoſt nad) Suͤdweſt erftredt, wo es fich weit gegen den atlan- 
tifchen Ocean öffnet. Dieſes untere Baffin ift eine weite Thalebene 
mit fteilen ober terraffirten Rändern von ungefähr 250 Quadratmei⸗ 
len Areal und, wie die geognoftifche Zufammenfeßung ihres Bodens 
beweift, der Grund eined ehemaligen Meerbufend. Seine ſüdweſtliche 
Hälfte ift eine Achte Tiefebene, denn hier erhebt ſich die Oberfläche des 
Bodens oft nur wenige Fuß über das Niveau des benachbarten Oceans 
Das obere Guadalquipir-Baffin war ehedem offenbar mit einem, wahr: 
ſcheinlich ebenfalls gejalzenes Waſſer führenden See erfüllt, welche 
fpäter feinen Danım "an derjenigen Stelle fprengte, wo derſelbe ven 
geringften Widerſtand darbot, nämlich zwifchen Andujar und Montoro, 
und wo das Beden blos von den ſchon erwähnten Plateau begremgt 
ift, während es auf allen übrigen Punkten von mächtigen Gebirgen 
umwallt wird. Die Ruptur jened Dammes, in deren Folge ſich cin 
enges, zidzadförmig gefrümmteds Thal gebildet hat, wodurch ge 
genmwärtig der Guadalquivir abfließt, wurde wahrfcheinlich durch bie 
gewaltfame Entleerung eines viel höher gelegenen Salzſees oder klei⸗ 
nen Binnenmeeres veranlaßt, deſſen Gewäfler das große öftliche, ge 
genwärtig in drei Abtheilungen, nämlich in das fehr unebene Flach 
land von Huescar, in die muldenförmig vertiefte Hoya (Grube) dx 
Baza und endlich in die mit Diluvialfevimenten erfüllte Hochflaͤche 
von Guadir zerfallende Plateau der granadinifchen Terrafie erfüllten. 
Den bei weitem größten Theil dieſes Plateaus nimmt gegenwärtig ein 
ödes Steppengebiet ein, dem id den Ramen des granabinifchen 
oder Hochandalufifchen gegeben Habe. Die Entleerung dieſes Sees 
mag durch Die Emporhebung der Sierra Nevada veranlaßt fein, 
in deren Folge die empörten Fluthen, mit ungeheurer Gewalt gegen 
den norbweftlihen Damm des Sees gedrängt, diefen zerfprengten. Die 
Ruptur erfolgte genau an der Stelle, wo das Gebirge von Jaen die 
geringfte Höhe und Mächtigfeit befist. Durch Das weite, in Folge 
dieſes Ereigniſſes entftandene Thal, welches vie Gebirgskette recht: 
winfeling durchſetzt, fließt jebt der Guadiana menor, einer der flärf: 
ſten Zuflüffe des Guadalquivir, ab. Ein dritter, viel Fleinerer, wahr 
fcheinlich mit füßem Waſſer erfüllter See, deſſen Entleerung ebenfalls 
duch die Emporhebung der Sierra Nevada herbeigeführt worben fein 


— — — — — || ⸗ — “ — — — m — - — — — — — 





Die Gewaäͤſſer der iberiſchen Halbinſel. 299 


duͤrfte, nahm in jener Zeit das centrale Plateau der granadiniſchen Ter⸗ 
raſſe ein, wo ſich gegenwärtig die jchöne Ebene von Granada ausbrei⸗ 
tet. Der See fprengte feinen weftlihen Damm, und feine entfefel- 
ten Wogen gruben ein malerifched, gegenwärtig dem Senil als Ab- 
zugsfanal dienendes Thal, das die füdlichften Ketten der Gruppe von 
Jaen von der zum füdlichen Randgebirge der granabdinifchen Terraſſe 
gehörenden Eierra de Loja ſcheidet. Wir fehen alfo, daß das Strom- 
gebiet ded Guadalquivir urfprünglich aus einem großen Meerbufen 
beftand, welcher mit der einen Seite von drei in verfchiedener Höhe 
gelegenen Binnenfeen, deren troden gelegte Beden gegenwärtig das 


. Baffin des oberen Guadalquivir, das Baffin des Guadiana menor und 


das Baflin des oberen Jenil bilden, umgeben war. Wir wollen 
diefe drei Becken im Folgenden näher betrachten; vorher will ich aber 
noch beiläufig erwähnen, daß vor der Emporhebung der Sierra Res 
vada am Oſt⸗, Weſt⸗ und Südabhange der granadinifchen Terrafle, 
und alfo außerhalb des Guadalquivirgebietes, noch fech® Heinere Seen 
exiſtirt Haben dürften, deren Stelle gegenwärtig die Baſſins der Fluͤſſe 
Almanzora, Rio de Almeria, Rio de Adra, Guadalfeo, Guadalhorce 
und Guadalete vertreten. | 

a. Das Baffin des oberen Quadalquivir. Daffelbe be 
ginnt im äftlichften Theile der Provinz von Jaen in der Gegend von 
Billacarilo am weflihen Fuße der Sierra Segura unweit ber 
Grenze von Murcia, wofelbft die Klüffe, deren Bereinigung den Gua⸗ 
dalquivir bilden, aus den ihre Quellen beherbergenden Gebirgen her- 
vortreten. Von dem Guadalquivir gilt nämlich ganz daffelbe, wie 
vom Guadiana; man betrachtet einen Fluß ald den oberen Lauf jenes 
Stromes, welcher eigentlich weiter nichts, als ein eben nicht fehr be 
trächtlicher Zufluß des die Mauern von Eorbova und Sevilla befpülen- 
den Stromes ift. Diefer durch die Laune des Volkes zum Guadalqui⸗ 
vir gemachte Fluß entfpringt am Oftabhange der Sierra de Eazorla, 
des öftlichften Gliedes der Gebirgsgruppe von Jaen, und ift gleich) 
vom Anfange an ein fehr beträchtlicher und noch innerhalb des Ges 
birged durch mehrere Bäche bedeutend verflärkter Bad. Richie 
befto weniger ift diefer Fluß da, wo er fih mit dem Guadiana mes 
nor vereinigt, was drei Meilen nach feinem Austritte aus dem Ge⸗ 
birge bei Toralla unweit Ubeda geſchieht, bedeutend ſchwaͤcher als 


300 M. Willkomm: 


jener. Desgleichen ſteht der aus beiden entſtandene Fluß, obwohl der⸗ 
ſelbe bereits ein ſtattliches Anſehen hat, dem Guadalimar, womit er 
bei Mengibar, ungefähr in der Mitte des Beckens zuſammenfällt, an 
Waſſermaſſe bedeutend nach. Später erhält der Guadalquivir feinen Zu 
fluß mehr, duch den er an Breite und Tiefe irgend übertroffen würbe. 
Raturgemäß wäre alfo der Guadalimar ald der obere Stromlauf des 
Guadalquivir anzufehen. Allein auch diefer hat feinen Namen ufurpitt, 
denn er bildet fi) aus zwei Flüffen, von denen der ven Namen 
Guadalimar tragende bedeutend ſchwaͤcher, als der zweite, der Gun 
darmeno, if. Bon den Quellen diefer beiden Ylüffe ift bereits bei 
der Schilderung der großen Waflerfcheide die Rede geweſen. Beide 
durchbrechen das marianifche Gebirgsiyftem und vereinigen ſich ned 
innerhalb feiner Ketten bei dem Flecken Bead. Der Guadalimar geht 
aber bald nach feinem Urfprunge durch einen Heinen, in der Rähe der 
Heinen Stadt Siles gelegenen See hindurch. Zwiſchen Beas und 
Mengibar nimmt vderfelbe außer verfchievenen Bächen noch ven 
Guadalen, einen ziemlich ſtarken Fluß, auf, defien Quellen auf bem 
"Plateau der Mancha in den Umgebungen von Billamanrique, nich 
weit von den Quellen des Javalon, liegen. Der Guadalen führt dem 
Guadalimar die meiften Gewäffer der öftlichen Sierra Morena zu, in- 
dem er furz vor feiner Mündung den Guarrizas aufnimmt, der fer 
nerfeitö den durch die berühmte Felfenfchlucht von Despenaperros fire 
menden Rio Magana empfängt. Auch der Lauf diefer Fluͤſſe, nament 
lich des zuletzt gezeichneten, ift faft auf allen Karten falih angegeben 
— Durch den Guadalimar und den Guadalquivir wird nun die oͤſtliche 
Hälfte des oberen Beden dieſes Stromes in zwei Thäler oder fecun 
däre Baſſins gefchieven. Das füplichere, vom Guabalquivir baväf 
ferte, erfcheint als eine weite, öde, faft baumlofe Mulde, das nörbk 
here, wodurch der Guabalimar fleömt, Dagegen als ein ziemlidy enges, 
theilweife bewalbetes oder wenigftens bebufchtes, maleriſches Thal Zwi⸗ 
ſchen beiden befindet fich ein hohes, fchön angebautes, beſonders mit 
vielen Weingärten und Dlivenpflanzungen gefchmüdtes Sandfteinplatean, 
worauf die alten Städte Baëza und Ubeda nahe bei einander liegen. 
Bon Mengibar an erweitert fi) das Baffin des Guadalquivir beven- 
tend, bis es bei Andujar feine größte Breite erreicht. Hierauf ver 
fehmälert es ſich wieber vafh, indem die von ber Baſis der Sierra 





Die Gerwäffer ver iberifchen Halbinſel. 301 


de Jaen ausgehenden Hügel immer näher an die Vorberge der Sierra 
Morena heranrüden, bis fie bei Aldea del Rio mit denfelben zufam- 
menftoßen. Unterhalb Andujar, in ver Nähe der Mündung des aus 
einem tiefen Durchbruchsthale der Sierra Morena hervortretenden Rio 
Jandula gelangt der Guadalquivir dann an die Baſis der Sierra Mo: 
rena, wo er, gleichjam als fürchte er fich vor jenen harten Sandſtein⸗ 
maffen, die er fpäter doch durchbrechen muß, plöplih nah WSW. 
umbiegt. Endlich wendet er fich bei Aldea del Rio direct nach We⸗ 
ften; bald darauf wird fein Lauf, indem er in das bereits erwähnte 
Durchbruchsthal eintritt, Höchft unregelmäßig. Der Guadalquivir er- 
langt in feinem oberen Baffin Hier und da fchon eine anfehnliche Breite, 
3.2. bei Andujar, wofelbft eine Brüde von 17 Bogen über ihn hin⸗ 
wegführt. Dagegen ift er faft überall feicht; nur zwifchen den Muͤn⸗ 
Dungen des Guadalimar und ded aus der Sierra Morena fommenden 
Rio de la Campana, wo ihn die Straße nad Granada auf einer 
langen und fchönen Kettenbrüde überfchreitet, befist er eine ziemlich 
bedeutende Tiefe. Bis Andujar bemerkt man in feinem Bette bloß 
Sanbbänfe; zwifchen jener Stadt und Aldea del Rio aber erfüllt daſ⸗ 
felbe eine Menge fleiner, aus Sand und Schlamm beftehender und 
theils fahler, theil® aber auch mit"üppigem Baumwuchs geſchmück⸗ 
ter Infeln. Desgleichen bededen hier und fchon oberhalb Andujar fchöne 
Ulmen⸗ und Bappelgebüfche die Ufer des Fluſſes, die dagegen weiter hins 
auf gänzlich kahl find. Ja das linke Ufer wird von der Mündung des 
Rio de Jaen bis beinahe zu der des Guablana menor von einer höchft 
traurigen Salzfteppe gebildet. Eine Halbe Meile unterhalb Andujar 
verengt ſich fodann das Baffin zu einem von Stunde zu Stunde anmu⸗ 
thiger werdenden Thale. Die fehöngeformten, dicht mit Delbaumen und 
immergrünem Gebüfch befleiveten Sandfteinberge, woraus bie unterfte 
Stufe der Sierra Morena beſteht, rüden allmälig immer näher heran, 
bis fie von Aldea del Rio an die rechte Wand bed Thaled bilden. 
Die linke beſteht aus nienrigeren, ebenfalls mit Dliven beiwaldeten 
Geroͤllhuͤgeln, die im Weiten von Aldea del Rio fih thelld an die 
Sandfteinberge von Montoro anlehnen, theild unmerklich mit dem Pla- 
teau von Bujalance verfchmelzen. Eine kurze Strede unterhalb Aldea 
del Rio beginnen endlich Die Stromfchnellen des Guadalquivir. Das Thal 
fängt an, fich zickzackfoͤrmig zu kruͤmmen, feine Wände erheben fi) im⸗ 


302 MM. Willfonm: 


mer höher und fleiler, werden bald felfig und verengen in Kurzem die 
Sohle fo fehr, daß längs der Ufer fein Plab mehr für eine Want 
übrig bleibt. Bald erfcheint fogar das Bett des Fluſſes zuſammenge⸗ 
drängt und zu beiden Seiten von Schieferfelfen umgürtet; ja, an ein 
zelnen Stellen, wie namentlich bei Montoro, wo eine hohe vierbogig: 
Brüde über den wildfchäumenden Fluß geſpannt ift, jegen Bänfe von 
Scieferfelfen durch das Bett hindurch, wie die fcharfgezadten ſchwar— 
zen, mitten im Strome aus den wirbelnden Strudeln hervorragen 
den Klippen verraten. Jene Stadt liegt nahe am Ausgange des 
Durchbruchöthales auf dem Gipfel und am Abhange eines ſchroffen, 
nach Norden gefehrten Felsvorſprunges, um deſſen Fuß fich der Gua— 
dalquivir in halbmondförmiger Krümmung herumfchlingt. Die Abhaͤnge 
diefer hafbinfelartigen Felszunge find, wie der größte Theil der Waͤnde 
des Steomfchnellenthales Tahl, die benachbarten Berge Dagegen, eben 
fo wie die Kämme der Thalwände, mit großen Gehölzen alter Cd 
baͤume und Immergrüneichen gefehmüdt. Die Zahl der Stromſchnel⸗ 
len fenne ich nicht; die Klippen von Montoro bilden die unterfle un 
jedenfalls bebeutendflee Schon am weftlichen Fuße des Stabtberged 
wird der Lauf des Fluſſes ruhiger, das Thal weiter und das el 
breit und ſandig. Die Hügel des linken Ufers verflachen ſich raſch 
und verſchmelzen bald gänzlich mit den ſanften Abhaͤngen des ſchoͤn 
bebauten Plateau, worauf die Stadt Bujalance thront; die Ber 
berge der Sierra Morena weichen ebenfalls von dem rechten Ufer m 
rüd, fo daß die Thalfohle bald eine anfehnliche Breite gewinnt. Der 
Guadalquivir wendet fih nun wieder gen SW. und durchſchneidet, 
breit dahinftrömend und gewaltige Krümmungen befchreibend, vie fe’ 
ten Fluren feines unteren Beckens. Sein Gefälle während des Law 
fes Durch fein oberes Becken ift ungemein verfchieden, doch überall 
zu bedeutend, als daß eine Schifffahrt, welcher überdies die vielen 
Sandbänfe, Infeln und zulegt die Stromfchnellen große Hindernifl 
entgegenfeßen möchten, auf dem Fluſſe möglih wire Am ſchnell 
ften fließt der Guadalquivir von feinem Eintritt in das Beden bie zu 
feiner Bereinigung mit dem Guadalimar, am langfamften von der Kt 
tenbrüde von Mengibar bis Andujar. Bis zum Zufammenfluß wit 
dem Guadiana menor iſt er fortwährend ein helles fchönes Bergwal- 
fer; durch die Bluthen des Guadiana menor, welcher faft durchaus über 





Die Gewäfler der iberifchen Halbinfel. 303 


thoniges und mergeliges Terrain fließt und deshalb eine weißliche Farbe 
hat, wird er getrübt und befommt eine gelblichgraue Färbung. Er ift 
bis. Andujar ungemein reich an Fifchen. 

b. Das Baffin des Guadiana menor. Der Guadiana 
menor {ft derjenige Yluß der Bergterraffe von Granada, welcher das 
größte Gebiet befigt. Er entfteht nämlich durch die Vereinigung zweier 
Flüffe, welche, aus faft entgegengefebten Richtungen kommend, alle 
von den die weiten Ebenen von Guadir, Baza und Huescar umge⸗ 
benden Gebirgen herabftrömenden &ewäfler aufnehmen. Die beiden 
Flüffe find der Barbate und Rio de Guadix. Jener entfpringt am 
öftlichen Abhange der Sagra Sierra, nicht weit von den Quellen des 
in den Segura ftrömenden Rio Taybilla, fließt zuerft gen SW. zwi⸗ 
fhen der Sagra und Sierra Calar hindurch, wendet fich aber, am 
füblihen Fuß der Sagra angelangt, nah Süden, um in eine enge, 
die Sierra Calar von dem Cerro del Cuba ſcheidende Felsſchlucht 
einzutreten. In der Gegend von Amaziles betritt er das Plateau 
von Huescar, durch deſſen Centrum er, fortwährend nah Süden flie- 
gend, eine tiefe ſchmale Furche zieht. Ungefaͤhr eine Meile füplih von. 
Huescar biegt er plöglih nad Weſten um, indem ihm bie Sierra del 
Ehircal, ein niedriges iſolirtes Kalfgebirge, den Weg verfperrt. Doch 
ichon nach etwa einer Meile, beim Flecken Caftillefa, wo er an dag 
weftliche Ende des genannten‘ Gebirged gelangt und den Rio Guar⸗ 
dal, einen ftarfen, mit ihm parallel laufenden Bach empfängt, nimmt er 
feine frühere Richtung wieder an, die er ſodann bis zu feiner Vereinigung 
mit dem von Süden her kommenden Rio de Baza beibehält. Diefer 
legte bildet fich aus zwei flarfen Bächen, die ihrerfeitd durch die Vers 
einigung einer Menge Kleiner, der Mehrzahl nach den nördlichen Abhängen 
der hohen Sierra de Baza entquillender Gewäffer entfliehen und enplich 
eine halbe Stunde öftli von der Stadt Baza zufammenfallen. Der 
vereinigte Fluß ftrömt nun fortwährend durch ein breites flaches Thal 
längs des öftlichen Fußes der ifolirten, ſich nörblid von Baza erhes 
benden Sierra de Javalcol Hin, an deren norvöftlichen Ede er in den 
Barbate fällt, nachdem er zuvor die Salados der öden Salzfteppe von 
Baza empfangen hat. Die gewaltige Felsmaſſe der Sierra de Javal⸗ 
col zwingt den Barbate oder Guardal, wie er von Caſtilleja an auch 
genannt zu werden pflegt, ſich abermals unter rechtem Winkel nad) 


304 M. Willkomm: 


Weſten zu wenden, in welcher Richtung er ungefähr 1, Meilen weit 
fleömt. Sein Thal iſt hier eine enge, mäandeifch gefrümmte Schlucht 
mit fteilen, feltfam zerriffenen nadten, aus Mergel, Thon, Gyps und Ge⸗ 
rölle beftehenden Wänden ; die Gegend erfchrint weit und breit unbewohnt, 
baumlos, mit fpärlicher Salzvegetation bevedt, eine grauenhafte Einoͤdt. 
Nachdem der Fluß mehrere Bäche von den fein Becken gegen Rorden un 
Süden begrenzenden Gebirge nufgenommen hat, wendet er fi nad 
Nordweſt dem Durchbruchsthal entgegen, in deſſen Eingange er fich ned 
mit dem viel fchwächeren, von SSW. her fommenden Rio de Guadir 
vereinigt. Diefer verdankt feine Entftehung dem Zufammenflufe einer 
großen Menge von Bächen, welche fümmtlih am Nordabhange ber öl: 
lichen Hälfte der Sierra Nevada entfpringen und die ven Namm 
LAanos del Murquefado führenden Ebenen bewäſſern. Der Zujas 
menfluß findet bei dem Flecken Alcudia de Guadir, eine Heine Maik 
fünlich von der Stadt Quabir, flatt. Der dadurch gebildete, ziemlich 
wafjerreiche Klug, ftrömt im Allgemeinen gen ANNO. durch ein enge? 
Thal und wird bis zu feiner Vereinigung mit dem Barbate noch durk 
vier Fluͤſſe verftärkt, wovon einer von Often aus der Sierra de Ge, 
der andere von Welten her, theild aus der Sierra Nevada, tel 
aus den das eriigenannte Gebirge mit der Gruppe von Jan we 
bindenden Montes de Granada kommt. Bon der eigenthümlichen, höht 
intereffanten Geftaltung des Baflins und der beiden Flüſſe, woraus 
der Guadiana menor entfteht, habe ich in meinem Werfe über die ſpa 
nischen Steppen ausführlich gehandelt, weshalb ich hier eine Schr 
rung derfelden für überflüffig halte. Das Thal des Guabiana menor zeig 
ſich weit und gänzlich mit Gypshügeln erfüllt, die ſich an die Abhäng 
der zerrifienen Kette anlehnen. Der Fluß endlich ftrömt, nachdem er au 
den Abhang der Terrafie gelangt ift, fortwährend gen NW. und were 
nigt ſich nach einem Laufe von 5 Meilen Länge eine Meile öftlich ver 
der Stadt Ubeda mit dem Guadalquivir. 

c. Das Baffin des oberen Jenil!). Ein von dem übt 
9000 Hohen Puerto de Bacares gegen NW. fich erſtreckender AR ber 
Sierra Nevada und die mit bemfelben aufammenhängenden Montes N 


») Der Gingulis ber Alten Plinius Hist. nat. II, 33 der Name Zenil fommt 
and) ſchon bei Abulfeda vor. Ueberſ. von Reinaub II, 1, 233. @. 





Die Gewäfler der iberifchen Halbinfel. 305 


Granada, eine zwifchen der Ebene von Granada und Guadir geles 
gene, wild verwidelte Berggruppe, deren culminirende Gipfel eine Höhe 
von beinahe 6000’ erreichen, fcheiden die Gebiete ded Guadiana me- 
nor und des Jenil. Zu dem legten gehören alle am Nordabhange der 
weitlichen Hälfte der Sierra Nevada entfpringenden Gewäffer, ferner 
alle Baͤche und Ylüffe, welche von den der Ebene von Granada zuges 
fehrten Abhängen der Gierra Tejeva, Sierra de Alhama, Sierra de 
Loja, Sierra de Montefrio und Sierra de Moclin herabfteigen und 
endlich ein großer Theil der Gewäffer der Sierra de Jaen, fowie faft alle 
Bache der Montes de Granada. Unter den den Guadalquivir verftärs 
enden Fluͤſſen ift der Jenil der bedeutendfte. Er gleicht an feiner Muͤn⸗ 
dung in Bezug auf feine Wafjermafje beinahe jenem Strome, in welchen 
er nad) einem Laufe von nahe an 30 Meilen an einer der gefegnet- 
ften Stellen der großen niederandalufifhen Tiefebene füllt. Mehr als 
die Hälfte des Laufes gehört der Terraffe von Granada an, auch 
empfängt er bier feine Hauptfüchlichften Zuflüffe. Nichts defto weniger 
ift er da, wo er diefes Hochland verläßt, kaum flärfer, ald der Guas 
diana menor bei feinem Zufammenfluß mit dem Guadalquivir. Die 
große Wafjermafie, welche der Jenil zufegt diefem Strome zuführt, rührt 
meined Erachtens daher weniger von den Zufluffen, die er inner- 
halb Niederandalufiens erhält, denn dieſe find fehr unbedeutend, als 
vielmehr von der Stauung feiner Gewäfjer während eined zwölf Mei- 
len langen Laufes durch eine wenig geneigte Ebene Ber. 

Die Jenilquellen liegen auf den ausgedehnten moorigen Alpentwies 
fen, welche fich vom Nordabhange des Puerto de Vacares (©. diefe 3. 1, 
94. ©). längs des nördlichen Fußes des über 10500’ Hohen Cerro Alcas 
zaba nach der tiefen und engen Felsfchlucht des Barranco del Real hin⸗ 
abziehen. In diefe Schlucht münden alle die unterften Abhaͤnge Des 
Mulahacen und der übrigen zwifchen dem Alcazaba und dem Picacho 
de Veleta befindlichen Gipfel der Hauptfette der Sierra Nevada durch⸗ 
furchenden Gründe. Mehrere der diefe Gründe in ſchaͤumenden Kas— 
faden durchtobenden Bäche find die Abflüſſe von in der Schneeregion 
gelegenen Zeichen, von denen einer, deſſen Abflug aus dem Bal de 
Infierno heroorftürmt, den Namen der Laguna del Jenil führt. Etwa eine 
halbe Stunde weftlih von der Mündung des Val de Infirmo öffnet 
fih der Barrancv de Gualnoͤn, ein großartiges Alpenthal, die Verläns 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 20 


306 Mm. Willkomm: 


gerung des berühmten Eorral de Veleta, einen impofanten Felfencmus, 
in welchem der Veletagletfcher fich befindet, der einzige Gletſcher, dm 
ed in der Sierra Nevada giebt (f. d. Zeitſch. 1, 94). Die Wäfler des 
Gletſchers und die übrigen zahlreichen, theild im Corral, theild in ven 
Seitenfchluchten des Gualnonthales hervorbrechenden Quellen bilden einen 
ftarfen, dem von den Wiefen von Vacares herabkommenden, an Stärke 
faft gleichfommenven Bach, der gewöhnlich als der eigentliche Jenil 
betrachtet wird. Der aus beiden gebildete Fluß, welcher nunmehr 
erft den Namen Jenil erhält, ſtroͤmt zunächfi durch ein enges tiefes A 
penthal gen WNW., dad den Namen des Barranco de Veleta führt 
Nachdem der Jenil den ftarfen, aus dem weiten und tiefen Alpe 
grunde ded Barranco de S. Juan kommenden Bach aufgenommen hat, 
erweitert fich fein Thal raſch und erhält nun den Namen Balle x 
Jenil. Daſſelbe ift das längfte, weitefte, prachwollſte und bewölfertfe 
Thal des Rorbabhanges der Sierra Nevada. Bis zu der zwei % 
guas oberhalb Granada gelegenen Mündung ded Rio Aguas blancas 
ift der unterwegs von den flarfen Bächen, die ihm der Baranco de 
Bacares und das Maydanethal von rechts her zuführen, zu einem 
fehr ftattlichen Fluſſe angeſchwollene Jenil durch wundervoll Hares, fm» 
ragdgrün fchilerndes Waſſer ausgezeichnet; von der Mündung des Aguss 
blanca® trüben fich aber feine Fluthen, indem ’der leßtgenannte Fluß, wei 
er größtentheils über thoniges Erpreich fließt, ein milchiges Waſſer br 
figt, wovon er feinen Namen befommen hat. Am Fuße der unterſtea 
Schwelle der Sierra, innerhalb der Föniglichen Granada, fallen endlid 
die Eryflallnen Sluthen des „golpführenden” Darro in den Jenil. Diele 
Heine Fluß entfpringt in der zu den Montes de Granada gehörenden 
Sierra de Alfacar, fpeift die Fontainen der Generalife und der Ab 
hambra und verficht einen großen Theil von Granada mit Trinfvaflt. 
Nachdem der Jenil ſich noch durch den Darro verftärft und vorher einm 
bedeutenden Theil feines Wafferd durch die Acequia gorda, welche einem 
großen Theil der Vega das zu ihrer Kultur erforderliche Wafler zu 
führt, verloren hat, tritt er in die Ebene von Granada ein, die a 
in vielfach gefrümmtenm Laufe, fortwährend zwifchen üppigen Ulmen⸗ 
und Silberpappelgebüfchen Hinftrömend, von Often nach Weften burd- 
ſchneidet. Innerhalb diefes weiten Baſſins empfängt er neun fluͤſſe, 
fünf am linfen, vier am rechten Ufer. Die beveutenpften find die auf 


— — — — — — — 


Die Gewaͤſſer der iberiſchen Halbinſel. 307 


der Schneeregion der Sierra Nevada herabkommenden, mit dem Jenil 
innerhalb des Gebirges ziemlich parallel fließenden Fluͤſſe Monachil und 
Dilar, deren Wafler ſich größtentheild in den Bewäflerungsgräben der 
Vega verliert, und der auf der Sierra de Jarana entfpringende und 
viele Büche der Gruppe von Jaen aufnehmende Rio Eubillad. Nachdem 
ber Jenil fich mit allen diefen Slüffen vereinigt hat, verfenft er ſich end» 
lich in das erwähnte, mehrere Meilen lange, hoͤchſt malerifhe Durch⸗ 
bruchsthal und er betritt anlegt bei dem Flecken Benameji ein geräumis 
ges, bereits zu dem Unter»Guadalquivirbaffin gehörige, von falzigen 
Teihen und Seen wimmelndes, höchft ödes in meinem Werke über 
die Steppen unter dem Namen der bätifchen oder niederandaluflfchen 
Steppe befchriebenes Beden. | 
Die Hochebene von Granada oder das eigentliche Baflin des obe- 
ren Jenil ifl zwar auch der Grund eines ehemaligen Sees, befitt aber 
eine ganz andere Phyſiognomie, als die öftliche Hochebene; denn waͤh⸗ 
rend fich jene durch Dede, Nadtheit und Sterilität auszeichnet und bes; 
halb einen fehr traurigen Anblid gewährt, ftroßt ein großer Theil des 
Jenilbeckens von fo uͤppiger Fruchtbarkeit, daß er einem Garten gleicht. 
Dies ift die berühmte Vega von Granada, ein Paradies auf Erden! 
Sie breitet fi längs des Fußes der Montes de Granada und der 
Sierra Nevada !) aus, erftredt fich weit gen Welten, wo fte fich in 
das Thal des Senil fortfebt, und bildet eine beinahe freisrunde und 
größtentheild wie ein Tifch ebene Fläche. Sie birgt 28 Ortfchaften, 
worunter die Stadt Santa Fé, in ihrem Schooße, fowie eine große 
Menge von zerftreuten Gehöften, Landgütern und Villen, welche ſaͤmmt⸗ 
lich von herrlichen, durch zahllofe, zum großen Theil noch von den 
Mauren herrührende Kanäle und Gräben bewäfferten Lufthainen, Gaͤr⸗ 
ten und Saatfeldern umringt find. — In fo üppigem Grün die Ges 
filde der Vega prangen, deſto greller ftechen aber die nadten, bie 
Bega im Süden, Weſten und Norden umringenden und fi all 
mällig zu der Bafls der das ganze Beden umfchließenden Gebirge 
hinanziehenden Plateaus ab. Befonders zeichnet ſich das fünliche, zwi⸗ 


ı) @6 ift dies der Dschebel Altseldsch, d. 5. Schneeberg der Araber (Anl: 
feda Web. von Reinaud II, 1, 253), der von ihnen ſchon mit demfelden Namen 
genannt wurde, welchen auch der Atlas bei der arabifchen Bevölkerung Marocco's 
führt. G. 

20* 


308 M. Willkomm: 


ſchen dem Bache von la Mala und dem Rio Cacin gelegene Stud 
des Bedens durch große Sterilität und Radtheit aus. Dieſes beſicht 
nämlich zum größten Theil aus falzhaltigem Gyps und Thon und bik 
det eine Heine Steppe. Das Beden von Granada hat eine rundlide 
Form und gegen 13 Quadratmeilen Areal, wovon ungefähr 5 auf die 
Vega kommen. 

d. Das Thal und der Lauf des unteren Guabdalqui: 
vir. Bon Montoro bis Corvova bilden die Vorberge der Sierra Rs 
vena fortwährend die rechte Ummallung der immer breiter werdenden Thal 
fohle; ja vier Stunden unterhalb jener berühmten Stadt ruͤckt ein Zweig 
der Sierra Morena noch ein Mal bis unmittelbar an das Strombeit 
heran, wo er mit einem fteilen, felfigen, auf feinem Scheitel durch da? 
Stammfchloß der Herzöge von Almadovar gefrönten Vorgebirge endigt 
Die linke Thalwand befteht aus fanft abfallenden Hügeln, welche allmälig 
immer niedriger werden und bis Cordoba mit Delbäumen bemadie, 
fpäter kahl find. Länge ihres Fußes fehlängelt fich der fehöne Strom 
in fanften Krümmungen durch. die faft ganz ebene, 4 bis 1 Stun 
breite, größtentheil® aus angeſchwemmten Erpreichen zufammengefek 
und durchgängig bebaute, doch wenig bevölferte Thalfohle hin. Ol⸗ 
vengehölge nehmen einen großen Theil berfelben ein; unterhalb Ev 
dova bemerkt man hier und da Drangenhaine. Bon Almadovar de— 
Rio erfcheint das Thal des Guadalquivir als eine flache Mulde, die 
allmälig immer mehr an Breite zunimmt, bis fie fich endlich zu dem 
2 bis 3 Stunden im Durchmeſſer haltenden Baffin erweitert, in ver 
fen Schooße, umringt von der üppigften Vegetation, Sevilla ruft 
Diefed geräumige, Höchft anmuthige, Doch nur theilweife bevölkerte Beden 
ift auf der rechten Seite von einem niedrigen, jedoch ziemlich ſteil a 
fallenden, gänzlich mit Delbaumen bewaldeten Kamm, auf der link 
von fanft anfteigenden, größtentheild mit Furzbegrasten Weiden un 
Zwergpalmengeftrüpp bedeckten Höhen umgeben. Die rechte Wand de} 
Baffins von Sevilla rüdt eine halbe Stunde unterhalb der Stadt ger 
hen San Juan de Aznalfarache und Gelves bis dicht an das rechte 
Stromufer heran, biegt ſodann nach Weften um und verflacht ſich ent- 
lich zu der fandigen Niederung des Fluſſes von Sanlucar la mayor; bie 
Höhen des linfen Randes dagegen ziehen ſich in einer Entfernung von 
3 bi8 1 Stunde von dem Strome bis in die Gegend von Utrera hin, 


Die Gewaͤſſer ver iberifchen Halbinfel. 809 


mwofelbft fie in die öden, an einem anderen Orte opn mir gefchilver- 
ten ') Sumpfftreden der „Marisma“ übergehen. Diefelben find größs 
tentheild mit Wäldern von wilden Delbäumen und Immergrimeichen 
bedeckt. 

Der Guadalquivir und der Ebro find die einzigen Stroͤme der 
iberifchen Halbinfel, bei denen der untere Lauf den mittleren und obe- 
ren an Länge übertrifft. Bei dem Guadalquivir mißt der untere Lauf 
nicht weniger als 37 Meilen, d. h. er beträgt mehr, als die Hälfte der 
gefammten Stromentwidelung. Diefe bedeutende Länge wird aber weni- 
ger durch die Größe des Raumes, den der untere Guadalquivir zu durch⸗ 
faufen hat, als vielmehr durch die ungeheuern, von dem Guadalquipir 
von der Mündung des Jenil an gebildeten Krümmungen bevingt. Die 
erfte Krümmung befindet fich in der Nähe des Dorfes Palma, drei Leguas 
unterhalb der am Jenil gelegenen Stadt Ecija, welche für den heißeften 
Ort Andalufiens gilt. Der untere Guadalquivir ift anfangs nicht viel 
breiter, als der mittlere bei Andujar; erft gegen Alcolea hin, wo eine 
ſehr fchöne, aus ſchwarzem Marmor erbaute Brüde von 20 Bogen 
über ihn gefchlagen ift, beginnt er ein firomähnliched Anfehen zu be- 
fommen. Doc gleicht er bis Cordova bloß Hinfichtlich feiner Breite 
einem Strome, nicht aber hinfichtlich der Tiefe, denn dieſe beträgt bei 
gewöhnlichen Waflerftande an ven meiften Stellen nicht über A bi 
5 Fuß. Ja, bei niedrigem MWafferftande, wie im September, fann 
man den Strom noch an manchen Punften durchwaten. Unterhalb 
Cordova, bei welcher Stabt die letzte Steinbrüde über den Fluß führt, 
nimmt derfelbe allmälig an Tiefe zu; befonders ift dies von der Mündung 
des Jenil an der Fall; doch machen bis Sevilla zahllofe, Hier und da 
das ganze Bett verfperrende Sanvbänfe, wodurch Strudel und Strom- 
fchnellen entftehen, die Schifffahrt unmöglich. Außer diefen Sandbaͤn⸗ 
ten liegen zwiſchen Cordova und Sevilla mehrere Feine Infeln in 
dem Strome, wovon einige mit Bäumen bededt find. Die größte Infel 
befindet fi) an der Mündung des Jenil. Bon hier an geftaltet ſich 
der Lauf des Guadalquivir fehr iIntereffant. Wie alle Ströme, die 
durch eine nur fehr wenig geneigte Ebene fließen, bildet er unaufhör: 
lich fanft gerundete, Hufeifenförmige Krümmungen, die in dem Maaße, 


1) Die Strand und GSteppengebiete u. f. w. ©. 77. W. 





810 M. Willtomm: 


wie der Fluß, an Breite und Waflermafle wächſt, an Größe und Um; 
fang zunehmen. Die größten Schlingen befinden fich zwiſchen der Mün- 
dung ded Corbones und dem drei Meilen ſüdlich von Sevilla gelege 
nen Städtchen Coria. Die leßte, an deren Ende der oben gemannte 
Ort liegt, befigt einen Umfang von anderthalb Meilen. Ungefähr eine 
Meile unterhalb Corta theilt fi der Guadalquivir in zwei Arme, 
wovon der rechte nach NWB., der linfe nah Often firömt. Der erſte 
biegt nach einem Laufe von etwa A Meilen unter rechtem Winkel nad) 
SW. und fpaltet fih bald darauf von neuem. Sein linfer Arm, 
Brazo del medio genannt, fließt gegen SSO. und befigt einen Sför 
mig gebogenen Lauf; der zweite, welcher ven Namen Brago de la Torre 
führt, ftrömt in einen großen Zidzad gen SSW. Beide vereinigen ſich 
endlich wieder, der erfte nad) einem Laufe von 3, der zweite nach einem 
von 7 Meilen, mit dem linfen Hauptarme ded Stromes. Diefer ver 
taufcht fehr bald die öftliche Richtung abermals mit der nad Süden, im 
welcher er in flarf gefrümmtem Laufe 2 Meilen weit fließt, worauf er plög 
lich unter fpigem Winkel nah NNW. umbiegt und dem Brazo dei medie 
entgegeneilt. Nachdem er fich mit dem legten vereinigt hat, firömt er gam 
gerade gen SW. und fällt nach einem Laufe von 3 Meilen mit dem 
Brazo de la Torre zufammen. Bid zu der Mündung des Brazo de 
medio wird der linfe Stromarm Brazo del Efte genannt, fpäter erhält 
er den Namen Brazo de Tarfia. Durch Diefe wiederholte Spaltung 
des Stromes und den eigenthümlichen Verlauf feiner Arne entftan 
den zwei unregelmäßig geftaltete Infeln von fehr ungleihem Areal, 
die Isla mayor und Isla menor. Erſte von beinahe brittchalb 
Duabdratmeilen Fläche, befindet fich zwifchen dem Brazo be Tar— 
fia, Brazo de la Torre und Brazo del mebio, die zweite, faum eine 
Quadratmeile mefjende, zwifchen dem lebten und dem Brago del 
Efte. Beide beftehen aus Sand und Schlamm, find vollfommen eben 
und ragen nur wenige Fuß über den Flußſpiegel empor, weshalb fe 
faft bei jeder Anfchwellung des Guadalquivir unter Wafler gejeht 
werden. Salzige Moräfte faffen ihre Ufer zum Theil ein; ihre Ober 
fläche ift vollfommen baumlos und unbebaut, doch gu jeder Jahres 
zeit mit fettem Gras» und Kräuterwuchs bevedt. Deshalb weiden 
hier fortwährend ungeheure Heerden von Rindern, die jo wild find, 
daß fie beim Heranraufchen jedes Schiffes die Flucht ergreifen. Sie 





Die Gewäffer der iberifchen Halbinſel. 811 


und ihre Hirten, ein ebenfalls halbwilder Menſchenſchlag, bilden die 
einzige Bevölkerung der beiden großen Infen. Man erftaunt, wenn 
man zwifchen diefen weiten fruchtbaren Ränderftreden Binfährt, fein ein- 
ziges Gehoͤft, gefchweige denn ein Dorf in ihnen zu erbliden; nur hier 
und da fchimmert das weiße Gemäuer einer einfamen Kapelle oder das 
Strohdach einer niedrigen Hirtenhütte aus ihrem einförmigen Grün. — 
Die Arme des Guadalquivir find fehr ungleih an Breite und Wafs 
fermafje. Der fchmalfte ift der Brazo del mebio; doch befitt derfelbe 
eine bebeutende Tiefe, weshalb er den Schiffen als Fahrkanal dient. 
Der Braza de Tarfia gleicht an Breite dem Rhein bei Köln; unge 
fähr dieſelbe Breite, aber viel weniger Tiefe hat der Brazo de la Torre 
da, wo er mit jenem zufammenfließt. Der wieder vereinigte Strom 
mißt beinahe eine halbe Stunde in der Breite und befißt daher ein 
majeftätifches Anfehen. Sein Lauf bis zu feiner in gerader Richtung 
noch 3 Meilen entfernten Mündung ift zidzadförmig geftaltet, indem 
der Strom zuerft gen Süden, ſodann furze Zeit gen Welt, hierauf 
wieder nah Süd und zuletzt nah WSW. ftrömt. An der bei der 
Stadt Sanlucar de Barrameda beginnenden Mündung befiht der 
Guadalquivir eine Breite von drei PViertelftunden; ja die beiden, die 
Grenzpunkte der Mündung bildenden Landfpigen find fogar gegen eine 
Meile von einander entfernt, indem fi) das linfe Stromufer über eine 
Stunde weiter in die See hinaus, als das rechte erfiredt. Bon ber 
Vereinigung der Arme an erfcheint das rechte Ufer fortwährend mit 
dichter Pinienwaldung bededt, das linfe dagegen iſt bis zu der Ka, 
pele N. ©. de la Bonanza, wo fi der Hafen der drei Viertel, 
ftunden weiter abwärts gelegenen Stabt Sanlucar befindet, fahl und 
erft von dort an theilweife mit Pinien bewachſen. Da, wo fich der 
Fluß das erfte Mal gen Welt wendet, werben feine Ufer kurze Zeit 
moraftig und find zum Theil mit gefalgenen Lachen oder Lagunen er 
fült. Ihe Waſſer benugt man zur Bereitung von Salz, weshalb es 
bier einige Hütten, bie einzigen Spuren vom Dafein des Menfchen 
giebt, die man von den Infeln an bis la Bonanza bemerft. Die 
Salinen des rechten Uferd heißen Salinas de Poniente, die des linfen 
Salinad de Levante. Letzte hängen mit der Marisma zufammen. 
Bon den Salinen an beftehen beide Ufer aus purem Flugfand; na- 
mentlich zeichnet fich das linke, welches bei la Bonanza ein vollkomme⸗ 








312 M. Willlomm: Die Gemwäffer der iberifchen Halbinfel. 


ner Meereöftrand zu werben beginnt, durch hohe, die Stadt Sanlu 
car den Augen entzjiehende Dünen aus. Zwiſchen Sanlucar un 
der Punta de Chipiona oder dem Endpunfte des linken Ufers mt 
die Dünen zum Theil mit Wein bepflanzt. — Der Fall des un 
teren Guadalquivir ıft bis zur Mündung des Jenil noch ziemlich rafch 
und Daher die Strömung dort felbft bei niedrigem Waflerftande betraͤcht 
ih. Bon dort an werden beide allmälig fehr unbeveutend, ja um 
terhalb der Infeln bemerft man bei gewöhnlichem Waflerftande gar 
feine Strömung mehr. Im Gegentheile pflegen die zur Mündum 
hereindringenden Wellen des Oceans auf der breiten feeartigen Flüd 
des Stromes, zumal zur Zeit der Fluth, gewaltige Furchen zu ziehen 
Die Wirfungen der Fluth, fowie der Ebbe verfpürt man deutlich bie 
mehrere Meilen oberhalb Sevilla. Die außerft geringe Strömung tet 
unteren Stromlaufes ift eine der Haupturfachen von den fo häufig 
und gewaltigen Anfchwellungen des Quabalquivir, wovon ich an einen 
anderen Orte ausführlich gefprochen habe '). 

Der Guadalquivir iſt gegenwärtig blos bis Sevilla fchiffbar. Bit 
dahin können felbft bei fehr niedrigem Waflerftande Seejchiffe vor 
100 bis 200 Tonnen LXaft gelangen; bei hohem Wafferftande geia 
Briggs und Meine Dreimafter den Strom hinauf bi8 Sevilla. Im 
Zeit der Mauren foll derfelbe bis Cordova für Seefahrzeuge ſchiffbar 
gewefen fein; jest ift fein Bett bereits oberhalb Sevilla fo verjante, 
daß richt einmal Flußfähne bis Cordova gehen können. Die fpanilk 
Regierung hat oft daran gedacht ?), die innere Schifffahrt wieder herzu 
ftellen, und im vergangenen Jahre ift die Ausführung des Projectes 
wirklich feft befchloffen und, irre ich nicht, bereit in Angriff genommen 
worden. Da aber die Entfandung zu viele Koften verurfachen wuͤrde, jel 
ein fchiffbarer Kanal gegraben werden, welcher auch deshalb den Bor 
zug vor der Entfandung des Stromes verdient, weil diefer fo bebew 
tende Krümmungen macht. Bis zu den Infeln If das Waſſer des 
Guadalquivir füß, unterhalb derfelben wird es falzig. 


!) Die Strand» und Gteppengebiete u. f. w. ©. 53. 

?) Schon im Beginn des 17. Jahrhunderts war dies der Fall, und Philipp IV. 
erließ im Jahre 1626 Verordnungen zu dem Zwede. Befonders aber während der 
franzöffchen Befehung Andaluflens wurde die Schiffbarkeit durch mannigfache Ber 
ſuche erwiefen. Madoz IX, 24—28. G. 

M. Willkomm. 


VI. 
Dr. Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 


— — — 


Dr. H. Barth iſt der erſte europäiſche Reiſende, welcher auf dem 
Wege von Oft gen Weſt, aus dem centralen Afrika, innerhalb des 10. 
bis 20. Grades n. Br. bleibend, alfo dem Laufe des Nigerftromes auf- 
wärts, dem ganzen Blußlaufe entgegen bis zu deffen nörblichftem Wende: 
punfte die Stadt Timbuktu erreichte. 

Vor ihm waren zwar auch ſchon gar manche Reifende in die⸗ 
felbe Stadt eingetreten oder hatten fich ihr bis zu ihrem nahen Has 
fenorte el Kabra !) am Nigerftrom genähert, aber nur vom Weſten, 
feiner vom Aufgange der Sonne her. Wenn auch viele der einheimi- 
fehen afrifanifchen Neger, Araber, Mauren oder Mufelmänner fie bes 
fuchten, fo find doch nur fehr wenige Europäer befannt geworden, von 
denen man dies fagen fönnte. Abgefehen vielleicht von den früheften 
Portugiefen, die wir faum namhaft zu machen wiflen ?), werden nur vom 
17. Jahrhundert an genannt: ein Franzofe Paul Imbert von Maroffo 
aus in der zweiten Hälfte dieſes Jahrhunderts °), und ein zweiter, 
René Gaillie, 1828 *), kurz vor welchem der Engländer Major Gor⸗ 
don Laing ſchon 1826 die Stadt erreicht zu haben fcheint °). Doch 
verdient unter diefer geringen Zahl auch Mungo Parf genannt zu wer: 
den (im Lauf des Jahres 1805) °), der doch wenigſtens im Has 
fen von Kabra an jener Stadt vorüberfchiffte, wenn er auch fie feldft 
nicht gefehen Haben follte, da die feindlich ihn verfolgenden Nferan- 
wohner ihm damals Feine Landung geftatteten. Bon P. Imbert und 
©. Laing find gar feine Berichte zu und gefommen; ver nordamerika⸗ 
nifche Matrofe Adams verlebte zwar ein halbes Jahr in Timbuktu 


314 Mitter und Gumprecht: 


(1810), aber nur ald Gefangener und Sclave im Königepalaft”). 
Gaillie war der einzige jener Neifenden, dem während feines 14Atägi- 
gen Aufenthaltes dafelbft einige verftändige Berichte über jene Stadt, 
aus welcher nun der erfte deutfche, hochgebildete Reiſende und durch 
feine Briefe erfreut Hat und gu wichtigen geographifch- Hiftorifchen 
Aufichlüffen durch feine gehaltreichen Forſchungen berechtigt, verbanft 
werden. Möge ver wiflenfchaftlih fo reich begabte heldenmuͤthige 
Wanderer mit ihnen bald in feine Heimath zurüdfehren. 

Einige Erläuterungen zum befjeren Berftändnig von Dr. Barth's 
wenn fchon furzen, doch inhaltreichen Schreiben, die uns fo lebendig 
an einen der wichtigften Punkte, in die Mitte einer faft umbefannten 
Welt Central-Afrika's verfegen, möchten hier am Orte fein, de 
feit dem Jahre 1822, bis wohin unfere früher in der Allgemeinen 
Erdfunde mitgetheilte Monographie von Timbuktu °) reicht, mande 
bedeutende Fortfchritt zur genauen Einfisht in Die gegenwärtigen und 
früheren Berhältniffe diefer Landfchaft, der vielleicht nicht Jederman 
gegenwärtig fein möchte, flattgefunden hat. 

Gehen wir in die frühefte Zeit der Entdeckungen der Portugie 
fen an der Weftfüfte Afrika's in die Jahre von 1500 n. Ehr. zurüf, 
fo wiffen wir, als dieſe in Arguin und den Senegalländern einher 
mifch geworden waren, allerdings mit Beftimmtheit, daß fie zu wie 
derholten Malen in Handelögefchäften von der dortigen Meeregfeite did 
Timbuktu vordrangen. Außer den nur unbeftimmt gebliebenen Anbew 
tungen portugiefifchee Gefchichtsfchreiber hierüber verdanfen wir er 
einer neuentdedten handfchriftlichen Quelle eined Deutfchen fichere Aus 
funft, die früher gänzlich fehlte. Ein Süddeutſcher, wahrfcheinlich cin 
Nürnberger, den die Portugiefen Valentin Ferdinandez Alemäo nennen, 
d. i. Valentin Ferdinand der Deutfche, wie er fich felbft fchreibt, lebte 
im Jahre 1506 in Portugal im Umgange mit einem Schloßbeamten, 
der João Rodriguez hieß, und zur Belohnung feiner Verdienſte um bie 
Krone dafelbft feine achtbare Stelle (als Repofteyro) ?) erhalten hatte, 
am Hofe des Königs Emanuel des Großen im Schloß Thomar bei &f 
jabon. 3. Rodriguez war feit dem Jahre 1493 von dem Vorgänger 
Emanueld des Großen (1495 — 1521), und deffen Vater, dem König 
Johann II von Portugal, wiederholt in Gefchäftsaufträgen in die Se 
negalländer und nach Arguin gefandt worden, von woher er im Standt 


Varth's Aufenthalt in Timbukin. 815 


war, feinen deutfchen Freunden Nachrichten über den Handelsverkehr 
der Portugiefen mit Timbuftu mitzutheilen, welche den portugiefifchen 
Autoren ſelbſt unbekannt, oder doch von ihnen verfchwiegen blieben, 
weil damals felbft Todesſtrafe auf Veröffentlihung ihrer mercantilen 
Geheimnifje angedroht war '°). 

Diefe Alteften Nachrichten aus dem Munde eines Augenzeugen 
über die Handelswege von der portugiefifchen Anſiedelung zu Ar⸗ 
guin bis nad Timbuktu ſchrieb Valentin Ferdinand portugiefifch, obs 
wohl mit vielen Germanismen vermifcht, nieder, und fchidte fie mit 
vielen anderen Nachrichten an feinen Freund, den berühmten Dr. Eon» 
rad Peutinger in Augsburg, aus defien Bibliothek das Manufeript in 
die Königliche Bibliothek zu München gelangte. 

Der bekannte Bibliothefar und Akademiker Dr. Schmeller in Mün- 
chen entdedte das Manufcript und gab darüber in den Bayerifchen 
Akademifchen Schriften im Jahre 1847 die erfte Nachricht ''), worauf 
auch Dr. Kunjimann demfelben mehrere Nachrichten über die älteren Zus 
ftände des Verkehrs mit Timbuktu entlehnte '?), die Doppelt Ichrreich waren, 
weil die Portugiefen, wie erwähnt, felbft darüber ſchweigen mußten und 
weil. TZimbuftu, ald Marktort fehon damals von großer Bebeutung, feiner 
Function nach dem pulfirenden Herzfchlage für das mercantile Leben des 
nordiveftlichen Central» Afrifa’8 zu vergleichen war. Bei der Unwifienheit 
in den afrilanifchen Sprachen und den bloß fummarifchen Angaben der 
Difanzen nad) Tagemärfchen der Handelsfaravanen, jowie bei dem völ- 
ligen Mangel aller Länderaufnahmen, find von den damaligen beſchraͤnk⸗ 
ten Kenntniſſen der Portugiefen in geographifchen und naturhiftoris 
fchen Dingen freilich Feine fehr genauen Angaben zu erwarten. Aber 
fhon die Nachricht Valentin's aus J. Rodriguez Munde ift wichtig 
für die fpäteren Jahrhunderte: daß vor der PBortugiefen Ankunft in 
Timbuftu diefe Stadt ausfchließlich in großem Verkehr mit den nordis 
fchen Städten Afrifa’s, durch die Sahara hindurch mit Tripolis und 
Maroffo geftanden hatte i2), ein Berfehr, dem nun durch den Zutritt ber 
Portugiefen aus dem viel näheren und bequemer zugänglichen Welten 
von der Meeresfeite Her für die norbifch- maurifchen Königreiche mans 
cher Eintrag gefchehen mußte. 

Daraus geht fehon Die Handelseiferfucht der einheimiſchen mos⸗ 
lemifchen, norbifchen Bevoͤllerungen des Erdtheils gegen alle Guropäer 


816 Ritter und Gumprecht: 


hervor; fie mußte noch viele Hemmniſſe zu den natürlichen Schwie⸗ 
rigfeiten, jenen Gentralmarft des Verkehrs zu erreichen, binzufügen 
J. Rodriguez fagte in feinem Berichte, daß vor der Ankunft ber 
Bortugiefen in Arguin und am Nigerftrom die Kaufleute von Tumie 
(und wer weiß, ob nicht ſchon viel früher ihre Handeldvorgänger, die 
alten Karthager!*) dem Marktorte Timbuktu Pferde °), Silber unt 
Tücher, wie Zeuge, zuführten und dagegen Gold und Sclaven zus 
rüdnahmen, denn das Silber fland dort in weit höherem Preiſe ale 
das Gold !*). Der bei dem Goldreichthum der Nigerländer fehr an- 
fehnlihe Gewinn fonnte nun den Portugiefen zu Theil werben, 
indem er den der nordifchen Abnehmer fchwächte.. Mit anderen Bol 
fern, Königreichen und ihren Kaufleuten im Inneren von Afrika ftand 
Timbuktu nach allen Seiten längft in ähnlichem Verkehr, mit Euro 
päern noch in feinem; diefer fing nun an, Portugal zu bereichern une 
zu heben. 

Arabifche Stämme, die in Nord -Afrifa Beſitz vom Atlasgebirge ge 
nommen und dort Herrfchaften geftiftet hatten, traten als devote und fa 
natifche Moslem unter dem Namen der Als Morabitän, d. i. der Käm⸗ 
pfer des Glaubens 17), um das Jahr 1000 in Bündniffe zu Erobe 
rungen und gewaltfamer Verbreitung ded Koran zufammen. Sie hats 
ten im Jahre 1073 gegen die Grenzgebiete der Heidnifchen Bewohner 
der Sahara und des Sudan den Staat von Maroffo gegründet unb 
waren dadurch in die nächften Beziehungen zu den braunen maurifchen 
und Berbervölfern der Sahara, welche ſich bald mit ihnen vermiſch⸗ 
ten, getreten, und ferner ſuͤdwärts von dieſen in feindliche oder freund⸗ 
liche Berührung mit den Negerländern, die erft am Niger und Senegal 
ihren Anfang nehmen. Dort hatten fie die alten mächtigen Negerſtaa⸗ 
ten von Mali oder Meli'*) und Ghana fennen lernen, aus denen 
das Gold und die Sclaven kamen, die auf den Märkten zu Timbuftu 
feil waren. Ihre Miflionen waren zuerft dahin mit dem Schwert und 
dem Koran vorgedrungen und mit Goldreichthum heimgefehrt. 

Die Stifter des maroffanifchen Reiches gingen nad) Spanien, 
wo fie unter dem Ramen der Almoraviven das Reich in Cordova ers 
richteten, ald Herrfcher über, und brachten ihre Kenntniß der inneren 
Negerländer und ihr Interefie dafür aus dem Rorden Afrifa’s nad 
der europäifchen Halbinjel hinüber, wo an ihrem Hofe Künfle und 


Barth's Aufenthalt im Timbuktu. 317 


Wiffenfchaften Gönner fanden !?). Hier zu Cordova ſchrieb einer ihrer 
gelehrten Araber am Ende des eilften Jahrhunderts (Obeidillah Ab- 
dullah el Kortoby) die erfte Geographie der Negerländer Cim Jahre 
1067, unter dem Titel: das Buch der Wege und Königreiche ?°). 

Aus ihm erfahren wir ?'): Zu jener Zeit ging aller Handel aus 
den Negerländern norbwärts über den Nigerſtrom durch die Wüſte⸗ 
neien der Sahara und der Dafen nach den dattelreichen Ländern am 
Süpfuße der Atlaszone, nämlich nach Tafilelt und Sedſchelmeſſa, welche 
von den Al-Morabitun erobert waren (8 bis 10 Tagereifen im Often 
von Yes ??). 

Bon da an brauchten die Karavanen durch die Wüfte der Berber 
zwei volle Monate, um den großen, durch das Reich Ghana fließen- 
den Strom der Schwarzen zu erreichen; von einer ihm näheren nord⸗ 
weftlich gelegenen Küftenftation Marofto’s, von Sus el Akſa, bedurfte 
die Karavane ebendahin nur 41 Tagemärfche bis zu den Reichen Ghana 
und Mali over Meli, denjenigen Negerftaaten, in welchen die Lehren 
des Koran zuerft Eingang gefunden hatten. 

Die fonft unbefannt gebliebene Lage dieſer Reiche geht aus ber 
Combination diefer beiden Straßenzüge zu einem und demjelben iden⸗ 
tischen Ziele hervor, das Reich Ghana (nur eine fpätere Benennung für 
das ältere Meli) konnte allein da liegen, wo der große Strom zu feiner 
außerſten Norbrichtung gelangt ?°), alfo dicht am Stüdrande der Wuͤſte 
bei Timbuftu, von wo er ſich dann im ſcharfen Winkel wieder ſuͤdoſtwaͤrts 
abwendet. Jede andere Uferftelle deffelben fowohl gegen SW., ald ger 
gen SD. zu erreichen, würbe eine weit längere Karavanenreife noth- 
wendig geweſen fein, wen man diefen Strom vom maroffanijchen Nor: 
den aus treffen wollte. 

Die fo eigenthümfiche doppelte Richtung des Flußlaufes, den das 
mals die Araber den Nil der Schwarzen ?*) nannten, entfcheidet dafür, 
daß in den verfchievenen Jahrhunderten die Namen mehrerer Staaten, 
Völker und Länder, wie Meli, Ghana und Timbuktu, auf demjelben 
Bodenraum zufammenfielen und daß feit dem zehnten und eilften Jahr: 
hundert bis zum breizehnten und den folgenden ber ältere immer durch 
den jüngeren mit dem politifchen Wechfel der Herrſchaften zurüd- 
gebrängt wurde. Der Name Ghana, identiſch mit dem alten Öhene: 
wah, Ghanoa, Guinoa, der durch bie ſuͤdwaͤrts verdrängten Neger: 





318 Ritter und Gumprecht: 


ſtaͤmme dem nachmaligen Küftenlande Guinea beigelegt ward, aber im 
Binnenlande veraltete, hat feine Erinnerung noch in der Stadt Gemmi 
(Dſchenni) am DibbisSee erhalten, die als die Stadt der Goldarbei⸗ 
ter im Weften von Timbuktu befannt geblieben tft *°). 

In dem Reiche Ghana an der Nordcurve des Nigerſtroms, wa; 
ren die maroffanifchen fandtifhen Al-Morabitun, die „Kämpfer für 
ihren Glauben“, mit Gewalt eingevrungen, und hier verbrängte dr 
Koran zuerft das Heidenthum unter den. Negern. Hierdurch m 
hielt bei allen nachfolgenden, zum Islam fich befehrenden Geſchlech 
tern auch diefe Landſchaft unter der immer mehr und mehr fih aus 
breitenden Oberherrfchaft der Mufelmänner ihren höheren Adel und 
Ruhm. Als die erfte für ihren Propheten gewonnene Herrfchaft, von 
der die anderen Bekehrungen ausgingen, mehrte ſich hier bald die Zahl 
der Gefeplehrer des Koran, der Doctoren, der nah Meta wallfafe 
tenden Pilger, der Marabuten, der heiligen Männer, felbft unter ver 
Kegern, und ihre Fürften legten fich flolz die Titel eines Sidi ober 
Heiligen bei. Die Landfchaft von Timbuftu ward für vie belehrten 
Neger eine Art gelobtes, Heilige Land. Der ausgezeichnetere und be 
fähigtfte Negerftamm im Süden des Nigerftromes, welcher fich für & 
vififation am empfänglichften zeigte, ift der der Mandingos, der auf 
heute noch die Hauptgefchäfte der Europäer in den Senegalländen 
betreibt, im Beſitz des Großhandels im hohen Sudan ift, und in fir 
heren Zeiten weiter gegen den Norden verbreitet in feinem Boller 
zweige der Sufü eine größere Macht entwidelte. 

Die Shfü eroberten zu Anfange des dreizehnten Jahrhunderts 
das Reich Ghana; ihr König Manfa Suleiman, d. i. König (Maris 
ift bloß Titel) Salomon erbaute im Jahre 1213 — 14 n. Ehr. (610 
der Heg.) die Stadt Timbuftu ?*), nur zwei Stunden entfernt vom 
Nil der Schwargen, an einem feiner Seitenarme. 

Diefe THatfache erzählt der bei den Ehriften unter dem Ramen Je⸗ 
hann 2eo der Afrifaner am befannteften gewordene Marokkaner Alhafen 
in feiner berühmten Befchreibung von Afrika ?”). Er war im Beginn des 
15. Jahrhunderts, um 1510, zwei Malin Timbuktu gewefen; in Granada 
geboren und von ba vertrieben, hatte er in Fez feine gelehrten Stubien 

"gemacht, worauf er von den maroffanifchen Königen ald Gefandter an bie 
Königshöfe Inner -Afrifa’s von Numidien und Rigritien geſchickt wurde, 





Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 319 


fo daß er in der norbafrifanifchen Gefchichte fehr bemanbert war. Er 
nannte den Ort Tombutto ?*), wie ihn die Küftenbewohner der Ber 
berei zu nennen pflegten. Wahrfcheinlich lag ſchon früher an derfelben 
Stelle ein von anderen arabifchen Autoren nad einem dort refidiren- 
den Häuptling Tombuti (in ihren Annalen ſchon vor dem Jahre 909 
v. Ehr, 297 d. Heg. erwähnt) ?°) genannter Ort, der aber fpäter erft 
als Stadt und Refivenz des Glaubensfürften und Oberhauptes von 
Timbuktu, Manfa Suleiman, zu Ruhm und Anfehen gelangte, wozu die 
für den großen Handelöverfehr jo eigenthümlich bevorzugte Lage am 
Norbpunft des Hauptſtromes zwiſchen feinem fchiffbaren Oft» und 
Weftlauf, und auf der Grenze des reich bevöfferten Südens, wie des 
Karavanenhandel treibenden Nordens nicht wenig beitrug. Dieſelbe 
Localitaͤt ſcheint ſogar ſchon ein halbes Jahrtauſend fruͤher einige Be⸗ 
deutung in gleicher Art gewonnen gehabt zu haben, denn ſchon der 
aͤgyptiſche Geograph und Fuͤrſt der Aſtronomen feiner Zeit ſetzt eben da⸗ 
hin, wo heutzutage Timbuktu und ſein Hafenort Kabra, liegt, oder doch 
ganz nahe an die Hauptkrümmung ſeines MNiysıpa norauog (Niger) 
faft ganz in diefelbe Breite, wie Zimbuftu, fein Nigira Metropolis 
( Niysıoa umroonodıg unter 17° AO’ Lat.) und ihr nahe gegen NW. 
eine Ortfchaft Cuphe (Kovpn) *°). 

Leo Africanus, der im Jahre 1517 an der Küſte der afrifani- 
ſchen Syrten, an der Infel Dfcherbi, von Europäern geraubt und ale 
Sclave nah Rom verkauft wurde, wo Pabft Leo X. fehr bald feine 
Gelehrſamkeit und feinere Bildung erfennend, ihm die Freiheit und bei 
der Taufe feinen Ramen gab, befchreibt Timbuftu als angefehenen 
Markt mit fchöngebauter Moſchee, die von einem gefchidten Baumeifter 
aus Granada aufgeführt ward; eben derfelbe Architect legte auch einen 
großen Pallaft für den König an. Leo rühmt den Wohlftand, die Gewerbe 
und den Reichthum diefer Stadt an Gold und anderen Waaren. 

Obwohl die erfte Dynaftie des Erbauerd Manfa Suleiman feine 
39 Jahre lang den Scepter in Händen behielt, und der Stamm der 
Süufü genöthigt ward, ſich ruhmlos in die ſüdlichen Berge des hohen 
Sudan zurüdzuziehen, fo gelangte doch dafjelbe Land unter der nach: 
folgenden verwandten Königsreihe und dem Titel des Königreiches 
Meli bei den Moslemen zu noch größerem Ruhm, da befien fehr de- 
vote Könige ſich durch ihre Pilgerfahrten nah Mekka auszeichneten 





320 Mitter und Gumprecht: 


und daher von den arabifchen Autoren fehr gerühmt wurden. (Einer 
diefer ſchwarzen Negerfönige von Meli (oder Melli, Mali), Mania 
Wali (regierte 1259 bis 1276), vollendet feine Wallfahrt nach Mekla 
zur Zeit des ägyptiſchen Sultans Bibars, ald eben das chriftliche Ks 
nigreih Jeruſalem der Kreuzfahrer fchon feinem völligen Untergange 
ganz nahe war °'). 

Roh einen anderen König von Timbultu, Manfa Culeiman, 
Sohn Abu Bekrs, nennen diefe Annalen als einen Zürften, ver 24 
Jahre lang regirte, als ihn im Jahre 1353 zu Timbuftu der berühmte 
Berber Reifende Ebn Batuta befuchte, welcher aljo anderthalbhun 
dert Jahre vor Leo Africanus diefe Stadt gefehen hatte, indeß we 
nig darüber berichtete. Als Batuta am Ende feiner breißigiährigen 
Wanderungen durch Aften und Europa und feiner vielen Pilgerfahrten 
nach Mekka, zulegt noch von Fez durch die Sandwüſte der Sahara 
nach Nigritien zu reifen befchloß, Fam er auch nah Timbuktu (im 
Jahre 1353) °?). 

Mit einer großen Karavane von Kaufleuten hatte er die Stadt 
Fez im Juni 1352 verlaffen; über die MWüftenftabt Teghaza, deren 
Häufer ganz aus Steinfalz erbaut waren °°), erreichte er im Yebrnar 
des nächften Jahres, 1359, das Ufer ded großen Stromes, den a 
Nil nannte ?*). Hier fohiffte er fi abwärts gegen einen Seitenara - 
befielben ein ?®), dem unftreitig auch) Mungo Park's Barke vorübergejchifit 
fein mußte, da hier viele Seitenwaffer zum Hauptittom aus dortigen 
Niederungen zufließen, was ſchon Ptolemäus andeutete, und was auch 
aus Ebn Batutad eigener Erzählung hervorgeht. Denn als dieſer bier 
zum Seitenarm des Hauptitromes fam, welchen er nur mit einem Boote 
überfchiffen konnte, erblidte er zu feinem Erftaunen dicht am Ufer 16 
folofjale, von ihm für Elephanten gehaltene Thiere. Als er aber jah, wie 
fie fih in das Waſſer flürzten, bier untertauchten und nur ſchwin— 
mend mit den Nafenlöchern hervorfchnaubten, fagten ihm die Ginge 
borenen, daß ed Nilpferve (Hippopotamen) fein, die am Ufer ge 
weidet hätten. Die Neger pflegten Jagd auf fie zu machen; fie ver: 
zehren ihr Fleiſch und laffen die Gerippe, mit deren Knochen das ganze 
Ufer bevedt war, liegen *). 

Nach der Meberfahrt erzählte ihm der Negerhäuptling des nüchken 
Dorfes, daß hier ein weißer Mann, dem er den Titel Kadi beilegte, 


Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 821 


geweſen, welcher den König Manfa Mufa, den Vorgänger des jehigen 
zu Timbuktu herrfchenden Königs, auf der Bilgerfahrt nach Mekka bes 
gleitet, ihm aber Dann eine ihm anvertraute Geldſumme veruntreut habe, 
weshalb man ihn zur Strafe in das Exil zu den noch heidniſchen uns 
gläaubigen Negern in der Nachbarfchaft, die Menfchenfrefier ſeien °”), 
ſchickte Aber nach A Jahren wäre er begnadigt worden und habe zus 
rüdfehren können, denn diefe Ungläubigen hätten fein weißes Menſchen⸗ 
fleifch efien wollen, weil es noch zu unreif fei °°). 

Als aber fpäter diefelben Schwarzen, die fchön in Seide gekleidet 
und mit großen goldenen Ohrringen gefcehinüdt waren, am Hofe Kös 
nig Manfa Suleiman's eine ehrenvolle Audienz und Aufnahme fans 
ven, habe diefer fie nach Landesfitte mit einer ſchwarzen Sclavin be 
ſchenkt. Diefe hätten fie fogleich gejchlachtet, fich mit ihrem Blute be 
ftrihen und fo mit blutigen Händen dem Könige für fein Geſchenk 
Danf gefagt. Bei ihnen feien die Goldminen 29). Der damalige Kö- 
nig des Landes, den Ebn Batuta befuchte, reftdirte indeſſen nicht zu Tim⸗ 
buftu, fondern zu Mali *°) in weftlicher Nähe, wo der Reifende ihn, 
den eifrigen Anhänger feines Propheten, von vielen gelehrten Doctoren 
umgeben fand; nur Fnieend und zur Erde geworfen durften feine 
ſchwarzen Unterthanen ihn anreden; die Doctoren ſchärften denſelben da⸗ 
bei ein, daß fie den Koran auswendig lernen müßten. Ste freueten 
fich ihre gelehrten Gaftes, der fo oft nach Mekka gepilgert war, und 
zeigten fich fehr freigebig gegen ihn mit Goldgeſchenken. 

Ebn Batuta fchiffte weiter und flieg am Hafenorte Kabra (Kuͤ⸗ 
bara bei Barth) an das Land, von wo er die A Meilen (2 Stunden) 
davon entfernte Stadt Timbuftu, in welcher er fehr viele Doctoren des Ko⸗ 
ran, alfo die mufelmännifche Miffton in voller Wirkſamkeit vorfand, betrat. 
Die meiften Bewohner der Stadt, fagte er, feien Kaufleute vom Stamme 
der Meflüfa *'). Timbuktu war zur Provinzialftabt des Reiches Meli, 
oder Mali, geworden, und hatte nur einen Schwarzen zum Statthals 
ter *?), bei dem Batuta eben eintrat, ald ein Commandant ange 
fommen war, der feinem dort angefiedelten Stamme zu befehlen hatte, 
Der ſchwarze Statthalter befchenkte den Reiſenden mit Ehrenfaftan, 
Turban und Beinkleivern aus bunten Baunwollenzeuge und ließ 
ihn auf einen Schild fich fegen, der von den Dienern des Statthaltere 
ehrenvoll über ihre Köpfe emporgehoben wurde. Nach kurzem Aufent- 

Seitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. II. 21 


822 C. Ritter und Gumprecht: 


halte fchiffte unfer reifender Pilger in einem Heinen, aus einem einzigen 
hohlen Baumflamme gefertigten Boote den Nigerfitom weiter abwärts. 

ALS die Reſidenz der Negerfönige im Reiche Meli, welche, obwohl 
von Mujelmännern umſchwaͤrmt, die ihnen nur den Schein der Regent: 
fchaft überließen, doch flol; darauf waren, Diener des Koran zu heißen, 
von Timbuktu mehr weftwärts verlegt wurde, fam erft die Stabt Dſchin 
nie au größerem Ruf. Sie wurde der Siß der meiften Goldarbeiter, 
die durch aus dem Koran entlehnte eingelegte Sentenzen ihrem Hohl ge 
arbeiteten Goldſchmuck einen erhöhten Werth zu geben wußten, fo daß 
derfelbe noch ald Talismane und Zaubermittel durch den ganzen muſel⸗ 
männifchen Orient und im Süden gefucht wird *°). 

Gegen die abgefchwächten Negerkönige Meli’d am Rigerftrom trat 
fur; vor dem Jahre 1500 ein neuer tapferer Negerhäuptling, Soni⸗ 
heli, als Eroberer in Timbuktu auf, der die ufurpatorifch angemafie 
Obergewalt der Araber und maurifchen Mufelmänner in ihre Sahara 
wüften zurüddrängte, viele benachbarte NRegerfönigreiche eroberte, ein 
ſtrengeres Regiment einführte, feine Refivenz wieder in Timbuftu nahe, 
den Waarenverfehr der anderen Städte nochmals zu diefem Großmarti 
hinleitete, und den weftlicheren Theil Melis verlafiend, damit die Stabt 
Dfehinnie auf Ihre früheren Gewerbe befchränfte. 

Zu diefen Zeiten des fräftiger und blühender gewordenen Timbuftu: 
Reiches, dem auch die Königreiche Guber (300 Meilen im Südoſten am 
Niger gelegen), gleich wie Kaſchna und Houffa unterworfen, ja felbft dx 
ferne norböftliche große Handelsoaſe Agadez (wie Leo Africanus auf 
druͤcklich ſagt, mit jährlich 150000 Goldſtücken) **) tributpflichtig ge 
worden war, hatte Leo die Nefidenzfladt Timbuftu unter der Regie 
rung ihres Königs Jskia oder Abu Bekr Ishieh wiederholt befucht, 
und fie fammt ihrem Hafenort Kabra befchrieben. Ex ſchildert dieſelbe 
bereits als einen durch feine MWaarenvorräthe, feine Baumwollenwebe⸗ 
reien und die Producte feiner Handwerker für den Handel diefer &e 
genden bedeutenden Ort, der aber äußerlich ſich nicht ausgezeichnet ha 
ben kann, da feine Häufer und Hütten aus Balfen und weißem Then 
(Creta) erbaut und mit Stroh gevedt waren *°) 

Einen gleich blühenden Zuftand fchilderte im nächtten Jahrhundert 
der Spanier Marmol (im Jahre 1573 n. Chr. &.), aber nicht ale 
Augenzeuge *°), fondern nur nad Erzählungen der Maroffaner, und 





Barth’ Aufenthalt in Timbuktu. 823 


meiſt nach Leo's Ausfage, doch war der Handel des Timbuftureiche 


nach des Holländer Dappers Berichten 7) in der Mitte des 17. Jahr: 
hunderts fchon in Verfall gerathen, als ganz neue Berhältniffe für Tim⸗ 
buftu fich durch das Emporblühen des großen maroffanifchen Reiches 
entwidelten. 

Um das Jahr 1670 geriethen nämlich auf der Süpſeite des Ats 
lasgebirges zwei maurifche Kürften, Mulah Arshiv in Tafllelt und 
Sidi Ali zu Sus, in Fehde, und der lebte, welcher ven kürzeren 
30g und ausweichen mußte, floh durch die Wüſte nach dem Süden, 
wo ihn der Negerfönig von Bambara, der ſchon früher durch den Gold⸗ 
reichthum feines Landes Einfluß auf Timbuftu ausgeübt hatte, gaftlich 
aufnahm. Diefer verfchaffte dem mitgebrachten Prinzen die Erlaubniß, 
fich mit feinem Anhange in der Stadt Timbuftu niederzulaffen. Hier fam- 
melte der Klüchtling ein Heer von 1000 Negern und zog mit ihnen gegen 
Maroklo, um feine Anfprüche auf die Herrfchaft geltend zu machen. Aber 
er kam zu fpät, fein Gegner war geftorben, und Muley Jsmael hatte 
den Thron von Maroffo beftiegen, wo er während feiner 55 jährigen 
feften NRegimentsführung (von 1672 bis 1727) die dauernde Gewalt 
feiner Dynaftie begründete *°). Der neue Kaifer von Maroffo nahm 
fogleich das Negerheer in feine Armee auf, gewann daburd eine große 
Partei in den Negerländern und dehnte endlich feine Macht ſuͤdwaͤrts 
bis Timbuftu aus *%), das als tributaire Provinz nun durch feinen Hans» 
del ausfchließlich Marokko bereicherte, indem allen anderen Voͤlker, zus 
mal auch den Europäern, dahin der Zugang völlig abgefchnitten wurde. 
In diefer ruhigeren Periode befuchten nach des Engländers Stuart 
Beriht (1725), der Gefandter in Maroflo war (er fchreidt den Ort 
Tombatton), von Marokko aus jährlich Karavanen mit 16000 bis 20000 
beladenen Kameelen den Markt von Timbuktu '9). 

Maroffo war lange Zeit das einzige Thor der Mufelmänner zum 
Süden geblieben und hatte durch einen geregelteren Karavanenverkehr 


große Reichthümer für feine Zufuhren von Salz, feidenen und anderen 


Zeugen und allerlei Manufacturwaaren gegen Gold und Sclaven ge- 
wonnen, ald mit der Abfchwächung der maroffanifchen Herrfchaft durch 
die beftändigen Raubzüge maurifcher Streifparteien und die Friegeri- 
ſchen Aufftände der Tuat, Tuareg und anderer einheimifcher Sahara- 
ſtaͤmme gegen die Webermacht der moslemifchen Eindringlinge diefer Ras 

21 * 


324 C. Ritter und Gumprecht: 


ravanenverfehr fehr unficher, ja oft ganz unterbrochen wurde, und Tim 
buftu ſelbſt fat in gänzliche Vergefienheit zurüdjanf. Indeß war ge 
gen Ende des 18. Jahrhunderts jenes Regerland von Neuem ein Kampf: 
plag maurifchsarabifcher Ufurpatoren und einiger Regerfürften gewor 
den, wie wir aus den beiten Reifeunternehmungen Mungo⸗Parhks (17% 
und 1805) am Nigerfirom erfahren. Damald war auch dur) einm 
Feldzug des am Niger regierenden Negerlönigs zu Sego (im Jahre 1808) 
vom Mandingo⸗Stamme, Timbuftu zu einer bloßen Provinzialftadt det 
mächtigen Bambara⸗Reiches geworden, weshalb Manfong, König von 
Sego, Mungo Park ein fichered Geleit verfprechen konnte, obwohl eben 
dies die Verfolgung und das unglüdliche Ende des Reifenden bei kt 
Beichiffung des Nigerfiromes veranlaßt haben mag, da er dort die 
wieder mächtig gewordene feinvlich gefinnte Gegenpartei am Stromukt 
unterhalb Timbuftu vorfand. 

Seit dem Anfange dieſes Jahrhunderts tritt ein hellfarbiger, in 
telligenter, Friegerifcher Vollerſtamm, der früher nur in dem Verhaͤlmij 
friedlicher Landbauer und ald Nebenfaffe der MandingosReger in dem ſüb⸗ 
lichen Sudan mit den Namen Zulla oder Fellata genannt wurde, ald dk 
biftorifch wichtiges Volk in den oberen Nigerlandfchaften hervor. J 
Barth's Briefen, auch in dem legten aus Timbuktu, wird er weil 
richtiger Fellan genannt. Vorzüglich durch feine zahlreichen Reiteriher 
ten, und geführt von perfönlich fehr tapfern, ehrgeizigen Haͤuptlingen 
bie ſich Propetentitel beilegten, durch Fanatismus die Kriegsheere break 
Rerten, ihnen das Paradies ald Gläubigen verfündeten und ald Ge 
ger durch das Gluͤck begünftigt wurden, gelang es ihm, feine Ha 
haft über die gefchwächten Neger» Königreiche längs eines großr 
Theiles des Rigerftromes, von Timbuktu °') bis Sofatu, auszubreitt 
Dadurch lernten die Engländer Denham und Elapperton in den Jahr 
1824 und 1827 ven Eroberungsflaat des Sultans Bello, ven fie a 
Napoleon Central: Afrifa’s nannten, kennen. Diefem Ueberge 
wicht der Fellan fehte im Diten am Tſad⸗See das beffer organifik 
Reich von Bornu feine Macht entgegen, und in den Conflict beider mid 
tiger Staaten und der ihnen angehörigen Bafallen, ſowie im die bar 
aus entflandenen Bewegungen traten nun unfere deutfchen Reifendet 
Barth und Operweg ein. 

Barth gelang das große Meifterftüd, die Grenzen der beiden verftin⸗ 





Darth’3 Aufenthalt in Timbuktu. 325 


deten Herrfchaften zu überfchreiten uud unverfehrt aus dem Bornu⸗ 
Reich in das weftliche Neich der Yellan (oder Fellatah) zu gelangen. 
Möge es ihm vergönnt fein, eben fo unverleßt auch wieder daraus 
zurückzukehren. 

Aus Timbuktu verdraͤngten die ſiegenden Fellan's bie mauriſche 
Herrſcherpartei; dieſe zog ſich um das J. 1810 unter einem muhameda⸗ 
niſchen, mit Marokko verfeindeten Fürften jenſeit der Wuͤſte an den Süd⸗ 
fuß des Atlas zurück. Hier ſchlug der Fürſt in einer der Oaſen zwiſchen 
Timbuktu und Marokko, welche alle Karavanen zum Niger paſſiren müfs 
fen, namlich zwifchen Uad Nün und Tarudant, feine Zelte auf. Doch 
befigen wir über dies Friegerifche Ereigniß, welches den Sturz der Aras 
berherrfchaft zur Folge hatte, einen genaueren Bericht. Auf diefer Durch 
den Transit berühmten Zwifchenftation nahmen die Häupter der als from- 
me Mufelmänner oder Marabut’8 hochgepriefenen Dynaftie den Titel 
von Heiligen, Sivi Hefham (als Sohn eined Heiligen), an, wurben 
durch den Zutritt von Berberftämmen der Sahara, wie der Tuat, Tua⸗ 
reg und anderer, die fie umgaben und in ihre Heere aufnahmen, fo 
wie fanatifeher Maurenparteien, immer mächtiger, und gewannen von 
Reuem Einfluß ald mauritanifch = arabifche Moslemen gegen die Fellan 
auf dem Marfte von Timbuktu. Hier befuchte der Matrofe Adams 
im Sahre 1811 den Kürften, ald er von einer wohlbewaffneten Garde 
von 6000 Negern gefchügt und von Marokko gefürchtet war ). 

Unter ſolchen politifchen Wechfeln und Kämpfen fcheint unfer kuͤh— 
ner Landsmann in Timbuftu eingetreten und hoffentlich fchon wieder 
daraus erlöft zu fein. Denn das von ihm genannte geiftliche Ober- 
haupt, el Bakay, dürfte nur der devoten mauritanifchen Dynaftie ans 
gehören können und feine geiftige und geiftliche Oberhoheit allein durch die 
Stüge der nördlichen Tuaregftämme °?) behaupten, während die nomis 
nnelle Regierung der Stadt, wie Barth, fügt, in den Händen der Fel⸗ 
lan ift, auf deren politifche Seite fich fogar el Bakay's Bruder, Ham⸗ 
madi, hinneigt. 

Ohne Sorgen und Kämpfe, felbft ohne Lebensgefahr, konnte die 
Stellung, der fi) unfer Reifender hingegeben, nicht bleiben; möge er 
Daraus fehon gerettet fein *)! C. Ritter. 





*) Borftehender Vortrag wurde in der geographifchen Geſellſchaft u Vorle⸗ 
jung der Barth'ſchen Briefe zur Erläuterung mündlich mitgetheilt. 





326 C. Ritter und Gumprecht: 


Ueber unfered fühnen und unermüdeten Reifenden Begebniffe auf 
feinem Zuge nad Timbuftu von Zinder her, der befannten Handels⸗ 
ftadt am Südrande der Sahara, wo er fich, wie es feheint, langer 
Zeit aufgehalten hat, und von wo aus wir auch feinen lehten, in 
diefer Zeitfchrift. Bb. II, S. 67 mitgetheilten Brief befigen, haben wir ned 
feine ausführliche Nachricht, da die Berichte, die er von dieſem Wege aus 
nach Europa abfandte, bis jetzt nicht eingegangen find. Man darf id 
freilich über eine folche Zögerung in einem Lande, wo fich die Kultur 
noch nicht zu Poſten und Eifenbahnen emporgefchwungen hat, nid 
eben wundern; beburfte es doch eined vollen Jahres, che Bart’ 
legte, fjogar im Januar v. 3. gefchriebenen Briefe zu und gelangten! 
Da unferes Reifenden Zug auf einem bisher noch von feinem Europäa 
betretenen Wege ging und zahlreiche, felbft dem Namen nad) völlig 
unbefannte Städte berührte, fo haben wir das Ausbleiben oder vic 
leicht felbfk den Verluft feiner Briefe und Berichte allerdings im hi 
ften Grabe zu beflagen. Am 24. März d. J. lief endlich bei dem Königl 
preußifchen Gefandten Herrn Bunfen zu London ein an ihm gerichteter 
Brief unferes Reifenden, datirt von Timbuktu den 9. September, ein 
Seine Veröffentlichung unter den nachfolgenden Documenten übe 
Barth's Aufenthalt in Timbuftu vervanfen wir der Güte des Herm 
Gefandten. Da zugleich noch Briefe Barth's an Herren Beke und de? 
auswärtige Amt zu London eingingen, und in denfelben einige intereffanit 
Zufäße zu jenem Schreiben enthalten find, fo ftellte der für vie ir 
derung der afrifanifchen Expedition fo wirkfame Herr A. Petermant, 
welchem die MWiffenfchaft befanntlich den Dank ſchuldig ift, daß er dr 
erfte Idee zur Mitfendung deutfcher Forſcher als Begleiter Richards 
fon’8 faßte, einen in die Times vom 28. März aufgenommenen Au; 
ſatz zujammen, der hier feinem wefentlichen Inhalt nach ebenfalls felgt 
Ein zweites Schreiben Barth's, an feine Familie gerichtet, das brit 
der folgenden Dorumente, verdanken wir endlich der gütigen Mitther 
fung feines Schwagers, des Königlich fächlifchen Ober - Lieutenantd im 
Ingenieur» Corps, Heren Schubert, zu Dresden. So überaus erfreulid 
aber die Ankunft des Reifenden in der lange gefuchten Stadt i, 
fo vermögen wir uns doch bei Anficht der Briefe an die Herren dur 
fen und Schubert eines Höchft betrübenden Gefühls über feinen förperti 
hen Geſundheitszuſtand nicht zu erwehren. Beide Schreiben find nam 





Barth’3 Aufenthalt in Timbuktu. 327 


lich in verfchiedenen Epochen gejchrieben, die in die Zeit eines gan- 
zen Monats fallen, leider ein Beweis, daß die wunderbare Rüftigfeit 
des Neifenden endlich doch den zerftörenden Einwirkungen afrifanifcher 
Klimate und Miasmen zu erliegen beginnt, was auch defien eigene Aeu⸗ 
Berungen beftätigen. Barth ift der lebte überlebende Europäer der Ges. 
felfchaft, die vor 3 Jahren mit den froheften Hoffnungen und in der 
fräftigften Gefundheit Tripolis verließ, um das Innere des afrika⸗ 
nifchen Continents zu erforfchen. Möge derſelbe bald ven Entichluß 
ausführen, mit dem reichen Schage feiner Erfahrungen, wie ihn kein Rei- 
fender aus jenen Gegenden heimbradhte, nach Europa zurüdzufehren, 
weil fonft zu fürchten ift, daß auch er dort einen frühen Tod findet und 
die Refultate feiner Horfchungen, wie die von Hormemann, gänzlich der 
Wiſſenſchaft verloren "gehen. Denn niemals acclimatifirt ſich der Euros 
paͤer im tropifchen Afrifa jo, daß er felbft nach mehrjährigen Aufenthalt 
von den Einflüffen des tüdifchen Klima's frei wäre, wovon der Tod 
dreier der teefflichften Korfcher, der von Hormemann zu Nouffi am Niger 
um das Jahr 1805 (Lyon 132), der von Burkhardt im Jahre 1816 zu 
Cairo, endlich der von Elapperton im Jahre 1827 zu Sokatuͤ leider Beweiſe 
gaben. (Gumprecht in den Berl. Monatöber. 1850, VI, 73— 86, wo 
fich eine lange, feitvem noch durch neue Opfer vermehrte Lifte von mehr 
als 50 afrifanifchen Forſchern findet, die fämmtlich ausfchließlich wiſſen⸗ 
fchaftlichen Zweden ihre Leben zum Opfer brachten. ) 
Gumprecht. 


1. Barth's Schreiben an den Ritter Bunfen in London. 


Timbultu, den 9. Septr. 1853. 

Durch die Güte des Allmächtigen iſt e8 mir endlich vorgeftern 
gelungen, diefe altberühmte Handelsftätte am Saume der Wuͤſte zu 
erreichen. 

Am großen Hefte der Moslemin. 

Etwas Fieber, wie es nur zu natürlich iſt nad) der endlichen An- 
funft in einer größeren, eng mit hohen Wohnungen befchlofienen Stabt 
von einer bejchwerlichen Reife mitten in der Regenzeit, hat mich alle 
diefe Tage weder zu ordentlichem Schreiben, noch zum Ausarbeiten 
eines Journals kommen laflen. 





828 G. Ritter unv Gumprecht: 


| Den 29. September 1853. 

Gott der Allmächtige Hat mich gnaͤdig den jährigen Todestag mei 
ned Gefährten **) überleben laffen, und troß aller mich umgeben 
Gefahr und trog mich gänzlich abfchwächenden Fiebers Iebt die feke 
Hoffnung in mir, die Heimat meiner Vaͤter und meine Freunde wie 
der zu fehen. Nach langem forgenvollen Warten ift endlich in de 
Nacht vom Sonntag und Montag das geiftliche Oberhaupt, in bein 
Schuß ich mich begeben, angefommen, und hat glüdlicherweife durch 
feine Aufrichtigfeit und hochachtende Freundlichkeit den fihlechten Ein 
druck, den fein jüngerer Bruder durch feine fchamlofe Bettelei auf mich 
gemacht, vollfommen verwifcht. Schon vorher hatte ich zwei Drift 
von ihm, den zweiten als Antwort eines Briefes vom mir, worin ich 
ihm die Gründe meined Kommens Har auseinander .fegte, beide mih 
völliger Sicherheit verbürgend und der ungefährbeten Heimkehr unter 
feinem Schuße verfichernd. Seit feiner Ankunft habe ich zwei langı, 
ganz ungenirte Sigungen mit ihm gehabt, und habe die Genugthuum, 
feine vollftändige Achtung und Freundſchaft erlangt zu haben. 

Folgendes find meine Ausfichten: entweder gehe ich zu Lande mir 
ten durch die Tuaregs, wenigſtens bis zur berühmten Infelftabt Gm, 
der einftigen glänzenden Gapitale des Sonr’ayreiches ), oder ich get 
zu Waſſer bis Say; das letzte würde jedenfalld das Gerathenfte fein, 
wenn wir nicht Gefahr liefen, in Say wegen Mangels an Pier 
und Kameelen fipen zu bleiben. Meine Kameele find freilich faſt auf 
gerieben, aber el Bafay will mir andere geben. Meine Abreiſe ift au 
etwa einen Monat feftgeftellt, und derfelbe Mann, der mich von 8b 
tako Choffentlih ift mein an Col. Hermann abdreffirter Brief ans 
Libtako mit manchen Specialitäten glüdlich angefommen, wie aud mes 
früherer Brief von Say °*) hiehergebracht, angemwiefen, mich ſicher nad 
Bornu zurüd zu geleiten. Gott der Allmächtige möge dieſe Beriyr 
ungen bewahrheiten. 

Ei Bafay hat mir vollfommene IJmana ®°) für alle Englankt 
gegeben, die Timbuktu befuchen follten, und vollfommene Sicherheit des 
Handels und Wandels; aber die Verhältniffe find hier höchſt eigen 
thümlich. 

Jetzt wenige Worte vom Charakter der Stabi; denn meine ger 
ftige, wie körperliche Kraft ift augenblicklich gelähmt. Timbuktu ) lieg! 


Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 829 


18° 3’ 30” bis 189 4’ 5” ®9) (dies die Ausbehnung der Stadt von 
Süd nah Nord) nördi. Br. und 1945’ weftl. 2. von Greenwich und bildet 
ein ziemliches Dreied °°) , deffen nördliche Ede von der maffiven alten 
Diama Sänföve *') gefchmüdt if, während die beiden übrigen Djama 
el jamasfebira und Diama Sidi Yahia in der Nähe des Marktplabes 
liegen, der in dem ſüdweſtlichen Viertel liegt *?). Die Stadt if dicht be- 
baut mit Thonwohnungen °°) „einige von refpectablem Ausfehen mit zwei 
Stod und arditeltonifcher Bagade, dazwiſchen find wenige leichte Mat- 
tenhütten zerftreut °*), außen umher aber eine große Menge; die ſchoͤn⸗ 
ften Gebäude liegen im fünlihen Theile. Der Haupttheil der Bevöls- 
ferung ift Sonr'ay, fonderbarer Weife von Caillié *) Kiffour genannt 
(Ki die Sprache, Sor' Sor'y = Sonriay). Daneben find Araber der 
verfchiedenften Kabailen (Stämme ©.), Sullan in großer Menge und 
Tuareg oder ihre Sclaven, auch Bambarer und Mandingo. 

Die nominelle Regierung der Stadt ift noch immer in den Hän- 
den der FZullan, aber el Balay, vorzüglich auf fein Anfehen bei den 
mächtigen Tuaregs Fürften umher geftügt, ganz abgefehen von den Aras 
bern, ſetzt ihmen eine geiftige und geiftliche Herrfchaft entgegen *°), un 
in diefem Kampf der Elemente beruht das ganze Treiben der Stadt, 
das an Intriguen noch dadurch gewinnt, daß Hammädi, ein Bruder 
Bakay's, ed mit den Fullan hält. 

Die Bevölkerung der Stadt mag ſich auf 20000 belaufen *”). 

Der Markt ift fleiner, als der von Kano, aber gefüllter mit werth- 
vollen Waaren, und wird von meinen Arabern allgemein bewundert. 
Shadamfier, Tuater und Saheli (Bewohner der füplichen Provinzen 
Mela Abv-e Rahmans) Handeln hier in Menge, und Einige follen 
ein bedeutendes Vermögen haben, befonder& der Taleb Mohammed aus 
Merakeſch °°) (Marokko). 

Die Umgegend der Stadt iſt natürlicherweife duͤrr und öde 9), aber 
der Weg von Käbära iſt dicht mit Heinen Talha 7°) und verwandten 
Geftrüpp bedeckt, und dafelbft find einige Duchnfelder ') und Melo- 
nenbeete. 

Die Regenzeit ift hier jeht in ihrer Stärke, und wir haben faft 
jeden zweiten over dritten Tag Negen, freilich nicht ſtark, aber doch 
keinesweges unbedeutend, beſonders geftern. 

Die Häufer, aus leichtem weißen Thon mit Steinen gebaut 7°), 





330 C. Ritter und Gumprecht: 


fönnen nur wenig Regen ertragen. Ihre innere Einrichtung if aͤhn⸗ | 
lich der der Häufer von Akadez "°); mein Haus iR fehr geräumig und 
bat den beifolgenden ungefähren Grundplan: 
Leider ift meine Kreiheit hier fehr befchränft, 
und ich muß große Borficht in meinem Verkehr 
anwenden, da eine große Partei meinen Ruin 
wünfcht. Eingezogen bin ich ald ein Geſandter 
von Stambul und bin als folcher bei der Menge Sf. 
noch immer angefehen ”*). Viele verehren mic) 


auch meines wirklichen Charakters wegen. Meine Wohnung. 
Das ift ein fo teodenes Bild diefer Stadt, Gepädgimmer. 
wie ein geplagter fieberfranfer Reiſender es zu Bieten 


geben vermag. So der Allmaͤchtige gnädig ift, hoffe 
ich Ende naͤchſten Jahre Ew. Ercellenz muͤnd⸗ 
lich beſſere Schilderung zu machen; einen zweiten 
Beſuch Adamaua's, als über meine gänzlich erfchöpften Kräfte gehend, 
habe ich beitimmt aufgegeben. Ich darf die Gottheit nicht weiter ver 
fuchen; führe fie mich mit meinen Schriften nur gnädig heim! 

PS. Roc herzliche Grüße vom neuen moslemifchen Jahr. 


1. Schreiben A. Petermann's über Dr. Barth’s Ankunft 
in Timbuftuanden Herausgeber der Times (28. März 1854). 


London, den 25. März 1854. 

(Als Dr. Barth, feinen letzten Gefährten im September 1852 durch 
den Tod verloren Hatte, entfiel ihm der Muth noch nidht. Wurde er 
auch dadurch beftimmt, feinen früheren Borfag, von Bornu aus nach dem 
indifchen Ocean zu gelangen, aufzugeben, fo entfchloß er ſich doch mit 
aͤchtem Heroismus Alles zu wagen, um wenigftend einen anderen Theil 
feiner Pläne, das Erreichen von Timbuktu nämlich, in Ausführung zu 
bringen. „ALS einziges noch lebendes Glied der Miſſion (fo ſchrieb 
der muthvolle Reifende vor feinem Abgange von Kufa) fühle ich, 
da nun die Ausführung aller unferer Borfäbe auf mir allein ruht, 
meine Kräfte verdoppelt und meinen Willen um fo fefter, allein für 
mich Die gewonnenen Refultate weiter zu verfolgen. Meine Mittel be 
ftehen in einer ziemlichen Zahl von Gefchenfen ſammt 200 Dollars, 


Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 331 


4 Kameelen und 4 Pferden. Meine Geſundheit if die befle, und mit 
5 zuverläffigen, lang erprobten und fämmtlich wohlbewaffneten Dienern, 
reichlich zugleich verforgt mit Pulver und Biel, gedenfe ich mit frifchem 
und verdoppeltem Muth und voll Vertrauen auf Erfolg, mich auf ven 
Weg nach Timbuktu zu begeben." &.) So verließ Barth (ein Mann, 
der, wie Herr Petermann mit volftem Recht bemerkt, nie mit Worten 
prahlt. &.) Kufa Ende Rovember 1852 und er ging erft über Zinder 
(von wo her feine legten Briefe, wie vorhin bemerkt, in Deutfchland 
eingingen. ©.) und Kaſchna nach Safatu, weil der Weg über Kano durch 
den Krieg zwifchen den Bornuefen und Fellatahs unzugänglich gewor⸗ 
den war. Der legte von ihm In England erhaltene Brief war datirt 
Kaſchna den 6. März 1853. Die heut erhaltenen und über Tuat 7°) ges 
fommenen Briefe reichen vom 7. bis zum 5. October. Einige in der 
fehsmonatlichen Zwifchenzelt von ihm abgefandte Briefe gelangten noch 
nicht nach Europa, daher find alle näheren Begebenheiten auf feinem Wege 
zwiſchen Kafchna bis Timbuftu unbefannt geblieben. Doch feheint fein 
Weg von Sakatu dahinwärts erft gegen WRW. geführt zu haben ”*), 
indem er den Kowara (d. i. den Nigerfttom) zu Say, einem bebeus 
tenden Ort von großem Umfange, unter 14° n.Br. und 3° 45° ofll. 
L. v. Gr. 150 geogr. (374 deutfche) Meilen in WN. W. von Safatu 
überfchiffte. Bon hier und auch von Libtafo 7) hatte er über Safatu 
Driefe nad) Europa abgefchidt. Der letztgenannte große Ort liegt unter 
14° 40’ n. Br. und 0° 30’ öfll.2. v. Gr., 335 geogr. (84 deutfche) 
Teilen von Safatu und 240 (60 deutiche) dergleichen von Timbuftu 7°). 

Bon Libtako richtete Barth feinen ferneren Weg gegen NW. bis 
Saraiyamo ”°), einer anderen großen, 60 (15 deutſche) Meilen im 
Süden von Timbuftu, an einem Zufluß oder einem Arm des Kowara 
gelegenen Stadt. Auf dem Kowara fchiffte er ſich am 1. Septbr. ein. 
Anfänglich) war dieſer Strom 900 Fuß breit, fpäterhin zeigte fich ein 
fehr verwideltes Syftem enger gefrümmter und theilweiſe mit Schilf 
und Gras bis in eine directe Entfernung von AO (10 deutfche) Mei- 
len von Saraiyamo überwachfener Flußarme. Nach einer fehr lang⸗ 
weiligen Zidzadfahrt fchiffte Bart) am 4. September bei dem Dorfe 
Koromeh in den Hauptftron ein, wo er einen großartigen Anblid durch 
die zahlreiche Flotte von Schiffen und Booten von den verjhiedenften 
Formen, welche ven Strom bededte, gewann °°). 


— —— — — — — —— —— — — 


332 C. Ritter und Gumprecht: 


Nachdem. ee den Kowara quer überfchifft und an deſſen Nordſeite 
in einen Kanal eingelaufen war, erreichte er am folgenden Tage Kabara 
Es ift dies eine Heine Ortfchaft von 400 Häufern und Hütten, die 
aber als Hafenort von Timbuftu einen großen Namen hat). Doc if 
fie nur AMonat im Jahre, oder höchftens während 5 Monate bei fcht 
hoher Wafferanfchwellung nahbar °?). Im Kanal, an welchem fie liegt, 
mußte bei Barth's Befuch in der Regenzeit das Boot, das ihn um 
feine Bagage führte, wegen Enge und Seichtigfeit mit großer Anftren- 
gung gezogen werden, um den Drt erreichen zu Fönnen. Er war 
faum 15 Buß breit und reichte den Bootsleuten nur bi6 an die Knie. 
Ein durch die Kunft gemachtes, großes und ſchönes Baffin dicht an 
der Stadt, das man die Dods von Käbara nennen kann, trug damals 
nur wenig Boote °°). Koromeh, der ſchon genannte Ort und Die zwi⸗ 
fhen ihm und Kabara gelegenen Day-Infeln, verdienen cher den Ra 
men eines Hafenorted von Timbuktu °*). 

Am 7. September 1853 hielt Dr. Barth feinen feierlichen Einzug 
in die Stadt Timbuktu, von dem Bruder des Scheifh el Bakay, des 
Herrfcherhäuptlings, escortirt, mit einer glänzenden Escorte von Ras 
tern zu Pferde und auf Kameelen, fowie von Bußgängern, beivillfommt 
und feierlich falutirt von der Menge der Einwohner. Man hatte 
ihnen vorgegeben, es fei der Gefandte des Groß-Sultand in Stam: 
bul. Der wahre Charakter Dr. Barth’ war nur dem Scheifh allein 
befannt, deſſen Schuß und Wohlwollen der Reifenve glüdlic) gewon⸗ 
nen hatte; der Scheifh felbft hielt e& für gut, daß Barth viefen Cha 
rafter annehme, weil die große Maſſe des Volkes fehr fanatiſch gefinnt fei. 

In den folgenden Zeiten bis zum 5. October waren der Scheifh 
el Bakay und fein Bruder Die treuen Freunde des fogenannten Ems 
bafjadeurd von Stambul geblieben; aber dennoch glaubte Dr. Barth 
nicht außer Gefahr zu fein, weil zu verſchiedene politifche Gewalten vie 
Stadt Timbuftu beherrfchen und die Bevölferung der Stadt aus zu 
verſchiedenen Rationalitäten befteht. 

Zunähft find es Sonr'ay, welche die große Mafle des Volkes 
bilden; dann. Araber von verfchlevenen Stämmen, fowie Fellatahs **) 
und Tuaricks; endli eine geringere Anzahl Bambara und Man 
dinge. Eine Partei war Dr. Barth nichts weniger ald günflig und 
wuͤnſchte fogar feinen Tod; er mußte daher die größte Vorficht in feinen 


Barth's Aufenthalt in Zimbuftn. 333 


Unternehmungen und Berührungen mit dem Volke beobachten. Zum 
Glück gereichte ihm die aufrichtige und entfchiedene Freundſchaft des 
Scheifh, unter deſſen unmittelbarem Schuße er in feiner Reſidenz lebte, 
und der ihn auch ficher nach Safatu zurüdzuführen verfprochen hatte. 

Leider war der Zuftand von Barth's förperlichem Befinden beforglich. 
Die befchwerliche Reife von 2000 englifhen Meilen ziwifchen dem Tſad⸗ 
See und Timbuktu hatte allein fchon viel phyfifche Kräfte confumirt; 
drei Jahre früherer angeftrengter Reiſen waren vorhergegangen; bie 
Regenzeit, die angefchwollenen lüffe, die Ueberſchwemmungen, wähe 
vend welcher ein Theil der Reife zurüdgelegt werden mußte, Dazu bie 
Beſchwerden, die ihm aus den fanatijchen Völferftämmen, deren Gebiet 
er zu durchziehen hatte, entgegentreten mußten, alled dies trug zu dem 
erichöpften Zuftande bei, worin der Meijende endlich Timbuktu er: 
reichte. Zwei feiner Kameele waren ihn auf dem Wege erlegen, die 
anderen vier waren fernerhin untauglich. Der Aufenthalt in der Stadt 
Zimbuftu zwifchen hohen, dicht zufammengedrängten Häufern und Gaf- 
fen fonnte nichts weniger, ald exfrifchend, für ihn fein. Yieberanfälle 
ſchwaͤchten ihn noch: mehr, als die Reifeftrapazen; aus feinen Briefen 
geht jein gefchwächter Gefundheitszuftand hervor. Doc verließ ihn 
nie die Hoffnung, feine Kräfte wiederzugewinnen, und mit feltener 
Energie entwarf er beim Abgange feiner legten Briefe die Pläne zur 
Ruͤckkehr nach Sakatu. 

Die fo berühmte Stadt Timbuktu zu erreichen, galt ihm als Le⸗ 
bensaufgabe; ex beflimmt ihre Lage zu 18° 3’ 30” bis 18° 4’ 5" n. 
Br. und zu. 1945’ wel. 8. von Gr. Sie hat eine Triangelform 
und ift Dicht mit Häufern von Thon und Steinen bebaut, deren 
viele ganz hübfche und gefchmadvolle Bagaden zeigen; ihr Inneres 
gleicht den Häufern von Agadez, welche Dr. Barth im Jahre 1850 ken⸗ 
nen gelernt hatte. Diefer fchäßt die Bevölferung auf 20000 Seelen. 
Den in Afrika fo gefeierten Eentralmarft Timbuktu's fand er zwar von 
geringerem Umfange, ald den von Kano, aber die Waaren von beſſe⸗ 
rer Qualität und von größerem Werthe. Er erhielt einen vollftändi- 
gen Imana, d.i. Freibrief vom Scheifh für englifche Kaufleute, die 
etwa Timbuktu zu befuchen wünfchen. Das Land, in welchem die 
Stadt liegt, grenzt an die Sahara und ift ihr auch ähnlich, duͤrre und 
fehr öde ®*), außer gegen den Kowara hin, wo. daflelbe ein fruchtbareres 


334 C. Ritter und Gumpredit: 


Anfehen gewinnt. Im September war die hoͤchſte Regenzeit; die Re 
genfchauer, wenn auch nicht heftig, fteliten fich doch jeden zweiten oder 
dritten Tag ein. 

Dr. Barth) hoffte nach einem Monat, aljo etwa Ende October, Tim 
buftu wieder verlaffen zu fönnen und über Safatu zurüdgufchren, 
am wahrfcheinlichften den Komara abwärts jchiffend bis zur Stadt 
Say. Roh war ihm die im Februar 1853 gefchehene Nachſendung 
des Dr. Vogel nicht befannt geworden, eben fo wenig hat ihn eime 
Rachricht von der im Begriff ftehenden Abfendung der Dampfboot- Er 
pedition nach der durch ihn im Jahre 1851 entvedten unteren Kwora⸗ 
Landſchaft erreicht; doch if Hoffnung, daß bald nach Abfendung feiner 
Briefe ihm diefe Nachrichten zugefommen fein werben, und daß ihn eine 
oder die andere der an ihn abgefandten Depefchen treffen wird. 

Seder Pofttag fann von nun an neue Berichte, fowohl von Barth, 
wie von Vogel bringen. Die Wichtigfeit von Dr. Barth's Entdeckung 
bedarf Feiner Lobpreiſung; feine großen Verdienſte um die Wiffenfchaft 
find anerfannt; er hat ihr Wege gebahnt, die bisher völlig verfchlef 


jen waren. ©. Ritter. 


II. Schreiben Barth's an feine Familie. 


Timbuktu, den 7. September 1853. 
Innigſt Geliebte! 

Welcher Sorgen wird Euch die Nachricht entheben, wenn Ibr 
hört, daß ich wohl und unverfehrt vorgeftern in dieſer fo gefeierten, 
aber von Europäern fo gefürdhieten Stadt eingezogen bin, und mein 
Einzug war nicht ein Einfchleichen bei Nacht und Nebel, fondern a 
glich einem wahren Triumphzuge. Der Bruder des abweienden Schech 
el Bakay holte mich in großer Cavalcade ein und die vornehmiten 
Leute der Stadt famen mir entgegen; vortrefflih bin ich einquartirt 
und audgezeichnet bewirthet. Zwar bin ich nicht ald Europäer einge 
zogen, fondern als Abdgefandter des Sultan von Stambul; aber ven 
Machthabern der Stadt ift mein wahrer Charakter befannt. Die große 
Gefahr, die in diefen Gegenden den Ehriften droht, auf den bleßen Na- 
men bin, hat mich gezwungen, einige Tage hinter Kibtago (sic! G.), von 
wo aus ich einen langen, für das ganze Publicum beflimmten Brief abge: 


Barth's Aufenthalt in Timbuftu. 335 


fandt habe, meinen Charakter zu wechfeln und für einen Scheriff aus 
Damasſscus zu paffiren, welche Rolle ich felbft vor den Arabern bes 
hauptete. So paflirte ih unangefochten, nur mit anfehnfichen Ges 
fchenfen, felbft mitten durch die Tuaregs und kann nun, nachdem ich 
ein Mal den Schuß der hieſigen Madıthaber erlangt, mit ziemlicher 
Sicherheit meinen wahren Eharafter erfchließen. Ich kann hoffen, daß 
meine Rüdfehr glüdlich fein wird, befonders wenn, wie es heißt, Sidi 
Alauat, unter defien Schuß ich diefen Augenblid ftehe, felbft mich bes 
gleiten follte, um über Bornu und Fezzan nah Meffa zu pilgern. 
Diefe Ausficht ift zu günftig und lächelnd, als daß ich mich nicht darauf 
verlaffen follte, eben fo wenig, wie ich mich einfchüchtern laſſe, wenn 
es heißt, die Sellanpartei wolle mich töbten. Denn die Verhältnifie 
diefer Wuͤſtenſtadt find überaus eigenthümlich und 3 Gewalten theifen 
ih und freiten fi) um die Oberherrfchaft: die Araber, die Tuarey 
und die Fellan. Die Araber, feit der Schwächung der Herrfchaft der 
maroffanifchen Yürften unvertreten, haben vor 27 Jahre eine neue, 
ganz eigenthuͤmliche Vertretung gewonnen durch die Ueberſiedlung eines 
verehrten Scheh Muchtar, dem feit 7 Fahren fein Bruder Bakay gefolgt 
iſt °”), welcher nun ein auf religiöfed Uebergewicht gegründetes Anfehen 
weit und breit über dieje Gegenden genießt. Die Tuaregs, Herren nicht 
allein der Wuͤſte, fondern vieler fruchtbarer Striche umher, in denen 
fie mit ihren Heerden umherwandern, erheben von den Reifenden und 
Städtern Tribut. Endlich was die über ganz Eentralafrifa ausgebrei- 
tete Nation der Fellan betrifft, fo haben fie fih vor etwa 30 Jahren 
in den Beſitz diefer Stadt gefeßt °°) und behaupten noch heute, ungeach- 
tet einer großen, durch die Tuareg erlittenen Niederlage, ihre Ober: 
macht über Timbuftu. | 
Den 2. October. 

Tag und Nacht, Innigft Beliebte, fteht mein Sinn jegt nur nad 
Haufe und zu Euch. Möge der gnädige Gott mi, wo nicht um 
meinet, fo um Eurer willen, diefe Gefahren und Mühen beſtehen laſ—⸗ 
fen. Meine Zuverficht ift ungebeugt. Wolfe auf Wolfe zieht über 
mich hin, felbft meine Diener haben mich verlafien wollen; franf, recht 
franf bin ich einige Tage gewefen, und man hatte ſich fchon vortäufig in 
meine Habe getheilt. Aber feit geftern, fo Gott will, hat mich das 
Fieber verlafien, und ich fühle mich fogleich wieder fräftig und wohl. 


336 C. Ritter und Gumprecht: 


Der Allmächtige wird mich ferner befchügen und durch alle dieſe Klip⸗ 
pen hindurchführen. Der Schech el Bakay, der vor einigen Tagen 
angefommen, ift ein braver, vortreffliher Mann, der mich fehr hoch 
ſchätzt und außerordentlich bewirthet; aber er hat natürlich auch feine 
Interefien, und es erfordert unendlich viel Gebuld, die verſchiedenen 
Devifen und Ausflüchte abzuweifen und alle Tage ein neues Geſchenk 
hinzuzufügen. Die Stadt ift etwa fo groß wie Altona, liegt aber wi 
ten im tiefen Sande und bildet ein ungefähres Dreied, dicht bewohnt, 
in meift einftödigen, flachen Thonwohnungen, aus denen jeboch die 
Häufer der Wohlhabenden höher und flattlicher hervorragen, während 
einige Hütten aus Mattenwerf dazwifchen zerftreut find und draußen 
zahlreicher fich umherlagern. Drei Moskeen ſchmuͤcken die Stadt; die 
eine im Norbtheile der Stadt, die ich mit ihrem maflwem Thurme je 
den Morgen vor mir habe, wenn ich die frifche Morgenluft auf der 
Terraſſe einfchlürfe; die beiden übrigen find nach der Weftede hin 
Das Leben in der Stadt giebt fich befonderd durch unzähliges Schies 
gen bei Tag und Nacht fund, und an eine einmüthige, ruhige Regie 
rung ift natürlich nicht zu denken. Was mich betrifft, fo bringe ich 
jetzt faſt täglich einige Stunden bei el Bakay zu in lehrreicher Unter 
haltung, freilich mehr für ihn, als für mich, Leider bin ich hier lange 
nicht fo frei, wie in Bornu oder auch nur in Safatu, fo daß ich nicht 
frei nach Allem forſchen kann. Alles erfordert viel Borfiht. In einem 
zeichnen fich die Leute von Timbuktu aus, beſonders die hier reſidiren⸗ 
den Kaufleute, im Efien, an deſſen häufiger Wiederholung am Tage 
fie es nicht fehlen laffen. Auch Haben fie gutes Effen, meift Korn, ba 
ben Brod, das felbft in Kufa nur in den Häufern der Großen gebaden 
wird, hier aber auf dem Marfte in Menge verkauft wird. 


Den 4. October. 
Wir haben geftern Nachmittag einen recht heftigen Gewitterregen 
gehabt, der die Wand meines Gepädzimmerd von unten durchbrochen 
und Alles unter Wafier geſetzt hat. Ueberhaupt haben wir diefe ganze 
Zeit, faſt iede 2 oder 3 Tage, ganz hübfchen Regen gehabt, aber die 
Umgegend wird darum nicht grüner, und außer zwei Talha im oͤſtli⸗ 
hen Rande der Stadt fieht man feinen Baum *°) u. f. w. 


— — — — — 





Barth's Aufenthalt in Timbuktu. | 937 


2) Diefer au in dem Bericht A. Petermann’3 vorkommende Ort 
Kaͤbara oder, mie er biäher gewöhnlich gefchrieben wurde, Kabra, finvet ſich, 
fo viel befannt, zuerft im Beginn des 16. Jahrhunderts bei Leo Africanus, 
der ihn als ven Hafenplag von Timbultu fchilvert (Ramusio. Venetia 
1613. I. fol. 78, b.), indem es nicht gut thunlich ift, einen noch früher 
borfommenden und angeblich auch am Niger gelegenen Ort vefjelben Namens, 
wie es zuweilen gefcheben, mit jenem für iventifch zu halten. Der bekannte 
maroffanifche Reiſende Batuta, welcher Timbuftu und ven Nigerlauf in diefen 
Gegenden aus eigener Anfchauung fannte, nannte nämlich bereitd um die Mitte 
ded vierzehnten Jahrhunderts einen Ort Kabera am Niger. Da er aber zu⸗ 
gleich angiebt (Journal Asiatique 1845. I, 201), daß der Strom von dies 
fem Kabera abwärts nach Zagha und dann erft nach Timbuftu gelangt, fo 
ift Far, daß fein Kabera fi in größerer Entfernung befand, und daß es 
namentlich nicht fo nahe, wie dad Heutige Käbara bei Timbuftu gelegen haben 
kann, weil 3 verfchiedene Städte fchmerlich auf dem engen Raum gleichzeitig 
ihre Exiftenz gefunden haben möchten. Bei den neueren Berichterftattern tiber viefe 
Theile des Eontinents Eommt übrigens Leo's Kabra fo oft vor, daß man fich wun⸗ 
dert, bei einem ver neueften, bei Richardſon nämlich ( Travels in the great Sa- 
hara II, 191) die Angabe zu finden, er babe bei feinen am Nordrande ver 
Sahara angeftelten Nachforfchungen über die Nigerlander ven Ort gar nicht 
nennen bören.. So erfuhren Iadfon und Lyon übereinſtimmend, ver erfte 
während feines Aufenthaltes in Maroffo (An account of Marocco. 2. Ed. 
1811, 297), der zweite in Fezzan (A narrative of travels in North Africa 
4145), daß Kabra Timbuktu's Hafenplag fei, und dem legten Berichterftatter 
wurde noch Hinzugefügt, daß es mehr eine Anhäufung von Magazinen, als 
eine Stabt fei, indem hier die großen, von Dſchinni herabfommenven Bahrzeuge 
ausgeladen würven. Die Entfernung des Stroms und Kabra's von Timbuftu 
beträgt, wie Leo, Sadfon und Lyon (145) gemeinschaftlich berichten, 12 engl, 
Meilen. Wegen der Kürze diefer Strede und wegen der übrigen Verhaͤlmiſſe 
Kabra's zu Timbuftu, verglich fehon im vorigen Jahrhundert ein einheimifcher 
Heifenver, der Hadſch Kaflem, ven Ort ganz paſſend mit dem befannten Ha⸗ 
fenvplatz Bulaq bei Cairo ( Walkenaer Recherches geographiques sur l’inte- 
rieur de l’Afrique septentrionale. Paris 1820; 427). So findet fich auf einer 
Durch Mungo Park bei feiner zweiten Reiſe entworfenen Skizze (Journal of a 
mission to the interior of Afrika 165) die gegenfeitige Tage beider genannten 
Orte fehr gut dargeſtellt, und es ſtimmt damit ferner ver Bericht eined Einheimi- 
mifchen über die einen halben Tagemarfch Tiegende Entfernung Kabra's und Tim- 
buftu’8 (Clapperton Journal 330) nebft ven ded Tartaren Margi (Wargee) 
iıberein, indem der leßte angab, daß nıan von Kabra nach Timbuktu in 3 Stun⸗ 
ven gehen koͤnne, aber zugleich verfichert daß Kabra, oder, wie auch er ed außfprach, 
Kabera, andem Mazza, einem nicht fchiffbaren Arm des Niger, liege (AsiaticJourn. 
XV], 18). Endlich lernten noch Major Laing und Rene Gaillie ven Weg zwifchen 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. 11. 22 


338 Ritter und Gumprecht: 


beiden Orten aus eigener Anfchauung Eennen. Kabra erfchien jenem Reiſende 
als ein netter, nur 5 engl. Meilen von Timbuftu gelegener Plag (Quarter! 
Review XXXIX, 172), und Gaillie, der dort landete und eine Beeöltenn 
von 1000— 1200 Einwohnern mit fehr großen Magazinen antraf, gab tt 
Weg auch nur auf 8 Fleine frangöftfche Meilen (milles; Voyage & Tes 
boctou H, 301) an. Nach diefer Uebereinftimmung zuverläffiger einheimtt 
und europäifcher Beobachter ift es gewiß völlig irrig, wenn ein einheimid 
Handeldmann, Namens Schabini (An account of Timbuctou and How 
ed. by Jackson 1820, 86), ver ſich fogar drei Jahre zu Timbuktu aufgehalt 
haben will, die Entfernung dieſes Ortes von ver Stelle, mo er fih auf de 
Niger einfchiffte, alfo unzweifelhaft die Entfernung Timbuftu’8 von Kara : 
3 Tagereifen ſetzte. Dem fcheint fogar ſchon eine der älteſten Nachriche 
die wir über Timbuftu’3 Lage gegen den Niger beſitzen, zu widerſprechen « 
dem der Dominicaner Labat in feinen bekanntlich größtentheils aus fremdi 
ſchen, an der Weftfeite de8 Gontinents gefammelten Berichten bervorgegens 
nen fleißigen Werk vie gerade Entfernung der Stadt vom Niger aufm 
6 Lieues angab (Nouvelle relation de 1’Afrique occidentale III, 364), x: 
fichtlich mit Leo's, Uargi's, Laing's und Caillié's Mitteilungen flimmt. 6. 
2) Selbſt Walkenaer in feinem vorhin angeführten Werk (30) me 
feinen portugieflfchen Reifenden, ver Timbuftu erreicht hätte, zu nenne, ® 
dem er einzig nach ve Barros befannten Stelle ( Decas I, lib. III c 12 d 
Lisboa. 1778. I, 257) anführt, daß ver König Johann von Portugal Orten 
an die Könige von Tocuröl und Timbuktu gefanbt habe, von deren Berta 
über die Iektgenannte Stabt nichts weiter befannt geworben iſt. Aber dir 
dings ift nicht zu bezweifeln, daß bei dem Iebhaften Handel, welchen de & 
wohner der fübdeuropälfchen Länder in ver fpäteren Zeit bes Mitnlam⸗ 
nach der Weſtſeite des Continents und bis tief in die Sahara betrieben, of 
europäifche Meifende wirklich bis Timbuktu gefommen waren, © v⸗ 
namentlich) Profeffor Kunſtmann zu München in feiner intereffanten fest 
Schrift: Afrika vor den Entdeckungen ver Portugiefen. Cine Feſtrede, # 
fen in ver K. Akademie der Wiſſ. München 1853, 40 aus ver handſchüſ 
chen florentinifchen Chronik Cod. Ital. fol. 112 eines gewiſſen Beneeit 
nach, daß diefer Autor Timbuktu befucht hatte, indem derſelbe fell 
drüdlich fagt: Sono stato a Tambettu, luogho sottoposto al Bes 
di Barberia fra terra e fanvisi assai e vendensi panni grossi e Res 
ghurnelli con quella Costola, che si fanno in Lombardia. % 
?) Paul Imbert aus Sables d'Olonnes mar Sclave eine von 
Gouverneur der fünmaroffanijchen Stadt Tafilelt zwei Male nach den 
länbern geſandten portugieflfchen Renegaten und zugleich Eunucer ( 
kenaer 51). Imbert begleitete feinen Herrn und erzählte bie Begebuift 
Reife einem feiner Landsleute, einem gewiffen Charant, welcher 25 Yahır 
Nord- Afrika gelebt hatte und einige Einzelnheiten aus dieſen Beitipeilug"" 


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Barth’ Aufenthalt in Timbuktu. 339 


ein von ihm zu Paris im Jahre 1670 herausgegebenes Schriftchen: Lettre 
Ecrite en reponse de diverses questions curieuses sur les parties de 
l’Afrique, ou règne Muley Arxid, roi de Tafilet, pag. 37, 41, 48, 54, 
55, 61, wie Walfenaer (Recherches 51) berichtet, aufnahm. ine Kleine, aus 
dem Branzöfljchen überfegte Schrift mit demſelben Titel: Letter in answer to 
different questions concerning the religion, manners and customs of the 
contry of Muley Arxid, king of Tafiletta. London 1671, erwähnt, ob⸗ 
gleich fie eine Ueberfegung ver erften zu fein fcheint, indeſſen Paul Imbert's 
Meife nach Timbuftu nur ein Mal (S. 14), und auch nur furz. ©. 
°) Gaillie erreichte Timbuftuam 20. April 1828 u. verlied es am A. Mai. ©. 
*) Der Major Gordon Laing Hatte ald Lieutenant in einem der Weſt⸗ 
inbiaregimenter zu Sierra Leona geflanden und von da aus in den Jahren 
1822 und 1823 eine mühevolle Reiſe nach dem Inneren in die Länder ver 
Timmani, Kuranko und Solimani unternommen. Abgehärtet und an afrifa« 


niſches Klima gemöhnt, begann er bald darauf, jchon im Jahre 1825, feine 


zweite größere Reiſe, dies Mal aber von Norden ber. Er verlied zu dem 
Ente Tripolis am 5. Mai ded genannten Jahres und erreichte zuvörberft Gha⸗ 
Damed, von wo er am 19. October wieder abging, und dann bie große Dafe 
Zuat, deren Hauptort Enfala er am 10. Januar 1826 verlies. Somohl Gha⸗ 
Damds, wie Tuat, hatte bis dahin Fein chriftlicher Europäer zu befuchen ver- 
mocht. Zu Timbultu, wohin er am 18. Auguft gelangte, verblieb Laing 
etwas über 4 Wochen, nämlich bis zum 22. September (Quarterly Re- 
view XXXVIN, 171; Bulletin de la soc. de Geogr. de Fr. 1r° Ser. 
x, 231). Wir verdanken dieſem Reiſenden unter andern bie erfte aftronomi- 
ſche Beſtimmung der Lage von Ghadamès und Enfala, beides fehr wichtiger 
Bunte, indem er Ghadamès in 30° 7’ n. Br. und 9° 16’ öſtl. L., Enfala 
aber in 27° 51’ n. Br. und 2° 15’ döfll. 8. fand. Bid Tuat, ja nod 
11 Märfche weiter, war Laing's Unternehmung ganz glüdlich geweſen, indem 
ibm der als Freund der Europäer fo bekannt gewordene Tuareghäuptling 
SHatita, der fpäter wiever Denbam und Clapperton durch die Wüſte gelei= 
tete, und in neuerer Zeit auch Barth und Overweg in ähnlicher Weife führte 
(Berl. Monatöber. 1852. 213), als Beſchützer diente. Aber fünlich von 
Tuat bei der Localität Uadi Ahennet (Quart. Rev. XXX VII, 104; XXXIX, 
171) überfiel unferen Reiſenden eine Motte Tuaregs in feinem Zelt, ehe er 
und feine Begleiter zu den Waffen greifen konnten, und richteten ihn mit 23 
Wunden, worunter 18 ſehr fchmere und zwar Kopfmunden, fo fürchterlich 
zu, daß er als todt auf Dem Plage blieb, morauf er auch des größten Theile 
feiner Habe beraubt wurde. Don einigen mitleivigen Gliedern der Karavane 
aufgehoben, vermochte er mit deren Hilfe nach der Dafe Azoad zu gelangen und 
fih während eines mehr als zweimonatlichen Aufenthaltes im Juni und Juli 
feine Wunden größtentheild Heilen zu laſſen. Ohne weiteren Unfall erreichte 
endlich Laing nach feiner ziemlichen Wiederherſtellung Timbufiu, mo 
22 * 








840 | Ritter und Gumprecht: 


er bei den Einwohnern eine fehr gute Aufnahme fand, ungeachtet er fd- 
nen Charakter als Chrift niemals verläugnet Hatte (Gaillie II, 3). 
Bald aber erregte er den Argwohn des Beherrichers des Felan (Felatah) reide 
Maffina, Ahmed Labu (Labbou), welcher kurz vorher die Start fih une: 
worfen hatte und dem auch Timbuktu's Rivalin, die ſchon ermähnte grek 
Handelsſtadt Dſchinni, gehörte. Der Ruf der Siege und der wachſene 
Macht ver Engländer in Indien hatte fich damals durch alle muhameraniite 
Länder verbreitet, fo daß die Bellans felbft in dieſen centralften Theilen Ror- 
Afrika's einen feindlichen Angriff der Europäer befürchteten, wie Glayyperist 
während feines zweimaligen Befuches von Sofatu, der Reſidenz von Ahna 
Labu's Verwandten, des bekannten Sultand Bello, Gelegenheit hatte, zu  : 
fahren. Es wurde "deshalb jever Europäer, dem es gelungen war, bi p 
den Kelänreichen vorzudringen, mit großem Argwohn bewacht. Der Hertſche 
von Maffina gebot feinem Statthalter Osman die Ausweifung Laing's (Qus- 
terly Rev. XXXIX, 172), welcher dadurch gendthigt wurde, nach einem lan 
mehr, als vierwöchentlichem Aufenthalt die Stadt am 22. September zu verlafle. 
indem er beabfichtigte, in weftlicher Richtung vie Küfle und zunächſt den vard 
Mungo Park befannt gewordenen, aufwärtd am Niger gelegenen wider 
Haudelsort Sego zu erreichen. Aber obgleich der Laing freundliche Felänge 
verneur fich für deſſen weitere Sicherheit bis wenigſtens zu ber Dafe Ir 
uan (Gumprecht Geogr. von Afrika 257) Mühe gegeben und ihm dazu em 
Art EScorte verfchafft Hatte, fo war biefe Doch zu ſchwach, einem fchon ei 
Tagereifen vor Arauan erfolgten Angriff eines Haufens Araber von dem tär 
berifchen Stamm der Berabifches zu widerſtehen, durch welchen Laing ermerkt 
wurde, obgleich fein eigener Führer zu dem Stamm gehörte, indem mar iM 
mit feinem Turban erwürgte (Caillié IL, 350. 370). Der Meifende font 
fein Leben retten, hätte er apoflafiren wollen, aber in hochherziger Sr 
nung 308 er ben Tob einem ferneren ſchmachvollen Leben vor, da er einſcha 
mochte, daß die Verläugnung feine® Glaubens ihm doch nicht zur Freihe 
und zur Ruückkehr in das Vaterland verhelfen würbe. Ueber Laing's Schi 
fale in Timbuftu und feine gezwungene Entfernung giebt -ein intereſſauri 
dort auögefertigted und von 15 Bewohnern der Stadt nievergefchriebenet Tr 
cument, welches nach Europa gelangte und durch Barrow im Quarleriy Br 
view (XXXIX, 172) mitgetheilt wurbe, Kenntniß. Bald nach des Reiſe 
den Tode kam Gaillis auf feinem Nüdwege von Timbuktu nach Aranan de 
ber Stelle vorbei, wo man feinen Vorgänger ermorbet hatte, und er erfaht 
von 9 Mitgliedern feiner Raravane, wovon einige fogar Zeugen der Schard⸗ 
that geweſen waren, das Nähere darüber. Im Wefentlichen ſtimmten fe! 
Nachrichten und der Bericht eines Iangjährigen maurifchen Bewohners von Tiz’ 
buftu, fowie ein zweiter, welchen ver damalige franzöflfche Generalconful 1 
Tripolis, Rouffeau, von einem Kaufmann aus Ghadamss erhalten hatt 
(Bulletin de la soc. de G&ogr. de Fr. 1’* Ser. IX, 157), überein. Rn 


— — — — — — — —— 


Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 341 


darin weicht Gaillie'8 Bericht von den übrigen ab, daß er ald Moͤrder Individuen 
des Zuuätftammes nennt, wogegen die anderen einflimmig die nörblich von 
Timbuktu bis nahe an die Stadt haufenven und bis Arauän, fo wie bis zu ver 
Dafe Mabruf (Gumprecht a. a. DO. 258) fich verbreitennen Berabifches als 
Thäter bezeichnen. Letzte find arabifche Nomaben, deren Namen fehr früh 
befannt war, indem ein gleich ausführlicher zu ermähnenver portugiefifcher 
Berichterftatter, Ioäo Nodriguez, bereitd am Schluffe des 15. Jahrhunderts 
in diefen Gegenden von einem Lande Berebifch Kunde giebt (Abhandlungen 
der Königl. bayerijchen Akademie der Wiflenfchaften. Hiſtor. Klaffe. IV. 
©. 45, 47 ver Abhandlung von Schmeller und ebendort VI, 195, 214), 
und ferner im 16. Jahrhundert der befannte fpanifche Schrififteller Mars 
mol de Garjeval den Stamın der Berebeches anführte (lieb. von v’Ablane 
cgurt IH, 5). In neuerer Zeit wiererholte fi) ver Name haͤufiger in 
verfchiedenen Formen, immer aber wurde der Stanım, der ihn führt, gang in 
die Nähe Timbuktu's verſetzt. So erwähnte der Hadſch Kaflem die mit 
den Zuäreg handelnden EI Barabifcharaber (EI-Barabich bei Walkenaer Re- 
cherches 425), Jackſon die Brabifch (tribe of Brabeesh 305, 308), ver 
Maure aus Timbuftu, der über Laing's letzte Lebenszeit Kunde gab, die Ba⸗ 
tabiche® (Les Barabiches sont des Maures, qui habitent dans les envi- 
rons de Timbouctou et d’Arawane; Bull. de la soc. de Geogr. de Fr. 
1re Ser. IX, 205; Gailli& III, 398) und endlich noch Renou vie Berbefch 
(Berbech; Exploration scientifique de l’Algerre. Sc. hist. et geogr. II, 
342). Durch) den Tod des muthvollen Neifenden Hat die Kunde des cen- 
tralen Nord» Ufrifa einen fehr großen Verluft erlitten, obgleich ihm fchon im 
Beginn feined Zuges durch die Sahara der Einfluß der Atmofphäre faft alle 
Inſtrumente verbarb, da derſelbe alle Eigenfchaften eines tächtigen Forſchers 
in fich vereinigte, und weil es feitvem noch feinem europäifchen Reiſenden 
wieder gelungen ift, ven Weg durch die Wüfte von Ohadames über Tuat 
und Mabrüf zurüdzulegen. Deshalb muß es um fo mehr in Verwunde⸗ 
zung feßen, daß das, mad von Laing's Papieren nach Europa gelangte, nie» 
mals ganz in die Deffentlichkeit getreten ifl. So gab I. Barrow die Nachricht, 
daß der bis Tuat reichende Theil von Laing's Tagebüchern und Berichten 
glüdlich an dad Kolonialamt zu London gekommen fei, nur ber Meft fehle 
(Quart. Rev. XXXVIII, 109); und ferner theilt derſelbe an Jomard mit, daß 
ein von Laing den Tag vor feiner Ubreife (den 21. September 1826) aus Tim» 
buftu an die Familie feined Schwiegervater, des britifchen General» Eonfuls 
zu Tripolis, Col. Warrington, gerichtetes Schreiben, viele® Detail über Tim» 
buftu und merfwürbige von ihm gefammelte Beobachtungen enthalte. Barrow's 
eigene Worte find folgende: Ensuite il (2aing) entre dans beaucoup de 
details, touchant cette ville et donne un grand nombre de documents 
curieux, qu’il a r&eunis sur ce sujet et d’autres materiaux qui sans au- 
cun doute seront publies en temps convenable (Bull. de la soc. de 











342 Nitter und Gumpredt: 


Geogr. de Fr. 1" Ser. 1827. X, 231), was aber niemals geſchehen 
ift, indem die von Barrow .im Quarterly Review mitgetheilten Brik: 
Laing's aus Timbuftu unmöglich Die bezeichneten reichhaltigen fein können. 
Mit Brund darf fich die wiflenfchaftliche Welt über die große Gleichgül⸗ 
tigkeit beflagen, mit der man in England biöher ven Nachlaß eines ver un 
erichrodenften britifchen Reiſenden behandelt Hat, und es ift, nachden 
Barrow felbft daraus die vorhin angeführten Pofltionen von Ghabamdt 
und Enfala mitgetheilt hat, kaum zu glauben, daß der übrige Inhalt jo um 
beveutend war, daß er vie Veröffentlichung nicht verdient haben ſollte. !r- 
der aber fcheint ver größte Theil von Laing's Papieren verloren zu fein. Unmu⸗ 
telbar vor feiner Abreife aus Timbuktu meldete der Reiſende (Quart. Ber. 
XLII, 465), daß er die Abficht habe, fie nach Tripolis zu fenden, wo f 
vielleicht nicht angekommen find. Wenigftend möchte man nicht gern glıw 
ben, daß der von Barrom auf den General» Gonful Rouffeau geworfen Ba: 
dacht (Quarterly Review XLII, 471) ſich durch eine nichtswuͤrdige Intrigue u 
den Befig des fchriftlichen Nachlaffes des Meifenven gefeßt zu haben, gegrix- 
det ift. Welcher Natur envlich diejenigen Papiere Laing's find, die nad) Rıdar- 
fon’8 Angaben (Travels I, 262) ſich noch in neuerer Zeit in den Hänka 
des nun auch verftorbenen Oberft Warrington befanden, wiſſen wir eben ie 
wenig. Laing's junge Gattin Emma, welche fich unmittelbar vor dem Antrit 
feiner Reife mit ihm verbunden Hatte, folgte ihm bald im Tode nad, bed 
erlebte fie noch vie Freude, daß das Andenken ihres Mannes durch eine von M 
geographifchen Geſellſchaft zu Paris becretirte und ihr überreichte Meailı 
geehrt wurde. Bemerfenswerth ift endlich vie Schnelligkeit, womit ft 
die Nachricht von Laing's Tode durch ganz Nord-Afrika bis zu den m 
fernteften Küftenftrichen verbreitete. Schon Ritter hatte in Bezug auf F. 
Parts Ton eine ähnliche Bemerkung gemacht (Erdkunde 2. Ausg. I, 490- 
431), und fo gelangte Died Mal die Nachricht von Laing's Ermorbung fa 
gleichzeitig über Ghadamès nad; Tripolis (Bull. de la soc. de Geogr. & 
France. 1’*Ser. VII, 204; VII, 25; IX, 32, 48, 151, 157), dann we 
Marokko (ebenvort 104) und nach Gt. Louis am Senegal (ebenvort I 
203—205; XI, 83). 9. 
°) Journal of a Mission 208— 216 nad) Ahmadi Fatouma's Jourmd 
und Account of Timbuctoo by Shabeeny 319. N. 

2) Nur Bruchftüde aus Adam's verworrenen Erzählungen über Ti® 
buftu wurden in dem Werk: The narrative of Rob. Adams, a sale 
who was wreked on the northern coast of Africa in the year. —B 
London, 1816, 21— 48 veröffentlicht. R. 

°) Allgemeine Erdkunde 2. Aufl. I, 445 — 467. R. 

°) Nach Kunſtmann (Abhandlungen ver K. Bayeriſchen Akad. d- Bi 
Hift. Klafie. VI, 175) ift unter Repoſteyro ein Verwalter der Leinwan. 
Meubeln und des übrigen Hausgeraͤths des Königs zu verftehen. 0. 


Barth's Aufenthalt in Timbuftu. 343 


0) Died verfichert befonderd auch Lebret in f. Staatögefchichte von Ve⸗ 
nedig II, 689; doch ift meined Willens ein Decret der portugieflfchen Regie⸗ 
rung bierüber niemals veröffentlicht worden. ®. 


12) Es ift dies die ©. 341 angeführte Abhandlung. ®. 


2) Kunſtmann's eben erwähnte fehr ausführliche und fehr lehr⸗ 
reiche Arbeit über die Handelsverbindungen der Portugiefen mit Timbuktu im 
15. Jahrhundert erfchien ebenfalls in den Abhandlungen der Münchner Aka» 
demie Hift. Kl. VI, 172—235. In ihr wird nach Rodriguez mitgetheilt 
(190), daß die Bewohner Timbuktu's einen flummen Gold» und Salzhan⸗ 
del mit den Negern trieben. Iſt died gegründet, fo wäre Died ein neues Bei⸗ 
fpiel za den früher von mir gefammelten ähnlichen aus dem Inneren von 
Afrika (ſ. dieſe Zeitfchrift IL, 243). . Doch beruht viefe Nachricht, gleich den 
neueren von Cadamoſto an, einzig auf ven Erzählungen der an die Weft- 
küſte gefommenen maurifchen Hanveldleute, und es fehlt alfo immer noch an 
einer Beſtaͤtigung dieſes eigenthümlichen Verkehrs durch Augenzeugen, wenn 
auch Cadamoſto ausdrücklich verfichert (Ramusio I, fol. 100 a.), vie Eriftenz 
eineß folchen von vielen Kaufleuten und glaubwürdigen Perfonen gehört zu 
haben. Namentlich bleibt es auffallend, daß zuverläffige Beobachter, vie 
Leo Africanus und Ihn Batuta, ungeachtet ihres Tangen Aufenthaltes in ven 
weftlichen Theilen des Nigerlanves, Teine Kenntnig davon gehabt zu haben 
fheinen, indem fie wenigftens diefen Handel mit keinem Wort erwähnen. ©. 


3) Kunftmann in den Abh. der Münchener Akad. H. Kl. VI, 226, 
229. Bei der für die Entwidelung eined großartigen Handelsverkehrs nach 
allen Richtungen ungemein günftigen Lage Timbuktu's ift wohl mit Grund anzu⸗ 
nehmen, daß ein folcher hier ſchon vor der portugieflfchen Entdeckungszeit flatt- 
gefunden hatte. Wegen des Mangels von Berichten älterer arabifcher Geſchichts⸗ 
fchreiber über diefe Stadt (nur eine von einem Bewohner der Dafe Arauan 
Namens Sidi Ahmed Baba verfaßte ausführliche Gefchichte Timbuktu's, wo⸗ 
von der Generals Eonful Rouſſeau Kenntniß erhielt (Bulletin 1”° Ser. VII, 
177) fol exiftiren, aber bisher noch nicht nach Europa gekommen fein). Da- 
gegen läßt ſich aus der reichhaltigen durch Cadamoſto und Rodriguez ( Münches 
ner Abhandl. VI, 190; Kunftmann Feſtrede 40) im 15. Jahrh., und durch Leo 
und de Barros im 16. gefanmelten Nachrichten mit vollem Grund vie Eriftenz 
eines folchen Verkehrs annehmen. Der erfigenannte Berichterflatter verficherte 
nämlich, daß das Gold aus dem damaligen Reich Melli (f. weiterhin ©. 346) 
zum Theil nach Timbuftu komme, wo es fich vertheile, indem ein Theil da⸗ 
von in fait genau nörblicher Richtung über die große Dafe Tuat nach Tus 
nid und der ganzen nörblichen Küfte des Mittelmeered gelange, der andere da⸗ 
gegen eine mehr nordnordweſtliche Richtung über die Dafe Hoden (Bump 
recht Geogr. von Afrika S. 257) einfchlage und die weftlicheren Küftenfläte 
im jeßigen Maroffo erreiche. Auch Erze und Silber brachte man damals 








344 C. Ritter und Gumprecht: 


nad) Cadamoſto's Erfundigungen auf dem Wege durch die Sahara nad Im: 
buftu (Ramusio I, fol. 99a). Webereinftimmend damit fchilverte de Barrel 
die Stadt als einen überaus wichtigen Handelsplatz (Dec.I. Lib.IH. c.8). @. 
0) Iſt es auch überaus wahrfcheinlich, Daß die karthagiſchen Haudeli⸗ 
leute oft perfönlich ihre Waarenzüge quer durch die Sahara nach den Rige- 
ländern geleitet haben, wie es noch heute durch die von Ghadames, Trips 
is, Mefurata und Tunis gefchieht, fo fehlen und doch darüber pofitive Rad 
richten, mit Ausnahme einer einzigen, gelegentlich bei Athenäus vorfommean, 
wo diefer Autor meldet (Ed. Schweighaeuser I, 169), daß der Carthager Ray 
drei Mal die Wüfte durchzogen habe, ohne von etwas anderem als trede 
nem Mehl zu leben. Streng genommen darf freilich dieſe Mittheilung nic 
völlig als beweiſend gelten, da Mago möglicher Weife in einer andern 
Nichtung von Carthago aus, z. B. über das jegige Tripolis und tie Oeſe 
Siuah, nady Aegypten durch die Wüſte gegangen fein kann. Ueberhaupt ik 
ed auffallend, daß fich über den Handel der norbafrifanifchen Küftenflärr 
nach den Nigerländern ine Altertfum fo wenig pofitive Nachrichten erhalten 
haben. Befaßen auch die älteren Garthager die Macht und den Willen, tw 
Sandelöftraßen durdy die Sahara vor den Fremden zu verheimlichen und u 
verfchließen, fo bleibt es doch unerflärlih, warum uns felbit aus im 
langen Zeit der römifchen und byzantinifchen Herrfchaft amı Mittelmeer von 
diefem Verkehr und ven Wegen durch die Sahara nach den Nigerlänten 
feine Nachrichten geblieben find. Daß ein fo einträglicher Verkehr fd 
nie aufgehört Hat, erweift vor Allem Ptolemäus bewundernswerth genau 
Kenntnig der centralen Theile des Continents. @. 
20) Die Pferbezucht ſcheint zu feiner Zeit in dem ambpten Theile da 
Nigerlänver mit befonderem Erfolg betrieben worven zu fein. So berichtet 
Ion Batuta um die Mitte des 15. Jahrhunderts, daß die Pferde in de 
Reich Melli fo felten feien, daß man bis 100 Mithcals (d. h. etwa 10 
Ducaten) für dad Stück bezahle (Journal Asiatique 1843. I, 222), m 
übereinflimmend damit fagen Cadamoſto (Ramusio I, fol. 99, b) und fe 
Africanus (ebenbort I, fol. 78, b) vaffelbe. Sp verficherte nämlich Erſter, ve 
bie weftlichen Araber viele Pferde aus den nörblichen Küftenlänvern des Ger 
tinents holten und fie in bie Ränder ver Neger führten, wo man 10-9 
Sclaven für ein Pferd gebe, und Letzter, daß das Land Timbuktu Feine Pferde 
habe; nur wenige fleine gebe e8, deren ſich die Kaufleute bebienten, bie größer 
famen aus den Lanbfchaften am Mittelmeer, wogegen freilich @lapperton (Jour 
nal 331, 338) und ein von Barth mitgetheilted Stinerar (Journ. of the Geogt. 
Soc. of Lond. XXI, 215; Berl. Monatsber. 1852, 392) ausprädlic de 
fehr große Zahl feuriger Pferde in den Umgebungen der noch weiter zu erwaͤhnen 
den, am mittleren Niger gelegenen Stadt Libthako und im Lande Mufchi ermih 
nen. Beſſer ift es jedenfalls mit der Pferdezucht in den öftlicheren Strichen tel 
Nigerlandes beftellt, indem ver arabiſche, am Ifad= See wohnende Stamm M 





Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 345 


Schuaaraber im Beflg einer großen Menge von Pferden ift, welche er nach 
dem Weften over nach Haufla verfauft (Denbam I, 80, a). Dennoch wer- 
ben bie Pferde aus den Küftenländern am Wittelmeere von den Bewohnern 
Bornu's höher gefhägt und fogar fo gut bezahlt, daß die daher fommen- 
den Kaufleute ihre mitgebrachten Pferde in Bornu vortheilhaft gegen Sclaven 
verhandeln (Ramusio I, fol.80 a; Lyon 154). ®. 

10) So überaus reich Afrifa an Bold ift, fo auffallend arm ift es um⸗ 
gekehrt an Silber, ja die Armuth wird dadurch noch größer, daß felbft in 
denjenigen Gegenden, wo es unzweifelhaft Silbererze giebt, wie in Marokko 
(Jackson Marokko 127), die Gewinnung bes Silberd aud Mangel berg- 
und büttenmännifcher Kenntniffe nur ſchwach oder gar nicht betrieben wird, 
Deshalb muß auch Pallme's Mitiheilung (Befchreibung von Kordofan. Stutt⸗ 
gart 1842, 216), daß die im Süpoften des Tſad⸗See's gelegene große Land- 
[haft Runga rei an Silber fei, für fehr problematisch gelten. Brown's 
Mittheilung aber (Travels in Africa 353), daß es in Afnu, d. h. in Haufla, 
alfo in einer Nigerlanpfchaft, einen ſolchen Ueberfluß von Silber gebe, daß 
die Bevölkerung ihre Waffen, und feldft die Kopf» und Bruftfchilde ihrer 
Pferde daraus verfertige, ift erwiefen eine grobe Babel, indem einerfeits Feine 
neuere Nachricht eined Einheimifchen die Angabe beftätigt, dann, weil auch 
Clapperton, ungeachtet feines Tangen Aufenthaltes in Hauffa, dieſes Ueberflufs 
ſes mit feinen Worte gedenkt, envlich weil bei dem gegenfeitigen Werthver« 
haͤltniß von Gold und Silber auf dem von Haufla nicht fehr fernen Markt 
von Sanfading, wo M. Bart vafjelbe gar wie 14:1 gefunden haben will 
(Journal of a mission. Append. 17), eine folche Erfcheinung eine reine 
Unmöglichkeit wäre. Doch wunderbar übereinflimmend mit DM. Parts An⸗ 
gabe ift Nodriguez Mittheilung (a. a. DO. VI, 198), daß wegen der Selten» 
heit das Silber im Innern zu feiner Zeit fo Hoch geflanven habe, daß Die Araber 
der Sahara je 14 Unzen des aus den Ländern der Ehriften ihnen zufommen- 
den Silber mit 1 Unze Gold bezahlten. In Europa betrug daſſelbe Verhält« 
niß befanntlich zur früheren Römerzeit wie 10:1, von Julius Caſar bie 
Domitian 11:1 (Hertha von Berghaus IT, 255); im Mittelalter zu Fried⸗ 
rich's I. Zeit nach einer Beſtimmung des Erzbifchofed Wichmann von Magde⸗ 
burg auch wie 10:1 (v. Levebur Archiv XVI, 270), und zur Zeit der gro- 
Ben englifchen Revolution envlich wie 12:1 (Dahlmann Gefch. der engl. N. I, 
401). Während ver Zeit der Verferkriege kannte Herodot daſſelbe Verhaͤltniß 
wie 13:1 (IN, 41). G. 

7) Die Morabituͤn, woraus die ſpaniſchen Schriftſteller Almoraviden 
gemacht haben (Davezac Journal Asiatique. ſe Ser. IV, 188) waren 
ursprünglich eine religiöfe, unter den Berberſtaͤmmen zmifchen dem Atlas und 
dem Senegal entſtandene Secte, die fpäterbin eine fehr bebeutende politifche 
Wichtigkeit erhielt und in vieler Hinficht den chriftlichen Kreuzzüglern in Eu⸗ 
ropa glih. Ihr Name kommt von Morabet (woraus ver bekannte, bei den 





346 C. Ritter und Gumprecht: 


Europäern für die mubamevanifchen Priefter des weflichen Afrika noch üt- 
lihe Name Marabut entſtanden ift) und beveutet urfprünglich: ein zu einen 
-Ribat gehöriged Individuum (Guckin de Slane Journal Asiatique 3=* Ser 
XII, 168, 196, und in Ibn Khaldun Histoire des Berberes. Alger 1832. 
I, 83). Unter ven Ribat's verflanven die Muhameder des Mittelalters nim- 
lich befeftigte Grenzpoften, vie zum Schuß der Gläubigen und zugleich als 
Angrifföspunfte gegen die benachbarten heidniſchen Völkerfchaften dienten, De 
hin begaben fich die Gläubigen oft, um auf eine Zeitlang an den Kämpfe 
gegen ihre Nachbarn behufs ver Ausbreitung der Religion Theil zu nehmm 
Später verloren vie Ribats ihre militairifche Bedeutung und verwankda 
fih in eine Art Klöfter, wo fich religiöfe Eongregationen fammelten. Ur: 
fprünglich beveutet aber Nibat fo viel, als Band, und man nanntı die 
Forts fo, weil fie vem Feinde die Hände zu binden beſtimmt waren. & in 
dies unzweifelhaft daſſelbe Wort, das noch jegt, nur wenig modifitirt, in 
Nord⸗Afrika ald Städtenamen und als Bezeichnung einzelner Stabtiheile ver 
fonımt (f. diefe Zeitfchrift I, 401). @. 
18) Weber die eigentliche Lage des feit der Epoche der arabifchen Schrif⸗ 
ſteller des Mittelalterd bis in die neuefte Zeit im centralen Nord = Afrika hauks 
genannten Reiche Mali, Mali oder Meli find oft Vermuthungen aufgeht 
worden, und noch in neuerer Zeit hat D. Cooley in feinem befannten jhir 
baren Wert: The Negroland of the Arabs 61— 70 viefem Gegenfank 
eine befondere Aufmerkfamkeit gefchenkt. Alles erwogen, laßt fich faum be 
zweifeln, daß tarunter die große, am oberen Niger gelegene Lanrigefl 
Bambara zu verftchen ift, deren Fürften ihre Herrichaft damals ſchon, mw 
noch in neuerer Zeit öfters, über die eigentlichen Grenzen der Landſchaft fü 
aus im Often verbreitet und fich der großen Handelsſtadt Dſchinni am Riyt 
nebft Timbuktu's bemächtigt hatten. Daß Mali mit dem Heutigen Ban 
bara identifch ift, ergiebt fich namentlich auch aus der gleich weiter zu enwif 
nenden Darftelung Ibn Batuta’3, indem diefer das Oberhaupt des Laniel 
Manſa, alfo mit einem Wort der noch in Bambara herrſchenden Manvinge 
fprache, das fo viel als Herrfcher beveutet, wie fogar ſchon Batuta wup, 
nennen börte (Le Sultan de Melli s’appelle Manca Soleiman; le mel 
Manga signifie Sultan. Journal. Asiatique 4=* Ser. I, 204), dann we 
der arabifche Neifende den Weg von der Dafe Iwalaten (Oualäta der Ar 
ren; bei Mungo Park irrig Walet genannt, Travels 119; Gumprecht Ges. 
von Afrifa 257) nach Meli in 24 freilich forcirten Xagemärjchen zurif' 
legte (Journal Asiatique 4° Ser. I, 198), was mit den neueren Erfah 
rungen über die Entfernung Oualata's von der großen Handelsſtadt © 
am Niger in Bambara genau übereinftimmt, endlich weil auch Ibn Batuta, che 
er Mali erreichte, Bäume von Eoloffaler Entwidelung und einen Wald ar 
traf (a. a. O. 198), dies aber vie Exiſtenz eines fruchtbaren Lanbfriht 
nördlich vom Niger, wie er noch in Bambara vorhanden ift, hinweiſt, Te 





Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 847 


gegen dies nie bei Timbuftu flattgefunden haben Faun, weil bier die Wüfte 
unmitielbar bis an die Stadt und den Niger reicht. ©. 

29) Die zu kurze Herrfchaft ver Morabitun oder Almoravidenberbern 
war eine der glänzenvften und mohlthätigften, welche die Geſchichte Spaniens 
aufzumeifen bat, indem biefelben Aderbau, Manufacturen und Kandel beför- 
derten und fich zugleich durch große Toleranz gegen ihre chriftlichen Unter⸗ 
thanen außzeichneten (Annales Regum Mauritaniae ab Abu-l-Hassan 
Ali Ben Abd Allah Ed. Tornberg I, 146 —147). ° ®. 

2°) Das Buch diefed gewöhnlich unter dem Namen EI Bekri bekann⸗ 
ten Autors führt im Urabifchen den Titel Almesalek u almemalek und ift 
eine ber beften geographifchen Arbeiten der Araber aus tem Mittelalter. 
Duatremere überfegte daſſelbe größtentheild in ven Notices et extraits de 
la bibliothöque du Roi X, 437 — 658. Im Original und vollftändig ift 
es biöher noch nicht erfchienen. 

22) Notices et extraits XI, 617 — 618; 623 — 637. ®. 

22) Nach den vorzüglih von Walfenaer (Recherches 279 — 286) 
angeftellten Unterfuchungen über die beiden am Südfuße des Atlas in Ma⸗ 
roffo häufigft genannten Ortfchaften Sipfchilmafa (Sedſchelmaſſa) und Tafl- 
lelt ift e8 wohl unzweifelhaft, daß beide entweder genau inentifch find, ober 
wenigftend nahe aneinander gelegen haben. Died ergiebt ſich dadurch 
befonvers, daß der erfte Ort einzig bei den älteren arabifchen Autoren bis 
Leo abwärtd, niemals aber bei den neueren Berichterftattern, ver zweite da⸗ 
gegen audfchließlich bei ven leten vorfommt, und daß zugleich Marmol an- 
giebt (Br. Ueberf. III, 20), Sivfchilmäfa fei unter der Herrfchaft ver Be⸗ 
nimerid zerftört worben, und feine Bewohner hätten fich nach den benachbar- 
ten Ortfchaften Bin zerftreut, envlich dadurch, daß Tafllelt nun ganz, wie einft 
Sidſchilmãſa, der Hauptausgangspunft für die aus Marokko durd) die Sa- 
hara nach den Nigerländern ziehenden Caravanen ift. ©. 

22) Iſt das alte Neich Mali oder Melli iventifch mit dem heutigen 


“ Bambara, fo dürfte auch der im Mittelalter Hoch berühmte Ort Gana mit 


der großen, hier wiederholt genannten, weſtlich Timbuftu, an der großen 
Biegung des mittleren Niger gelegenen Handelsſtadt Dfeyinni zuſammen⸗ 
allen. ©. 
324) Nil el Abeed or the Nile of the Negros. Proceedings. Ausg. 
von 1790. ©. 121; Jackson 297, 304. G. 

35) Dfehinmi (Zinnie) verdankt einen großen Theil feines Neichthums 
den ausgedehnten Handel mit den bier ſchoͤn und ungemein kunſtvoll gear- 
Beiteten Golofachen (Jackson Marokko 290, 291; &umprecht Geogr. von 
Afrifa 284, 287, 291; f. auch bier 322). ©. 

26) Leo Africanus bei Ramusio I fol.78, a. — Wo irgend in Nord⸗ 
Afrika das Wort Manfa als SHerrfshertitel vorfommt, darf man ficher 
fein, Mandingos zu finden (ſ. bier ©. 346). Noch heute ift ver Titel in 





348 &. Ritter und Bumpredt: 


den Mandingolanpfchaften fehr verbreitet, und ſchon de Barros fagte in der Gin 
fiht: Mandi Mansaä — o qual principe dos mais poderosos 

partes da Provincia Mandinga. Asia Dec. I. 1ib. III c. 12. (Ed. Las 
boa 1778. I, 257). G. 

27) Den vollſtaäͤndigen muhamedaniſchen Namen dieſes vortrefflichen 
Autors nennt Davezac de Macaya Al⸗Hhaſan ben Mohhamed al Gharnathe 
(Journal Asiatique Ire Ser. IV, 181). G. 

2°) Ramusio I., fol. 78, a. G. 

22) Died Hefkätigt fih noch dadurch, daß ver Name fichtlih auf eime 
Berberwurzel hinweiſt, wie ed denn unzählige norbafrifanifche Ortsnamen 
im Gebiet der DBerber giebt, vie mit der Sylbe Ten over Tin beginnen. 
Häufiger kommt deshalb flatt der jeßt gewöhnlichen Schreibart ded Namens 
eine noch mehr auf Berbercharakter Hinmeifende vor. So haben ſchon vie 
Manuferipte ded Ion Batuta die Form Tenboftu ( — Journal 
Asiat. 4=* Ser. I, 226), und e8 mag nur die Negeraußfprache vie zahlrei- 
hen abweichenden Schreibarten veranlagt haben, welche wir von dem Re 
men finden. D’Avezac (Davezac de Macaya) war wohl der Erfte, der den⸗ 
felben aus dem Berber zu erflären fich bemühte, indem er Buftu für em 
Nomen proprium, die Sylbe Ten aber, wie in ven Namen Ten-Daffen, Im 
Gacem, für gleichbedeutend mit Brunnen nahm, da ſchon der Hadſch Khaſ⸗ 
fein ven erften Namen durch Brunnen des Daden, den zweiten dur) Brunnen 
des Hammeld erflärte (Walfenaer 421, 446). Tenboftu würve hiernach Bruns 
nen des Buftu bedeuten (Journ. Asiat. 1” Ser. IV, 194; 2we Ser. I, 
362). Mit dieſer Etymologie flimmt ganz eine in neuerer Zeit von Ri⸗ 
chardfon (Travels II, 192) verfuchte, dem die von Davezac muthmaßlich un: 
befannt geblieben war. Derfelbe hörte nänılich in der Sahara Timbuftu in zwei 


Arten nennen: 133%,5 (Zimbuftä) und xX5 (Ximbultu), welches beides mit 
Yon Batuta’3 Schreibart Ar, wie der Meifende meint, übereinftimmt. 
Tin (Teen) heißt nämlich auch nach Richardſon im QTuareg Quelle (well) 
oder Brunnen (pit), und Timbuktu wäre demnach wieber fo viel, ald Brun- 
nen des Buktuͤ, wahrfcheinlich weil Hier ein gewiſſer Buktuͤ der erfle Gräber 
von Brunnen geweſen war, fo wie ed nach Richardſon in der Sahara noch einen 
Brunnen Tinabunda, d. h. Brunnen des Bunda, giebt (II, 287). Indeſſen 
ift zu bemerken, daß in ven Wörterbüchern von Delaporte und Benture de 
Paradis, der algerifchen Berbervialecte das Wort Ten ober Tin nirgends durch 
Brunnen erflärt wird. Nach der Deutung des fchon erwähnten timbuftu'- 
fchen Hiftoriographen Sivi Ahmen Baba (©. hier S.343), welcher die Grün- 
dung der Stadt älter, al® Leo. annimmt und fie in das Jahr 510 v. 9. 
(1110 nad Ehr. ©.) verfegt, ift dagegen Tin ein zueignendes Fürwort, umd 
ed bedeute Timbuftu Eigenthum einer Frau, Namens Buktu (Rouſſeau 
im Bull. de la soc. de Geogr. de Fr. 1" Ser. VII, 177). Endlich 


Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 349 


aimmt der um die Kenntnig Nord⸗Afrika's hoch verviente Jomard eben- 
fans einen Berberurfprung ded Namens und Orte an (Eaillis III, 252), 
welcher wirklich dadurch fehr wahrfcheinlich wird, daß nach Caillios (II, 
281, 291, 297), dann Laing’® und neuerlichft Barih's übereinftimmenven 
Berichten die Tuäregd bis unmittelbar an die Stadt wohnen und noch 
Beute einen Theil ihrer Bevölferung bilden. Zu Ihn Batuta’8 Zeit wa⸗ 
ren Tuäregs fogar die Kauptmaffe der Bevölkerung, da, wie weiterhin ges 
zeigt werven fol, die Miſſoufiten, welche viefer Reiſende ald den Haupt⸗ 
theil der Bewohner zu Timbuktu vorfand (a. a. O. 226), ein Stamm des 
Berbervolfes find. Nicht unbemerkt mag endlich Hierbei bleiben, daß der 
rüuhmlichft befannte M. Leake bei jenen Unterfuchungen über die Beogra- 
phie Mittel» Afrika’8 den bei Ptolemäud (lib. IV cap. 6. Ed. Wilberg 
294) vorkommenden Ort Thamondocana für Timbuftu zu Halten geneigt 
(Journal of the geogr. Soc. of Lond. II, 14). In der That feheint jenem 
alten Namen ein Berberwort zum Grunde zu liegen. G. 


20) Ptolemaeus lib. IV, c.6 (Ed. Wilberg 297). R. 
22) Nach Makrizi. R. 
22) Journal Asiatique. 4=* Ser. I, 226 — 227. ®. 


>) Teghazza, petite ville sans ressources. Ses maisons et 8A 
mosquee sont construites en pierres de sel et les toits en peaux de 
chameau. Il ne s’y trouve point d’arbres et le sol n’y consiste qu’en 
sable renfermant du sol gemme. On creuse la terre pour extraire ce 
mineral, qui se presente sous forme de dalles &paisses, placees les unes 
sur les autres et conpees avec tant de regularite, qu’elles sembleraient 
avoir étés tailldees de main d’homme (das wäre alfo eine regelmäßige. Schich⸗ 
tung, wie fie bei: Steinfalzablagerungen fonft überaus felten vorfommt. ©.) 
et ensuite enfouies. Deux de ces dalles sont la charge d’un chameau. 
A. a. O. I, 187. Diefer große Salzreichthum der Localität, welche bei den 
Berbern ven Namen Tifchit oder Tiſſit, d. 5. in deren Sprache Salz, bei 
den arabifch ſprechenden Bewohnern der Sahara aber den Namen des weft- 
lichen Tegaſſie (Tegaſſie EI Gharbi) führt, wat auch ſchon Cadamoſto 
(Ramusio I fol. 100, a), Leo (ebendort fol. 77, a) und Ioao Rodriguez 
(bei Kunftmann VI, 193) befannt. Noch heute verforgen Thegazza und andere 
fteinfalzreiche Localitäten der Sahara, namentlich Rewan, Uadan und Toudeyni 
(Waltenaer 425, 479; Gaillie II, 309, 315, 404; Lyon 148), die Bewohner 
der weſtlichen Nigerlänver mit Salz und find deshalb Eentralpunfte eines 
überaus voichtigen Handels (Bumprecht Geogr. von Afrita 257) *). Die 


*) Rodriguez fehr intereffanter Bericht über Teghazza, das er Tagzha afhalla 
nennt, fagt auch, daß diefer Ort ganz von Salz erbaut fei, d. h. daß Mauern, 
Wände, Thüren, Häufer und Dächer aus Salz beſtehen, denn dieſes Salz fei 
Steinſalz, doch lafie es fi nicht in Tafeln bredden, wie das vom Gebirge Pgild, 
ſondern zerbröckle in Heine Quadrate (189, 194 — 195). Ygild wird von keinem 
anderen Berichterſtatier genannt, iſt wahrſcheinlich aber die ſſeinſalzreiche, S. 187 
erwähnte und mit Uadan (Oadem bei Rodriguez) identiſche Localitaͤt. ®. 


350 C. Nitter und Bumpredt: 


Benugung des Steinſalzes ald Baumaterial in trodenen Wüften erwähnt 
übrigens ſchon Herodot in Bezug auf Nord» Afrifa (IV, 155) Straße 
(Ed. II, Cas. 766) Tannte fie von Gerrha in Aflen, und noch Heute Tiefer 
ein mit Salz incruftirter Sand in Siuah ein hinlänglich feſtes Baumaterial 
(Cailliaud Voyage à Meroö I, 104—106). G. 

24) De Zagherie nous nous rendimes au grand fleure du Nil, 
sur lequel est situde la ville de Karsekhou (bie ſchon erwähnte greie 
Stadt Sego am Niger). D’iei le Nil descend & Kabera et de lä à Zagha 
.... De Zagha le Nil coule à Tenboktou et de la & Koukou. Jour- 
nal Asiatigte. 4=* Ser. I, 201. Es ift dies alfo der Niger der Jehtzeit, der 
Dhioliba der Mandingos, der große Nil (Nil el Khabir) oder Nil ver Neger 
der arabifch redenden Bevölferung in den mittleren T heilen des Nigerlandes. ©. 

s:) A. a. O. 222. G. 

se) Die Exiſtenz von Hippopotamen in dieſen Theilen des Nigerlaufes 
berichteten gleichfalls neuere einheimiſche Reifende, wie Sidi Hamet (Riley Loes 
of the American brig comerce 378), Uargi (19) und bei Jackſon (305). 
Mungo Park fah vergleichen erft weiter aufwaͤrts im Strom, nämlidy ta, wo 
diefer zwifchen Marrabu und Bamafu (Journal 143) aus dem Mantingoberg- 
lande hervortritt; fein fpäterer Begleiter Amavi Fatouma aber wieder bei Tim: 
huftu (Journal 208). 8. 

7) Die Erzählungen von dem Vorhandenſein von Menſchenfreſſern im 
Afrika find überaus alt, und faft in jedem Theil des Eontinents glaubte man 
früher Anthropophagen zu finden. Die.erften, welche vergleichen hier ermähnten, 
waren Plinius (VI, 35) und Ptolemäuß (lib.IV, c.8), und faſt durch die ganze 
Breite des Eontinents wiederholt fich bei den Bewohnern der muhamebani- 
fhen Staaten des Nigerlanves noch heute die Sage, daß bei ihren fürlichen 
Nachbarn Anthropophagie flattfinde. So erfuhr M. Parf (Travels 212 um 
Journal 166) von den Muhameranern Bambara’d, dag im Süden davon das 
Niche Maniana von Menfchenfreflern bewohnt jei, was ber franzöfiiche Rei⸗ 
fende Mollien, der auch den Stamm ver Bafards in Guinea zu den Anthre⸗ 
pophagen zählte (Voyage II, 260) beftätigen hörte (I, 190). Glap- 
perton erfuhr Aehnliches von den Völferfchaften im Süden Hauffa’s, unt 
endlich wurde noch von dem am oberen Nil in der Nähe ver Kyks wohnenden 
Volt der Kalflur vaflelbe berichtet (Bull. de la soc. Geogr. 2=* Ser. 
XVII, 27). Wie weit diefe Nachrichten begründet ſind, läßt ſich im Spe 
cielen noch nicht beurtheilen. Manche der älteren Berichte ver Art wur 
den durch die neueren Korfchungen für falfch befunden, und oft mag nur ber 
Banatismud der Muhamebaner Eentral»Afrifa’3 die Quelle folcher Verläum: 
dungen harmloſer, heionifcher Wölkerfchaften gemwefen fein, wobei man nidt 
vergefien darf, daB felbft die weißen Europäer nicht felten bei den Neger 
flämmen des Innern für Kanibalen gelten. S. über die afrifanifchen Wen⸗ 


fchenfrefler Inner Afrita'’8 eine Zufammenftellung in den Berl. Monatöber. 
1852, 388— 389. ®. 


Barth's Aufenthalt in Timbuftu. 351 


20) Ibn Batuta's Erzählung erinnert an einen ähnlichen Widerwillen 
der neufeeländifchen Anthropophagen, indem einer verfelben dem Prof. Dief⸗ 
fenbach zu Gießen während veffen Aufenthaltes in Neu- Seeland geftand, 
daß ihm das Fleiſch europäifcher Weißen und Hunde wegen der großen Sal- 
zigfeit nicht ſchmecke. ©. 


39) Es iſt nicht unmahrfcheinlich, daß vie Heimath dieſer Schwarzen 
in dem fogenannten Konggebirge, fürlih von Bambara, oder da, wo dad 
angebliche anthropophagifche Reich Maniana liegt, zu fuchen ift, indem fich 
noch Golvablagerungen an den Abhängen jenes Gebirges finden (Journal of 
the Geogr. Soc. of London. VI, 110). G. 


“) Melli („\«) Capitale du Sondan a. a. ©. I, 203. Die Lage 


biefer Hauptfladt wäre fchwerlich zu ermitteln, wenn man nicht mit Wahrfchein« 
lichkeit annehmen fünnte, daß der Reiſende, nach dem Beifpiel anderer arabifcher 
Berichterftatter, der Hauptftant den Namen des Reichs felbft beigelegt bat. 
Derfelbe Gebrauch findet Heute noch flatt, und hat zu vielen Irrthümern 
in der afrifanifchen Geographie Veranlaffung gegeben, wovon die für Stadt» 
namen audgegebenen Namen Haüſſa (Shabeeny by Jackson 41; Moham⸗ 
med in Walkenaer Recherches 439 und Hadſch Boubekr ebenport 484) 
und Afnou (Mohammen bei Walfenaer 441), ja felbft ver für einen Staatd- 
namen angefprochene Name des Tuaregvolkes (Abderrhaman im veutfchen 
Mufeum 1790, 989) Beweiſe geben. Da nun Ibn Batuta auf feinem Wege 
von Karjefhou oder Sego nach Timbuktu fietd dem Nigerlauf gefolgt zu fein 
fcheint, und auf diefem Wege die Stadt Dſchinni fich befindet, fo unterliegt 
ed wohl feinem Zweifel, daß unter der Hauptſtadt Melli des Reiches gleiches 
Namens Dfehinni zu verftehen iſt, das durch Größe, Reichthum und Bedeu⸗ 
tung ald Handelsſtadt vor Allem würbig war, die Gapitale eines großen Rei⸗ 
che zu fein. ©. 


213) A. a. O. J, 226. — Der, wie e8 ſcheint, nicht mehr unter dieſem 
Namen vorhan dene Berberfiamm ver Meflüfa kann im Mittelalter nach den 
Aeußerungen 3 bn Khaldun's (Histoire des Berb£res I, 212) und Ibn Ba, 
tuta's nur ſuͤdlich von den weftlichen Ausläufern des Atla!gebirged und ber 
maroffanifchen Landſchaft Sus, alfo in den meftlichften Theilm der Sahara 
gewohnt Haben, indem Ihn Batuta zahlreiche Glieder deſſelben nicht allein 
in Timbuktu (X. a. O. I, 226), fondern auch in der Sahara, namentlich 
in den Dafen Taghaza und Imalaten, und endlich in Melli angetroffen hatte 
(ebendort I, 187, 190, 193, 195, 196, 208). Die Meflüfa trugen, wie 
Batuta ausdrücklich fagt, den Lithäm, oder die bei ven Bewohnern ver Sahara, 
vorzüglih den Tuäregs, übliche Verhhllung des unteren Theiles des Ge⸗ 
ſichts (Berl. Monatsber. 1852, 297), und vermittelten, wie die in denſelben 
Gegenden lebenden Araberflämme jetzt noch thun, den Verkehr durch vie 





352 C. Ritter und Gumprecht: 


Müfte, indem fle ven Karavanen als Führer dienten und ihnen ihre Kametle 
vermietheten (a. a. DO. I, 190, 198). G. 

22) Nichts zeigt deutlicher, daß Timbuktu nebft der Landſchaft bei vie 
fer Stadt ſich in früherer Zeit in den Händen der Mandingos und ſpeciell der 
Bambaraner befand, als der Umftand, daß Batuta vor Timbuktu eine fcywark 
obrigfeitliche Perfon Namens Barba Magda (I, 223), und Leo (I, fol. 78,b) 
zu Gabra einen Gouverneur Parbama antraf, weil Farba im Mandinge 
der Titel jedes Ortsvorftanded oder Stellvertreterd des Fürſten, gleidneie 
Manfa der Titel der Fürſten if. Ganz mit Recht fagte Deshalb um 
fer Neifende bei Erwähnung des Gouverneurs Barba Hofein von Imalaten, 
das damals zu Bambara gehört haben muß, le mot Farbä signifie lieute- 
nant (a. a. O. 194). Die Bedeutung dieſes Titeld iſt übrigens ſehr be 
zeichnend, indem er von den Mandingomorten Bari Mannhafrigkeit 
und Bariba mannhaft (Dard Dictionnaire Frangais Wolof 138) «+ 
ftammt. Orte und Landflriche, in deren Namen dieſelbe Wurzel vorfomae, 
wie Karbanna Tenda, Baribe, Farbia, Farbana (d. h. Land des Farba), wie 
derholen ſich überhaupt zahlreih in allen Mandingolaͤndern. Die Us 
terwerfung Timbuktu's unter die Bambaraner darf nicht Wunder neh 
men, da eine ähnliche wieder in neuerer Zeit flattfand. So berichteten &- 
fundigungen, wie weiterhin erwähnt werden wird, daß Timbuftu im 
Jahre 1803 durch einen Feldzug des Fürſten von Sego zur Provinzial: 
fladt des Bambarareiched berabgefunfen war (Cahill in ven Proceedings 
2. Ausg. von 1810 I, 321— 322; Jadfon 299; Ritter Erof. 2. Aug. I 
443), was indeflen nicht lange gedauert haben fann. Auch ver Xartar Uarzi 
meldete, daß Timbuftu einft Bambara unterworfen war (Asiatic Journ. XV, 
21), und fo wohnen noch heute viele Bambaraner in Timbuftu. G. 

22) ©. hier ©. 347. ®. 

4) Ramusio I, £ol.79, a. G. 

420) Die Originalſtelle bei Ramusio I fol.78, a iſt früher fehr ver 
föhieden gebeutet worden (Walfenaer 38). Wörtlich Tautet fie: Le cui case 
sono capanne fatte di pali, coperte di creta coi cortivi di paglia. Kheſ- 
ſem's Angabe (Walfenaer 426), vie Häufer feien mit Kalk oder Gyps ge 
deckt, ift damit in Einklang, wogegen die Verficherung Khafſem's, viefelben feie 
aus Ziegeln (briques) erbaut, währen Leo fie zu Blockhaͤuſern macht, wieher 
den Beobachtungen Barth's entfpricht. Adams laͤßt fie aus Balfen und hen 


beftehen (25). G. 
20) Branzöftfche Ueberſetzung von Ablancourt III, 62 —64. R. 
27) Beſchreibung von Afrika. Amſterdam 1671, 329. M. 
20) Jackſon Marokko 295. G. 


0) Timbuktu wurde nach Jackſon um das Jahr 1670, nach Mouctte 
(Histoire des conquètes de Mouley Arehy 70 bei Walkenaer 52) aber 
erft um 1668 umb fpäter noch Öfterd von den Maroffanern unterworfen, fo def 
es ihnen Tribut zahlen mußte. Diefe Tributpflichtigkeit beftätigte auch Chenier 


Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 858 


(Recherches historiques sur les Maures III, 356— 857), womit Du» 
puis (Adams 177) und Benture de Paradis (Mem. de la soc. de Gäogr. 
de Fr. VI, 225) übereinftimmen. Ja fehon im Jahre 1087 fcheint Tim- 
buktu von den Maroffanern erobert worven zu fein (Abu-I-Saflan IL, 119). ©. 

sc) G. Stuart Gefanpfchaftsreife nach Mequinetz, herausg. von 9. 
Windus. Deutſch von F. C. Weber. Hannover 1726. 114. ®. 

52) Timbuktu wurde von einem Verwandten Bello's, dem ſchon er» 
wähnten (S. 340) und durch Laing's Schickſale bekannt gewordenen Fellan⸗ 
ſultan von Mafena, Ahmed Labu, welcher daſelbſt feinen Statthalter Osman 
einſetʒzte (Clapperton Journal 331 und Gailli& II, 307, 330; Jomard bei 
@aillie II, 276) unterworfen. Auch des Generals Eonful Houfleau erfuhr um 
vdiefelbe Zeit von einem mit den Berbältnifien ver Stabt durch langen Aufent⸗ 
Halt darin fehr bekannten Scheifh aus Tripolis, daß die Fellans fie beherrſchten 
(Bull. de la soc. de Geogr. de Fr. ſre Sör. VIH, 178; IX, 152, 155), 
und da endlich noch die legten Nachrichten, die wir durch Richardſon's, Barth's 
und Ovberweg's Erkundigungen über TZimbultu befaßen (Berl. M. 1852, 324, 
393; Rich. Tr. II, 191) beftätigten, daß die Sellanhersfchaft unter dem Sultan 
Ahmed Ben Ahnen Labu fortwährend befand, fo ift eine andere durch Clap⸗ 
perten mitgetbeilte Nachricht (Narrative 202), zur Beit feiner zweiten An» 
weſenheit im centralen Nord -Afrika hätten die Tuäregs die oberfle Gewalt 


in Timbuktu beſeſſen, fichtlich irrig. G. 
°»2) Narrative 76, 150; Riley Loss. 287. ©. über ven Staat des 
Sidi Hefham meine Geographie von Afrika 37 — 38. ©. 


22) Die ganz in der Nähe Timbuktu's berumfchweifenden Tuãregſtaͤmme 
find dadurch dieſer Stadt fo gefährlich, daß fle deren Bewohner jenen Tag 
aushungern Tönnen, wenn fle die Verbindung mit Kabra, woher viefelben 
faft alle ihre Xebensbebürfniffe beziehen, abjperren. Um deshalb muß fich 
auch die Bevölkerung Timbuktu's Alles von ihnen gefallen laſſen. Gailie 
u, 313, 323. G. 

55 Overweg ſtarb den 27. September 1852 in ver Nähe des Tſad⸗ 
Sees (©. dieſe Beitfchrift I, 205). ©. 

ss) Bar’o iſt ein meines Wiflens von keinem Berichterflatter über Cen⸗ 
tral⸗ Afrika erwähnter Name, weshalb e3 auch unbekannt ift, worauf ſich die 
Berühmtheit viefer Infelftabt gründet. Sonray ift ficher daſſelbe Wort, wel⸗ 
ched wir fchon bei Leo Africanus (Ramusio I fol. 3, a und 77,b) und 
Hodgſon (Notes App. III) in der Form Sungay vorfinden, indem biefe 
Autoren damit die. urfprünglichen Bewohner Timbuktu's und deren Syrode 
bezeichnen. S. Berliner Monatöber. 1852. 301. 

6) Meder dieſe, noch andere, auf Barth's Zuge von Bornu 8 Tim⸗ 
buktu geſchriebenen Briefe ſind, wie bereits ©. 326 erwähnt war, biöher in 
Europa angelommen (©. hierüber auch Petermann's Neußerungen ©. 331). G. 

*”) Der Name Imana (Breibrief) weißt deutlich auf Iman zurüd, den 

Beitfchr. f. allg. Erbfunde. Bd. II. 23 


354 C. Ritter und Gumprecht: 


bekannten Titel der höheren muhamedaniſchen Prieſter. Wehrſcanne fühn 
denfelben auch Barth's Beſchützer. 

se) Naͤchſt der fest in Europa und felbft in Afrika, wie e# —* ge 
wöhnlichen Schreibart ded Namens Timbuktu oder Tembuktu (yon 145), de 
auch Barth folgt, findet fich zumeilen noch heute die zweite, der älteren Schrat- 
art von Leo Africanus und Cadamoſto annähernde Yorm Tombuktu ver, xx 
ein in biefer Stadt gefchriebenes nnd im Journal Asiat. 3=* Ser. IX, # 
abgedrucktes Document, fowie Tornberg’8 Bemerkung in |. Ausgabe von Ar 
I» Safan’8 Annales Moslemitici II, S. V ermeifen. Bei ver verhältnigmähige 
Neuheit des Ortes dürfen wir und envlich nicht wundern, denſelben nirgendt Mı 
den älteren arabifchen Autoren genannt zu finden, ſelbſt Abulfeda hat ir 
nicht, obgleich fein Wert volle zwei Jahrhunderte nad) der angeblichen Grie- 
dung Timbuktu's gefchrieben wurde. So erfcheint diefe Stadt am frühe 
bei Ibn Batuta (a. a. O. I, 226—227), Cadamoſto (Ramusio I fü. 
99, a), Rodriguez (a.a.O. VI, 189—190) und Leo (Bemusio I fl 
78, a), am erften aber in Europa unzweifelhaft auf einem catalanifchen, ım 
Sabre 1375 auf Holz gezeichneten und durch Buchon und Teſtu erfl vor m 
gen Jahren herausgegebenen Atlas der großen Bibliothek zu Paris (Noties 
et extraits de la bibliothöque du Roi XIV). Mit Hecht bemerkten an 
bie Herausgeber (75), daß man Hier nicht ohne Erftaunen bie richtige far 
Timbuktu's ganz fo, wie fie fich nach den neueften Forfchungen ergebe, bemerft 
und in der That muß dies frühe Vorkommen auffallen, wenn man den Raw 
ſelbſt auf dem berühmten venetianifchen Atlas des Fra Mauro von 1459 fehle 
fieht. Umfaſſende neuere Berichte über den Ort Tieferten erft wieder ver Heid 
Kaflem (Walkenaer 426 — 427), Adams und Dupuis (Adams 41— 8) 
Jackſon (296-308), Schabini (8— 36) und Gaillie, Ergänzungen vun 
Sidi Hamet (Riley Loss 63—68; ehr unzuverläfftg), Bubekr (Waltenaer 421) 
Mohamed, Sohn des Ali (ebendort 444), Uargi (a. a. O. 21), ver Halt 
Zalub (bei Eol. Fitz Clarence in Ritter'3 Erkunde 2. Ausg. I, 451), dea 
Schulmeiſter Mohamen aus Tripolis (Quarteriy Review 1820. XXI 
230— 231), endlich die Erkundigungen Lyon's (146— 148), Glapperie! 
(Journal 202), M'Gregor Laird's und Oldfield's (Narrative of an expe 
dition into the interior of Africa. II, 93), Richarbfon’s (Trarels L 
192), Duncan's (Travels in Western Afrika. II, 87—88), und frühe 
noch M. Parfs (Tr. 215). @. 

22) Die fefte Lage eines für die Geographie des Continents fo wide 
gen Punktes, wie Zimbuktu, feſtzuſtellen, bat es an Verſuchen nicht gefril. 
doch konnten die älteren Beftrebungen bei der Dürftigkeit und geringen 38 
verläffigkeit des zum Grunde liegenden Materiald und dem Mangel einer # 
nÜügenden Aufnahme ver Küftenränder im Norden und Weſten des Ger 
nents unmöglich em genügenves Mefultat ergeben. Der berühmte p’Arik 
widmete dieſem Gegenſtande fchon um bie Mitte des vorigen Jahrhunden 


Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 855 


feine Aufmerkſamkeit (Me&moire de l’Academie de Paris XXVI, 72, 73) 
und glaubte auf feiner großen Karte von Afrika Timbuktu m 
19° 15’ n. Br. und 
2° 15’ weftl. 2. von B. (= 17° 45’ weſtl. 2. von F.) 
fegen zu Eönnen, währenn fein ebenfo berühmter Vorgänger Delisle in ſei⸗ 
ner Karte von Afrika vom Jahre 1720 dafür 
15° n. 2r. und 
0° 0’ wel. 2. von P. (20° öfl.2. von F.) 
annahm. Nicht minder varlirten die Refultate des britten berühmten Geo⸗ 
graphen des vorigen Jahrhunderts, Rennell, der 


bie Breite die Länge des Orts 
im 3.1790 zu...... 19° 38’ 2° 30’ W. von P. (aljo 17° 30' 
D. von %.) 


im 3. 1796 (Karte zuM. 
Bars 1. Reife) zu . 15°44 1°0’ W. von B. (19° 0’ O. 


im Sabre 1805. Karte von $.) 
zu M. Par 2, Reiſe) 
zu........... 16° 27’ 020' (20° O. von F.) . 


( Jomard bei Eaillis III, 230— 231) fegte, Beftimmungen, deren Differenzen 
bis faſt 3° fleigen und alfo bebeutenn genug find, um. abzunehmen, welche 
fehr geringe Sicherheit das vorhandene Material damals dargeboten hatte. 
Im Lauf dieſes Jahrhunderts bemühte fich wieder Walfenaer aus ven fchon 
zahlreicher vorhandenen Itinerarien zu einem feſten Nefultat zu gelangen (Re- 
cherches 269— 275). Seinen Unterfuchungen zufolge (289) follte Tim» 
buftu in 
17° 38’ n. Br. 
und 2° 42’ wefll. 2. von P. (alſo in 17° 18’ öfl.X. von %.) 
liegen, was für die Breite ziemlich gut mit ben fpäteren Unterfuchungen 
Jomard's, ‚wie biefer felbft bemerkt (Caillis III, 226), viel weniger aber 
damit in Bezug auf die Länge flimmt, welche der letztgenanute Yor- 
ſcher im Jahre 1830, geftübt auf Caillios Aufzeichnungen und Laing’s 
aſtronomiſche Beitimmungen von Timbo im Welten und von Ghadamèes und 
Enfalah im Norden des Continents (S. Hier 339) annehmen zu Tönnen 
glaubte. Bei feiner-in gewohnter Weile überaus gründlichen und umfaflen- 
den Unterfuhung (Caillio II, 226— 245) fand naͤmlich Iomarb die Lage 
der Stabt in 
17° 50’ n. Br. und 
6° 0’ weill.2. von Paris ( over in 14 öftl.2.%. = 8° 20’ wefll.2. Er.) 
(a.a. O. 232, 245), ein Mefultat, dem neuerlich wiederum Berghaus in |. 
Kartenconftruction von Afrika (Geogr. Jahrb. 1850 II, 7 uns Note ©. 17) 
als dem richtigften folgte. Mac Queen (A Geogr. Survey of Africa. Lon- 
don 1840. pag. 107) feßte dagegen Timbuftu in 
23° 











356 C. Ritter md Bumpredt: 


17° 40’ n. Br. 
2° 30’ wel. 2. Gr., d. h. 15° 10’ 81.2. $. 

und endlich D. Eooley in 2° 45’ well. 2. Gr., d. h. 14° 15’ öſtl. e. 8. 

Barth's Angaben find aber vie erften, die von Ort und Stelle berichtet wer⸗ 
den, da die Ermittelungen, welche Laing unzweifelhaft vorgenommen hatte, lei⸗ 
der als verloren gelten müflen, und zugleich find feine Poſitionen höcha 
wahrjcheinlich der Wahrheit am nächften kommend, da fie auf wirklichen Beeb⸗ 
achtungen zu beruhen fcheinen, fo ſchwierig vergleichen auch unter des Rei⸗ 
fenden beengten Berhältnifien anzuftellen waren Dafür ſprechen namentlich wie 
Beflimmungen von Say und Libtafo, Orten, die 618 in die neuere Zeit völlig 
unbefannt waren, fo daß der Reiſende bei ihnen nicht älteren theoretiſch 
abgeleiteten Angaben folgen Tonnte. Barih's Breitenbeflimmung von Tım- 
buftu endlich ift auch veshalb von hohem Interefie, weil, wie fyon Herr ©. 
Ritter (S. hier 319) bemerkte, fie mit Ptolemäus Breite feiner Rigira Me 
tropolis faft ganz, d. h. bis auf einen halben Grad zufammenfällt, eine über: 
aus merkwürdige Mebereinfimmung ver Ergebnifle neuerer Korfchungen mit ven 
Angaben des Alterthums, welche fchon Mac Queen im Jahre 1840 fe auftal- 
Iend war, daß er ſich zu dem Ausfpruch bewogen fühlte (Survey 114): 
Modern discoveries and researches have thus realized in a very remar- 
kable manner the accuracy of the accounts by thie, we may say, the 
parent of geography 1700 years ago. G. 

0) La ville forme une espèce de triangle, fagte auch Gailiie (II, 
311 und im Bull. de la soc. de Göogr. de Fr. 1" Ser. XIN, 159). ©. 

61) Gaillie giebt im Ganzen 7 bis 8 Mofchern, umb zwar berunker 
3 größere an (TI, 311; III, 165), Nur die letzten fcheint Barth zu Teumen. 
Der franzdftfche Reiſende Lieferte von der Hauptmoſchee eine meitläuftige Ve⸗ 
ſchreibung (MI, 333 — 337), und eine Abbildung (PL.IV), fo wie er end, 
gleich Barth (336), deren Thurm erwähnt (II, 336). Es iſt ungmeifcihelt 
diefelbe Mofchee, die Hier ſchon nach Leo (Ramusio I, fol.78, a) erwähnt wurde 
Wie viefer Berichterflatter fagte, ift fie ein elegantes, aus Stein und Kallmdrwi 
errichtetes Gebäude, wogegen Eaillis fie aus Luftziegeln beftehen laͤßt. G. 

22) Djama eljama Kebira, d. h. vie Große Moſchee, und Diem-⸗ 
Sidi Yahia, d. h. die Moſchee des Herrn ober Heiligen Johann des Tän- 
fers, deſſen Reliquien in der großen Mofchee der Omajaden⸗Khalifen zu De 
maskus unter den moßlemitifchen Mifftonen eine fo weite Verbreitrug gemon- 
nen haben. N. 

2) Rad Eailie’s Zeichnung eines Theil ver Stadt (Pi. VI) ſte⸗ 
ben aber die Häufer gar nicht dicht aneinander, wogegen der Harfe 
Khafiem wieber in Mebereinflimmung mit Barth bemerkte: Les maisons sont 
jointes les unes aux autres ( Walkenaer 426). Daß fle Thonwohnungen 
find, berichteten der arabifche und franzöftfche Reiſende übereinflimmenp, inden 
beide die Häufer aus Ziegeln (briques) erbaut fanden, wozu letzter hinzufigt 
(U, 311) daß die Ziegeln einfach mit der Hand geballte und an der Sonne ge⸗ 








Barth's Aufenthalt in Timbuktu. 857 


trodnete, d. h. alſo Ruftziegeln find. Auch Adam's fagt (25): The houses 
are build from clay and sticks (25). G. 

22) Alle früheren Berichterſtatter meldeten einſtimmig die Niedrigkeit ver 
Häufer in Timbuktu, weshalb Barth's Verſicherung, einige Käufer ſeien re⸗ 
ſpectabel und Hoch (327, 326) und beſtaͤnden aus zwei Stockwerken, auffallen 
muß. Schon Burkhardt ( Nubia LXII) wurden die Häufer als fehr niedrig ges 
ſchildert, und Caillié (IL, 311) fagte: Les maisons sont grandes, peu &lövses, 
et n’ont qu’un res de chauss6e; dans quelques-unes on a élevé un cabi- 
net au dessus de la porte d’entree (f. a. II, 342; IH, 345); dies Eabinet 
mag Barth's zweites Stockwerk fein. Auch Khaſſem nennt die Käufer niedrig 
(426), und endlich beftätigten dies Jackſon's Erkundigungen in Maroffo (The 
bouses of Timbouctu have for the most part, no upper appartements; they 
are spacious 298), und die von Lyon in Murzuf (The houses are very low 
145). Mit Barth's Schilderung der befieren Bauart ver Häufer flimmt dagegen 
Uargis Angabe (21), daß vie Häufer zwei Stockwerke hätten und ftattlicher 
und regelmäßiger gebaut feien. Außerdem Iernte fchon Gaiflie die von Barth 
(336) erwähnten niedrigen, nad} ihm aus Stroh gefertigten (II, 311) und durch 
ihre halbſphaͤriſche Geſtalt ven Kütten der Bellanhirten, fowie denen der Nama⸗ 
hottentoten und Kaffern in Süb-Mfrika gleichenden Mattenhütten kennen (er bil 
det fie auf feiner Skiyge von Timbuktu ab), die zuweilen bei größerem Zu⸗ 
flug von Fremden in Eile in folcher Menge aufgeführt werden, daß ihre Zahl 
die der befleren Häufer überfleigt (Lyon 145). Dadurch wirkt Timbuktu's 
Aeußere nicht beſonders günftig, fo daß Eaillie'8 Erwartungen bei dem An⸗ 
blick der Stadt fehr Herabgeflimmt wurden (II, 301, 312), wem er fie 
auch eine der größten der von ihm in Afrika angetroffenen Staͤdte nennt. Laing 
fagt vagegen (Quart. Rev. XXXVIII, 172), Timbuktu babe feinen Er⸗ 
wartungen entfprochen, was freilich voppelt gedeutet werden Tann. Nur 
afrikanischen Berichterflattern mag der Ort fo imponiren, daß einer der⸗ 
felben, ver fchon angeführte Mohammed (Walkenaer 444) davon fagt: La 
plus grande ville, que Dieu ait crées et où les etrangers trouvent toutes 
sortes de bien. G. 

°s*) II, 306, 308. Caillié kannte den von Leo und von Hodgſon, 
wie bier ©. 353 erwähnt war, aufgeführten Namen Son’ray (Sun’ray) nicht. 
Daß aber die urfprünglichen Bewohner der Stadt, die Son'rah, eine eigene 
Sprache haben, welche der des Arabifchen, Bellan und Mandingo kundige fran⸗ 
zöftfche Meifende nicht verftand, fagte verfelbe noch austrüdlich (II, 308). — 
S. über das Son’ray eine Zufammenftelung in ven Berliner Monatsber. 
1852. 301 — 303). G. 

se) Das beſondere Anſehen EI Bakayh's (S. auch S. 335) mag dadurch 
unterſtuͤtzt werben, daß Timbuktu noch fortwährend, wie in früheren Jahrhun⸗ 
derten (S. hier 318), bei den muhammebanifchen Bewohnern diefer Gegenden 
im Auf großer Geiligfeit ſteht (Richardson Travels II, 192). G. 

7) Die Angaben über Timbuktu's Bevolkerung varirten bisher ſehr, 


858 C. Ritter und Gumprecht: 


was bei einer in fo eminentem Grabe commerciellen Stadt freilich nicht anf: 
fallen Tann, indem große Menfchenmaflen, welche nach Lyon's Erkundigu 
gen (145) die flänvige Einwohnerzahl wohl um 10000 His 15000 Küyie 
während des Verlaufs eines Monats überfleigen, fich bier veriodiſch anfen- 
meln, wogegen in anderen Zeiten vie Stadt bei dem Mangel von Frame 
geſchaͤftolos und todt erfcheinen Tann, wie fie 3.8. Caillie fand (II, 308). 
Letter giebt die Bevölferung zu 10 bis 12000 (II, 312), ein Einheimitdhe 
bei Venture de Paradis (VII, 225) zu 25000, Richardſon zu etwa 2300 
(Travels II, 191), Schabini dagegen zu 50000 fogar ohne die Sclaven, in 
Hadſch Talub auf 60000, endlich Sivi Hamet (Riley Loss. 363) auf 6Rd 
größer, ald die von Mogabore an, was, wenn man vie Einwohnerzahl Roge 
dore's zu 9500 Köpfe gelten laͤßt (Geogr. von Afrifa 36), etwa 57000 Sedn 
ausmachen würde. Lyon fügt hinzu, daß Timbuktu, wie er gehört, nicht größe 
als Murzuk fei, deſſen Bevölkerung man, wahrſcheinlich aus ähnlichen Grie 
den, theils zu 3500, theil® zu 20000 Individuen fihägt. Die Fremden fin 
ed befonders, die, wie ermähnt, in den Wattenhütten ein Obdach finden. @. 
oo) Merakefch oder Marakeſch ift ver bekannte arabifche Name tm 
Maroffo (Geogr. von Afrifa 37). G. 
°*) Beſonders Caillioͤ ſchildert wiederholt die troſtloſe Beſchaffenheit der 
Umgebungen Timbuktu's: Dans toutes les directions on ne voit, qæ 
des plaines immenses de sable mouvant de la plus grande aridits; tod 
est triete dans la nature, le plus grand Silence y rögne; on n’entend 
pas le chant d’un seul oiseau ... . une grande ville &levde au miles 
des sables et l’on admire les efforts, qu’ont eus & faire ses fondalee 
(II, 301). — Cette ville est situee dans une immense plaine de sabk 
blanc et mouvable, sur le quel il ne croit, que des fr&les arbriseas 
rabougris, tels que le mimosa ferruginea (II, 312). — Ces malheereu 
habitent un sol entitrement sterile, qui fournit & peine un peu de for 
rage pour leurs chameaax (II, 315). — Temboktou et ses environs ofires 
P’aspect le plus monotone, le plus aride, que j’aie jamais vu (Il, 318} 
— cette ville n’a par elle m&me aucune ressource en agri (ü 
323), und endlich: Le besoin du commerce a fait &lever cette ville dam 
un affreux deösert (II, 334). G. 
20) Tolh oder Talha iſt der in Nord⸗Afrika allgemein übliche Ran 
für alle Gummimimoſen, alſo auch für Cailliss Mimosa ferroginea. 6 
22) Duchn iſt nur ein Localname für die in anderen Theilen Arie! 
unter dem Namen Dhurra befannte Getreideart aus der Gattung Sorghum. ©. 
12) ©. bier ©. 352 Anmerkung 45. @. 
12) Berl. Monatöber. 1852, 188. G. 
’#) Der Sultan von Stambul iſt in Weſt⸗Afrika nur noch eine # 
thiſche Perfon. R. 
’*) Die im Norden Timbuktu's und 50 Tagercifen davon gelegene groß 


Barth's Aufenthalt in Timbuftu. 359 


Dafe Tuat iſt ein Hauptetappenplab auf der großen Handelsſtraße von Tim⸗ 
buktu nach Ghadamès und Tripolis, für die wir fräber fchon ein fehr gutes 
Itinerar durch Den dÖfterd bier angeführten Khajiem aus dem Jahre 1805 er» 
hielten (Walkenaer 419— 428). Diefe Handelöftraße, welche eine der bedeu⸗ 
tendften im centralen Nord « Afrika ift und in ihrer Brequenz vielleicht nur 
durch Die große wet=öftliche, zwifchen Fez und Cairo (Geogr. von Afrika, 
34, 216) und bie norbweftliche von Timbuftu nach Fez, mit welcher letz⸗ 
ten fie theilweife zufammenfällt, übertroffen wird, ift vie nämliche, der auch 
Zaing auf feinem Wege von ver Küſte nah Timbuktu folgte. ®. 

76) Barth's Meiferoute von Sokatuͤ nach Timbuftu bewegt fich ficht- 
lih auf der nämlichen großen Handelsſtraße, die wir früher durch ein 
von Barth eingefandtes werthvolles Stinerar des gelehrten Scheifh Ahmedu 
fennen gelernt hatten (Journal of the Géogr. Soc. XXI, 215—216 und 
Berl. Monatöber. 1852, 390 — 392). ®. 

’7) Say erfiheint zuerft bei Ahmedu (B. M. 391) als ein gro» 
Ber und durch feine Lage am Kowara, Gimbala, Ifa oder Niger hoͤchſt wich« 
tiger Ort. Da dieſer Berichterflatter den Strom, gerade wie Barth, Bier 
überfchiffte, um nach Say zu gelangen, fo ift mit Grund anzunehmen, daß 
der Platz einer der großen Lebergangspunfte für die Handeltreibenden ift, 
die fi aus Hauffu und Bornu nach Timbuktu und Sego zu Lande begeben, 
und daß es biefelbe Kocalität fein dürfte, welche DE. Queen im Jahre 1840 auf 
feiner großen Karte von Gentral» Afrika nach mir unbelannten Quellen uns 
gefähr in viefelbe Gegend unter der allgemeinen Bezeichnung ferry (Ueber⸗ 
fahrt) verfeßte. Libthakoͤ lernten wir dagegen früher durch ven einheimis 
ſchen Berichterftatter Clapperton's (J. 330), dann durch ein Itinerar Fres⸗ 
nel’3 (Bull. de la soc, de Geogr. de Fr. XIV, 166) als einen auch am 
Niger gelegenen Ort kennen, indem ein Handelsmann auf feinem Wege aus 
Kata Toro am oberen Senegal ( Gumprecht Geogr. von Afrifa 235) nach 
Baguermi (ebenvort 294) diefen von ihm Liftafo genannten Platz berührte 
und berichtete, daß er ihn bei feiner Stromfahrt von Kaberah abwärts aus 
am 20. Tage erreicht habe. Auf dem Landwege brauchte Ahmed faft ebenfoviel, 
nämlich 19 Tage (Berl. M. 1852, 391— 392). Das leiver nur fehr furze, 
mit Ahmedu's Route zum Theil jedoch zufammenfallennde Itinerar bei 
Fresnel ift beſonders durch die mitgetheilten Difkanzen der verſchiedenen Orte 
am mittleren Niger, welche ver Reiſende auf feiner Flußfahrt von dem Ein- 
ſchiffungspunkte Sego in Bambara über Dfehinni und Timbultu nach dem 
Ort Noufeh oder Nyffe (Geogr. von Afrita 300) antraf, intereffant, da wir 
über dieſen größten Theil des mittleren Nigerlaufs bis dahin vöhig im Unfla- 
ren waren. Iſt nämlich Noufèh iventifch mit der am unteren Niger und in 
der Landſchaft Noufoh gelegenen großen Fabrik⸗ und Hanpelsflant Rabbah, 
die zugleich Hauptſtadt eines eigenen Yellanreiches ift (Geogr. von Afrika 300) - 
und erſt im Lauf dieſes Jahrhunderts durch die Neifen der Gebrüder Lan» 





360 G. Ritter und Bumpredt: 


der, Olofielo's, welcher über 14 Tage ſich darin aufbielt, und Gapit. Be 
crofts bekannt wurde, wie kaum zu bezweifeln, da es feinen eigenen Ort Ras 
mens Nouföh zu geben jcheint, jo waren von der ganzen ungeheuern Strede ws 
Nigerlaufes zwifchen Sego und Rabbah, zu deren Beichiffung Fresnelb Has 
delsmann nicht weniger, als 119 Tage bedurfte, nicht mehr, als zwei verhäl- 
nigmäßige kurze Streden durch Europäer erforfcht worden. Das gefba) 
nämlich, abgefehen von M. Park's Reifen auf ver Strecke zwifchen Bamaku un 
Bouffa, zuerft zwifchen Dſchinni und Timbuktu durch Euillie, dann zwida 
Daourri und Nabbah durch die beiden Landers und außerdem theilmeije durh 
Glapperton, Allen und Oldfield, endlich durch Becroft. Zmifchen dem jmmm 
Breite nach durch M. Park beftimmten Ort Sami am oberen Riger in Bambarı, 
und Bouffa, wo Clapperton auf feiner zweiten Reiſe beobachtet hatte, gab ed abe 
bisher feine einzige Stelle des Nigerlaufs, deren Lage durch aftronomifche Bert 
achtungen feftgeftellt worben wäre. Durch Barth's Meife und Obfervationm # 
dies unnmehr gefchehen und dadurch alfo eine für die Geographie Em 
tral= Afrifa’8 fchmerzhaft empfundene Lücke ausgefüllt worden. Bezhglih & 
thako's ift enplich noch zu bemerken, daß nach Ahmedu diefer Ort ver oͤſtliche 
Punkt des bis jetzt ganz unbekannt gewefenen Meiches Khalili jein fol. ®. 

’0) Bon Say nach dem, wie Ahmedu berichtet, zugleich an cmm 
Fleinen Zufluffe des Kowara gelegenen Libthako fcheinen Barth und Aha 
einem Landwege, welcher die Sehne der großen, durch den mittleren Rigr 
lauf bei Timbuktu gebildeten bogenfdrmigen Krümmung fein dürfte, gefela 
zu fein. Es iſt Dies diefelbe merkwürdige Strombiegung, von welcher Pul⸗ 
mäus, nach Mac Queen's richtiger Bemerkung (Survey 214) Kenntniß # 
Habt haben muß, indem verfelbe die Nigerorte Nigira und PBanagra um 1- 
2 Grade in ihrer Breite, aber zugleich um nicht weniger, als 6 a 
der Länge differiren läßt. 

79) uch Ahmedu nennt Saraiyamo und bezeichnet den Ort, wie ah 
als einen großen, an einer Abzweigung des Komära gelegenen, von de 
aus er nach dreitägiger kurzer Flußfahrt Kaberah erreichte. Koromeh fdre 
dagegen Ahmedu nicht zu Eennen, da er ven Namen wenigſtens nicht af 
führt. @. 

20) Dieſe Schilverung der großen Hanbelsthätigkfeit auf dem Niger © 
innert völlig am vie 60 Jahre früher von M. Park zu Sego oberhalb Tabel 

tu’8 gefundene (Tr. 192), fowie an aillie'8 ähnliche Erfahrungen (II, 267). 6 

22) Laing nennt Kabra, wie bereitö früher erwähnt (©. 338) am 
netten Ort (Quart. Rev. XXXIX, 172), der wirklich Hein fein muß, da ond 
Caillio ihm nur etwa 1000 — 1200 Einwohner giebt (II, 294). @. 

22) Gaille fpricht gleichfalls vom ber beftännigen Meberfchwemmen 
der Kabra umgebenven Moräfte, die jedoch zur Megenzeit 10%. bed m 
Waffer bedeckt fein ſollen, fo daß die großen Fahrzeuge bis zu dem Dr 
gelangen Tönnen (TI, 293, 295, 299). @. 


Barth's Aufenthalt in Tumbuktu. 861 


oe») Gaille (II, 296) fagt, daß ver Meine Hafen von Kabra fehr bes 
quem fein würde, wenn man ihn befler bielte; fo aber fei er voller 
Schlamm. 

°.) Daß Kabra nur durch einen Kanal mit dem Niger in Verbin. 
dung ſteht und nicht unmittelbar an dem Strom liegt, ergaben bereits zahl- 
reihe Berichte, am beftimmteften wieder vie von Gaillie, welcher ſich über 
die Schwierigkeiten in der Beſchiffung des Kanals in folgender Weiſe äußert 
(U, 293): Un petit canal conduit a ce village, mais il n’y a que des 
embarcations moyennes, qui puissent entrer dans le port. Si le canal 
etoit nettoy& des herbes et des nönufars, qui l’encombrent, les embar- 
cations de vingt tonneaux pourraient y remonter dans toutes les sai- 
sons; mais c’est un travail trop penible pour des nögres. Uargi 
(Asiatic Journ, 18) beftätigt died in den Worten: Kaberab Liegt am Massa, 
einem nicht fchiffbaren Arm des Nil (Bahr Neel f. hier ©. 337), und 
ebenſo verzeichnete Walkenaer auf feiner Karte vom Jahre 1820 bei Kabra 
ein von Norden Tommendes, und in ven Niger münvended Flüfchen, das 
gegen Zimbuftu Hin mit einem anderen, durch ˖ den legt genannten Ort gehenven 
in Verbindung ſteht. Endlich Hatte auch ſchon d' Anville im Jahre 1749 auf 
feiner großen Karte von Afrifa Timbuktu durch einen Eleinen Fluß, der 25 M. 
(milles, 60 auf den Grad) von Kabra im Niger enbigt, burchjchnitten. 
Noch andere Berichterflatter beflätigten vie Exiftenz des Leinen Flüßchens in 
oder wenigftens bei Timbuftu, 3.98. Bowdich (Mission in Ashantee 194) 
und Schabini (8). Den zweiten großen Hafen Kabra's am Niger (wahr- 
fcheinlich ift damit Barth's Koromehhafen gemeint), fand Caillié nur 3 M. 
(milles) üblich davon gelegen (II, 294). G. 

os) Die hier und S. 331 genannten Felatah oder Fellatah find iden⸗ 
tiſch mit den an anderen Stellen Barth's (S. 329, 335) aufgeführten Ful⸗ 
Ians oder Fellan's; Felatah ift nämlich nur eine abweichende, bei ver arabifch 
redenden Bevölkerung Nord⸗Afrika's übliche Bezeichnung deſſelben Volkes, 
das in Senegambien ſogar noch einen dritten oder vierten Namen, nämlich den 
der Pouls oder Peules führt (Raffenel voyage dans l’Afrique occidentale 
262). Diefe intereffante Vereinigung mehrerer Voͤlker in Timbuktu neben 
den urfpränglichen Bewohnern der Stadt wirb leicht dadurch erflärlich, daß 
Timbuktu zunaͤchſt der Grenze ver Bambaraner und Tuaregs liegt, ferner da⸗ 
durch, daß die Fullans fich Hier und in den Gegenden ſüdlich Timbuktu's 
als Eroberer fehr vermehrten, enplich noch dadurch, daß die eigentlichen Man⸗ 
dingos, denn auch die Bambaraner find, wie zuerfi M. Parf (Travels 197) 
behauptete, ein Zweig der Mandingo, nebft den Arabern, letzte oft in gro= 
Ber Zahl (Caillis II, 312), Hierher durch den beveutenden Handel geführt 
wurben. ®. 

ss) Auch dieſe Angabe Barth's findet fich fchon bei dem vielgenannten 
Caillié , der Timbuktu's Umgebungen bi8 auf die Hälfte ded Weges nach 





362 C. Ritter und Bumpredt: 


Kabra für dad dürrſte und einförmigfte Land erklärte, das er je geichen, 
wogegen die zweite Hälfte näher an Kabra zu neben einiger anberen Be 
getation noch jo viel Futter in ven fumpfigen Stellen liefert, daß daſſelbe ge- 
fammelt, getrocknet und nad) Timbuktu verfauft werben kann (II, 299, 317). ©. 

7) Nach den in Ahmerus Itinerar mitgetheilten Notizen foll ver Tas 
Muchtar's vor 6 Jahren flattgefunden haben, mas, va daſſelbe im Jahr 1852 
gefchrieben wurde, dies Ereigniß etwa in das Jahr 1846 verſetzen würde 
Der verftorbene Scheifh war aus der Oaſe Mabruf nach Timbultu gezogen 
und hatte durch die hieſigen Kaufleute und ven Ruf feiner Heiligkeit feimer 
Familie Macht fo feſt gegründet, daß die Fellan ſich umſonſt bemühten, feinen 
Bruder, den jetigen Scheifh, auszutreiben (©. hier ©. 329). G. 

ce) Nach einer Notiz in Ahmedus Itinerar (Berl. M. 1852, 393) 
hätte dies — ſogar vor 45 Jahren ſtattgefunden, was „nicht ae fein 
mag (S. hier S. 353). 

) Auch. Gaillis (II, 339, 340) erwähnt, daß er in ver PER fish 
nur einige Exemplare von Palma Christi (Ricinus), Balanites aegyptiaca 
und Salvadora nebft einer Dompalme (Hiyphaene cucifera), ver are 
die er in diefem Lande gefehen, angetroffen babe. 


Die bisherigen Berichte Barth's über Timbuftu, fo kurz wie 
fie auch find, geben doch bereits reichliche Gelegenheit, wie ich in ben 
Zufäßgen zu denfelben nachgewiefen zu haben glaube, die vollftänvige 
Ehre eines Reifenden zu retten, deſſen Wahrhaftigkeit früher öfters vom 
Standpunkte neidifcher Oefinnungen, ja felbft eines irre geleiteten Pa⸗ 
triotismus, bezweifelt worden war. Die Verdienſte Caillis's, eines Mär 
tyrerd des reinften, befonmenften und durch die ungünftigften Umſtände 
nie gebeugten Eiferd für Korfchungen, welche über feine frühere Bil⸗ 
dungsjphäre hinauszugehen fchienen, um die Kunde Central» Afrika’ er- 
halten nunmehr auch durch unferen deutjchen Reifenden, der felbft frü- 
ber feines raftlofen Vorgängers Zuverläffigkeit bezweifelt hatte (S. Bel 
M. B. 1852, 288) die glaͤnzendſte Rechtfertigung, und, wenn wir and 
in Barth’8 Briefen noch feine Andeutung finden, daß er feine frühe⸗ 
ren Anfichten über Eailli& geändert hat, fo Fönnen wir doch volle 
Vertrauen in feinen ehrenhaften und bewährten Charakter jegen, daß 
er nicht Anſtand nehmen wird, bei nächfter Gelegenheit dem franzoͤſ⸗ 
ſchen Forſcher öffentlich die volfte Genugtfuung zu Theil werben zu 
lafien. Was Caillié ungeachtet feiner geringen Vorbildung geleiſte 
hat, ift fo umfaſſend und, wie alle neueren Erfahrungen jelbft vor Barth 


Barth’ Aufenthalt in Timbuktu. 363 


gezeigt Hatten, fo wohl begründet, daß feine Berichte immer zu ben 
schäßbarften Quellen der Kunde des Inneren von Afrifa gehören wer- 
den. Ihr Werth erjcheint aber um fo höher und anerfennenswerther, 
wenn wir damit Die geringen Rejultate in Bergleich ftellen, welche 
durch die Berhältniffe viel begünfligtere und vorgebifvetere Reiſende 
neuerer Zeit, von denen ich, mit Uebergehung mancher Anderen, nur 
Harris, Cumming, Delegorgue, v. Meyer und felbft Richarbfon ans 
führen will, für die wiflenfchaftliche Kunde des Innern des Continents 


erlangt haben. Gumprecht. 


— —— — — — 


VII. 


Die neueſten Unterſuchungs⸗Expeditionen im 
Innern Nord-Afrika's. 


Seit laͤngerer Zeit hatte die britiſche Regierung den Entſchluß 
gefaßt, eine neue Erpedition in das Innere von Afrika auszurüften, 
die zunächft die Beftimmung haben follte, mittelft eines eigens conſtruir⸗ 
ten flachen Dampfbootes von der Einmündung ded Niger oder Quorra 
in den Guineabufen auf diefem Strom felbft fo weit aufwärts zu drin⸗ 
gen, ald deſſen Tiefe und äußere Umftände geftatten wuͤrden. Achnlicher 
 Werfuche, wovon wir Kennmiß haben, gab es bisher nur drei; fie 
wurden befonderd in -den lebten 20 Jahren gemacht; zwei davon 
waren aber von höchft unglüdlichen Umftänden begleitet gewefen. Die 
nrächfte Beranlaffung zu diefen Unternehmungen lieferte der glüdliche Ver: 
ſuch Richard und John Lander's von Bouffa, wo M. Park feinen Tod 
fand, oder eigentlich von einer noch höheren Stelle am Strom, bie 
zu der das Brüderpaar hatte gelangen fönnen, nämlich von der großen 
Stadt Yaouri, den ganzen unteren Niger bis zum Meere zu befahren, 
In Folge der dadurch gervonmenen beflimmten Erfahrung über die Ein: 
mündung des Niger in den Guimeabufen rüftete ein Liverpooler Hands 
fungshaus im Jahre 1832 eine Expedition aus, an deren Spige M’ Gre⸗ 
gor Laird und der Arzt Ofpfield fanden, die aber außerdem noch von 
R. Lander, dem bis dahin einzigen europäifchen Kenner des Stroms, und 


364 Gumprecht: 


dem Schiffslieutenant W. Allen R. N. als Freiwilliger begleitet wurke, 
fie hatte den Zwed, neue Handelöverbindungen längs dem unteren Ri 
ger anzufnüpfen. Lander fand während der Dauer der Erpebition 
durch einen unglüdlichen Zufall feinen Tod. Laird wurde bald durch 
Krankheit gezwungen, heimzufehren, dagegen glüdte es Oldfield und Allen 
trotz mannigfacdher Hinderniffe, worunter die geringe Tiefe des Stroms 
während der trodenen Jahreszeit und der Tod faſt der ganzen weißen 
Schiffsmannfchaft die weientlichften waren, bis über die Mündung des 
Tſchadda oder des jetigen Tſchadda⸗Benueſtroms hinaus vorzudringen, 
doch mißlang es, Boufja zu erreichen; im Tſchadda felbft geflattete die 
fehr geringe Tiefe ebenfalls nicht weiter, ald etwa 104 englfck 
Meilen aufwärts zu gehen. Bel diefer Gelegenheit erhielt man aber 
von den Eingeborenen die beflimmte Kunde, daß es möglich fa, 
von der höchft wichtigen Bereinigungsftelle des Tſchadda und bes Ki: 
gerd, die man fehr bezeichnend das afrifanifhe Koblenz nama 
fönnte, ununterbrochen zu Wafler in den Tſadſee zu fommen (Laird 
and Oldfield I, 232 — 234), eine Ermittelung, die jedoch nicht vie 
erfte der Art war, indem fchon bei Gelegenheit von Clapperton's zwei 
ter Expedition im Lande Boſchi (Yacoba) R. Lander erfahren hatte 
daß man zu jeder Jahreszeit aus dem Tfad in den Niger zu gelangen 
vermöge, und daß ber Tſchadda feinen Urfprung im Tſadſee ſelbſt habe 
(Glapperton J. 297 — 298). Auf feiner zweiten Reife in das Innere des 
Eontinents hatte R. Lander zu Badagry genau dafielbe gehört (Journal 
of a voyage I, 36). Im Jahre 1840 wurde hierauf bie befannte große 
und überaus unglüdliche philantropifch s feientififch -mercantilifche Erpedi⸗ 
tion unter den Gapit. Trotter und Allen nah dem Niger unternen 
men, die aber wegen der während ihrer Dauer eingetretenen ſehr traw 
rigen Begebniffe nicht einmal fo weit, wie Laird, Oldfield und Allen 
gelangte. Bei diefer Gelegenheit hörte wieder einer der Begleiter der 
Erpebition, der Mifftonar Schön, ein Deutfcher, daß man vom Eis 
fluß des Tſchadda in den Niger Bornu zu Wafler erreichen fünne, ja 
zwei Eingeborene erboten fi, ein Boot des Miſſionars bis de 
bin zu fleuern (Baſeler Miffionsberichte 1845, 66). Die letzte große 
Nigerfahrt, Die Dagegen glüdlich ablief, unternahm im Jahre 1844 
der durch feinen langen Aufenthalt in dieſen tropifchen Gegenden des 
Eontinents bekaunte Capit. Becroft, über deren Beobachtungen aber 


Neuere Unterfuchungs- Erpebitionen in Nord⸗Afrika. 865 


nur kurze Notizen und Feine ausführlichen Nachrichten befannt gewors 
den find. Er gelangte faR ohne allen Verluſt an Menfchenieben noch 
weiter nach Rorven, als Olofield und Allen (Friend of Africa 1843. 
I, 32— 36) nämlid bis zu den Klippen im Strom, unterhalb-Bouffa, 


wo M. Park fein Leben verloren Hatte. Geſtuͤtzt auf ſolche Erfahrungen 


und auf Barth's neue überaus interefiante Forſchungen über ven Lauf des 
Tſchadda Benue (S. Berl. Monatsber. von 1852, 354 — 357 und Diefe 
Zeitfehrift I, 77), Eonnte die britifche Regierung mit Grund hoffen, daß 
bei Anwendung der Schraube ſich die wefentlichften Webelftände, welche 
die früheren Riger-Erpebitionen gehindert und vorzugsweife zum Fehlſchla⸗ 
gen gebracht Hatten, befeitigen laſſen würden, und daß eine neue Un⸗ 
ternehmung auf dem Waflerwege in das Innere von Afrika zu glück⸗ 
licheren Refultaten Seiten dürfte. Gleichzeitig follte der Zwed mit der Er- 
pedition verbunden werden, Barth nach Europa zurüdzuführen, falls 
derfelbe, wie er einmal die Abficht ausgefprochen hatte, feinen Ruͤckweg 
in füblicher Richtung nach dem unteren Riger und der Guineafüfte 
nehmen wollte Die politiſchen Verwickelungen der lebten beiden Jahre 
führten aber ſolche Berzögerungen in der Ausführung des Plans mit 
ih, daß Her 9. Petermann nad einer von ihm vor wenigen 
Wochen empfangenen brieflichen Mittheilung faft die Hoffnung aufge- 
geben hatte, feine Wünfche und die Hoffnungen aller Freunde der wife 
fenfchaftlichen Erdkunde realiftet zu fehen. Nach einer von Sir James 
Graham am 24. Februar bei Gelegenheit des vorgelegten Marine-Bud- 
gets im Unterhaufe gemachten Mittheilung war indeſſen bie Britifche 
Regierung noch bereit, ihren Plan zur Ausführung zu bringen, nur 
habe fie fich entfchlofien, denfelben in einer Saifon beendigen zu laſ⸗ 
fen. Zu dem Ende waren im Budget 5000 Liv. Sterl. ausgeworfen; 
der Bau des dazu beflimmten Bootes war vollendet, und Die ernannten 
Offiziere Hatten bereits ihre Ordres empfangen. In feiner gefälligen 
Zufcheift an mich erfennt Herr Petermann bereitwwilligft dad Intereſſe 
an, welches Deutfchland, befonders aber die Berliner geographifche Ge⸗ 
ſellſchaft, durch die werfthätige Unterflügung Overweg's, an dem er- 
ften Zuftandefommen des wiffenfchaftlichen Theile der Expedition ges 
nommen hatte, und wie befonders ohne Barth's aufopfernde Hinges 
bung das ganze Unternehmen in feientififcher Hinficht faſt vejultatlos 
geblieben wäre. Die projectirte neue Expedition, von deren benorftehenden 





866 Gumpredt: 


Abgange am 24. Mat und eine andere Mittheilung des biökerigm 
Königlichen Gefandten zu London, Heren Bunfen, in Kenntmiß ieh, 
Dat, außer den commerciellen Zwecken, ohne Die nım einmal m 
England nie etwas bedeutendered Erdkundliches zu Stande Tem, 
fpeciell auch die Aufgabe, ven Lauf des Tſchadda aufzunchuen Bir 
weit dies zu erreichen möglich fein wird, muß die zeit lehm: 
ohne große Schwierigkeiten dürfte es „dabei nicht abgehen, bejende! 
wenn man fich erinnert, daß der untere Theil des Fluſſes zumeiln x 
verfandet ift, daß Laird, Oldfield und Allen mit ihrem ſehr Ham 
Dampfer, der Alburka, nur mit großer Mühe in ihm aufwärts brnga 
fonnten, indem er periodiſch hoͤchſtens 2— 3 Fuß Wafler hat (M’Gr- 
gor Laird and Oldfield Narrative. I, 159), fo daß fie beinafe in 
Dampfer im Niger hätten zurüdlafien müflen und Laird und Ada 
in dem Tſchadda, der freilich weiterhin an Tiefe beträchtlich zunchsa 
fol, nur mit einem Boote einen Theil der Unterfuchung ausführen tom: 
nten. — Roc ein anderer großer Gewinn, den die Erkunde in nme 
fter. Zeit von diefen Erpeditionen in das Innere Nord» Afrifa'6 eren 
ben hat, ift das im. Lauf des vorigen Monats erft erfchienene, von gem 
A. Betermann zu London herausgegebene prachtvoll ausgeftattete Bel. 
An Account of the progress of the expedition to Central Al 
performed by order of Her Majestys Foreign Office under In 
Richardson, Barth, Overweg and Vogel in the years 1850, 185. 
1852, 1853, consisting of Maps and Illustrations with deseripüt 
notes, constructed and compiled from official and private m 
terials by Augustus Petermann. T.R.G.S. London 1854, 1 
Gr. Folio, mit 14 Seiten Text, größtenteils aus Overweg's hinterlaf: 
nen Papieren, einem fohönen Titelblatt, enthaltend die Portraits dea 
4 Reifenden, 3.malerifche Skizzen aus der Wüfte und dem Nigerlan: 
und ein Ueberſichtsblatt des centralen Theils von Nord Afrika pwiſhe 
Tripolis und dem Buineabufen, endlich noch mit 2 großen Kart 
wovon die eine den Weg der Erpeditionen Richardſon's, BYartft 
Overweg's und Vogels zwifchen Tripolis und Murzuf, und dann Ki 
" Route der drei erfigenannten Forſcher durch einen Theil der Saba 
darftellt, die zweite aber eine höchft forgfältig ausgeführte Karte Cents 
Afrita's nach Dr. Barth's eingefandter Karte und den übrigen von iX 
jem audgezeichneten Reifenden in Bornu, Adamaua und Baghermi X 
jammelten Materialien if. Der Gewinn, den die Kunde des cn 


Neuere Unterfuchungs» Erpebitionen in Nord = Afrika. 867 


len Afrifa von biefem überaus ſchätzbaren Werk erhält, ift fo groß, 
daß. wir uns hier begnügen müflen, das wifienfihaftliche Bublicum 
auf fein Erfcheinen aufmerffam zu machen, da eine weitere Aus 
Infe deffelben fpäter erfolgen fol, und wir aus ihm Hier nur einige 
Fragmente für jetzt mittheilen können. — Während des Abdrucks ver in 
das frühere und dieſes 5. Heft der Zeitfchrift aufgenommenen Berichte 
Barth's über feinen Aufenthalt in Timbuktu find und aber noch einige 
nicht unwichtige Mittheilungen über die neueren Unternehmungen in Een» 
trat» Afrika zugegangen, die wir nicht unterlafien wollen, hier gleich an⸗ 
zufchließen. Die von Bogel ergeben bereits das Refultat, daß die große 
dirertefte Straße nach dem Inneren, die von Fezzan über den Tibbuort 
Bilma, dem Verkehr wiederum eröffnet ift, nachdem fie wenige Jahre zuvor, 
ale fih Bart und Overweg nach Bormu begeben wollten, durch Feh⸗ 
den der dafelbft wohnenden Stämme fo gefehlofien geweſen war, daß die 
Reiſenden, freilich zum großen Bortheil der Wifienfchaft, ſich gezzwungen 
fahen, gleich der geiftlichen Miffton in den Jahren 1710 — 1711, wor: 
über ich früher berichtete (Zeitſchrift II, 246), die Route über Agha⸗ 
dez einzufchlagen (Berliner Monatsber. 1851; 128, 131). Vogelo 
eg iſt genau derfelbe, dem auch Denham, Oudney und Clapperton 
in den Jahren 1823 und 1824 folgten. Unſeres Forſchers erftes 
hier folgendes Schreiben ift an feine Mutter gerichtet und von feiner 
Kamilie der Deutfchen Allgemeinen Zeitung vom 9. April d. J. zur 
Veröffentlichung zugefandt worden; das zweite verdanken wir einer 
brieflichen Mittheilung des Vaters des Reiſenden an Herrn C. Rit⸗ 
ter; das dritte Document endlich, ein Schreiben Barth's aus Zinder, 
wurde uns durch die Guͤte des Herrn Prof. Lepſius, an den es ge⸗ 
richtet iſt, zur Benutzung für die Zeitſchrift zu Theil. Endlich Habe ich 
es nicht für unzweckmaäͤßig gehalten, als vierten Abſchnitt die aſtrono⸗ 
mifchen und hypfometrifchen Refultate Overweg's und Vogel’8 aus Heren 
A. Petermann’3 Werk zur allgemieinen Kenntniß des deutfchen wiſſen⸗ 
fchaftlichen Publicums zu bringen, da die durch Fournel's intereffante 
Unterfuchungen bei Biskra und in den ſüdalgeriſchen Dafen, ſowie 
Durch Angelot’s Folgerungen (Bull. géologique de Fr. 2. Ser. II, 439). 
angeregte Frage über die fehr geringe Erhebung eines Theil der Sa- 
hara und vielleicht felbft des Tſad⸗See's über dem Meeresfpiegel 
damit ihre Erledigung findet. Durch Overweg's und Vogel's Meffuns 


368 Gumprecht: 


gen ergiebt ſich nämlich beſtimmt, was Bogeld zweites Schreiben von 
Neuem beftätigt, daß die Sahara Feine Tiefebene iſt, die am allerwenigfien 
irgendwo unter den Meeresfpiegel herabreichen dürfte (Berlin. Monats 
ber. 1852, 201), fondern daß diefelbe den Charakter einer far gleich 
förmigen Hochebene befigt, innerhalb deren Bereich freilich zahlreiche 
Bergzüge und Berggipfel fogar von bedeutender Höhe auffteigen. Tas 
die Sahara feine monstone Ebene iſt, wie man früher glaubte, Batten 
indeſſen ſchon zahlreiche Berichte und Erfahrungen der neueren Zar 
außer Zweifel geftellt. So war es befannt geworden (Geogr. von 
Afrika 240 — 241), daß fich Inmitten der Sahara, und zwar im Ge 
biet der Tuaregs, aus dem Sande eine immenfe dreis oder vieredige 
Gebirgsmaſſe, von der jede Seite angeblich eine Länge von 125 Ma: 
len hat, erhebt, die nach dem Namen des Tuaregftanmes der Hey 
gara den Ramen bed Hoggargebirges (Dschebel Hoggar) führt 
(Daumas Sahara Algörien 295, 323, 328; Richardson Travels 
It, 282), und fo hoch fein fol, daß ihre Bewohner ſich ihrer als mu 
türliche Seftungen bevienen und ſich in Wollenfleiver und Belze büllen 
müflen; fo hatten ferner einheimifche Berichterflatter Richardſon mitge⸗ 
tHeilt, daß fih auf dem Wege von der Oaſe Ghat nach Tuat zuwor 
derft zu Feywat, 1 Tagereife fünlich von Ghat, dann zu Eidom, 34 Ta 
gereifen ebenfalls füdlich von Ghat, ferner zu Tarfit, 7 Tagereifen weiter, 
und endlich noch zu Gharis, wiederum 17 Tagereifen von Tarfit, hohe 
Bergfetten und Berge befinden (Bull. de la soc. de Géogr. de Fr. 3” 
Ser. XIV, 117— 118). Auch Sidi Hamet erwähnt eine angeblich dem 
Atlas an Höhe gleiche Berglette bei der Dafe Malata (Riley 362). Ban 
Achnliches theilt Carette über den Lanpftrih nach Tuat hin mit (Expl 
sc. de l’Algerie. Sc. g&ogr. et hist. II, 147), und derſelben Natur ik 
endlich noch der Tuat im Often umfchließende Dfchebel Batten, fo Daß diefer 
centrale Theil der Sahara überhaupt eine ihrer gebirgigften Strecken fein 
muß. Nicht viel anders erfcheinen durch ihre Tafelberge die öͤſtlichen Theile 
der Sahara im Tibbulande an der Grenze der Gebiete von Fezzan um 
Bilma, die mit hohen und fleilen Gebirgen. erfüllten Landſchaften der 
Tibbu Reſchadeh (Felſentibbus) und die Gebiete Uadfchunga (Lyon 266) 
und Borgu mit dem A Tagereifen weit fichtbaren Tibefiyberge (Fres 
nel XIV, 179, 180). Ja fo hoch und fteil find die Berge ber bei- 
den lehtgenannten Theile des Tibbugebiets, daß die dortigen Araber 
nach Lyon's Bericht (266) in ihrer emphatifchen Sprache zu fagen 


Neuere Unterfuchungds Erpebitionen in Nord » Afrika. 369 


pflegen: You can not see their tops without losing your tagaia 
(d.h. rothe Kappe). Aber bisher war von feinem Punkt der Sahara 
eine Höhenbeftimmung gemacht worben, weshalb die Meflungen Over: 
weg’d und Vogel's, wie erwähnt (S. 307) uns zum erften Male 
fichere Aufichlüffe über die Niveauverhäfniffe der Sahara geben, ftatt 
daß wir uns bisher mit Producten von Hypothefen und Speculationen 
begnügen mußten. In der Ueberficht (S. 381) zeigt fich 3. 3., daß der 
höchfte, bisher gemefjene Punkt der Sahara, der Wadi Ajunjer, nicht 3000 
Fuß überfleigt, weil er nad) Overweg's Ermittelungen nur eine Höhe 
von 2956 engl. F. haben fol. Doch führt die Erhebung diefes Paffes 
mit Grund zu der Bermuthung, daß der Kamm des Gebirges, welchem 
er angehört, bedeutend höher fein muß, und wir fönnen deshalb mit 
Herrn Petermann völlig in der Annahme übereinflimmen, daß fich 
füblich von Ghat eine bis A000 F. hohe Gebirgsfette vorfindet, ein 
in der That überaus merfwürdiges Nefultat, welches bisher weder 
aus Denham’d und Oudney's, noch aus Richardſon's, Barth's und 
Overweg's Berichten im Mindeften zu vermuthen war, obwohl Lyon 
allerdings gehört hatte, daß dieſe Oaſe von hohen Bergen Dicht umge: 
ben fei (113). Gumprecht. 


1. Schreiben Dr. Vogel's an ſeine Mutter. 


Aſchenümma), Tiboo ?), den 26. November 1853. 

Ich Habe fo eben einen Mann aufgetrieben, der mit Depefchen 
von mir nach Murzuf gehen will, und da kann ich denn nicht umhin, 
Dir den erften und einzigen Brief, den je ein Sterblicher von Alfche- 
nuͤmma (eine Dafe in der Mitte der großen. Wüfte Sahara gelegen) 
empfing, zu überfenden. Ich habe eine fehr befchwerliche Reife von 
Murzuk bis hierher gehabt und 15 Tage lang nichts als Sand und 
Himmel gefehen, auch nicht das Heinfte Hälmchen Grad. Jetzt bin 
ich, ®ott fei Dank! nur noch 20 Tagereifen vom See Tſchad und 
dem prächtigen grünen Bornu entfernt und, allen Aufenthalt eingerech⸗ 
net, hoffe ich ficher, Neujahr in Kufa fetern zu können... Ich bin 
fo wohl, als die Umftände erlauben, nur etwas matt, was fehr na: 
türlich ift, wenn man bebenft, daß ich in 20 aufeinanderfolgenden Ta⸗ 
gen täglih 13 Stunden zu Pferde gefefien habe und dabei jede Radıt 

Zeitfchr. f. allg. Erdkunde. DB. II. 24 


370 Gumprecht: 


zwei Stunden Wache gehalten, ohne irgend eine andere Nahrung, als 
Reis und eine Art Graupen von Weizenmehl in Waſſer gelocht un 
hin und wieder eine Hand voll Datteln. Hier haben wir Fleiſch i 
Meberfluß; ich genieße aber nur die Brühe davon, da men Maga 
etwas ſchwach ift, und man fich Hier mehr, als irgendwo vorjehen zur 
Schwerverdauliched zu genießen... Wenn Du nur einen Blick au 
diefe Gegend werfen Fönnteft, auf dieſes Meer von Sand mit fein 
Inſelchen von Palmen und den fchwarzen Yelfen, die überall nat: 
und kahl emporftarren °), und wenn Du mich fehen Fönnteh, ie 
ſchwarzgebrannt von der Sonne, in halb arabifcher, halb europäiſche 
Kleivung in meinem Zelte platt auf der Erde liegend, während it 
diefe Zeilen fchreibe; denn mein ganzes Ameublement befteht aus cine 
Feldſtuhl und einer Matrage nebft zwei Strohmatten; mein Tiih N 
fchon längft in Zeitpflöde und Brennholz verwandelt werben wäh 

. Da Du eine fo große Freundin von Thieren bift, fo würden Tr 
meine beiden Pferde, ein graues und ein braunes, viel Freude macht: 
fie find fo zahm, daß fie mir, wie Hunde, überall nachlaufen, und, men 
ich effe, ficher fommen, um fich ein paar Datteln zu holen. Das gran 
Pferd if fehr fchön und ein Geſchenk von Haflan Pafcha, dem Ge 
verneur von Murzu; das braune, auf dem ich in Tripolis reiten ge 
fernt, ift auch recht hübfch, aber fo unbändig, daß Feiner meiner Le 
gleiter es je befteigen will; ich bin die einzige Perſon, die es nit. 
wirft... Geftern machte ich dem Sultan von Tiboo, in deſſen Fun 
ich nich augenblicklich aufhalte, meine officielle Viſite. Ex lebt in an 
Heinen Erbhäuschen mit Balmenzweigen bedeckt und empfing mid 8 
einem Zimmer, das außer ihm und den Vornehmften feines Bold 
noch zwei Ziegen und ein Pferd beherbergte. Se. Majeſtaͤt ſaß an 
einer niedrigen Banf von Rohr, gefleivet in eine blaue Blouſe mit er“ 
ungeheuern, furchtbar ſchmutzigen Turban auf dem Kopfe. Ich 9 
auf ihn zu und gab ihm die Hand, zum Zeichen, daß ich ihm für hir 
über mir ſtehende Perfon hielt — zum Erftaunen aller Tibood — 
und erfundigte mich nach feinem Befinden. Er fragte mich dagego 
wie ich die Königin von England verlaffen, und verficherte wir, bl 
ich ohne alles Bedenken fein Land durchziehen könne, da er Alke m 
mich thun werde, was er koͤnne. Ex war fehr erfreut über meine I 
ficht, einen Eourier nah Murzuk zu fenden, den erften einzelnen Both 





Neuere Unterfuchungd » Erpebitionen in Nord» Afrika. 371 


der je diefe Reife gemacht, und verfprach mir etwaige Briefe, die ich 
von Kuka ſchicken würde, ficher zu befördern. Ich befchenfte ihn dar⸗ 
auf zu feiner großen Freude mit einem rothen Burnus und Kaftan, 
einem Stüd Muffelin, einer rothen Muͤtze, zwei Raſirmeſſern und eini- 
gen Stüden grauem Ealico. Sowie ich zu meinen Zelten zurüdgelehrt 
war, fchidte er mir dagegen zwölf große Schüfleln mit gefochtem Reis 
und ein fettes Schaf, welche Borräthe von meinen Leuten in weniger, 
als einer Stunde verfchlungen wurden. Ich wurde fo eben im Schreis 
ben durch etwa ein Dugend vom fchönen Gefchlecht unterbrochen, die, 
eine augenblidfliche Abwejenheit meiner Bedienten benugend, fich in mein 
Zelt gevrängt hatten, wo ich viele Roth hatte, fie mir vom Leibe zu 
halten. Ich befchenkte jede mit A Nähnaveln, über welche fie höchlichft 
entzüdt waren. Die Damen bier zu Lande tragen im linfen Nafen- 
flügel einen großen Knopf von rother Koralle, ihre Kleidung aber be- 
fteht in einem Stüd Kattun von etwa 1 Elle Breite und 3 Ellen 
Länge, welches fie um den Leib wideln. Webrigens find fie mit einem 
glänzend ſchwarzen Fell angethan, welches fie durch übermäßiges Ein- 
ölen zu verfhönern ſuchen Ihr Haar ift in unzählige Kleine Zöpf- 
chen *) geflochten, die gleichfall8 von Zeit tiefen... Hoͤchſt unange: 
nehm und drüdend finde ich hier den gänzlichen Mangel an Geld; 
Alles wird mit Stüdchen Calico bezahlt, und das giebt natürlich ein 
ewiges Ausmeffen und Abfchneiden, was höchft läftig if. Der Ort 
hier liegt an einem großen fteilen Felſen, der faft wie der Königitein 
ausfieht, aber in jeder Richtung durchwuͤhlt ift®). Dieſer Felſen 
bildet nämlich den Zufluchtsort der Eingeborenen, wenn fie von den 
Tuaricks, einem räuberifchen Araberftamme °), weftlich von hier wohs 
nend, angegriffen werden. Ein folcher Angriff erfolgt faft alle zwei 
Sahre, und wird dann Alles mitgenommen, was transportabel ift; bie 
Männer werden niedergemacht, die Weiber und Kinder aber in bie 
Sclaverei geführt. Diefelben Herren wollten auch unferer Karavane 
einen Befuch abftatten, und während dreier Nächte ſchlief ich nicht an- 
ders, als mit dem Nevolver zur rechten und einer Doppelflinte zur 
linten Hand; allein fie fanden uns ftets zu fehr auf unferer Huth 
und zu ftarf, und fo find wir denn bis jest ungeftört und unbeläftigt 
geblieben. Doch ich muß fchließen, da eben einige VBornehmfte des Dr: 
ted angemeldet werden, die gern meinen Kaffee koſten wollen. Mach' 
24 * 





372 Bumpredt: 


Dir Feine Sorge, wenn Du nun längere Zeit nichts von wir heart: 
tröfte Dich mit dem Gedanken, daß Gott feinen guten Deutſchen ver 
läßt und darum Keep a stiff upperlip! wie der Engländer jagt unt 
behalte mich lieb ıc. 

Nachſchrift. Das Wetter ift hier recht unausſtehlich; fortväh- 
rend Norboftwind und Staub, der die Sonne verbunfedt; am Der 
gen eine Temperatur von 8° und Mittags von 30° Raum. Apro- 
pos! Was denkſt Du wol, was ich dem Boten gebe, der mit bieten 
Zeilen über 500 englifche Meilen weit durch eine Wüfte ohne alle Spur 
von Vegetation geht und dann benfelben Weg wieder zurüdfommt, da: 
bei fein Kameel und fich erhalten muß und feinen Augenblid des Le— 
bens ficher it? Alles in Allem 3 preußifche Thaler! “ 


2. Aus einem Briefe Bogel’s, d.d. Afhdenüämma, Tibee, 
den 26. November 1853. 


.... Ich Babe gefunden, daß die große Wüfte aus einem Bla 
teau von ziemlich gleicher Erhebung — zwifchen 1500 und 12008. —, 
einem Randgebirge von 2700 F. (bei Sodna die fehwarzen Berge) ’), 
und einem anderen Kamme unter dem 27. Grade n. Br., der ſich 
bis zu einer Höhe von 2400 F. erhebt, befteht, und daß die Tier 
flaͤche aus Kalkſtein °) und ſchwarz gefärbten Sandſtein beſteht, niv 
gends aber Bafalt vorfommt. Weberall mo die Kelfen fehlen, erfcheimt 
Salz in Menge ’). Es ift ein Irrthum, wenn behauptet wird, das 
die Dattelpalme bei Tegherri aufhöre 10); fie ift bier, 5° ſuͤdlicher. 
im Ueberfluß vorhanden. 

Das Wetter ift Hier recht unausftehlich: fortwährend Nordoſtwind 
und Staub, der die Sonne verbuntelt; am Morgen eine Temperatn 
von 8° und um Mittag von 30°! 


3. Schreiben Barth's an Prof. Lepfius''). 


Binder, den 18. Sannar 1853 '*), 
Leider bin ich noch immer hier durch die verzögerte Ankunft ver 
mir nothwendigen Hilfsmittel zurüdgehalten, werde jedoch in feinem 
Sal länger, als bis zum Anfang des naͤchſten Monates warten, da 


Neuere Unterfuchungs » Expeditionen in Nord » Afrika. 373 


mein Marfch durch Gegenden liegt, welche die heftiger werdenden Res 
gengüffe der Regenzeit fo gut, wie ganz unpafficbar, machen. Wie ich 
nun meine Muße in biefer nicht ganz uninterefjanten Stadt dazu bes 
nuge, meine Korfchungen über die Länder des öftlichen Theiles Cen⸗ 
tral⸗Afrika's zu irgend einem vorläufigen Abfchluß zu bringen, um 
mich dann um fo freier mit dem fo ganz verfchievenen Lebendfreis der 
Länder der weftlichen Hälfte zu befchäftigen, fo fallt mir ein, wie ich 
Ihnen noch feit langer Zeit Antwort auf Ihre Frage über die Stel 
lung der Tebu im afrifanifchen Völterfreis fchuldig bin. Die Tebu, 
Tibbu oder vielmehr TEdä, wie fie felbft ſich nennen ’°), ftehen in 
ganz entfchievener Berwandtfchaft zu dem Kernvolf der Kanori oder 
der fogenannten Borno; zwar nicht fo fehr durch die entfchiedene Vers 
wandtfchaft einer großen Menge von Wörtern !*), da die Tebu dieſe 
leicht von den viel civilifirteren Kanori, deren mächtigem Reiche fie eine 
lange Zeit einverleibt waren, aufgenommen haben könnten, ald durch 
einige Hauptllammivörter, noch mehr aber durch die Aehnlichfeit gram⸗ 
matifcher Yormationen. Zu den in beiden Sprachen ganz identis 
fhen Stammmwörtern zähle ich vorzüglih bu effen — buskin. 
Kanori ich efie, böri oder börik in der Tedaſprache —; ya trinken 
— ya skin Kan. ich trinfe, yä-rik Teva —; shen, shin träu- 
men — ne-shin-iskin Kan. ich träume, mesh&n nöri Teva —; ta 
halten, feftbalten, ta skin Kan. ich Halte, ta rik Teva —, tul 
wafchen, tuluskin Kan., tuldrik Teva —; fun blafen, funiskin 
Kan., funrik Teva und viele andere. 

Die enge Verwandtſchaft in Hinficht grammatifcher Sprachformen 
zeigt fich ganz vorzüglich in der negativen Korm des Verbums, 
eine Zorm, welche, vielen der Sprachen Central⸗Afrika's eigenthümlich, 
ihnen einen aufßerorventlichen Vorzug giebt. 


Den 22. Januar. 


Nachdem der Brief vorgeftern durch die glüdliche Ankunft einer 
anfehnlichen Geldſumme von der englifchen Regierung, aber wunder: 
barer Weife ohne eine einzige Zeile aus Europa, unterbrochen wors 
den, fahre ich Heute in meiner Mittheilung fort — 

Die Kanorifprache Hat diefe Form im Präfens verloren oder abs 
geworfen und das Hilfsnegativum bago, wahrfcheinlich aus der Hauffas 


374 . Oumpredt: 


fprache — babo — angenommen, im Perfectum aber behalten"). 
So fagen fie leniskin ich gehe, bin im Begriff au gehen, leniskin 
oder Ienginbago ich gehe nicht, leniski ich ging, leniskini ic) ging 
nicht; ganz Diefesfelbe angehängte ni oder n bildet die negative Zom 
des Verbums in der Tedaſprache. Nun aber kommt ein drittes 
Hauptdatum hinzu, um die Tebu ganz entſchieden dem Böllerhet 
des eigentlichen im Süden des Tſad fich umherlegenpen EentralsAt 
ka's einzureihen; Dies ift Die Art ihrer Hauptwaffe. Es iR vie 
die fo eigenthümliche, den Völkern Weſt⸗Sudan's ganz unbelan, 
ganz aus Eifen beſtehende, mannigfach abgewandelte Streitart, der g& 
liö der Kanori, von den Teba ingili genannt. Diefe rohe, von ta 
Kanori im Lauf ihrer Entwidelung fat aufgegebene Waffe, welche de 
Hauptwaffe der Heidenftämme im Süben bildet, mußte den Teva nat 
Anfang an heimifch fein und Fonnte unmöglich als Probuft hen 
Yildung angenommen werden. — Leider habe ich noch feine Ruk 
gefunden, eine hiftorifche Einleitung zu meinen 6 vergleichenden Spu 
chen, die zugleich Rüdficht auf die in fürzeren Bocabularien darge 
ten 24 Sprachen nehmen fol, abzufafen, da mir bie vielen matnd 
len Störungen leine Ruhe laffen **). Möge Ruͤcktehr in die % 
math mir befchieven fein, um das hier Begonnene dort in Rue m 
vollenden. Ich werde jegt meine Hauptaufmerffamfeit der Zellan "). 
Sonr'ay !°) und Mofifprache 1%) zuwenden, bie beiven erſten find fh 
ſtark begonnen, die legte ift mir noch ganz fremd. Die anderen Eu 
nen werde ich nur kurz vocabulifiven. Welche Fragen zu löfen air 
noch beftimmt if, kann erft die Zufunft zeigen. Kür jept empfehle if 
mi Ihnen zu freundlichem Angebenfen. Außer Ihrem Briefe 9@ 
Juli 1850 ift mir Nichts von Ihnen zugekommen. Bis ich zurül 
fomme, wird wohl Ihr großes ägyptifches Werk ganz vollendet ſen 
Ich denke in wenigen Tagen aufzubrechen. Nachricht von mir werde 
ih, wenn moͤglich, von Soföto aus geben. 


Neuere Unterfuchungs s Erpebitionen in Norb- Afrika, 375 


4. Dverweg’s und Vogel's aftronomifche und hypſo— 
metrifhe Beflimmungen. 


a. Aftronomifche Beftimmungen. 


Durch die von der britifchen Admiralität in dem erften Viertel 
diefes Jahrhunderts angeordneten umfafjenden Unterfuchungen im Mit- 
telmeere wurden auch Tripolitaniend Küften in den Jahren 1825 bis 
1827 von den beiden Gapitainen Beechey dem größten Theil ihrer 
Lange nach und wohl zum erften Male mit Genauigkeit aufgenommen 
und deren wichtigften Punkte aftronomifch beſtimmt. Mit weit wenis 
ger Sicherheit Fannte man dagegen bis in die legten Jahre die Lage 
der Punkte im Innern, fowohl in Tripolitanien mit Einfchluß Fez⸗ 
zan’d, wie in der Sahara, fo weit fich die lebte von der Südgrenze 
Fezzan's und der alten Cyrenaica bis zu dem Ylußgebiet des Niger 
erſtrekt. Durch Denham's, Oudney's und Glapperton’d Erpedition 
war nämlich in aftronomifcher Hinficht für den eben erwähnten gro- 
Gen Theil des Continents auffallend wenig gefchehen, während doch 
diefelde Erpebition fich auf eine ſehr dankenswerthe Weife in Bornu 
und Hauffa bemüht hatte, die Lage der namhafteſten Punkte feſtzu⸗ 
ftellen. So befchränfte fich unfere aftronomifche Kenntniß der erwähn- 
ten Gegenden fat ausfchließlih auf die bei Gelegenheit von Lyon's 
und Ritchie's Reife nach Fezzan gemachten Beobachtungen, die aber 
unzweifelhaft viel reichhaltiger und genauer ausgefallen wären, hätten 
nicht häufige Krankheiten die Thatigfeit beider Forſcher oft gelähmt, 
und wäre nicht dem Eifer Ritchie's endlich durch deſſen frühen Tod 
Grenzen gefeht worden. Demungeachtet müflen wir e8 Lyon vollen 
Dank wiffen, daß er ſich der Fortſetzung der Arbeiten feines Ber 
gleiterd bereitwilligft unterzgog, und Daß er und mit einer NReihe 
von Beobachtungen befchenft hat, die bis in vie neuefte Zeit ald ein- 
ige Bafls für die Kartenconftruction dienen mußten, da und außer 
feinen Angaben nur noch zwei Ermittelungen der Art für jene Gegen 
den zu Gebot ftanden, die ältere Hornemann’d nämlich von Murzuf, 
von der wir aber nicht wifjen, durch welche Beobacdhtungsmittel fie er- 
langt wurbe, und die fpätere Laing’8 von Ghadamoͤs. Ebenfo unbes 
kannt find die aftronomifchen Beftimmungen, worauf Brar neue und 





376 Gumprecht: 


ſehr detailreiche Karte des weſtlichen Tripolitaniens und die zu Dich 
ſon's kurzem Bericht (Journal of the geogr. Soc. of London XII. 
131 — 136) über feine Reife nah Ghadamoͤs gehörige Skizze be 
ruhen. Aus den einleitenden Worten zu Dickſon's Bericht ift jeted 
allerdings erfichtlih, Daß dem Kärtchen nicht eigene genaue aflı« 
nomifche Beobachtungen des Reiſenden, fondern vorzüglidy nur de 
jen Tafchencompaßs Beobachtungen und Wegemeflungen zum Grunk 
liegen. 

In der Hinfiht find nun Overweg's und Bogel’8 Beobachtım- 
gen von überaus hohem Werth, weil durch fie zum erften Dale eint 
Reihe vollftändiger Data für das eigentliche Tripolitanien, Fezzan, die 
Sahara und bis tief in die Negerländer erlangt wurde, und A. Peter 
mann dadurch befonderd die Möglichkeit erhielt, feinen beiden großen a 
fehönen Karten von Rord-Afrifa eine ficherere Bafid zu geben, als vie 
bei anderen Arbeiten der Art bisher möglih war. Herr Prof. Enk 
hat fi der danfenswerthen Mühe unterzogen, nach Auszügen aus 
Overweg's Journalen und Bapieren deffen Beobachtungen zu bered» 
nen. Leider befindet fich aber, wie ſchon früher Barth und Ben: 
mann Hagten (©. diefe Zeitfchrift I, 207, 213), und Petermann neuer⸗ 
dings beflätigte (An account 7), Overweg's fehriftliher Nachlag zum 
Theil in fo ungeorpnetem Zuftande, und deſſen Handſchrift darin iR 
fo wenig deutlich, daß Herr Enfe der Ueberzeugung ift, ed bebürfe zur 
genaueren Berechnung der Beobachtungen des Reiſenden einer vollkänti- 
gen Einficht in den ganzen vorhandenen fchriftlichen Nachlaß deſſelben 
Die Breitenbeftimmungen hält Herr Enfe jümmtli für richtig, leider 
fand fi) nur eine einzige Rängenbeflimmung vor, Doch erklärte Her 
Enfe das daraus gezogene Ergebniß gleichfalls für zuverläffig. Glüdlicher 
weife fällt diefe Beobachtung gerade in den Tſadſee, fo daß Dadurch wer 
nigftens ein wichtiger Punkt des Nigerlandes aftronomifch für ficher gelten 
fann. Im Ganzen find ed 23 Bofitionen, welche Herr Petermann mittheilt: 
eine betrifft Tripolis, das bereits mehrfach früher beftimmt worden war. 
Weit reicher wird jedoch der Gewinn fein, den die Kunde des Continents 
aus Vogel's aftronomifchen Arbeiten zu hoffen hat, indem dieſer ver 
erfte Aftronom von Beruf umd: Talent ift, der eine Reife in das Zu 
nere des Continents unternimmt, wogegen Overiveg mur im Augen 
blick faſt feiner Abreije einen kurzen Unterricht im Beobachten auf ber 





Neuere Unterfuchungs» Expeditionen in Nord » Afrika. 377 


hiefigen Königlichen Sternwarte zu genießen im Stande war. Wie 
viel mehr deshalb Vogels Leiſtungen die von Overweg überragen wer- 
den, fobald demſelben Gefundheit und Leben erhalten bleiben, er- 
geben ſchon die bisherigen Erfahrungen, indem die von Vogel ange- 
ftelten Beobachtungen, wie die folgende Weberficht ergiebt, für bie 
verhältnigmäßig Furze Strede zwiſchen Tripolis und Murzuf 18 
Punkte, alfo faft eben fo viel beftimmen, ald Overweg während feines 
fat 22 jährigen Aufenthaltes in den verfchiedenften Theilen des Conti⸗ 
nentes feftzuftellen vermocht hatte. Ueberdies gewinnen Vogel's Refultate 
noch dadurd an Zuverläfligfeit, daß er fie felbft aus feinen Beobach⸗ 
tungen berechnet hat und dadurch aljo Fehler möglichft vermieden wer: 
den. Sehr erfreulich ift zugleich dabei, daß ſich bis Murzuf die Beob- 
achtungen beider Reifenden gegemjeitig ergänzen, indem Overweg ber 
geraden Richtung von Tripolis über den Gharian, Mizda und die 
Hammada nah Murzuf, alfo einem Wege folgte, der bisher noch von 
feinem europäifchen wiflenfchaftlichen Neifenden betreten war, und über 
den wir bisher fogar nur 2 Jtinerare befaßen, das eine durch den 
ehemaligen franzoͤſiſchen Conſul Delaporte nah den Aufzeichnungen 
eines neapolitanifchen Sclaven an Walfenaer (Recherches 465 bis 
A473) mitgetheilte über den Weg von Tripolis nad) der noch ganz uns 
befannten, im Gharian gelegenen Stadt Soltan, und das zweite ähn- 
liche, von Carette veröffentlichte (Exploration scient. de l’Algerie Sc. 
geogr. et hist. II, 145 — 147), wogegen Vogel einen Umweg machte. 


a. Dverweg’s aftronomifche Beſtimmungen (An Acc. 13). 








Bemerkungen. 









Tripolis......... 
Mizda (Berl. M. B. 1851. 
107, 111, 113. G) 


1. März 1850 320 54’ 43" 
8. April = 131 26 35 






Mezda (Walke⸗ 
| naer 470; Ca⸗ 














Zfala (Brunnen, fübfich 
fah, eb. 221,227. ©.) 12. «+ = |22 36 2] 


Taboniah (Tabouiech ebd. | rette145,147). 
115,114; 1852. 159. G. |16. ⸗ 30 25 57 i ®. 
Wadi el Heffi (eb. 1851. | 
116,116.1852,219©.) |23. : ⸗ 28 20 15 | 
Wadi Adfchunfcher (Ajun⸗ | 
B) 2222000. 24 14 42 | 
Wadi Faleſſeles (ebend. 
1852. 218) © 5. Aug. : 23 48 28 
v Tafchetterat; Ai⸗Sa⸗ | 








378 Gumprecht: 





....... 30. Oct. 1. Nvbr. |18° 35’ 24”, 180 34’ 0" 2.8. 
| frühern. Die 
weg(DLR.I 
Anffas .... 2.200. 17. Decbr. 1850 18 0 16 1842, 236.9.) 
Inſel Belarigo im Tſad⸗ 
fee (eine der nörblichkt. 
Bidduma-Inſeln. ©.) | 1—21.3uli 1851 |13 26 37 |14* 50’ 0" 
Snfel Guria (im Tiab- 
fee, eine der öftlichften 
Snfeln. ©.) ..... 10. Zuli 1851 |13 24 32 
Sogoma (ſũd. v. Tſad. G.) 6. Dechr. 1851 11 87 30 Soymı 
n 
I, 105. G. 
Maſa (SSO. von So: 
goma. ©.) ...... 7. ⸗ s |11 48 45 
Kayeta.......... 18. = = 41 25 43 
Borymta......... 19. ⸗ 2111 23 5 
Morom .... 2. >... 24. ⸗ = 110 53 55 
Bartia... 2.00. c 27. ⸗ = 11 41 32 * 
Billa malem Vimmabeh |29. = : 110 48 4 E 
Diſtriet Wulia ..... 1. San. 1852 10 9 22 * 
Desgl. ....:1|6 >: 2 10 838 i_ 
Del. 220. 7. ⸗ = |10 18 23 F 
Delaheh (SEO. v. Maſa) 25. ⸗ ⸗111 4148 Delahay biz 
| 107. 8.& 
Alla (füdl.v.Tfad. G.) |28. = : 112 13 5 Alla b. Denh 
I, 104. 6 
Marteh (ſüdl.v. Tſad. ©.) |29. = = |12 22 9 Merty,1äR. 
v. Ada bi 
Denbam |, 
103,104.6., 
Hedi (füdl.v.Tfad. G.) 30 - = 112 27 27 Debbie ebend. 
1, 102. @. 


8. Bogel’s aftronomifhe Befimmungen (An Acc. 13— 14). 





Bemerfungen. 





Tripolis...... .132° 53 58”113° 11’ 30”) J. Garten 0,15 (engl.) geogr. M. zörl 
u. 1,30 9. M. öfl. vom 

Beniolid....... 31 44 22 14 17 15 | Dorf Dabur Gebä, etwa 4.9. M. 
v. Kaſteil (30° 45 n. B. Lyon 36. ©.) 

Eufad ........ 31 27 30 114 57 0 |300 Yard's wel. vom Bruna. 

Bonjem .......130 34 58 15 31 45 J. Kaſtell (15° 350.3. Lyon 270 9) 

Sukna........ 29 4 4116 18 30 | Garten des Gouverneurs (Mubir; 29 
5’ 36”. Lyon 80. ©.). 


Godfah ....... 28 50 43 116 8 0 Bruunen am Fuß der ſchwarzen Bey! 
Dm el Abid (Abeed) 27 30 48 15 21 15 | Brunnen (Denham LV. ©.). 
Burmea ...... 27 14 19115 2 0: Brunnen. 

Sehha. .. 2... . 2? 2 34 14 43 0 (Eyon 85. ©.) 


Neuere Unterfuchungs» Exrpeditionen in Nord = Afrika. 379 


Ort. | N. Br. 0. 2. or Bemerkungen. 
Mhodoa ....... 128° 26° 1”114° 38 45") Dorf, 
Murzuf....... 25 55 16 14 10 15 | 9. engl. Gonfulat (25° 54’ n. Br. und 
15° 52° öfll.2. Gr. Lyon 275. ©.). 
Bimbeia ...... 26 34 48 |13 40 15 | Dorf. 
Bahr el Dud . 26 42 01/13 44 15 | 3000 %.lang 1200%.breit.\ Die größe: 





Dm el Hafan®) ..26 49 0113 38 0|29.M. lang FM. breit. ren Dimen- 
Teonafeen*) ....26 54 0 13 30 O|etwatM.lang ZM. breit.\ fionen der 
| (DendpamLVI—LIX.®.)| Seen find 

26 43 40 13 24 45 | 14 M. lang | M. breit. \ von Wet 

See Mandra .... 26 41 22 13 22 45 |19g.M. lang IM breit. / nad Oft. 
Dfigema ...... 26 25 1:13 8 45 | Stapt(%yon271;,M.B1851,115.@.). 
An diefe Beobachtungen Overweg's und Vogel's ſchließen fich 
endlich noch vervollftändigend die von Barth in Adamaua gemachten 
und bereits in’ den Berl. Monatsber. 1852, ©. 368 mitgetheilten an, 


naͤmlich: 


Om el me ..... 





Bemerkungen. 







nn 8 2’ | 13% 5 


Dola Hauptflabt von Adamaua. ©. 
Bereinigungeftelle d. Be⸗ 


nue md Scham ...| 8 0 | 13 37 
UÜba.. 2220000 9 45 | 14 Nördlich. Grenzpunkt v. Adamaua. ©. 
Uje Kafuflula ..... 11 20 | 14 17 


b. Hyypſometriſche Beflimmungen. 


Noch viel mehr, als die aſtronomiſchen Beſtimmungen, waren bis⸗ 
her die hypſometriſchen im Argen, indem Lyon gleich im Beginn ſei⸗ 
ner Reiſe das einzige Barometer, das er beſaß, zerbrochen wurde 
(29), und da in dem ganzen angegebenen Landſtrich bis zum Jahre 
1850 uͤberhaupt nur eine einzige Beobachtung, naͤmlich die von Den⸗ 
ham's Expedition, vorhanden war, wodurch man die Erhebung des 
Tſadſees zu 1536 F. über dem Meeresſpiegel glaubte beſtimmen zu 
fönnen. Aber felbft dieſe Mefiung ift, wie die Reiſenden aufrichtig 
erklärten, nicht völlig zuverläffig, indem das benugte Barometer nicht 
fuftleer zu fein fchien. Leider erhielten wir unter den duch Herrn Pes 
termann ypublicirten Hypfometrifchen Beobachtungen Overweg's feine 
Beſtimmung des Tfadfees, was fich durch den beflagenswerthen Ver 
luſt erklärt, den die Erpebition bei dem Weberfalle an der Grenze Airs 
durch eine Rotte beutelufliger Tuaregs erlitt (Berl. Monuntsberichte 





*) Die Rage beider Orte beruht nur auf Schäbung. P. 


380 Bumpredt: 


1852, 255), indem Overweg dabei 2 Hypfometer zerbrochen oder eni— 
wendet wurden. Deshalb findet fich auch nur für den erften, freilich ba 
weitem Eleinften Theil der Reiſe eine Reihe bypfometrifcher Beob 
achtungen Overweg's vor, die aber allerdings fehr dankenswerth fint, 
da dadurch die hier S. 367 ſchon berührte wichtige Frage über das 
Niveau der Sahara befriedigend gelöft wird. Der Reifende bedient 
fich dazu oft des Regnault'ſchen Pfychrometers, während in den Ghariar 
Dafielbe mit dem Aneroidbarometer gefhah (S. aber B. M. 1851, 103), 
welches bald in Unordnung Fam, fo daß die Beobachtungen mit den Kodin- 
firumenten fortgefegt werden mußten, bis auch fie ein Ende fanden. Be: 
gel's befannt gemachte Beobachtungen reichen bisher nur bis Munuf: 
fie ergänzen inveffen wieder die durch Overweg im füblichen Tripeolits- 
nien erlangten Refultate in einer fehr erwünfchten Weife, va fich aus 
ihnen deutlich ergiebt, daß der Soudah (die fogenannten ſchwarzen Berge) 
eine beftimmte Kortfegung der Hammäda bildet (Berl. Monatsber. 1851, 
115; 1852, 159, 163 — 164). 


a. Overweg's bypfometrifhe Beflimmungen (An Acc. 13). 





Orte. Fe Bemerkungen. 


Same ... 2000er 180 
Khafir Oharian (3 Beob. B.M. 1851. 105. &.) | 1696 Rothman i. Schläzger’s Brick 
wechſel 1780. I, 3%: 


Berg Toeſch 2212 %yon 28. ©. 
erg Zoefheh .. 2... 2220er 
Mady Sadama. ... 2.2220 ene 1690 
Mizda (3 Beob.) ... 202 cc ereeen 1018 
Wady Mela ... 2.2.02 0eeererene 808 
Wady Talha (Berl. M.1851. 108,111, 114. ©.) | 800 ' 
Wady Tagifcha (eb. 1851. 110. &.) es. 8517 
Wady Zemzem (eb. 119; Lyon 65, 330. ©.) | 531 
Brunnen Taboniah (4 Beob. ) ........ 1095 
Die Hammada . 2 2 2 22er 1394 
Des. oe. en 1438 
Zu ................. 1568 
Fa 1432 
Baby & "gef (a. a.O. 1851, 115. ©) . | 696 
Zwifchen Wady el Heſſi und Schiati ren 921 
Wady Schiati (Lyon 300. B. M. 1861. 117. &.) | 710 
Wady Nagnaga................ 857 
Wady Tigidafa............... 921 
Wady Gharbi (Ogrefah. P. Lyon. 300. G.).1192 
Berg ſüdweſtlich von Ogrefah........ 1605 
Brunnen Scharaba .. .. - 2: 22220 900 


Tfamal . 2:2 on 1078 | 


Neuere Unterfuchungd- Erpevitionen in Nord» Afrika. 981 





Drte —— | Bemerkungen. 





Taflemma ». 2222er 
Wady Emmenezo................ 
Elauwan (2 Beob.).............. 
Wady Elremut............ 
Ebene von Taĩta................ 
Wady Talya (2 Beob. M. B. 1852. 215. ©.) 
* ne (Denham I, S. LXI. ©.) 

ady Tahala .. 2... 2:00 er reenen 


................. Denham LXIII, Richardſon 

Travels II, 242 — 250. B. 

Wady Adſchundſcher............ M: 1852, 216, 218. ©. 
Egangan.................... 
Alus nertadſchid (A. nerrafib P.)...... 
MM ern. 
Bei Aiſu (Afeu. Berl. M. 1852, 227, 241. ©.) 
Eelufiyeh (ebendort 233—238) ....... 


Tin-Tilluſt (Tin-Telluſt. B. M. 1852, 238 
bis 258. G.)................ 


ß. Vogel's hypſometriſche Beſtimmungen (Au Acc. 14). 


Tripolis................ u 504 Engl. Garten. 

Alnzara. 2. 20er ne ... 74 Waſſerpfuhl, 7 M.v. Tripolis. 
Tobraass.................. 173 | Brunnen, 14M. v. Tripolis. 
Zayagh...................... 407 | Brunnen, 27M. v. Tripolis. 


Melghrapaß ... | 704 

Tarhona (Tarhina Berl. | Berge weftl. davon | 1309 
Monatsber. 1852, 101; < Brunnen Melghra. 

Zarhona 1852, 158. ©.) „(een 37. ©.) . | 1089 

Berge öfll. davon . | 1529 


Mather . 2.220 ee rennen 1176 | Etwa 25 engl M. weſtl. von 
Beniolid. 
M Muhn ... 2.2.2222 eernnen 1235 | Wady 10 M. von Beniolid. 
Beniolid.............. 920 | Süpl. Ende des Thals. 
anabı Sofedſchin (Sofejin B.).... .. ..| 270 j15M. von Enfad. 
1-31 17:1 269 | Brumen. 
Desgl 0er 412 | Berg. 
Wady Iemgem . oo onen 384 
Donaem. oo een 204 
Wady Bounayeh - 2: oo een 698 |48M. von Bonjem. 
Tmad el Tat... 2 oo oe 1110 | Brunnen, 15M. von Sukna 
Berge bei Tmad el Far... .. 2.202020. 1350 
Sukna................ 1036 | Lyon 70—77. ©. 
Sodfah.. 2.2.0220 enen 1640 | Brunnen. ©. hier 
Schwarze ) Berge bei Sodfah ........ 1900 & 383 
Berge Paß über die ſchwarzen Berge . | 2065 FA 
Höhe derfelben.... 2.20... 2160 | 15M. v. Godfah. 
Wuͤſte füdlich von den fchwarzen Bergen... | 1380 |35M. von Godfah. 
Dm-el-Abeed . 2.22 ............ 1360 
Wüſte zwifchen Schha und Rhodoa...... 1590 
Mhoboan .. 2.2: 220er nenn 1550 


Muruf....22 2020er 1495 | ®egenüb. d. engl. Conſulat. 





382 Bumpredt: 


ı) Afchenuma ift eine durch Lyon ( Schnumma 244, 265) erfuntete un 
von Denham befuchte (I, 19), 1 oder 3 Tagereifen von Bilma gelegene gro 
Stadt im Tibbulande. G. 

2) Die Tibbo (Hornemann. Ueberſ. von Langlès 145 — 150), Tibb 
(Burkhardt Nubia 488. Lyon 120, 121, 159, 225, 227 u. ſ. w., und Denhan 
I, 24 u.f.w.), Tibu (Hodgson Notes 71, 106), Tebu (Fresnel Bul 
de la soc. de Géogr. de Fr. XI, 21, 30, 31, 48; XIV, 175, 179) over, mu 
Barth neuerdings will, Teva (f. bier Barth's Brief aus Zinder S.373) ft 
das große, zuerft durch Hornemann befannt gewordene Volk ver öſtlichen & 
bara, welches im Weften die Tuäreg zu Nachbarn hat, im Süden bis an ta 
Tſad reicht, im Norden früher bis an den großen norbafrifanifchen Cala: 
zug ſich 309, von welchem es im Lauf der Zeit arabifche Nomadenflämz 
fübwärtd drängten (Fresnel XI, 14), im Oſten aber eine noch unbefauss 
Grenze gegen arabifche Stämme bat. Das Land dieſes Volkes ift faR net 
ganz unbefannt, da es nur an feinen weftlichen Rändern Durch die Erpetiten 
Denham's und Oudney's berührt worden ift, alles übrige aber, was wir von ihe 
wiffen, allein auf den Notizen beruht, die Lyon in Murzuf und Yreind u 
Dſchidda, Cairo und im Norden von Bengazy ber eingefammelt haben. Das Br 
fentlichfte davon ift in meiner Geographie v. Afrika 251, 258—259 enthalten. ©. 

2) Es find dies diefelben äußerlich fchwarzen Sandſteine, welche beim 
lich zuerft Hornemann in dieſen Gegenden Eennen Iernte, irrig aber fir de 
falte Hielt, ein Irrthum, ver fich bis in die neuere Zeit fortzog, wo noch K 
chardſon die aus ſolchem Sandftein beftchenven Felſen als bafaltifche aniek. 
Gegen eine foldye Auffaffung fah ich mich bereits vor und während her Rat 
der beiden veutfchen Forſcher veranlaßt, in meinen beiden Schriften: Tie vu 
canifche Thätigkeit auf dem Feſtlande von Afrifa. Berlin 1849, 207 u. 208, mt: 
Die Mineralquellen auf vem Feſtlande von Afrifa. Berlin 1850, 122, in Felx 

von Oudney's Beobachtungen (Denham I, 7, 14, 17, 28, 294), Einwendungen # 
machen, die durch Overweg's Beobachtungen an Ort und Stelle gerechtfenz 
wurden, fo daß biefer Gegenftand als völlig in's Reine gebracht gelten kann ©. 
©) Diefe Schilderung der phyſiſchen Verhältniffe der Tibbu's, befontet 
derer des weiblichen Geſchlechts, finvet fich bereitd ganz auf biefelbe Ber 
bei den früheren Berichterftattern über diefelben, bei Hornemann, Fat 
Denham und Richarvfon vor, und das überaus günftige Urtheil, das Fre 
(225, 227, 253) über vie Körperbildung der Tibbu fällt, erfcheint in N 
That durch die bildlichen Darftelungen, welche viefer Reiſende mittheit 
volllommen beftätigt. Die @eflchtözüge der Tibbuweiber find nämlich mc 
allein regelmäßig, ſondern ſelbſt fchön, die Augen groß und voll Leben, ix 
Lippen fein und gar nicht did, wie bei den eigentlichen Negern, tie Zähm 
vortrefflich, ver Körperbau ift fchlanf und zierlich, die Nafe adkerartig (Denhas. 
I, 25; Lyon 224— 227), das Saar fehr lang (Hornemann 144) und werd 
wollig (Lyon 255), fo daß nach Lyon's Urtheil die Tibbuweiber, ungeachtet ihr 
glänzenden und dunkelſchwarzen Haut (the brightest black nennt er ft 





Neuere Unterfuchungs» Erpebitionen in Nord » Afrika. 883 


glossy black bei Denham I, 25), doch feinen ver übrigen charakteriftifchen 
Züge des Negertypus beſihen, ſondern nebft ihren Männern entjchieven von 
den eigentlichen Regern getrennt werben müflen. Auch Nicharpfon urtheilt 
ganz in derſelben Weife über vie phyſiſchen DVerbältniffe der Tibbu's. Der 
rothe Korallenfnopf, ven fich die Weiber nach Vogel's Beobachtung als 
Pus durch den linken Naſenknorpel fleden, Hatte auch Lyon in feinen Abbil⸗ 
dungen und Schilverungen (225), fo wie Denham (I, 25) nicht vergef- 
jen; beide zeigten zugleich, wie die Weiber es vermögen, ihre Haare in langen 
gedrehten Blechten, vie bis 18 Zoll Länge haben follen, von den Seiten ihres 
Hauptes herabhängen zu laſſen. Nicht minder günftig fprechen fich die Be⸗ 
richte über die anderen Vorzüge des weiblichen Gefchlechtd der Tibbu's aus, 
indem Lyon daſſelbe beſonders auch wegen feiner Meinlichkeit, Arbeitſamkeit 
und Mutterliede rühmte (227). ©. 

*) Die bereitd erlangte geognoftifche Kenntniß des Innern von Nord⸗ 
Afrika zeigt, daß den größten Theil der Oberfläche des Tibbu⸗ und Tuäreg- 
landes Sandfteine bilden, und es erklärt ſich dadurch wieber die tafelförmige 
Geſtalt und der ſchroffe Abfall der vortigen ifolirten Berge, welche viefer 
Eigenthümlichfeit wegen den Landesbewohnern als natürliche Feſtungen die⸗ 
nen, ganz wie ed mit den ifolirten, allfeits jaͤh abſtürzenden und oben flachen 
Sandfteinfelfen durch ganz Abefjinien und in ven Kaffer-, Hottentoten= und 
Betfchuanenländern des Innern von Sid» Afrika der Fall if. Auf die Hoͤ⸗ 
ben und in die zahlreichen Höhlen. viefer Berge, deren Bildung ganz an den 
Lilien- und Königäftein, mie Vogel richtig bemerkt, erinnern und oft fo fteil find, 
daß fle nur mit Leitern erfliegen werden können, flüchten fich vie ihrer außer» 
ordentlichen Bebenvigfeit wegen von ihren Nachbarn auch wohl die Vögel 
genannten Tibbus (Denham I, 17, 19; Lyon 220, 227, 254, 256), wenn ſie, 
wie es früher durch die Beherrfcher von Tripolig und Murzuf (Hornemann 149 
bi8 150; Lyon 103, 250, 255) gefchah und noch jeßt durch die Tuareg gefchieht 
(Denham I, 14) von räuberifchen Expeditionen überfallen werben, die alle 
Miderftandleiftende ermorvden und befonders Weiber und Kinder in die Scla⸗ 
verei fortfchleppen, gerade wie es ihre Vorältern, die Libyer, nach Herodot's 
naturgetreuer Darftellung (IV, 184) bei den Einbrüchen der felavenfangen 
den Vorgänger der Tuäreg, nämlich der Garamanten, thaten. Eine fehr in» 
ftructive Anſicht dieſer natürlichen Belfenfeftungen giebt das Titelblatt zu Peter⸗ 
mann's neuen Werk. G. 

°) Unſer Reiſende zeigt eine große Unkenntniß der nordafrikaniſchen eth⸗ 
nographiſchen Verhaͤltniſſe, indem ihm nach mehrmonatlichem Aufenthalt im 
Innern des Continents noch nicht bekannt war, daß die Tuäreg ein von den 
Arabern völlig verfchiedenes Volk find. Jedes neuere geographifche Werk 
hätte ihm hierüber belehren können, unter andern meine Geographie von 
250— 252, vie Dr. Vogel, wie mehrere Stellen feiner fpäter mitzutheilenven 
Berichte über Fezzan zeigen, bei fich bat. G. 

2) Dieſe ſchwarzen, nach der Farbe ihrer Oberfläche genannten Berge 





384 Bumpredt: 


find ver fehon von Plinius (Historia nat. V, 5) genaumte Mors Ater, ber Dide- 
bel Aſſoud (Soubah), d. h. auch ſchwarz er Berg ver jegigen Bevölkerung die⸗ 
fer Gegenden (Hornemann 87; &yon 83, 308; Denham I. S. XXIX). ©. 

°) Das fhrichweife Auftreten der Kalkfteine in ven öÖftlicheren Theile 
der Sahara, wie wir es zuerft durch Hornemann (55, 75, 80 — 81), Ehrenberg 
(Abhandl. der Berliner Akademie, Phyſ. KI. Jahrg. 1827, 82) und Cailliaud 
(Voyage à Mero& I, 50, 85, 133) in der Nähe aͤgyptiſcher Onfen, bei Udſchila 
und Fezzan Eennen lernten, ift in neuerer Zeit auch nody an anderen Punkten 
der Sahara gefunden worden. So überjchritt Nicharbfon ein weites Kalkſtein⸗ 
plateau zwifchen Ghadamès und Ghat (Tr. I, 388), und fo erfuhr Iresnd, 
daß die Brunnen von Gatrone an der Grenze Fezzan's und des Tibbulanzes 
in einem ſehr feften Kalkftein fiehen (Bulletin XIV, 178), G. 

°) Sicherlich find dieſe ſalzreichen, auch von Denham (I, 21) erwähnten 
Stellen Oberflächen ausgetrockneter, einſt mit Salzwaſſer gefüllt geweſener 
Becken, indem ed noch heute hier nicht ſelten Salzſeen giebt; fo im Lande Uad⸗ 
fihanga der Tibbu's (Fresnel XIV, 175), namentlid aber im Lande Bılma, 
wo fich die ertragreichften verfelben befinden (Denham I, 20, 22, 27), neben 
welchen hin und wieder reiche Salglager in ven öftlichen Theilen ver Sahara auf- 
treten, wovon Barth das zu Ingal auf dem Wege von Aghadéz nach Safakı 


dem Namen nach Tennen lernte (Berl. Monatöber. 1852, 331). G. 
10) Nach Lyon's Behauptung (241) ſollte die Dattelpalmkultur zu Te 
gerry, dem ſüdlichſften Grenzort Fezzan's, aufhören. G. 


12) Es gelangte dieſes Schreiben erſt ein volles Jahr nach feiner Ab⸗ 
faſſung nach Berlin, und zwar gleichzeitig mit dem früher hier mitg·beilin 
(II, 67) Barth's aus Zinder. 

ı2) Binder iſt eine zum Reich Bornu gehörige Stadt, deren Name — 
derſt bei Clapperton vorkommt (Journ. 201, 228), die aber zum erſten Male 
bei ven Zuge Barth's und Overweg's nach Kuka von Europäern betreten murke. 
Durch ihre Lage an ver Grenze der Sahara und ber Negerländer muß fr 
eine lebhafte Hanvelsftadt fein, weshalb unfere Reiſenden fie auch ald das grof: 
Thor und den Eingang in den Sudan bezeichneten (Berl. Monatöber. 
1851, 128; 1852, 219). Der Zufammenfluß von Fremden aus allen Ge⸗ 
genden macht diefen Play, gleichwie Murzuk und Cairo, natürlich ſehr gerig- 
net zum Einſammeln von Nachrichten über vie noch unerforfchten entfern- 
ten Länder und Städte diefer centralen Gegenden des Continents. @. 

12) Die Form Teva war biöher völlig unbefannt. Died ift um fe 
auffallenvder, ald Hornemann und Lyon während ihres langen Aufenthaltes 
zu Murzuf oft Gelegenheit hatten, mit Tibbu's zu verkehren, und der letztge⸗ 
nannte Reiſende zu Gatrone fogar mit ganzen Colonieen dieſes intereffanten 
Volkes zufammengetroffen war, fo daß beiden aufmerkſamen Beobachtern ſchwer⸗ 
lich die Selegenheit fehlte, ven wahren Namen der Tibbu zu erfahren. Noch 
mehr dürfte dies für Denham und neuerlichft auch für Vogel gelten, welche 
beide das Gebiet Der Tibbu's zu betreten vermochten, und, fo wenig wie 


Neuere Unterfuchungs = Erpebitionen in Nord » Afrifa. 385 


Fresnel die Form Teva, aufführen. Bei einer folchen Uebereinſtimmung ver Reis 
fenden aus verfchienenen Völkern und Zeiten, die fämmtlich ven von Barth 
gerägten Namen der Nation in den getrennteften Gegenden vorfanden, fcheint 
in der That umferes Reiſenden völlig ifolirt ſtehender Ausfpruch u einem 
Irrthum zu beruhen. 

20) Einige Worte der Tibbufprache, die nach Herrn Prof. —8*— mit 
feiner bekannten afrikaniſchen Sprache übereinſtimmt, lieferte zuerfl Horne⸗ 
mann (S. 145); reichliche Vocabulare verdffentlichten ſodann Lyon (S. 233) 
und Hodgſon (Notes ©. 106 — 107). G. 

120) Bon dieſer Eigenthümlichkeit und der Anwendung des Wortes 
baeo giebt ſchon Denham in ſeinem Bornuwörter⸗Verzeichniß einige Bei⸗ 
ſpiele, nämlich: 

Ich wünſche nicht heißt im Bornu Naguski baco (TI, 176) 

Ich kann nicht Keraniskin baco )(I, 177) 

Ich will nicht gehen Laniski baco u. ſ. w. 
G. 

‚e) Mit großer Energie wandte Barth auf feiner ganzen Reiſe ſprach⸗ 
lichen Forſchungen feine Aufmerkfamfeit zu, und fo befinden ſich in ven Hän- 
den des Herrn Prof. Lepſtus bereits ausführliche Worabulare ver Tibbn, Kanory, 
Baͤgrimma (Baguermi), Manvära, Loggene und der völlig unbekannten bora 
Mreabängfprache, deren Veröffentlichung in den Schriften der Berliner Akade⸗ 
mie der Wiffenfchaften demnächft erfolgen wird. Es ift aber die reiche Aus» 
beute dieſes einzeln geftellten Korfcherd um fo erfreulicher, wenn man damit die 
Bernachläffigung in Vergleich ſtellt, vie ähnlichen Studien Seitens der Franzofen 
in Algerien troß ihre® faft ein Vierteljahrhundert dauernden Beſitzthums viefes 
Zandes zu Theil geworben iſt. Selbft die in dem franzöfifchen Gebiet vor⸗ 
kommenden gar fehr verfchiepenen Berbervialecte, namentlich die Dialecte der 
intereffanten Mzabs (Mozabiten) und Schaous Haben Feinen Korfcher gefunden. 
Mas aber feldft in Algier in der Hinficht geliefert werden Tann, haben Sha- 
ler und Hodgſon troß ihrer befchränkten Lage vor vielen Jahren erwieſen. ©. 

7) Gegen feine frühere Gewohnheit Fullan zu ſchreiben (f. S. 361) 
bedient fich Hier unfer Reiſender der Form Fellan, vie aber auch bei ande- 
ren Berichterftattern vorfommt. Was die oft gebrauchte Form Fellatah betrifft, 
fo vermwirft ſie Elapperton mit folgenden Worten fogar gänzlich: The Felan 
tribe, whom we have erroneously hitherto called Fellatahs (Jour- 
nal 329). G. 

120) Sonr'ay ſ. hier S. 357. 

0) Die Moſiſprache iſt unzweifelhaft die Sprache der Bevölkerung des 
Reiches Moft, das noch von Feinem europäifchen Reiſenden betreten wurde, 
deſſen Lage jenoch bekannt ift, da es Im den neueren eingefammelten Berich- 
ten häufiger vorfommt. Nach einem durch Denham und Clapperton mitge⸗ 
brachten und ihnen vom Belänfultan Bello mitgetheilten geographifchen Auf⸗ 

Beitiähr. f. allg. Erdkunde. Bo. II. 25 





386 Neuere Unterfuchungss Expevitionen in Rorb = Afrifa. 


ſatze Tiegt nämlich Moft oder, wie es bier genammt wird, Mufchi und Ruſcher 
(Moofher) oͤſtlich (d. 5. wohl norpöfllih) von dem Aſchantireich und wei- 
li von der großen Landſchaft Ghurma, die ihrerfeite im Oſten au dad dem 
unteren Niger benachbarte und zuerſt durch Glapperton (Journal 73) zum 
Zander (R. and John Lander Journal of an expedition. London 1832 
I, 170, 250; I, 134— 136) befuchte Reich Borgu ſtoͤßt Dendam II, 166: 
Glapperton 338). Sonach befindet ſich Moft an den noͤrdlichſten Ausläs: 
fern des Kong und innerhalb der großen Biegung des mittleren Niger von 
Dſchinni und Timbuktu. Derfelbe Auffag nennt Mofl groß, mächtig, reid 
an rafchen Pferven und großen Efeln und erwähnt darin eine Goldablaze⸗ 
zung. Zugleich habe ed Berge, Klüffe und Wälder; die Einwohner feien Se⸗ 
daner. Liebereinflimmenn damit fagt Ahmedu, Mofchi fei ein großes, weit 
an Ghurma grenzended und auch weſtlich von Say und Libthako gelegene? 
Reich (Berl, M. 1852, 91 — 92); ferner der Timbuftuer Abu Bellr ed Si 
dit, daß zwifchen Dichinni und dem fogenannten Konggebirge, worin cbe- 
falls eine Goldablagerung fich befinden fol, ein ebened von dem Stamm ke 
Müfe, Möfi oder Mongfi bemohntes Land liege, worin Heiben berrfchten (Jowr- 
nal of the Geogr. Soc. of London VI, 110), und fo nannte auch Scha⸗ 
bini ein Hauffa benachbarted Land Moſchu (46) oder Möfchi (52), fewx 
Bowdich nach Erfundigungen im Aſhantilande oder von Süpen ber ein 5 is 
gerseifen von Ingra und zugleich auf dem Wege von Kong nach Dfcheem, 
alfo gerade da, wohin die anderen Berichterflatter daſſelbe Land verfegt hatten, 
gelegenes Reich Moft anführte, das aus einigen Staaten beftehe und von einen 
Triegerifchen Volk bewohnt werbe, doch wenig befucht ſei (A Mission from 
Cape Coast Castle to Ashantee 180). Endlich erwähnt der “Bericht von 
Dupuys über feine Reife nad) Afchanti (A residence in Ashantee LII) 
abermals in verfelben Gegend den Diftriet Maffy, welcher unzweifelhaft de: 
felbe ift, den die zwei von Dupuys feinem Buche beigefügten Karten des Su 
dan und Wangara unter dem Namen Mufl zwifchen Dfchinni und vem Kunz 
haben. Erinnern wir und noch hierbei, daß M. Park (Travels 211) bereit 
von der Eriftenz eines Häuptling Mufchi Kenntmip erhielt, ver an der Gray 
Bambara's feine Unabhängigkeit erfämpfte und Macht genug hatte, das grefe 
und reiche Dichinni anzugreifen, indem er feine Truppen auf dem Dibbi, >. 8. 
der beſonders durch M. Park befannt geworbenen großartigen Ermeiterun 
des Niger (Journal 165, 166) einfchiffte, und daß es in einem großen Theil 
des Innern des Gontinents häufig Sitte ift, den Beherrſcher eines Lanbes nat 
biefem zu nennen, fo läßt fi mit Grund folgen, daß M. Bars Hame⸗ 
ling auch Fürſt des Reiches Moſi war, was in der That dadurch einigerme 
Ben feine Beftätigung zu erhalten feheint, daß zufolge der Mitteilungen ver 
Eingeborenen an ven Reiſenden, die Hauptſtadt des fonft unbefannten Radı 
Gotto, woher ver Häuptling ſtammte, erft nach ihm ihren gegenwärtigen Rama 
annahm. Eine Stadt Mufl haben wir freilich in neuerer Zeit nicht Teunen 


Neuere Unterfuchungs = Expeditionen in Nord» Afrika. 987 


lernen. Nach allen dieſen Nachrichten feheint ſich aber zu ergeben, daß das 
Reich Moft fih von Borgu im Often bi8 Bambara im Weften, dann vom 
Niger im Norden bis zum Kong im Süden erftredit, und daß es alfo durch 
feine große Ausdehnung eined der bebeutenderen und mächtigeren dieſes Theils 
des Eontinents if. Demungeachtet war vaflelbe, außer durch Mac Queen, 
noch nie in einer geographifchen Arbeit über Afrika beachtet worben. 

Zufag. Im Bezug auf die verfchienene Schreibart des Namens Tim- 
buktu und defien Zurüdführung auf eine Berberwurzel (f. hier S. 348) iſt 
ed vielleicht nicht ohne Interefie, nachträglich anzuführen, daß die Araber jegt 
faft ohne Ausnahme vie Stadt Timbuktu nennen, und daß fe nicht, wie die 
älteren europäifchen Berichterflatter und felbft Hornemann (150, 155, 164) 
fich der Form Tombuktu bedienen, indem Burkhardt ausprüdlich fagt, daß 
die Afrikaner Timbuktu fprechen (Travels in Nubia LXXII), und ebenfo 
Dupuys, einft Eonful in Mogadore, nach feinen Erkundigungen im Außerften 
Weſten des Eontinents übereinftimmenn damit fagt: This city was invariably 
called Tämbuctoo by all the traders and slaves, with whom I have 
conversed respecting it (The narrative of Robert Adams 94). Enb- 
Lich ift zu bemerken, daß des franzöflfchen Matrofen Paul Imbert Reife nad 
Timbuktu (S. hier S. 313 und 338) nicht in die zmeite, fondern ſchon in 
die erfte Hälfte des 17. Jahrhunderts fallen muß, da Charant, wie er am 
a. O. 43 fagt, fi} ſchon im Jahre 1623 in Marocco befunden Hatte, Wäre 
er auch erſt fpäter zu Imbert's Belanntfchaft gekommen, fo hätte bei feinem 
eigenen 25jährigen Aufenthalt in Maroffo die Reiſe Imbert's doch nicht 
fpäter als bis zu dem Jahre 1648 flattfinden Fünnen. Ein beſtimmtes Da- 
tung dürfte fich fchwerlich noch ermitteln Iafien, da Charant kein Dupuys war, 
der bekanntlich des englifchen Matrofen Adam's Ausfagen über Timbuktu gleich 
nach deſſen Befreiung aus der Sclaverei ihm abgefragt Hatte. 


Gnmprecht. 


25* 





vn 


Die Snfel Iſchia 





Unter den gleich Blumen in's Meer geſtreueten Inſeln, we 
aus den Meereswogen auftauchen, bie Neapel's Küften beſpuͤlen, © 
fheint feine fo lieblich und anmuthig, als Sfchia '). Hier hat de 
Ratur eine Poeſie ausgegoffen, in welcher jedes Menſchenherz fein 
Anflänge findet, und, wer bier weilt, wird unbewußt veranlaft, 1 
diefem ewig neuen und unerfchöpflichen Buche zu blättern. Denn « 
giebt wohl wenig Punkte auf der Exve, wo bie geheimnißvollen Krät 
des Schaffens und Wirfens fo zu Tage treten, als auf dieſen & 
lande, und wo die Natur in ihrer Mannigfaltigkeit und in ihm 
Reichthümern fich fo verſchwenderiſch und fegensreich gezeigt hat. AM 
auch der Geſchichts⸗ und Altertfumsforfcher finden bier ein reihe 
Feld, welches leider wenig beachtet wurde; wo jedoch Monumente eder 
fpärliche Refte der Kunft zu uns reden, fehen wir, wie ſchon im ie’ 
ſten Altertfume fich der Menſch eine Stätte des Lebens und Birke! 
auf diefem Heinen Eilande zu fchaffen fuchte. Es iſt Höchft anzichet, 
zu verfolgen, wie der Menfch von den furchtbar zerflörenden Elan 
ten vertrieben, fich immer von Neuem von biefem zauberifchen Eilantt 
angezogen fühlt, und noch heute forglos dieſer gefahrvollen Heim 
alle Kräfte widmet, welche er mit Feiner anderen vertaufchen möht 


») Homer, welcher unter den alten Autoren biefer Inſel zuerſt gebenft (it 
N, 781), nennt diefelbe Cnarime oder Snarime; Strabo und Plinins gaben ihr de 
Ramen Pithekufa und Aenaria, von denen ber letzte von Aeneas berkammmz nt 
weil er bier mit feinen Schiffen Iandete. Nach einer Sage, bie auch in allen Mm 
die Infel handelnden Werken vorkommt, hätten bie früheren Bewohner dla da 
Affen göttliche Verehrung erwiefen und ihnen fogar einen Tempel gewidmet. Dit 


Die Infel Iſchia. 389 


Iſchia ift rein vulfanifchen Urfprunges. Der Hoch gehobene, 
fcharf und grotesf gezadte Epomeo, welcher 2368’ über dem Meeres» 
fpiegel liegt '), war einft. der Eentralpunft dieſer gewaltigen unterir⸗ 
difchen Kräfte; und welch' ein Anblid muß es geweſen fein, als aus 
ihm, dem Veſuv und ber Solfatara die Yeuerfäulen zu gleicher Zeit 
gen Himmel fliegen; oder fchwiegen dieſe Vulkane, ald der Epomeo 
vor viertaufend Jahren in voller Kraft die Erde erbröhnen machte 
und Angft und Schreden verbreitete? Den Epomeo umgeben in ver: 
fhiedenen Entfernungen und Richtungen, doch meift gegen Süden und 
Welten, ein Dutzend Fleinere Vulkane, die zu Zeiten felbftftändig Afche 
und Lava auswarfen, wogegen andere, welche fich bei jedem neuen 
Ausbruche des Epomeo bildeten, wieder verfchwunden find. Ganz uns 
abhängig und, wie es fcheint, ohne alle directe Verbindung mit diefem 
Central⸗Vulkan, fteht der Fühn und ifolirt gegen Nordweſt vorgefchos 
bene Monte Bico da, welcher fein befonderes vulfanifches Leben ges 
habt hat. 

Rah den alten Sagen foll die erfte Eruption vor mehr ald 3000 - 
Fahren am Monte Corvo oberhalb Foria ftattgefunden haben, und ob» 
gleich die ungeheuren Lavamaſſen, welche dem Berge entftrömten, beis 
nahe ganz verwittert find, fo läßt fh doch deren Lauf noch heute bie 
Panza verfolgen. Die fpäter eingetretene Eruption ging vom Monte 
Rotaro aus (fälfhlih Monte Cretara [ Krater] genannt) und war 
fo furchtbar und zerftörend, daß fümmtliche Bewohner, euböifche Grie- 
chen, die Infel für immer verließen. Die Erde fpaltete fich in Schludh: 
ten ober öffnete fich, um fich wieder zu fchließen; an anderen Bunften 
hob fi) das Erdreich und bildete einen Krater, welcher mächtige Fels⸗ 
maflen, Steine und Afche über die ganze Umgegend auswarf. Der 
Weg von Eafamice nad) Barano führt über den Rotaro und durch⸗ 
ſchneidet diefen Berg vermöge eines beinahe 30’ tief gelegenen Hohl: 
weged, wodurd man eine Anfchauung von deſſen Schichten befonmt. 


und andere Notizen wurden von mir aus einigen älteren italienifchen und franzoͤfi⸗ 
ſchen Werken in Neapel und auf der Infel felbft während eines mehrwöchentlichen 
Aufenthalts gefammelt. Da jedoch meine Arbeit urfprünglich nicht zur Veröffentlt- 
hung beflimmt war, jo muß ich fehr bedauern, die von mir benugten Werke nicht 
bei den einzelnen Stellen anfıihren zu fönnen. v. O. 

2) Nah Gay⸗-Luſſae und Leop. von Buch (von Moll für Berg⸗ und gan 
funde. Nürnberg 1809. I, 351); nach Anderen nur 2356’. v. 








390 2. von Orlich: 


Da liegen große und kleine Felsgebilde und Schladen fo ſchwarz ver: 
brannt, als wären fie geftern von der furdhtbaren Gluth entladen, mit 
Afche vermifcht auf einander. Noch heute birgt die Tiefe des Berges 
heiße Quellen, und an einigen Stellen bewahrt die Erdoberfläche eim 
fo warme Temperatur, daß hier tropische Pflanzen gedeihen könnten 
Waͤhrend im Winter ein faftreihes Grün und blühende Gträude 
diefe Flächen marfiren, erfcheinen folchde im Sommer kahl und wer 
bramnt. 

Eine dritte große Eruption fol 400 Jahre vor Chriſti Gebarı 
ftattgefunden haben. Es wird erzählt, daß lange andauernde Erſchüt 
terungen berfelben vorangingen, in Yolge deren fih am Fuße des Eye 
meo gegen Norden eine gewaltige Schlucht bildete, woraus mächtige 
Lavaftröme fi) gegen Zara und Earufo in’8 Meer ergoffen und des 
dortige feharf vorjpringende Cap bildeten. Hierdurch wurde Die Bucht 
von Santa Montana von der von Foria getrennt. Diefer Lavaflrem 
ift gegen 300’ Hoch und ein und eine halbe Meile lang, wenn max 
ihn von den Stufen von Santa Lorenzo bis zum Lavafegel Marecoc⸗ 
verfolgt. Auf dem Wege von Lacco nad) Foria windet fich die Straf 
über denfelben, und man befommt einen Blick in den weiten Schlum 
des ausgebrannten Vulkans. Die damald auf der Inſel lebenden 
Syrakuſer wanderten angeblich in Folge diefer Eruption nach dem fü 
lichen Theile derfelben. 

Beinahe achtzehn Jahrhunderte fchlummerten die vulfanifchen Kräfte, 
und die Bewohner lebten der Zuverficht, daß die vulfanifche Thätigfeit 
für immer von hier gewichen fei. Aber ganz plöglih, an einem unbe 
wölften und ftillen Tage des Jahres 1302, unter der Regierung Garls ll, 
ergoß fih aus einem Berge im Südweſten des Stäbtchens Iſchia, 
ein großer Lavaftrom über einen der frucdhtbarften und am fchönften 
eultivirten Theile der Infel. Der Krater dieſes unfcheinbaren Berge 
liegt 432’ über dem Meere (mithin 1936’ unter dem Gipfel des Eye 
meo), befindet fich oberhalb der erften Arkaden des Aquaducts von Biee, 
und ift von beträchtlichem Umfange. Die Lava entfloß aus demſelben glag 
einem Feuerſtrom, weshalb der Lavaſtrom arso cremata ober strad⸗ 
brucciata genannt wird, verbrannte und begrub Alles auf einer Stred: 
von 23 Meilen Länge und 3 bis A00 Schritte Breite!) und ergoß ſich 


— — — — 


2) Es iſt immer von italieniſchen Meilen die Rede. v. O. 


Die Infel Iſchia. 391 


endlich hinter Iſchia in's Meer. Viele Lanphäufer wurden vernichtet, 
unter andern die ſchoͤne Billa des Schriftftellers Pontanus. Erdbe⸗ 
ben und Feuer» Ausfloßungen dauerten beinahe zwei Monate; aber von 
dem Auswerfen von Afche und Felsomaſſen wird nichts erwähnt, und 
die Lava felbft, eine kohlſchwarze, undurchdringliche, harte Maffe, hat 
nichts Aehntliches mit irgend einem Auswurfe der Art, weder hier noch 
in der Umgegend des Veſuv. Der Weg von dem Städtchen Ifchia 
nach Gafamicciola führt über dieſes Lavafeld, welches nach fo vielen 
Jahrhunderten nody heute fo unverändert und fo ſchwarz ausſieht, daß 
es wie eine Schaffung unferer Tage erfcheint. Zeit und Witterung 
haben ſpurlos darauf gewirkt, feine Spur von Begetation ift zu fehen, 
daher diefer Punft aud) terra brucciata genannt wird. Bei meiner 
Wanderung durch die Infel werde ich dieſes merfwürbigen Lavaſtro⸗ 
mes noch einmal gedenken. Viele Bewohner verließen damals ihre fihöne, 
aber gefahrvolle Heimat und begaben ſich nach dem Feftlande. 

Im Jahre 1538, in den lebten Tagen des September, wurde in 
der Nähe des Monte Ruovo in Zeit von 48 Stunden die Burg Tri: 
pergofa mit allen Bewohnern durch ein Erdbeben verfchättet. Seitdem 
find bis zum 28. Februar 1828, wo wieder in Kolge eines Erdbebens 
mehrere Dörfer. zerftört wurden, und noch heute die Spuren davon an 
einigen Häufern bei Caſamicciola wahrzunehmen find, keine erheblichen 
oulfanifchen Erfcheinungen vorgefommen. Bemerfenswerth iſt es, daß 
die Ausbrüche des Veſuv auf Iſchia faum gefpürt werden, auch die 
gewaltigen Erdbeben um den Monte Acuto (Bultur), am 14. Auguſt 
und den folgenden Tagen des Jahres 1851, wurden bier nur von 
einer an Rerven leivenden Dame empfunden. 

Die verfchiedenen Lavaergießungen ins Meer Haben ben Küften 
jene eigenthümlichen Formen gegeben, wodurch Ddiefelben bei näherer 
Betrachtung fo auffallend erfcheinen. Bald find es conifche Gebilde, 
dann wieder wilde, feharf und zerriffen gegen das Meer vorfpringende 
Felsmaſſen oder weit in's Meer fich erſtreckende Lavaftröme, weldhe 
fiellenweife bis zu 200’ Dicke erfcheinen. Seit Jahrtaufenden haben vie 
Meereswogen dagegen angeflücmt, und die Tuff und Lavafelfen, be- 
ſonders an der ſuͤdweſtlichen Küfte, in den fonderbarften Formen aus 
gewaſchen und unterwühlt. Dadurch iſt der Boden ded Meeres mit 
Ausnahme weniger Stellen, wie die Fleine Bucht bei der Quelle di 





392 x. von Orlich: 


St. Montana und einigen Punkten an der Küfte zwiſchen Caſamiciela 
und Lacco, wo ein fandiger fefter Untergrund vorhanden ift, für Ba⸗ 
dende fehr gefährlih. Denn nicht nur die fpigen Felsſtücke und die 
vielen Löcher zwiſchen venfelben warnen zur Borficht, fondern auch die 
mancherlei Seethiere, wie die DOctopusarten und Altinien, welche ich 
dem Badenden anfaugen oder ihn elektriſch lähmen, Haufen zwifchen den 
Geſtein. An vielen Stellen, wie in der Nähe von Capitello, bei St 
Angelo, an der Bucht von St. Reſtituta und überhaupt an der fü 
lichen und weſtlichen Küfte, ift der Meeresboden fo heiß (60 bis 
700 R.), daß das Meerwafler eine unerträglihe Wärme zeigt; über 
diefen Stellen fieht man vor Sonnenaufgang und an fühlen Tagen 
die Dämpfe auffteigen. 

Die älteſte Gefchichte Iſchia's ift in Fabel gehüllt; uralte Sagen 
erzählen von Rieſen, welche bier geherrfcht Haben follen. Ungefäht 
1500 Jahre vor Ehrifti ließen ſich Bewohner, bie von Eubda kamen, 
dafelbft nieder, und Strabo fagt, daß die Infel ihrer großen Reichthümer 
wegen bekannt war; aber ficherlich waren es nicht Goldminen, wie der 
berühmte Autor vorausfegt, fondern die Erzeugnifle eines an Yrucde 
barkeit überreichen Bodens. Ihre Stadt hat wahrfcheinlid auf dem 
beutigen Montaro geftanden und wurde bei einem früheren großen 
Ausbruche verfchüttet, in Folge deſſen fich die Beivohner nach dem ge- 
genüber liegenden Küften des Feſtlandes retteten. Bei dem Yledın 
Lacco, am Geftade des Meeres, follen diefe Euböer dem Herkules ei⸗ 
nen Tempel errichtet haben, in welcher Anfiht man fih um fo merk 
beftärkt hat, als nicht weit von der bezeichneten Stelle eine Heine 3' 
hohe Statue dieſes Gotted aus weißem Marmor gefunden wurde 
Herkules ift mit einem Gewande bekleidet, ganz Ahmlidh dem, wie es 
nad) der Iliade die Helden jener Zeit zu tragen pflegten, und bat we 
Löwenhaut über die Schultern geworfen. Die Kleine Statue, welde 
fih mit dem Öberförper aus einem vierfantigen Pfeiler erhebt, bat 
leider fehr gelitten und dient gegemwärtig einer Heinen verfallenen 
Kirche am Meeresgeftade von Lacco ald Träger ded Weihbeckens. Wae 
davon zu fehen ift, zeigt, daß dieſe Statue einer Zeit angehört, we 
die Kunft bereits einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht Hatte 

Als die Griechen ſich mit Hieron I., Tyrann von Syrafus, ge 
gen die Tyrrhener verbanden, welches Ereigniß Pindar in feiner dem 


Die Infel Iſchia. 393 


Hieron geweihten Hymne befingt, feßten fich die Syrafufaner, 474 
v. Ehr., auf Iſchia bei Lacco feft und gründeten hier auf dem Monte 
Vico eine Burg. Diefe Burg hat wahrſcheinlich unweit derfelben Stelle 
geftanden, wo fich heute der von Alphons von Aragonien im 15. Jahrs 
hundert erbaute Wachtthurm befindet. Auch diefe Coloniften wurden nach 
einiger Zeit in Folge der vulfanifchen Ausbrüche vertrieben. Aber aus 
Gedenktafeln, Basreliefd und einigen anderen aufgefundenen Antifen 
entnehmen wir, daß Iſchia nur Furze Zeit unbewohnt geblieben ift. 
Der fruchtbare Boden, welcher dem Weinftod und allen Fruchtgattuns 
gen fo günftig ift, fowie die vielen Heilquellen nnd die reine gefunde 
Luft Haben der Infel neue Berwohner zugeführt, aber von wo biefels 
ben famen, wiſſen wir nicht, doch wahrfcheinlich von den Küften des 
gegenüber liegenden Feſtlandes. Man fieht noch heute am Abhange dies 
fe8 Berges, wo derfelbe die norbweftliche Seite dem Meere zufehrt, 
einen Stein aus ſchwarzem Bafalt, 10’ im Quadrat, mit folgender 
Inſchrift: 
TTAKIOC NYM®IOC | MAIOC TIAKYAAOY | APZANTES | 
ANEOHKAN | TO TOIXION | KAI OI CTPA | TIQOTAI | ') 
Im Mittelalter wurde Iſchia vielfach von den Sarazenen und an- 
deren Piraten heimgefucht, und, um gegen deren Brandfchakungen ge 
fichert zu fein, wurden die WachttHürme an der Kuͤſte errichtet, welche 
noch heute zu fehen find. Als Alphons I. von Aragonien Sicilien mit 
Nenpel vereinigte, ließ er alle männlichen Einwohner auf der Infel mit 
Gewalt fortbringen und ſchickte Spanier aus feinem Heere dahin, welche 
Die zurüdgehaltenen Wittwen und Töchter der Vertriebenen ehelichen muß» 
ten. Aus diefer Vermiſchung ſtammt das heute dort lebende Geſchlecht. 
Die Iſchioten find ein Fräftiger und fchöner Menfchenfchlag. Ihre 
Phyſiognomie hat etwas Edles; die bräunliche Gefichtöfarbe und Das 
fhwarze Haar laffen den Süpländer erkennen. Das dunfle und leb- 
hafte Auge und die etwas gebogene Nafe erinnern an den Spanier. 
Die Frauen find groß, fchlanf und nicht ohne Grazie, und unter den 
Jungfrauen habe ich oft die Schönheit der Gefichiäformen, fowie bie 
leichten und anmuthigen Bewegungen bewundert. Wenn fie mit ben 


— —— 


ı) Pakios, Sohn des Nymphis, und Maios, Sohn des Pakhllos, Haben nad, 
Nieverlegung ihrer Magiſtratur diefe Befefligung geweiht, und die Soldaten. v. D. 
(Codex Inscript. 5861. ©.) 





394 2. von Orlid: 


Wafferfrügen oder den hoch aufgefchichteten Fruchtkörben auf dem Haute 
einhergehen, gefchieht es mit fo viel Sicherheit und Grazie, daß ma 
Vorbilder der Antife vor fich zu fehen glaubt. Ihre Rationaltradk, 
der griechifchen ähnlich und aus einem rothen und grünen Mieder mu 
Goldborten und Stidereim aufs Zierlichfte eingefaßt, ſowie das weiß 
Kopftuch und der mit Gold beſetzte Schleier, ift hier, wie auf Procdke, 
verfchwunden; an großen Fefttagen fieht man noch bin und wide 
eine alte Matrone damit erfcheinen ). Gegenwärtig if nur al 
das farbige Kopftuch geblieben, welches eng anliegend das Haupthau 
mit zwei Zipfeln umfchlingt, während die beiden anderen Enden fat 
ternd über den Naden herabfallen. Eigenthümlich find die großen gel, 
denen Ohrringe von antifer Form, welche fih von der Mutter auf di 
Tochter vererben oder der Braut als erfte Gabe von dem Belien 
dargebracht werden. 

Männer und Frauen arbeiten in den Weingärten, und, mern We 
Ernte vorüber ift, befchäftigen fich Frauen und Mädchen mit dem Wit 
fen von Leinwand, ober beide Gefchlechter weben, wie namentlid ia 
Foria, eine Art Teppiche, oder flechten, wie in Barano, Körbe, Hk 
und allerlei niebliche Sachen aus Stroh, welche eine fehr gefuhk 
Waare in Neapel find. 

Die Iſchioten find zwar heftig von Charakter, aber ihr aufbres 
fendes Weſen macht fih nur Luft in Worten, die ihnen amgeborm 
Gutmüthigfeit laͤßt den Hader bald vergefien und if gern bereit MT 
Berföhnung. Durch fittlichen Lebenswandel und durch ein glüdiche 
Familienleben find fie gleich ausgezeichnet, darum findet man überal 
eine feltene Liebe und Anhänglichfeit für die Eltern und das imigh 
geſchwiſterliche Band vorherrſchend. Ob dies die Urſache iſt, daß 
viele junge Leute beiderlei Geſchlechts nicht heirathen, laſſe ih daher 
geftellt fein, aber ich habe oft alte Junggeſellen gefunden, welche wi 
ihren unverehelichten Schweftern im elterlichen Haufe beifammn ge 
blieben find und in Xiebe und Eintracht das Heine Beſihthum bewirt⸗ 
fehafteten. Gin Gefühl innerer Glückſeligkeit und ein Geif des Fre 
dens herrfcht in diefen Familien. Das Wohlbehagen und bie Freude, 

2) Auf Procida hat eine fchöne Jungfrau die alte Tracht bewahrt uud je 


ſich dem Freuden in derfelben für einige Garlini. So hat der Gebrauch ber Bam 
wolle auch Hier die nationale Tracht verdrängt. v. O. 


Die -Infel Iſchia. 895 


die ifmen ihre von Früchten firogenden Gärten auf einem fo paradiefl- 
fhen Ervenflede gewähren, fcheint bei ihnen bie gute alte Sitte der 
Gaſtfreiheit noch fo rein erhalten zu haben, wie unfere Vorfahren 
folde ausübten. Denn für den Fremden find fie voll der liebenswürs 
digften Aufmerffamfeiten, und wer an ihren Gärten vorübergeht oder 
Fruchttraͤgern begegnet, muß von den Früchten foften, oder wirb eins 
geladen, fich in ihren Veranda's der Ruhe zu überlaffen. 

An Fefttagen fieht man Alt und Jung im Freien oder in den 
Veranda's figen, welche ſtets fo angelegt find, daß die Ausficht nach 
den fchönften und malerifchften Punkten ungeflört genofien werben 
kann. In den Abendftunden trifft man vor irgend einem Haufe einige 
Mädchen und Burfche vereinigt, welche nad dem Tamburin die Tas 
rantella bis zur Erfchöpfung tanzen. Leider hat auch hier, wie beis 
nahe überall in Italien, das joco di mora und andere Spiele mit 
Kugeln bei den jungen Männern fehr überhand genommen, wobei mans 
cher die wenigen Grani in einer Stunde verliert, welche er fich in der 
Woche fauer erworben hat. Dies, wie das verführerifche Lottofpiel, 
untergraben Sitte und Moralität eines mit fo vielen trefflichen Eigen» 
fchaften begabten Volkes. 

Iſchia iſt von einigen und dreißig Taufend Menfchen bewohnt, 
von denen ungefähr der fünfte Theil Einwanderer aus Neapel und den 
gegenüber liegenden Küften des feften Landes find. Das Städtchen 
Iſchia mit der Burg gleichen Ramens liegt am öftlichften Punkte der 
Inſel Hart am Meere, der Flecken Lacco am nordweſtlichen Geftabe 
und Foria im Welten; alle drei haben Hafenbuchten, in denen felbft 
fleine Dampfböte Schu finden fünnen. Gafamice oder Caſamicciola 
liegt am nörblichen Abhange des Epomeo, Panza gegen Süden, und 
mehr auf dem Rüden des Epomeo von Welt nad Süd liegen die 
Dörfer Serrara, Fontana, Moropano, Barano, Teftaccio, Pieo und 
Campagnano, und überall, wo die Kultur vorgebrungen ift, fieht man 
auf den fchönften Punkten freundliche Lanphäufer oder zierliche Ka⸗ 
pellen. 

Die Infel ift in drei Bezirke getheilt, von denen jeder feinen Fries 
Densrichter und feinen Syndifus hat. Im Städtchen Iſchia iſt der 
Sig des Biſchofs. Unter den Einwohnern befchäftigen ſich zwei Drit- 
tel mit dem Aderbau, der vierte Theil lebt vom Kifchfange und der 


396 8. von Orlich: 


der Neft find Tagelöhner. Das Land ift in Heine Parzellen getkalt, 
von denen die Wohlbabenden mehrere befiben, welche felten zujamme: 
liegen; aber e8 find deren faum zwanzig Grundbefiger, die einer ſchlech 
ten Ernte ohne Sorge entgehen würden. 

Das vorzüglichfte Product ift der Wein, und befonders der wei; 
er wird am Spalier over an Heinen Stöden gezogen, und mır in 
dem Thal von Campagnano und Piso lehnt fi der Wein an Par 
peln und. Maulbeerbäume. Iſchia's Wein kann mehrere Jahre auige 
hoben werben, ift ein fehr gefuchtes Getränk und wird felbft nad) ven 
Kirchenftaat und nach Genua ausgeführt. Ein Schweizer, Herr Ss 
ver, hat fich der Kultur defielben nach dem in Frankreich üblichen &% 
flem unterzogen, und fein weißer Wein if den beften Defertweinen an 
die Seite zu flellen. Zwifchen ven Weinftöden geveihen Feigen, & 
tronen (eine Heine fehr aromatifche Art), Aprikofen, Pfirſichen, Ir 
hannisbrod, Aepfel, Nuͤſſe, Kirfchen und Granaten. Befonders berühe 
find die Feigen, welche in großer Menge getrodnet werben und näfl 
dem Wein den hauptfächlichften Ausfuhr Artikel bilden. Im Sept 
ber und October find alle Hände mit dem Trodnen derſelben auf da 
flachen Dächern befchäftigt. Getreide und Gemüfe werden wenig 96 
baut, dagegen wird der Kultur des Liebesapfeld (pomi d’oro) alle u 
erbenkliche Sorgfalt gewidmet, und jeder Heine Fleck iſt damit bepflamt 
Die Frucht wird als Gemüfe, zu Ragouts und zu Saucen bu 
und in großen Duantitäten eingemacht. Die Anpflanzung der Die 
ift fehr vernachläffigt umd ift erft in den legten Jahren mehr fultisin 
worden. Seide und Baumwolle wird nur zum eigenen Bedarf ge 
wonnen. 

Die Fifcherei ift fehr einträglich, und befonders die des Ther 
fiſches, mit welcher fich die Fifcher von Iſchia und von Foria voruge 
weije befchäftigen; da foldhe ein Regal der Krone ift, fo zahlen fe dr 
felben dafür jährlich 3000 Ducati. Desgleihen werben der Hundciid, 
der Schwertfifh, der Delphin und einige andere Sorten (wie da 
Dentiei und Eefalo) '), für die Tafeln der Bornehmen vielfach gefar 
gen. Mit der Korallenfifcherei befchäftigen fich die hieſigen Fiſcher nift: 


) Die Ramen biefer beiden Fiſchgatiungen kann ich n nur italieriſt 
da ich ihre ſyſtematiſchen wicht erfahren konnte. 


Die Infel Iſchia. 397 


diefe if feit undenflichen Zeiten in den Händen der unternehmenben 
ifcher von Procida. Bon wilden Säugethieren werben auf der Ins 
fel nur Hafen und Kaninchen angetroffen, und unter den Zugvögeln, 
die hier vielfach gefangen werben, find es befonders die Wachteln, die 
fih in Schwärmen von vielen Hunderten nieberlaffen. 

Iſchia ift feit den Alteften Zeiten feiner Minerals und Heilquel⸗ 
len wegen berühmt. Als befannt und chemifch unterfucht befinden fich 
bier allein 35 Mineralquellen '), und außerdem 11 Quellen frifchen 
Trinkwaſſers, von denen jedoch nur die eine unerfchöpflich ift, welche 
von Süden nach Dften vermöge eined Aquaducts über Campagnano 
nad Iſchia geleitet if. Diefe Hellquellen, ſowie die köftliche reine 
Luft, welche Hier weht, fo daß die druͤckende und erfchlaffende Wärme 
des Südens nur felten gefühlt wird, haben für den Kranken und Le⸗ 
bensmüden von jeher eine große Anziehung gehabt. Auch Vittoria Eos 
lonna begab fich nach dem Tode ihres Gatten, als dieſer zu Mailand 
den bei der Schlacht bei Pavia erhaltenen Wunden erlag, im Früfs 
jahre 1526 hierher, um von dem Treiben der Welt entfernt in Stille 
und Einfamfeit, umgeben von einer fo herrlichen Natur, der Religion, 
den Wiffenfchaften und der Kunft zu leben. Und hier war ed, wo 
die berühmte Frau ihre Freundſchaft mit Michael Angelo begründete. 
Auch Heute wandern Hunderte jährlich hierher, um Hülfe und Erleich» 
terung von ihrer Krankheit zu finden oder fih von den Mühen des 
Lebens auszuruhen. Die Wanderungen haben fo zugenommen, daß 
gegenwärtig eine regelmäßige Verbindung mit dem Fefllande vermöge 
Dampfböte eingetreten ifl. 

Es gehen an vier Tagen in der Woche 2 Dampfböte: „der We⸗ 
nefrede“ und der „Bolfo di Rapoli“ dahin; dieſes, obgleich Kleiner, 
legt den Weg von 18 Meilen bei gutem Wetter in 2} Stunden zu⸗ 
rüd, wogegen das erſte 3 gute Stunden bedarf und ſich das Doppelte 


12) Die früher faſt allgemein verbreitete Annahme, daß bie Thermalwaſſer 
Schwefel enthalten, wird durch die neueften Analyfen widerlegt. Diefen zufolge ent: 
halten fie an feften Beflandtheilen als vorwaltend: Chlornatrium, nächft dieſem loh⸗ 
Ienfaures und ſchwefelſaures Natron; — außer diefen in geringer Menge kohlenſaure 
Tall: und Kalkerde, Kali, Eifen und Mangan, ſchwefelſaure Kalk⸗ und Tallerde, 
Eifen, Alaun, Kiefelerde, Hydriodfaure Berbindungen und organifhe Materie. Oſann's 
phyſikaliſch⸗mediciniſche Darftellung der befannten Heilquellen u. f. w. III, 1113. 

j v. O. 





398 8. von Orlich: 


bezahlen läßt. Außerdem geht täglich ein Segelboot nad) und wu 
Neapel, die Lancia genannt, welches zwar SBerfonen aufnimmt, abe 
eigentlich nur für den Dienft der Regierung beflimmt ift und das Wafr 
der Heilquelle Gurgitello nach Neapel beförbert. Bei ftürmiichen Ba- 
ter ziehen viele Reifende den Weg zu Lande vor, das heißt, man fit 
fih im Hafen von Pozzuoli ein, und kann fo bei günfligem Winde u 
einer Stunde Iſchia erreichen. 

An einem fchönen, aber fehr heißen Augufttage verließ ich mit ven 
„Golfo di Rapoli” um 2 Uhr den Hafen von Neapel. Meine Reifegeid 
fchaft war die gemifchtefte von der Welt, Infulaner, die mezzo cc% 
Neapels als die überwiegende Anzahl, einige Priefter, und außer mir mn 
zwei Fremde, ein Franzoſe und ein Engländer. Jedermann freute 14 
der ruhigen See, in welcher das Blau des Himmels fich abzufpieger 
ſchien, und der Frohfinn und die Heiterkeit, welche eine aus Güde 
lienern beſtehende Gefellfchaft durchzieht, erinnert an die Unbefanger 
heit kindlicher Gemüther, denen Sorge und Leid unbekannt find. Ir 
fer Auge weidete fih an Neapel’ malerifchen Geſtaden und an ba 
unzähligen Ranphäufern und Gärten, welche den Monte Bomero m 
den PBofilippo bededen. Als wir an Niſida vorüberfchifften, zeigter 
ſich Procida und Iſchia in der Ferne, und zur Rechten erſchien die 
Bai von Bozzuoli mit dem Fühn in's Meer vorfpringenben Ga 
Mifeno. | 

Nach ein und einer halben Stunde fuhren wir in bie Hafentudt 
von Procida, verweilten hier einige Minuten, um Reiſende abzufega 
und aufzunehmen und fchifften dann längs dieſer lieblichen Inſel ar 
das Eaftel von Iſchia. Es liegt ernft und gebieterifch auf cine 
320’ hohen Felſen, welcher fich ifolirt gegen Procida aus dem Ben 
erhebt und vermöge eined Dammes und einer Brüde mit dem Stätt 
chen Iſchia verbunden ifl.. Die ſchwarzen und fahlen Mauern beperkt: 
gen eine Heine Befagung und jene Unglüdlichen, deren Schidjal Hem 
Gladſtone fo zu Herzen gegangen if. Auch hier wurbe auf der de 
tigen Rhede einige Minuten angehalten, und dann fleuerten wir N 
Inſel Iſchia entlang nach Cafamicciola, ſtets im Anfchauen des frucht 
barften und malerifchiten Theiles derfelben. 

Eine Heine halbe Stunde mochte verfloffen fein, als wir der Re 
rine von Gafamicciola gegenüber anferten; aber noch che das Shit 





Die Infel Iſchia. 399 


feinen Halteplag eingenommen hatte, umſchwaͤrmten uns fchon viele 
fleine Boote, um uns dem Lande zuzuführen, wobei der Reiſende gut 
thun dürfte, fich über den Preis vorher zu einigen. An einem Heinen 
beinahe zweihundert Schritt lang ins Meer reichenden Molo lanven 
die Boote, und Hier wirb der Ankommende von einer Schaar Halb: 
nadter und Hungriger beflürmt, welche in wilder Haft nach dem Ges 
päst greifen oder ihre Dienfte und ihre dabei fchreiend und ſtoßend 
‚in den Weg getriebenen Efel anpreifen. Dan kann ſich diefe Zudring- 
lichen nur mit dem Stod in der Hand abwehren, wobei ein alter 
ftämmiger Unteroffizier huͤlfreich zur Seite flieht, und wenn Alles in 
Ordnung ifl, zum Lohn für den Diemft eine bottiglia verlangt. Ohne 
ein ſolches Gefchenf kann man auf neapolitanifchen Grund und Bo- 
den feinen Eingang finden. 

Gafamicciola ift der berüͤhmten Duelle von Gurgitello und feiner 
fehönen und günftigen Lage wegen der beliebtefte Aufenthaltsort auf 
diefem intereffanten Eilande. Mangel an Unterfommen war die Urs 
ſache, daß in früheren Jahren Reifende felten länger als eine Nacht 
auf Iſchia zubrachten; aber gegenwärtig find einige Privathäufer, wie 
die der Herren Sauver und Dr. Rivas, die Caſa Purgatori und Caſa Za⸗ 
potta fo eingerichtet, daß Familien fehr behaglich daſelbſt untergebracht 
find; namentlich gewährt die neu erbaute und fchöne Caſa Zavotta 
allen nur erdenklichen Comfort. Wer in feinen Mitteln befchränft ift, 
wird in den Gafthäufern Sentinella grande und Sentinella piccola ein 
Unterfommen fuchen müflen; erftes ift feiner fchönen und gefunden Lage 
wegen befonbers zu empfehlen, legte, gegen den Belfen gebaut, ift an 
Regentagen feucht, im Sommer unerträglich heiß und foll von der Fie⸗ 
berluft leiden. 

Ich hatte befchlofien, hier mehrere Wochen zuzubringen und mich 
in der oberen Etage des Haufes Purgatori, dem Kanonikus Morgieri 
gehörig, fo wohnlich, ald es fich thun ließ, eingerichtet; denn mit Aus- 
nahme der Früchte, der Milch und der Fiſche mußten wir alle Les 
bensbedürfnifje täglich von Neapel kommen laſſen. Mein Wirth, ein 
alter würdiger Geiftlicher, war einer der reichen Grundbefiger; ihm ge: 
hörten mehrere der fchönften Gärten; aber er lebte mit der Einfachheit 
eines Lazaroni, fludirte viel in feinen vwermoderten uralten Büchern 
über das Leben der Heiligen und überließ fein Hauswefen einer herrfch- 


400 - 2. yon Orlich: 


füchtigen, ihm verwandten alten Matrone. Der originelle Mann fer 
es fich nicht nehmen, mir jeden Morgen durch feinen barfüßigen um 
zerlumpten Reffen einen großen Korb voll der koͤſtlichſten Weintrauben 
Feigen, Pfirfifchen und Pflaumen als Morgengruß zu fenden, babı 
beflimmt erflärend, daß dies fo Sitte fei und von Bezahlung nicht die 
Rede fein könne. Eine alte Dienerin wußte jedoch beim Abfchiede dirk 
Gaben in Geld zu verwandeln. 

Eafamicciola beiteht aus den Häufern an der Marine, dem Bade) 
dem auf der Höhe gelegenen Yleden und den vielen Landhäufer, 
welche bis zum Fuße des Epomeo zerftreut umberliegen. Alle Haͤuſer 
auf der Inſel haben flache Dächer und beftehen meift aus zwei Eid: 
werfen, die entweder von einer von Säulen oder Pfeilern getragenen 
Beranda umgeben find, ever eine von Weinranfen befchattete Terrat: 
haben und immer fo liegen, daß man einen ungehinderten Ylid üba 
die Umgegend und nad) dem Meere genießt. 

Der Weg von der Marine nah Caſa PBurgatori iſt fortwährnt 
anfteigend, zwifchen Weingärten, die in Fülle und Pracht ihren Rat: 
thum zur Schau ftellten; der Weinftod firogte von großen und kl 
hen Trauben, und Pfirſich⸗ und Feigenbäume beugten ſich buchſtaͤbud 
unter der Laft der Früchte. Nachdem ich kaum zehn Minuten wilde 
diefen üppigen Yruchtgärten auf einem munteren Efel geritten wit, 
führte der Weg am Rande eines tief gelegenen und engen Thales a 
eine mehr offene Gegend, zur Linken den Monte Rotaro und vor = 
der Epomeo den Fleden Eafamicciola majeftätifch beherrfchend. 2 
durchritt den Heinen Ort, der aus einer Straße und einem Marftplat 
befteht, verfolgte den Weg nad Foria und fand am Fuße des Er 
meo meine geräumige und fuftige Wohnung. Bon der Beranda ad 
nes Haufed erfreuete ich mich an Lacco’8 malerifcher Lage mit de 
Monte Vico im Hintergrunde, und am fernen Horizont tauchte N 
Infel Bentotiene aus der Oberfläche, wie eine Sphynr, herauf, wit 


ı) In Oſann's vorhin angeführten Werk im dritten Bande S. 1113 mW 
das Bab als im Fleinen Orte Monte gelegen genannt. Es muß die ul 
einem Irrthum beruhen, denn ich habe das Bad nie anders als: ZI Bague M 
J Bagni di Burgitello, oder 3 Bagni della Wifericordia nennen Hören. Naf Wi 
ner Karte fand ich den Namen Monte, der bier auch ger nicht paſſen wirkt, M 
fi das Bad und bie drei oder vier anderen dazu gehörigen Häufer in einem = 
gen Thale befinden. v. O. 


Die Infel Iſchia. 401 


rend mir zur Rechten die fchon geformte Kette der Apeninen und zur 
Linfen unzählige Gärten und Lanbhäufer, worüber ber Epomeo gleich 
einer unerfleiglichen Felswand fich erhebt, eine der fchönften Landſchaf⸗ 
ten vollendeten, welche die Erde dem menfchlichen Auge darzubieten 
vermag. Die aͤußerſte Spige des Epomeo, ein fahler weißer Trachyt, 
fpiegelt fih gegen den blauen Himmel mit feinen zwei ſcharf auslaus 
fenden Spigen, wie das Haupt eines folofialen Gemsbockes, ab. Die 
höchfte dieſer hornaͤhnlichen Spigen, nach Rorvoften gelegen, iſt der 
Außerfte Punkt des Epomeo, die andere fühweftliche trägt einen vier: 
edigen Thurm, welcher Funftlos von Felsbloͤcken aufgebaut ift, um eine 
ungehinderte Ausficht zu fchaffen. 

Die Infel Iſchia Hat beinahe 18 Meilen im Umfange, wenn die 
Biegungen der verfchiedenen Yuchten eingerechnet werben; ohne dieſe 
find ed 15 Meilm. Eine Fahrt zu Waller um das Eiland erfsrbert 
bei ftiller See über 8 Stunden und ift bei weitem nicht fo lohnend 
und intereffant, al8 ein Ritt zu Lande. Sch befchloß, an einem fcho- 
nen Septembertage den Epomeo zu befleigen, und verband mit dieſem 
Ausfluge eine Wanderung um den größten Theil der Inſel. Es füh- 
ren nümlich vier Wege zum Gipfel des Epomeo: von Caſamicciola, von 
Lacco, Foria und von Serrara dahin; erfterer ift der kürzeſte und 
fteilfte, der letzte allmälig anfleigende dagegen der längfte. Ich wählte 
diefen zur Befteigung des Berges und kehrte auf dem kuͤrzeſten Wege 
zurüd, vathe jedoch Reifenden, es umgekehrt zu machen. 

Mein Führer mit einem kräftigen Eſel harrte meiner in früher 
Morgenflunde, und mit dem Aufgang der Sonne ritt ich durch Gafa- 
mice nach dem Bade. Es liegt eine Fleine Halbe Stunte von der 
Kirche des Platzes .entfernt, und ver Weg dahin iſt, wie alle Stra⸗ 
Ben auf Yfchia, ein fchmaler Pfad, kaum 6 Schritte breit und an den 
abfehüffigen Stellen mit Bafalt gepflafter. Ein fteiler Abhang führt 
in Das Heine und dunkle Thal, durch welches die Burgitelloquelle fich 
Bahn bricht, um ihre fegensreichen Waſſer der leidenden Menfchheit 
Darzubieten. Das große und fchöne Hospital della Mifericordia und 
das damit in Verbindung fiehende Badhaus im Thale zur Linfen des 
Weges fallen zuerſt in die Augen, davor befinden fich ein freier Platz und 
noch einige wenige Gebäude. Hospital und Bad wurden vor einigen 
und achtzig Jahren von der Brüderfchaft della Mifericordia in Neapel 

Zeitſcht. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 26 


402 2. von Orlich: 


gebaut, und die Unterhaltung verfelben Foftet jährlich über 6000 Du- 
cati. In den Monaten Juli und Auguft finden 300 Kranke dafeltt 
freie Aufnahme. Es find jedoch nur achtzig Bäder und eben jo vyidı 
Betten, daher durchfchnittlich jedem Kranken nur 15 Baͤder bewillig 
werben, nach deren Gebrauch ihn die Brüderfchaft auf ihre Koften nad 
Neapel zurüdjendet und Andere wieder aufnimmt. 

Die wegen ihrer Heilkraft berühmte Duelle Gurgitello entquk 
mit der Gewalt und Kraft eines Heinen Baches mit 45 bis S6'R 
(bei anhaltend heißer und trockener Witterung erreicht biefelbe wei 
60° R.) am Fuße des gegen Süden das Thal begrenzenden Häx“ 
von Ombrafa oder Ombrasco. Nicht fern von ihrem Urfprunge if ae 
dem uͤberwoͤlbten Quellenfpiegel eine Rotonda zum Gebraude re 
16 Dampf» Gasbäbern eingerichtet. In diefem Babehaufe werben ti 
qualmenden Gasentwidelungen mittelft Röhren fowehl zu den Dam 
apparaten, als zu den Arenazionen geleitet '). Nachdem bie Gutz 
tello die Bäder des Hospitals gefpeift hat, wird der Weberfluß dei i 
gensreichen Waſſers an Privatbäder verabfolgt, und nun winde it 
der Bach mit Vereinigung der Nebenbaͤche Tamburo und Einige 
dem Meere zu. - 

Die Gurgitelo wird befonders bei Krankheiten von vorwalkme 
Erfchlaffung und Schwäche torpider Art empfohlen, namentlich bei Ra 
matismus, Lähmungen, hartnädigen gichtifchen Beſchwerden, feropieit 
fen Gefchwülften und Berhärtungen, Anchylofen, inveterirten funkt 
tifchen Dyskraſien und Uterinleiden ?). Wenn das Uebel nicht mi Di 
eingewurzelt if, wird ber Kranfe gewöhnlich nach dem Gebrauche ve 
30 Bädern von feinem Leiden befreiet, aber da die Wirkung des Walt 
eine ſehr aufregende ifl, fo muß es mit der größten Vorſicht und m 
ohne aͤrztlichen Beiftand gebraucht werden *). Den Mineralſchlar⸗ 


) Die Gasausfrömmgen enthalten nach v. Gräfe atmoſphariſche Luft, Bahr 
926 und eine beträchtliche Menge Kohlenfänre, und ihre Temperatur it 326% 
im Gondenfator 45' R, v. O. 

2) Dſann III, 1123; das Nähere ſiehe daſelbſt ©. 1124. 33 

2) Es befinden ſich bier einige erfahrene italieniſche Aerzte und der Dr. Ara 
aus ber franzöflfchen Schweiz Diefer machte währen meines Auſenthaltes in 6 
micciola dem Lorb 3. und einem emglifchen Freunde von mir fo umerhörte Kerdess 


gen des Honorare, daß ich rathen muß, ſich vor der Gonfultation über das Hes“ 
zu einigen. v. O. 


Die Infel Iſchia. 403 


des Waſſers wendet man bei örtlicher Schwäche, Steifheit der Gelenfe 
und cheumatifchen Localaffectionen an. Das Waffer wird des Tages 
vorher in die Bäder geleitet, um bis zur Babezeit bis zu 27 bie 30° 
abzufühlen; ſelbſt das in hoͤlzernen Gefäßen nad Neapel befürverte 
Waſſer befigt noch nach 24 Stunden eine Temperatur von beinahe 
30° Reaum. 

Die eigentliche Badezeit find die Monate Juni, Juli, Auguft und 
die erſte Hälfte des September; dann fchwächen die eintretenden hefti- 
gen Gewitterregen das Waſſer, und die Wirfung foll von geringem 
Erfolge fein. Ich fand den Badeſaal reinlich und ziwedmäßig einge: 
richtet; dagegen iſt das gemeinfchaftlihe Baden von achtzig Menfchen, 
obgleich jeder feine eigene Badewanne hat, dem Schidlichfeitsgefühl 
nicht förderlih. Aber ein folches ift in Neapel nur dem Namen nad 
gekannt. Der Burgitello zur Seite gegen Weften entfpringen zwei ans 
dere laumarme Quellen, die Capone oder Acqua delle Stomaco mit 
280 R. und die Spenna Bollaftro; erfte, wegen der Achnlichkeit ihres 
Geſchmackes mit Hühnerbrühe fo genannt, wird gegen Magenfchwäche 
angewandt, indem fie auflöfend und eröffnend wirft, dann auch mit der 
Gurgitello vermifcht zum Baden gebraucht oder mit Wein bei Tifche 
getrunfen '). 

Während ich diefe Quellen befichtigte, wurde ich bei jedem Schritte 
durch die von Neapel herüberfommenden Bettler, welche hier ihre Bet⸗ 
teljaifon halten, beläftigt. Diefe verderbte Klafje, fowie Die Bremben, 
haben einen fo nachtheiligen Einfluß auf die Bewohner des Badeortes 
ausgeübt, daß diefelben in Frechheit und Gemeinheit den Lazaroni we⸗ 
nig nachftehen und von jedem Vorübergehenden eine Gabe verlangen. 
Der Weg führt am Badehaufe vorbei über eine gewölbte, über den hier 
bereits 8 Schritte breiten Bach gelegte Brüde. Von hier geht es fortwähs 
rend fleigend nach dem Monte Rotaro und durchichneidet venfelben vers 
möge eines Hohlweges von 30 bis AO’ Tiefe und 3 bis A Schritte Breite. 
Dadurch gewinnt man eine Einficht von der Form der vulfanifchen 
Schichten, wo Bafalt, Lava und Schladen, ſchwarz wie Kohle, zwi⸗ 
fchen der Afche auf einander liegen; fie find wahrfcheinlih aus den 
beiden Kratern des Rotaro, von denen der eine auf feiner höchften 


) Oſann II, ©. 1124. v. O. 
26 * 


404 2. von Orlich: 


Spige, der andere gegen Often liegt, ausgemworfen worden. An die⸗ 
fem Krater, dem Monte Tabor, befindet fih eine heiße Quelle, die 
Stufa Eacciuto, welche mit 57!R. (nah v. Gräfe JSI!R. bei 17'R 
Lufttemperatur) mit großem Geräufche ihre Dämpfe entwidelt. Aber 
dieſe Dampfbäber find ganz vernachläffigt und werben nicht mehr benugt 


Der Rotaro liegt noch heute unbebaut und ift von Myrthen unt 
anderem Geſtraͤuch bewachſen; vor Zeiten fol ihn ein Wald ächter 
Kaftanien bededt haben. Seine Lage und Form, fowie der Boden, m» 
hen ihn für die Weinkultur beſonders geeignet, und es war bereit 
die Rede davon, ſolche in’d Werk zu fegen. Der Hohlweg if em 
fleine Viertelftunde lang, feine Seitenwände find fehr fleil und fo vom 
Regen ausgewafchen, daß mein Eſel nur mit der größten Anftrengun; 
über die fpigen Felsſtuͤcke hinwegklettern konnte. Aber als ich aus dem: 
felben herausfam, wurde ich durch eine der jchönften Landfchaften übe: 
rafcht. Zur Linken ein tiefes Thal, Hinter welchem das Meer wie cin 
fpiegelglatter Binnenfee ausgebreitet war, begrenzt von Procida, lagen 
Mifeno und die Bai von Neapel, vor mir das fruchtbare und lieblid« 
Thal von Campagnano, wodurch ein Aquaduct in großartigen Bögen 
fi) über die veich bebaute Ebene hinzog, zur Seite deſſelben das freunt 
liche Dörfchen Pibo und zur Rechten mit Kaflanien und Wein beftan 
dene Höhen. Die Borliebe, welche die Ifchloten für ihr Eiland un: 
für die Schönheiten defjelben haben, erfaßte auch meinen Führer mit 
aller Lebhaftigkeit, und obgleich er die malerifchen Punkte der Heimu 
feit feiner Kindheit Tannte, fo fehwelgte er doch in jugendlicher Begei 
fterung mit mir im Anfchauen diefer herrlichen Natur. 


Wir ließen Pi6o und das Dorf Teftacco, in deſſen Umgebungen 
vor nicht langer Zeit Statuen und Basreliefd ausgegraben worden 
find, links liegen und. wandten uns nun gegen Süden nad) Dem Deric 
Barano. Die Gegend bekommt mehr und mehr den Charakter Yes 
Wilden und Sterilen, der Boden iſt weniger angebaut, dagegen die Küfte, 
wenn auch nicht-von fo lachenden Bruchtgärten umgeben, malerifcher 
und mehr zerrifien. Große Kelsmafien liegen, gleich Heinen Iufeln, im 
Meere, oder Heine Buchten, von fleilen Felswaͤnden umgeben, wechſein 
mit Lavaftrömen ab und find von den Wogen in den fonderbarfken 
Gebilden ausgewaichen worden. Bon Barano nach Moropano if Die 


Die Infel Iſchia. 405 


Gegend öde und ohne Baume, und erft beim Dorfe Serrara oder Ser: 
rano wird wieder eine größere Kultur bemerkbar. 

Aus dieſem Dorfe führt der Weg nach Banza durch ein tief ein- 
gefehnittenes, in ein fchluchtartiged Thal auslaufendes Ravin, in wel 
chem fi) die Heilquelle Olmitello befindet. Wenn man von dem 
Flecken Teftaccio fi dahin begiebt, jo muß der Wanderer nad) der 
Marina degli Maronti binabfteigen, und von hier aus ein Heines von 
Steingerölle angefülltes Bachbette verfolgen, welches dieſes zerrifiene 
Thal bildet. Die Olmitello entfpringt mit 35 bis 3ER. aus einem 
Belsboden, aber außer dem Brunnen und zwei gemauerten Badewan⸗ 
nen find feine Vorkehrungen zum Gebrauch eines Bades zu fehen, und 
doch genießt diefe Duelle nach der Gurgitello den größten Ruf und 
wird namentlich gegen Unterleibsleiden und Steinfchmerzen mit Erfolg 
getrunfen. Richt weit davon, ungefähr 60 Schritte weſtwaͤrts, ent- 
fpringt in einem anderen Bachbette der Bavascura die Acqua bei Pes 
trelli mit TOR. 

Die Alten Haben fich der Olmitello und der gleichfalls nur we⸗ 
nige hundert Schritte davon gegen Moropano aus Lavablöden hervor: 
quellenden Aqua di Nitroli vielfach bedient; viefe fommt mit 2A NR. 
zu Tage und wird nur ald Getränk benugt. In der Naͤhe beider 
Waſſer lagen die antifen Bäder von Ritroli, wovon noch einige auf- 
gefundene Refte Zeugniß ablegen. Unter andern fand man ein Bas» 
relief in Marmor, auf dem eine Frau mit herabhängenden Haaren und 
zur Seite eine Dienerin, welche ihr das Mineralwafier über das Haupt 
gießt, fich dargeftellt findet. Die Infchrift begann: Nymphis Nitroli- 
dis... .; das Basrelief war ficher als Danfesopfer den Göttern zur 
Ehre aufgeftellt worven ') 


ı) Die Alten haben fih der Mineral: Heitquellen wahrfcheintich ebenfo vielfach 
bedient, als es in unferer Zeit geſchieht. Neuere Entdeckungen beflätigen dies immer 
mehr. So wurde während meines Anfeuthaltes in Rom, im October bes Jahres 1850, 
bei Reinigung und Wiederherfiellung der verftopften Mineralquelle bei Vicarello am 
Lago di Bracciano ein antiles Opferbecken aufgefunden. Es enthielt gegen 4000 Pfund 
Kupfergeld, von denen über vie Hälfte ans Acs rude befland; der Reſt waren 
Münzen von der früheften Zeit der Republik im jährlicher Reihenfolge bis zu Kaifer 
Trajan's Zeiten. Außerdem befanden fi darin 20 Becher oder Vaſen, von beuen 
11 Becher in Silber gearbeitet waren, die anderen aus Kupfer. Drei der filbernen 
Becher waren zur Beit des Kaiſers Auguſtus von Badegäften geopfert worden, welche 








406 2. von Orlich: 


Bon einer Höhe auf dem Wege nad) Panza fieht man eine Heim 
Infel aus Lava und Tuff hoch und impofant über dem Meeresſpiegel 
herausbliden. Es tft der Felfen von ©. Angelo, auf welchem cine 
jener Wachtthürme fteht, die im Mittelalter gegen die Barbaresfen er 
richtet wurden; vor demfelben liegt eine Heine und zierliche Kapelı, 
©. Ange genammt, nad weldher an einem beflimmten Tage des Jub 
res die Einwohner der hier liegenden Ortfchaften wallfahrten. Tea 
Boden in jener Gegend ift ſtellenweiſe fehr heiß, erreicht ſelbſt 80°R, 
und auch das Meerwafler wird von dem Boden jo erwärmt, daß e⸗ 
dem Badenden unerträglich ift. 

Ich ritt bi8 zu dem von. Wein» und Fruchtgärten umgeben 
Dorfe Panza, wofelbft in früheren Zeiten die Könige von Aragonia 
ihre Billegiatura zu Halten pflegten. Nachdem ich mich eines Bidet 
über die Küfte nach Foria erfreuet Hatte, fehrte ich nach Serrano u 
rüd, um von hier aus den Gipfel des Epomeo zu befteigen, oder, mx 
die Einwohner fagen, ven S. Nicolas zu befuchen. 

Der Epomeo hat gegen Serrano einen fehr allmäligen Abfal, 
und nur an wenigen Punften wird das Anfteigen ſchwierig; aber X 
näher man dem ©. Nicolas fommt, deſto öder und woilder wir ik 
Natur. Diefe Seite des Berges, vom Dorfe bis beinahe zu jeimt 
Spige, dürfte jepoch in wenig Jahren ein ganz anderes Anfehen 9 
winnen, indem viele Hände fich bereits auf's Sorgfamfte mit der I 
tur deffelben befchäftigen. Es wurden zu dem Zwede Eleine Terrafe 
errichtet und mit Weiden bepflanzt, um dem Boden gegen die heftiger 
Gewitterregen Feftigfeit zu geben; bazwifchen werden dann Dlinw 
und andere Fruchtbäune und Weinſtöcke gefeht, und beſonders günfiet 
Refultate erwartete man von den Oliven, fobald die jungen Plan 
den nachtheiligen Einfluß der Sitoccowinde überftanden haben. Br 
nige hundert Schritte vor der Eremitage St. Nicolas fam ich an dem 


von Cadir die Wanderung zu Lande nach Bicarello angetreten hatten. Auf den de 
chen find die verfchiedenen Stationen ober Nadıtlager — es find deren 104 — sel 
der Meilenzahl namentlich eingravirt. Ich Habe die im Gollegio Momanc zu Ra 
utebergelegten Becher in Händen gehabt. v. O (Geitvem hat ber gelchrte Zefa # 
Mari, dem der Fund amvertrant war, eine eigene Schrift darüber zu Rom We 
öffemtlicht. Die erſte Notiz über dieſen intereflanten Fund außerhalb Italien geb I’ 
mard in dem Bull. de la soc. de Geogr. de Fr 1852. 1re Ser. II, 280 — 281. GW 
viel vollftändigere von Henzen nach Marchi findet ſich aber in dem Kheiniſchen Murten 
für BHilologie von Brandes, Ritſchl und Bernays 1852. NR. F. IX, 20— 36. ©.) 


Die Inſel Iſchia. 407 


Telegraphen voruͤber, welcher mit denen des Feſtlandes in Verbindung 
ſteht, und endlich hielt ich in der Mittagsſtunde vor der Kapelle des 
heiligen Ricolas. 

Der daſelbſt lebende Kapuzinermonch kam mir entgegen, um mir 
die Herrlichkeiten zu zeigen, welche feine Kapelle, die Einfievelei und 
die Ratur darbieten. Die Spige des Epomeo befteht aus einem weißen, 
in's Gelbliche fallenden Trachyt *) und läuft wie eine Radel aus. Leo⸗ 
pold von Buch fagt ?): „Der Epomeo iR Fein vnulfanifcher Kegel. 
Wenn auch aus mürben und weichen Maſſen aufgeführt, fo find dieſe 
Doch zufammenhängend, und gar nicht mit dem Schladenkegel jener 
Vulkane (Befuv, Aetna) zu vergleichen. Auf dem Gipfel und an 
üblichen Abhangen fieht man nur Tuff; an der nörblichen Seite noch 
Schichten von Alaunften dazwiſchen. Der Tuff ſcheint ein Gonglomes 
rat; eine unendliche Menge von Fleinen, grauen Bimsfleinen liegen 
verworren burcheinander; dazwiſchen zerftreut viele ſchwarze Glimmer⸗ 
blättchen, einige deutliche Hornblenden und felten nur feine glafige 
Feldſpate. Der Gipfel zeigt auch nichts, wad einem Krater ähnlich 
wäre.” Dann fest der berühmte Geognoft an einer anderen Stelle 
(S. 349) folgend Hinzu: „If der Epomeo vielleicht ein Vulkan ohne 
Ausgang? Iſt er eine erhobene Blafe über dem Meere, unter wel 
cher das vulfanifche Feuer hHeranfwühlt und das in vielen Jahrhuns 
derien einmal Lava bis an den Gipfel erhebt, welche dann um Fuße 
des Berges ſich Luft- macht, bervorbricht und nun vom Innern des 
Gipfels herunter aus dieſer Oeffnung abfliept? ” 

Ich trat zuerft in die Kapelle, welche in den Tufffelfen gehauen, abex 
fo mit allerlei bunten Stoffen, Heiligenbildern und Lampen behangen if, 
daß der Menfch hier fchwer feine Gedanken zu einer ſtillen Andacht 
fammeln fann; über dem Altar hängt ein Oelbild, den Heiligen vors 
ftellend. Wenige Schritte von diefer Kapelle zur Linfen unter der 
höchften Spige zieht fih ein langer dunkler Gang durch den Felſen 
gehauen, dem zur Seite ſich einige Gemaͤcher und die Vorrathskam⸗ 
mern für den Eremiten befinden. Der Eremit führte mich durch die 
fen Gang auf die andere Seite des Berges, und von bier aus er 


a ) Die Natur dieſes Tradyyts macht denfelben einem Sanpflein fo ähnlich, daß 
ich ihm anfänglich dafür hielt. v. O. 
2) v. Mol. A a. O. l, 348. v. O. 








408 2. von Orlich: 


klimmt man den Abhang zur Rechten, um den daſelbſt ſtehenden 20 dus 
hohen Thurm zu erfteigen, von welchem fich die freie Ausficht darbe 
tet; denn dieſe ift von der Einfievelei aus gegen Suͤdoſt durch einen 
Heinen Bergrüden, der Monte Bianco genannt, verhindert. 
Obgleich das fhöne dunfelblaue Himmelsgewölbe nur von war 
Wolken bevedt war und bie Sonne in aller Pracht ihre leuchtenden 
Strahlen auf uns herabfendete, fo ift doch die Mittagsftunde nicht m 
geeignete Moment, wenn man die unvergleichliche Landſchaft in ihrer war 
ren Schönheit betrachten will. Es iſt die Zeit des Sonnen > Untergang, 
weiche man wählen muß, um fich diefer Ausficht zu erfreuen lat 
dem Adler in der Luft ſchwebt man hier über der Infel Ifchia Un 
mittelbar unter mir lagen wild über einander die koloffalen Feldmafa, 
welche vor vielen Jahrhunderten vulfanifche Kräfte umhergeworfen ha 
ten, und aus diefer wüRen limgebung, dieſem Bilde der Zerſtoͤrunz 
blidt dad Auge auf das üppige Grün der Fruchtgärten, aus welches 
bie einzelnen Ortfchaften und unzählige Landhäufer, wie bie zierichke 
Mofaifgebifne, herausfchimmerten. Bon mächtigem Eindrude nd di 
erhabenen Formen, welche das Feſtland darbietet. Da überfchauete # 
mit einem Male vie Kette ver Apenninen von Terracina bis nad Ex 
(abrien, und vor biefer unenblich erfcheinenden Landfchaft ſtrahlte m 
heiterften Glanze, wie im ewigen Frühling,. die wunderfchöne Bai m 
Neapel, Procida und Capri leuchteten gleich Smaragden über ven fr 
(en Meeresfpiegel. Und damit dem Ganzen der Reiz des Ueberirdiſho 
gegeben werbe, fah ich duftige Wolfen im Suͤden des Meeres aufe 
gen, welche in den fonderbarftien Geſtalten geifterhaft über bie It 
hinwegflogen. Aber je mehr ich das Bild diefer Natur im mir feh 
halten fuchte, je fefter wurde mir bie Ueberzeugung, daß all biefe 3 
feln einf mit dem feften Lande zufammenhingen, und daß die heit 
Bai von Neapel und die Meeresbucht zwifchen Ifchla, Procida uw 
E. Mifeno mit ihren Waflern zwei eingeftürzte Bulfane beveden. Rob 
dem ich fange mit Entzüden den Eindrüden Raum gegeben hatte, we 
hen diefe großartige und lachende Natur in der menfchlichen Exec 
erweckt, führte mich der Eremit in feine Zeile, um mich in jein r# 
denbuch einzufchreiben. Deutfche und Engländer haben fich begmä 
einfach ihre Namen einzuzeichnen; die Italiener Dagegen gaben in Bock 
oder in glühender Proſa ihren Empfindungen Raum und priefen Die? 


Die Zufel Iſchia. 409 


Punkt als das Schönfte und Erhabenfte, was unfere Erde Darzubieten 
vermag. 

Der Epomeo ift im Winter zu Zeiten mit Schnee bevedt, und 
oft mehrere Wochen fo in Nebel gehüllt, daß weder der &remit feine 
Klaufe verlafien Tann, noch Jemand ed wagen darf, hinaufzufeigen. 
Deshalb verfieht fich der Eremit mit einem Magazin für den Winter, 
denn es find Fälle vorgefommen, daß die Verbindung mit dem heili⸗ 
gen Ricolas auf 6 Wochen unterbrochen geweſen ift. 

An einem Tage im Jahre findet eine große Wallfahrt dahin ftatt, 
an welcher alle Ortfchaften Iſchia's Theil nehmen, und dann fieht man 
von verfchledenen Punkten Brozefiionen hinaufziehen. Der jebige Ein- 
fiedler lebt von den Geſchenken der Fremden und den Almofen ber 
Bewohner; er fcheint aber nicht in dem Rufe der Heiligkeit zu ftehen, 
den fich einft zur Zeit Carl's III. ein Herr von Arguth erwarb, wel 
cher die Commandantenftelle der Burg von Iſchia mit der Einfiedelei 
des heiligen Ricolad vertaufchte und durch Werte der Liebe ein gefeg- 
neted Andenfen zurüdgelafien hat. 

Ich fagte dem Eremiten Lebewohl und kehrte nun auf dem fürs 
zeſten Wege nach Caſamicciola zurüd. Derfelbe geht Hart auf ber 
Kante des Bergrüdens welcher fich gegen Süboften hinzieht und bei 
nahe fenfrecht gegen Bafamicciola abfällt. Nach Verlauf einer Fleinen 
Viertelſtunde wurde der Pfad fo abjchüfiig, daß ich die Wanderung 
zu Fuß fortfegen mußte. Der Weg wurde fo ſchmal und wand fich 
plöglich, gleich einer Wendeltreppe, den fteilen Abhang entlang, ftellen- 
weife mußte ich wie ein Bergmann die Höhe herabrutfchen, dann wies 
der tiefe Stufen herabfpringen und dabei ftetd in Gefahr bei dem ge- 
ringften Fehltritt den Abhang herabzuftürzen; aber, al& ich ſah, wie 
die Bewohner mit fchweren Ladungen auf dem Kopfe diefen fchwierigen 
Pfad herunterwandern, und wie felbft mein Efel mir folgen Eonnte, 
vergaß ich bald, daß ſolche Halöbrechenne Stellen eriftiren. Doc 
war meine Ermüdung in Yolge der großen Anftrengung, welche das 
Springen verurfachte, und der Mittagehige fo- groß, daß ich von Zeit 
zu Zeit ausruhen mußte. Einer diefer Ruhepunfte war unter dem 
Schatten eines uralten Kaftanienbaumes, defien umfangreicher Stamm 
mich folgern läßt, daß biefer feltene Baum über 500 Jahre zählte. 
Iſchia foll von einem Kaftanienwalde bevedt geweſen fein, der gleich 


410 8. von Drlid: 


einem Urwalde über die ganze Infel ſich ausbreitete, und vieleicht wur 
diefer Baum ein legted Zeichen aus jener Vorzeit. Bon jeht ab ns 
herte ich mich mehr und mehr der fultieirten Region, weiche nur neh 
von Kaftanienhainen jungen Anwuchſes unterbrochen. wird, und endlich 
befand ich mich wieder zwifchen Weins und Fruchtgärten. Ich hatk 
eine gute Stunde beburft, bevor ich mein Obdach in Caſamicciola m 
reichte. | 
An einem ſchönen Rachmittage unternahm ich einen Ritt mad 
dem Städtchen Ifchia. Der Weg dahin führt gleichfalls an dem Bat 
della Mifericorvia vorüber; aber fobald man daſſelbe Hinter ſich ba, 
verfolgt man die Straße zur Linken, welche anfänglich ſich dem Ran 
nähert und an den Hier gelegenen Brennöfen für irdene Gefäße ver 
überführt. Die Erde und der Thon zu dieſem Geſchirr wird mit dem 
Waſſer der Burgitello zubereitet, welches angeblich den Gefäßen ein 
größere Haltbarkeit und Dauer giebt; es if allerlei große und klein 
Töpferwaare, Wafler- und Weinfrüge. Bon hier ab Eonnte der Be 
ohne große Schwierigkeiten und Koften zu einer Fahrſtraße eingent 
tet werden; follte daher die Vorliebe der NReapolitaner und Fremden 
für das Eitand noch mehr zunehmen, fo dürfte hier einft Iſchia's Core 
entfiehen. Der Weg führt über eine Heine Anhöhe an dem Kirchheſe 
von Gafamicciola vorbei und gewährt ein fortwährend wechſelndes DM 
der fchönften Landſchaften. In nächtter Nähe feſſeln fchöne Landhaͤuſ 
und Gärten das Auge; während uns zur Linken der Blick über dee 
Meer nach den malerifch geformten Küfen und der lieblichen Sek 
Procida entzüden, liegt vor und die kuͤhn vorfpringende Burg m 
Iſchia und zur Rechten der Monte Rotaro und vie Alles überragt 
Spige des Epomeo. Sobald wir den Rotaro paffirt hatten, erhielten 
wir eine weite und im Borbergrunde von einigen Heinen, in fern 
Zeiten wahrfcheinlih als Vulkane thätig geweienen Kegeln untere 
gene Ausficht in's Thal von Campagnano. Die Straße nähert Mi 
wieder dem Meeresgeftade, und wir kamen an einem Heinen See vo 
über, welcher vom Meere nur ducch eine wenige Fuß gehobene fhmak 
Sandbank getrennt ifl, und vermöge eines Heinen Kanals mit denied 
ben in Berbindung ſteht. Aus der Mitte dieſes Sees erhebt ſich da 
Heiner Lavafelſen, der eine Fifcherhütte trägt. Der See ſelbſt iR fan 
achthundert Schritte breit und von beinahe runder Form; er iR feh 


Die Infel Iſchia. 411 


fichreih und deshalb für taufend Ducati jährlich verpachtet. Gleich 
hinter demfelben liegt lints am Wege das neue und gefchmadvoll ges 
bauete Badehaus von Iſchia, welches die beiden, 27 bis 29 R. wars 
men Minerafquellen Acqua dei Fornello und della Fontana umfchließt. 
Das Wafler beider Quellen wirft getrunfen reigend und abführenn, 
und zugleich wird es zu Bädern und Douchen verwandt. 

Auf einer Heinen Anhöhe rechts des Weges und in der Mitte 


eines freundlichen Gartens fteht dad Landhaus des Könige, ein eins 


faches, aus zwei Etagen beftehendes Gebäude, das fehr angenehm in 
die Augen fällt; fo einladend es aber auch erfcheint, fo ſoll es doch 
bis jetzt unbenugt geblieben fein. 

Bon hier bis zum Städtchen Iſchia befindet man ſich in einer 
Meinen Ebene, deren tragbarer Boden mit Baumwolle bepflanzt war, 
und von jenem merkwürdigen, Cremata oder Arfo genannten trachyti⸗ 
fhen Strom unterbrochen wird. Das ſchwarz gebrannte Geftein liegt 
wie ein erſtarrtes Meer vor dem Befchauer und bildet einen merhvür- 
digen Eonftrat zu dem üppigen Grün der Bäume und der Pflanzen, 
die e8 umgeben. Ungeheuere Blöde ſtehen ſchwarz und drohend aus der 
Oberfläche hervor, dazwifchen finden fich Heine Thäler, Vertiefungen oder 
Löcher. Es ift ein Strom von AO bis 50 Zuß Höhe, 1200 Fuß Breite 
und 14400 parifer Fuß Länge. Wenn man auf demfelben zu feinem 
Urfprunge fortwandert, fo erreicht man den Abhang eines flachen, ge- 
gen 60 Fuß tiefen Kraterd von mehr als 500 Schritte im Umkreiſe. 
So wie Leopold von Buch denſelben fchifvert '), ift er noch Heute, 
und fo wird er es auch wahrfcheinlich noch nach Jahrhunderten fein. 
Denn es If ein Phänomen einzig in feiner Art; weder auf diefer Ins 
ſel, noh am Veſuv oder am Aema ift etwas Wehnliches zu ſehen. 
„Die Mafle,” fügt von Buch, „iſt dunkel⸗ſchwärzlich grau; al 
led andere fefte Geftein der Infel dagegen iſt durch feine helle Farbe 
ausgezeichnet. Im Bruch iſt fie nur uneben, von feinem Korn, bei 
näherer Betrachtung fehr Mein und vidfplitterig und fpröde genug, 
fehwer wie Bafalt oder wie Laven des Veſuvs und ſchwerer als die 
Porphyre von Monte de Vico im nordweſtlichen Theile der Infel. 
Dlafen, Poren und Löcher find, wie gewöhnlich, nur im oberen Theile 


’) v. Moll I, 344, 346. v.dD 





412 2. von Orlich: 


des Stromed. Unten am Grunde if die Maſſe dicht, ohne Pam: 
dort muß man auch die eingemengten Kıyftalle auffuchen, wenn ma 
fie am fchönften und deutlichiten auffinden will. Leucite erfcheinen hier 
nirgends. Der Befuv hat fo jehr daran gewöhnt, fie faR überall u 
den Laven diefer Gegend zu glauben. Aber von Feldſpathen if Ak 
erfüllt, und die find doch wieder am Veſuv fo felten. Dieſe Mena 
Kryſtalle find weiß und glafig und dabei noch von Deutlich» blätterigen 
Bruch. Seltener erfcheint fchwärzlich «grüner mufcheliger Augit (Py- 
roxene), und noch feltener oelgrüner, ſchon durchfichtiger und oft kr 
gut Froftallifirter Dlivin Auch wohl bin und wieder ein beutiche, 
ſchwarzes Glimmerblättchen. * 

Nahe der Arfo liegt ein Gaſthaus, das in diefer Dede, war 
von fchattigen Bäumen, noch Weingelünden gegen die Sonnenfrahla 
gefchügt, einen fehr melancholifchen Anblid gewährt. Der Ort Im 
ſelbſt ift ein offenes freundliches Städtchen, an deſſen Eingang m 
Rechten der flattliche Wohnfig des Bifchofes zuerft in vie Augen füh. 
der Ort felbft zieht fich in einer langen, von einem hübfchen Bar 
plab unterbrochenen Gafle lange dem Meere und if reinlich, aber olm 
jede Merkwürdigkeit. Ein fchmaler Damm führt nach der Burg, de 
aber, feit Herr Gladftone feine Briefe über die Zufände von Rene 
veröffentlicht hat, dem Fremden verfchlofien ift. 

Zur Bervollftändigung der Kenntniß diefes Eilandes blicb m 
nur noch die weflliche Küfte deffelben übrig, wo das Staͤdichen Fri: 
und der Flecken Lacco liegen und der Monte Biro als äußere Re 
weftipige der Infel fegelartig und gleichfam ifolirt fi aus dem Ma 
erhebt. Diefer Theil ift beſonders mannigfaltig durch Die Formen M 
Tuff» und Lavamafien, in denen fi das vulfanifche Element auf 
prägt. Einige der hiefigen Meeresbuchten find von einer Licblichke 
und Anmuth, wie man fie nur felten an den Küfen Stalins ſuda 

Ich ritt an einem fchönen Herbfitage von Caſamicciola er tar 
ein zerrifiened und von Regen ſtark unterwühltes Gebirgeländde, 
und dann über den höchften Abfall des Epomeo in die weite am Men 
gelegene, von forgfam gepflegten Weingärten umgebene Ebene von dr 
ria. Der Weg dahin zwifchen den Weingärten, an dem fich Lanbhir 
fer aneinanderreihen, ließ mich nur langfam fortwandern, ich hielt wet 
fach an den Pforten der freundlichen Villen, um den Reichthum M 


Die Infel Iſchia. 413 


Früchte und namentlich der Trauben zu bewundern, die in ungewöhn⸗ 
licher Fuͤlle die Wohnungen befchatteten. In den Vorhallen erfreuete 
ich mich an den lieblichen Geftalten der Frauen und Mädchen, welche 
mich einluden näher zu treten und nach alter fpanifcher . Sitte das 
gaftliche: Comandi Signore vuol restar servita aufs freundlichfte 
zuriefen. 

Foria ift die größte der Ortfchaften diefer Infel und hat gegen 
6000 Einwohner. Die Straßen find zwar eng, aber die Häufer in 
einem einfach edlen Bauftyl und reinlihd. Von hier aus wird ber- 
meifte Handel getrieben und Boria’8-Seeleute als die gefchidteften und 
fühnften gerühmt, gingen auf ihren Heinen Booten bis nach Genua 
und felbft nach der afrikanifchen Küfte. Vor Zeiten fiand auf dem 
Felsvorſprunge, welcher fich weit in’d Meer erfiredt, vem Campo dell 
Smmperabore, eine Burg; heut nehmen eine Kirche und ein Klofter die 
Stelle ein, und von den Friegerifchen Waͤllen find nur die crenelirten 
Deauern geblieben. 

Hier befinden ſich die Bäder und die Stufa der heißen Quelle von 
Gitara. Diefelbe fommt mit 35° bis AIR. zu Tage (je nachdem 
die äußere Temperatur iſt), ift nachläffig eingefaßt und in einem ver: 
fallenen maffiven Badehäuschen mit A ausgemauerten mulbenartigen 
Borfehrungen zum Baden verfehen. 

Kirche und Klofter waren weiß angeftrichen, wodurch ein fo bien- 
dendes Licht darüber lag, daß felbft der Schuß der Schirme dem Auge 
feine Ruhe gewährte, und ich eilen mußte, hinwegzufommen. Ich wans 
derte am Geflade des Meered über mächtige Lavaftröme, welche weit 
in’s Meer fih erfireden. Da, wo Sand das vulkanifche Geftein bes 
dedte, wucherten koloſſale Alvepflanzen, deren hohe Blüthenftengel gleich 
@andelabern von den Lüften bin und her gewiegt wurden. Der Blick 
nach dem Epomeo ift hier ein ganz verfchledener, die Spige If kaum 
ſichtbar; dagegen zeigt fi am Abhange und vor dem Epomeo gelegen 
ein gewaltiger Krater, der feine gefchwärzte Höhlung dem Meere zu: 
wendet. 

Nachdem ich einige Zeit am fonnigen Geftade auf dem Lavage- 
ftein umhergewandert war, -beftteg ich wieder meinen Efel und ritt 
durch die Stadt den Weg nach Lacco. Anfänglich geht es Dicht am 
Meeresufer entlang, dann, allmälig- anfteigend, zwifchen den wilbeften 


414 8. von Orlich: 


vulkaniſchen Zelfen durch ein enges Thal nach dem Monte Bir. An 
demjelben find an einigen Stellen gegen den Lavafelfen Terraflen a 
gebracht und mit Oliven bepflanzt, die frifch und Fräftig, mit Früchtr 
beladen, emporgewachien waren. Sobald man die Höhe erreicht hat 
findet man links am Wege die Stufa von ©. Lorenzo, eine heiße Ri 
neralquelle von 32° bis 360 R., deren Dampfbäder, fo mangelhan 
biefelben auch eingerichtet find, auf der Iufel am meiften benupt wer 
den. Es find vier ſchmutzig ausfehende Gemächer. Als ich aus der 
.felben heraustrat, befam ich plößlich, wie im Zauber gefchaffen, Lac 
und die bis nach Gafamicciola ſich Hinziehenden Weingarten und Yan 
häufer zu fehen. Es ift dies einer der fchönften Punkte auf ber Juſc. 
denn, indem man aus einer ganz wilden Ratur heraustritt, wo milie 
dem Schritte neue Zeichen der furchtbarften vulfanifchen Zerkinm: 
fich zeigen, liegt vor dem Beichauer unerwartet die lieblichſte und frei: 
barfte Landſchaft. Der Weg windet fih in ſcharfen Biegungen m! 
Thal gegen eine Meeresbucht, welche von dem iſolirt und gleich einm 
abgeftumpften Kegel gehobenen Monte Vico und einem anderen fr: 
und fühn vorfpringenden Lavafelſen eingefchloften iſt. 

Diefe wunderliebliche Bucht, kaum 300 Schritte breit und ükt 
500 Schritte lang, If die Bai von Reſtituta. Die Heilige Reit 
eine Afrikanerin, dem chriftlichen Glauben getreu, follte auf offener & 
dem Feuertode geopfert werden; aber die Flammen verzehrt tat 
Schiff, auf dem die Henteröfnechte fich befanden, und das Heine Dee, 
in welchem fich die Heilige befand, wurde von günfligen Binden 1% 
verfehrt im diefe Bai getrieben. Da, wo die Fromme zuerft den ® 
den betrat, um Gott für die wunderbare Rettung zu danken, entfis 
ten roſenrothe Lilien; es find in ver That die einzigen, welche m 
auf diefem Eiland und in Fülle gebeihen. Dies, wie ein fortwäht 
harmoniſches Tönen der an den Felfen ſich brechenden Bogen, haha 
biefe Heilige Stätte zu einem Wallfahrisorte für fromme Seelen gemaft 

Am Buße des Monte Vico, umwelt des Landungsplages, befinte 
fich Die heißen Bäder der Santa Reftituta. Es find aufregende Tier 
malquellen, von denen die Acqua della Regina Iſabella 33'R. a! 
hält und Die anderen 6 Quellen zwifchen 26° ımb 3ER. angeben 

Bon diefer anmuthigen Bucht führt ein ſchmaler Pfad zwiſchen 
Myrthenhecken auf das Plateau des Monte Bico. Noch vor me 


Die Infel Iſchia. 415 


Jahren waren Gipfel und Abhänge deſſelben mit ficus indica bewadh- 
fen, deren rothe und faftige Krüchte eine Lieblingsfpeife der Einmwoh- 
ner find. Heute fieht man nur noch die Felsſpalten damit bewachſen; 
denn Weinrebe und Olive find angepflanzt worden, und, wenn die Kuls 
tur fo fortfchreitet, wird der kahle Berg in wenig Jahren vom Grün 
der Reben befchattet fein. Ich fand hier den Beflger, einen ärmlich 
audfehenden Landmann, mit der Weinerte befchäftigt, und obgleich dies 
.felbe eine ſehr fürgliche war, fo bat. der gute Mann in der liebens⸗ 
würdigften Art, und an feinen füßen Trauben zu erfrifchen. Ich fragte 
ihn, ob er bei Urbarmachung des Bodens antife Reſte gefunden habe, 
worauf er uns einen In Korm eines Bootes gearbeiteten Lavaftein von 
8 Zoll Länge und A Zoll Breite brachte, der den Ureinwohnern als Ges 
wicht gedient zu haben fchien. 

Ich verfolgte von hier den malerifchen Pfad nach Lacco. Zur 
Rechten, nahe der Stufa S. Lorenzo, lag die fehöne Billa des Her 
3098 von Atri und vor uns die liebliche Bucht von Lacco mit dem 
gleich einem Ehampignon geformten Tuffelfen, Fungo genannt, in der 
Mitte. Am Eingange von Lacco fteht ein Garmeliterflofter, und in 
der Heinen Kirche deſſelben befindet fich ein 2 Fuß langes und 1 Fuß 
breites Afchengefäß aus weißem Marmor, welches in der Nähe ausge: 
graben wurde und jebt als Weihbeden benugt wird. An bemfelben 
ift folgende Infchrift zu lefen: DIS MANIBUS L. FAENI URSIONIS 
THUR ConiVGi BENE MERENTI TYCHE LIBERTA FECIT '). An 
den Eden fieht man Faunföpfe und in der Front einen umgeftürzten 
Korb mit Früchten und Blumen. Als wir aus der Kirche heraustras 
ten, warf die Sonne ihre legten Strahlen über Meer und Land, und 
die Berge erfchienen plöglich in jenem rofenrothen Dufte, welcher ges 
meinhin bei heiterem Himmel über die italienifche Landſchaft in den 
Abendſtunden ausgegofien ift. 

Unfer Stillfieben wurde in den lehten Tagen durch einen ſolchen 
Act der Willtür unterbrochen, daß ich ihn als ein charafteriftifches Zei⸗ 
chen der Zeit und der Hiefigen Regierung nicht unerwähnt laflen darf. 
In einer fternhellen Nacht brachen zur Zeit der Mitternachtöftunde 


— (nn 


:) Die Freigelafiene Tyche errichtete dies dem Andenken ihres zärtlichen Gat⸗ 
ten Lucins Faͤnus Urflo dem Thnrier. v. O. 


416 8. von Orlich: 


Polizeibeamte und bewaffnete Soldaten in die Haͤuſer ver foraies 
fchlummernden Einwohner, bemädhtigten ſich der arbeitöfähigen jungen 
Männer und führten fie mit Gewalt auf bereit fiehende Boote, um 
an der Eindämmung des Militairhafens von Neapel Hülfreiche Han 
zu leiften. Es war nämlich für diefe Arbeit ein fo geringes Tagelehn 
ausgefeßt, daß felbft der Aermfte in Neapel fich dazu nicht verbingen 
wollte, und da man fi fürchtete, dort die Müßiggänger zur Arbeit m 
zwingen, fo waren die arbeitfamen Jfchloten zum Opfer auserjehen. 
Den legten Abend meines Dortfeins, an einem Sonntage, befanden 
ſich die Einwohner von Gafamicciola in befonders feftlicher Stimm, 
indem dem heiligen SJofeph und der Madonna Addolorata zu Ehren at 
der untergehenden Sonne eine große Prozeffion ftattfinden follte. Tie 
felbe fette ih von einer Kirche aus, die am Wege nach Lacco eg, 
in Bewegung, und ging über den Marktplatz auf der malerifchen Strak 
nach der Marina. Ich wanderte auf diefem Wege bin und her, erhich 
mannigfache Einladungen in die Häufer zu fommen, um von ben ia. 
rafien den Zug in Augenfchein zu nehmen; endlich konnte ic) des 
freundlichen Zureden einer alten Matrone nicht widerftehen und bega 
mich auf deren Veranda. Bon derfelben fahen wir die ‘Progefien 
fommen, die von Mufif begleitet, mit ihren vielen Fackeln und Wach 
ferzen im Dunkel der Nacht, zwifchen dem Laube der Bäume und m 
ter dem fternhellen Himmelsgewölbe fich hoͤchſt phantaftifch ausnats 
Zu Zeiten wurde gehalten und dann dem vorangetragenen Heiligen 
Ehren Raketen gelöf. Viele Briefter folgten dem Zuge und eimx 
hundert Bewohner hatten ſich venfelben angefchloffen; jedoch ſchien Ir 
Mehrzahl mehr Freude am Zufchauen zu haben. Unſere gaftfreie R: 
trone fehien zu bemerfen, daß ich die Feier etwas gleichgiftig aufnahe 
und fagte, fi) gu mir wenbend: „Voi non avete Processioni nella 
vostra Religione“? und als ich dies verneinte, fuhr die Alte je: 
„ma avete la vera morale peroh& date ai poveri, fate del best: 
questo & meglio, che processione“. Geringe Gaben und man: 
fache Theilnahme, die von den anweſenden Fremden einigen Are 
zugefommen waren, mögen der guten Frau zu tiefem Urtheil Bert 
laſſung gegeben Haben. 8. von Drlid. 


Erpevitionen im wefllichen Nord» Amerika. 417 


Erpeditionen im weſtlichen Nord⸗Amerika. 


Von den verſchiedenen Expeditionen, welche im Laufe des vorigen Jahres 
auf Befehl der nordamerikaniſchen Regierung ausgeruͤſtet wurden, um manche 
Theile im fernen Welten der Vereinigten Staaten zu durchforfchen, laufen nach 
und nach Berichte ein. Sie beweifen, daß die Bemühungen zur Auffuchung von 
Geländeitreden, vie fich. zur Anlage einer Eifenbahn bis zum Stillen Welt 
meer eignen, auch für die geographifche Wiflenfchaft fehr erfprießlich waren. 
Sobald vie ausführlichen Berichte vorliegen, wird ſich eine reiche Ausbeute 
ergeben, und wir werben dann im Stande fein, und envlich eine richtige Vor⸗ 
ftelung von dem füplichen und öftlichen Ealifornien, dem fürlichen Utah und 
dem weftlichen Neu⸗Mexico zu machen, alfo von Gegenden, über welche wir 
bis Heute eine nur fehr dürftige Kunde hatten. Nicht minder werden wir 
eine genauere Darftelung des Landes zwifchen ben Quellen des Miffouri und 
dem Pugetfunde erhalten, durch welches Major Stevens, nach feiner Er- 
nennung zum Gouverneur des Gebiete Wafhington, gezogen iſt. Derfelbe 
hatte im Spätfrühling des vorigen Jahres feine Expedition angetreten, wähs 
rend gleichzeitig mit ihm Gapitain Me. Elellan vom Pugetfunde nach 
Oſten Hin aufgebrochen war, um die Uebergänge in der Kaskadenkette zu un 
terfuchen. Beide Partieen waren am 8. September v. J. in Fort Benton zuſam⸗ 
mengetroffen, wo Stevens fchon am I. September anlangte. Er hatte zwi- 
fehen den Quellgewaͤſſern des Miffouri und jenen des Columbia Gebirgs⸗ 
übergänge gefunden, vie ihm weit niedriger und gangbarer erfihienen, als ver 
berühmte Süppaß, namentlich der Paß an den Forks des Marias, welcher 
vor zwei anderen Uebergängen an den Forks des Miffouri entfchievene Bor» 
züge Habe. Inzwifchen unterfuchten die Lieutenants Donelfon und Bro- 
ver den Miffouri von Fort Union bis zu den Kataraften. Lieutenant Sar» 
ton, welcher von Me. Clellan's Partei dem Gouverneur entgegengefandt 
war, fchildert die von ihm burchmanderte Gegend als eine für Nieverlaffun- 
gen fehr geeignete; das Klima fei mild, und Viehheerden konnten im Freien 
durchwintern. Stevens fehte um die Witte Septembers feine Reiſe nach We⸗ 
fien fort, und gelangte am 16. November glüdlich im Fort Vancouver un- 
weit der Golumblamündung an. Olympia, die Hauptſtadt des neuen Gebie⸗ 
te8 Wafhington, erreichte er in den erften Tagen des December. Bon dort 
fchreibt er, daß er die ganze von ihm zurückgelegte Route prafticabel gefun⸗ 
den babe; überall fei das Land bewaldet und bewäflert und zum Aderbau 
geeignet. Im jeder der überfliegenen Gebirgsketten feien zwei Paͤſſe entdeckt, 
welche der Anlage einer Eifenbahn Feine Schwierigkeit in ven Weg Tegen; 
auf der ganzen breiten Strecke bedürfe man hoͤchſtens Tunnel’8 von zufam« 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 27 





419 Erpevitionen im weftlichen Noro » Amerika. 


men zwei englifchen Meilen, und mit ven Indianern babe er nicht ven ge⸗ 
ringften Streit gehabt. 

Von San Francisco aus waren im Herbſt zwei Erpeditionen a 
gen, theild um vie Küftenkette näher zu erforfchen, theild um nach Bär 
über die Sierra Nevada in der Nähe der Quellen des Stanislaus und it 
Zuolumne zu fuchen. Die letztere Expedition unter dem Ingenieur «este 
nant Moore, ven Affiftenten Goddart und Major Ebbets fand zwa new 
Uebergänge etwas nordweſtlich vom Quellgebiete des Stanielaus, ziamlıt 
unter gleicher Breite mit San Francisco. Einer derſelben fol zweitauia: 
Fuß niedriger fein, ald alle anderen bi jegt befannten Gebirgsübersäng. 
das oͤſtlich von ihm liegende, bisher noch nicht befuchte Land trug einen gan 
anderen Charakter, ald man erwartet hatte. Die Gebirgszüge liefen nanlıt 
nicht, wie Bremont auf feiner Karte angiebt, von Süden nach Norden, ſer 
dern von Süpmelten nach Norvoften. Die Expedition durchzog vie Gegat 
fo weit dfllich, daß fie ſich nur noch etwa drei Tagereifen von den Brad 
de Santa Clara am Rio Virgen befand. Das Land fand fie, zu ihrer nidı 
geringen Ueberrafchung, fruchtbar, gut bewäflert, reich bewaldet, und an Bit 
war Fein Mangel. Nähere Berichte müffen zeigen, ob und wie weit bir 
Angaben zuverläffig find; wir entlehnen fie dem San Francisco Herald ww 
15. December. In einem Eorrefponvengberichte der newyorker Tribune (mu 
17. Januar d. I.) flehen einige weitere Mittheilungen. Die Gxpebitim k 
über einen bequemen Paß gegen Süboften etwa dreihundert Meilen weit ww 
gebrungen, meift durch fruchtbare Thäler, und nach einigen blutigen Handel⸗ 
mit den Indianern bis in die Nähe der Vegas de Santa Clara gefomma. 
Das Thal dieſer Vegas Taufe von dem gleichnamigen Duell in norbweRiiht 
Richtung zwifchen zwei Hügelreihen, „welche ven Fluß des großen Bedısl 
bilden (?) *. Der neu entdeckte Uebergang im Gebirge iſt Ebbetö- Bu 
genannt worden; von ihm bis zu den Vegas fei eine Eifenbahn ven Su 
Francisco ber möglich. An jenem Punkte ſchneide fie dann die von Oft 
Benton vorgefchlagene Route, welche vom Coochatope⸗Paß bis zum Be 
ker's Paß Iaufen fol. (Diefen Coochatope⸗Paß fand der Bebirgsjäger Ir 
ton Lerour; er liegt am oberen Mio grande, zwiſchen der Kette des Eu 
Juangebirges, das von Süden ber ausläuft, und ven Blancabergen, med 
von Often ber entgegenftreichen, dann aber plöglich nach Norben hin um de 
Quellgegend des Arkanfas abbiegen, gegen die befannten rei Yorke ba 
In dieſer Depreffion laufe ver Pfad faft eben aus dem Stromthal des Ir 
grande nach den oberen Zuflüffen des Colorado Hin, und. er werde von ma 
Spaniern fehr bezeichnend ald eine Pforte, als ein Thor, bezeichnet.) Mr 
Tribune meint, e8 fei nun ein anbaufähiges Land auf der ganzen Strede vs 
ber Sierra Nevada bis zu den Belfengebirgen entdeckt werben, während. x 
Gegend von den Vegas bis zum Walkers⸗Paß eine Wüflenei bilde. Uehrr 
gens werbe Hoffentlich bald auch der Nicolletfluß näher erforfcht werben. 

Im füblichen Ealifornien war im Laufe des Sommers und Herbfled ix 


Erpeditionen im wefllichen Noro» Amerika. 418 


Expevition thätig, Die aus vierzig Köpfen befand. Sie fam, geführt von 
Lieutenant Stoneman, am 3. MRovember wieder zur San Diego an, daß ſie 
vor fünf Monaten verlaflen hatte, um das Thal des Tulare und die Gegend 
am Mohavefluffe zu unterfuchen. Lieutenant Williamfon, weldyer das 
Land vom Mohave bis zum Rio Gila erforfchte, will demnächſt einen aus⸗ 
führlichen Bericht erflatten. Lieutenant Parke war im November am St. 
Zuisfluffe, der mit dem Agua Caliente- Pag in Verbindung fteht. Da in je- 
nen Gegenden überall Barometermeilungen vorgenommen und Karten entwor⸗ 
fen worden find, fo haben wir Ausficht, vemnächft eine fo gut, wie völlig 
unbefannte, in mannigfacher Beziehung interefiante Gegend näher kennen zu 
lernen, nämlich die ganze Strecke von Tulare bis zum Rio Colorado, mit 
dem Tejon⸗Paß, der Canada de los Uvas in der Sierra nevada, den Ca⸗ 
jon de la Gorgona, und die Balientepäfle in ver Küftenkette.e Auch in ver 
von Lieutenant Stoneman erforfchten Gegend follen der Anlage eined Schie⸗ 
nenweges Feine Hinderniſſe entgegenftehen, wie fi) aus den aufgenommenen 
Profilen ver verfchievenen Päffe ergebe. Der Mohavefluß, von welchem ber 
größte Theil des Laufes noch völlig unbefannt war, ift im November und 
December von feiner Duelle in ver Küftenkette, unweit des Cajon ( Koffers) 
bis dahin erforfcht worden, wo er ſich im Sande der Wüfte verliert (San 
Diego Herald vom 10. December). 

Sehr wichtige Nachrichten über das Land am Mio Gila dürfen wir im 
Laufe dieſes Jahres von John Mufiel Bartlett erwarten, der bekanntlich 
als Negierungscommiffair die Ingenieure begleitet, welche die Grenze zwi⸗ 
ſchen den Vereinigten Staaten und Merico vermefien baben. Ganz Türzlich 
bat er, aufgefordert von 2. S. Chatfield, den Vorſttzenden ver Atlantic and 
Paeciſic Railroad einige Nefultate feiner Beobachtungen mitgetheilt (American 
Hailroad Journal, News Mork 21. Januar). Während jener Vermeſſungen 
beſuchte Bartlett verfchienene Male die Gegend, welche im Weſten des Rio 
grande zwifchen 31° und 32° 40’ n. Br. liegt, alfo eine Megion, über 
welche genauere Nachrichten noch fehlen; wenigſtens waren fie vor ihm noch 
von feinem wifenfchaftlichen Reiſenden befucht worden. So kam e8, daß bis 
in bie neuefte Zeit die lange Kette der Felfengebirge ald eine ununterbrochene 
Barriere dargeſtellt wurde, die nur von einigen wenigen Bäflen durchbrochen 
fei. Das ift, jagt Bartlett allernings im Allgemeinen richtig, aber keines⸗ 
wegs in Bezug auf die Region zwifchen 81° 20’ und 32° 82’ n.Br., denn 
Dort ift eine folche Barriere überhaupt nicht vorhanden. Sowohl im Nors 
den, wie im Süden viefer Strecke, fleigen vie Berge zu boch aufgegipfelten 
Piks empor, welche durch enge, vielfach verfchlungene Thäler von einander 
getrennt find, aber doch eine fat ununterbrochene Kette bilden. Etwa unter 
32.° 32’ fallen die Rocky Mountains plöglich ab, etwa acht englifche Meilen 
fünlich von ven Kupfergruben in NReusMerico, wo nun ort Webfter ſteht. 
Einige Ausläufer abgerechnet, fcheinen fie vBllig zu verſchwinden, und wir ge⸗ 

27 * 








420 Erpevitionen im weftlichen Nord » Amerika. 


langen fo auf das große Tafelland, welches faft ohne Unterbrechung ih auf 
mehr als eintaufend Meilen nad Süden hin erſtreckt. Die Höhe dieſes Pla 
teaus beträgt vier» bis fümftaufend Buß über ver Meeresflädhe, und auf ver 
angegebenen Strecke wird e8 von feiner fortlaufenden over zufammenhängen- 
den Gebirgskette durchzogen. Nur in Zwifchenräumen, manchmal von funf- 
zig bis zu hundert Meilen, find kurze und vereinzelte Gebirgezüge und Hü⸗ 
gelreihen vorhanden. Im Staate Chihuahua wird dieſes Tafelland im We⸗ 
ften von der Sierra Madre begrenzt, im Often aber ſetzt es ſich bis über 
den Rio Grande und durch dad nördliche Texas fort. 

Jene große Bebirgskette, welche in der Gegend der Copper Mines (Wort 
Webſter) fo plöglich aufhört, erfcheint wieder unter etwa 31° 20’ n. Br, 
wenige Meilen nörblich vom Guadalupe⸗-Paß, vurc welchen Oberſt Goof3 
Straße zieht; dort Heißt fie Sierra Madre und bildet eine faſt ununterbre- 
chene Kette durch ganz Mexico. Etwa funfzig Meilen nah Säven bin if 
noch ein Paß für Maulthiere, dann aber kommt auf eine Strede von fünf- 
hundert Meilen kein folcher mehr vor. Der Guadalupe⸗Paß, über welchen 
Bartlett drei Wal zu Buße wanderte, und wo er von den hoͤchſten Punkten 
der Umgebung weite Umfchau bielt, ift Tebiglich ein Ausläufer (pur) ter 
Sierra Mare, welche etwa zehn Meilen weiter nörblich zu Ende geht. Bea 
diefem Ausläufer ift das Land offen bis zu den Gebirgszügen, welche ven 
Gila entlang laufen, und eben fo bis zu der Kinie, wo die Rocky Mountains 
bei den Eopper Mines abfallen. Der Gila ift währenn ver Hälfte feimes 
langen Laufes eng vurch hohe Gebirge eingehemmt, oder genauer ausgesrüdt 
bis zu einem Punkte, der etwa funfzig Meilen unterhalb der Mündung res 
San Pedro liegt. Einige dieſer Gebirgözüge reichen auf zehn oder mehr 
Meilen in vie Ebene hinein, fo daß es abfolut unmöglich ift, jenem Fluj 
entlang eine Eifenbahn anzulegen. Der Lanpgürtel, welcher zwifchen rem 
ndrblichen Ausläufer der Sierra Madre und ven füblichen Ausläufern ver 
Rody Mountains Liegt, ift reichlich achtzig bis einhundert Meilen breit, wm 
zieht fich durch den Gontinent vom Rio Grande bis zur Küftenlette am Stil⸗ 
Ion Weltmeer. Er hat aber Teine zufammenhängenven Gebirgäfetten, welche etwa 
dem Bau einer Straße Hinderniffe entgegenfeßen koͤnnten; benn biefe Erw 
wird in Zwifchenräumen von funfzehn bis dreißig Meilen von Burgen, ver 
einzelt flreichennen Ketten durchzogen, welche taufend bis zweitaufenn Fuß über 
die Ebene emporfteigen und von Nordweſt nach Südoſt laufen. Aus ir 
Berne gefehen kann man fie allernings für eine ununterbrochene Kette Halten, 
ſobald man aber näher kommt, gewahrt man gleich, daß man nur kurze 
fünf bis zehn Meilen lange Ketten vor fich hat, mit breiten Deflleen ober of 
fenen Räumen, welche zwiſchen ven einzelnen Köhenzügen fich hindehnen un 
einen leichten Durchgang ermöglichen. Bartlett Iegte auf feiner Wanderung 
im Welten des Rio grande mit ſchwerbeladenen Wagen und ſtark bepackten 
‚ Raulthieren in jenem Diftricte (80° 22° n. Br.) täglich mehr, als reifig 
Meilen zurüd, ohne auch nur ein einzige8 Mal vie Räder zu fperren, und 


Erpebitionen im weſtlichen Nord » Amerifa. 421 


dad auf einem Gelände wo nicht etwa eine Straße war. Er kam ohne alle 
Schwierigkeit durch jede Gebirgsfette, und manchmal war dad An⸗ und Ab⸗ 
fteigen faum bemerkbar. „Ich habe, * fchreibt er weiter, „auch den Diftriet 
unter 32° n. Br. gefehen, welcher fich etwa dreihundert Meilen weſtlich vom 
Rio grande binzieht; bin auch zum Theil dort gewandert. Das erfte erheb- 
liche Hinderniß, von welchem ich übrigens nicht mit Beftimmtheit reden kann, 
wäre eine Gebirgskette jenfeit des San Pedrofluſſes, welcher das Santa Cruz⸗ 
thal im Often einfchließt. Sie geht unter 31° 15’ n. Br. zu Ende, und 
dort kam ich an ihr vorüber. Zwifchen 32° und 32° 22’ Tann man mit 
Wagen hindurch; ob leicht oder mühfam, Tann ich nicht fagen. Kann man 
fle aber irgendwo zwoifchen dem 32. Grave und dem Gila paffiren, dann ift 
die Tegte Schwierigkeit überwunden und man hat das Plateau erreicht. Es 
wäre wünfchenömwertb, eine fahrbare Straße zur Tusconwuͤſte zu finden; man 
hätte dann eine 120 Meilen weite Ebene bis zum Gila.“ 

„Die ganze Strede vom Mio grande bis zum Colorado, etwa fünfhun- 
dert Meilen, befleht in breiten, offenen, fandigen und kiesbedeckten Ebenen 
von 15 bis 20 Meilen Breite, deren Boden kaum irgendwo gewellt ifl. Die 
Gebirgsubergaͤnge bieten, wie bemerkt, feine Schwierigkeiten dar. Kat man 
erſt den Gila erreiht, fo Tann man dem Flußufer, oder noch viel befe 
fer dem Tafellande folgen. Der Colorado kann ohne Schwierigkeiten über- 
brückt werden. Bei Fort Yuma, mo der Gila einmündete, hat er eine Breite 
von etwa 600 Fuß; aber weiter oberhalb und unterhalb von 800 bis 1200 
Fuß. In trodenen Jahren bat er bei Kort Duma nur noch 4 bis 5 Fuß 
Waffer. 

Iſt der Colorado überſchritten, ſo liegt auf einer Querſtrecke von etwa 
Hundert Meilen vie große californiſche Wüfte vor uns, die gegen Norden hin 
an Breite zunimmt. Sie ift ohne Holz, Waſſer und Brad und Hat eineh 
Harten, manchmal Yeicht wellenförmigen Boden. Zwifchen dem Colorado und 
dieſem wüften Tafellanve finden wir einen Gürtel von Flugſand, deſſen füh- 
liches Ende jeht etwa 12 Meilen unterhalb Fort Duma liegt. Seine Breite 
mag etwa 3 bis 5 Meilen betragen, ich Tann aber darüber nichts Genaues 
fagen, und weiß eben fo wenig, wie weit ex den Colorado aufwärts reicht. 
Uebrigens ift im Weften des Mio grande in ver mir bekannten Gegend wei⸗ 
ter Eein Flugſand vorhanden. Iſt jene Wuüſte durchſchritten, fo erreichen wir 
die Sierra Nevada, wo ein Paß gefucht werben muß; ich zweiſte nicht, daß 
deren mehrere gefunden werden (Siehe oben). Am vortheilhafteften wäre 
ein Gebirgsübergang, der zum San Ioaquin leitete, das beißt zu einem ver 
fruchtbarften Thaler in der Welt, durch welches man bequem nach San Fran⸗ 
cisco gelangen wärbe.” 

„Ale vie Hier erwähnten großen Ebenen, Tafellänver und Wüften ſind 
ohne Holz und faft ohne Wafler und Brad. Quellen findet man nur in 
weiten Abflänven, obwohl auch in den därrften Eindven an manchen Stellen 





422 Exrpevitionen im weſtlichen NRorv» Amerika. 


nicht tief unter der Oberfläche Wafler liegt. In ver Gegend ver Copper Ri 
ned, unter 32° 35’ n. Br. find dagegen Tannen Häufig, auch findet man Gr 
dern und kleine Eichen. Auch andere Bebirgszüge auf dieſer Honte fin ie 
waldet, und in einigen Thälern waͤchſt das Mezquite fogar üppig.“ 

Bartlett hat während feiner Wanderung viele Skizzen und Zeidmunge 
zur Charakteriftif des Landes zwifchen dem Rio grande und dem Stillen Bet 
meer entworfen; ebenfo von einem Theile des noͤrdlichen Texas nuter 32° 
n. Br. Auf dem Colorado, meint er, können kleine Dampfer bis 100 R«- 
Ien oberhalb Fort Yuma fahren, auf dem Gila aber nicht; dieſer läßt fd 
nur bei hohem Waflerftande von Flachbooten etwa 180 Meilen weit id zu 
Einmündung des Salinad befahren. Aus alle dem Bemerkten geht hervor, dei 
man fich fchwerlich dazu verflehen wird, eine Eifenbahn durch jene Wille 
neien zu baum. Wie prafticabel indeſſen viefe füpliche Houte ift, hat Mt 
neuerdings wieder gezeigt. Am 7. December 1853 kam ein durch feine Abe 
teuer im Gebirge und in der Wüſte wohlbelanster Mann, Gapitain Auber, 
in Fort Yuma, alfo am Zufammenfluffe des Gila und des Golorate, wi 
ciner Heerbe von nicht weniger als funfjehntaufend Schaafen an, die er m 
Santa Foͤ und Albuquerque in Neu-Merico bergebracht hatte, um fie me 
ter durch Californien nach San Francisco zu treiben. Der von ihm emo 
fchlagene Weg bildet faft eine gerade Linie zwifchen Albuquerque und bes 
Tejon⸗Paſſe. Das Land in ver Umgegend viefes Iehteren ift für ein eferw 
gebiet der Indianerſtaͤmme erklärt worden; am 17. December Batte ver Ya 
feher Beale dort einige taufend Indianer verfammelt, die er im Pflügen m 
terrichten ließ. Er ſaͤete Weizen, Maid und Gerfte, ließ dreitaufenn Rryt 
mit Rüben, Waflermelonen und Kürbiffen bepflangen, und es ſchien, als # 
es gelingen werbe, die Indianer für den Aderbau zu gewinnen. Die jungs 
Leute werben als leidenfchaftliche Liebhaber des Pfluges gefchilnert. 

So bereitet fich in der weiten Gegend zwifchen ven Felſengebirgen u 
dem weftlichen Ocean ein neued Leben vor, und ver Wiflenfchaft ift ſchea = 
Laufe dieſes Jahres ein reicher Ertrag gefichert. In welcher Weiſe die Be 
gierung zu Wafhington derſelben Vorſchub Ieiftete, geht aus dem Bericht fr 
vor, den der Kriegöminifter dem Congreſſe abgeflattet. Nachdem er bie hebe 
Bedeutung einer Eiſenbahn hervorgehoben, welche das ganze Feſtland in ſo⸗ 
ner Breite durchzoͤge, berührt er die Erpebitionen, welche im verfloffenen Jahr 
tie verſchiedenen Routen erforfchten und theilweife noch jet damit befchäfit 
find. Gouverneur Steven d, von welchem weiter oben bie Rebe war, MW 
bekanntlich vom oberen Miſſiſtppi nach Oregon, während Me. Elellan de 
Kaskadenkette durchzog. Gapitain Bunnifon, ver früher mit Stauben 
am Großen Salzfee geweſen, war beauftragt, die Route zu unterfuchen, wei 
etwa unter 38° n. Br. läuft, und bie möglicherweife vermittelft des Huerfaro 
Fluſſes oder des Conchotoda einen Uebergang barbieten konnte im ben gebiu⸗ 
gigen Regionen am Grand⸗ und Green River, weſtlich nach den Veged de 





Erpeditionen im weſtlichen Nord > Amerika. - 428 


Santa Clara und zum Nicollet Fluffe. Diefer vortreffliche Officer, ver ein. 


Merk über die Mormonen gefchrieben, ift von den Indianern erfchlagen wor⸗ 
den. Er batte den Auftrag, in den großen Binnenbeden einzufchren durch 
den Timpanogos Canon, nach dem Weberfluffe und dem Bearriver zu geben 
und das Kohlenbaffin zu unterfuchen. Die Monte, welche etwa unter dem 
35. Grade n. Br, läuft, unterfuchte Lieutenant Whipple; er ging ven Ca⸗ 
nabian Binauf nach Albuquergue, von dort weſtlich nad) der Sierra Madre 
und in die Gebirge weftlich von Zuoni, nach dem Lande der Mogquid zum 
Colorado, und von dort nad dem Walkers⸗Paß, von welchen jet, ſeitdem 
Williamfon dort genaue Meffungen veranftaltet bat, entfchienen feſtſteht, 
daß er zum Uebergangspunkte für eine Eifenbahn fich durchaus nicht eignet. 
Ueber die fübliche Linie, welche den von der Brenzcommifflon durchwanderten 
Landſtrich durchziehen würde, iſt oben Bartlett’S Anficht mitgetheilt wor⸗ 
den. Im eigentlichen Californien Hat Wilkinfon vie Bäfle unterfucht, welche 
vom Thale des San Ioaquin und den Tulare» Seen öftlich Liegen; im Laufe 
des bevorſtehenden Frühjahr foll nun die ganze Sierra Nevada durch meh⸗ 
tere Expeditionen genau unterfucht werben. 

Die Verhaltungsbefehle, welche ben verfchiebenen Reiſenden — 
wurden, nahmen auf das wiſſenſchaftliche Beduͤrfniß ſorgfaͤltige Rüdficht; alle 
find angewieſen, beſondere Rädficht auf die geologiſchen und meteorologifchen 
Verhaͤltniſſe zu nehmen, vie Länge und Breite aller irgend wichtigen Punkte 
zu beflimmen, auf Barometermeffungen und magnetifche Beobachtungen vie 
größte Sorgfalt zu verwenden, Karten zn entwerfen, kurz nicht das Mindeſte 
zu verabfäumen, was über jene bisher fo wenig bekannten Gegenden Licht 
verbreiten Tann. Uudree. 


Dr. Bleek's Reife nach dem centralen Nord- Afrika. 


Das Feld des afrikanifchen Borfchungsgebietes nimmt feit einer kurzen 
Reihe von Jahren in einer überrafchenn großen Ausbehnung zu, va, fobald 
nur Gelegenheit und die Mittel geboten worven, fich ſtets neue wiſſenſchaft⸗ 


liche Kämpfer finnen, vie, ungefcheut durch das faft gewifle Loos ihrer Vor⸗ 


gänger vol freubigen Opfermuthes ihr Leben ver großen feit Jahrtauſenden 
ungelöften Aufgabe ver Erforfchung des Innern von Afrika einſetzen. Diefe 
Erfahrung fand auch im vorigen Jahre flatt, als wenige Monate nur nad) 
Overweg's Tode der jugendliche Dr. Vogel aus Leipzig fich furchtlos nach denſel⸗ 
ben Gegenden begab, 100 jener fein frühes Ende gefunden Hatte, mit dem fe 
fen Willen, die durch dies unglüdliche Ereignig abgebrochene Unterfuchung 
des Tſadſees zu Ende zu führen und ſodann vie bisher noch nie Durch einen 


x 


424 Dr. Blee®d Reife nach dem centralen Nerv = Afrika. 


Europäer verfuchte Uinterfuchung des Laudes zwikchen dem Tfab uns Dar dur 
zu unternehmen. Jetzt ift ein meuer Forſcher bereit, das ſchwwere Bel mi 
gleichem Muth zu unternehmen, indem ver Dr. Bleek aus Beun, Sch 
des dortigen Profeſſors an ver Univerfität und Conſiſtorialraths, ned m 
Zaufe dieſes Monats fi) nach Afrika begeben will. Der neue Reiſende, da 
in Berlin perfönlich wohl befannt if, da er den Winter von 1852 — 155 
hier zubradhte, ift ein überaus achtungswerther, emfiger jugemplicher Forjche 
im Gebiet der afrifanifchen Sprachfunde, wovon bereitö mehrere feine I 
terarifchen Arbeiten, zuvörverft jeine Difjertation: De Nominam genenbe 
linguarum Africae australis, Copticae, Semiticae aliarumque sexualss 
scripsit Guilelmus Bleek. Bonnae 1851, und ſodann ein Aufjag in da 
Monatöberichten ver Berliner geogr. Geſellſchaft. 1853. XIV, 18—40 Jam 
geben und ver unzweifelhaft, fobald ihm nur Leben und Kräfte vergöust ha 
ben, feine Aufgabe würbig löfen wird. Ex beſindet fich im Augenblik 
London, um die letzten Anftalten zu feiner Abreife zu treffen, vie weint 
dadurch geförbert wird, daß ihm auf Verwendung des alle wiltenjchaftiche 
Unternehmungen bereitwilligft fördernden bisherigen diesjeitigen Geſandten m 
großbritannischen Hofe, Herrn Bunfen, durch den Staatöferretait für vw ar 
wärtigen Angelegenheiten, Lord Elarenvon, freie Ueberfahrt auf dem Dampfben 
bewilligt wurde, welches demnaͤchſt zur Unterfuchung des Nigerlaufs beim 
if. Herrn Bleel's Abſicht ift es, mit dieſer Experition einen Eingang in ii 
Innere zu verfuchen und fich ſodann entwerer mit Barth zu vereinigen, eK. 
wenn died nicht mehr gelingen follte, da Barth's gejchwächte Geſundheit ax 
frühere Rückkehr veflelben in Ausficht flellt, feinen IBeg in's Innere des Ger 
tinentd nach Bornu und dem Tſad fortzufegen, um bier mit Vogel pe 
menzutrefien, was gelingen vürfte, da veffen große Unternehmung, dx 
Unterfuchung des Sees, ihn vorausſichtlich Tängere Zeit dort feihehn 
wird. So will unfer Reifende einen Weg einjchlagen, ven Gapitain Cu— 
perton bereitd in ven Jahren 1823 und 1824 in zwei verfchienenen Aria 
erforfchte, ven aber ſeitdem fein Europäer mehr vollftändig zurücdlegen ons. 
und wenn ihm dies gelingt, fo gewinnen wir eine neue treffliche Einf " 
uns fehr. unbefannte Gegenden des Gontinentd und deren ethnographiſche Br 
bältnifje, welche dadurch von noch größerem Werth fein wird, daß vor Bed 
fein europäifcher Reijender, mit Ausnahme des deutſchen Miſſionars SM. 
ter im Jahre 1840 die unglüdliche englifche Niger» Erpepition beat. 
bie fprachlichen Verhältniffe der Völker am unteren Niger zum Gegenſtude 
von Unterfuchungen gemacht hatte. Mit dem neuen Reiſenden tritt wur 08 
neued Glied. in die lange Meihe veuticher Korfcher im ceniralen Afrika as 
die mit Hornemann beginnend bis auf Barth und Vogel herab unemärld 
an der Auffchließung des Innern desjenigen Continents gearbeitet hat, Die 
Erforfhung Strabo vor faft 2000 Jahren als ein ſowohl für Kriegäher 


Dr. Bogel’s Ankunft am Tſadſee. 425 


als für ausländische Reiſende überaus ſchwieriges Unternehmen erfannt hatte, 
und welches deshalb Bis zu feiner Zeit nicht gelungen war (Ed. II Cas. 
131) und befanntlich auch bis Heute noch nicht gelungen ift. 

Gumprecht. 


Dr. Bogeld Ankunft am Tſadſee. 


Unfere Zeitfchrift Tieferte fchon in dieſem Heft die erſten Nachrichten von 
Vogel's Meife durch die Sahara, die derjelbe von Murzuf bis Afchenumma over 
Schenumma im Tibbulande, ungeachtet aller damit nothwendig verfnüpften 
Beichwerven, glüdlich und mit unerfchüttertem Muthe zurückgelegt hatte. Bes 
fyäftige mit dem Abfchluffe des Heftes geht und eben noch durch eine brief- 
liche Mittheilung des Vaters des Reiſenden an Herrn C. Mitter, und gleich: 
zeitig durch eine in die Deutfche Allgemeine Zeitung von 19. Mai aufgenom- 
mene Notiz die höchft erfreuliche Kunde zu, daß Vogel auch ven zweiten Theil 
feines von ihm eben jo gefahrvoll, als befchwerlich genannten Saharazuges 
glüdlich vollennet habe ), indem er an den Raͤndern des Tſadſees angelangt 
iſt. Noch find wir über dad Detail der weiteren Reife nicht unterrichtet, da 
biöher nur eine kurze, von Vogel am 3. Januar d. I. zu Do gefchriebene 
Notiz zu Leipzig angelangt war, vie der Meifenne zunächft an den englifchen 
Viceconſul zu Murzuf gerichtet hatte. Sein Schreiben war ſodann durch den 
englifchen Gensraleonjul in Tripolitanien, Oberft Serrman, nebft einem Be⸗ 
gleitfchreiben vom 30. März, an Vogel's Vater beförvert worden. Der Au 
ßerſt gefchickten Führung ver großartigen Expedition, welche Serrman eine 
der Expedition Hannibals gleiche nennt, danft man es naͤchſt Gottes Schuß, 
daß die fo bedeutende Zahl von Menfchen, Kameelen und Pferven mit ver 
überaus reichen Ladung von Waaren, Inftrumenten und Eoftbaren Gefchen- 
ten faft ohne allen Verluſt in Bornu anlangen konnte. Denn während vie ge- 
mwöhnlichen Karavanen durch den Mangel an Wafler und zureichenden Lebens⸗ 
mitteln großen Berluften an Menfchen und Vieh bei der Reife durch die Sa⸗ 
hara ausgeſetzt zu fein pflegen, fo daß die ältere britifche Exrpebition an einem 
einzigen Brunnen im Tibbulande Skelette von Hunderten aus Mangel an 
Nahrung dort Umgekommenen vorfand (Denham I, 9— 10), Hatte die Ka« 
ravane Vogel's auf vemfelben Wege nicht mehr, als 2 gefallene Kameele. So 


I) ©. hier S. 367. So gefährli war in neuerer Zeit durch bie räuberifchen 
Tuareg die Paſſage über Bilma nad Bornu geworden, daß, als Richarbfon, Barth 
und Overweg im Jahre 1851 fi von Murzuf nad dem Innern begeben wollten, 
feine arabifche Karavane feit 3 Jahren jenen Weg eingefchlagen hatte; nur Tibbus 
wagten ihn noch (Dverweg in Berl. Monatsber. 1852, 347). Und doch war ber: 
felbe noch um das Jahr 1820 — 1821 fo ungefährbet, daß Berichte, die damals nad} 
England gelangten, ernſthaft verfichert hatten, er fei fo fiher, wie ber von Gbin- 
burgh nad) London. “Darauf wurbe die britiſche Grpebition von 1823 bafirt. G. 


426 Dr. Vogel's Ankunft am Tſadſee. 


fehr aber auch das glüdliche Geſchick zu preifen ift, Das unferen Reiſche 
bei feinen biöherigen Forfchungen begleitete, ift e8 doch zugleich Bllicht, va 
unverbroffenen Eifer rühmend hervorzuheben, welchen verfelbe überall m 
faltet hat, wohin ihn nur fein Weg führt. Hatten wir bier ſchon Ber 
heit, die reiche Sammlung Hypfometrifcher und aftronomifcher Belimmana 
lobend zu erwähnen (©. 376, 380), wodurch Vogel die geographifde Kan 
des Continents in der dankenswertheſten Weiſe bereicherte, fo überrafchen w 
abermals deſſen neuefte Mittheilungen mit. einer Aufklärung, welde zu da 
wichtigften gehört, die aus jenen Gegenden nur zu erwarten war. Wü 
dies die Beſtimmung ver Erhebung ded Tſadſees über dem Meeresſpiegel. Kum 
angefommen an ven Mänvern dieſes Sees, unternahm ver Reiſende fein. 
das Problem zu Iöfen, indem er mittelft einer unzweifelhaft baromettiche 
Meffung die abfolute Höhe des Sees zu 800 %. fand, während vie ang 
zende Wüͤſte faft überall bis 1200 F. (Parifer? ©.) anfleigt und nur ai 
bei Belgatfche Berry (d. 5. wohl bei der Fähre Belgatfche, eine meine Bi 
ſens bisher nirgends genannte Rocalität) fi zu 900 F. abfentt. Beier 
fich dieſes Refultat durch fernere Korfchungen, wie zu erwarten if, fo ua 
fih, daß die abfolute Erhebung des Tſad früher nicht unanfehmlich Aberihit 
worden war. Oudney, Denham und Glapperton flellten zwar felbft keine Iix 
terfuchungen der Art an, ja I. Barrow fagte fogar ausdrücklich, dei mm 
in den Berichten viefer Neifenden vergeblich eine Beflimmung ver Hehe de 
in Rebe ſtehenden Gegenven fucht (nor do we find in the letters of ib 
travellers any estimate of its level above the sea. Quarteriy Berk 
XXIX, 522), aber man beitrebte fich, aus einer in ven früheren, von de 
Meifenden nach Europa gejandten Berichten enthaltenen Bemerkung, Diche Se 
abzuleiten, freilich mit fehr von einander abweichenden Refultaten. De mir 
lich die britifchen Forſcher bemerften, daß währenn ver erſten Zeit ihres Aufar 
haltes am See das Barometer ſich beftänbig (steady) auf 29 engl. Zeil abe 
ten habe (Q. R. XXIX, 523), folgerte daraus Jomard, daß der Ge m 
931 P. F. über dem Meeredfpiegel liege (Bull. de la soc. de Geogr. de 
1"° Ser. VII, 404), wogegen eine andere Berechnung das Reſuliat c 
1032 B. F. fteigerte (Hertha von Berghaus IH, 173). Die hoͤchfie Zahl # 
die S. 379 mitgetheilte von 1536 P. F., welche Herr von Humboldt (3% 
fichten der Natur. 3. Aufl. I, 144) nach Barrow's Berechnung (0 3 
XXXII, 548) annahm, wozu verfelbe die Bemerkung fügte, daß deniſche Or 
graphen die Zahl gar noch um 1000 Fuß zu erhöhen gewagt hätten Ee 
hen wir aber auch von einem folchen, allerdings auf nichts gegründeten © 
niß ab, fo ergiebt fich immer, daß Vogel's Beftimmung um reſp. 181. W 
und 736 F. niedriger iſt, als man bisher anzunehmen Veranlaſſung het 
und es wird zugleich erſichtlich, daß Jomard's Beſtimmung der Wahrheit es 
nächften ſtehen durfte, ja es erſcheint zugleich als hochſt wahrſcheinlich, daß Eu 
row's Vermuthung, der Tſad und feine nächflen Ilmgebungen bildeten MM 


Dr. Vogel's Ankunft am Tſadſee. 427 


große Senkung des Terrains von Central⸗Nordafrika (the Tsad is evidently 
the sink of North Africa. Q. R. XXIX, 522) richtig ift, obgleich Over- 
weg's Meflungen in ver Sahara das Reſultat gar nicht erwarten ließen (©. h. 
S. 367): Doch Hatte befanntlidy ſchon der berühmte I. Nennell,, von theoreti= 


ſchen Anſichten geleitet, um dem Niger ein Ende zu geben, im Beginn viefes 


Jahrhunderts in die centralen Theile Nord⸗Afrika's eine große Senkung verfegt 
(the sink of North Africa. Mungo Park Travels 440), womit fpäter, außer 
Barrow, Waltebrun (Nouv. Annales des voy. XXI, 109, 125) und andere 


: befonnene Borfcher übereinflimmten. — Noch war Vogel nach feinem Bericht 


I 


nicht bis Bornu's Hauptflabt, dem in neuerer Zeit vielfach genannten Kuka ge- 
drangen, vielmehr befand er fich damals einen ſtarken Tagemarfch davon entfernt. 
Do oder Deou, woher er feinen legten Brief datirt hatte, iſt übrigens ein 
unfern dem Weſtrande des Tſad gelegener netter Ort, deſſen beftimmte Lage 
die britifche Expedition von 1823 kennen Iernte, indem fie bei ihm ven etwas 
unterhalb in den See von Often her mündenven Fluß Deou überfchritt (Den- 


ham I, 60). Ueber viefen Ort geht überhaupt vie große Karavanenftraße 


von Fezzan nach Bornu. Leicht Hätte fich indeſſen ein jehr bedenklicher Zwi- 


ſchenfall für den Reiſenden ereignen Tönnen, indem nach feinem Schrei- 


ben eine Mevolutien ven bisherigen Scheifh von Bornu, deffen ununterbros 
chenes Wohlwollm Bart und Overweg fo fehr zu rühmen gehabt Hatten, 
da er fie unter den bedenklichſten Umſtaͤnden, wo ihnen die Geldmittel aus 
Europa audblieben, mit der väterlichften Zuneigung behandelte und wirkſam 
unterftügte, abgefeßt und dagegen einen von deſſen Brübern an die Stelle 
gebracht Hatte. Zum Glüd ift der neue Regent, Abp-el-Rhaman, ein ener- 
gifcher und fehr intelligenter Mann, von dem unfer Reiſender nichts zu ber 
forgen bat, und ver fih ihm im Gegentheil fo günftig erwies, daß er 
der Erpebition bereitd feinen Schuß und feine Hilfe in der zuvorfommend- 
ften Weife zuſagte. — Vogel felbft befand fich glüdlicherweife nad) feinen 
Mittheilungen Lörperlich wohl. Aber noch eine ungemein erfreuliche Notiz 
finder fih in ven legten aus Tripolis nach Europa gelangten Mittheilungen, 
indem Colonel Herrman an Vogel's Vater berichtet, daß Barth nach Bornu 
zurüdzufchren vorbabe, was, da die legten von und mitgetheilten Briefe die» 
ſes Reiſenden nichts Beftimmted hierüber enthalten, nur dadurch erFlärlich 
wird, daß Herrman ein neueres Schreiben Barth's erhalten haben vürfte. So 
wäre biefer alfo gänzlich von feinem Unwohlfein hergeſtellt, um an vie Rück⸗ 
reife nah Bornu denken zu können. 

Eine Anficht von Vogel's letzter Mittheilung beftätigt endlich das fchon 
früher befannte und mit den Karten von Nord» Afrika übereinflimmende 
Refultat, daß nämlich der Weg von Fezzan über Bilma nach Vornu der fürs 
zefte ift, auf dem man aus den Mittelmeerländern in das Innere zu gelans 
gen vermag. Grinnern wir und nämlich, daß Vogel am 11. October v. 3. 
Murzuk verlied, und berüdfichtigen, daß verfelbe ſchon Ende Dezember 





428 Dr. Bogel’8 Ankunft am Tfapfee. 


am Tſad angekommen fein muß, fo Hat er, wenn man einige ia 
Aufenthalt zu Tegerry, der füblichflen Grenzſtadt von Fezgan (Zeirſchrift IL 
68) und einige andere zu Bilma abrechnet, wenig mehr als 2 Momat x 
diefem Zuge bedurft, wad mit der Dauer von Oudney's und Glapperi 
Zug nach Douri, welcher vom 28. November 1822 His 14. Februar 18% 
dauerte, vortrefflich flimmt, wogegen jede andere Paſſage eine viel länger: Jr 
in Anſpruch nehmen vürfte. 

Ich benutze bier die Gelegenheit, um die S. 385 — 386 mitgetheilt $ 
fanmenftelung über das Land Mofi noch mit einer Notiz zu vermehren, ie 
nirgends angegeben finde. Aus dem bier dfterd erwähnten Reiſebericht ie 
Tartarn Uargi ergiebt fi nämlich, daß auch viefer feinen Weg aus Hai 
nach Timbuftu auf ver rechten Seite des Stroms genommen bat, nadten « 
denfelben bei einem nicht namhaft gemachten Ort paſſtrt war. Zehn Ip 
reifen vom Duolla (Kowara, d. h. der untere Niger) gelangte er in m 
Reich Gurmah (S. Hier S. 386), 10 Tagereifen weiter nach Mofi, dei w 
Berichterftatter Mufch nennt, dann abermals in 10 Tagen nad) Samboli, casa 
Ort, den Ahmedu nicht Hat, endlich nach ven letzten 5 Tagen an ben Sm 
von Timbuktu, den er bei Kaberah überfuhr. Nehmen wir nun as, Wi 
Uargi, wie höchft wahrfcheinlich, gleichfalls bei Say über ven Niger iqm. 
jo bedurfte er eined Marfched von 35 Tagen, um ven ganzen Weg in de 
Sehne des Nigerbogens bei Dſchinni und Timbuftu zurüdzulegen, wäh 
Ahmedu dafür nur 27 Iagereifen feßte. Ob unter Mufch nur das Land Re 
oder auch eine Stadt dieſes Namens zu verſtehen ift, ergiebt fich freilich mit 


aus dem Bericht. Gumpredt. 


Situng der Berliner Gefellfchaft für Erdkunde 
am 8. April 1854. 


Der Rendant Herr Rolde berichtete über den gegenwärtigen Zuſtand x 
Kaffe, wonach ber Beſtand bei der letzten Rechnungslegung im April v.d 
betrug. . . . . 22.7566 Thlr. 19 Ser. 6 Pi 

Es gingen ſeildem Mn. 2185⸗- 0 = — ⸗ 


Gefammtbetrag der Einnahmen -. - . . 97593 - 9 > 6=: 
Die Ausgabe betrug - » 2 2 2 2.0232 = 21 6⸗ 


Der gegenwärtige Beſtand der Kaffe ver Ge⸗ 
ſellſchaft if . 2...» 7420 She. 18 Ser. 
Hierauf legte Herr Ritter zur Anſicht vor: 1. Karte von Serbien, # 
ferbifcher Sprache von Desjarbins, und 2. ein Manufeript mit ven Refulie 
ten der in der Mark Brandenburg von dem Ingenieur» Geographen und Lie 
tenant, Herrn Wolff, nach allen Richtungen angeftellten Nivellemients. Tri 


Sitzungsbericht ber Berliner geographifchen Geſellſchaft. 429 


Vortragende ruͤhmte die außerorbentliche Beharrlichkeit und Genauigkeit, wo» 
mit Herr Wolff der Ausführung feiner Arbeit, wodurch die Höhenverhält- 
niffe aller nur irgend bebeutenden Punkte in ver Mark beſtimmt worben finv, 
fich unterzogen bat, und fprach dabei ven Wunfch aus, daß dies Werk viel- 
jährigen Fleißes balvigft Eigenthum des größeren woifienfchaftlichen Publikums 
werben möchte, da bisher nichts Achnliches über die Marf Brandenburg eris 
ftirt hat. — Herr Ritter las einen an ven bisherigen K. Geſandten Rit⸗ 
ter Bunfen gefchriebenen und von dieſem ihm zur Mittheilung an die Gefell- 
[haft eingefandten Brief des Dr. Barth aus Timbuktu vor und fchloß an 
diefe Vorlefung einen längeren Vortrag zur Erläuterung des durch Barth's 
Reiſe nach Timbuftu gewonnenen Kortfchrittö in der Kenntniß des Conti⸗ 
nentd an, indem er dabei auf vie ähnlichen Leiftungen früherer Zeiten hin⸗ 


wies. (Der Vortrag ift bereits bier S. 313— 325 mitgetheilt.) Endlich hielt 


Herr H. Schlagintweit einen Vortrag über die Verbreitung und die Höhen- 
verhaͤltniſſe der Gletfcher in den verfchienenen Alpengruppen, indem er bei ſei⸗ 
nen mehrjährigen Uinterfuchungen in den Alpengegenven ven Einfluß der Bo⸗ 


‚ bengeftaltung, befonvers aber den der Neigumg der Abdachung und des Vor⸗ 


— — — — 


handenſeins muldenfoͤrmiger Thalbecken auf die Häufigkeit großer Gletſcher⸗ 
gebilde, ſowie ferner den Einfluß der Gletſcher auf die klimatiſchen Verbältnifie 
in den höheren Alpenregionen in Folge der von ihnen auögehenden falten 
Auftftröme zum bauptfächlichften Gegenſtande feiner Aufmerkſamkeit gemacht 
hatte. Zur Veranjchaulichung der von ihm gemonnenen Mefultate theilte ex 
einige die Zahl, Ausnehnung, Größe und Höhe der Gletfchermafien 
betreffende Angaben mit, vie ſich weitläufiger in dem, mit feinem Bru⸗ 
der A. Schlagintweit gemeinschaftlich herausgegebenen großen Werk: „Neue 
Unterfuchungen über vie phnfikalifche Geographie und die Geologie der Als 
pen“ begründet finden. Die Zahl der alpinifchen Bletfcher glaubt er auf 
1000 bis 1100 annehmen zu können, aber nur 60 davon haben die Natur 
der primären, die überhaupt ziemlich beſtimmt begrenzt find, währen fich die 
Menge der ſecundaͤren Bletfcher wegen ver fchwierigen Ermittelung ver Raͤn⸗ 
der der einzelnen Maſſen nicht fo leicht feftftelen läßt. Die erſte Art von 


Gletſchern ift wefentlich auf’ den Centralkamm der Alpen befchränkt, indem 


fih außerhalb deſſelben nur einzelne Fleine Mafjen der Art da finden, wo 
befondere Terrainerhebungen deren Bildung begünftigen. Dies if 3.2. an 
der Zugfpige und am Dachflein in der nörblichen Alpenregion oder an der 
Vedretita Marmolatta in der ſüdlichen der Tal. Das Areal aller alpinifchen 
Bletfcher, worin auch das der fämmtlihen Schnee» und Gismaffen ver 
Alpen inbegriffen ift, wenn ſie auch nicht groß genug find, ein ſelbſtſtaͤndiges 
Firnmeer zu bilden, beträgt 50 — 60 IM. oder 6— 7 Proc. desjenigen Gebiets 
der Alpen, welches überhaupt Bletfcher enthält. Die mittlere Ausdehnung 
eines primären Gletfchers ift fodann nach des Vortragenden Uinterfuchung 5, 
die eines ſecundaͤren Gletſchers 5 IM. Die Unterfuchung des unteren En⸗ 








430 Sitzungsbericht ver Berliner geographifchen Gefellſchaft. 


des der Bletfcher ergab als Reſultat, daß daſſelbe fi im Allgemeinen mm 
6800 bis 6900 Fuß Höhe fiber den Meereöfpiegel vorfindet. “Die yramkıa 
enden nach unten zu: 

a. in den weftlicden Alpen bei 5000’ 2. 

b. in ven öflliden = = 6200’ = 


a. in ben weftlichen Alpen bei 6800’ P. 
b. in ven öfllihen = = 7000’ = 

Das Mittel der Schneegrenze liegt dagegen weit höher, nämlich ia ta 
wefllichen Alpen in 8350, in ven öftlicden in 8100’, am böchften aber feiz 
es am Monte Nofa, wo ber Vortragenve die Schneeregion erſt in 9100 B.x 
antraf. Eine Ueberficht der einzelnen primären Bletfcher im Alpengebiet zu 
die Angabe über deren Höhe, die nach dem unteren Ende beflinsmt wer. 
teilte Herr Schlagintweit in folgender Tabelle mit: 


die ſecundaͤren 


(Sie folgen fich von Welten nach Often.) 
Cottiſche Alpen. 1. Gl. deAirlefroive 5781’ 2. &L du Mont de Lans. 6773 
Grajifhe Alpen. 3. Gl. dela®räve. 6003’ 4. Gl. de PArfine. .. ... 545° 
5. Sferegl. 
Penniniſche Alpen. A. Mont Blanc. 
6. Mingegletfher . .. 49856" 7. Brenvadl. .. .... 45 
8. Troͤ⸗ la Tötegl. 9. Bionaffoigl. -.... . 418 
10. Boffongl. .... . » 324 11. Mer de Blace.... 43 
12. Argentieregl. 13. Towgl. ....... 4884 
B. Monte Rofa. 
14. Bergl. 15. Torrentgl. 
16. Binalgl. 17. Zurtmangl. 
18. Smuttgl. ...... 6497’ 19. Somersl. -.. .... 56? 
20. Bettlinergl. | 21. &Su8dl.... 2.2... 62 
(g. Garſteletgl. 8832’, einer der böchften ſecundairen Gletſcher.) 
22. Macugnagagl..... 4960 23. Sinpelengl. ... .. 6655 
24. Riedgl. 25. Tafchgl. 
26. Schwarzbergal. 27. Allaleingl. 
28. Feegl. 
Schweizer Alpen. 
29. Gafterengl. . . . » . 9341’ 30. Ifchingelgl. .-. . . 5537 
31, Loͤtſchgl....... “. 5800° 32. Großer Aletfchgl. 
33. Vieſchergl....... 4184’ 34. Unter. Grindelwaldgl. 3065 
(34 reicht unter ven Gletſchern in ven Alpen am tiefften herab.) 
35. Ober. Grindelwaldgl. 3757’ 36. Nofenlauigl..... . 437 
37. Gauligl........ 5829 38, UntersAargl .. . . 581° 
39. Ober Yargl. .... 6679 40. Rhonegl. ...... 550 


41. Steinergl. ...... 5943’ 


Sigungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 431 
Rhätifche Alpen. A: Sraubündten u. Vorarlberg. 


42. Berninagl. 43. Palügl. ....... 5990’ 
44. Bermontgl. .. . . . 5721’ 45. Jamthalergl. 

B. Ortles. 
46. Suldnergl. 47. Zufalgl. 


(M. Madatſchgl., 5500’ ſehr tiefes Ende eines ſecundairen Gletſchers.) 
C. Detzthaler Gruppe. 


48. Langtauferergl. 49. Gebatfchgl. 
50. Hintereiögl. ... . . 6768 51. Vernaglgl. (1847) . 6465’ 
52. Pisthalergl. 53. Mareellgl.. .. . . . 6800’ 


54. Großer DOebthalergl. 6600' 55. Alpeinergl. 
Norifche Alpen. 
56. Oberer Sulzbachgl. 57. Unterer Sulzbachgl. 
38. Habachgl. 59, Schlatengl. 
(S. Salmögl. 8404’, endet oberhalb ver mittleren Schneegrenze. ) 
Pafterzengl. ....... 5900’ 
Gnmprecht. 


Sigung der Berliner Gefellfchaft für Erdkunde 
am 6. Mai 1854. 


Herr Ritter berichtete über die chinefifche Geographie, welche unter dem 
Titel Hai kue Tuste, d. i. die oceanifchen Königreiche, in dem Jahre 
1844 zu Peling erfchien und einen Begriff von ven “Anfichten und der ges 
genmwärtigen Kenntniß der Chinefen von dem Auslande geben kann, da es fei- 
ner Zeit von den gebilbeiften Verfaſſern und ven beften Kennern ver Geo⸗ 
graphie Herausgegeben wurde. (Der Vortrag wird in einem der nächften Hefte 
der Zeitfchrift erfcheinen. &.) — Herr Hermann Schlagintweit legte 2 Re⸗ 
liefe vor, von denen das eine den Monte Rofa und feine Umgebungen, das 
andere die Gruppe der Zugſpitze und des Wetterfteined in den bayeriſchen Al⸗ 
pen barftellte. Beine find im Maßſtabe von 1 zu 50000, mit gleichem Ver⸗ 
hältniffe für die Langen und Höhen nach feinen und feines Bruders Adolph 
Schlagintweit Karten und Profilen conftruirt. Das Relief des Monte Roſa 
wurde von Herrn Warnſtedt unter fpecieller Leitung des Derfaflerd aus⸗ 
geführt. Das andere bearbeiteien die Herren Schlagintweit felbft und zwar 
mit Zugrundelegung eines elagenförmig aufgebauten Gerüftes von Aquidi« 
ftanten Horigontalflächen, die von 1000 zu 1000 Fuß Höhenabfland fich folg- 
ten; fie werben getragen von vierfeitigen Prismen, vie im 50000 theiligen 
Mapftabe getheilt find. Die Aufnahmen und Höhenprofile waren zur Ver⸗ 
gleichung mit dem Reliefe beigefügt. Zugleich Tagen mehrere Anflchten aus 





432 Situngsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 


dem Atlas zu den „Neuen Unterfuchungen über vie phyſikaliſche Geogatı: 
und die Geologie der Alpen * vor, mit welchen vie verfchienenen Theke de 
Reliefe unmittelbar verglichen werden Tonnten, und zwar auf folgende Eaı 
Eine große Concavlinfe wurde in einem Thale oder auf einem Bergatbur; 
aufgeftellt, und nun das Auge des Befchauers möglichft nahe gebraht. 9: 
erhielt dann die parallactifchen Verfchiebungen und die perfpectivifche Berim:- 
derung der Größe, welche ver Beobachter flieht, wenn er an demſelben Far: 
dem wirflichen Gebirge gegenüberfieht. Die Oberfläche des Monte Ari 
Reliefs umfaßt 16 geogr. AM., jene des Zugfpigenreliefd nahe 10 ger 
IM. Für beide war die mittlere Höhe berechnet, d. h. Die Höhe, welchen 
ganze Terrainmaffe einnehmen würde, wenn ſie auf derſelben Grmtii:: 
ganz gleichmäßig vertheilt wäre, die Höhe alfo, welche eine Blüffigfat = 
gleichem Volumen. und auf gleicher Baſis, durch verticale Waͤnde begrr- 
einnehmen würte. Kür dad Melief des Monte Roſa ergab fid ‚eine ie: 
mittlere Höhe = 9390 P. F., für das Melief ver Zugfpite 5250 9.8. °: 
abfolute Höhe beträgt für ven Gipfel des Monte Roſa 14284, für jew it 
Zugſpitze 9094 P. F. — Hear Solly zeigte einen von ihm erfundenen Ex 
derftab vor, welcher fich zu Höhenmeffungen auf Reiſen eignet, und afün 
indem er dieſen einfachen Meßapparat vollſtaͤndig aufftellte, auf welche Ber 
man mit demfelben zu verfahren habe, um fowohl Höhen“ als auch bery* 
tale Winkel zu beftimmen. — Herr Walter fprach über die Tempera * 
öftlichen Aſiens, bebingt durch die bafelbft herrſchenden Winde. Das A 
tat des Vortrages ift, daß das öftliche Aflen, weil daſelbſt im Winter hi 
Landwinde, im Sommer aber feuchte Seewinde vorherrſchen, mother 9 
niebrige Mitteltemperatur haben müfle. — Zum Schluß ſprach Her Br 
fers über den Inhalt der als Gefchent für vie Bibliothek ber 
eingegangenen Schrift: Nachricht von ver Vollendung der Gradmeſſung wo 
ſchen der Donau und dem Eismeere. In verfelben wirb eine kurze UM 
fit aller ausgeführten Grapmeffungen gegeben, und nachdem gezeigt" 
wie Beſſel aus 10 der vorzüglichften Gradmeſſungen bereitd dad 

lichſte Refultat für die Grdfe und Geftalt ver Erde abgeleitet habe, wu 
angebeutet, wie biefeß Hefultat durch die über 25 Grad umfaffende ralfit 
dann durch die über 21 Grad ausgebehnte oſtindiſche, und endlich vurk 
mehrere Grabe umfaſſende Brabmeffung von Maclear am Borgebirge pr 
ten Hoffnung ferner berichtigt und beftätigt wird. Gumpreät: 


| 
| 


RX. 


Die Torreöftraße, Neu⸗Guinea und der Louifiade- 
Archipelagus 


Erſter Abſchnitt. 


Die geſammte indiſche Welt, vom Ausgange des arabiſchen Meer⸗ 
buſens bis zu den Philippinen, iſt in der neueften Zeit gleichſam elel- 
triſch berührt worden. Sie liegt jetzt nicht mehr, wie in ven früheren 


| Jahrhunderten, gleihfam „am Ende der Welt”, fondern fieht fich fo 
recht in die Mitte des Weltverfehrs Hineingerüdt Das ift 


nun ihre neue Stellung, durch welche fie eine eminent größere Bebeus 
tung geivonnen hat, als je zuvor. Diefer Ausfpruch gilt nicht bloß 
don der indiſchen Halbinfel und namentlich von den verfchiedenen Theis 
(en des großen Archipelagus; er hat auch Geltung für China, defien 
Pforten geöffnet find, für Auftrallen, wohin der Zug der Auswandes 
rung maffenweife ſich gelenkt hat, und für manche Infelgruppe im 
Großen Ocean. Alles geftaltet fih um in dem ungeheuern Raume 
von Aden bis San Francisco, vom Borgebirge der Guten Hoffnung 
bis zu den chifenifchen Hafenplägen ; hundert und aber hundert Bunfte, 
welche bis vor Kurzem in vereinfamter Ferne lagen, find nun in den 
Bereich des Welthandels gezogen und zu wichtigen Factoren in den 
Berechnungen der Colonialpolitit geworden. 

Küftenftreden ganzer Eontinente, Eilandgruppen und Waſſerbah⸗ 
nen, welche, früher im Weltverkehr von untergeordneter Bedeutung, 
theilweife verödet dalagen, wirken alfo heute ſchon beftimmend ein; 
fie find activ geworden. Diefer Umfchwung ift ein Ergebniß der 
Goldentdeckungen in Californien und Auftralien. Sie allein wür- 

Beitfchr. f. allg. Erdkunde. Bd. IT. 28 





434 Andree: 


den hingereicht haben, dem Handel neue Wege zu eröffnen und di 
Schifffahrt auf allen Meeren zu fleigern, aber ohne die oceanijd: 
Dampfichifffahrt, deren eigentlicher Beginn in das Jahr 1837 faht, 
wären die Wirkungen auf das gefammte Güterleben weber fo var 
und umfafiend geweſen, noch hätten fie in wenigen Jahren fo tief un 
entfcheidend alle Berfehrsverhältniffe zu berühren und theilweije von 
Grund aus umzugeftalten vermocht. 

Seit 1841 braucht man nicht mehr um Afrika herumzuſtenen 
um zu den Schägen Indiens und Auftraliens zu gelangen; auch be 
dürfen dieſe nicht des fchiwierigen weiten Landweges, um bie cutepir 
fchen Märkte zu erreichen. Eine fchmale Landenge tremnt beide nt, 
und diefe wird eben jebt mit Schienenfträngen belegt. Die oreanilha 
Handelöwege der drei letzten Jahrhunderte haben Rebenbuhler erhal. 
welche ihnen einen erfolgreichen Wettbewerb machen. Die ganze mik 
Süpfee, die Küften dreier Eontinente befpülend, ift Heute gleichfem cm 
aftatifch- amerifanifcher Golf geworden; man betrachtet fie wie cin Fir 
telmeer, und die „Küftenfchifffahrt” der Rorbamerifaner hat eine Is 
dehnung von Portland in Maine bis zu den Häfen am Puget⸗Sumt 
Die alten Begriffe von langer und von kurzer Fahrt gelten faum md 
unter den Seeleuten, feitvem der Große Ocean mit feiner Haudelek 
wegung nicht mehr hinter dem atlantifchen Meere zuruͤckbleibt, und de 
Walfifchfahrer ihre Erpeditionen bis in das dritte und vierte Ja 
ausdehnen. 

Im Jahre 1846 betrug die weiße Bevölterung Californiens «il 
15000 Seelen; fie war 1853 auf 275000 geftiegen *). In den ala 
Jahren lieferte jener Staat nichts in den Welthandel, in dem Id 
betrug die Ausfuhr ſchon 82,300,399 Dollars, währenn die aus 
lichen Staaten der nordamerifanifchen Union auf der atlantifchen Ext 
für 154,931147 Dollars erportirten. Das fleuerpflichtige Eigenthe⸗ 
Ealiforniens wurde auf 100,000000 Dollars gefchägt 2). Diefes &w 
porblühen fteht in engem Zufammenhange mit dem Aufjchwunge amt 
rer Handelshäfen am Großen Ocean; auch in Chile entfaltet ſich ein 
große Thätigkeit. Es wirkt aber auch nach Weſten hin. Die He 
waii⸗Gruppe wird heute nur noch als ein Brüdenfopf von San Bra 


.1),.&. hier I, 68. 6. 
2) Bolſchaft des californifchen Gonverneurs Bigler vom 2. Jannar 1954. 8 


a m ww — ww“ 


mn m ma WW 


Die Torresſtraße, Neu⸗Guinea und ver Louiflade- Archipelagus, 435° 


cisco betrachtet; fie ift ein Haltplag für die Seefahrer, welche nach 
China gehen, wohin man im Laufe ded Jahres 1854 die Dampfichiff- 
fahrt eröffnete, nachdem eine Linie zwifchen Panama und Sidney bes 
reits hergeftellt worden war. Dan fährt alfo ſchon mit Dampf um den 
Erdball. Alles drängt darauf hin, die Weltmeere und die Eontinente 
in die engfte Berbindung zu fegen und möglichft an Raum, Zeit und 
Koften zu fparen. Bon mehreren Seiten her ftrömt die neue Voͤlker⸗ 
wanderung in die Länder und zu den Infeln im Großen Dcean. 
Hier find die Nordamerifaner durch ihre Weltlage ganz entfchies 
den im Bortheil über Europa; ihre Küften werden von beiden Ocea⸗ 
nen bejpült; fie liegen recht eigentlich in der Mitte der Oreane, und 
dnrch den Beſitz von Galifornien und Oregon find fie den Eilanden 
im Stillen Weltmeere, Japan, China und dem Indifchen Archipelagus 
nahe gerüdt. Einem Volke, das fich durch feine oceanifche Spürkraft 
in fo hohem Grade auszeichnet, mußte der Vorfprung, welchen ihm die 
günftige Lage feiner Heimath vor den feefahrennen Nationen Europa’s 
voraus giebt, fogleich einleuchten. Und in der That fehen wir, daß bie 
Rords Amerikaner mit allem Nachdruck darauf Hinarbeiten, den Handel 
jwifchen der aſiatiſchen Oftfüfte einerfeitd und Auftralien andererfeitd über 
Amerika zu Ienfen. Sie fagen ed mit dürren Worten, daß fle dann Regu⸗ 
latoren des Welthandels fein würden. Um dieſes Ziel zu erreichen, 
wollen fie die große Eifenbahn vom Mifftfippi nach Ealifornien bauen; zu 
demfelben Zwede find fie auf vem Iſthmus von Tehuantepec, in Nicaras 
gua und auf der Landenge von Panama thätig. Ind follte einft der 
Schifffahrtscanal von Darien eine vollendete Thatfache werden, jo 
würde der Hauptvortheil abermals den Nordamerifanern zu Theil wer: 
den, weil fie von beiden Seiten her am nächften zur Hand fein fön- 
nen. Mit Recht legen fie indeflen das größte Gewicht auf die Her: 
ftellung der Großen San Francisco» Miffifippibahn; denn fie wird den 
einzigen fpecififchnordamerifanifchen Verkehrsweg bilden; fie muß mit 
unbebingter Nothwendigkeit dem Welthandel und mit ihm der ganzen 
Eulturftrömung eine neue Richtung geben. Wenn heute Ehinefen zu 
Faufenden in Ealifornien einwandern, fo wird von nun an auch der 
Oſten der alten Welt neue Bildungsfreife aus dem Welten der neuen 
Welt empfangen auf einem Schienenwege, der ein Hauptabzugscanal 
für den in riefigen Verhältnifien anwachſenden Productenüberſchuß Der 
| 23 * 





426 Dr. Vogel's Ankunft am Tſadſee. 


fehr aber auch das glückliche Geſchick zu preifen ift, dad unferen Reiſenden 
bei feinen biöherigen Forfchungen begleitete, ift es doch zugleich Pflicht, ven 
unverbroffenen Eifer rühmend Hervorzuheben, welchen verfelbe überall ent 
faltet hat, wohin ihn nur fein Weg führt. Hatten wir bier ſchon Belegen- 
heit, die reiche Sammlung bypfometrifcher und aftronomifcher Beſtimmungen 
lobend zu erwähnen (©. 376, 380), wodurch Vogel die geographifche Kante 
des Eontinentd in der danfenswertheften Weiſe bereicherte, fo überrafchen uns 
abermals vefien neuefte Mittheilungen mit. einer Aufklärung, welche zu ven 
wichtigften gehört, die aus jenen Gegenden nur zu erwarten war. Es if 
dies die Beftimmung ver Erhebung des Tſadſees über dem Meeredfpiegel Kaum 
angefommen an ven Raͤndern dieſes Sees, unternahm ver Reiſende jofert, 
das Problem zu loͤſen, indem er mittelft einer unzweifelhaft barometrifchen 
Meffung vie abfolute Höhe des Sees zu 800 %. fand, während bie angrın- 
zende Wüfte faft überall bis 1200 %. (Parifer? ©.) anfleigt und nur cl 
bei Belgatfche Ferry (d. h. wohl bei der Fähre Belgatſche, eine meines Wiſ⸗ 
fend bisher nirgends genannte Xocalität) fich zu 900 F. abſenkt. WBefkktis: 
ſich dieſes Reſultat durch fernere Korfchungen, wie zu erwarten ift, jo ergieht 
fich, daß die abfolute Erhebung des Tſad früher nicht unanfehnlich überfchägt 
worven war. Oudney, Denham und Glapperton flellten zwar felbft Feine Un⸗ 
terfuchungen ver Art an, ja 3. Barrom fagte fogar ausdrücklich, daB man 
in den Berichten dieſer Reiſenden vergeblich eine Beftimmung ver Höhe ber 
in Rede ſtehenden Gegenden fucht (nor do we find in the letters of the 
travellers any estimate of its level above the sea. Quarteriy Review 
XXIX, 522), aber man beftrebte ſich, aus einer in den früheren, von ven 
Reiſenden nach Europa gefandten Berichten enthaltenen Bemerkung, dieſe Höße 
abzuleiten, freilich mit fehr von einander abweichenden Mefultaten. Da näm 
lich die britifchen Borfcher bemerften, daß währenn ber erſten Zeit ihres Aufent- 
halte am See das Barometer ſich beflänvig (steady) auf 29 engl. Zoll erhal⸗ 
ten babe (Q. R. XXIX, 523), folgerte varaus Jomard, daß der See zur 
981 P. F. über dem Meeredfpiegel liege (Bull. de la soc. de Geogr. de Fr. 
1r° Ser. VII, 404), wogegen eine andere Berechnung dad Reſultat auf 
1032 P. F. fteigerte (‚Hertha von Berghaus IH, 173). Die hoͤchſte Zahl iſt 
die S. 379 mitgetheilte von 1536 P. F., welche Herr von Humboldt ( An» 
fichten ver Natur. 3. Aufl. I, 144) nach Barrow's Berechnung (Q. R 
XXXIII, 548) annahın, wozu verfelbe die Bemerkung fügte, daß deutſche Ges 
graphen die Zahl gar noch um 1000 Fuß zu erhöhen gewagt hätten. Se 
ben wir aber auch von einem folcden, allerdings auf nichts gegründeten Wag⸗ 
niß ab, fo ergiebt fih immer, daß Vogel's Beflimmung uns refp. 181, 232 
und 736 F. niebriger if, als man bisher anzunehmen Beranlaflung Hatte, 
und ed wird zugleich erfichtlich, daß Jomard's Beſtimmung der Wahrheit am 
nächften flehen bürfte, ja e8 erfcheint zugleich ala hochſt wahrfcheinlich, daß Bar- 
row's Vermuthung, der Tſad und feine nächften Umgebungen bildeten eine 


Dr. Bogel’d Ankunft am Tfapfee. 427 


große Senkung des Terraind von Central⸗Nordafrika (the Tsad is evidently 
the sink of North Africa. Q. R. XXIX, 522) richtig ift, obgleich Over⸗ 
weg’s Meflungmn in ver Sahara das Reſultat gar nicht erwarten Tiefen (©. 5. 
©. 367): Doch hatte befanntlich fchon ver berühmte I. Rennell, von theoreti= 
Tchen Anſichten geleitet, um dem Niger ein Enve zu geben, im Beginn viefes 
Jahrhunderts in die centralen Theile Nord⸗Afrika's eine große Senkung verfegt 
(the sink of North Africa. Mungo Park Travels 440), womit fpäter, außer 
Barrow, Waltebrun (Nouv. Annales des voy. XXI, 109, 125) und andere 
befonnene Forfcher übereinftinnmten. — Noch war Vogel nach feinem Bericht 
nicht bis Bornu's Haupiſtadt, dem in neuerer Zeit vielfach genannten Kufa ge- 
drungen, vielmehr befand er fich damals einen ſtarken Tagemarſch davon entfernt. 
Do oder Deou, woher er feinen letzten Brief datirt hatte, ift übrigens ein 
unfern dem Weſtrande des Tſad gelegener netter Ort, deſſen beſtimmte Lage 
die britifche Expedition von 1823 Fennen lernte, indem fle bei ihm ven etwas 
unterhalb in den See von Often her münvenven Fluß Deou überfehritt (Den- 
bam I, 60). Ueber viefen Ort geht überhaupt die große Karavanenftraße 
von Fezzan nach Bornu. Leicht Hätte fich indeſſen ein fehr bevenklicher Zwi- 
ſchenfall für den Reiſenden ereignen fönnen, indem nach feinem Schrei« 
ben eine Revolution den bißherigen Scheifh von Bornu, deſſen ununterbro- 
chenes Wohlwollen Barth und Overweg fo fehr zu rühmen gehabt Hatten, 
da er fie unter den bedenklichſten Umſtaͤnden, wo ihnen die Geldmittel aus 
Europa ausblieben, mit der väterlichften Zuneigung behandelte und wirkfam 
unterftügte, abgefegt und bagegen einen von deflen Brüdern an die Stelle 
gebracht Hatte. Zum Glück iſt der neue Regent, Abo-el-Nhaman, ein ener- 
gifcher und fehr intelligenter Mann, von dem unfer Meifenver nichts zu be⸗ 
forgen bat, und der ſich ihm im Gegentheil fo günftig erwies, vaß er 
der Expebition bereitd feinen Schuß und feine Hilfe in der zuvorfommend- 
ſten Weile zuſagte. — Vogel felbft befand fich glücklicherweiſe nad) feinen 
Mittheilungen Eörperlich wohl. Aber noch eine ungemein erfreuliche Notiz 
finder fi in ven lebten aud Tripolis nach Europa gelangten Mittheilungen, 
indem Colonel Herman an Vogel's Vater berichtet, daß Barth nad) Bornu 
zurüdzufchten vorhabe, was, da die legten von uns mitgetheilten Briefe dies 
ſes Reiſenden nichts Beſtimmtes Hierüber enthalten, nur dadurch erflärlich 
wird, daß Herrman ein neuered Schreiben Barth's erhalten haben dürfte. So 
wäre dieſer alfo gänzlich von feinem Unmohlfein Hergeftellt, um an vie Rück⸗ 
reife nach Bornu denken zu können. 

Eine Anſicht von Vogel's letzter Mittheilung beftätigt endlich das fchon 
früher bekannte und mit den Karten von Nord» Afrifa übereinflimmende 
Refultat, daß naͤmlich der Weg von Bezzan über Bilma nach Bornu der kür⸗ 
zefte ift, auf dem man aus den Mittelmeerländern in das Innere zu gelan- 
gen vermag. Erinnern wir ung nämlich, daß Vogel am 11. October v. 3. 
Murzuk verlied, und berüdfichtigen, daß verjelbe fchon Ende Dezember 





428 Dr. Vogel's Ankunft am Tſadſee. 


am Tſad angekommen fein muß, fo bat er, wenn man einige Tage 
Aufenthalt zu Tegerry, ver füblichften Grenzſtadt von Fezzan (Zeitſchrift II, 
68) und einige andere zu Bilma abrechnet, wenig mehr als 2 Monate zu 
diefem Zuge beburft, was mit der Dauer von Oudney's und Glappertows 
Zug nad Douri, welcher vom 28. November 1822 bis 14. Februar 1823 
dauerte, vortrefflich flimmt, wogegen jeve andere Paflage eine viel längere Zen 
in Anfpruch nehmen dürfte. 

Ich benutze bier die Gelegenheit, um vie ©. 385 — 386 mitgetheilte 3u- 
fammenftelung über das Land Mofi noch mit einer Notiz zu vermehren, vie ich 
nirgends angegeben finde. Aus dem bier oͤfters ermähnten Reiſebericht des 
Tartarn Margi ergiebt fich nämlich, daß auch viefer feinen Weg aus Haufe 
nach Timbuftu auf ver rechten Seite des Stromd genommen bat, nachdem er 
denfelben bei einem nicht namhaft gemachten Ort paſſtrt war. Zehn Tage 
zeifen vom Quolla (Kowara, d. h. der untere Niger) gelangte er im vas 
Reich Gurmah (S. Hier S. 386), 10 Tagereifen weiter nach Mofi, daS ver 
Berichterftatter Muſch nennt, dann abermals in 10 Tagen nach) Jamboli, einem 
Ort, den Ahmedu nicht hat, envlich nach den legten 5 Tagen an den Strom 
von Timbuktu, ven er bei Kaberah überfuhr. Nehmen wir nun an, va 
Uargi, wie höchſt wahrfcheinlich, gleichfalls bei Say über den Niger fehte, 
jo bedurfte er eines Marfches von 35 Tagen, um ven ganzen Weg im ver 
Sehne des Nigerbogend bei Dſchinni und Timbuktu zurüdzulegen, währen 
Ahmedu dafür nur 27 Tagereifen ſetzte. Ob unter Mufch nur das Land Mefi 
oder auch eine Stadt dieſes Namend zu verſtehen ift, ergiebt fich freilich nice 
aud dem Bericht. Gumprecht. 


Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde 
am 8. April 1854. 


Der Rendant Herr Rolcke berichtete über den gegenwärtigen Zuſtand * 
Kaſſe, wonach der Beſtand bei der lebten Rechnungslegung im April v. I 
betrug. . . . . . . . 7566 Thlr. 19 Ser. 6 Bi. 

Es gingen ſeitdem Nr rn 285⸗- 20 - —⸗- 


Gefammtbetrag der Einnahmen -. -. . . 9753 = 9 =: 6: 
Die Außgabe betrug - 2 2 2 2.0232 -» Wi =» 6> 


Der gegenwärtige Beſtand der Kaffe der Ge⸗ 
ſellſchaft iſt dio . . . . . .. 7120 Shi. 18 Ser. 

Hierauf legte Herr Ritter zur Anſicht vor: 1. Karte von Serbien, i 
jerbifcher Sprache von Desjardins, und 2. ein Manufeript mit ven Reſult⸗⸗ 
ten der in der Mark Brandenburg von dem Ingenieur⸗Geographen und Lien⸗ 
tenant, Seren Wolff, nach allen Richtungen angeftellten Nivellements. Der 


Sitzungsbericht der Berliner geographifchen Gefellfchaft. 429 


Vortragende rühmte die außerorventliche Beharrlichkeit und Genauigkeit, wo⸗ 
mit Herr Wolff der Ausführung feiner Arbeit, wodurch die Köhenverhält- 
niffe aller nur irgend bebeutenden Punkte in ver Mark beflimmt worden find, 
fh unterzogen bat, und ſprach dabei den Wunſch aus, daß dies Werk viel= 
jährigen Fleißes balvigfl Eigenthum des größeren wifienfchaftlichen Publikums 
werben möchte, da bisher nichts Achnliches über vie Mark Brandenburg exi⸗ 
flirt Bat. — Herr Ritter las einen an den bisherigen K. Geſandten Rit⸗ 
ter Bunfen gefchriebenen und von viefem ihm zur Mittheilung an vie Gefell- 
fhaft eingefandten Brief des Dr. Barth aus Timbuktu vor und ſchloß an 
diefe Vorlefung einen längeren Vortrag zur Erläuterung des durch Barth's 
Meife nach Timbuktu gewonnenen Bortfchritts in der Kenntnig des Gonti- 
nentd an, indem er babei auf die ähnlichen Leiftungen früherer Zeiten bin- 
wies. (Der Vortrag ift bereits bier S. 313— 325 mitgetheilt.) Endlich hielt 
Herr H. Schlagintweit einen Vortrag Über die Verbreitung und die Höhen- 
verhältniffe der Gletſcher in den verfchievenen Alpengruppen, indem er bei fei- 
nen mehrjährigen Unterfuchungen in ven Alpengegenven den Einfluß der Bo⸗ 
bdengeftaltung, beſonders aber ven der Neigung der Abdachung und des Vor⸗ 
handenſeins mulvdenförmiger Thalbecken auf die Häufigkeit großer Gletſcher⸗ 
gebilde, fowie ferner den Einfluß ver Bletfcher auf die Flimatifchen Verhältniffe 
in den höheren Alpenregionen in Folge der von ihnen ausgehenven Falten 
Luftſtroͤme zum bauptfächlichften Gegenftande feiner Aufmerkfamkeit gemacht 
hatte. Zur DVeranjchaulichung ver von ihm gewonnenen Reſultate theilte er 
einige die Zahl, Ausvehnung, Größe und Höhe der Gletichermafien 
betreffende Angaben mit, die ſich weitläufiger in dem, mit feinem Bru- 
der A. Schlagintweit gemeinfchaftlih herausgegebenen großen Werk: „Neue 
Unterfuchungen über vie phnfitalifche Geographie und vie Geologie ver Als 
pen“ begründet finden. Die Zahl ver alpinifchen Gletfcher glaubt er auf 
1000 bis 1100 annehmen zu können, aber nur 60 davon haben vie Natur 
der primären, vie überhaupt ziemlich beflimmt begrenzt find, währenn ſich die 
Menge ver ſecundaͤren Gletfcher wegen ver ſchwierigen Ermittelung ver Raͤn⸗ 
der der einzelnen Maffen nicht fo leicht feftftellen laßt. Die erſte Art von 
Bletfchern iſt mweientlih auf ven Gentralfamm der Alpen befchränft, indem 
fit) außerhalb deſſelben nur einzelne Fleine Maſſen der Art da finden, wo 
beſondere Terrainerhebungen deren Bildung begünftigen. Dies if 3.2. au 
der Zugfpige und am Dachſtein in ver nörblichen Alpenregion oder an ber 
Vedretta Marmolatta in der ſüdlichen ver Kal. Das Areal aller alpinifchen 
@letfcher, worin auch das der fämmtlichen Schnee» und Eidmaffen ber 
Alpen inbegriffen ift, wenn fle auch nicht groß genug find, ein ſelbſtſtaͤndiges 
Firnmeer zu bilden, beträgt 50— 60 IM. oder 6— 7 Proc. desjenigen Gebiets 
der Alpen, welches überhaupt Gletſcher enthält. Die mittlere Auspehnung 
eine primären Gletfchers iſt ſodann nach des Vortragenden linterfuchung 5, 
die eines ſecundaͤren Gletſchers „, UM. Die Unterfuchung des unteren En- 


Al — 


430 Sigungsbericht der Berliner geographifchen Gefellſchaft. 


des der Gletſcher ergab als Reſultat, daß daſſelbe fi im Allgemeinen im 
6800 bis 6900 Fuß Höhe über dem Meeredipiegel vorſindet. Die primären 
enden nach unten zu: 

a. in den wefllicden Alpen bei 5000’ 2. 

b. in ven öfliden = = 6200’ = 


a. in ben wefllichen Alpen bei 6800’ 2. 
b. in ven öftlichen =» = 7000’ = 

Das Mittel der Schneegrenze liegt dagegen weit hößer, nämlich im tea 
wetlichen Alpen in 8350, in ven dftlichen in 8100’, am böchften aber ſteigt 
e8 am Monte Rofa, wo der Vortragende die Schneeregion erft in 9100 8.8. 
antraf. Eine Ueberficht der einzelnen primären Bletfcher im Alpengebiet um 
die Angabe über deren Höhe, die nach dem unteren Ende beſtimmt mwurz«, 
teilte Here Schlagintweit in folgender Tabelle mit: 

(Sie folgen fih von Welten nach Often.) 

Cottiſche Alpen. 1. Gl. de Arlefroide 5781’ 2. Gl. du Mont de Lans. 6773 


die fecundären 


Grajiſche Alpen. 3. EL dela@räve. 6009 4. EI. ve IArſine.... 545 
5. Jferegl. 
Penninifee Alpen. A. Mont Blanc. 
6. Mingegletfher . . . 4986 7. Brmvadl. ...... 4155 
8. Tresla Tetegl. 9. Bionaffoigl. ..... . 410 
10. Boffongl. ..... . 32T 11. Mer de Blace.... 433 
12. Argentieregl. 13. Tourgl. ....... 4884 
B. Monte Rofa. 
14. Bergl. 15. Torrentgl. 
16. Zinalgl. 17. Zurtmangl. 
18. Zmuttgl. ...... 6497'° 19. Somergl. ...... 567? 
20. Bettlinergl. 21. Lyöogl......... 622% 
(g. Garfteletgl. 8832’, einer ver böchften ſecundairen Gletfcher.) 

22. Macugnagagl.. . . . 49607 23. Sindelengl. ..... 6655 
24. Riedgl. 25. Taͤſchgl. 
26. Schwarzberggl. 27. Allaleingl. 
28. Feegl. 

Schweizer Alpen. 
29. Gafterengl. . . . 9341’ 30. fchingelgl. ... . . 5537 
31. Loͤtſchgl....... = 5800° 32. Großer Aletfchgl. 
33. Biefchergl.. .. . . . 4184’ 34. Unter. Grindelwaldgl. 3065 

(34 reicht unter den Gletfehern in den Alpen am tiefften herab.) 

35. Ober. Grindelwaldgl. 3757° 36. Nofenlauigl........ 4739 
37. Gauligl........ 5829’ 38, Unter» Aargl. . . . . 5818 
39. Ober Yargl. .. . . 6679 40. Ahonegl. ...... 5520 


41. Steinergl...... . 5943’ 





Sitzungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 431 
Rhätifche Alpen. A: Graubündten u. Borarlberg. 


42. Berninagl. 43. Palügl. ....... 5990’ 
44. Vermontgl...... 5721° 45. Jamthalergl. 

B. Ortles. 
46. Suldnergl. 47. Zufalgl. 


( M. Madatſchgl., 5500 fehr tiefes Ende eines ſecundairen Gletſchers.) 
O. Detzthaler Gruppe. 


48. Langtauferergl. 49. Gebaiſchgl. 
50. Sintereisgl. . . . . . 6768 51. Vernaglgl. (1847) . 6465’ 
52, Pigthalergl. 53. Marcellgl....... 6800’ 


54. Großer Oebtbalergl. 6600’ 55. Alpeinergl. 
Norifche Alpen. | 
56. Oberer Sulzbachgl. 57. Unterer Sulgbachgl. 
58. Habachgl. 59. Schlatengl. 
(S. Salmögl. 8404’, endet oberhalb ver mittleren Schneegrenze. ) 
Pafterzengl. ....... 5900’ 
Gumprecht. 


Sipung der Berliner Gefellihaft für Erdkunde 
am 6, Mai 1854. 


Herr Ritter berichtete über die chineftfche Geographie, welche unter dem 
Titel Hai kue Tuste, di. die oceanifchen Königreiche, in dem Jahre 
1844 zu Peling erfchien und einen Begriff von ven Anſichten und ver ges 
genmwärtigen Kenntniß der Ehinefen von dem Auslande geben kann, da es fei- 
ner Zeit von den gebilvetften Verfafiern und ven beften Kennern ver Geo- 
graphie herausgegeben wurde. (Der Vortrag wird in einem der nächften Hefte 
der Zeitfchrift erfcheinen. ©) — Herr Hermann Schlagintweit legte 2 Re⸗ 
liefe vor, von denen dad eine den Monte Mofa und feine Umgebungen, dad 
andere die Gruppe der Zugfpige und des Wetterfteines in ben bayerifchen Al- 
pen darſtellte. Beide find im Maßſtabe von 1 zu 50000, mit gleichem Ver⸗ 
haͤltniſſe für die Längen und Höhen nach feinen und feines Bruders Adolph 
Schlagintweit Karten und Profilen conflruirt. Das Melief des Monte Roſa 
wurde von Herrn Warnſtedt unter fpecieller Leitung des Verfaſſers aus⸗ 
geführt. Das andere bearbeitelen die Herren Schlagintweit felbft und zwar 
mit Zugrundelegung eines etagenförmig aufgebauten Gerüſtes von Aquibi- 
flanten Horigontalflächen, die von 1000 zu 1000 Fuß Höhenabftand fich folg- 
ten; fie werben getragen von vierfeitigen Prismen, vie im 50000 theiligen 
Mapftabe getheilt find. Die Aufnahmen und Höhenproflle waren zur Ver⸗ 
gleichung mit dem Reliefe beigefügt. Zugleich Tagen mehrere Anfichten aus 





432 Sitzungsbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 


dem Atlas zu den „Neuen Unterfuchungen über vie phyſikaliſche Geographic 
und die Geologie der Alpen“ vor, mit welchen vie verfchiedenen heile ver 
Meliefe unmittelbar verglichen werden Eonnten, und zwar auf folgende Weile: 
Eine große Concavlinfe wurde in einem Thale oder auf einem Bergabhange 
aufgeftellt, und nun das Auge des Beſchauers möglichft nahe gebracht. Wan 
erhielt dann die parallactifchen Berfchiebungen und die perfpectivifche Berännt- 
derung der Größe, welche ver Beobachter fieht, wenn er an demſel ben Punkte 
dem wirflichen Gebirge gegenüberfieht. Die Oberfläche des Monte Reis 
Reliefs umfaßt 16 geogr. AM., jene des Zugfyigenreliefd nahe 10 geogr. 
OM. Für beide war die mittlere Höhe berechnet, d. 5. die Höhe, welche ti 
ganze Terrainmaffe einnehmen würde, wenn fie auf derielben Grundflacht 
ganz gleichmäßig vertheilt wäre, die Höhe alfo, welche eine Flüſſigkeit ven 
gleichen Volumen. und auf gleicher Baſis, durch verticale Wände begrenzt, 
einnehmen würte. Für das Melief des Monte Roſa ergab fich „eine fold« 
mittlere Höhe = 9390 P. %., für das Relief der Zugſpitze 5250 P. F. Die 
abfolute Höhe beträgt für den Gipfel des Monte Roſa 14284, für jenen ter 
Zugfpige 9094 P. F. — Herr Solly zeigte einen von ihm erfundenen Wan⸗ 
derftab vor, welcher fih zu Höhenmeffungen auf Reiſen eignet, und erflärte, 
indem er diefen einfachen Meßapparat vollſtaͤndig aufftellte, auf welche Weiſe 
man mit demfelben zu verfahren babe, um fowohl Höhen» als auch horizon⸗ 
tale Winkel zu beftimmen. — Herr Walter fprach über die Temperatur des 
öftlichen Aſiens, bedingt durch die daſelbſt Herrfchennen Winde. Das Reſul⸗ 
tat des Vortrages ift, daß daß Öftliche Aſien, weil vafelbft im Winter Ealte 
Landwinde, im Sommer aber feuchte Seewinde vorberrfchen, nothwendig eime 
niedrige Mitteltemperatur haben müſſe. — Zum Schluß fprah Herr Wol⸗ 
fers über den Inhalt der als Gefchenf für die Bibliothek der Geſellſcheft 
eingegangenen Schrift: Nachricht von der Vollendung der Gradmeflung zei- 
hen der Donau und dem Eismeere. In berfelben wird eine kurze Ueber 
ficht aller ausgeführten Grabmefjungen gegeben, und nachdem gezeigt war, 
wie Beſſel aus 10 der vorzüglichften Gradmeſſungen bereits das wahrſchein⸗ 
lichſte Refultat für die Groͤße und Geflalt der Erbe abgeleitet habe, wurte 
angebeutet, wie dieſes Reſultat durch die über 25 Grad umfaflende ruſſtſche 
dann durch bie über 21 Grad ausgedehnte oſtindiſche, und endlich durch wie 
mehrere Grade unfaflende Gradmeſſung von Maclear am Vorgebirge ver gu- 
ten Hoffnung ferner berichtigt und beftätigt wird. Gumpredht. 


IX 


Die Torreöftraße, Neu-Guinea und der Louifiade- 
Archipelagus. 


Erfter Abſchnitt. 


Die gefammte invifche Welt, vom Ausgange des arabifchen Meer: 
bufens bis zu den Philippinen, ift in der neueften Zeit gleichfam elek 
trifch berührt worden. Sie liegt jeht nicht mehr, wie in den früheren 
Zahrhunderten, gleichfam „am Ende der Welt”, fondern fieht fich fo 
recht in die Mitte des Weltverfehrs Hineingerüdt. Das ift 
nun ihre neue Stellung, durch welche fie eine eminent größere Bedeu⸗ 
tung gewonnen hat, als je zuvor. Diefer Ausſpruch gilt nicht bloß 
don der indifchen Halbinfel und namentlich von den verfchiebenen Thei⸗ 
fen des großen Archipelagus; er hat auch Geltung für China, defien 
Pforien geöffnet find, für Auftralien, wohin der Zug der Auswande- 
rung mafjenweife fih gelenft Hat, und für manche Infelgruppe im 
Großen Ocean. Alles geftaltet fi um in dem ungeheuern Raume 
von Aden bis San Francisco, vom VBorgebirge der Guten Hoffnung 
bis zu den chilenischen Hafenplägen; hundert und aber hundert Punkte, 
welche bis vor Kurzem in vereinfamter Ferne lagen, find nun in den 
Bereich des Welthandels gezogen und zu wichtigen Bactoren in ben 
Berechnungen der Eolonialpolitif geworden. 

Küftenftreden ganzer Eontinente, Gilandgruppen und Waſſerbah—⸗ 
nen, welche, früher im Weltverfehr von untergeordneter Bedeutung, 
theilweife verödet dalagen, wirken alfo heute fchon beflimmend ein; 
fie find activ geworden. Diefer Umfchwung ift ein Ergebniß der 
Goldentdedungen in Californien und Auftralien. Sie allein wür- 

Zeitfehr. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 28 





434 Andree: 


den hingereicht haben, dem Handel neue Wege zu eröffnen und bie 
Schifffahrt auf allen Meeren zu fleigern, aber ohne die oceanifche 
Dampfichifffahrt, deren eigentlicher Beginn in das Jahr 1837 fälk, 
wären die Wirfungen auf das gefammte Güterleben weder fo raſch 
und umfaſſend gewefen, noch hätten fie in wenigen Jahren fo tief und 
entfcheidend alle Verkehröverhältnifie zu berüßren und theilweife von 
Grund aus umzugeftalten vermodht. 

Seit 1841 braucht man nicht mehr um Afrika herumzuſteuern, 
um zu den Schägen Indiens und Auſtraliens zu gelangen; auch be 
dürfen dieſe nicht des ſchwierigen weiten Landweges, um die europür 
fchen Märkte zu erreichen. Eine ſchmale Landenge trennt beide nod, 
und biefe wird eben jetzt mit Schienenfträngen belegt. Die oceanifchen 
Handeldwege der drei legten Jahrhunderte haben Nebenbuhler erhalten, 
welche ihnen einen erfolgreichen Wettbewerb machen. Die ganze weik 
Südfee, die Küften dreier Continente befpülend, ift heute gleichfam cin 
afiatifch- amerifanifcher Golf geworden; man betrachtet fie wie ein Mit 
telmeer, und die „Küftenfchifffahrt” der Nordamerikaner hat eine Aus 
dehnung von Portland in Maine bis zu den Häfen am Puget⸗Sunde. 
Die alten Begriffe von langer und von kurzer Fahrt gelten kaum ned 
unter den Seeleuten, feitvem der Große Ocean mit feiner Handelsbe 
wegung nicht mehr hinter dem atlantifchen Meere zurüdbleibt, und die 
Walfiſchfahrer ihre Expeditionen bis in das dritte und vierte Jahr 
ausdehnen. 

Im Jahre 1846 betrug die weiße Bevöfterung Galiforniens etwa 
15000 Seelen; fie war 1853 auf 275000 geftiegen '). In den erſten 
Fahren lieferte jener Staat nichts in den Welthandel, in dem lehyten 
beitrug die Ausfuhr ſchon 82,300,399 Dollars, während die fümmi- 
lichen Staaten der norbamerifanifchen Union auf der atlantifchen Seite 
für 154,931147 Dollars erportirten. Das ſteuerpflichtige Eigenthum 
Ealiforniend wurde auf 100,000000 Dollars gefhägt ?). Diefes Em 
porblühen fleht in engem Zufammenhange mit dem Aufſchwunge ande 
rer Handelöhäfen am Großen Ocean; auch in Chile entfaltet fich eine 
große Ihätigfeit. Es wirkt aber auch nach Weften hin. Die He 
waii⸗Gruppe wird heute nur noch als ein Brüdenfopf von San Bram 


!) ©. hier I, 68. G. 
2) Bolſchaft des californiſchen Gonverneurs Bigler vom 2. Jannar 1854. U 





Die Torreöflraße, Neu⸗Guinea und ver Kouiflade- Archipelagus. 435 | 


ciſsco betrachtet; fie ift ein Haltplag für Die Seefahrer, welche nach 
China gehen, wohin man im Laufe des Jahres 1854 die Dampfichiff- 
fahrt eröffnete, nachdem eine Linie zwifchen Panama und Sidney be 
reits hergeftellt worden war. Man fährt alfo ſchon mit Dampf um den 
Erdball. Alles drängt darauf hin, die Weltmeere und die Gontinente 
in die engfte Berbindung zu fegen und möglichfi an Raum, Zeit und 
Koften zu fparen. Bon mehreren Seiten her ftrömt die neue BVölfer: 
wanderung in die Länder und zu den Infeln im Großen Ocean. 
Hier find die Rordamerifaner durch ihre Weltlage ganz entfchies 
den im Bortheil über Europa; ihre Küften werden von beiden Ocea⸗ 
nen befpült; fie liegen vecht eigentlich in der Mitte der Oceane, und 
dnech den Befig von Californien und Oregon find fie den Eilanden 
im Stillen Weltmeere, Japan, China und dem Inpifchen Arcchipelagus 
nahe gerüdt. Einem Bolfe, das fich durch feine oceanifche Spürfraft 
in fo hohem Grade auszeichnet, mußte der Vorfprung, welchen ihm die 
günftige Lage feiner Helmath vor den feefahrenden Nationen Europa’s 
voraus giebt, fogleich einleuchten. Und in der That fehen wir, daß die 
Hords Amerikaner mit allem Nachdruck darauf hinarbeiten, den Handel 
zwoifchen der aftatifchen Oftfüfte einerfeits und Auftralien andererfeits über 
Amerika zu lenken. Sie fagen es mit Dürren Worten, daß fie dann Regus 
latoren des Welthandels fein würden. Um dieſes Ziel zu erreichen, 
wollen fie die große Eifenbahn vom Mifftfippi nach Californien bauen; zu 
demfelben Zwede find fie auf dem Iſthmus von Tehuantepec, in Ricaras 
gua und auf der Landenge von Panama thätig. nd jollte einft der 
Schifffahrtscanal von Darien eine vollendete Thatfache werden, fo 
würde der Hauptoortheil abermals den Nordamerifanern zu Theil wer- 
ven, weil fie von beiden Seiten her am nächſten zue Hand fein fün- 
nen. Mit Recht legen fie indefien das größte Gewicht auf die Her: 
ftellung der Großen San Francisco Miffifippibahn; denn fie wird den 
einzigen fpecififch-nordamerifanifchen Verkehrsweg bilden; fie muß mit 
unbedingter Nothwendigkeit dem Welthandel und mit ihm der ganzen 
Eulturftrömung eine neue Richtung geben. Wenn heute Ehinefen zu 
Taufenden in Ealifornien einwandern, fo wird von nun an auch der 
Dften der alten Welt neue Bildungsfreife aus dem Welten der neuen 
Welt empfangen auf einem Scienenwege, der ein Hauptabzugscanal 
für den in riefigen Berhältniffen anwachfenden Productenüberfchuß der 
28 » 





436 Andree. 


Vereinigten Staaten werden muß. Die Bahn wird jedenfalls einen 
gemäßigten Himmelsftrich durchziehen, die Beförderung von Lebensmit- 
teln möglich machen und den Austaufch aftatifcher, oreanifcher, eure: 
päifcher und nordamerifanifcher Erzeugniffe vermitteln. Man ſieht, 
daß bier die Beziehungen von vier Erbtheilen in Frage fommen. Sobale 
der Handel zwifchen Europa und Oſtaſien zu beträchtlichem Theile über 
Amerika geht, fo kann e8 nicht fehlen, daß gerade die Amerikaner fir 
den größten Theil der Erde Frachtfahrer zu Land und See werden '). 

Man begreift fomit leicht, weshalb die Rorbamerifaner Dem japı- 
nifchen Kaiferreiche, den chinefiichen Häfen und den Infeln ſowohl in 
der Süpfee, wie im Archipelagus, fo große Aufmerkjamfeit zuwenden: 
fie alle find ihnen von Bedeutung für den Abſatz ihrer Manufacturen 
und wegen lohnender Rüdfrachten. Schon feit 1833 haben fie eigene 
Handeldagenten im aftatifhen Often, die bald in Cochin⸗China und 
Siam, bald bei den Häuptlingen auf Borneo, Sumatra und anderen 
Inſeln erfcheinen, mit denfelben Verträge abfchließen und fie durch Ge— 
fchenfe zu gewinnen juchen ?). Im Sabre 1853 lief Commodore Barıy 
auf feinem Slottenzuge gegen Iapan an den Bonin-Infeln an und 
wählte Bort Lloyd auf der Peels⸗Inſel zur Kohlenniederlage und zum 
Anhaltepunkte für die Dampfer, welche fünftig von San Francisco 
über Honolulu nad China fahren. Der directe Verkehr der Vereinig⸗ 
ten Staaten von Rorbamerifa mit Britifch-Indien, dem Archipelagus, 
den Infeln des Großen Oceans und China wurde für 1853 auf rei» 
lich 30,000000 Millionen Dollars gefhäbt, und 1850 clarirten in 
den Vereinigten Staaten nach dem „weſtlichen Meere * 307 Schiffe 
von 140000 Tonnen Gehalt. Davon gingen nah China 112, nad 
dem holländifchen Indien 18, Englifch -Oftindien 99, nach Manila und 
den Philippinen 48, nach der Südfee, die Walfifchfahrer ungerechnet, 


2) Ein amerifanifcher Ingenieur, Mobert Mills, der eine neue Locomotive er: 
funden hat, berechnete die Fahrt von St. Lonis am Mifjifippi nad San Frazrike 
auf 33 Stunden, von dort die Fahrt mit dem Dampfer nah Schangshai anf 14 Tage: 
ven Anfenthalt in dem chinefifchen Hafen auf drei Zage veranfchlagt, kann man we 
Gins und Heerreife in etwa 36 Tagen abmachen. Zugegeben, daß bier einige Ueber 
treibung ftattfindet, fo ift doch feinem Btroeifel unterworfen, daß eine ſolche Reit 
fünftig in etwa 48 Tagen wird zuräcgelegt werben Können. a. 

2) Proceedings of the New York historical society, 1846. S. 201. u. 





Die Torresftraße, Neu-Guinen und der Louiflade-Archipelagus. 437 


30 Schiffe. Neuerdings find auch die Fahrten nad Auftralien für 
den amerifanifchen Handel von großer Erheblichfeit geworben. 

Man begreift unter ſolchen Umftänden, Daß die Englän- 
der Feine Anftrengungen fcheuen, um einem fo rührigen und mächti- 
gen Nebenbuhler die Spige zu bieten. Beide Völker wetteifern, einan- 
der den Rang abzulaufen und möglichft viele ocennifche Dampfer in 
See zu bringen. Diefe beiden Nationen monopolifiren gegenwärtig den 
trandatlantifchen und oceaniſchen Dampfſchifffahrts⸗Verkehr, doch haben 
im Orient und Auftralien die Engländer jedenfalls noch auf lange Hin- 
aus den Vorfprung. Wie großen Werth fie darauf legen, ihn zu bes 
haupten, ergiebt fich fchon daraus, daß fie mit möglichfter Eile die 
Dampferlinie zwifchen Banama und Sidney in’d Leben riefen, um den 
Amerifanern zuvorzufommen. Der Schwerpunft der englifchen Eontis 
nentalpolitif Tiegt fchon feit langer Zeit nicht mehr im Weften. Es 
giebt auf dem umerifanifchen Feſtlande britifche Niederlaffungen nur 
noch in Canada und im Norden des Puget⸗Sundes, in Honduras 
und Demerara. Die weftindifchen Eolonien find durch die Negereman- 
cipation, welche den Schwarzen nichts nüßte und die Weißen zu Grunde 
richtete, zu relativer Bebeutungslofigfeit herabgevrüdt worden. “Dies 
begreifen die Engländer; fie fuchen fi daher im fernen Orient und 
in Auftralien zu entfchäbigen, wo fle darauf rechnen fönnen, ben 
amerifanifchen Nebenbuhlern gewachfen zu fein. Auf den Plan des 
Gapitain Synge, eine Bahn von Halifar, oder genau ausgebrüdt vom 
weftlichen Ufer des Oberen Sees, zumeift im Norden des 50. Breiten- 
grades bis zur Mündung des Fraſer, der Vancouver⸗Inſel gegens 
über, zu bauen, ift man in London begreiflicherweife nicht eingegan- 
gen *); man fieht aber aus demfelben, wie gut in England die Wich- 
tigfeit eines Schienenweges durch Amerika begriffen wird. Mit Recht 
zieht man es jedoch vor, die Kräfte nicht zu zerfplittern, und wendet 
den Blick vorzugsweife nach Often. Die vorberindifche Halbinfel ift 
im unbeftrittenen Eigenthum der Engländer, Birma’d Macht gebrochen, 
mit Siam ein freundlicher Verkehr im Gange, China eröffnet. Singas 
pura blüht von Jahr zu Jahr mehr empor, an der Rordweſtkuͤſte von 

1) Proposal for a rapıd Communication with the Pacific and the East, via 


British North America. By Captain M. H. Synge; im Journal of the Royal geo- 
graphical society of London, Vol. XXII (1852). ©. 174 bis 200. A 





438 Andree: 


Borneo gilt britiſcher Einfluß, Holland's Macht in jenen Gegenden iſt 
lange ſchon überflügelt worden, die Spanier find auf die Philippinen 
befchränft, und Portugal hat von feinen früheren Befigungen nur noch 
einen Theil der Inſel Timor behaupten können. Zwar der Bertrag, 
welchen Holland 1824 mit Großbritannien abfchloß, geftattet dem Ich 
ten nicht, feinen Einfluß auf die Infeln auszudehnen; nichts deſto we⸗ 
niger ift Pulo Labuan eine englifche Beſitzung geworden, und wenn 
die Dampffchifffahrt zwifchen Singapura und Auftralien die Beſinahme 
eines Punktes im füdöftlichen Archipelagus erfordern follte, fo wird 
ohne Zweifel auch ein folcher gefunden werben. 

Denn auf die englifche Eolonialpolitif wirft Auftras 
lien beſtimmend ein. Bei feiner trefflichen Weltlage iſt dieſer bis 
her nur an einzelnen Randftreden befiedelte Erdtheil langſam zwar, 
aber ficher zu Gedeihen erwachien, und noch ehe Gold gegraben warte, 
hatte er durch feinen Weizen und feine Wolle, durch Pferde und Ku- 
pfer eine große commercielle Bedeutung gewonnen. Er bildet im Süd⸗ 
often gleichfam den Abfchluß der großen öftlichen Eilandflur. Nun iR 
er auf einmal durch das edelfte Metall und die Dampfichifffahrt in den 
großen Wellenfchlag des Weltverkehrs gezogen und für den englifchen 
Handel doppelt fo wichtig geworden, als Weftindin. Die Bevölle⸗ 
zung hatte in den zehn Jahren von 1839 bis 1848 zugenommen in 
Neu⸗Suͤdwales um 93 Procent, in Ban Diemensland um 59, in 
SudsAuftralin um 286, in Wer-Auftralin um 107 Procent; fe 
war von 170676 Seelen auf 333764 geftiegen. Zu Ende des Jah 
red 1853 Hat fie die Ziffer von 500000 ficherlich erreicht; weit ſtärker 
in Berhältniß ift aber die Waareneinfuhr gefliegen. Während Groß 
britannien im Jahre 1850 nach Weftindien für 2,030229 Dollars er⸗ 
portirte, gingen nach Auftralien für 2,602235 Pfund Sterling; fir 
das verflofiene Jahr kann man ohne Mebertreibung diefe Einfuhren auf 
vier Millionen veranfchlagen. Melbourne allein erportirte veichlih 
7 Millionen Pfund Sterling Gold, während in den übrigen Golonien 
die Ausfuhren von Wolle, Getreide, Kupfer, Talg und Pferden kei⸗ 
neswegd abnahmen. Bon der Steigerung des Verkehrs erhält man 
einen Begriff, wenn man ſich daran erinnert, daß das Poſtamt zu 
Melbourne 1838 einen einzigen Beamten hatte; diefe Zahl flieg 1851 
auf 15, aber 1853 waren 63 Beamte nicht hinreichend zur Beforgung 











Die Torresſtraße, Neu⸗Guinea und ber Louiflade- Archıpelagus. 439 


der Gefchäfte. Bom 1. Januar bis 1. Juni 1853 liefen 897000 Briefe 
und 638000 Zeitungsblätter ein, während im Jahre vorher die Ges 
fammtmenge der erften 890000, der legten 639000 betrug. 

Bei diefer fleigenden Wichtigkeit Auftraliend wurde eine vegelmä- 
ige Verbindung mit Indien und Europa durch Dampfichiffe unbes 
dingt nöthig. Schon im Jahre 1843 faßte man ven Plan, eine Poſt⸗ 
verbindung zwifchen Sidney und Port Effington herzuftellen; unſer 
unglüdlicher Landsmann Ludwig Leichhardt bewies durch feine Er: 
pedition, daß fie möglich fe. Aber fie würde nicht ausgereicht haben; 
fie mußte direct fein, wenn fie dem Bebürfniß entfprechen follte. Der 
gefehgebende Rath von ReusSübwales fprach fich für eine Fahrt durch 
die Torresftraße aus, Suͤd⸗Auſtralien dagegen verlangte eine foldhe 
über das Borgebirge der Guten Hoffnung und um das Cap Leeuwin, 
Andere befürworteten eine Linie von Panama her. Gegenwärtig hat 
Auftralien Dampfichifffahrts - Verbindungen auf allen drei Wegen; Eng» 
land fnüpft die Bande, durch welche es mit einer der jüngften feiner 
Colonien verbunden ift, immer enger und fefter, und hat dazu um fo 
dringendere Veranlaſſung, da während der ‚legten Jahre auch Frank: 
reich angefangen bat, fi) im Großen Ocean fehr thätig zu zeigen. 
Diefe Macht maßte ſich bekanntlich ein Protectorat über die Gefells 
fchaftsinfeln an, nahm die Marquefas und neuerdings aud) Neus as 
ledonien, auf welches die Engländer längft ihr Auge gerichtet hielten, 
in Beſitz. Franzoſen zeigen fich häufig auf den Eilanden des Tongas 
und des PomotusAcchipelagus; offenbar ftreben fie danach, im mittles 
ren Oceanien feften Fuß zu gewinnen. Auf vielen dieſer Infeln ges 
deihen dieſelben Producte, wie in Wetindien, fie haben zumeift ein 
gefundes Klima, in welchem auch der Weiße Feldarbeit verrichten kann, 
und fie würden für den Welthandel Wichtigfeit erlangen, wenn die 
Franzoſen eine Begabung für Gründung von Colonien hätten. Eine 
folche aber fehlt ihnen, und deshalb werben fie commerciell feine ges 
fährlichen Nebenbuhler der Engländer werben, wohl aber politifch uns 
bequeme Nachbarn fein. 

Diefe legten begreifen, daß fie zwifchen Singapura und Sidney 
Stationspuncte anlegen müflen. So lange fie in Folge des mit Hol 
land gefchlofjenen Vertrages vom Archipelagus ausgefchloffen find, wird 
es in ihrem Intereſſe liegen, an der Nordfüfte Auftraliens Häfen zu 





440 Andree: 


eröffnen, welche den Schiffbrüchigen ald Zufluchtsorte und den Damı- 
pfern ald Niederlagspunfte für ihren Kohlenbedarf dienen. Derglei⸗ 
chen Punkte wurden zur unbebingten Nothwendigfeit, feitvem die Tor⸗ 
resftraße, trotz aller "Gefahren, eine fo wichtige Fahrbahn für den 
Welthandel geworben if. Bis jest fehlt es in derſelben an einem 
eigentlichen Zufluchtshafen; der nächftliegende für verunglüdte Seefah⸗ 
rer befindet fih in dem eilfhundert englifche Meilen entfernt liegenden 
Hafen Kupang auf Timor. Ein Hafen am Cap York, an der Nord 
ſpitze Auſtraliens, würde zum Erfrifhungspunfte dienen, die Eingeber 
nen im Zaume halten und auf den Verkehr mit dem benachbarten Raus 
Guinea belebend wirken. WMacgillivray meint, am oberen Mavflufe 
eine geeignete Dertlichkeit für einen folhen Hafen gefunden zu Haben '). 

Die Verſuche ver Engländer, in Nord» Auftralien Niederlaſſungen 
zu gründen, find bis auf den heutigen Tag leineswegs vom Glüd be 
günftigt worden. Sie haben dabei, etwa einen einzigen Fall ausge 
nommen, die von den Umftänden dringend gebotene Umficht und Klug 
heit in ganz auffallender Weife vernadhläffigt. Flinder s begann bie 
Unterfuchung der Norbküfte 1802 etwa dort, wo Eoof aufgehört hatte: 
King führte fie 1818 und in den ‚nächftfolgenden Jahren weiter, und 
fand auch den fpäterhin fo viel befprochenen Hafen Effington, den er 
als geeigneten Punkt für eine Nieverlafiung bezeichnete, weil derſelbe 

naheden Moluffen und in der directen Berbindungslinie zwifchen Fa 
bien und Port Jadfon (Sidney) liege; außerdem könne man von ie 
aus die Torresſtraße beherrfchen. 

Der Plan, an der auftralifhen Norbfüfte eine Rieberlafiung zu 
gründen, war aus den oben angebeuteten Gründen offenbar durch⸗ 
aus zwedmäßig. Die englifche Regierung wollte ihn ausführen laf 
fen. Zu diefem Behuf fandte fie 1824 ven Eapitain Gordon Bre 
mer von Sidney nad Port Effingten; er nahm die Küfte zwiſchen 
129 und 135° öfll. L. in Beſitz. Als er aber in der Nähe feines 


2) Narrative of the Voyage of H. M. S. Rattlesnake, commanded by th 
Iate Captain Owen Stanley during the ycars 1846— 1850. Including discore- 
ries and surweys in New Guinca, the Louisiade. Archipelago etc.; to wich is sd- 
ded the account of Mr. E. B. Kennedy’s expediüon for the cxploration of the 


Cape York Peninsula. By John Macgillivray, naturalist to the expedition. 
London 1852. 2 Vols. 2. 





Die Torredftraße, Neu» Guinea nnd der Rouiflade» Urchipelagus. 441 


Zundungsplages kein Trinfwafler fand, fteuerte er weftlich nach der 
Inſel Melville, wo er an Kings Eove, in der Apoleyſtraße, welche 
Melville von Bathurft: Eiland trennt, das Fort Dundas anlegte. 
Allein die Niederlaffung wollte nicht gedeihen, und nad) vier Jahren, 
im März 1829, wurde fie verlaffen. Auf ein ſolches Refultat war man 
fon längere Zeit gefaßt gewefen, davon zeugt die Fahrt des Capitain 
Stirling, der fhon 1827 von Sidney aus nach der Raffles- 
- bai, an der Halbinfel Coburg, einige Meilen öftlih von Port Effing- 
ton, gefegelt war und Fort Wellington gegründet hatte. Nach man- 
hen blutigen Zwiften mit den Eingebornen fehlen die Anſiedelung ge: 
beihen zu wollen, als plößlih, im Auguft 1829, Befehl anlangte fie 
aufzuheben. Die engliihe Regierung legte damals größeres Gewicht 
auf die Niederlaffung, welche am Schwanfluffe in Weftauftralien ges 
gründet worden war. 

Aber nach einiger Zeit lehrte die Erfahrung, wie wichtig eine 
Anſiedelung in RordsAuftralien fe. Um den Mannfchaften der etwa 
in der Torresftraße gefcheiterten Fahrzeuge einen Zufluchtshafen zu ges 
währen und mit den Infeln im füblichen Archipelagus Handel zu trei- 
ben, follte abermals em Verſuch gemacht werden. Es wirkten aber 
auch politifche Beweggründe auf diefen Entfchluß ein. Man wollte 
namlich den Franzofen zuvorfommen, die in Toulon eine Erpebition aus⸗ 
rüfteteten, um gleichfalls in Nord-Auftralien feften Buß zu gewinnen. 
Eine ſolche Nieverlafjung wäre offenbar für den engliihen Verkehr 
zwifchen Indien und Sidney unbequem geworden. Deshalb erhielt 
abermals Gordon Bremer Befehl, 1837 nah Bort Effington zu 
feuern, wo er Victoria gründete. Aber auch hier war von Anfang 
an fein Gedeihen; man gründete nicht eine Niederlaffung, fondern 
einen Militairpoften. Nach Berlauf von eilf Jahren baueten die Ans 
fledler noch nicht einmal Feldfrüchte genug, um vom Ertrage des Ader- 
baues Mundvorräthe in binlänglicher Menge für fich allein, gejchweige 
denn für anlaufende Schiffe zu haben; der Boden der Umgegend war 
zur Agrikultur völlig ungeeignet. Als Margilliveay dieſes Bictoria 
1848 befuchte, fand er Alles im Häglichiten Zuftande, felbft das Kran- 
fenhaus war ohne ein ordentliches Dad. Das Klima ift ungefund, 
die Leute waren theild Frank, theils von Fiebern hinweggerafft wor⸗ 
den. Man hatte Victoria ſechszehn engliſche Meilen vom Meere ent- 








442 Andree: 


fernt an einem vom Lande umfchlofienen Hafen gebaut; die Hige wur 
ſchwuͤl und drüdend. Kaum vierhundert Schritte von der Niederlaß 
fung entfernt, lag ein großer, mit Mangrovebäumen beflandener Sumpf, 
aus welchem Efel und Unwohlfein erregende Dünfte aufqualmten ©e 
gab man gegen Ende des Jahres 1849 auch dieſe Nieverlafjung wi: 
der auf. 

Die Gefchichte ihrer Gründung iſt von einem fehr verſtaͤndigen 
Manne ausführlid gefchildert worden '). Ihm zufolge wäre bes 
Klima der Halbinfel Coburg fo vortrefflich, wie man es nur irgendwe 
zwifchen den Wenbefreifen finden kann, aber einzelne Punkte find ⸗ 
ungefund, daß auch die Eingebornen an benfelben zu leben nick im 
Stande find. Dahin gehört 3. B. Port Bremer, ein rings vom Jane 
eingefchloffener Hafen öftlih von Port Effington, wohin ſich wer 
die Landesbewohner, noch die Tripangfifcher aus Macaffar wagen; die 
legten vermeiden auch forgfältig den inneren Hafen im Port Gffungtmn, 
obwohl derſelbe veih an Holothurien if. In Bictoria zeigten ſich in 
den erflen vier Jahren wenige Fieberfranfheiten. Bon 1842 an bi 
aber Riemand von dergleichen verſchont. Die Malaria befchränfte Rd 
auf die Küften des inneren Hafens, über dieſelbe ging fie mh 
hinaus. 

Earl's Betrachtungen find fo Har und verfländig, daß wir eat 
wefentliche Punkte aus venfelben hervorheben. Sümpfe und Schlamm 
banfe in der Nähe tropifcher Nieverlaffungen find ohne Zweifel dw 
Hauptquelle der böfen Luft, fie allein machen aber unter gewiflen do 
dingungen einen Platz noch nicht ungefund. Singapura und Sms 
baya gehören zu den gefundeften Orten im invifchen Archipelague, u 
doch ift der volfreichfte Theil der erſten Stadt auf einem Mangrow 
fumpf erbaut worden, der fi) noch eine Strede weit landein himich: 
bei Hochwaffer dringt das Meer fogar in die Straßen und Hänft 
Auch die Vorflüdte liegen niedrig, haben ſechs Monate im Jahre Re 
gen, und vor der Küfle find große Schlammbänfe bei Ebbe troden 
Trotz alledem hat Singapura feine Fieber und gilt für fo gefund, ba} 
Invaliden zur Herftellung ihrer Kräfte dorthin gehen. Gurabaya H 

2) Enterprise in Tropical Australia by G. Windsor Earl, linguist 0 ik 


North Australian Expedition, and commissioner of crown lands for Port Eflingioe 
London 1846. &. 12 bie 72; 90 ff. 0. 


Die Torresſtraße, Neu⸗Guinea und der Rouiflades Archipelagus. 443 


von Mangrove- und Süßwafferfümpfen völlig umgeben und dennoch 
fieberfrei. Diefe auffalleride Erjcheinung erklärt ſich daraus, daß beide 
Pläge an engen Meereöfiraßen liegen, durch welche vie erfrifchende 
Fluth mit großer Heftigfeit firömt. Dagegen find alle von Land 
umfchlojfenen Häfen ungefund. Gerade ſolche Punkte laſſen 
fich leicht vertheidigen und eignen ſich zur Anlage von Seezeughäufern, 
aber fie zehren Menfchenleben auf. Der innere Hafen von Amboina ift 
in jeder Beziehung ausgezeichnet; die Holländer mußten aber mehr: 
mald den Plan aufgeben, dort ein Arfenal zu bauen. Lombod hat 
einen prächtigen Binnenhafen; nichts defto weniger anfern die Schiffe 
auf der unfichern Rhede. „Im indiſchen Archipelagus liegen die ges 
fundeften Punkte an offenen Häfen; naͤchſt ihnen folgen jene am Ufer 
fchiffbarer Ströme oberhalb des Salzivaflerd; offene Buchten find nicht 
zu empfehlen und die von Land umfchlofienen Häfen find gleichfam 
Kiederlagen für Alles, was der menfchlichen Gefunpheit nur Schaden 
bringen kann.“ Diefe Umftände hat man häufig außer Acht gelafien. 
Die oftindifche Compagnie wollte zwei Mal auf den Adamanen Ries 
derlaffungen gründen, am Port Chatham und Port Cornwallis; beide 
mußten aufgegeben werden. Die Holländer waren an der Südweſt—⸗ 
füfte von Neu⸗Guinea in der Torresbai, wie wir fpäter zeigen wers 
den, eben fo unglüdlih. Die beveutendften Niederlaffungen der Euro- 
päer im Archipelagus find urſpruͤnglich Wohnorte der Eingebornen, mit 
Ausnahme Batavlas, uud diefes ift höchft ungefund in den unteren 
Stadttheilen. | 

Weiter oben wurde auf die große Bereutung einer Dampfichiff- 
fahrtöverbindung zwifchen Sidney und Singapura hingewiefen. Die 
engtifche Regierung fah ſchon 1846 voraus, daß eine ſolche in ben 
nächften Jahren in's Leben gerufen werden müfle; fie wollte daher bie 
Kordoftfüfte Auftraliens und die Torresftraße genauer auf 
nehmen laffen, und rüftete zu diefem Zwecke eine neue Expedition aus, 
welche Gapitain Owen Stanley befehligte.e Er führte das Schiff 
Rattleſnake von 24 Kanonen, weldhem in Auftralien ein zweites 
Fahrzeug, die Bramble, beigegeben wurde. Die Verhaltungsbefehle 
der Apmiralität hoben hervor, daß viele aus der Suͤdſee und dem öft- 
lichen Auftralien Hinfegelnden Schiffe den Weg durch die Torresftraße 
wählen und Durchfahrten in dem großen YBarriereriff fuchen, welches 





444 Andree 


ſich vor der Oſtküſte Auftraliens non Süden nad) Norden Hinzieht; 
um die practicabeln Ducchfahrten näher zu beflimmen, war Gapitain 
Bladwood zur Aufnahme jenes langen Zuges von Riffen befehligt 
worden. Dwen Stanley follte die Aufnahmen King's ergänzen umb 
namentlich von der Harveybucht, alfo vom Sandcap nach Norden bin, 
das enge Fahrwaſſer unterfuchen, welches zwiſchen ber Küfte und dem 
vor derſelben hinziehenden inneren Barrierenriffe liegt und ale die Ins 
Shore-Paſſage befannt ift. Dort kam ed darauf an, die Lage 
der Dertlichfeiten genau zu beftimmen, überall zu peilm und zu le 
then, darauf die Torreöftraße zu unterfuchen und genau einzelne Theile 
des Korallenmeered zu erforfchen, namentlich den Archipel der Loui- 
fiade; die Süpweftfüfte von Neus Guinea dürfte nur bis dahin befah⸗ 
ven werben, wo bie Holländer Feine Anfprüce mehr erheben... Als 
Naturforſcher begleitete Macgillivray die Erpedition '). Die Ratt⸗ 
lefnafe verließ Plymouth am 11. December 1846, befuchte Funchal, 
Rio Janeiro, die Simonsbay, Mauritius, Hobarttown und Sibnen, 
wo der Schooner Bramble ihr beigegeben wurbe, und begann am 11. 
October 1847 die erfle Kreuzfahrt nach Norven, der Küſte entlang, 
zur Moretonbay und zum Port Curtis, wo im Januar 1847 um 
ter Oberftlieutenant Barney von Sidney aus die Colonie North 
Auftralia gegründet werden ſollte. Auch dieſer Berfuch, auf wel 
hen man die Summe von 15000 Pfund Sterling verwandt. hatie, 
fchlug fehl. Der Hafen wird aber troßdem von Bedeutung werben, 
weil die Squatterd ſchon bis dahin vorgedrungen find, die Gegend 
fruchtbar ift und Holz in Menge hat. Port Eurtis hat Facing I% 
land nach Often, Curtis Island im Rorden und die Küfte im We 
ften. Auf der erftgenannten Infel ftand Gladſtone Settlement, 
eine armfelige Niederlaffung. Die ganze Küfte im Norden des Wende 
freifes ift Außerfi arm an Waſſer. 


1) Sein obenerwähntes Werk ift in ber biffufen Art verfaßt, in welcher be 
Engländer gewöhnlich ihre Neifewerke zu fehreiben pflegen. Man muß das Zufjam 
mengchörende an zwanzig verfchievenen Stellen fuchen, das Stuvium tft daher fehr 
mähfam. Ueberall disjecta membra. Humboldt’s meifterhafte Art, vie Stoffe logiſch 
und Annig zu ordnen, das Gleichartige überfichtlich neben einander zu gruppiren, feize 
Ieiegeltiare Durchſichtigkeit und einfache Darftellung haben freilih kei den Englär: 
en und Rordamerifanern Anerfennung genng, aber nur felten Nachahmer gefunten. 

ie ſtehen Hinter unferen deutſchen Reifenden weit zuräd‘ A 








Die Torreöftraße, Neu⸗Guinea und der Louiflade- Archipelagus. 445 


Die zweite Kreuzfahrt begann am 29. April 1848. Während 
derfelben wurde die Aufnahme der InsShore-Paffage vollendet, jenes 
„klaren“, d. H. fahrbaren Canal zwiſchen der Küfte und dem inneren 
Rande der Binnenriffe. Das große-Barriereriff bildet weiter im Often 
gleichjam eine Vormauer gegen das Heranwogen ded Dreand; deshalb 
ift im Weiten des 144. Meridians ruhige See. An der Rodinghams 
bay begann die Aufnahme der Küftenlinie und der inneren PBaffage 
vermittelft einer Reihenfolge von Triangulirungen; fie umfaßt einen 
Raum, defien Breite zwifchen 5 bis 15 Meilen wechfelt und reicht über 
73 Breitengrade und 44 Längengrade; die Länge der Küftenlinie betrug . 
etwa 600 Meilen. Die Infeln vor der Küfte find Außerft mannigfal- 
tig; man findet fie in allen Abflufungen, von der einfachen Sandbanf, 
die auf Korallen lagert und .nur dünn mit Gras und dürftigem Ge⸗ 
ſtraͤuch bevedt ift, bis zum gutbewalbeten Felſeneiland, auf welchem 
Thal und Berg wechſeln. Auf der Franfland-Gruppe fanden 
die erftien Kofospalmen, in Heinen Gruppen an ber Oftfüfte, wo ohne 
Zweifel einige Rüffe angetrieben waren. „Dies if,” fagt Macgillivray, 
„die einzige Stelle, an welcher ich dieſen nüslichen Baum in Auftras 
lien oder den in firengem Sinne dazu gehörenden Infeln wild wach- 
fen ſah.“ Auf der Weiterfahrt nach Norden befuchte Die Rattlefnafe 
die Fitzroy⸗-Inſel, wo ein einheimijcher Granatapfelbaum waäachft, 
die BercysInfeln, Cap Upftart, die Balm-Infeln und bie 
Trinitybai, in welche wahrfcheinlich ein Süßwafferftrom mit flacher 
Mündung fih ergießt. Ueberall fand man Korallenriffe, bis nach Cap 
Flattery. Bon dort fuhr das Schiff nach den Infeln Lizard, Eagle 
und Haid, Cap Melville, zum Pelican⸗Island, zur Claremont-Gruppe, 
Right» Island, zu den Sherard⸗ und Piper» Infeln, zur Homes⸗Gruppe 
und Sunday- Island. Erft am 7. October war man am Cap Dorf und 
anferte in der Norbeinfahrt zu Bort Albany, wo 1844 das Schiff 
Fly gelegen hatte, und wo jegt eine Kohlenniederlage fich befindet. In: 
zwiſchen unterfuchte die Bramble mit der Pinaffe Asp die Endeavour- 
Straße und den Prinz Wales: Canal, vor deſſen Einfahrt füöftlich Die 
Booby⸗Inſel liegt; an jener geht die InsShores Pafjage zu Ende 
und die Torresftraße hat von dort ab ihre Schrecken für den Seefah⸗ 
rer verloren. Auf jenem Eiland befand ſich ein eigenthümliches ocea⸗ 
nifches Poſtamt. Faſt alle vorbeifahrenden Schiffe festen ein Boot 


446 Andree: 


aus und trugen” in ein Buch ihre Namen fammt Bemerfungen an, 
welche für die fpäter Anlangenven von Erheblichfeit fein konnten; auch 
legten fie Briefe zur Weiterbeforgung nieder. Es ift jebt feinem Zwei⸗ 
fel mehr unterworfen, daß die Fahrt Durch den Prinz of Wales Ehan- 
nel weitlficherer ift, al& durch die Endeavour Straße, welche auch heute 
noch manche unbefannte gefahrvolle Stellen darbietet. 

Auf der dritten Kreuzfahrt, 1849, wurde der Louifſiade⸗Archipe⸗ 
lagus genauer erforfcht und die Sühmeftfüfte von Neu⸗Guinea be 
fucht. Die Riffe laufen von der Adele Infel, ſüdoöſtlich vom Gap Des 
liverance auf der Inſel Roffel (im Often von 15498), nad Weſten 
hin bis Low⸗Island und zur Redſcar⸗Bai, am Südweſt⸗Cap Neu 
Guinea's (1463° 2). An den Brumes⸗Inſeln (zwiſchen 150 unt 
151° 2.) zieht weſtlich der Küfte entlang eine jubmarine Barriere, unt 
von der Rebfcarbai aus fuhr die Rattleſnake gleichfalls über ein Riff, 
„eine unterfeeifche Yortfegung des Barriereriffs, die ſich zwiſchen Low 
Island und der Nähe des Südweſt⸗Caps hinzieht. Ich will bemer 
fen, daß diefes Barriereriff, welches bei Low⸗JIsland (etwas welch 
von 147° 8.) beginnt oder endet, fih nach Süden und Often bin 
150 Meilen weit bis zum Cap Eolombier (149° L.), durchſchnitlich 
drei bis funfzehn Meilen von der Küfte entfernt, hinzieht. So ift and 
an diefer Küfte von Reu- Guinea (ähnlich wie an jener des norböfll 
hen Auftraliend.) ein langer Streifen ruhigen fchiffbaren Waſſers zwi 
fen dem Riff und der Küfte eingefchlofien, mit zahlreichen Klaren 
Durchfahrten. Zugleich fehlt ed an guten Häfen und Anferplägen 
nicht, 3. 3. innerhalb der Roundhead Entrance.” Bom Cap Coloms 
bier bis zum 151° 2. find auf Margillivray’8 Karte Feine Riffe ver 
zeichnet; dann aber beginnt mit Weit Barrier Reef wieder eine Kette, 
welche fich über die ganze Louiſiade bis zur Adele-Infel, 1544°% 
erftredt. . 

Im Korallenmeere liegen auch jeßt noch viele nicht näher beſtimme 
Riffe zerftreut. Das wichtigfte praftifche Refultat von Stanley’s Auf⸗ 
nahmen geht aber dahin, daß ein Hares Fahrwafler von minbeftens 
30 Meilen Breite vorhanden ift, welches fich öftlich und weſtlich zwi⸗ 
ſchen Cap Deliverance und der Nordoſteinfahrt zur Torresſtraße hie 
sieht, eine Strede von 600 Meilen. Diefer Meeresraum wurde vom 
der Rattlefnafe und der Bramble durchjegelt, ohne Daß man vereingdi 


Die Torreöftraße, Neus Buinen und der Rouiflades Archipelagus. 447 


liegende Riffe angetroffen hätte, mit Ausnahme der ſchon von Zlin- 
ders beftimmten Eaftern Fields (10° Br. zwiſchen 145 und 146° .). 
Die Küften der Louifiade und des fünwefllichen Reu- Guinea können 
nun mit voller Sicherheit befahren werben. 

Die Gegend am Cap York trägt faft durchweg noch auftrali- 
ſchen Charakter. Der Boden iſt arm, der Strand fandig, wo nicht 
etwa das nadte Geftein bis an’d Meer reiht; an einzelnen Punkten 
ziehen ſich mit Kleinholz dünn beftandene Hügelreihen hin; da und dort 
ift jenes fandige Geſtade auch wohl von Mangrovebäumen eingefaßt, 
und im Flachlande nicht felten ein fchmaler Streifen dichten Gebüfches 
vorhanden. In den Thälern ſtehen einzelne Eucalyptus und andere 
Bäume zerftreut, der rothe Thonboden ift mit Quarzſand vermifcht und 
trägt eine dürftige Dede von einer Art Riedgras. Auffallend find 
die vielen Ameifenhügel, welche oft eine Höhe von zwölf Fuß erreichen 
und von Nebenpfeilen geflügt werben; man fieht vom ‚Meere her 
ſchon aus einer Entfernung von zwei bis drei Meilen die Gebäude 
diefer hellbraun gefärbten, einen Viertelzoll langen Thiere. Das Ge- 
fein am Gap York ift Porphyr mit einer Bafis von Feldſpath. In 
botanifcher Hinftcht erfcheint dad Vorkommen einer Palme bemerkens- 
werth, welche man bisher in Auftralien nicht gefunden hat, nämlich die 
Caryota urens. Sie ift ein prächtiger Baum, der fonft in Indien 
und im indifchen Archipelagus waͤchſt; bier fleht er am Rande des 
dichten Gebüfches zufammen mit anderen Palmen, der Seaforthia, 
Corypha und Calamus. An denfelben Oertlichkeiten findet man auch 
die Wormia alata mit rother Rinde und großen gelben Blumen, die 
fi) von dem dunkeln Grün der Blätter ſcharf abheben. In den Sand⸗ 
fteinhöhlen bei Port Albany hauf’t eine neue Art von Rhinolophus; 
diefe Fledermaus hängt in großen Klumpen zufammen. Känguruh’s 
und Opofium’s find Häufig; auch der Emu kommt vor. Fuͤr den Ader- 
bau ift die Gegend am Cap York nicht geeignet; zwar giebt es einige 
Streden, welche im Nothfall unter Kultur gebracht werden fünnten, 
doch würben fie kaum binreichen, einer auch nur kleinen Nieverlaffung 
die nöthigen Lebensmittel zu liefen. Man muß darauf verzichten, am 
Cap York eine eigentliche Colonie zu. begründen, und man wird fich 
mit der Kohlenniederlage am Port Albany begnügen müflen. 

Meber die Infeln in der Torresftraße werden wir fpäter Einiges 








448 Andree: 


bemerken; hier begleiten wir die Rattleſnake auf ihrer Fahrt nach ten 
Inſeln der Louifiade und der Sübweflfüfle von Neu⸗Guinea, 
welche fie am 8. Mai 1849 antrat. Der Louiſiade⸗Archipela— 
gus begreift innerhalb der Begrenzung, welche Margillivray ihm ans 
weift, die Ianghingeftredte Eilandflur zwifchen 10° A0' und 11° 40’ 
fühl. Br. und 150° bis 154° 30’ öſtl. L. Etwa achtzig diefer Inſeln 
find gegenwärtig befannt, wahrfcheinlich liegen aber nach Nordweſten 
hin manche andere, die noch zu entveden find. Mit Ausnahme der 
niedrigen Eilande von Korallenbildung im norbweftlichen Theile der 
Hafelung fcheinen fie alle bewohnt zu fein, wiewohl nirgends ſehr 
dicht; jedenfalls find fie nur dürftig angebaut und zum größten Theil 
ftarf bewaldet oder von weiten Grasflächen durchzogen, auf weichen 
einzelne Baumgruppen zerfireut liegen. Das Geftein auf den von ber 
Rattlefnafe befuchten größeren Infeln beſtand aus Glimmerfchiefer. 
Eharakteriftifch ift die Art, in welcher die Küften gegen ven Anbramg 
der Meereswogen gefchügt find. Hier ift recht eigentlich klaſſiſcher 
Korallenboden; insbefondere tritt im füböftlichen Theile, weftlich von 
der Infel Roffel, das große, länglich runde Roflelriff hervor, das eine 
Art Lagune tiefen Waſſers einfchließt. Ein anderes von noch weil 
größerer Ausbehnung umzieht in ungleichen Abfländen vom Lande 
South Eaft Island und erftredt fich in weſtlicher Richtung bis 152° 
A0' O., wo ed nicht lünger über dem Wafler fichtbar ift; genaue Us 
terfuchungen ergaben jedoch, daß es unter der See weſtlich bis zu ven 
Somard sInfeln reicht und dann nach Norden bin abbiegt. Wir haben 
bier eine fubmarine Ausdehnung der Barriere, welche wahrjcheinlich 
nach Nordoften hin wieder zu Tage tritt, nörblih an der Calvados⸗ 
gruppe vorüberzieht und ſich bis zur nördlichen Einfahrt des Coral 
Haven ausdehnt; fie jchlöffe auf dieſe Weife faft alle hohen Inſeln 
des Archipelagus ein. Die Waffertiefe der inneren Seite beträgt durch 
fhnittlih 15 bis 30 Faden; doch liegen unter Waffer viele einzelne 
Korallenftellen, und ifolirte Riffe fieht man zur Ebbezeit troden. Auch 
die einzelnen Infeln haben indgemein noch einen Korallengürtel. 
Wenn im füdöftlichen Theile die Korallenbildung im Großen ziem 
lich regelmäßige Formen aufweift, fo erfcheint fie dagegen in der weſt⸗ 
lihen Louiſiade durchaus unregelmäßig in Bezug auf ihre Umriffe, 
Ausdehnung und Fortfegungen. Bald find hier die Riffe gerade, wie 


Die Torresfiraße, Neu⸗Guinea und ver Louiflades Archipelagus. 449 


eine Schnur, bald Atolls, alfo ohne Land im Innern, bald freisrund 
oder länglih rund !'). Im Großen und Ganzen betrachtet, bilden fie 
eine von zahlreichen tiefen Kanälen unterbrochene Kette, welche in den 
Weit Barrier Reef über Waſſer ausläuft; durch Ablothen Hat fich 
aber herausgeſtellt, daß fie bis zur Küfte von Neu⸗Guinea fortzieht, 
und auf diefer Linie liegen manche niedrige bewalbete Infeln zerftreut. 
Margillivray bemerkt, daß er zwiſchen den Korallenriffen der Louiſiade 
und denen, welche er anderwärts gefehen, keinen Unterſchied habe bes 
merken koͤnnen, Doch hebt er eine Eigenthümlichkeit hervor. Als die 
Rattleſnake von der Rorbipige von Rofiel Island fegelte, gewahrte er 
auf dem Riff, etwa einhundert Yards innerhalb feines außeren Rans 
des, eine Reihe von mächtig großen, vereinzelt liegenden Maſſen tobter 
Korallen, die, gleih Yelfen, aus dem feichten) Waſſer emporragten. 
Die größte diefer Maflen, welche in der Entfernung von einer. halben 
englifchen Meile durch ein gutes Fernglas beobachtet wurde, hatte uns 
gefahr zwoͤlf Fuß Höhe und zwanzig Fuß Länge; die Marfe des Hoch⸗ 
waflerd war ganz deutlich zu erfennen. Diefer Blod bildete eine Heine 
Snfel; in den Riffen der zerflüfteten Abhänge war Gras gewachien, 
und oben faßen Seefchwalben, die dort zu brüten fehienen. „Ich hatte 
vorher nur ein einziges Mal fo große, dauernd erhobene Maſſen todter 
Korallen auf einem lebendigen Riff gefeben, eine Erfcheinung, welche 
in Hinblid auf Darwin’d Theorie über die Bildung der Korallenriffe 
von großem Interefie ift, nämlich In einem Theile des großen auftra- 
lifchen Barriereriffö ?). In beiden Faͤllen liegt die Erflärung nahe, 
daß jene mächtigen Blöde, die viel zu maſſenhaft find, als daß fie 
durch einen Sturm aus dem tiefen Waſſer in ihre gegenwärtige Lage 
gebracht fein könnten, durch Erhebung des Meeresbodens borihin ges 
fchafft wurden, wo wir fie gegenwärtig finden.” Der Naturferfcher 


ı) Darwin giebt folgende Grflärnngen: An atoll differs from an encir- 
cling barrier rcef only in the absence of land within its central expanse; and 
a barrier reef differs from a fringing reef in being placed at a much greater 
distance from the land with reference to the probable inclination of its submarme 
foundation, and in the presence of a deep water lagoon-like space or moat with- 
in the reef. — The structure and distribution of Coral Reefs, by C 
Darwın, p. 146. 1. 

2) JInkes hat davon eine Beſchreibung gegeben: Voyage of H. M. S. A by 
J. J. Jukes. Vol. I. p. 340. 

Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 29 


450 Andree: 


der Rattleſnake entſcheidet ſich ausdruͤcklich für Darwin's Anſichten 
und meint, der ganze Archipelagus der Louiſiade habe einſt einen Theil 
von Neu-Guinea gebildet. Diefe Annahme fei fchon von vorne Herrin 
wahrfcheinlich; fie draͤnge fich fogleich ftarf auf, wenn man einen Bid 
auf die Karte werfe, und erhalte noch mehr Gewicht Dadurch, daß fein 
Spur von vulkaniſchen Wirkungen vorhanden fel. 

Der LouifiadesArchipel und die Südoſt⸗Küſte von 
NeusGuinen find erft zu Anfang des fiebenzehnten Jahrgundens 
befannt geworden. Torres fam von Often her, in der ſpaniſchen 
Fregatte la Almirante, im Auguft 1606, unter 113° fühl. Br. an den 
„Anfang von Neu⸗Guinea“, wie er fi) ausprüdt; doch iſt es wahr 
fcheinlicher, daß er eine der Louifiade-Infeln vor Augen hatte, wenn 
er anders die Breite richtig beftimmt hat. Er nahm von dem Lan 
für den König von Spanien Befig und ſteuerte dann weſtilich durch 
die Straße, welche nach ihm benannt wird. Seine Entvedungen aber 
blieben der Welt lange Zeit vorenthalten, da der Brief Torre®® an fü 
nen Monarchen erſt befannt gemacht wurde, nachdem vie Engländer 
ihn 1762 bei der Eroberung von Manila in den dortigen Archiven 
gefimden hatten. Cook fuhr im Auguf 1770 zwifchen Auftralien um 
Neu⸗Guinea hindurch, und beftätigte fomit das Vorhandenſein ver 
Torreöfiraße, von welcher Bougainville, als er im Juni 1768 
die Sübdoftfüfle -Reu-Guinea’d erreichte, noch Feine Ahnung hatır. 
Edwards gelangte im Auguft 1791 mit der Pandora an die Süb- 
oftfpie und fand für Cap Rodney 10° 3’ 22”©. und 147° 45' 
45” O., für Cap Hood 9° 58’ 6" S. und 147° 22’ 50” DO. Ta fol 
genden Jahre erblidten Bligh und Bortlod, in der Providence um 
Aſſiſtence, einen Theil der Süpoffüfte, und Flinders hat eine acht⸗ 
sig Meilen lange Küftenftrede weils und nordwärts vom Gap Ne 
ney auf der Karte eingetragen. Damals war der nörbliche Theil des 
Louiſiade⸗Archipels noch unbekannt, und auch heute wiffen wir von 
demfelben nicht viel mehr, als was in des Viceadmirals Brunyd’En; 
trecaſt eaux Bericht enthalten iſt. Diefer franzoͤſiſche Seefahrer, welcher 
den unglüdlichen La Perouſe auffuchen wollte, fam mit der Recherche 
und der Esperance am 11. Juni 1793 in Sicht von Roſſel Island, 
beſuchte mehrere andere Inſeln und ſteuerte dann nach der Nordoſtküſte 
von Neu-Guinea. In demſelben Jahre waren zwei engliſche Kauf 


Die Torreöftraße, Neu» Guinea und ver Louiflade- Archipelagus. 451 


Inte, Banıpton und Alt, in den Schiffen Hormuzeer und Ehefter: 
fild, an der Süpdofttäfle, vor welcher 1804 Rualt Eoutance in 
dem frangöfifchen Kaper Adele kreuzte. Briſtow befuchte 1806 mit 
einem engliſchen Kauffahrteifchiffe den nördlichen Theil der Louifiabe, 
ohne unfere Kunde defielben zu erweitern; denn Krufenfern hat (Re- 
cueil de M&moires hydrograpbiques, ©. 54) nachgewieſen, daß 
Briſtow's „Satisfaction Island” nichts anderes ift, als Roſſels In⸗ 
ſel, und „Eruption Island“ die St. Aignans Inſel von d’Entres 
caſteaur. 

Die ſuͤdliche Louiſiade war ſeit Bougaimville beinahe achtzig Jahre 
lang nnbefucht geblieben; erſt 1840 erſchien Dumont d'Urville auf 
feiner legten Reife um die Erde mit der Aſtrolabe und Zeloͤe, in dies 
fen Gewaͤſſern, befuhr die Süooflfüfte von Neu⸗Guinea, fah den Berg 
Aſtrolabe (3540 engl. Fuß) umd neben vemfelben zwei andere Berge, 
welche gleichfalls etwa die Höhe des Brodens haben (an der Küfte 
zwifchen der Round Head Entrance und Gap Paſſy), und fleuerte 
dann durch die Torresftraße. Bünf Jahre fpäter unterfuchte Blads 
wood mit der „Fly“ die nörblichen und öſtlichen Einfahrten der Tor: 
resftraße; er war auch während zweier Monate im Jahre 1845 an 
der Südoſtküſte von Neu⸗Guinea, von welcher er eine Küftenftrede 
von 140 Meilen mit Einfchluß jener, weiche 1793 von Bampton und 
Alt befucht worden waren, fo genau aufnahm, al8 die Umftände er- 
faubten (namentlich zwifchen 143 und 145° 2.). Dort bot das Land 
überall einen gleichförmigen Anblid; die Küfte war fchlammig und mit 
Mangrovebäumen beftanden, welter landein breiteten fich Dichte Wälder 
weithin aus. Sie wurden von zahlreichen Kanälen füßen Waſſers durch⸗ 
zogen, und allem Anfchein nach liegt dort das Mündungspelta 
eines großen Stromes. Schlammbänfe, welche bis zu zehn und 
zwanzig Meilen weit in die See hinausreichten, machten dem Schiffe 
eine Anfahrt unmöglich, aber die Boote konnten bis an das Land, und 
einen jener Zlüffe, den Aird, fuhr Blackwood zwanzig Meilen weit hin- 
auf. Er fand an der Küfte, wie am Yluffe, viele Dörfer zerftreut; bie 
Eingeborenen, welche die genaueſte Aehnlichkeit mit den Infulanern der 
Torresftraße Haben, find ein wildes und flreitbares Gefchlecht, das je- 
den freundlichen DVerfehr mit den Weißen verweigerte und bie Boote 

mehrmals abzufchneiden verſuchte. Im Jahre 1846 begann Yule 
29 * 


452 Andree: 


mit der Bramble und Gaftlereagh die Aufnahme der Süboftfüfe vom 
Gap Bofleffion weRlich und nordweſtlich bis Gap Bladwood anf einer 
Strede von etwa zwei Längengraden (etwa von 1444°, ſudöſtlich von 
Blackwood's Mündung des Aird River, bis 146° 20'080.) Auch ea 
fand die Muͤndungen vieler beträchtlicher Ströme; an einem “PBunfte 
fchöpfte er noch drei Meilen von der Küfte füßes Wafler. Aber das 
Land war nicht mehr fo flach und niedrig, wie an ber nach Wellen 
liegenden, von Blackwood befuchten Strede, ſondern mit beivaldeten 
Hügeln bebedt; im fernen Often erhoben ſich mächtige Berge, unter 
welchen einer, der Mount Yule, 10046 engliſche Fuß Meereshöbe 
bat. In den Jahren 1849 und 1850 wurde dann Durch Owen Stan: 
fey mit der Rattlefnafe und Bramble die Aufnahme der Südoſtküſte 
von Gap Poſſeſſion an bis zu der Heathbai (etwa 150°4'’D.) bie 
auf die Heine Strede, welche von dem lehtgenannten Punkte bis zum 
Südoftcap von Neu-Guinea reicht, vollendet. 

Die Rattlefnafe begann ihre Aufnahme von Often nach Wellen 
(von der Adele⸗Inſel und Cap Delivrance nach Weſten bie ganze 
Louiſiade entlang und an der Küfte Neu Guinea’ von der Heathbai 
bis zum Cap Poſſeſſion), im Juni 1849 unter 11° 38’ ©. und 154° 
17’ D. Sie hatte die beiden Infeln Roſſel und South Ga in Sicht: 
auf der letzten erhebt ſich der Rattlefnafeberg bis zu 2689 Fuß. Die 
niedrige und bewalbete Adele⸗Inſel liegt vor dem Oftende des Bar 
riereriffö, welches Roſſel umzieht; die Ofifpige des lebten biſdet Cap 
Delisrance (nitht Deliverance, wie die Engländer fchreiben, denn Bow 
gainville hat es entdeckt und benannt), nach Owen Stanley 154° 
20’ D., nad D’Entrecafteaur und d'Urville 154° 26°. Roffel J4- 
land iR von D. nach W. 22 Meilen lang und 104 Meilen breit une 


") Nous appellämes ce cap, apres lequel nous avions si long-tems aspirt, k 
Cap de De£livrance, et le golfe dont H fait la pointe orientale, le golfe de la 
Louisiade. C'est une terre, que nous avons bien acquis le droit de nommr. 
Voyage autour du mondc par la Frögate du roi, la Boudeuse et la Fiute Etoik, 
en 1766, 1767, 1768 er 1769. & Paris 1771. p: 263. Zwei Geiten vorher fi: 
dert Bongaimville, wie er den Branzofen verbieten mußte, das Leber vom Lake: 
wert zu efien, unb wie fie die letzte Siege und einen Hund aus der BRagelanafiraße 
iu ſchlachten gemöthigt waren. Unter feinem Golfe de la Lonisiade (Karten, planche 
11) verfteht er die Binbuchtung, weldye bie Küfte Neu⸗Gninea's bei dem vom im 
fo benannten Cul de sac de I’Orangerie macht; biefen legt er zwifchen 147 und 148 
D., während berfelbe zwiſchen 149 und 150 D. liegt. u 





Die Torreöftrage, Neu= Guinea und der Rouiflade» Archipelagus. 458 


gut bewaldet; die Kofospalme fommt Häufig vor, und das Land fcheint 
ziemlich ſtark bewölfert zu fein. Die Piron⸗Infel ft nur 5 Meilen 
lang und anderthalb Meilen breit; weftlich vor derfelben if ein zwei⸗ 
tes Barriereriff mit einer fchmalen Einfahrt zum ruhigen Binnenwaf- 
fer, welches Lieutenant Yule den Korallenhafen nannte Ganz 
nahe liegt die Heine Pig⸗Inſel. Da vor Macgillivray noch fein 
Botaniker die Louifiade unterfucht hat, fo wird es angemefien fein, 
einige Pflanzen Hervorzuheben, welche er auf diefer Inſel fand; naͤm⸗ 
ih Guilandina Bonduc, Tournefortia argentea, Morinda citrifolia, 
Paritium tiliaceum, Casuarina equisetifolia und Clerodendrum 
inerme; diefe alle kommen zugleich in Polynefien, dem inbifchen Ar: 
chipelagus und dem tropifchen Auftralien vor. Häufig find auch Li- 
godium microphyllum und Disemma coccinea. Auch die Kokos⸗ 
palme iſt vorhanden. Das benachbarte Round Island iſt unbe 
wohnt; die South Eaft Infel dagegen 41 Meilen lang, 104 Mei- 
len breit, die größte im Archipelagus. An einem Fluſſe, wo Macgil⸗ 
liray landete, beftand das Geſtein aus Glimmerſchiefer von großer 
Härte; am Ufer wuchd Nepenthes destillatoria und ein Hemithe- 
lum, defien Stamm funfzehn Fuß Hoch war und über der Wurzel 
einen Durchmefler von acht Zoll Hatte. Bon Säugethieren gewahrte 
man nur ein fliegendes Eichhörnchen, von der Größe einer Ratte, wahr: 
fheinlich ein Petaurus. Wilde Schweine find, wie aus vielen Spu- 
ren fich abnehmen ließ, zahlreich vorhanden, und Vögel in fehr großer 
Menge. Unter ihnen zeichnet fich ein fehr hübfcher, fcharlachrother Lori 
aus, welcher mit dem weit über den inbifchen Archipelagus. verbreites 
ten Lorius domicellus nahe verwandt if. Ein anderer SBapagel, 
der gleichfalls in Zügen über die Bäume ſchwirrt, iſt grün und klei⸗ 
ner als ein Sperling. Häufig fam die Taube der Torresftraße und 
die nifobarifche Taube vor. Nicht weniger, als zwölf Species der auf 
der Süboftinfel beobachteten Vögel werden auch in Auftralien ges 
troffen, eine Wahrnehmung, welche einigermaßen überrafchte. Schlans 
gen fand Margillivray nicht, wohl aber eine große Cidechſe, die dem 
Monitor Gouldii gli, und eine grüne Ameife, die auf den Blaͤt⸗ 
tern der Gebüfche ihr Neſt bauete. 

In Bezug auf die übrigen Gruppen ber Louifiade koͤnnen wir 
uns kurz faflen. Brierly⸗Inſel ift Hein, aber gut bewohnt; das 


454 Andree: 


Schiff tauſchte dort Dams ein. An einem Ankerplatze, etwa 30 Mei⸗ 
len von diefem Eiland entfernt, war der füböftlihe Theil des Archi⸗ 
pelagus zu überbliden. Nach Often Hin lag Südoſt⸗Eiland in eine 
Entfernung von 45 Meilen; trotzdem waren die wellenförmigen Um 
riffe der Höhenzüge und der Kattlefnafeberg deutlich zu erfennen. 
Nachſt einer zum Theil durch die Pig-Infel ausgefüllten Lüde folgte 
Joannet, 10 Meilen lang, mit dem 1104 Fuß Hohen Berge Asp, 
und dann bie aus AO Infeln beftehende Ealvado8- Gruppe; im 
Hintergrunde nach Norden zu lag St. Aignan, deſſen weltliche ge 
birgige Hälfte bis zu 3279 Fuß über die Meeresfläche emporragt. 
Nach Welten hin fchließt die Calvados⸗Gruppe mit den Infeln Ed» 
dyſtone ab, auf welcher ein Spipberg 578 Fuß Meereshöhe Hat, und 
mit der 554 Fuß hohen Infel De Real. Die ſuͤdlich von den vor 
genannten liegenden Duchateau⸗Inſeln, drei an ber Zahl, ſiud 
niedrige, bewaldete Korallen » Eilande, von welchen die größte nur Ira 
Biertel Meilen Länge hat. Die beiden öftlichen werden durch ein Riff 
verbunden, das bei Ebbe zum Theil troden liegt und durch eine enge 
Baflage von dem Feineren Riff getrennt if}, weiches die weſtliche In⸗ 
fel umgiebt. Der Südrand diefer Riffe gleicht dem Barrierenriffe darin, 
daß er plöglich aus unbekannter Tiefe emporfteigt, und die Wogen an 
ihm fich in flarker Brandung berühren; dagegen hat der nördliche Theil 
nur eine geringe Ausdehnung bei unregelmäßigen Umriſſen, und man 
findet. in feiner Nähe im zwölf bis funfzchn Faden Ankergrund. Alle 
drei Infeln gleichen einander vollfommen; der Strand befleht aus wei 
gem Korallenfand und bin und wieder aus dünnen Lagen und Strei⸗ 
fen von Korallenconglomerat; darauf folgt ein Gürtel von Gebüſch 
und niedrigen Bäumen, Hinter welchem bei fpärlichem Unterholge Hi 
here Bäume ſtehen. Dort ragen die Kokospalmen in Heinen Grup 
yen über andere Bäume hervor, unter welchen eine Bombacee umb 
Pisonia grandis die anfehnlichften find; fie erreichen bei zwölf bie 
vierzehn Fuß Umfang eine Höhe von 60 bi6 70 Fuß. Am meifen 
gewahrt man ein Calophyllum mit breiten Blättern, ſodann auch eine 
Myristica und ein Caryophyllum; doch gehört -feine von beiden zu 
der Epecies, von welchen jene Gerwürznelfen und Musfatnüffe gewen⸗ 
nen werden, bie der Handel fucht. Eine von Begetabilien fich näb- 
rende Fledermaus, Pteropus, febt auf diefen Injeln; die Heine indiſche 


Die Torreöftraße, Neu⸗Guinea und ber LouifladerArchipelagus. 455 


Ratte, welche unter hohlen Baumen wohnt, ift ungemein zahm und 
Elettert auf niedrige Bäume, wie ein Eichhörnchen; von Vögeln find 
befonderd Tauben und Megapodü in Menge vorhanden, von ben er- 
Ren insbefondere Calaenas nicobaria. Diefe Art gleicht in ihrem ganzen 
Berhalten den hühnerartigen Vögeln, lebt vorzugsweife auf der Erde, 
läuft ſehr ſchnell und fliegt, wenn fie geflört wird, in die Bäume, auf 
welchen fie auch niſtet. Roch haͤufiger ift die Musfattaube, Carpo- 
phaga oceanica, welche nur zur Brütezeit (7) einen fleifchigen Aus⸗ 
wuchs am Schnabel haben joll. Ihr Bleifch ift weit wohljchmedenper, 
als jenes der weißen Taube von der Torresftraße, das doch auch Die 
lederitien Gaumen durchaus befriedigt. Noch andere Tauben leben auf 
den DucdateausInfeln, insbefondere eine Art mit weißer Kehle und 
purpurnem, in grünem Metallglanz fchimmernden Gefieder; an ben 
Küften fommt Haloyon saurophaga vor. 

Bon den Duchateau>Infeln find die Duperré⸗Eilande nur 
21 Meilen nad Weften hin entfernt; fie liegen in 152° DO. Auf der 
Zahrt dahin gewahrt man die Infeln Montemont und Jomard. 
Jene erſten find fünf an der Zahl, Klein, dicht bewaldet und unbes 
wohnt, und erftreden fich über einen Raum von etwa ſechs Meilen 
am nördlichen Rande eines großen Atoll8 oder ringfürmigen Riffs, zu 
defien Innerem, dem Brambles Hafen, mehrere Einfahrten führen. 
Weftlich von demjelben liegt d'Urvilles Isle Lejeune auf 10° 11’ 
&. und 151° 50’ 9. Zwifchen ihre und den Duperroͤ⸗Inſeln ift eine 
breite Durchfahrt; von Lejeune ab bildet der äußere füdliche Rand des 
Barriereriffö eine ununterbrochene Mauer von einundzwanzig Meilen, 
während auf der Nordfeite manche Deffnungen vorhanden find, die in 
feichtes Waſſer leiten. Hier Haben wir ein verlängertes, faſt ſchnur⸗ 
gerades Atoll, an defien innerem Rande keine Infeln liegen. Bon da 
ab ift das Barriereriff in eine Reihe Eleinerer Riffe gleichſam zerbros 
chen, bietet mehrere Durchfahrten und behält die Richtung nad) Wes 
fien, bis es unter 150° 58' O. zu Ende geht. Seinen Strich ent 
lang, find auch hier Heine niedrige Eilande zerſtreut; fo z. B. die Drei 
Sandy Islands, Ufhant (wahrfcheinlich Bougainvilles Dueffant) 
und die beiden Stuersd»Infeln, fammtlid) bewaldet und von Kos 
rallenbildung. Einige Meilen nördlich von dem Riff und ohne Vers 


456 Andree: 


bindung mit demſelben liegen KoSsman Island in 11°44’6©. uw 
151° 33’ ©. und 13 Meilen weiter wehtlih Imbert. 

Mit den Stuers-Infeln endet im Weften der Archipel der Loni- 
fiade, denn die Infeln, welche d'urville Tefte und Lebrun genannt 
hat, letzte in 10° 53’ S. und 1500 59' O., find gleich Caſtori und 
den Dumoulin>@ilanden ſchon ganz in der Nähe der Küfle vom 
Neu⸗Guinea; fie zeigen auch eine ganz andere Kormation. Daſſelbe 
gilt von den fünf Brumer, Infeln, von welchen die größte in der 
Gruppe, 10° 45’ 30” ©. und 150° 23’ D., nur zwei und drei Bier 
tel englifche Meilen Breite hat. Sie it mit Hügeln bedeckt, Bat vide 
Kokospalmen, und die Eingeborenen bauen in umzäunten Feldern Bu- 
nanen und Zuckerrohr. Nach längerem Aufenthalt fleuerte die Ratt- 
lefnafe die Küfte entlang, hinter welcher ſich hohe Bergfetten erheben; 
einer der Gipfel, welche Mount Eloudy genannt wurde (eiwas 
öftlich von 1509 L.), hat 4477 Fuß. Weiter weflfich, in Bougaiwil⸗ 
led Eul de Sac de POrangerie, liegt Dufaure. Bon dort fleuerte 
das Schiff zu den Barimara»Infeln in der Redécar⸗Bai; bie 
größte derfelben Hat nur drei Viertel Meilen Länge und war ohne 
Waſſer. In jener Bucht verweilte die Rattlefnafe längere Zeit und 
unterhielt Tebhaften Verkehr mit den Eingeborenen. 

Wir erfehen aus Macgillivray's Karte, daß von der Heathbai 
bis zum Gap Poſſeſſion der Küfte entlang, ifren Umrifien folgend, in 
weiterer ober geringerer Entfernung vom Meere, ein Hochgebirge fih 
auf eine Strede von dreifundert englifhen Meilen Binzieht und ſich 
vielleicht noch weiter nach Rorbweften bin fortfeßt. Es wurde fchen 
oben bemerkt, daß Mount Yule, der nordweſtlichſte Punkt, welcher bes 
obachtet wurde, bis zu einer Höhe von 10046 Fuß emporfleigt. Ben 
der Heathbai bis zum 150° DO. Haben die Gipfel noch keine Bene 
nungen erhalten; in ber angegebenen ‚Lage aber finden wir Mount 
Thomfon mit 5901 engl. Fuß verzeichnet; von dort bis zum 149° 
einen unbenamnten Punkt mit 6310, den Simpfon mit 9972, ven 
Dayman 9167 und den Sudling 11266 Fuß. Zwifchen 149 um 
148°, der Küfte von der Cloudybai näher tretend, iR der Clarence, 
6330 Fuß; das Gebirge zieht dann aber wieder nach Nordweſten, wer: 
laͤßt dieſe Richtung nicht mehr und hat im Brown 7974 umd im 
Obree 10246 Fuß Meereshöhe. Zwifchen 148 und 147° liegt dann 


Die Torresftraße, Neu» Guinea und der Louiflade= Archipelagus. 457 


der höchite Berg der ganzen Kette, der Owen Stanley mit 13205 
Fuß. Bor diefen Alpen Neu⸗-Guinea's liegt zwiichen 148 und 147° 
ein Borgebirge, das ſich, wie fchon bemerkt, im Aftrolabe bis 3540 Fuß 
erhebt). Diefe Gruppe Hat eine ganz andere Kormation, ald das 
Alpengebirge; der Gipfel des Afteolabe, etwa acht Meilen vom Meere 
entfernt, dehnt fih und feine kaum unterbrochene Fläche dreizehn Mei⸗ 
len weit hin; von Sübweften her find feine Umtiffe regelmäßig, von 
Süden her aber bietet fie eine Reihenfolge von fteilen Klippen und Ters 
tafien dar. Macgillivray hat alle Urfache zu der Annahme, daß auch 
die Süpoftfüfte Neu⸗Guinea's goldreich fei. 

Diefe Küfte ift von den Engländern nach Weſten hin bis zur 
Infel Briftow, etwa 143° 10'O. und 90° 10’ ©. aufgenommen wor- 
den. Dann folgt eine Lüde bis zum 139° O., wo am Gap Kool 
auf Pring Frederik Hendriks⸗Eiland und an der Prinzeß Marianne: 
Straße die fehr forgfältigen Aufnahmen der Holländer beginnen, welche 
die ganze Südweſtkuͤſte bis zu AS. und 134°, refpective 133 O., 
einfchließlich des Cap van den Bofch, umfaflen. Aber das Innere von 
Neu⸗Guinea ift und auch heut noch platterdings unbefannt. Mehr 
als drei Jahrhunderte find verfloffen, ehe wir auch nur von den Küs 
ftenumriffen eine annähernd vollländige und genaue Kunde gewan⸗ 
nen; manche Probleme wurden exit in der neueften Zeit aufgeflärt, 
und viele find noch zu löfen. Aber wie kam es, daß ein großes Land, 
den Moluften fo nahe, nur felten von den Seefahrern befucht worden 
it? Diefe Frage beantwortet fich leicht. Die Holländer fanden im 
indifchen Archipelagus und insbefondere auch auf ven Moluffen, alle 
Hände vol zu thun und Hatten feinen Grund, Ihre ohnehin weit zer- 
fireueten Befisungen nach Often hin noch weiter auszudehnen. Was 
fie inne hatten, Ieferte ihnen Erzeugniffe für den Handel in Hülle und 
Fülle. Die ſchwarzen Menjchen, welche über Ceram hinaus die In⸗ 
feln bewohnen, find wild, flreitbar und haben Feine belangreichen Bros 
ducte zu bieten; eben fo wenig find fie werthvolle Kunden für den 
Handeldmann. Somit fehlte jener Anreiz, welcher im Archipelagus 
vorhanden war; man fand Feine Beranlaffung, den Meeresftrömungen 


1) Diefe Höhe ift auf der Karte angegeben; im Text, Bb. II ©. 60 zu 
3824 Fuß. 4. 








458 Andree: 


und den Winden zu trogen. Namentlich ift die Suͤdküſte Höchft gefühe- 
ih und zwingt die Seefahrer, fi) möglich nahe der Nordklüſte Aus 
ſtralien's zu halten, und die große Fahrbahn aus China läßt Neu 
Guinea zur Seite liegen, deſſen Geftade zudem ein für die Weißen 
mörberifches Klima haben. So erklaͤrt es fich, weshalb die Entbedum 
gen immer nur verhältnißmäßig Heine Küftenfireden umfaßten umb 
Reifen in das Innere völlig unterblieben. 

Daß die Bortugiefen Abreu und Serrano 1511 Reu-@ui- 
nea in Sicht befamen, ift wahrfcheinlich; daß Joſe de Meneſes 1526 
Papuas gefehen, ift gewiß; nicht minder, daß Alvarez de Saavedra, 
ein Berwandter des Ferdinand Cortez, auf feiner Rüdfahrt von V⸗ 
dore nach der Weftfüfte Amerika's am Nordgeftade Neu⸗Guinea's An 
fer warf und das Land als die Golbinfeln (islas de ore) bezeid- 
nete. Orijalva’s Schiffe fanden 1537 in der Nähe des Aequa⸗ 
tor auf einigen Inſeln menfchenfrefiende “PBapuas, und wenn ben 
dürftigen Berichten, welche wir über Bernardo della Torre's Fahrt 
haben, voller Glauben beizumefien ift, fo landete diefer Seefahrer 1543 
auf der Injel Arimoa und Jñigo Ortez de Rez gab 1545 der Ge 
gend den Namen Neu⸗Guinea, weil die fchwarzen Bewohner ihn 
an die Neger der afrilanifchen Weffüfte erinnerten. Daß diefer Name 
jhon 1567 befannt war, unterliegt feinem Zweifel, da Mendoza und 
Mendaña, welche in jenem Sabre die Sübfee befuhren, ſich die Sa⸗ 
lomons⸗Inſeln als mit „Neu Guinea ” zuſammenhaͤngend vorflellten. 
Bon 1543 an war dafielbe faft vergefien, bis 1605 das Hollänvifche 
Schiff de Duifhen das ſüdweſtliche Borgebirge entdeckte, jenes val 
ide Cap, welches die Engländer unrichtig ald Cap Walſh bezeichnen 
Schouten und Lemaire famen auf ihrer abenteuerlichen Fahrt um 
das Horn und durch die Südfee im Juli 1616 nad der Ofküfe, 
ſchlugen dann eine nordweftliche Richtung ein und fanden die Juſeln 
Moa, Inſou und Arimoa. Diefes legte Eifand foll auch Rogge: 
veen 1622 gefehen haben. Um jene Zeit wollten die Holländer in's 
Klare kommen, ob mit ven ſuͤdlich und öflich von den Moluffen lie⸗ 
genden Inſeln ein vortheilhafter Handel in’s Leben gu rufen fei, und 
rüfteten 1623 zwei Jachten aus, welde unter Carſtens an der 
Sübfüfte von Reu-Guinea landeten. Nachdem diefer Seefahrer von 
ben Gingeborenen verrätherijch überfallen und ſammt einem Theile fe 





Die Torreöftrage, Neu⸗Guinea und ver Louiflade» Archipelagus. 459 


ner Mannſchaft ermordet worden war, fuhren die achten nach der 
Nordküſte von Auftralien in den großen Bufen Garpentaria und bes 
nannten die von ihnen dort entdeckte Oftfüfte nach einem ihrer Schiffe 
Arnhemslaffd. Ein anderer Seeman, Gerhard Pool, erlitt 1636 daſ⸗ 
felbe Gefchid, wie Carſtens. Der Generalftatthalter van Diemen hatte 
ihn mit den Schiffen Klein Amfterdam und Wezel von Banda aus. 
1636 nach Neu⸗Guinea ausgefandt, defien Weftfüfle er unter 440 S. 
erreichte, dort erfchlugen auch ihn die Papua's. Sechs Jahre fpäter 
fleuerte Abel Tasman der Nordküſte entlang und gab dem nördlich 
ften Punkte von NeusGuinea den Namen Kaap de Goede Hoop. 
Ben da ab verfließen beinahe dreißig Jahre, ohne daß ein Holländer 
die Inſel befuchte; erſt 1663 feuert Binf von Banda aus nach dem 
nördlichen Theil der WeRfüfle, wo er eine tiefe Einbuchtung fand, fehr 
wahrfcheinlich diefelbe, welche 1791 von Mac Eluer befucht und bie 
nach ihm benannt wurde. Der Bericht über feine Reiſe ift aber nicht 
minder dürftig, ald jener über eine Fahrt des K. Oberkaufmanns 
Keyts, der 1768 ziemlich diefelben Küftenftriche befegelt Hat. Man 
erfuhr durch ihn, daß diefelben fehr gebirgig find, und daß Handels 
leute aus Ceram dorthin famen, um gegen Reid und Glasforallen 
einige Landeserzeugniſſe, namentlich Maſſoyholz, Hauptfüchlich aber Scla- 
ven einzutaufchen. Vor derſelben Mac Eluer’s- Einfahrt fteuerte 1700 
auh Dampier; er war von Timor gekommen, befuchte zuerft die 
Nordweſtkuͤſte, richtete dann den Lauf nach Norden, ftellte feſt, daß 
Neu⸗Guinea nicht mit den Infeln Salawatty und Waigiu zufammen- 
hängt (die Dampierfiraße), fegelte der Oftküfte entlang bis zum Cap 
King William, wo eine zweite Dampieritraße Neus Guinea von Neus 
Britannien ſcheidet. Gleichfalls an der Oftfüfte fuhr 1705 das hol 
lanvifche Fahrzeug Geelvink, nach weldem eine tiefe Bucht ihren 
Kamen führt; an der Norvoftlüfte Treuzte in demfelben Jahre der 
Engländer Funnel. Earteret 1767 und Bougainville 1768 
berührten nur einzelne Punkte der Nordküſte, um deren nähere Kunde 
ſich Forreſt ein großes Verdienſt erworben hat. Die englijchsoftins _ 
difche Compagnie ſchickte ihn aus, um nachzuforſchen, ob nicht nörb- 
lich und öftlih von den Moluffen, außerhalb des Bereiches der Hol 
länder, Gewürgnelfen und Muskatnüſſe einzutaufchen feien; er war 
auf Waigiu und in Neu⸗-Guinea in ber Doreybucht, über welche er 


460 Andree: 


ausführliche Berichte abftattet. Nach ihm ift diefelde mehrmals von 
franzöfifchen Seefahrern, namentlich von Duperrs und Dumont dr: 
ville, befucht worden. Cook war 1770 in der Nähe des faljchen Ber: 
gebirges und landete in 6° 15’S., Mac Cluer 1791 in der nad 
ihm benannten fchon oben erwähnten Bucht, D’Entrecafteaur 1792 
‘am Huongolf und am Cap de goede Hoop. Dann tritt, während der 
großen Kriege in Europa, eine Tange Pauſe ein, bie 1823 Duperre 
die Schouten-Infeln und den Doreihafen befucht, und 1827 Dumont 
dD’Urville durch die Dampierftraße fährt und die Norboftfüfte in eimer 
Länge von 350 Lieued aufnimmt. 

Man flieht aus den vorftehenden Angaben, daß die nörblichen Kü- 
fien Neu⸗Guinea's viel häufiger befahren wurden, als die füpfichen, 
hauptfächlich wohl auch deshalb, weil bei jenen die Gewäfler weit we 
niger Gefahren darbieten. Die genauere Unterfuchung der erſten 
fallt in die letzten Jahrzehnde. Wir haben weiter oben gezeigt, in wel 
cher Weife die Süpoflfüfle durch Owen Stanley wit der Rattle 
fnafe und der Bramble erforfcht wurde. An der Südweſtküſte waren 
ſchon früher die Holländer thätig geweſen. Wir müffen auf ihre 
Unternedmungen etwas näher eingehen. 

Seit langer Zeit fieht man. in den Niederlanden mit Beforguig, 
wie die Engländer in den öſtlichen Meeren fih immer weiter ausdeh⸗ 
nen und mehr und mehr feften Fuß gewinnen. Die hollaͤndiſchen Be 
fidungen find durch Indien und Auftralien gleichfam in die Witte ge: 
nommen, fie liegen in der Fahrbahn zwiſchen beiden Ländern und 
theifweife auch auf dem Wege nach China. Richt ohne Grund wurde 
im Haag und in Batavia angenommen, daß die Nebenbuhler bei der 
fleigenden Bevölkerung des auftralifchen Feſtlandes und der Torre 
firaße irgendwo in Neu⸗Guinea oder an der Nordküſte Auftraliens 
eine Riederlaffung gründen fönnten, welche den Holländern hätte um 
bequem werben müffen. Diefe befchlofien alfo, den Engländern zuver⸗ 
zufommen und fi) auf ReusGuinen ein Bollwerk zu ſchaffen, gleich⸗ 
ſam ein oͤſtliches Vorwerk zum Schuß der Moluffen. Man nahm frei⸗ 
lich einen anderen Borwand, indem man erflärte, daß es nöthig ge 
worden fei, die Kleinhaͤndler zu beſchuͤßen, welche von den genannten 
Infeln aus nach der Sühmwefküfte von Neu-Guinen handeln. Man 
wußte übrigens, daß diefelbe vom falfchen Cap an bis 31° ©. nu 





Die Torreöftraße, Neu» Guinea und der Louiflade» Archipelagus. 461 


fehr dünn bevölfert, in den nörblicheren Diſtrieten Onin und Nottan 
ſtaͤrker bewohnt ift. 

Im Jahre 1826 fuhr Lieutenant Kolff von Amboina nach Sid⸗ 
weſten in der Kriegsbrig Dourga, gleichſam als Pionier, und fand 
etwa 24 geographiſche Meilen noͤrdlich vom falſchen Cap eine weite 
Oeffnung, welche er für die Mündung eines großen Fluſſes hielt und 
nad) feinem Schiffe benannte. Von dort nahm er einen norbweftlichen 
&ourd nach der Heinen Inſel Lokahia, 134° 50’ O., und befuchte auf 
der Heimfahrt die TenimbersInfeln. Zwei Jahre fpäter follte dann die 
Werfüfte genauer unterfucht und eine Nieverlafiung an ihr gegründet 
werden. Zu biefem Zwede gingen 1828 die Kriegscorvette Triton 
und der Kolonialjchooner Iris nad Neu⸗Guinea an die „Dourgaüff- 
nung”, die man, wie bemerkt, für eine Strommündung hielt, freuzten 
darauf nach Norden und entvedte auf 30 45 S. und 134°15’0. 
eine tiefe geräumige Bucht zwifchen Hohen malerifchen Ufern. Dort 
baueten die Holländer eine Heine Feftung, welche fie, au Ehren des 
damaligen Generalcommiffarius von niederlänvifch Indien, Fort Du 
Bus nannten. Die Triton hatte Befehl, nach Vollendung derfelben 
der Norbfüfte entlang zu fegeln und namentlih Mar Cluer's Einfahrt 
genauer zu unterfuchen; die Mannfchaft befand fich jedoch in einem 
fo Eäglichen Zuftande, daß fie faum noch dienftfähig war. “Die bei- 
den Schiffe hatten während der drei Monate, welche fie bei Hort Du 
Bus lagen, mehr ald zwanzig Todte; die Triton mußte im September 
mit mehr als ſechszig Kranken am Bord raſch nad Amboina zurüd- 
fehren '). Am 24. Auguft 1828 zog der Commandant der Corvette, 
Sternboom (der bald nachher farb), die Holländifche Flagge auf 
und nahm feierlich den Theil von Neu⸗Guinea und der in bemfelben 


) Verhandelingen over de natuuriyke geschiedenis der nederlandsche over- 
zcesche bezittingen, door de leeden der natuurkundige commissie in Indi@ en an- 
dere schryvers. Uitgegeven op last van den koning door C. J. Temminck. 
Land-en Volkenkunde geredigeerd door J. A. Susanna. Leiden 1839 — 1844. 
fol. Die erfte Abhandlung enthält Bydragen tot de kennis van Nieuw Guinea door 
Salomon Müller, Seite 3 bie 80. Schilderung der holländiſchen Expeditionen 
von 1828 bis 1835 ©. 10 ff., und die Darflellung ber Befignahme des Landes durch 
die Niederländer S. 73 ff. Müller war bei berfelben thätig; für Geologie und Mer 
teorologie Madlot, der einige Jahre fpäter auf Java von auffländifchen Chinefen 
erfchlagen wurde; ale Botaniker war der Erpebition Zippelins beigegeben, der bald 
nachher anf Zimor farb; Zeichner waren van Raalten und van Dort. 4. 





460 Andree: 


ausführliche Berichte abſtattet. Rach ihm iſt diefelbe mehrmals von 
franzöfifchen Seefahrern, namentlich von Duperrö und Dumont dUr⸗ 
ville, befucht worden. Eoof war 1770 in der Nähe des falfchen Ber: 
gebirges und landete in 6° 15’©., Mac Eluer 1791 in der nad 
ihm benannten fchon oben erwähnten Bucht, D’Entrecafteaur 1792 
‘am Huongolf und am Cap de goede Hoop. Dann tritt, während ber 
großen Kriege in Europa, eine Tange Pauſe ein, bis 1823 Duperre 
die Schouten⸗Inſeln und den Doreihafen befucht, und 1827 Dumont 
d'Urville durch die Dampierftraße fährt und die Norboftfüfte in eimer 
Lange von 350 Lieued aufnimmt. 

Man fieht aus den vorftehenden Angaben, daß die nördlichen Kü— 
fin Neu⸗Guinea's viel häufiger befahren wurden, als die füblichen, 
hauptfächlich wohl auch deshalb, weil bei jenen die Gewäfler weit we 
niger Gefahren darbieten. Die genauere Unterfuchung der erſten 
fallt in die letzten Jahrzehnde. Wir haben weiter oben gezeigt, in wel: 
her Weife die Süboftfüfle durh Owen Stanley mit der Rattle 
fnafe und der Bramble erforfcht wurde. An der Süpweflfükte waren 
fhon früher die Holländer thätig gewefen. Wir müffen auf ihre 
Unternehmungen etwas näher eingehen. 

Seit langer Zeit fieht man. in den Niederlanden mit Beforgaif, 
wie die Engländer in den öftliden Meeren fi) immer weiter ausdeh⸗ 
nen und mehr und mehr feiten Fuß gewinnen. Die holkindifchen Be 
fitungen find durch Indien und Auftrafien gleichfam in die Mitte ge 
nommen, fie liegen in der Fahrbahn zwifchen beiden Ländern umd 
theifweife auch auf dem Wege nach China. Nicht ohne Grund wurde 
im Haag und in Batavia angenommen, daß die Nebenbuhfer bei ver 
fteigenden Bevölkerung des auftralifchen Feſtlandes und der Torre 
fraße irgendwo in Neu⸗Guinea oder an der Norbfüfle Auſtraliens 
eine Rieberlaffung gründen Fönnten, welche den Holländern hätte un 
bequem werben müfjen. Diefe befchloffen alfo, den Engländern zuver⸗ 
zufomnen und fi auf Neu⸗Guinea ein Bollwerk zu fchaffen, glei» 
fam ein oͤſtliches Vorwerk zum Schub der Moluften. Man nahm frei 
lich einen anderen Vorwand, indem man erklärte, daß es nöthig ge 
worden fei, die Kleinhaͤndler zu bejchügen, welche von den genannten 
Infeln aus nad) der Suͤdweſtkuͤſte von Neu⸗Guinea handen Man 
wußte übrigens, daß diefelbe vom falfchen Cap an bis 31° ©. nur 


Die Torreöftraße, Neu» Guinea und der Louiflade- Archipelagus. 461 


fehr dünn bevölfert, in den nörblicheren Diſtrieten Onin und Rottan 
ftärker bewohnt iſt. 

Im Jahre 1826 fuhr Lieutenant Kolff von Amboina nah Süb- 
weiten in der Kriegebrig Dourga, gleichfam als Pionier, und fand 
etwa 24 geogenphifche Meilen nörblid vom falfchen Cap eine weite 
Oeffnung, welche er für die Mündung eines großen Fluſſes hielt und 
nad) feinem Schiffe benannte. Von dort nahm er einen norbweftlichen 
Cours nad) der Heinen Infel Lokahia, 134° 50’ O., und befuchte auf 
der Heimfahrt die Tenimber»Infeln. Zwei Jahre fpäter follte dann die 
Weftfüfte genauer unterfucht und eine Nieverlaffung an ihr gegründet 
werden. Zu diefem Zwede gingen 1828 die Kriegscorveite Triton 
und der Kolonialfchooner Iris nah NReu-Guinen an die „Dourgaöff⸗ 
nung”, die man, wie bemerft, für eine Strommuͤndung hielt, freuzten 
darauf nad Norden und entdedte auf 3° 45’ ©. und 13415’. 
eine tiefe geräumige Bucht zwifchen hohen malerifchen Ufern. Dort 
baueten die Holländer eine Heine Feſtung, welche fie, zu Ehren des 
damaligen Generalcommiffarius von nieverlandifch Indien, Fort Du 
Bus nannten. Die Triton hatte Befehl, nach Vollendung derfelben 
der Norbfüfte entlang zu fegeln und namentlid Mac Cluer's Einfahrt 
genauer zu unterfuchen; die Mannfchaft befand fich jedoch in einem 
fo Häglichen Zuftande, daß fie faum noch dienftfählg war. Die bei- 
den Schiffe hatten während der drei Monate, welche fie bei Hort Du 
Bus lagen, mehr ald zwanzig Todte; die Triton mußte im September 
mit mehr als fechözig Kranken am Bord raſch nach Amboina zurüd- 
fehren '). Am 24. Auguft 1828 zog der Commandant der Corvette, 
Sternboom (der bald nachher flarb), die Holländifche Flagge auf 
und nahm feierlich den Theil von Neu⸗Guinea und ber in demjelben 


) Verhandelingen over de natuurlyke geschiedenis der nederlandsche over- 
zcesche bezittingen, door de leeden der natuurkundige commissie in Indi@ en an- 
dere schryvers. Uitgegeven op last van den koning door C. J. Temminck. 
Land-en Volkenkunde geredigeerd door J. A. Susanna. Leiden 1839 — 1844. 
fol. Die erſte Abhandlung enthält Bydragen tot de kennis van Nieuw Guinea door 
Salomon Müller, Geite 3 bis 80. Schilderung der Holländifchen Erpebitiouen 
von 1828 bis 1835 ©. 10 ff., und die Darftellung der Befiguahme des Landes burch 
die Niederländer ©. 73 ff. Müller war bei verfelben tätig; für Geologie und Mes 
teorologie Madlot, der einige Jahre fpäter auf Java von aufſtaͤndiſchen Chineſen 
erfchlagen wurbe; als Botaniker war der Erpebition Zippelins beigegeben, der bald 
nachher auf Zimor flarb; Zeichner waren van Raalten und van Dort. A. 





462 Andree: 


liegenden Länder in Beſitz, welcher auf der Südkuͤſte begunt, mit 
1410 O. von Greenwich, und von dort weſt⸗, nordweſt⸗ und nord⸗ 
wärts bis und mit zu dem auf der Norbfüfte liegenden Kaap de 
goede Hoop, jedoch unter Vorbehalt der Rechte, welche der Sultan 
von Tidore auf die Diftriete Manfari, Karongdefer, Ambarßura und 
Amberpon etwa haben Fönnte. Der Plap, auf welchem das Fort Rand, 
wurde Merfusoord, die von den Eingeborenen ald Uru Langurn 
bezeichnete Bucht Tritonbai, und die Straße Saraweri Wurat, 
welche die Infel Aiduma von der Küfte trennt, Jrisfiraße genannt. 
Die Tritonbai ift ein geräumiges Beden, das etwa zwei geographifch 
Meilen weit in’d Land eindringt und eine Meile breit if. Im Hm 
tergrunde erhebt fih der Berg Ramantfjieri, defien füböfllicher Ab 
hang in eine Fläche ausläuft; auf diefer wurde die Feſtung angelegt. 
Etwas füböftlich von derfelben mündet der Yluß Walar Timbona; er 
bricht aus einer tiefen Schlucht zwifchen den Bergen Lamantfileri und 
Driori hervor; an feinem Ausfluß iſt der Boden moraflig; vor dem 
Strande der Bai liegt eine Untiefe von Kfeigrund, nur an der We 
feite ift ein überdies fchmaled Fahrwaſſer. Man fieht, wie umflug es 
war, daß die Holländer eine landumfchloffene Bucht zur Anlage der 
Niederlaffung wählten; wir haben weiter oben nachgewiefen, wie un 
gefund eine folhe if. Es kann alfo nicht Wunder nehmen, daß die 
Arbeiter während der fieben Wochen, in welchen fie den Bau auffüß: 
ten und im Walde Holz fällten, faft alle an Durchfall, Rheumatis⸗ 
men, Wechfels und Faulfieber zum Theil ſchon nach wenigen Tagen 
erkrankten. Die Holländer hielten dieſe Krankheiten lediglich für eime 
Folge des Ausrodens der Bäume, der fehweren Arbeit und des Man 
geld an frifhen Speifen; fie hHofften, das Fort werde nach Berlauj 
einiger Zeit nicht ungefunder fein, als manche Rieverlaffungen auf 
den Molulfen. Diefe Erwartung aber wurde nicht im Mindeſten ges 
rechtfertigt, und das Klima erwies fi als fo mörberiich, daß man 
1835 gezwungen war, diefen Punkt völlig aufzugeben. 

Bid dahin wurde die Befagung von Zeit zu Zeit mit Lebens 
mitteln verjorgt, namentlich mit Reis, defien Anbau die Eingeborenen 
nicht kannten; die Schiffe, welche den Proviant führten, umterfuchten 
zugleich die Küſte. So nahm 1823 Lieutenant de Boer die Strede 
von 4° 15° bis 5° 15'6&. auf. Don größerem Belang war aber die 





Die Torresſtraße, Neu⸗Guinea und der Louiflades Archipelagus. 463 


Bahrt, welche Langenberg Kool in dem Kriegsſchooner Poſtillon 
nebfl Banfe in der Sirene unternahm, um zu erforfchen, ob der ver- 
meintliche Dourgafluß wirklich ein folcher fei, oder eine Sees Enge, 
oder eine für Schiffe practicable Straße. Beide befanden ſich am 26. 
April 1835 vor der Deffnung, fleuerten hinein, hielten fühöftlichen 
und füblichen Cours und gelangten am 9. Mat, etwa anderthalb Grad 
öftlich vom falfchen Cap, wieder in offene See. Es war alfo ausge 
macht, daß das Land, deſſen ſuͤdweſtliche Spike jenes Worgebirge bil- 
det, eine Inſel jel, welche den Namen Prinz Friedrich Heinrichs 
Eiland erhielt. Die Straße benannte man nach der Brinzeffin 
Marianne; der Rorbpunkt der Infel wird als Kolff’s Hoef, bie 
ſuͤdoͤſtliche Spitze ald Cap Kool bezeichnet; den ſüdweſtlichſten Punkt 
bildet das fehon länger befannte falfche Gap. 

Die Holländer geben über die Suͤdweſtküſte von Neu-Guinea 
ausführlichere Nachrichten, als Macgillivray über die Süpoftlüfte. Sie 
find lange am Lande felbft gewefen und haben mit größerer Muße be: 
obachten können. Müller fchilvert die Küftenphyfiognomie; er fand im 
noͤrdlichen Theile, von 1323? bis 1354° O., die Küfte hoch und klip⸗ 
pig, und nur in den zahlreichen Einbuchtungen hie und da Strand- 
flächen. Weiter nady Süden hin tritt Das Gebirge mehr landeinwärts 
zurüd, fo daß In diefer Richtung ein weitausgedehntes ebenes Vor⸗ 
fand ſichtbar wird, „das den unabſehbaren Wildniſſen an der Torres⸗ 
firaße gleicht." Man erblicdt, fo weit das Auge reicht, auch nicht die 
geringfte Spur von einer Bobenerhebung, aber auf der Breite von 
etwa 54° ©. gewahrt man bei hellem Wetter eine fern im Binnen- 
lande auffteigende Gebirgsfette, die weiter nach Norden, unter 44° ©. 
eine fo bedeutende Höhe gewinnt, daß manche ihrer Gipfel über die 
Schneegrenze emporragen; „wir wenigftend,” fehreibt Müller, „wußten 
uns die weißen, gliternden Lagen, mit welchen die Gipfel und hohen 
Rüden bevedt waren, aus Feiner anderen Urfache zu erklären.” Am 
Tage war indeſſen, wegen des wolfigen Himmels, wenig von dem Ge 
birge zu fehen, wohl aber trat e8 in den frühen Morgenftunden Har 
und fcharf hervor. Seine Hauptrichtung war von Often nah We- 
ften; zwiſchen 135 und 136° nähert er fich den Heinen Küften, welche 
nörblich von da dem Geftade enlang vom Süboft nad) Nordweſt ziehen. 

Die beiden DBergfetten bieten einen ganz verfchledenen Anblid 





464 Andree: 


dar. Jene im Innern hat fanfte Abdachungen und zeigt in ihren hoͤ⸗ 
heren Theilen weit ausgedehnte tafelfürmige Rüden, wahrſcheinlich 
Hochebenen, die notwendig ein gemäßigtes Klima haben muͤſſen Da 
gegen ift das Küftengebirge mehr nach Norden hin fehr rauh, Eippig, 
vielfach zerflüftet, und manche Gipfel heben fich thurmartig empor; es 
erreicht aber nirgends eine bedeutende Höhe, da es nicht über 100 Re 
ter anfteigt. Der fchon erwähnte Lamantfjieri an der Tritonsbai, im 
Hintergrunde der Bucht Uru Languru, unter 3° 39’ ©., iſt einer der 
höchften und Hat doch nur 750,39 Meter. Dan fieht alfo aus bies 
fen Angaben Müller’s, daß an der Suͤdweſtkuͤſte in gleicher Weiſe, wie 
an der von Margillivray befahrenen Süboftfüfte, ein. niedriges Kuͤſten⸗ 
gebirge vorhanden if, während weiter im Inneren ein hohes Alpen 
gebirge fich aufgipfelt. Die vor den Küften liegenden Infeln entjpre 
chen durchaus dem Charakter des Hauptlandes; wo der Strand flad 
ift, find es aud die Eilande, und wo Gebirge und Felſen bis ans 
Meer reichen, haben jene genau dieſelbe Configuration. 

An den von den Holländern befuchten Küften münden vice 
Ströme, zum Theil von beträchtlicher Größe, und. offenbar Liegen die 
Quellen von manchen derfelben fehr tief im Binnienlande, da die Wap 
ferfcheide insbefondere nach Süden Hin weit entfernt fein muß. Doch 
wurde nur der Utaneta näher unterfucht, und zwar lediglich an der 
Mündung, welche eine fünftel Meile breit (etwa 156° 20’ ©. un 
5° 30’ ©.) und von vier bis ſechs Faden tief if. Etwas oberhalb 
diefes breiten Ausfluffes theilt er fich in drei Kleinere Arme. 

Kolff war mit der Triton und Iris von Rorden Ger eilf gew 
graphifche Meilen weit in die „Dourgamündung ” eingefegelt; abet 
man war bald nachher geneigt, dieſes Waſſer für eine Meeresfiraf 
au halten, welche den füblichen Theil Guinea’s von einer großen In⸗ 
jel abſcheide und möglicherweife zu einer Durchfahrt dienen koͤnne, welche 
es den Schiffen möglich mache, die gefährliche Torresftraße ganz gu 
vermeiden. Diefe Erwartung beftätigte fich indefien nicht; am Nord⸗ 
eingang iſt Die Prinzeß Mariannenftraße zwei geographifche Meilen 
breit, wird dann allmälig enger bis zu einer Biertels und einer Sed> 
ftelmeife, dehnt fich aber wieder aus bis zur Breite einer guten Stunde 
Weges. Bei niedrigem Waſſerſtande beträgt die Tiefe zwifchen 4 um 
10 oder auch mehr Haven, an einigen Stellen der fühlichen Ausmuͤn⸗ 


Die Torresflraße, Neu⸗Guinea und der Loniflade-Archipelagus. 465 


dung nur 2 Baden. Die Ufer find überall flach, und mit Gebüfch be- 
ftanden, hinter welchem fich kraͤftige Baume erheben. Bon beiden Sei» 
ten münden Heine Süßmafferflüffe ein. 

Das Wetter an der Süpweflfüfte fand Salomon Müller wäh- 
rend feines Aufenthaltes, der die Monate Mai bis September umfaßte, 
überwiegend windig und regenig, die Luft bie, nebelig und unange- 
nehm feucht. Die Berge waren faft immer mit Wolfen umgogen und 
felten ohne Rebel fichtbar. Die Temperatur war deshalb gemäßigt, 
Nachts manchmal empfindlich Falt, und die Hitze wurde nur drüdend, 
wenn man eine Zeit lang wolfenlofen Himmel hatte. Am Utaneta ftand 
das hunderttheilige Thermometer in der Mitte des Juni am Morgen 
kurz vor Sonnenaufgang auf 25°; Mittags zeigte es 29° bie 299,5, 
gegen Abend bei Sonnenuntergang 26° bis 26°7. Nach weiteren 
Beobachtungen in der Bucht Uru Languru ftellte ſich für Zuli und 
Auguft die Mitteltemperatur in folgender Weife: Morgens 27,4, 
Nachmittags 28°, Abends nach Sonnenuntergang 26°,6. Der höchfle 
TIhermometerftand wurde dort beobachtet am 14. Auguft Mittags 1 Uhr, 
namlich 31°,2, der niedrigfle am 3. Auguſt um 12 Uhr Mittags, nänı- 
ich 25° Gemitter zeigten fi) häufig, das Wetterleuchten war unge: 
wöhnlich ftarf; Erdbeben follen, nach Ausfage der Eingeborenen, in 
den Küftengegenden fehr felten und dann immer nur ſchwach fein. An 
der Süpdweflfüfte von Reus Guinea ift, gerade wie auf den Moluffen, 
der Südoftmonfun der nafle, der Sübweftmonfun dagegen der trodene 
Wind; ed verhält fih alfo damit gerade umgekehrt, wie auf den gro- 
Gen weltlichen Sunda⸗Inſeln. 

In Bezug auf die Erfcheinungen der Pflangens und Thierwelt 
müffen wir auf die oben angeführten Werke verweifen; in Margilli- 
vray's Anhängen zum zweiten Bande ftehen namentlich) ausführliche 
Befchreibungen der Vögel, der Mollusfen (auch über die bathymetrifche 
Vertheilung der Schaaltiere) und der Schmetterlinge, und Salomon 
Müller ſchildert (S. 18 ff.) die an der Südweſtküſte gewonnene Aus- 
beute. Uns geflattet der Raum ein näheres Eingehen nicht; wir be: 
fchränfen und daher auf wenige Angaben. Müller fand überall an 
der Sübweftfüfte einen ganz ungemein üppigen Pflanzenwuchs; der 
flache Strand glich einem grünen Teppich, und felb auf und zwiſchen 
den Felſen erhoben fich mächtige Bäume. Der Botanifer Zippelius 

Zeitfchr. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 30 


466 Andree: 


fand an der Prinzeß Mariannenſtraße Rhizophorae, Bruguierae, 
Avicenniae, Petalomae, Sonneratiae, Heritierae, Aegicereae un! 
Memecyleae. Wo der Boden nicht mehr fo flah und moraſtig 
war, erfchienen Mimosae und Bertreter der Gefchlechter Fagraea. 
Clerodendrum, Carissa, Aralia, Melanthesa und andere Euphoer⸗ 
biaceen; am Rande von offenen Flächen flanden Saccharum Koem- 
güi, hin und wieder Fächerpalmen und Paritium uliaceum mit frum: 
mem Stamme, aus deffen Baſtfaſern bier, ähnlich wie auf den Imieln 
im Großen Ocean und im indifchen Archipelagus, Bänder und Ker 
deln verfertigt werden. Am Ylufie Utaneta wich am fandigen Ge 
ſtade Casuarina equisetifolia, und hinter derfelben landeinwaͤrts, theils 
auf trodenem, theild auf moraftigem Boden Aegiceras, Xylocarpes. 
Salacia, Olax, Canthium und Scyphiphora; unter den Barafitın 
macht fi} Hydnophytum bemerflihd. Am Küflengebirge im Norden 
und den vorliegenden Inſeln wachſen manche Pflanzen, vie auch auf 
den großen weftlichen Sunda»Infeln vorfommen, namentlich aus den 
Sefchlechtern Ruellia, Strobilanthes, Melanthesa, Omalanthus, Rot- 
lera, Adisca, Erytrochilus, Croton, Ficus, Astocarpus, Melastoma 
und noch andere. Bei Hort du Bus in der Ebene am ſüdöſtlichen 
Fuße des Berges Lamantfjieri erhoben ſich mächtige Stämme bis zu 
einhundert Buß aus den Gefchlechtern Anisoptera, Unona, Sidero- 
xylon und Cerbera. Richt minder kräftig flanden die Balmen, weiche 
befonders am Abhange des Berges zwiſchen den Felſen wachfen; zwei 
Arten von Areca (A. macrocalyx und punica, von Blume in der 
Rumphia, Taf. 101, 121, 160 abgebilvet), die prächtige Pagus pbi- 
laris und Kentia procera, welche die Höhe von achtzig Fuß erreicht, 
eine Coryota und noch andere. Dazwifchen gab es Pandani, Myri- 
sticae, Sterculiae, Artocarpi, Elaeocarpi, mehrere Arten von Ficus 
und Canarium, durchwoben von Schlings und Kletterpflanzen, Ca- 
lami, Alyxiae, Hippocrateae, Freycinetiae und Bignoniaceae, Lo- 
ranthi, Orchideae. Die Farrnfräuter find weniger mannigfaltig ale 
auf Java. In den niedrigen und morafligen Gegenden wachſen Ri- 
zophorae und Sonneratiae; die Felsufer hart am Strande find be 
wachſen mit Bikkia tetrandra und mit Gefträuchen aus den Geſchlech 
tern Myrtus, Podocarpus, Jasminum, Antiderma, Leea,, Psycho- 


Die Torresſtraße, Neu⸗Guinea und der Lonifiade- Archipelagus. 467 


tria, Procris, Urtica, Begonia, Callicarpa, Justiia, Baeobotrys, 
Capparis und Glochidium. 

Reben diefem üppigen Pflanzenwuchs ift die Armuth Neu: Gui- 
nea’d an Süugethieren defto auffallender. Die Holländer fanden nicht 
mehr, als ſechs Arten, die obenvrein alle zur Familie der Marsupia- 
lien gehörten. Drei davon. waren noch nicht befannt, nämlich ein 
Feines fleifchfrefiendes Beutelthier, Phascogale melas, von der Größe 
einer gewöhnlichen Ratte, und zwei Kängeruh's (Dendrolagus 
ursinus und D. inustus), welche fi} von den übrigen dadurch unter- 
fheiden, daß fie auf Bäumen leben. Die drei anderen Säuge—⸗ 
thiere waren der fchon von Valentyn bejchriebene Pelandok (Hypsi- 
prymnus Bruni), Petaurus sciureus und Phalangista maculata. 
Müller bemerkte übrigens an verfchiedenen Theilen ver Küfte, na- 
mentlih an der Prinzeß Mariannenftraße, Spuren von wilden Schweis 
nen; die zahmen Schweine, welche er bei den Bewohnern am Ntaneta 
fand, waren von der Kleinen chineflfchen Art, die ohne Zweifel von 
den Moluffen oder den Aru-Infeln dorthin gebracht worden iſt. 
Guoy und Gaymard Haben an der Oftfüfte, bei der Dorenbucht, 
einen neuen Perameles gefunden. Weiter fennen wir feine Säuge- 
thiere auf Neu⸗Guinea!). Dagegen fchrwärmt eine ganz ungeheure 
Menge von Bögeln umher; Müller Eonnte in drei Monaten 119 Ar- 
ten fammeln, welche 60 Gefchlechtern angehören; in unzähligen Schaas 
ren fommen namentlich Papageien, befonders der ſchneeweiße Psitta- 
cus galerchus, vor und Tauben (Columba superba, perlata, nana, 
puella, viridis und pulchella). Auffallend ift, daß die fpechtartigen 


1) Genauer gefagt fieben, nämlich Phascogale melas, Perameles doreyana, 
Phalangista maculata (diefe fommt aber auch auf Amboina vor) der oben angege: 
bene Petaurus und bie beiden Kängernh’s. Schmarda, die geographifche Verbreitung 
der Thiere. Wien 1853. S. 511. Diefer Autor nennt „die Sunda Welt das Reid) der 
Schlangen und Chiropteren“; öftlich von Timor und Gelebes fehlen die Orang:Utang, 
Gibbon's und Semnopitheken; die Kängerubform tritt erft in den „Auftralländern« 
auf; der Caſuar gehört dem Oſten bis Geram; dem weſtlichen Theile und in gamz 
Afien fehlt er. Auftralien ift das Reich der Marfupialien, Monotremen und der ho⸗ 
nigfangenden Vögel. An den Thieren Nen-Gninea's laſſen fich ſchwer feite fpecifi- 
ſche Gharaftere auffinden, fie weichen nur durch geringe Mobiflcationen von denen 
Neuhollanv’s und der Moluffen ab und fcheinen Varietäten ı von der Species diefer 
Länder zu fein. S. 305 ff. A. 

30 * 





468 Die Torreöftrafe, Neu⸗Guinea und der Louiſiade⸗Archipelagui 


Bögel, welche auf den weſtlichen Sunda⸗Inſeln in fo vielen Arm 
vorhanden find, auf Neu⸗Guinea nicht beobachtet wurden; ſie ſchei 
nen ganz zu fehlen. Der Megapodius Duperrey’s, welden Rayi: 
livray auf den Duchatenu-Infeln fand, wurde an der Südweſllüft 
auch von Müller gefunden. Er bauet da, wie dort, daſſelbe mad 
große Neft aus Sand, Holz und Blättern, und if alfo über gan 
Reu-Guinea, umd, wie ed fcheint, über alle größeren Iufeln der 
Louiſiade verbreitet. 

Die Dendrophis picta wurde auch am Utaneta gefunden unt nl 
eined. der am weiteflen verbreiteten Landamphibien; man hat fe am 
Neu-Irland, Manila, Borneo, Eelebes, Java und ſelbſt in Bengaln 
gefunden. Aber noch ein weit ausgebehnteres Gebiet hat die See— 
ſchildkröte, Chelonia viridis, welche nicht bloß auf tie Tropen N 
fhränft if. Die Papuas im Diftrict Lobo brachten den Holländen 
eine große Menge diefer Thiere, die in den ruhigen Buchten um 
Straßen fehr häufig find; da aber ihr Schildpat nicht fo hart mitt, 
als jenes von der Chelonia imbricata, fo wird es weniger geiukt 
In der Bucht Uru Languru bemerften bie Holländer große Krotenike, 
waßrfcheinlih C. biporcatus, und Kolff fand fie auf den Schlamm 
banfen der Sübfüfte der Prinz Heinricheinfel in großer Menge. 

Karl Audree. 


Neuere Literatur: 409 


Neuere Kiteratur. 


Reife nach Brafilien durch die Provinzen von Rio de Janeiro 
und Minas geraës, mit befonderer Nüdficht auf die Naturgefchichte 
der Gold- und Diamant» Diftricte, von Dr. Hermann Burmei«- 
ter, ord. Prof. der Zoologie zu Halle. Mit einer Karte. Berlin 
1853. Drud und Berlag von ©. Reimer. 8. 


Die geographifche Kenntnig von Brafilien ift eine verhältnißmäßig bem 
fchränfte. Noch zu Anfang dieſes Jahrhunderts wird in den Meifeberichten, 
die fich entweder nur auf die Küflenconfiguration oder auf die Befchreibung 
ſchmaler Küftenabfchnitte erftrediten, wiederholt auf das große und fchöne, aber 
unbefannte Land Blick und Intereife gerichtet, ohne daß ein Verfuch unter« 
nonımen oder auögeführt worden wäre, zur Kenntniß des Inneren zu gelangen. 
Was die fpäteren Jahrzehnde an Entdeckungen und Erforfchungen ver inne⸗ 
ven Landesverhaͤltniſſe Braſiliens, feines geognoftifchen Bau's, der dort gedei⸗ 
benven Flora und Fauna zu Tage förderten, davon gehört ver größte und 
befte Theil deutſchen Neifenden und Naturforfchern an, deren Kreis Prof. 
Burieifter mit dem vorliegenden Werfe auf eine würdige Weiſe erweitert hat. 
Diefer ſchließt ſich mit feinem Heifeberichte den Verdienſten des Prinzen Mar 
von Wied, der Herren bon Langdporf, Ejchwege, Spir und Martius, dann der 
Herren Pohl, Böppig u. U. um die Kunde Brafiliend an. Was vor viefen Maͤn⸗ 
nern durch Reiſende und Berichterflatter anderer Nationen über Brafllien zur 
Kenntniß ter Europäer gelangte, beſtand theild in unficheren Travitionen, theils 
in fehr vereinzelten Bruchflüden. Uber auch der Gegenwart fehlt noch, wie 
Schon bemerft, viel daran, ein zufammenhängenves geographifches Bild von 
ganz Brafllien zu befigen. Vielleicht trägt zur Erweiterung und Vervollſtaͤn⸗ 
digung die im Beginne und Anwachſen begriffene veutfche Auswanderung nach 
der Sünhälfte des weltlichen Continents in ven naͤchſten Jahrzehnden nicht 
unwefentlich bei. Scheint es doch, als ob dieſer Eontinent ein Erbtheil des 
germanifchen Stammes werben follte! 

Was die Erforfchung Braſiliens feit ver durch Alvarez de Cabral am 24. 
April 1500 bei Porto Seguro erfolgten Entvedtung bis zu Anfang vieles Jahr⸗ 
hunderts wefentlich hinderte, abgefchen von ver eigenthümlichen oro⸗ hydrogra⸗ 
phiſchen Eonftruction feiner Oberfläche im Verhaͤltniß zur Meereöfüfte, war die 
Stellung des Landes als eine von Portugal abhängige Eolonie, vie wegen ihrer 
mineralifchen Schäge an edlen Metallen und Steinen mit Argusaugen vor 
jedem fremden Einpringling geichüßt und bewahrt wurde. Damit hing ein allen 
fremden Verkehr faſt abſperrendes Zollſyſtem zufammen. Der Anfang zu 
einer Veränderung in viefen Verhaͤltniſſen Enüpft fi an vie Verlegung des 
portugiefifchen Throned nad) Braftlien im Jahre 1809 und an die fpätere 





470 Neuere Kiteratur: 


Erhebung der Eolonie zu einem felbfiflänvigen Staate. Damit begann eine 
nachhaltigere Erforfchung einzelner Theile des großen Reiches, namentlich, 
wie eben angeführt, von Seiten deutfcher Reifenden und Gelehrten. 

Der vorliegende Neifebericht ded Herrn Prof. Burmeifter fell, wie wer 
Berf. felbft in der Vorrede bemerkt, Sreunden ver Natur und des Bölferle 
bens eine anziehenne Schilderung des füplichen Braflliend im Bereich ver 
Hauptſtadt gemähren und gleichzeitig Angaben und Beobachtungen beflätigen 
oder berichtigen, welche über diefen Theil des weiten Landes ſchon im großer 
Menge vorlagen. Diefer Standpunft muß aljo bei ver Benupung une Kri⸗ 
tik des Werkes feftgehalten werten. Es fehlt demfelben, wie ſich bei ver be» 
kannten Birtnofität des Herm Verf. in Beobachtung und Darſtellung res 
Ihierlebens von ſelbſt verficht, nicht ver Schmud und Reiz folder Schiire- 
sungen aus biefem Gebiete der Natur; aber fie follen gleichſam nur zur Stai- 
fage dienen. „Wem es um detaillirte Darftellungen des Urwaldes, ver 
Bewohner over des oceanifchen Thierlebens zu thun if, wer wir» 
folche im zweiten Bande meiner genlogifchen Bilder finden”, bemeerft der 
Herr Berfaffer, und weiterhin heißt e8 in der Vorrede: Indem ich vie auf 
Staatöfoften gefammelten Schäße in befonveren Werten behandeln werde, gebe 
ih in dem vorliegenden Buche nur meine für mich felbft gefammelten Ein> 
drüde, und unterftüge viefelben durch eine Reihe landſchaftlicher Bilder, 
welche ich an Ort und Stelle entworfen habe. Sie werben als „Atlas zur 
Reiſe“ feparat audgegeben.” In dem Meifeberichte wird wiederholt auf 
den Atlas Nüdficht genommen. Man fteht aljo, daß in dem bier zur An» 
zeige gelangenden Werke nur ein befchränftes Fragment von ten Refultaten 
geboten ift, die Prof. Burmeifter durch feine Reife nach Brafilien geronnen 
Sat. Und doch ift es dasjenige, welches vorausfichtlich Die meifle rein geo- 
sraphifche Bedeutung haben bürfte. 

Die einleitenden Worte, mit welchen der Herr Berf. feine frühe Neigung 
zu erberforfchenden Reifen, fowie den Plan ver nunmehr ausgeführten Gr- 
eurfion befpricht, tragen noch theilmeife das Gepräge bitterer Rifflimmung; 
erſt auf dem Dcean wird der Bli des Naturforfcherd von den ihm fremr- 
artigen Beziehungen frei auf fein Gebiet hingelenft und er führt fogleich zu ven 
anziehendſten und Iehrreichfien Beobachtungen und Unterfuchungen über das 
Leben der Meereögefchöpfe und die eigenthümlichen Erfcheinungen des Oceane 
felber. Die Abreife aus Halle geichah am 12. Septbr. 1850; die Rüdkbr 
dorthin erfolgte am 6. April 1852. Zur See ging der Herr Berf. von Bre 
merbafen aus am 20. Septbr., und er landete nach einer Seefahrt von etwa 
zwei Monaten am 24. Novbr. in Rio= Janeiro. Ein Jahr etwa, vom 21. Dechr. 
1850 Bis in vie Bitte Decbr. 1851, verwandte berfelbe ſodann auf Gr 
eurfionen in das Innere des Landes, und er fehiffte fich zur Müdfehr im 
bie Heimat am 15. Jan. 1852 in Rio wieder ein. Das Terrain Brafllient. 
dem ber Beifende feine Korfchungen widmete, erſtreckt ſich nach den äußerfien 





- 


Burmeifter: Reife nach Brafllien. 471 


Punkten, die er berührte, etwas über 3 Grade ver Breite und gegen eben fo 
viele Grade der Länge, was bei einem Länverraum, wie Brafilien, ver fich 
über 35 Breitengrade und faſt eben fo viele Laͤngengrade binlagert, freis 
lic) nur ein verhältmißmäßig geringed Segment bildet, wobei aber der Um⸗ 
fland geltend zu machen ift, daß gerade jener befchränfte Laͤnderraum unftreis 
tig die anziehendſten und lehrreichſten Partbien von Brafilien umfchließt und 
veahalb auch feither das Intereffe verfchienener Reiſenden vorzugsweife gefeſ⸗ 
felt Bat. 

Neben manchen lehrreichen Beobachtungen des thierifchen Lebens im 
Meere enthält der die Hinfahrt nach Rio fchilvdernde Abfchnitt des Werkes 
eine Zufammenftellung ver von dem Verfaſſer über die Farbe des Meeres 
überhaupt gefammelten Beobachtungen — die Thermometer » Beobachtun- 
gen über vie Temperatur des Oceans find im Anhange beigefügt. Es wird 
bei dieſer Darſtellung davon ausgegangen, daß A. von Humboldt Alles, was 
ſich auf vie Erklärung der grünen Farbe des Meereö bezieht, im höchften 
Grade für problematifch erfläre und damit die große Uingewißheit offen aus- 
fpreche, in welcher die Wiffenfchaft über viefen Punkt noch ſchwebe. Der 
Herr Berfafler jucht nun feine Anficht, daß die Barbe des im Meere 
abgeipiegelten Himmels die Erfcheinung des grüngefärbten Meerwaſſers her⸗ 
vorbringe, durch eine Reihe von Beobachtungen und Erklärungen feſt⸗ 
zuſtellen. Bei dem Intereile, das dieſe Streitfrage mit fich führt, fei es 
vergönnt, die nad) des Herrn Verfaſſers Anficht hinreichend bewieſene 
Erſcheinung mit feinen eigenen Worten anzuführen. „Sieht man vom 
Schiff in’d Meer an der Seite, wo das Schiff feinen Schatten auf vie Mee- 
reöfläcdhe wirft, fo ericheint vie Bläue deſſelben ungleich matter und jchwächer, 
als an der entgegengefegten. Hier aber bemerkt man unmittelbar neben dem 
Schiff einen dunklen, faft ſchwarzen Schatten, werauf, wenn fich die Wels» 
Ien hin⸗ und herbewegen, vie tiefftn inpigoblauen Stellen zum Vorſchein 
kommen. Das Phänomen iſt eind ver prächtigftien, welches man fehen Tann, 
man muß es indeflen nur bei ruhiger, von der Sonne fcharf beleuchteter See 
beobachten. Es findet feine Erklärung in der ſpiegelnden Fähigkeit der glat⸗ 
ten, gleichſam polirten Oberfläche. An ver von ver Sonne direct beleuchte- 
ten Seite verhält fich das Wafler wie eine Glasſcheibe, ohne Folie; die mei⸗ 
fen Lichtftrahlen geben hindurch, nur vie kleinere Zahl reflectirt und des Gim- 
mels Blau; an ter im Schatten befinvlichen Seite befommt das Mare Waſ⸗ 
fer eine dunkle fchwarze Bolie vom Schiff, und daher refletiren die in ber 
gehörigen Lage befinvlichen Wellenflächen das Blau des Himmels mit feiner 
ganzen Tiefe, over noch dunkler, gleichwie ein Spiegel mit ſchwarzer Folie ein 
vunkleres Bild giebt, als ein anderer mit heller, glaͤnzender Metallunterlage. 
Ich Halte dieſe faft täglich in der Tropenzone, wo man nur felten ftärfere 
Winde und Welenbewegungen antrifft, von mir wahrgenommene Erfcheinung 
für Hinreichenn beweiſend.“ ine zweite, häufig beobachtete Erfcheinung auf 





472 Kemer: Yerııt: 


Bierekiibrien, red Yeuticn mi Meet, are rem Dermm Set ıı les 
ven Bersateumarn Arc: „Ei su mw lraerae, ê Serbacuer m 
2c$ Buntiüe aber Zizeemem ven Aleenenicung u Men Ve inc ve 
tradıı x: Tem re vrlız analear Yılamsmııdcang mmirser cmeamnsen 
Iekfserızwirmd:en wrashem he, ur Tue rung eruchen sum. 
rat das Ber an 5%, over sub nr um Shazm Ieufer: meimutr via 
chen rwie rellıze Lıhrutten bener Eriirumgem aut cme sialharzg Ih: 
tadr bir. Es ner Ibitre, geeöbeht Ihr fieme mıhreilennde, weder m 
Ceean iburımmn ur cameper, ım ıbatannen Samea teen eg wehen, 
u Tue iligenten Yauıreren, Yıfı amstrat.m wer, zurh ru Belieben 
gung aub ierer Dal aritleuer, sermige ver Ämzung abrer Lierläde m 
momemsan: Lichtentn idelung gramm *° Aui ner Gemreme gelama es WM 
Serra Veri. micht, dicie Lruchrrcrbalmiiie naher Icmmen zu Leruen, ıwebi aber ui 
ter Kadickri, währen: relcher er came flee Zahl mufreätsgwider Krrböken 
aus Der Familie ver Lophyropo den um Gorcyorcn aid zufıkı Ya 
träger Ang, une Danchen alö mementame Yırlırryanger muechrere Bürteier, ms 
mentlich cine Belagia, erfamate. Am 10. Rohr. pafırie dad Edcũ, ae Or 
zelle, vie Linie unter tem üblshen Geemanögchränden, denen juch ver He 
Lerf. vurd Die lategoriſche Erklärung, daßj cr fi afle Trummpeiten verbun 
und rurch eim hinzugeiugtes Gelogeſchenk eutıoy. Mu einer Beratung übe 
ten Ginerud des fürlichen Sternhimmels uns mit barau gelaicviten Relie- 
men, wonach „tie autile Welt, was das Erhabene betrifft, viel richtiger, web 
rer und menichlicher geurtbeilt Gabe, als die ipätere chriſtlich⸗ germaniche", 
nähert ſich Die Tarficlung zen Kümen Braftliins une rem Hafen von Se 
Janeiro. Dieſer ausgeieichmeten Gapitale, ver einzigen eines Mewarken a 
ver weſtlichen Grmiiphäre, ift Das zweite Kapitel des Buches gexämd; vi 
erſte Aufenthalt des Verf. dauerte daſelbſt vom 24. Rebr. bis zum 21. Diie. 
una ihm vervanfen wir eine fo gräntliche uns anjchaulidhe Echilnerung w 
uneundlich oft beſchtiebenen Stadt, van fie jenem Reiſenden fatt eines Gar 
sone dienen fönnte. Erſt erhalten wir gleichſam ein Bausrama berieben ws 
der Exrfeite, Dann werten wir in vie innere fläbtifche Corſtruction cumaefut, 
uber tie hauptſaͤchlichſten Bauwerke Kirchen umd Pläge unterrichtet und zu de 
Sitten, Gebräuden, der Lebensweife der verſchiedenen Bolföflafien Selm 
gemacht, wobei das fich vielfach verzweigende Leben ter Ratur überhaupt j# 
gleich eine fortlaufente Kette bilder. Ausflüge in vie Nachbarſchaft, tet 
eine Darftellung ver Biltungs - Inftitute vervollfännigen das Bile eimer det sah 
Lage und Stellung an der Ervoberfläche ſchönſten und zukunftreichſten Exit 
ver Wet. Mio Janeiro ift eine verhältwigmäßig fchr junge Start, mem 
7 auf ihre Selbſtſtändigkeit als Wittelpuntt eines Reiches reſlectin; dem 

als ſolche beginnt fie erſt ſeit 1808 Bedeutung zu gewinnen. Den Umfas 
ihrer heutigen Berhältniffe kaun man einer im Anhange bed Werles mi 
haltenen flatijchen Ueberſicht, wonach fie 205906 E. zäßlte, entnehmen. Asd 


Burmeifter: Reiſe nach Brafilien. 473 


den erwähnten flatiftiichen Mittheilungen kann der Lefer, auch nach des Verf. 
Meinung, beſſer als aus wortreichen Schilderungen die Bedeutung der Haupt⸗ 
ftadt Braflliens für das eigene Land, wie fir den Welthandel abnehmen. Aus 
der an fcharfen Beobachtungen reichen Darftelung von den Zufländen und 
Verhältnifien einer fo hervorragenden Stadt, wie Rio, darf ed erlaubt fein, 
auf einen Punkt Hinzuweifen, ver gerade wieder in neuefter Zeit von verfchies 
denen Reifenden mannigfach hervorgehoben und meift in des Verfaſſers Sinne 
dargeſtellt ift, wir meinen das Verhaͤltniß ver ſchwarzen Menfchenrace. „Ob- 
wohl ich, bemerkt der Verf., nach meiner ganzen Erfahrung mich für die Rich⸗ 
tigkeit ver Anficht entſcheiden muß, daß ver ſchwarze Menfch Förperlich, wie 
geiftig, unter dem Weißen fleht, und daß er da, wo beide zufammen leben, 
fi) nie über eine dienende Stellung erheben wird, fo babe ich doch ſtets 
eine gewifle Vorliebe für ven Schwarzen empfunden, und ihn wie einen aus⸗ 
läntifchen Naturgegenftand mit erhöhten Interefje betrachtet. Dennoch ift es 
mir nicht gelungen, während der Zeit, in welcher ich mit Schwarzen verfehrte, 
einen gewiflen Widerwillen zu unterbrücden, ver bald nach ver Berührung 
mit ihnen in mir rege wurde. Sch liebte fie, möchte ich jagen, theoretifch, fo 
lange ich fie nur aus der Entfernung Fannte, ald ich noch nicht mit ihnen 
leben mußte; feit ich dazu gendthigt worden war, fließen fie mich ab, und 
meine Liebe wandelte jich in Uebervruß um. Zunächft bat die ganze Perfün- 
lichkeit ded Schwarzen etwad Unangenehmes, das weniger durch fein Beneh⸗ 
men, als durch feine körperlichen Eigenschaften hervorgerufen wird. Vor Als 
lem ver bäßliche Geruch, mit dem er, wenn auch in jehr verichievenen 
Grave, behaftet ift, ftößt ab und macht feine Nähe zum Theil unerträglich. — 
Der Neger ift im Ganzen umverbroffen und findet fich bald in fein hartes 
Schickſal, wenn man ihn nicht allzuſehr anflrengt; er arbeitet feine Zeit ge» 
rade nicht mit Eifer, doch pünktlich, bedarf inveflen ver Beauffichtigung, wenn 
er nicht faul werden fol. Eine gewiſſe Gefchidlichkeit in ver Hand, die an 
die Nahahmungsluft ver Affen erinnert, weiß er fich bald zu verichaffen, 
aber Erfindung und eigene Compoſition gehen ihm ab." 

Bei den verfchievenen Ausflügen, welche ver Verf. in die Umgegend un⸗ 
ternahm, beftieg er auch ven Gorcorado, wobei er zum erſten Male Gelegen⸗ 
beit hatte, die Urwalpung fennen zu lernen. Am 12. Decbr. wurde dem 
Reiſenden vie Ehre zu Theil, vem Kaifer Dom Pedro II. vorgeftellt zu wer⸗ 
den; aus einer balbflündigen Audienz nahm er „pad angenehme Bild eines 
in jeder Beziehung licbenswürbigen Herrfchers” mit fich hinweg. 

Dad dritte Gapitel des Werkes enthält die Reife von Rio nah Neu» 
Freiburg, zunächft im Thale des Macacus Bluffes, der fih in die Bat 
von Rio Janeiro ergießt. Die Abfahrt erfolgte am 21. Decbr. Zunächſt am 
erwähnten Fluſſe paſſirte der Verfaſſer eine einfame, auf den Karten als 
Billa nova de St. Joſé großartig angegebene Fiſcherhütte; ein Beiſpiel 
für fo viele Erjcheinungen verfelben Art. Nachdem dad Dampfboot zu 





474 Neuere Literatur: 


Säo Payo gelandet, begann die eigentliche, nunmehr ununterbrochene Laud⸗ 
reife bi8 zur Müdlehr des Herrn Verf. nach Rio. Er leitet dieſelbe mit Be 
merfungen über die Art des Reiſens, das in Brafilin nur zu Pferde ober 
auf Maulthieren gefchieht, ein, und fchließt mit ver Notiz, dad „Yremise um 
Ganzen gern aufgenommen werben, weil man fie durchgehends für reich halt 
und am ficherften prellen zu fünnen denkt; fie gelten faRt immer für Gmglän- 
der, fo daß Inglez und Eftrangeiro bereitö gleiche Bebeutung haben“. Die 
Partie der Reife am 24. Decbr. war die beſchwerlichſte, aber auch die beloh⸗ 
nendfle, indem der Kamm des Orgelgebirges (Serra dos Orgaos) zu äber- 
fohreiten und Neu» Freiburg zu erreichen war. Das Orgel» Gebirge ift eime 
fchmale, vielzadige Bergkette, die Nordſeite ver Bai von Nitevohy im einer 
Wellenlinie umfaſſend und in ihren verjchievenen Abſchnitten verfchiepene Ra 
men führend; das weftlichfte Ende heißt Serra de Bingua, die Mittelfürede 
Serra da Eſtrella, und der Öftliche Theil bis zur Quelle des Macau wire 
Serra dos Orgäod genannt. Don dem Paß an, welcher nach Neu = Sraburg 
führt, wendet fich die Serra erft oflmärts, dann norbwärts bi8 zur Münbung 
des N. Parahyba, und fie heißt in viefer Auspehnung Serra de Macahe. Rabe 
den Quellen des Rio Guapy yguaqu (über den Namen Dauacır f. die Zeitf. I, 
15 ©.) erreicht die Orgel£ette ihre bedeutendſte Höhe; Gardner giebt deren hoͤchſte 
Spite zu 7500’ an. Danach hätte das Orgelgebirge die höchften Gipfel von allen 
näher befannt gemorvenen Bergzügen des weiten Brafllind. Als der Reifenix 
nit feinem Sohne die Waflerfcheide des Orgelgebirges überfchritten, wehte ihen 
aus dem Thale der anderen Seite ein fo Falter Wind entgegen, daß er zum er 
ften Male in ver neuen Welt fror. Das nächfle Haus, das angetroffen wurk, 
gehörte einem Deutfchen, M. Elsner, aus Darmſtadt. Benfterfcheiben fehlten 
dem Haufe, wie denn der Heifende überhaupt von dem Orte Mendouza and 
kein Glas mehr in den offenen, nur durch hoͤlzerne Laden von Jumen ge 
chloffenen Luden wahrnahm. Bon bier nach Neu⸗Freiburg find es noch 
zwei 2eguad, am Rio dos Bengalas entlang. Der Aufenthalt des Reiſenden 
in Neu⸗Freiburg dauerte bis zum 9. April und fiel zum Theil in die wort 
herrſchende tropifche Regenzeit; er follte einen voppelten Zweck haben, indem ſich 
ber Verf. ungeftörter, ald ed in Rio Janeiro möglich war, der Befchäftigenng 
mit der Natur hingeben und durch Ealte Baͤder feinen Körper fo weit als möglich 
ftärfen wollte, um eine längere Heife nach dem Inneren unternehnten zu Fünzen. 
dann aber auch, weil in Neu⸗Freiburg damals der um die Entomologie Brafiiens 
vielfach verdiente Hr. C. H. Bescke, aus Hamburg, gefl. am 5. Decbr. 1851, wel» 
her dem Reiſenden durch Rath und That befonders nüglich werden konnte, noch 
lebte. Die Stadt Neu⸗Freiburg (Villa de Nova Friburgo ) ift neuen Urfpeun- 
ges und fehlt noch auf vielen Karten; fie wurde vom König Johann VL am 
gelegt, der Hier unweit eines Heinen Wafferfalles ein einfaches Landhaus ſich 
erbauen ließ. 1820 kamen auf feinen Betrieb Koloniften aus der Scmeil, 
größtentheils aus franzöflfch redenden Kantonen; einige Jahre fpäter wander. 


Burmeifter: Reife nach Brafilien. 475 


ten die Deutſchen aus ven Rheingegenden ein. Der Ort bat gegenwaͤrtig 
etwa 100 Häufer und 1000 Einwohner. Er befteht aus der eigentlichen 
Stadt, dreien Kleinen Vorſtaͤdten und gegen 20 Eleineren Anftevlungen im Ab⸗ 
flande von 2 Leguad umher, veren Gründung von der Hegierung bewirkt 
wurde, indem ſie Land an die Koloniften unentgeltlich überließ. Die Stellen 
wurden von ber Behörde ausgewählt, numerirt und an die Ankommenden 
der Meihe nach vertheilt, darum heißen dieſe Anſiedlungen noch jeßt bie 
Nummer (os numeros). Die ganze Gegend umher iſt unfruchtbar, fehr 
felftg, dicht bemalvet und fo uneben, daß fich wenig geeignete Orte zur An⸗ 
legung von Aderfelvern varbieten, weshalb vie Eriftenz der Anftenler Tange 
Zeit fehr dürftig war, und felbft gegenwärtig vie menigften fich eines geveihlichen 
Dafeind erfreuen. Bananen und Kaffee werben nicht mehr reif; die Orangen 
bleiben ſchlecht; Mais und Bohnen find vie wichtigften Kulturpflanzen und 
Viehzucht, um Milch und Butter daraus zw gewinnen, Sauptbefchäftigung. 
Europäifche Gemüſe gedeihen gut, aber die Schwierigfeit des Abſatzes hindert 
deren Kultur über den Berarf; auch der Transport der Butter nach Rio ift 
zu befchwerlich (4 Tagereifen), und zur Zucht von Schlachtvieh reicht dad im 
Ganzen fehr fpärliche Acker⸗ und Weideland nicht Hin. Darum wird der 
Ort nie in Flor gerathen und das ziemlich Armliche Anſehen behalten, wel⸗ 
ches ihm jetzt ſchon anklebt. Der Grundflein zu einer Kirche fr die Stadt 
wurde erft während des Aufenthaltes des Neifenden am 20. März 1851 ger 
legt. Gleichzeitig mit der Kirche nahm man ein Zuchthaus in Angriff, 
gereöhnlich - eins der erften und beſten Gebäude in den braftlianifchen 
Städten. Neu⸗Freiburg bat, wie alle brafilianifchen Dörfer, zwei öffent» * 
liche Schulen, eine für Knaben, die andere für Mädchen, deren Lehrer auf 
Staatskoſten befoldet werden, weshalb ver Schulbefuch überall unentgeltlich ge- 
fcheben ann. Was rad Naturleben um Neu= Breiburg betrifft, jo fand es ver 
Berfaffer, im Vergleich zu anderen Punkten Brafiliend, einförmig und in 
der Pflanzenwelt, ganz wie in der Thierwelt, wenig großartig. Die beißeften 
Tage fielen in Neu= Freiburg auf ven 6— 12. Januar und waren regenfrei; 
im Schatten ftand das Thermometer auf 26° R., und zwar um 2—24 Uhr; 
das Wafler des Fluſſes überfchritt II R. nicht. Eine anziehende Schilves 
rung des Urwaldes bei Neus freiburg giebt der Herr Verf. auf ©. 169— 
174, wie denn überhaupt die an die verfchievenen Ausflüge veffelben in ver 
Umgegend jener Stadt fih knüpfenden Bemerkungen ein anfchauliches Bild 
einer Tropenlandfchaft geben, in melchem befonverd vie Befchreibung des 
Kolibri (S. 193— 195), die Beveutung der Schlangen (S. 196— 201) 
und ver atmojphäriiche Einfluß, ſowie der Einfluß der Infeeten auf naturs 
hiftorifche Sammlungen (S. 201— 203) anziehende Punfte bilden. 

Am 9. April verließen die Reiſenden Neu» Freiburg, um Minas gerass 
zu befuchen, mit der Natur Braſiliens im Inneren befannt zu werben und auch 
die durch Dr. Lund berühmt gewordenen Knochenhöhlen am Rio das Velhas 


476 Neuere Literatur: 


aufzufuchen. Das nächfte Ziel der Reiſe war Aldea da Pedra am Rise Ba- 
rahyba, wo in ihn der Rio da Pomba mündet. Der Weg dahin führt durch 
eine ſehr gewerbfleißige, "der Kaffeefultur fehr günſtige Gegend, wo bie raid» 
ften und ausgedehnteſten Blantagen (Fazenden) ſich befinden; in verjelben 
liegt vie Vila de Cantagallo, dad Elvorado unter den Kaffeeplantagen. Der 
Ort hat etwas über 100 Häufer, eine Kirche und gegen 1200 Einwohner. 
Die Schilderung einer der größten Kaffeeplantagen Braſiliens, die in Sta 
Rita Herrn Iacob v. Erben gehört, giebt der Herr Berf. auf S. 228 — 232, 
und er Fnüpft daran Betrachtungen über vie Rage ver Negerſclaven, fowie über 
die fociale und politifche Lage Braflliens überhaupt. „Die Regierung jollk 
Alles thun, was in ihren Kräften fieht, die Sclavenbevölferung zu hindern 
und die erforderliche Arbeitskraft durch Herbeiziehen von Koloniften auf freie 
Weiße zu übertragen. — Died dürfte das einzige Mittel fein, dahin zu wir⸗ 
fen, daß Brafilien fich nicht alınälig in ein völlig von farbiger Benölferung 
bemohntes Land verwandle und in Folge diefer Verwandlung au Wohlbe- 
benheit und Macht verliere." — Im Dorfe Aldea da Pedra am Barahybe 
fand ver Reiſende gaftlihe Aufnahme im Haufe des Dr. Dennewig, eines 
beutfchen Arztes. Die zahlreiche Verbreitung gebilpeter Deutſchen in tem 
von Profeffor Burmeifter bereiften Theile Braflliend förderte und erleich 
terte im hoben Grave deſſen Operationen. Der Ort Alpen iſt zu Un 
fang diefes Iahrhunterts aus einer von Franziskanern begründeten Intiauer- 
Anfievlung entflanden und bildet jegt noch den kirchlichen Mittelpunkt aller 
Indianer bis weit nach) Minas; ver dort lebende Kranziöfanernönd Flo— 
rido de Caſtello rühmte fi, über 700 Coroados, mehr als 200 Baur 
und einige Botokuden getauft zu haben; denn dieſe Invianerflänme wohnen 
näher oder ferner von Aldea. Die Coroados gelten für die Nachkommen der 
urfprünglichen Bevölkerung der Provinz Rio de Janeiro und geben dem 
Herrn Verf. zu einer Schilderung ihrer Förperlichen und geiftigen Beſchaffen⸗ 
heit, ihrer Lebensweiſe und Gebräuche Anlap (S. 246— 251). Bon Alves 
führte die Reife über ven Parahyba- Flug, zunächft im Ihale feines Neben⸗ 
fluſſes, des Pomba aufwärtd, wo zunächft eine Charakteriftif der Buri- Ia- 
dianer gegeben wird, abwechfelnd durch Urwald und über Bergland, über 
Bila da Pomba, durch das Quellland des Rio Dore nad Marianna. Die 
auf diefer Tour sunächft berührten Orte, in welchen vie Reiſenden überned- 
teten oder längere Zeit verweilten, find San Felis am Ponba, Gapnvarg, 
Saraujal, Sta Rica da mein Pataca. Am 30. April Iangten die Reiſenden 
in dem aus etwa 130 Häufern beſtehenden Ort Billa da Pomba an, der nad 
nicht 1000 Einwohner hat. Bon bier ging ver Weg am 2. Mai über Mer⸗ 
ces, das, obgleich ein Dorf, bevoͤlkerter ald Villa da Bomba ift und nabe 
den Kammıe des hier bie Waſſerſcheide zwifchen ven Gebiete des Rio Bara- 
hyba und Rio Doce bildenden Gebirges Liegt; füplich fließt nämlich alles Waſſer 
zum Pomba, der in ven Parahyba mündet, und norpwärts in den Rio Gh 


Burmeifter: Reife nach Brafilien. 477 


poto, welcher eigentlich nichts anderes als ver Rio Doce ſelbſt ift. Der enge 
Winkel, worin die unter dem 26. Grade weftlich von Ferro von S. nah N. 
flreihende Serra da Barbacena mit der von NO. nah SW. ftreichenven 
Serra de St. Iofe, deren fürliche Verlängerung weftlich von der Serra da 
Barbacena die Serra da Mantiqueira heißt, an dieſer Stelle zufammentrifft, 
umfaßt dad Duellgebiet des Mio Doce; alled Wafler, was fich am Oſtab⸗ 
hange ver Serra da Barbacena fammelt, gehört zum Syftem dieſes Fluffes; 
alles weſtlich davon ftrömenve geht durch den Rio grande in ven Rio Ba- 
rana und Rio de la Plata; fämmtliche auf der Sühfeite der Serra da Man⸗ 
tiqueira und Serra St. Jofe entjpringenden Quellen fließen zum Parahyba, 
alle nach NW. ihre Richtung nehmende in den Rio St. Franzisco. Vier 
große Blußgebiete find hier durch ein ſchmales Gebirge getrennt, deſſen höchfte 
Gipfel 4000’ nicht überfchreiten, und deſſen Kammlinie fich nur ftellenmeife 
über 3000’ erhebt. 
Drei Legund ſüdlich von der Stadt Marianna führte der Weg über vie 
Belfenfette des Itacolumi. Bei viefer Gelegenheit muß der Verf. geftehen, 
daß, wer nicht in die Einzelnheiten ver Gebirgsconftruction dringt, auf den 
fönnen die höheren Gebirgsregionen Brafiliend Eeinen anderen Einprud her⸗ 
vorbringen, ald die analogen Oertlichkeiten des Harzes, des Thüͤringerwaldes, 
ded Rieſengebirges u. ſ. w. Nur die vorwiegende Nadelholzoegetation der 
deutſchen Gebirge fehlt den braſilianiſchen Gebirgswäldern völlig; erſt mitten 
im Innern und überall nur an den noͤrdlichen und weſtlichen, der Meeres⸗ 
küſte abgewandten Berglehnen treten vie Nadelholzbaͤume Braſiliens und 
ſtets in untergeordneter Theilnahme an der Waldung auf. — Die höchſte 
Stelle des Paſſes, im Süden von Marianna, betrug 3426’ (3561’ nach 
v. Efchwege) über dem Meeresniveau. Mit dem Hinabſteigen der Baflage 
hört ver Urwald (terra do matto) auf und es beginnt dad Camposge⸗ 
biet (terra dos campos). „Es ift höchft überrafchenn, zu beobachten, wie 
plöglih und ſcharf der Unterſchied eintritt. Ganz Brafllien Hat eigentlich 
nur diefe beiden Temperaturverfchievenheiten und kann darnach mit Hecht ein» 
getheilt werden. Nimmt man eine gute Karte Süd⸗Amerika's zur Hand, fo 
erfennt man die Grenzen beider Gebiete Leicht und mit großer Deutlichkeit. 
Weſtlich von Rio de Janeiro liegt hinter einer hohen Gebirgskette, unmittel- 
bar am Meere, der Serra do Mur, die Stadt St. Paulo. Bon berfelben 
geben zmei zwar vielfältig unterbrochene, aber im Ganzen zuſammenhaͤngende 
Gebirgszüge nach Norden aus. Der öftliche verläuft am Küftenrante und 
befteht durchgehende aus mächtigen Uirgefteinen, beſonders aus Granit und 
Gneis; der weftliche beginnt ſchon mehr nad) Innen mit der Serra da Man⸗ 
tiqueira und fleigt der Küfte jener parallel, aber in einem Abſtande von 40 
Bis 60 deutſchen Meilen, bi8 über Pernambuco hinauf, vorzugäweife von kry⸗ 
ſtalliniſchen Schiefern gebildet: Itacolumit, Glimmer⸗ und Eifenglimmerjchiefer 
ihnen verwandten Gefteinen. Die Schichten dieſer Gebirgöreibe fallen nad) 


478 Neuere Literatur: 


Südoſt und darum haben alle gegen das Innere Brafllend einen viel ärke 
ren Abfall. Am Buße derjelben fließt ver Rio St. Francikco, nur wie Fleinie 
fürliche Spige neben St. Baul gehört zum Waflergebiet des Ries grambe, der 
in den Parana fällt. Alles Laub weſtlich vom dieſen Bergen iR Gampyei- 
gebiet, ver Küſtenſtrich oſtlich davon umfaßt vie Urwalsregien; bir ke 
ben ver Parahyba, Rio Dore, Belmonte, Paraguncu m. |. w.eihre Duclien 
und ihre Betten. — Aber nicht bloß ein fo großer äußerer Umterſjchied fin 
det zwifchen ben beiden Landſtrichen ſtatt, auch eine tiefere geologiſche Die 
ren; liegt in ven Gebirgen felbft, noch vermehrt durch ven Umflane, bay nur 
die Schiefergebirge Die eigentlich gold= un» Tiamanıhaltigen find, Die ver Küfe 
näheren Borgebirge nur wenig oder gar nichtd von dieſen Schägen beiigen. 
So folgt denn Darauf eine dritte, fehr weientliche induſtrielle Berjdienenheit 
der Gegenden; vie inneren treiben Bergbau und Wetallculiur, die änperen 
fönnen nur des Aderbaues und der Lantwirthichaft jüch Gefleifigen, wenn ker 
Handel iſt une bleibt, wie watürlih, auf die Seeftädte beſchränkt, weil tw 
Flüfſſe keine Binnenſchifffahrt geflatten und felbfi ver Rio St. Fraucisco vurk 
den großen Waflerfall vom Paulo Affonjo, 40 Weilen von feiner Büntung 
aller und jeder zufammenhängennen Waſſerſtraße ein unüberfleigliches Hinder⸗ 
nig in den Weg legt. Bon va .an fann er freilich befahren werben, aba 
nicht völlig; eine zweite Caſscade bei Piragora (I0’ Hoher Sturz, zer 1645’ 
hber dem Meere liegt) jperrt wierer das oberfle Viertel feines Laufes ver ber 
Einmündung ded Rio dad Velhas von den darunter liegenten Gegenden al. 
— Die Serra do War bei St. Paulo ift übrigens ver Anfang jener gram- 
tifchen Gebirge zunächfi ver Küfle, welche von den erwähnten Flüfſen umftrdemt 
werben. Zu ihnen gehört das Orgelgebirge mit feinen vielnamigen Abjdzait- 
ten im weiten Bogen vom Rio PBarahyba umfaßt. Im Gebiete des Rio Dex 
liegt zwifchen ihm und dem Belmonte als eine ähnliche, aber in anderer Rub- 
tung ſtreichende lirgebirgäfette die Serra dos Aimored neben ver Küſte bin: 
jenſeits des leuten bis zum Rio Paraguaçu folgt analog wie Serra Gi⸗ 
boya, un? von da biß an den St. Francieco vie Serra da Irabanga, welche 
ſich nörblidy vom Fluß ald Serra Itaperaba fortſezt. Hohe. von ven inne 
ren Gebirgen zum Meer verlaufende Ketten trennen vie einzelnen Flüſſe zur 
vermehren vie überall gleich große Unebenheit des granitiichen Bodens; eri 
jenfeitd Pernambuco treten die borizonialm Hochebenen (taboleiras) ter 
Kreiveformation auf, welche dieſem Theile Brajiliens einen fo eigentbizmlichen, 
völlig verſchiedenen Eharafter verleihen. Nirgends ift fürlidh von Francisco 
auch nur eine Spur fecunvairer Gebirgsarten zu entdecken. — Wie ganz an- 
ders verhält fid) Dagegen das Land im Innern, weſtlich von der großen Berg 
fette, weldye von Eſchwege mit dem Namen des brafilianifchen Rüd- 
grats (Serra do Espinhago) belegt hat. Alles Land umher ift gleichjärmi- 
ged Tamposgebiet und trägt bis an ten Fuß der Gorbilleren in einer Aut- 
dehnung von 3— 400 geograph. Meilm venjelben Charakter. Hier ik die 


Burmeifter: Reife nad) Brafilien. 479 


herrſchende Formation die primäre Floͤzbildung; regelmäßig geichichteter Thon⸗ 
fchiefer, Uebergangskalk und einzelne graumadenartige Befteine bilden ven Bo⸗ 
den von Minas geraës weſtlich von Rio St. Francisco, von Goyaz und 
Matto grofie, hie und da von merklichen Ernftallinifchen Schiefergebilnen ver 
Montes Pyreneios, ver Serra Sta. Martha und der Serra Secada unterbrochen. 
Die niedrige Serra dos Vertemes, gleichfalld eine Bezeichnung von v. Ejch- 
wege, welche vie Waflerfcheide zwifchen dem Gebiet des Nio St. Francisco 
und Rio Girande da Parana bildet, macht gleichſam ven Anfang; fie trennt 
dur ihre Bortfeßungen die beiven ungeheuren Flußſyſteme des Amazonen- 
ſtromes und des Mio de Ta Plata. Mehrmals berühren fich ihre Wafler far 
unmittelbar, ja an einer Stelle in Matto groffo, ſüdlich von der Hauptſtadt 
Billa Boa, ift die Möglichkeit einer virecten Ganalverbindung durch die 
Bleichförmigfeit des eingelagerten Erdſtrichs ſehr nahe gelegt. Um fo hoͤ⸗ 
ber erheben ſich die Gebirge, welche die Grenze zwiſchen dem Küftengebiet des 
Urwaldes und ber Binnenfläche ver Campos bilden, fie erreichen die Außer- 
ften gemeflenen Höhen Brafiliens; da folgen von S. nah N. die ©. da 
Mantiqueira, ©. da Barbacena, ©. do Stacolumi, ©. da Earafla, ©. da 
Zappa, ©. de Antonio, ©. do Frio, S. do gran Mogul u. f. w. auf ein- 
ander. Es ift unerkwürdig, daß ver höchſte gemeflene Punkt ver Itambe 
(5600') nicht mehr Innerhalb der Kette felbft, fonvern daneben nach dem 
Meere zu fich erhebt und ver Itacolumi (5400’) auf ähnliche Weife nach 
Dften abweicht.” 

Im Gapitel VOL (S. 327 — 367) giebt der Verf. eine Befchreibung von 
der Stadt Marianne, dem Stacolumigebirge und ver Cidade do Duropreto, 
ehemals Villa rica genannt, Es find dies Punfte, welche bereits durch frü⸗ 
here Reiſende, wie St. Hilaire, v. Eſchwege u. A. ausführlich vargeftellt wor« 
den find. Die weitere Reiferoute bis nach Lagoa fanta, dem nörblichften Punkte, 
welchen der Herr Verf. auf feiner Reiſe erreichte, umfaßt Gapitel VIII 
(S. 367— 423). Der Weg führt im Thale des Rio dad Velhas entlang 
und giebt beſonders Anlaß zur Darftelung ver Campos und der ihnen eigen- 
thümlichen Vegetation. Der Beſuch in Congonhas de Sabara, im W. des 
Velhas gelegen, war der Unterfuchung des dort befindlichen Bergwerfes auf 
Gold (Morio velho) gewidmet. Der monatliche Gewinn dieſes Werkes wird 
durchichnittli auf 35000 Thaler berechnet. Im Jahte 1850 war die Summe 
von 2580 Gewichtöpfunnden Bold ausgebracht. Das Werk ift in Händenfeiner 
englifchen Compagnie und befchäftigt 90 bis 100 Europäer, meift Engländer, 
800 Braftlianer und 1000 Sclaven und Sclavinnen. Der Zweck ver Reiſe 
nach Lagoa fanta war unter anderm bie Unterfuchung der dort befinplichen 
Kalkfteinhöhlen mit ihren Knochenmaſſen, über welche ver Meifebericht eine aus⸗ 
führliche Mittheilung (S. 406— 411) giebt. Daran fchließen fich weitere 
Beobachtungen über die Naturverhältniffe der Umgegend, indem ver Herr 
Verfaſſer fich faft drei Monate in Lagoa aufhielt. 


480 Burmeifter: Reife nach Brafllien. 


Bei einem der Ausflüge in vie Nachbarfchaft Hatte wer Gr. Berl. rad 
Ungläd, daß er dem Oberfchenfel des rechten Beined brach (am 3. Jam) 
und dadurch 6 Wochen an das Bett gefeflelt wurde. Den 30. Juli, nacdrem 
er an Krüden wierer gehen gelernt batte, trat er in einer Tragkutide wie 
Rückreiſe zunächft nach Sabara an, und hielt denſelben Weg, auf wem 
er gefommen, bis in die Nähe von Duropreto ein, nachdem er turch die Be⸗ 
fihaffenheit feined Körper umd vie ungenügennen Traudportmittel noch ge 
zwungen war, in Congonhas einen Aufenthalt vom 3. Auguſt bis zum In. 
November zu machen. Als Refultat dieſer gezwungenen WMupezeit jinr := 
betrachten viele fehr inftructive Beobachtungen über bie Sitten und Gebrind: 
der Braftlianer in ihrem gefelligen Verkehr, über die Berhältniffe wer veriche⸗ 
denen Voltöfchichten nach ihren Karben, über die Rechts⸗ und Kirchenzuitänte 
u. ſ. w. Der Herr Verf. führt bei dieſer Gelegenheit Das dortige Synndeen 
an: ‚as brancas säo para casar, as mulatas para fornicar, as pretms 
para servir‘ (tie weißen Frauen find zur Führung des Gawweiend, ww 
gelben zum Genuß, die ſchwarzen zur Bedienung). „Rad tiefer Regel ruk- 
tet fich Seder, fo weit er nur fann.“ Am 13. November verliehen tie Re 
fenden Congonhas und gelangten über Gachoeira, nachdem fie kurz zurcer wu 
Straße nach Duropreto verlaffen, über Queluz, Barbacena und Barabrtuns 
an vie Grenze der Provinz Minas (Cap. X, ©. 466— 514). Ter Ueber 
gang aus der Provinz Minad geraös in die von Rio de Janeiro orer m 
gekehrt, war zur Zeit, als Brafilin noch eine portugiefiiche Provinz kalt: 
mit gropen Ghifanen und Hinvernifien verbunten, man Turchiuchte ie Rrr- 
ſenden nah Gold und Diamanten. Bor 35 Jahren, ald die Herren v. Eyu 
und Martins over ver Prinz von Neuwied Brajilien bereiflen, berurfie man 
zu feiner Legitimation eines Eöniglichen Bafled. Gegenwärtig fragt Ricmamı 
einen anftändigen Reiſenden nach einem Paß, und fein Weiher bedarf teitel- 
ben, un ungehindert feines Weges ziehen zu fünnen. Dagegen if es nichis 
beim Eintritt in's Land und beim Abgange von Rio Ianeiro zur See cımen 
Paß zu löfen, ver gegen 4 Mille Reis koſtet. Bon dem Gintritt im die Yre- 
vinz Rio führte die Reiſenden der Weg über Petropolis und Eſtrelle mach 
Janeiro (Gapitel XI, S. 515—553). Die Abfahrt von Rio» Jameire auf 
dem altonaer Schiff Helena erfolgte am 15. Januar. Am 5. Februar per 
firte das Schiff die Linie unter 14° well. 2. von Ferro. Ter Ber. beit 
auf ®er Höhe ver capverbifchen Infeln vergeblich auf vie Grfcheimumng des 
Bafjatflaubes, hatte aber Gelegenheit, lang anhaltende Beobachtungen über 
ſchwimmende Kucus-Büfchel zu machen, und wurde enrlich durch tue SEhb- 
jal der Seereife in dem Ganal beſtimmt, das Schiff bei Halmonth zu vwerlaffen 
und über London, Oſtende, Köln ver beimathlichen Stadt Galle zuzmeikn 
wo er am 6. April eintraf (Gap. XII, &. 553— 573). 

Tem Reifebericht ift ein Anhang beigefügt, welcher in folgende Abſchaicn 
zerfällt: Thermometer» Beobachtungen über die Temperatur des Dreams, Be 


Miscellen: 481 


völferung und Verkehr von Rio de Janeiro, Bevölkerung und Verkehr ver 
Provinz Minad, Gefchichte der Entdeckung des Goldes in verfelben Provinz, 
die Diamanten, ihre Lagerftätte und ihr Urfprung, woran fich enblich noch 
ein Auszug aus dem Katalog der Kunft» Akademie in Rio» Janeiro anfchlieft. 


Nutenberg. 


Die Infel Sumba in Hinterindien !). 


Im Jahre 1845 wurde der Reſident von Timor, SIuifter, von ver 
Megierung nach der Infel Sumba oder Sandelhout geſchickt und begab 
fih dorthin auf dem von dem Marine-Lieutnant van Waldeghem bes 
fehligten Schooner Egmont. Beide Männer haben der Megierung einige Ber 
richte über den Zuftand ver Infel abgeftattet, welche um fo wertbuoller find, 
ald Sumba und feine Bevölkerung wegen des Mangeld zum Haudel taugli⸗ 
cher Producte bisher nur wenig befucht und befannt waren ?). Sluijter's 
Bericht iſt folgender: 

„Nach den von mir eingezogenen Nachrichten wird bie Infel Sumba 
von 35 im Ganzen jelbfifländigen Radjas mit erblicher Würbe, von denen 
jeboch vie Kleineren oft von ihren mächtigeren Nachbarn abhängen, regiert. 
So ftehen) z. B. vie Radjas von Kadumbo und Patawang unter dem 
Nadja von Malolo. Nur in der Megentfchaft Menjilie befindet fich ein 


2) Diefe Heine wertlih von der Infel Timor, dann füblih von ber bie 
beiden hinterindifchen Infeln Sumbawa und Flores trennenden Straße und zugleich 
füdlih von der Weſtſpitze von Flores gelegene Infel Sumba (Goemba) führt bei 
den Eingeborenen auch den Ramen Tanna Tyumba (The Seamans Guide round Java 
by Baron Melvill of Carnbee and round the Islands of Java by H. D. A. Smits. 
London 1850, 214) oder Tjindana (de Temminck Possessions neerlandaises dans 
’Inde archipelagique III, 179, 199), bei den Niederländern ben fehr uneigentlichen 
Namen Sandelhout oder Sandalbofch, da, wie fhon Temmind (a. a. D. 199) 
bemerkte, fie nur ſehr wenig Sandelholz befigt, und dies wenige fogar viel ſchlech⸗ 
ter, als das von Timor if, weshalb es aud feinen Erportartifel abgiebt. Die Länge 
der Infel beträgt 35, die Breite 12 Meilen (milles). G. 

2) Der Grund der auch von Temminck bemerkten Unbekanniſchaft mit ber 
Inſel liegt, ungeachtet diefe durch einige bequeme Häfen, wozu die Baien Bering 
und Willem gehören, ganz gut zugänglich if, vorzüglih darin, daß dieſelbe nicht uns 
ter directer niederländifcher Verwaltung fteht, fondern nur den Riederländern tributair ifl, 
und fehr wenig Handelsartifel liefert, ferner in den hohen Bergen und dicken Waͤl⸗ 
dern, wedurd der größte Theil bedeckt wird, und endlich in dem rohen Wefen der dem 
malaiifhen Stamm angehörenden Ginwohner, die fich hier viel weniger, als auf den 
anderen binterindifchen Inſeln civilifitt zeigen. Die nieberländifche Regierung unters ° 
hält auf Sumba nah Temmind nur einen Givilagenten und einen Militatrpofen, 
die fih beide zu Labaja befinden; doch giebt es einige chriſtliche Familien. Erſt vor 
etwa 10 Jahren ſchloß der nieberlänbifche Refident auf Timor eine Convention ab, 
wodurch fid) die Bevölferung von neuem verpflichtete, ihren DBerbindlichfeiten pünfts 
licher nachzukommen. ©. 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bo. II. 31 


482 Miscellen: 


fogenannter „Betor *, eine Art Beamter im Namen der niederländifchen Res 
gierung, der zur Zeit der Verwaltung des Meftventen Hazaart im Anfange 
dieſes Jahrhunderts angeftelt wurde ). 

Die Inſel zerfällt in 33 Regentſchafien oder ſogenannte Königreiche, in⸗ 
dem ſich im Binnenlande noch zwei herrenloſe Landſtriche oder „tanah mar⸗ 
dika“ befinden. Die 11 an ver Nordküſte gelegenen Provinzen ſind: Man 
jeli (sic! G.) Malolo, Batawang, Kadumbo, Kambera, Toijmanu, 
Kanatta, Kapundo, Palmedo, Monboro und Ketewer orer Kudie. 
Die an der Südküſte: Lambuija, Ruwa, Manukaka, Panda, Tivda, 
Tarimba, Wafa, Larvitu, Taburvie, Waijelu und Taraba. Ym 
Gebirge des Birmenlanves liegen: Sumbie, Tabunde, Karita, Man- 
dar, Lewa Kunda Mara, Lewa Paku, Lewa Laudut, Lakuka, Ba- 
riwa Tuna, Anafala, Lurada, Lawunda und Narufa, wovon ix 
erfte und vierte Provinz frei find und keinem Radja geborchen. 

Srüher wurbe die Infel, wie ich hörte, von 130 bis 170 Radjas be 
berricht, was wohl fein Tann, va zu jeder der genannten Provinzen verſchie⸗ 
dene bewohnte und von Fleineren Radjas regierte Landſtrecken gehören; doch 
hängen alle von dem Groß-Radja unnuittelbar ab, gehören zu feiner Fami⸗ 
lie und find ihm unterthänig. 

Die Zahl der waffenfähigen Männer an ver Norbfüfte wird zu 40 bis 
500 für jeden Nadja angegeben, fo daß vie Gefammtzahl ver waffenfähigen 
Perfonen 2800 beträgt. Nimmt man nun für die Sübfüfle und das Bin 
nenland viefelben Verhaͤltniſſe an und rechnet zu jedem als einem Familien⸗ 
haupte noch A Perfonen auf Frau und Kinder, fo würde fich bei einer Ober: 
fläche von etwa 300 geogr. Duabrat- Meilen für die ganze Infel die in ver 
That fehr geringe Bevölkerung von ungefähr 42000 Seelen ergeben. Bert: 
währenn wirb die Bevölkerung aber noch, wie man fagt, durch die Ausfuhr 
von Sclaven vermindert 2). 

Die Eingebornen jind Breie und bezeigen ihren Radjas, außer im Kriege, 
wenig Gehorfam. Geſetze oder Adats find faſt gar nicht vorhanden, und das 
Recht der Wieververgeltung beftcht in aller Kraft. Fürchtet ein Mörter 
oder Dieb entvedt zu werben, fo begiebt er fich zu feinem Radja und wirt 
fein Sclave, wodurch fein Leben gerettet ift, der Nadja aber das Mecht er⸗ 
hält, ihn fpäter verkaufen zu koͤnnen. 

Da namentlich Pferde auf der Infel gezogen werden, fo ift deren Ant 
fuhr nicht unbedeutend. Diefelbe begann zuerft in javanifchen Schiffen im 
März oder April 1841 und ihr Gegenſtand waren: 


dem Temmind ſpricht. 


”) Und wahrſcheinlich auch durch die bei dem ſchlaffen und fchüchternen %- 
ralter ſehr bemerkbare Neigung ber Ginwohner zum Selbfimorde (Temmind III, 200). 
G. 


2) Es ſcheint dies der Civilbeamte der niederlaͤndiſchen Regierung zn fein, ver 
G 





Sluijter und van Waldeghem: Die Infel Sumba. 483 


im 3. 1841 359 Stüd 
» = 1842 406 = 
» » 1843 787 ⸗ 
=» = 9944 1043 = und bid 
Mai incl. 1845 379 = 
alfo ungefähr in A Jahren 2974 Stück oder durchfchnittlic 743 Stud yer 
Jahr. 

Die übrigen Naturerzeugniſſe von Sumba, welche meiſt mittelft endeneſi⸗ 
ſcher) Kaͤhne (Praauwen) nach Singapur ausgeführt werden, und .deren 
Einſammlung nur geringe Mühe koſtet, find: Gelbholz (Kadrang), Sapari, 
Eben» und Kamuning (?) holz, Vogelneſter, Schildpatt, Taue von Baſt, Am⸗ 
ballo (ein rother Lack) und eine Pfefferart (Startpeper) Die Einfuhr auf 
Sumba für alle dieſe Producte, Pferde nicht ausgeſchloſſen, beſteht bis jetzt 
in Reid, Sarongs (Oberkleider) ?), Seidenſtoffen, Baumwollenzeugen von ver⸗ 
ſchiedenen Farben, Elephantenzaͤhnen, Korallen, muſikaliſchen Inſtrumenten 
(Gongs), eiſernen Geraͤthen, Kupferdraͤhten und anderen Arbeiten von Ku⸗ 
pſer. Da der Handel durch Tauſch geſchieht, ſo muß er im Allgemeinen für 
die Fremden vortheilhaft fein. Der Werth eines Pferdes beträgt etwa 6 bis 
10 Gulden; von den übrigen Artikeln, deren Taufch ich nicht gefehen Habe, 
vermag ich den Preiß nicht anzugeben. 

Im Binnenlande müffen fich ausgedehnte Büfche Sanvelholz befinden, 
Doch wird mit dem Holze bis jeßt Fein Handel getrieben. Die Volfdmeinung 
verfeßt die Geifter der Vorfahren in jene Büfche, und ein folcher Aberglaube 
ift nicht fo Leicht auszurotten. Wohl Fönnte man dadurch, daß man den Bo⸗ 
ven für einige Jahre kauft, um ihn zu cultiviren, in den Bell von einem 
Theile des Sandelholzes gelangen, aber um die Bäume zu fällen müßten noch 
zuvor einige Schüffe fallen. Erſt dann hält fi ver Sumbanefe für über- 
wunden und glaubt für die Geifter feiner Vorfahren genug gethan zu haben. 

Dom LKieut. von Waldeghem wurden Herrn Sluijter noch folgende 
Angaben mitgetheilt: 

Bon der Landzunge von Mangeli (sic! Manpjeli) *), wo wir zuerft lan⸗ 
beten, und von wo wir längs der Küfte von Palmedo hinfegelten, fowie von 
den Häfen, Baien und Blüffen, die wir paffirten over befuchten, find, foweit 
ed möglich war, Aufnahmen gemacht worben *). 


1) Die Endenefen find ein macaflarifcher Volksſtamm auf der Infel Flores. ©. 

2) ©. hier II, 85. G. 

2) Die Oſtſpitze der Inſel, 120° 544’ öſtl. &, ſtellt fih als eine fanft anſtei⸗ 
gende, mit Gras und Geſtraͤuch bevedte Fläche dar, und endigt in die Landzunge 
Tapi und Mangeli (sic! G.). Sluijter. 

*) Alle Vermeſſungen und Aufnahmen wurden von dem Marine-Lieutenant 
P. F. Uhlenbeck fkizzirt und dem Chef des Marine- Departements in Batavia ein: 
gefandt. Die Karte des nördlichen Theile dur mannigfache Peilungen und 
bie Anweifungen eines Lootfen von ber Inſel Sawo zufanmengeftellt, if, ob: 


31* 


484 Miscellen: 


Die im Allgemeinen ſehr fteile Küfte ') beſteht bauptfächlich aus einer 
Meihe hervorragender Spiten, welche verfchievene offene Baien bilden. Die 
Küften find bei einigem Winde gefährlich, und es ift fehr zweifelhaft, ob gute 
Anterpläße gefunden werben, beſonders deshalb, weil man überall felſigen 
Meeresgrund antrifftl. In größerer Entfernung ift der Strand von er 
Kette flacher Falfhaltiger Hügel umfäumt, und er wird außerdem von mit 
Krüppelholz bewachfenen Thälern vurchfchnittn. Man fann ſich ihm ſeht 
nähern, außer zwifchen den zur Norboftfüfte gehörenden Punkten Mangeli 
und Malolo, wo ein Korallenriff liegt. Der Strand ift, foviel wir von ver 
Lanpfchaft erfennen konnten, und, wie uns fpäter in der Nähe erfchien, ſehr 
wenig angebaut und fpärlich bewohnt. Nirgends zeigt fich eine Spur, ba 
fi die Bewohner auf die See begeben over felbjt nur den Fiſchfang betrei⸗ 
ben, denn wir fahen Feine einzige Praaume. 

Bon den drei Orten, die wir befuchten, nämlich ven Hafenplatz Nan⸗ 
gameffl in der Egmonvabai ?), der Bai von Kabrembo und dem vor dem dluſſe 
Palmedo ?) gelegenen Hafen, wurden genaue Aufnahmen von und veranfal- 
tet. Der Hafen von Nangamefit iſt ein von zwei Zelfen gebilvetes Baſſin 
worin ſich der Bach Nangameifi flürzt. Es ift ein fehr guter, und, wie man 
fagt, der beſte Hafen ver Infel. 

Envenefen haben ſich zum Theil an ver Küfte angeſiedelt. Sie ziehen 
ihre Kähne bei fchlechtem Wetter und am den dazu geeignetften Stellen des 
Stranded auf das Trodene, over bringen fie Hinter Klippen, Landzungen und 
Bächen, womit die Küfte reichlich verjehen ift, in Sicherheit. Sie bejchäfti- 
gen fich mit der Trepang=Bifcherei *). Es find dies bis jegt bie einzigen 


fhon nicht von der Genauigfeit trigonometrifcher Aufnahmen und Chronometer, des 
noch viel befier, als jede der bisher vorhandenen Karten oder Pläne. Die vornche: 
ſten Refultate diefer Aufnahmen finden fi in dem Werke von H. D. A. Smits Zee- 
mansgids voor de eilanden en vaarwaters beoosten Java, bis. 38 en 39 (es Ü 
dies daſſelbe treffliche Werk, welches 1848 & Batavia hollaͤndiſch, und in demielben 
Sabre englifh erſchien; und das dem hier ©. 481 angeführten englifchen zum Grunde 
liegt. ©.). Sluijter. 

1) Die Küſte bietet einen ſehr einförmigen Anblick dar, indem fie ans einem 
Talfigen, etwa 1200 F. hohen Wall befteht und 2 bis 6 engl M. Landeimwärts ver 
hohem Graſe bededt ift; nur hin und wieder zeigt ſich Buſchwerk. Zu Palmedo, Cafe 
und an ben Tapifpigen ( Tapı points) hat das Land ein mehr unregelmäfigeres I 
fehen, und die Berge bei Rubu (Roeboe) gehören zu den höheren Theilen des Ki 
ſtenwalls; die bei Nangameffi und Samedo find fpiger (peaked). Der slide 
Theil von Sumba (Eapit. Aſhmore fand die Oftfpige der Iufel im 3. 1822 in 
120° 52° öfl. 2. von Gr., und im 3. 1827 in 120° 53’ ofl.&) erſchei 
ale eine mit Gras und Buſchwerk bebete und gegen bie niedrigen Punkte Tayı und 
Mandieli abfallende Ebene (Java von Melvill de Tarnbee und Smits 214). 6 

) Die Bai liegt zwiſchen der Altas und Mandoloſpihe Die Felſen 
ne he den 16 Klaftern tiefen Hafen bilden, find fleil und die Mandolofpige iR a 
ch er Kühn Grpeigenber gr M. de Carnbee und Smits 215), _ ©. 
in den ven 
5 bie ? — Tiefe San einlaufen mebofluß gefattet nur bei der Fluth Deoan 
I ©. diefe Zeitfcheift I, 140. 6 


SIuijter und van Waldeghem: Die Infel Sumba. 485 


Bremen, die mit den Einwohnern, auf die fie einen großen Einfluß ausüben, 
einigen Taufchhandel treiben, wobei angeblich) auch Sclaven einen Artikel 
bilden. 

Die Bevölkerung von Sumba fleht noch auf der niedrigften Stufe ver 
Cultur. Burchtfam und abergläubifch, leben vie Sumbaer meift von der Küfte 
entfernt und fcheinen nicht geneigt, mit Fremden in Berührung zu fommen. Nur 
der mittlere Theil ihres Leibes ift mit einem Gürtel und einigen Stricken be⸗ 
deckt, wie es fcheint, um die Lanzenftiche abzuwehren. Die Lanze ift auch ihre 
einzige Waffe. Sie ift in elenden Hütten angefiebelt, ohne irgend einen Haus⸗ 
rath, und Fennt feine Bevürfnijfe. Außer Pferden, die, wie gefagt, in großer 
Menge ſich finden und von vorzüglicher Raſſe find !), ift dort nichts zu bes 
fommen ?). Zur Zucht ver Pferde liefert ver Boden, der zu allen Jahres⸗ 
zeiten die trefflichften Weiden varbietet, dad Futter in reichlichem Maße. Diefe 
Induſtrie nimmt alfo die Mühe und Sorge der Infulaner, welche ihre Pferve 
gegen einige Schmuckſachen vertaufchen, durchaus nicht in Anſpruch. Die 
fruchtbaren, von Bächen mannigfach vurchfchnittenen Thäler werben nur in 
der Umgegend der Kampongs mit etwas Mais, ihrer Hauptnahrung, und et⸗ 
was Reis bepflanzt, fo daß beides nicht einmal zum Unterhalt ver Bemohner völ« 
lig ausreiht ?). Es ift nicht anzunehmen, daß vie Bevdlferung, um bie 
Producte zu erlangen, zu deren Gewinn ver fruchtbare Boden jehr geeignet 
ſcheint, und welche das Binnenland im Ueberfluß liefern fol, Tünftig mehr 
Mühe anwenden wird. So wenig fie aber ohne Noth ihr traͤges Keben in ein 
thätiged verwandeln dürfte, eben fo wenig fcheint fie geneigt, ihre abergläubis 
fchen VBorftelungen über die Erzeugniffe und beſonders über das Sanvelholz 
und den Anbau des Landes abzulegen. Zimmerholz oder Pundholz wird, 
wenigftend in ver Nähe ver See, gefunden. Keine Spur von Mecht ober 
Geſetz findet ſich auf der Infel vor, und es ift auch nicht die geringfte Hülfe 
von den Bewohnern zu erwarten. Kurz, außer Trinkwafler und Brennholz, 
womit der Strand reichlich verfehen ift, vürfte Hier nichts von dem zu er« 
langen fein, wodurch ein Wahfifchfänger oder ein europäifches Schiff zum 
Auffuchen eines Hafens genöthigt würde. Die Infel kann alſo zunächft für 
den europäifchen Handel und die Zifcherei für nicht beſonders wichtig erach⸗ 
tet werden. 


3) Auch Temmind (III, 199) rähmt die Hiefige Race der Pferde ale vor: 
trefflih und erwähnt, daß die Bevölkerung ſehr viel von benfelben aufzieht. Nach 
ihm wurden in ben Jahren 1847 — 1848 etwa 3000 ausgeführt, die außerordentlich 
wohlfeil eingehanbelt waren, indem man das Stüd mit nur etwa 12 bis 20 France 
in Maaren bezahlie. G. 

2) Doch führt Temmind an (III, 200), daß es auf der Inſel viele Büffel 
gebe, und daß auch eine feidenartige Baunıwolle, Kapokh genannt, die von dem ſtrauch⸗ 
artigen Gossampinus alba gewonnen werde, in Menge wachſe. ®. 

2) Außer Reis und Mais, fagt Temmind (IT, 200), werde Hier noch Kadjan 
(? ©.) und die Erdknolle Obie gebaut. G. 


486 Miscellen: 


Die Infel Liegt zwifchen dem 9. und 11. Grabe ſ. Br., ift bergig') 
nnd von fruchtbaren, weafferreichen Thälern durchfchnitten. Kein Klug if für 
Schiffe geeignet, nur Praauwen fönnen die Flüfſe befahren, dagegen trifft mar 
im Allgemeinen in geringer Tiefe des Bodens fehr gutes Wafler au. Die Br: 
völferung ift mehr furchtfam, ald bösreillig. Feuerwaffen find ihr noch ganz 
lich unbefannt. Das Klima erfcheint angenehm und gefund, wie wir wenig 
fiend aus der Menge alter Leute und auch aus den Geſundheitszuſtande 
ſchließen möchten, womit die Mannfchaft ver beiden Schooner waͤhrend ihred 
fechömöchentlichen hieſigen Aufenthaltes begünftigt wurde. Durch Ueberfieblung 
der geiftig mehr entwickelten und thätigeren Bewohner ver dürren Eilande 
Savo (sic! G.) und Rotti Tieße fich für die europäifche Schifffahrt wohl am- 
ger Vortheil erwarten; erwägt man jedoch, daß. die Infel Timor mit ihre 
vortrefflichen, umfangreichen Bai von Kupang, wo eine europäifche, chineniſche 
und rottinefifche Bevölkerung (lebte auch fehr thätig) angetroffen wird, um 
wo Wallfiſchfahrer, englifche Transportichiffe, Chinaführer u. |. w. jährlib 
anlaufen, nur vierzig Meilen entfernt ift, fo darf man wohl annehmen, va} 
die Infel Sumba nicht fobald zu größerer Bedeutung gelangen bürfte (van 
Hoövell’s Tijdschrift 1853, 48—53). Schalt. 


Der gegenwärtige Stand des Manufacturweſens in Rupland 
und Moskau's Bedeutung in gewerblicher und 
Handelöbeziehung. 


Welchen empfinplichen Schlag die gegenwärtige Eriegerifche Kataftrepk 
der ganz beſonders dabei betheiligten ruffifchen Handelswelt beibringen mält, 
kann man am Beften ermefien, wenn man fich den glänzenden und faum I 
gendwo durch einen ähnlichen Erfolg bei einem ver übrigen handeltteibendes 
Völker varalleliſirten Auffchwung vergegenwärtigt, welchen das erft durch Peirt 
den Großen gefchaffene Fabrik⸗ und Manufacturwefen in Rußland, beſonderi 
innerhalb ver Ießten zwei ober drei Jahrzehnte, genommen bat. 


2) Das Innere ift nicht fo bergig; mehr im Norden trifft man foger anf et 
gedehnte Flächen (Temmind III, 200). Nach dem Merk Java (216) befindet Eh 
im meftlihen Theil der Infel ein hoher, 20 engl. M. weit ſichtbarer Bil; and m 
größte Theil der Südfüfte muß fehr hoch fein, da er 9 bis 10 Leagues weit Ahkhe 
if. Die Sübfpige von Sumba liegt nah Gapit. Bladiwood in 10° 20’ girl. %. 
unb 120° 32’ 5Rl. Br. von Er, und iſt fo hoch und unzugänglich, wie ber Fels ve 
Gibraltar; nur eine niedrige Landzunge verbindet diefen weit ber Zaſel. Aubet * 
bereits ©. 481 genannten Häfen fol endlich die legte am ißrer Sädfete iM 


Treba noch einen guten Ankerpl ige Vai det 
Webyeln Befinden. ® en Anterplag befigen, und ſich hier auch die geräumige 8. 





Der gegenwärtige Stand des Manufarturmwefens in Rußland. 487 


Bedenkt man, daß bei dem Tode des großen Neformators aller ruſſi⸗ 
ſchen Kulturverhältniffe, im Jahre 1725, erſt 21 Manufacturen von irgend eis 
nigem Belange für die Handelswelt im ganzen Umfange des ruffifchen Rei⸗ 
ches beftanven, eine Zahl, vie auch 1742 beim Beginn der Megierung der 
Kaiferin Eliſabeth erfi auf 167 angewachjen war, daß dagegen innerhalb des 
nächftfolgenven zwanzigjährigen Zeitraums, von 1742—1762, allein 335 
neue Handels⸗Etabliſſements in Rußland begründet wurden, deren Geſammt⸗ 
zahl im Jahre 1767 ſchon bis auf 502, ja zu Ende der Regierungsperiode 
der Kaijerin Katharina II. bereitd bis auf 1500 fich erhöht Hatte, daß ferner 
im Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts fich gegen 

2000 


1812 fchon 2332 


1815 = 3255 
1822 = 4657 
1825 = 5119 
1828 » 5244 
18338 = 6450 


und 1848 über 7000 

Babrifanlagen im ruſſiſchen Reiche befanden, und daß endlich viefe Zahl fich 
bis zur heutigen Stunde auf nahe 8000 gehoben bat, wobei die Bulvermühlen, 
die Branntweinbrennereien, die Eifenhüttenwerfe (deren im Jahre 1800 fchon 
193 mit 181 Hochöfen und 656 Hämmern vorhanden waren), die verfchie- 
denen Goldwäſchen im Ural, Altai u. ſ. w. nicht miteingerechnet find, fo wird 
man leicht zu der Folgerung gelangen, daß eine fo ungewöhnliche Steigerung 
der den commerciellen Verkehr bedingenden Babrifanlagen das glüdliche Re⸗ 
fultat von Verhaͤltniſſen ift, auf welche ver mehr ver beimifchen Kultur- 
pflege, als der auswärtigen Politik zugemwandte Blick des Monarchen günflig 
influirt Hatte. 

Oft zwar war dad rujfifche Reich in Kriege mit feinen öftlichen, zum 
Theil die eigenen Rande befämpfenden Grenznachbarn verwidelt geweſen, mit 
Kirgifen, Tſcherkeſſen, Perſern und Türken; auch ward vaffelbe gelegentlich zu 
verfchievenen Zeiten in die Zwiftigfeiten der Übrigen Nord» und der Weſt⸗ 
mächte bineingeriffen worben. Diefe Einmifchung war aber meift dad Ergeb» 
niß der Politif der anderen, in Europa bominirenden Mächte, und wenn Ruß⸗ 
land unter Alexander I. Napoleon freiwillig ven Fehdehandſchuh hinwarf, wozu 
ihn freilich da8 Verhalten des Kaiferd der Franzoſen nöthigte, fo traten dem 
fühnen Angreifer damals, das mußte es mit Beftimmtheit, zwei mächtige Bun⸗ 
desgenoffen zur Seite, nämlich die klimatiſchen DVerhältniffe ded inneren Lan- 
des, defien Winter eben bereinzubrechen vrohte und befanntermaßen auch mit 
jener graufenvollen Heftigfeit einbrach, daß die Glieder der franzöflfchen Reis 
ben mehr durch die Kälte, als durch ruſſiſche Kugeln gelöft wurden, und 
dann die Stimmung Deutſchland's, felbft vie verbhaltene in jenen Ländern, 


A488 Miscellen: 


die einfhweilen Napoleon unterworfen, zu einer augenblidlich Rußland feind⸗ 
lichen Mitbetbeiligung am Kriege genöthigt waren. Seitvem aber viele verio⸗ 
diſchen Stodungen aufgehört haben, vermochte Rußland AO Jahre lang feiner 
inneren Entwidelung die vollfte Aufmerkfamfeit zuzuwenden, indem vie perk- 
ſchen und türfifchen Kriege von 1827 — 1829, und ver polnifche von 1831 
nur die Grenzprovinzen berührte, die Turze Invaſion in Ungarn im Jahre 
1849 aber noch weniger in wefentliche Intereffen des Reichs in Bezug auf 
Handel und Gewerbe flörend eingriff. 

In dem folgenden Auffat beabjichtige ich nun, eine kurze überſichtliche 
Darftelung des gegenwärtigen Zuflandes des rufjifchen Manufacturweſent 
burch noch nicht veröffentlichte Zahlen mitzutheilen und an biefelben zugleich 
Rückblicke auf die nächfle Vergangenheit deſſelben anzufnüpfen, wobei ih je 
doch bemerken muß, daß, wenn in diefer Arbeit einzelne größere ober ger 
gere Abweichungen zwifchen meinen Angaben und den Wittheilungen Ante 
zer vorkommen, ſich dies dem ver ruſſiſchen Statiftik Kundigen leicht and 
bem Umfſtande erklärt, daß die für dieſe Gegenftände dem audmärtigen Bear: 
beiter und ſelbſt dem Publicum in Rußland offenftchenven Quellen, oft cn 
ſehr verfchienenartige, mehr oder minder getrübte Faͤrbung tragen, fo daß, je 
nachdem der Autor aus dieſer oder jener fogenannten officiellen Duelle ichörft, 
ſich auch ganz verfchienene Refultate ergeben, denen man nur gelegentlich dad 
Zweifelhafte ihre! Charakters abzumerfen im Stande iſt. So habe ich ſelbſ 
während meines früheren Aufenthaltes in Rußland, wo mir die Gelegenheit 
geboten war, die eigens für den Kaifer beftimmten minifteriellen Berichtt 
aus erfter Hand vor Augen zu bekommen, viefelben oft in vielfachen Wider⸗ 
fpruch mit denjenigen Angaben gefunden, wie fie in den amtlichen Ortiärtt 
ber Oberpolizeimeifter von St. Petersburg und Moskau, und in ben, gleic 
falls als authentifch geltenden Nachweiſen der verfchiebenen Gouvernemmik 
Organe enthalten waren, oder welche in fonftigen officiellen wie offlcdfen 
Blättern und in gelehrten, wie ungelehrten Zeitfchriften zur Mittheilung am 
das Publicum gelangten. 

Als eine der wichtigften und zuverläfftgften Quellen unter den verſchie— 
denartigen Materialien, die ich zur Kunde der ruſſiſchen Kulturverhältnifle 1 
benugen im Stande war, erfchien mir jedoch ſtets die unter ber Aegide Dei 
f. r. Generals Kriegö= Gouverneurd von verfchiedenen Gelehrten ter Umtr- 
fität in ruffifcher Sprache herausgegebene Gouvernements = Zeitung von Rob 
fau, fo daß ich auch ihr die meiften Zahlenangaben entnommen habe, die 
ſich in der folgenden Darſtellung vorfinden. 

Nach dieſen glaubmwürvigften Materialien belief ſich nun zu Anfange bes 
Jahres 1853 die Zahl aller im Geſammtumfange des ruſſiſchen Reiches (mi 
Ausichlug von Polen und Finnland, welche unter beſonderen Verwaltung 
ſtehen) Hefinplichen Fabrik⸗ und Manufacturanlagen auf 7955, in welcher 
788650 Arbeiter und Arbeiterinnen befchäftigt waren. Die Zahl ver Babr- 


Der gegenwärtige Stand des Manufarturmefens in Rußland. 489 


fen bat fich demnach effectiv gegen dad Jahr 1839, wo biefelbe nur 6855 
betrug, um 1100 vermehrt; die Zahl der fabrizirenden Kräfte in dem glei- 
chen 14jährigen Zeitraum bat dagegen um 375719 Arbeiter zugenommen, 
indem im Anfange des Jahres 1839 überhaupt nur 412931 bei den Fabrif- 
arbeiten befchäftigte Individuen gezählt wurden. Gegen das Jahr 1824, das 
vorlegte in ber Regierung Alexander's I., wird die Zunahme ver Fabriken 
durch die Zahl 3157, und die der fabrizirenden Kräfte durch die Zah! 612388 
tepräfentirt, indem im gevachten Jahre nur 4798 inbuftrielle Etabliffements 
mit 176262 Arbeitern beftanden. Es würben fchon diefe wenigen Angaben 
binreihen, um ein vollgültiges Zeugniß nicht nur von der fehr beträchtlichen 
arithmetifchen Progrefflon der Fabriken, fondern zugleich von der erhöhten in- 
duftrielen Wichtigkeit der Babrifanlagen, zu denen, der Vergangenheit gegen- 
über, in heutiger Zeit ein unverhältnigmäßig erhöhter Bonds von Arbeitsfräf- 
ten erforverlich ift, abzulegen; es werden diefelben indeß durch eine ganze Reihe 
anderer, auf dad Fabrikweſen bezüglicher Detaild noch mehr befräftigt. 

Im Jahre 1767 ftellte fich der Gefammtertrag aller unter damaliger 
Aufficht des Manufacturs Eolegiums ftehenden Zabrifen, deren Zahl nur 502 
betrug, auf die geringe Summe von 2,790110 Rubel Silber. Nach einer 
von der St. Peteröburger Zeitung im Jahre 1822 veröffentlichten Notiz wur» 
den dagegen für das Jahr 1820 von dem Corps ver Kaufleute als dad im 
Handel befchäftigte Capital 318,860000 Rubel veclarirt, und 11 Jahre ſpä⸗ 
ter (1831) belief fich bereitö ver Gefammtertrag der ruffifchen Inouftrie 
(vgl. Peltſchinsky: Rußland's inpuftriele Macht) auf 509,574397 R. B. 
Berner betrug nach abermals 11 Jahren Zwifchenraum (1842) der Geſammt⸗ 
ertrag diefer Inbuflrie (nach einer vom Handelsminiſterium abgegebenen Er⸗ 
Härung) 689,315416 R. B., und endlich meldet uns die Moskauer Gouver⸗ 
nementd = Zeitung, daß das gefammte im Handel circulirende Capital für das 
Jahr 1853 fich auf nahe 900,000000 R. 3. (nämlich auf 257,142000 R. ©.) 
berechnen laſſe. 

Ferner erfahren wir aus Peltfchinsfy, daß innerhalb des verhältniginä- 
Fig geringen Zeitraumes von 1822— 1830 die Zahl ver Kaufleute fich von 
59269 auf 72590 vermehrte, wogegen biefelbe, Taut einem Bericht des Fi- 
nanzminifter8 Grafen Gancrin (vgl. den ruffifchen, wie den deutſchen Tert 
des von der Akad. d. Will. herausgegebenen St. Peterburger Kal. auf 
1839 2)) im Sabre 1836, mit Berüdfichtigung beider Gefchlechter, fich be⸗ 
reitö auf 247374 ftellte, unter welcher Zahl: 


») Ich .erwähne diefer, mir in beiden Terten zur Hand liegenden Quellichrift 
ganz befonders, weil ſich hier zwifchen der obigen Angabe und der Angabe Reden's 
eine fehr erhebliche Differenz herausftellt. Nah R. gab es nämlich 1836 in Ruß⸗ 
land: Kaufleute I. Bilde 695, 11. Gilde 1547, III. Gilde 30099, was in Gumma 
nur die geringe Zahl von 32341 Kaufleuten aller drei Gilden zum Grgebniß, Haben 
würde. . 


490 Miscellen: 


Kaufleute L Gilde 2344 
Kaufleute II. Gilde 5484 | männlichen Geſchlechtes 
und Kaufleute III. Gilde 121026 
begriffen waren, währenn die Zahl der eigentlichen Kleinfrämer (oder Kaul- 
leute IV. Gilde) mit allen Beifaflen, Zunftgenoffen und Bauern fi auf: 
1,301947 Berfonen männlichen Gefchlechtes 
und 1,399875 ⸗ weiblichen ⸗ 
und die Anzahl der ſtaͤdtiſchen Ehrenbürger, die auch zum Theil mercantilen 
Geichäftsbetrieben oblagen, ſich auf 
193 männliche 
und 144 weibliche | Perſonen 
belief. Für 1852 wird die Zahl aller ven Handelſtand repräͤſentirenden Pers 
fonen von der Moskauer Gouvernements» Zeitung auf 352118 angegeben, 
worunter 
Kaufleute I. Gilde 2759 
Kaufleute II. Gilde 7298 | männlichen Gejchlechtes 
Kaufleute II. Bilde 183212 
fich befinden, während bie nur allgemein angegebene Zahl aller Kaufleute IV. 
Gilde etwa mehr, ald 3,000000 betragen foll. 

Es meldet und weiterhin ver fehr genau detaillirte Bericht der Gouver⸗ 
nementö= Zeitung, daß die gegenwärtig in Betrieb ſtehenden Dampfmaſchinen 
Rußland's einer Kraft von nahe 90000 Arbeitern das Gleichgewicht halten, 
während die ruſſiſchen Dampfmaſchinen im Jahre 1831 erft eine Kraft vom 
15400 Menfchen parallelifirten. 

Bon verhältnigmäßig geringerer Steigerung zeigt fich vie Anmendusg 
ber Kypraulifchen, wie der thierifchen Kräfte. 1822 bepurfte die ganze ruſſ⸗ 
fche Inpuftrie eines Aufwandes von 20555 Menfchenfräften, vie durch hr 
praulifche Werke und Pfervefraft zepräfentirt waren. 1831 wurden burd 
die letztgedachten Kräfte 30000 Arbeiter entbehrlich; endlich im Jahre 185 
fand ein Erfag von 82330 Menfchenfräften durch die Benugung hydrauliſcher 
und thierifcher Kräfte flat. Die Steigerung hatte alfo weit zu Gunſten der 
Dampfkraft fich entfchieden, welche im Jahre 1831 ver bypraulifchen Kraft 
noch um nahe 100 pGt. nachſtand und diefelbe 1853 fchon um einen nich 
unbedeutenden Bruchtheil überflügelte. 

Unter ven obengerachten 7955 Handels » Etabliffenents, vie zu Ente I 
Jahres 1852 im ruffifchen Neiche beſtanden, befanden fich 7063 in den 
Städten und 892 in den Marktfleden und mit Marktgerechtigfeit verſehenen 
Dörfern. Die Zahl ver Stäpte, die hierbei in Betracht gezogen find, beläuft 
ſich auf 720, und die Zahl aller Kaufläden und Buden in ihnen auf 127917, 
wobei vie ca. 5000 an Zahl betragenden Gafthäufer, Kaffeehäufer, Vierke⸗ 
ler und Reſtaurationen, ſowie die ca. 2500 Branntweinläben, die im 
fchen Neiche beftchen, ganz außer Acht gelaffen find. Die Handelstabelle vom 


Der gegenwärtige Stand des Manufacturweiend in Rußland. 491 


Jahre 1838 giebt und dagegen unter 6450 Befammtfabrifn 5737 in Stäb« 
ten und 713 auf Dörfern befinpliche an und verzeichnet und 638 Städte 
(mit 63485 Kaufläden und Buben, 3193 Gafthäufern und 1532 Schenkſtu⸗ 
ben), die bei dieſer Regiftrirung in Betracht gezogen find. Es macht fich 
auch Hier wieder für den Verlauf der letzten 14 Jahre ein erheblicher Zuwachs 
in allen den gedachten Beziehungen erfichtbar. 

Noch ſpecieller treten die arithmetifchen Contrafte hervor, wenn wir bie 
Ergebniſſe einzemer, etwas fern auseinander liegender Jahre tabellarisch fich 
gegenüberbalten. Wir wählen dazu die Jahre 1830 und 1853 und geben 
die Refultate des erften Jahres nach dem vom Binanzminifter feiner Zeit ver⸗ 
Öffentlichten Nechenfchaftöbericht, wobei wir nur die, auch fehon vom Freih. 
v. Reden (in feinem: „Kaiferreich Rußland, Berl. 1843°) befolgte Ordnung 
beobachten wollen, daß wir die Fabriken je nach den animalifchen, vegetabili⸗ 
ſchen und mineralifchen Subftanzen, die in ihnen verarbeitet werden, in Be⸗ 
tracht ziehen. 

Wir ftellen demnach zuerft vie Babrifen des Jahres 1830, die anima⸗ 
lifche Subftanzen verarbeiten, nach folgendem Schema zufammen: 


Zahl Zahl | Quantität der aus diefen 


F ve j her Be —* Fabriken hervorgegange⸗ 


nen Fabrikate: 






Tuchfabrifen..... 390 | 65241| 11000 Webſtäühle 7,700000 Arſchinen und 
27500 Stüd 
Geivenfabrifen .... . 12452) 7732 Webftühle | 4,800000 Arfchinen und 
n. Mafchinen 100000 Stüd 
Sutfabrifen. .... . . 560 Keſſel 253460 Hüte 
Redergerbereien ... . . . 11498 Kufen 2,900000 Stüd 
Eeifenfiedereien. . . . . 398 Kefiel 470835 Bud Seife 
Talgfiederein ... .. 1458 ⸗ 3,000000 = Talg 
Lichtzießereien . .. . - 691 > 392000 = Lichte 
Wachsſchmelzen 82 ⸗ 23600 = Wache 
Pomadenfabrifen . 8 ⸗ 300000 Büchfen. 


| 3347 | 95686 


Für das Jahr 1853 ergiebt ſich nun in verfelben Beziehung folgendes 
Schema: 


ı) Die Zahl 717 beruht wahrfcheinlich auf einem Druckfehler im minifteriel- 
len Rechenſchaftsbericht. Sie ift offenbar zu hoch angefehtz Reden hat die Zahl 17. 
Sollte diefelbe von ihm fupponirt fein, fo wäre fie doch wohl zu niedrig gegrifen. 
Es ift mie nicht möglich gewefen, zu ermitteln, worin der Irrthum Liegt. 


492 Miscellen: 


Fabrik Arbeitr. Maſchinen. Fabrifate. 










Tuchfabriten ...... 489 je 23000 Webftähle | 15,907000 — 
Seivenfabrifen .. .. . 300 | 28557) 13900 Webitähle | 9,775000 Arſchinen um 
a. Maſchinen 213000 Stil 
Hutfabrifen. ...... 108 | 2712: 792 Kefiel - 667987 Hüte 
Levergerbereien . .. . . 2525 | 22217| 19596 Kufen 5,987000 Städ 
Seifenfiebereien . ... | 307 | 1398 691 Kefiel 977900 Pud Seife 
Talgfiedereien..... 616 | 7992 2813 = 7,533000 s Tal 
Lichtgießerein ... . . 354 | 1976| 4119 = 817000 = Lichte 
Wahefchmelen..... | 68 377 145 ⸗ 89990 = Bachs 
Bomabenfabrifen . . 13 72 18 > 662000 Buchſen. 





4780 1224211 
Die Fabrifentabelle für das Jahr 1830 geftaltet fich ferner in folgen 
der Weife, wenn wir noch die Fabriken, welche vegetabilifche Subflangen ver⸗ 
arbeiten, in's Auge fallen: 


vabrit. [arbeite Maſchinen. | Fabrifete. 


Baumwollenfabrifen . . | 538 | 74228| 56071 Webftühle | 54,000000 zn 
1 
Leinwandfabrifen ...... | 190 | 26354| 17320 > 18,000000 Arſchinen zu 
42000 Etid 
Bapierfabrifen . .. . . 104 | 10180) 627 Mafchinen | 807566 Rieß m. en 
Seilerbahnen.. .. . . . 108 | 2780| 468 Räder 591530 Pad 
Mahhstuchfabrifen ... . 4 105) 36 Kufen u. Keſſel 103955 Arfcyinen 
Firnipfabrifen ... . . 7 29 20 Stühle 66000 Etid 
Färberein . ...... 81 | 1214| 433 Keflel 3,500000 Arſchinen 
Bottafchefubrifen .... | 185 | 1533| 765 = 269000 Pub 
Tabadöfabrifen..... . . 61 306) 148 Maſchinen 68310 Bub 
Tabadsvofenfabrifen . . 7 801 20 Stühle 66000 Gtäd 
Suderfievereien.. . . . . 57 | 1687| 353 Kefiel 1,372563 Pab 
Effigbranereien.. . . . . 22 33111 131 > 52900 Eimer 
| 1374 [118818 


Fuür das 3.1853 bietet fich, für die gleiche Rubrik, folgende Tabelle ver: 


|Sabrit. Arbeitr Maſchinen. | Fabrifate. 


Baumvoolleufabrifen ’). | 725 1217313167127 Webftähle) 153,000000 Arkhinen # 


31000 Sa 
Seinwanbfabrifen . . ... | 285 | 75918] 28900 = | 39,000000 1.970008 
Bapierfabrifen . . . . . 193 | 33926) 1418 Mafchinen 1,719500 Rief 
Seilerbainen ... . . . 211 | 5888| 895 Räber 982000 Pl 
Wachstuchfabriken ... 19 316/87 Kufenn.Reffel| 317200 Arſchines 
Firnipfabriten .. ... 22 198139 ss s > 8715 Pd 
Färbereien . ...... 182 | 3297| 762 Refiel 7,200000 Arſchixen 
Bottafchefabriken - ... | 275 | 4217| 1325 » 469350 Pud 
Tabadsfabriten. .... . 133 805) 250 Mafchinen 187000 ⸗ 
Tabadsvofenfabriten .. | 13 | 207) 34 Stühle 120000 Etäd 
Zuderfievereien.. ... . . 108 | 3588| 612 Keſſel 2,107350 Pd 
GBifigbrauereien.. . ... . 39 8s01l| 257 ⸗ 121213 Gimer. 


2205 1346474 


ſchrif I S, ‚andere Angaben über die Baumwollen⸗Induſtrie Rußland's in biefe 30 


Der gegenwärtige Stand des Manufarturmwefens in Rußland. 493 


Endlich geftaltet ſich hinſichts der Fabriken, vie mineralifche Subftanzen 
verarbeiteten, die Tabelle für dad Jahr 1830 in folgender Weiſe: 


| Fabrik. [Mrbeite.| Mafchinen. | Fabrifate. 


Stahl:, Ciſen⸗ n. Gußei⸗ 


fenfabrifen .... . . 198 | 20150, 1128 Defen 4,500000 Bub 
Kupferfabriten . ... ... 113 | 3103| 435 - 98300 Bud u. 1,493000 
Stück 
Treſſenfabriken u. Blatt: 2068 Bub u. 17500 Ars 
mühblen. ....... 21 567) 177 Mafchinen ſchinen 
Fabriken für chem. Prod. 55 790 389 Kefiel 140000 Pud 
Barbenfabrifen .. .. . 26 238 119 = 43800 = 
Eiegelladjabrifen. . . . 7 47 33 ⸗ 3690 s 
Sulpeterfabrifen .... . 98 | 1470 45 = 60967 = 
Borzellan u. Fayencefabr. 40 | 1274 107 Defen 1,193984 Stüd 
Kryfalls n. Olasfabrifen | 172 ses 825 = 38,000000 Stüdn. 45861 
Keſten. 
| 730 | 34255 


Für dad Jahr 1853 zeigt fich dagegen dieſe Tabelle in folgender Geſtalt: 
Kabrif. Arbeit. Mafchinen. Fabrikate. 






Stahl⸗, Giſen⸗ n. Gußei⸗ 





ſenfabriken...... 302 117210 2719 Defen 9,750000 Pub 
Kupferfabriken . . . 151 | 47041! 870 = 207006 Bub a. 2, ‚109000 
S 
Treſſenfabriken u. Platt: Ä 4100 Bud u. 37200 Ars 
müblen ....... 25 | 2107, 213 Mafchinen ſchinen 
Fabriken für chem. Prod. 79 3908 596 Keſſel 297300 Pud 
Sarbenfabrifen .. . . . 39 0881 186 > 92000 = 
Siegelladfabrifen 11 180 52 = 8565 = 
Salpeterfabrifen ..... | 122 s897] 625 = 127317 = 
Borzellan- u. Fayencefab. 53 | 8315 301 Defen 2,297857 Stüd 
Kryſtall⸗ u. Olasfabrifen | 188 2sais 1297 ⸗ 67,000000 Sid. u. 82000 
Kaften. 
970 217965 
In Summa 1830: | 5450 |248739 
Su Summa 1853: | 7955 |788650 








Daß in diefen Tabellen, fowohl in denen vom Jahre 1830, als in je 
nen von Jahre 1853, mannigfache Punkte vorfommen werden, welche vie 
Bergleichung erfchweren, Tiegt auf der Hand. Abgefehen von wirklichen Feh⸗ 
lern in den einzelnen Angaben, die doch wahrfcheinlich vorhanden fein wer⸗ 
den, obmohl die Endſummen flimmen, dürften auch dadurch mannigfache Er- 
fhwerungen für den comparativen Ueberblick fich varbieten, daß bie und da 
Provinzen in die eine Fabrikentabelle mit hineingezogen zu fein fcheinen, vie 
in ber anderen außer der Beachtung lagen. Es fehlt für ven Augenblid in- 
deß an jeder Möglichkeit, alle dieſe Differenzpunfte zu beleuchten und auszu⸗ 
gleichen. Eines aber glauben wir nicht unerwähnt Taffen zu dürfen, nämlich 
jene Angabe für das Jahr 1853, welche vie Zuckerſtedereien betrifft. Hier 


494 Miscellen: 


fcheint auf die Fabrication des MRunfelrübenzuders nicht die mindeſte Rückſicht 
genommen worden zu fein, und doch hat viefer Kulturzweig bereitö in Beuti- 
ger Zeit in Rußland eine fehr bedeutende Auspehnung erreicht. Es befinden ſich 
nämlich nach einer zu Ende vorigen Jahres in ver St. Beteräburger Zeitung 
veröffentlichten Notiz gegenwärtig ſchon in 23 einzelnen Gouvernements und 
Provinzen des ruffifchen Neiches Nunkelrüben- Zuderfabriten, und vie Zahl 
derfelben fol zu Anfange des vorigen Jahres ſchon die verhältnigmäßig be⸗ 
deutende Höhe von 380 erreicht haben, von denen 77 durch Dampffraft ım 
Betrieb gefeßt waren. Es follen im Jahre 1852 gegen 1,200000 Pud Run- 
felrübenzuder durch obige 390 Fabriken producirt worben fein, wovon dat 
größte Quantum im Kiew'ſchen, Tfchernigow’fchen und Porolifchen Gouver⸗ 
nement gewonnen ward. — Diefe Notiz ift bei der Vergleichung feinedwege 
zu überjehen. . 

Troß diefer gerügten Mängel und anderer, die ſich dem mit diefen Ge⸗ 
genftänden DVertrauten bei ver Vergleichung einzelner Kulturzweige leicht ven 
ſelbſt darbieten, leuchtet doch aus allen Detaild (und auch dieſer Punkt if 
wohl zu beachten!) durchaus ein progreffiver Kortfchritt in der gefammten 
inpuftriellen Thaͤtigkeit, in allgemeinfter Uebereinſtimmung, hervor. Lind dvieſe 
Progreifton, die fchon in ven Endpunkten fich als eine höchft bemerkenswerthe 
zeigt, würde ficher noch auffälliger und fchärfer bervortreten, wenn wir tw 
Zwifchengliever der arithmetifchen Neihe durch Zahlen, die uns vielfach zu 
Gebote ftehen, näher beleuchten wollten. Wir unterlaffen dies allzu fperiche 
Eingehen auf die mercantilen Berhältniffe unferes Nachbarlandes indeß, weil 
es über die Grenzen diefer Zeitjchrift hinaus führen würde. 

Zum Schluffe wollen wir jedoch noch jene nicht minder erheblichen Fort⸗ 
ſchritte in der induftriellen Ihätigfeit in's Auge faffen, wie ſie ſich bei cine 
Betrachtung des früheren und heutigen Fabrik⸗ und Manufacturweſens im 
Souvernement Moskau in fehr fcharf ausgeprägten Umrifien kundgeben (ta dieſe 
Provinz ald dad Herz des Reiche, wie fie ſchon der traditional gewordene Sprach⸗ 
gebrauch nennt, in der That der Ausgangs» und Zielpunft ver gefammten ruſſi⸗ 
Ichen Induftrie geworben if. Dad Zufammentreffen mehrerer günftigen lim- 
flände namentlich die Lage der Stadt Moskau felbft in der Mitte des Haupt: 
theild des weiten Reiches und zugleich in der Mitte einer zahlreichen Bevol⸗ 
ferung '), begünftigte ungemein den Auffchwung der inpuftriellen Ihätigfen 
und concentrirte zugleich bier faft ven ganzen inneren Handel des Reichel. 
Seit langer Zeit bat man deshalb vie alte Hauptſtadt wohl das rufffce 
Manchefter genannt; aber viefelbe ift nicht allein eine immenfe ZBerfflätte ver 
technifchen Thätigfeit für das ganze Reich, fontern zugleich eine gewaltige 


") Die Sejanmtbevölferung des Gonvernemeuis Moskau, mit Inbegriff der in 
bemfelben in ben Fabriken befchäftigten, aber anderen Gouvernements angehörigen 
Arbeiter ſchätzt man allein auf 14 Million Seelen. * 


I — — —— usa mm -— — — 


Der gegenwärtige Stand des Manufacturmefens in Rußland. 495 


Niederlage des Handeld geworben, wo die Schäte des Verkehrs mit Afien 
fih anfammeln, um ſich ſodann von da auf verfchiedenen Wegen durch das 
ganze Reich zu verbreiten. Die natürliche Folge und ber bervorftechenpfte 
Beweis für diefe Verhältniffe ift der ungeheure Unfang des Tranjitverfehre 
für das Innere in Moskau, und zwar wird dieſer Durchgangsverfehr da⸗ 
durch noch merfwürdiger, daß er faſt ausſchließlich auf dem Landtransport be» 
ruht, wogegen der Waflertransport nach und von Moskau, ver allein auf 
der Moshra möglich ift, in Höchft unbedeutenden Verhältniffen an dem 
Banzen des Verkehrs Theil nimmt. Die Producte, welche man aus allen 
Theilen des Reichs nach Moskau bringt, werben bier in zahlreichen Fabriken 
und Manufacturen verarbeitet; nur ein Theil der daraus gewonnenen Pro⸗ 
ducte dient für die Bedürfniſſe der Bevölkerung, während ver bei Weiten 
größte Theil Gegenſtand eined bedeutenden Handels ift, welcher nicht allein die 
Umgebungen der Stadt verforgt, fondern fogar bis in die entlegenften Theile 
des Reichs dringt. So gelangen Moskau's Waaren in Afien bis zu ven 
Grenzen China's, nach Georgien, Chiwa, Bokhara und überhaupt in das 
Innere Aſiens, und es ift nicht unbefannt, wie wie britifchen Reiſenden, die 
von Indien aus den Waaren ihrer Heimat neue Abfagquellen im Innern des 
Continents eröffnen wollten, Hier mit Verdruß vie weite Auspehnung des 
ruffifhen Handels mit rufjifchen Waaren zu erkennen Gelegenheit hatten. 
Aus allen Häfen des baltifchen und ſchwarzen Meeres bezieht Moskau feine 
Golonialproducte und ganz oder Halb rohe Stoffe. Der fürliche Theil des 
Reiches liefert der Stadt Wolle, Del, Hanf und andere Erzeugnifle der agri- 
colen Induſtrie; tie fruchtbaren Gouvernementd ver Umgebung bringen bie 
nöthigen Lebensbevürfniffe herbei; Dad caspifche Meer und vie füböftlichen 
Provinzen fchaffen die reichen Producte Aſiens, des Caucafus und der Kifche- 
rei auf der Wolga; Sibirien und die norböftlichen Gubernien liefern ven 
Ueberfluß ihrer. Gruben, der Jagb und was durch den Verkehr mit China 
und Bokhara erworben wird. Dagegen verforgt Moskau als der wahre Een» 
tralpunft ded Handels im Reich mit den Probucten feiner großartigen In» 
duftrie die großen Märkte und Meſſen des Innern. Liegen auch große Städte, wie 
Kaſan, Nifchnei Nowgorod und Wlodimir auf der großen Verkehröftrage, melche 
den Thee von Khima und Sibiriens Pelzwerke berbeibringt, fo ift doch Moskau 
nach dem Schluffe ver Meſſe von Nifchnei Nowgorob derjenige Ort, mo ber 
größte Theil diefer Waaren zum Verfauf fommt. Selbft Gouvernements, durch 
welche die Wolle aus Sübrußland nach Mosfau gehen muß, wie bie von 
Drel, Tambow und Riäfan oder diejenigen, welche, wie das Twerſche, auf ver 
nördlichen Straße der fremden und Golonialmaaren liegen, haben fidy in 
Zauf der Zeit daran gewöhnt, ihre Bedürfniſſe in viefen Artifeln von Mos⸗ 
fau zu beziehen. Mit. einem Wort, Moskau iſt der allgemeine Stapelplatz 
der Hauptgegenftänve des Reichs, und alfo auch die Stadt, die in induftrieller 
und commercieler Hinficht des gründlichften Stubiumd würdig iſt. Annales 
du commerce exterieur. 1853. No. 679. Russie N. 8. S.24—25. ©.). 





496 Miscellen: 


Die für vie Kunde Rußland's einſt fo wichtigen, leider längfl eingegan⸗ 
genen „Dorpater Annalen” liefern und ven Abprud der Stäntetabelle Ruf 
land's für den Stand des Jahres 1833. Hiernach zählte das Gomveraemet 
Moskau damals: 1211 Fabriken und Wanufarturen mit 31532 Arbeitern, 
7187 Buben oder Krämerläden (von Kaufleuten IV. Gilte), 420 Gaſtwirth⸗ 
fchaften und 216 Schenken, während die Stadt Moskau an ſich beſaß: 1056 
Fabriken nnd Manufacturen mit 24694 Arbeitern, 6371 Buden, 344 Sal 
bäufern und 135 Schenfen. Es find Hier indeß, worüber ſich ter Bericht 
nicht weiter ausläßt offenbar ven Fabrik⸗ und Manufacturs Anlagen wc 
induftrielle Etablifjementö beigezählt worben (3.3. Mühlwerke, Schmieden, 
Ziegeleien und anvere Anlagen), die fonft in die Zabrifentabelle nicht aufge 
nommen wurden. Mit Auslaffung viefer letztgenannten Mühlwerfe u. f. x. 
ftellte fich die Zahl ver im Gouvernement Moskau 1839 vorhantenm Hab 
fen und Manufacturen, nach einem Berichte ter ruffijchen Handelszeitung, auf 
1058, in weldyen 83054 Arbeiter °) befchäftigt waren; und es bietet ſich 
und in dieſer Beziehung ein Vergleich mit der Gegenwart dar, indem mb 
dem Nachmeife der Moskauer Gouvernements =» Zeitung 1853 1299 Zabrıla 
und Manufacturen mit 127380 Werfführern und Arbeitern im Gouverne⸗ 
ment Moskau angegeben werben. Auf gleiche Weiſe jehen wir vie Zahl de 
Gildenfaufleute in fehr evidentem Wachsthum begriffen. Die Stätte um 
Babrifentabelle für dad Jahr 1833 zahlt auf: 


Kaufleute L Gilde. 441 m. Geſchl. | 
37m. 7s b. 6. 

Kaufleute DI. Gilde: 1195 m. Geſchl. | 
1044 w. Geil. 2239 b. 6. 

Kaufleute IIL Gilde: 8545 m. Geſchl. | 
1992 w. Geil. | 10937 6.0. 


alfo überhaupt als Gilvenfchaft aller drei Klaffen in fämmtlichen Städten 
ded Moskauer Gouvernements: 
10181 m. Geſchl. 
0373 m Gel. | 19554 6. G. 
Die Gouvernementd- Zeitung führt ald gegenwärtigen Stand der Gar 
belfchaft auf: 
Kaufleute L Gilde: 527 m. Geſchl. 
489 w. Geſchl. 
Kaufleute DI. Gilde: 1735 m. Geſchl. 
1682 w. Geſchl. 


, .) Die Zahl der Arbeiter widerfpricht der obigen Angabe infofern, als hiet 
bei einer geringeren Aufzählung von Fabriken gleichwohl mehr, als doppelt fo wel 
fabrizivende Kräfte angeführt werben. Bielleicht find in der einen Angabe bie Ir: 
beiterinnen ausgelaffen, in der anderen dagegen mitaufgenommen worden. Bas dt 
angabe aus dem Jahre 1839 betrifft, fo liest man and bei Reben die Zahl 83054, 

Uebereinfiimmung mit meiner obigen Mittheilung. 1. 


| 1061 b. G. 


| 3417 6.6. 


Der gegenwärtige Stand des Mannfacturmeiend in Rußland. 497 


Kaufleute ID. Gilde: 14813 m. Geſchl.) 
13988 w. Gefchl. | 28801 6. 6. 
überhaupt alſo als geſammte Gildenſchaft für das Gouvernement Moskau: 
17075 m. Geſchl. 
16159 w. Geht. 32234 b. ©. 

Bon diefen Kaufleuten wären 186,250000 Rubel Banco (53,214000 
R. Silber) als Handelscapital declarirt worden. 1820 waren von ihnen erft 
52 Mil. Rub. Banco ald das gefammte im Verkehr circulivende Capital ans 
gegeben worden. Damals abforbirte das Corps ver Moskauer Kaufmann- 
fchaft Schon mehr ald 4 des gefammten Handels, wenn wir biefen nad) der 
Summe der auf ihn verwandten Gapitalien bemeffen; gegenwärtig iſt dies be⸗ 
reits mit mehr ald 4 veffelben ver Ball. 1820 verhielt fh die Höhe des 
von Moskau veclarirten Capitald zu den Derlarationen, vie von St. Peters⸗ 
burg, Orel, Tula, Aftrachan, Archangel und Wilna auögegangen wa⸗ 
ren, wie: 

52:26 :14:10:5:2:1. 
Gegenwärtig verhält fich viefelbe wie: 
186 : 101 :29:23:8:3:1,5 
und wir erfennen bierin abermals, welch’ einen unverhaͤltnißmäßig großen 
Aufſchwung die Induftrie des Eentralpunftes von Rußland, anderen Han⸗ 
velsplägen des übrigen Rußland's und felbft anderen betriebfamen Städten 
des Innern gegenüber genommen bat, und wie nur Peteröburg, durch feine 
glückliche Rage an der Oftfee begünftigt, diefe Erfolge noch Hinter fich läßt. 

Intereffant iſt es, wenn wir bei Betrachtung dieſer Verhältniffe die An⸗ 
gaben für die Stadt Moskau (dem Gouvernement gegenüber) fpecieller im 
Auge haben. 

Nach dem Oberpolizeimeifter- Bericht vom Jahre 1835 beſaß die alte 
Zarenſtadt im Anfange des gevachten Jahres an größeren Fabriken und Ma- 
nufacturen: 464. Diefe Zahl hatte fich für das Jahr 1841 nach dem im An⸗ 
fange des December 1842 veröffentlichten Polizeimeifter- Bericht auf 631 er⸗ 
höht, und fie betrug für dad Jahr 1853 nach der Gouvernements⸗Zei⸗ 
tung: 875. 

Wir fperialifiren dieſe Fabriken für vie letztgedachten beiden Zeitpunfte 
nach ven und zur Hand liegenden Berichten. Es beflanden in der Stadt Mos⸗ 
fau und in den zum Polizeigebiet der Stadt gehörigen Vorftäbten und Dorf- 
fchaften: | 
| 1841. | 1853. 





1) Fabriken: | 
Baumwollenwaarenfabriten. . . : »--- 22.0. 126 189 


Mollenwaareufabriten . . 2... 2: ......... 8 | 131 
Seivenwaarenfabriten. ...... 0000. ı 64 | 93 
Kattun⸗ (und andere) Diuderein . -....... ı 65 84 


Transport . | 339 | 497 


Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. II. 32 








498 Riscellen: 

| 184. | 1853 
Transport . | 339 ' 497 
Färberein ...-.- oo 2er een 235 38 
Tabads: und Gigarrenfabrilen . . - ........ 5219 
Gold: und Silberwaarenfahrifen .... . en. ı 31, 6 
Gmöeifenfabriien ..-.- 2.22 - een | 415 
Aucyffabrilen..-. 2. - rc corner. ı 3 | 3 
Bolitur- uud Lakirwaarenfabrifen .........- | 3 4 
Topetenfabriten . ....-- 22020000 nun. 2 | 3 
Bleififts und NRavelfabriten ........--... | 11 2 
Siebfabriten ---.- oe ec 0er nenn 1, 4 
Enfiabriien .....-- 2er ernennen | 1 2 
Bomadenfahrilen ... --.:.- 2 een en. ı 2. 4 
Sabrifen für Mafhinenban ..--.. 2. ...-.. ı 214 
x ⸗ ipagen Pe a | | 2 
zufammen | 467 ı 689 

2) Sawoden?): 
Ölodengießerein --.- --- or 200 ne ... 3 4 
Gifengießereien - - .-» > - 2-20 ne 4 6 
Aupferfchmieden - .- 22: 22022 u 2 2 
Echeivewaflerfabrifen ....- - - - . ........ 11 15 
Branuntweinbrennereien............ 6 
Dierbramerin . - - > 22er 20 22 
Meibbrauerein. .. .. . . rennen 3 3 
Malzbranerein ..-.-.... .. ......... 15 17 
Eſſigbranereieennnn..... .... 4 4 
guckerfabrifenn............... 1 3 
Syupfabriim .... 2... 2222er en 2 1 
Sarbefobriten... ..- 222 200er rer. 2 3 
ade Bobrifen .. 2... 2220er. 5 7 
Badzeicämelgereien - - - --- . 2-22 000. ... 1 1 
Talgfiedereim. .... 2.2.22 onen ene 4 4 
EV | | EEE 10 11 
Lichtzichereien I 11.1: ı) Fe 9 10 
Stearin .. . 222 222er. 4 4 
Dieinfobrifen . . © 2 2 oo over. 1 1 
Eeifenflevereiem . - - 2 220er en. 4 4 
Topfereien.................... 9 8 
Biegeliin. - 2 2.2. ........ ......... 20 23 
Saffiaufabrifen................ 4 4 
Sexbereien . . 22 2 2 onen 19 20 
Ambeßſchmieden............. 1 1 
Sawoben: | 164 | 186 
Fabrifen: | 467 | 689 





Induſtrielle Stabliffements: | 631 | 875 


Hierzu kamen an fonfligen, zum Xheil in das Handwerksgeſchäft dr 
ſchlagenden Betriebszweigen: 





RM afffde Bir haben hierfür Fein entſprechendes Wort, dem der Ansbrud Sawod i⸗ 


u umfaßt 
druck: —E 


mehr, als unſer gewöhnlich in der Ueberſetzung gebranär Ant 


Der gegenwärtige Stand des Manufarturwefend in Nußland. 499 









Geſchafſte in Silber, Gold uud Edelſteinen 


⸗ Kupferwaaren rer. 
⸗ s Zinnwaarn........ Lernen 
⸗ ⸗LECEiſenwaaren........... 
⸗ ⸗Glaswaaren........... 
⸗ ⸗ Ibeſer, Gyps und anderen Steinen 38 42 
⸗ ⸗EGEmaille............... 3 4 
⸗ ⸗Seidenwaaren........ 132 | 216 
⸗ z Baummwollenwaaren .... 2.0... 78 | 108 
⸗ ⸗ gefärbten und bedruckten Stoffen... . | 102 | 144 
⸗ = Pelz, Leder und Boten... .... - 171 261 
⸗ ⸗Kuochen und Glienbein......... 18 23 
⸗ ⸗ 80 und Kork.......... 196 | 271 
⸗ -Baſt.. 8 10 
⸗ ⸗ —— — anderen Gegenſtäaͤuden 1906 | 2333 





3422 | 4436 


Endlich war der Beſtand an WaarensNieverlagen, Mühlwerten u. f. w. 


folgender: 
Anfang| Ende 


Be 








u 00 8 8 8 — 0 


. 0007: 0 08: 08 82 1282 8 Tr Tr re re Tr re a 


—— ................... 







Wirthshaͤuſer (ruſſ. Traftire) .. 2.2.2200. . 28 
Kaffehäuſer 2:20 oe nn 19 
Konditoreien. - >» 2: oe ern nn 38 
Abfleigequarliere .. 2.2.2.2. 200000. ..... 69 
Garküchen... . yo. 19 
Weinkeller......... oo... 400 
Schenffluben ...... .. 158 
Branntweinspäcter.. - . - 2:2 rare 2 
Trinfhänfer, wo man bie Getraͤnke eimerweife verfauft 7 
3 ⸗ ⸗ ſto fwei ſe (guastweiie) 68 

⸗ 28: : s ſogleich trinkt. 10 
Borterbrauerein . 22:20 ernennen 80 
Halbbierbrauerein . .- - 2022er en 139 
Schwarzbrobbädereien......... EEE 182 
Meißbrobbädereien .. 22-0 239 
Bifchbehältr .....- 2200er een nenn 35 
Waſſermühlen. enen. 8 
MWindmühlen . ... 22-220. 7 
Staͤdtiſche Bapfluben - -- - 2220er nme ne 8 
Privatbäder (für Geld) -...- 22.0220. 40 
Buden in ubenteihen ................ 3636 
⸗ ⸗ ne ? ern. 2549 

aiferihe . 2. 2220er 
Typegtaphien | Yulnate .:: a 





7200 | 7316 | 8524 
32 * 


500 Miscellen: 
Anfang| Suve | 








| 1841. | 1853. 
| l 
| Transport . | 1200 , 7316 | a524 
. Taiferlihe .- - : 2 2 2200. 1 1 
Lithographie ae EEE EEE 9 j | 10 
Metallograpbien, private !) . 22-0000... 4 
th fe vn | 38! 38 | 40 


Apotheien. . 2... 00er ne 6. 
| | 7252 | 7368 | 8580 


Beichäftigt waren 1841 in dieſen Babrifen, Manufacturen, Niederlagen 
u.f.w., und zwar: | 
in den 467 Yabrifen: 60 ruffiiche Meifter 
| 90 fremde ⸗ 
21300 ordentliche Lehrlinge und Arbeiter 
4540 gemeine Tagelöhner 


zufammen 26490 Perfonen; 
in den 164 Sawoden: 160 ruſſiſche Meiſter 

10 fremde ⸗ 
1500 ordentliche Lehrlinge und Arbeiter 
950 gemeine Tagelöhner 








zufammen 2620 Perfonen; 
in den 3422 Gefchäften: 2900 ruſſiſche Meiſter 
200 fremde ⸗ 
16760 ordentliche Lehrlinge und Arbeiter 
2050 Tagelöhner 


— — — — —— — — 


In allen dieſen 4053 induſtriellen Anſtalten befanden ſich hiernach im 
gedachten Jahre insgeſammt: 
3620 ruſſiſche Meiſter 
300 fremde = 
39560 orventliche Lehrlinge und Arbeiter 
und 7540 gemeine Tagelöhner 


— — — — —— — — —— — — 


in Summa 51020 Perſonen. 

Ueber die fabricirenden Kräfte für die 7252 übrigen Etabliſſements fehlt 
ed an Nachweiſen. Wie erheblich die Steigerung auch in Bezug auf die Ar 
beitöfräfte in dem zwölfjährigen Zeitraum von 1841 —53 fi beraueftellt, 
erhellt aus folgender, der Bouvernementd «Zeitung entnommenen Zufanmet 





') Sammiliche Typographien, Lithographien und Metall apbieu hatten im 
Jahre 1841: 232 Preffen Hrsg Wefchinen ” allegreph — 


Der gegenwärtige Stand des Manufacturmefens in Rußland. 501 


ſtellung. Es gab Hiernady im Jahre 1853 in der Stat Moskau, in den 
dortigen Fabriken, Manufacturen u. f. w., und zwar: 
in ven 689 Fabriken: 745 ruſſiſch⸗ Meiſter 
128 fremde ⸗ 
41107 ordentliche Lehrlinge und Arbeiter 
10000 gemeine Tageloͤhner 
zuſammen 51980 Arbeiter. 
in den 186 Sawoden: 207 ruſſiſche Meiſter 
17 fremde ⸗ 
3000 ordentliche Lehrlinge und Arbeiter 
1800 gemeine Tageloͤhner 


zufammen 5024 Arbeitet; 
in den 4436 Gefchäften: 3770 ruſſiſche Meifter 
250 fremde ⸗ 
29950 ordentliche Lehrlinge und Arbeiter 
7900 gemeine Tagelöhner 


zufammen 41870 Arbeiter. 
In allen viefen 5311 induſtriellen Unftalten befanden ſich hiernach im 
Jahre 1853: 
4722 ruffifche Meifter 
295 fremde ⸗ 
74057 ordentliche Lehrer und Arbeiter 
19700 gemeine Tagelöhner 


in Summa 98774 PBerfonen ’). 

Berarbeitet wurden im Jahre 1841 Waaren im Werth von 24,789000 

R. S., und verfauft für 22,592000 R. S. Derſelbe vertheilt fich auf die 

einzelnen induftriellen Etabliffement3 in folgender Weiſe: 

amt den 467 Babrifen betrugen die Fabrikate: 16,257000 R. ©. 

der Abſatz: 14,555000 

- : 164 Samoren = die Fabrikate: 3,494000 

der Abſatz: 3,979000 

» = 3422 Geſchaͤften = die Fabrikate: 5,038000 

ver Abſatz: 4,058000 


Für das Jahr 1853 ſtellt ſich ver tabellarifche Anſatz: 
In ven 689 9 Babrifen betrugen die Fabrikate: 24,000000 R. ©. 
der Abſatz: 22,500000 = 


% u “ % u 


>) Die Zahl aller Silnenkauflente in der Stadt Mosfau betrug 1833 (nad 
der Stäbtetabelle): 13453 (7032 m. und 6421 w. &.); 1841 (nad) dem Ditjchet): 
16559 (8757 m, und 7802 w. ©.); 1853 (nad) der Gouv.⸗Ztg.): 23717 (12960 
m. und 10767 w.@.). 


. 





502 Mistcellen: 


In den 186 Sawoden betrugen die Fabrikate: 5,068000 . ©. 
der Abſat: 4,900000 3 

= » A436 Schafen - vie Fabrifate: 6,650000 

der Abfag: 4,300060 

Es wurden demnach fabricrt im Ganzen: 35,738000 

und abgefeht > = 32,200000 

Auch Hier zeigt fich demnach zwiſchen 1851 und 1853 eine bedentende 

Verſchiedenheit zu Gunſten des legten Jahres, und äbalide Reſultate wür- 

den wir an's Licht flellen, wollten wir auch die übrigen Betriebszweige um 

Berhältniffe des Verkehrs, 3. B. die Rejultate der Schifffahrt und ned Lamı- 

transports, die Gin-, Durch- und Ausfuhr, die Zollverhälmifie u. 1. w. 
worüber fperielle Angaben in großer enge vorliegen, des Näheren betrachten. 

J. Altmann. 


u se u} 


— — — — — 


Die hinterindiſche Inſel Bawean und ihre Bewohner '). 


Etwa ſechs zehn deutſche Meilen von Udjong> Pangka auf der Rorrküh: 
Java's liegt verrinjamt im Meer die Keine Injel Bawean ?), deren Flachen⸗ 
inhalt nur 108 Palen beträgt. Der größte Theil verjelben iR Gebirgälame, 
welches ſich bis zu einer Höhe von 2000 Fuß erhebt; Die beiden höochſten 
Gipfel jind der BunungsTinggi und der Gunung- Radja *). Nur am Ufer 
des Meeres giebt es einige Ebenen, über weldye ein guter Weg ringe um die 
ganze Infel läuft. Der Boren, welcher alle Kennzeidyen vulcaniſchen Ur- 
fprunges aufweiſt, ift daher fruchtbar und eignet fich vortrefflich zum Rei, 
Indigo», Baummollen» un? Tabacksbau *). In der Nähe ver Deſſa (2. 6. 


?) Das durch feine Lage mitten zwifchen Süb-Borneo und Java uub in meh 
ren anderen Beziehungen intereffante Bawean:Giland ( Bavian Idand der 
d. 5. Pavians-Inſel) fand in neuerer Zeit wiederhelt Darfteller, io daß es zu ten 
befier befannten unter den Heineren binterindifchen Inieln gehört. Eo wurde es ſchen 
im Jahre 1846 durch J. Alting Siberg in der Tijdschrifi voor Neerland’s Iodır. 
8. Jahrg 1, 279— 312 fehr ausführli und gründlich beſchtieben Bine englitk« 
Ueberfegung des hier aufgenommenen Aufiages erichien noch zu Eimcapere im Le⸗ 
gan’d Journal of ıhe Indian Archipelagus V, 383 — 399. G. 

2) Bawean führt bei den Gingeborenen den Nauen Labod (Nliing Eiterz 
229) und liegt zugleich nörblih von der SurabuyasEtrafe, melde die Rechiuie 
Java's von Matura trennt. Auf den Karten ſteht die Infel gewöhntich unter ihrem cın- 
heimiſchen Namen. „Ihr Mittelpuaft trifft in 5° 49’ n Be. und 112° 16° LE 
von Gr.; ihre nordſüdliche Länge beträgt 95, ihre ofmweRlichhie Breite 10 ML (The 
Seemans Guide round Java by Baron Melrill of Carnbee and round the Isiunds 
East of Java by Lieut Smits, 84; Alting Siberg 279). . 

2) Ing bedeutet im Malaiiſchen Berg, Gunung Rabja alio Fürtenberg 
Der Gunung Tinggi wurde im Jahre 1843, und zwar wahrſcheinlich zum erien Make 
von Europäern und vielleicht ſelbſt Iuländern erfliegen, indem Alting Sikerg, mit ne@ 
2 Gureräeru und eimigen Inländern der Berfud) gelang (a. 0. D. 280) ® 

) Baldbäune Hat die Injel im Ganzen nicht viel, und und) ron den Kunde 











Die Hinterindifche Infel Bawean und ihre Bewohner. 503 


Dorf) Kolompee finden ſich Steinfohlen ') und fehr weißer Sand, der zur 
Bekleidung der Schmelzöfen ausnehmend tauglich ift *). Ueberall giebt es 
warnıe Quellen, die fehr heilſam gegen Hautkrankheiten find; vie Wafler eini- 
ger haben große Nehnlichkeit mit der Duelle von Selters (?76.) °). 

An der Weftfüfte, vier Meilen vom Strande entfernt, liegt (in dem Dis 
firiet Kulon Negeri ©.) eine Klippe, Nufa genannt, von 80 Fuß Umfang 
und 50 Buß Höhe. In der Mitte verfelben befindet fich eine fchöne Grotte, 
die 55 Fuß im Umkreiſe mißt. Die Wogen brechen ſich an biefer Klippe mit 


bäumen, die Java befipt, fehlen manche; ſelbſt die Kokuspalme iſt nicht in genügen: 
der Menge vorhanden, fo daß ihre Früchte zur Confumtion der Bevölkerung nicht 
genügen und deshalb Kokosnüſſe aus Java und Madura eingeführt werden müflen. 
agegen ift der Pinangbaum (f. diefe Zeitfchrift 1, 494) befonders bei den Defias 
Sukela, Diffalam in Menge vorhanden, fowie es and einen in Java nicht gefannten 
Fruchtbaum giebt, der den Namen Boca kaijoc pait nach hollaͤndiſcher Schreibart 
führt, ungefähr 30 Buß hoch wird und defien mehlartige Früchte einen angenehmen 
Geſchmack Haben. Er kommt befonders bei den Deffa Sungie Trus vor (Alting 
Siberg 283). ®. 

ı) Dies Vorkonmmen der Kohle bei Kolompee ift in technifcher und wiſſenſchaft⸗ 
licher Hinficht gleich intereffant und zeigt deutlih, daß nicht die ganze Infel vulka⸗ 
nifhen Boden Haben fann, wie der unbekannte Verfaſſer diefes Auffages meint. 
In technifcher Hinfiht iſt daffelbe deshalb wichtig, weil die Kohlenforma⸗ 
tion fidy bei genauen Unterfuchungen wohl auch an anderen Punkten der Inſel fin: 
den wird und da nad dem faſt zu Tageliegen der Kohle bei Rolompee eine 
leichte Gewinnung derfelben in Nusficht ficht, was für die Hinterindifche Dampfſchiff⸗ 
fahrt von großem Nupen fein dürfte. Im vwifienfchaftlicher Beziehung if daſſelbe 
Vorkommen dadurch von Bebentung, weil in Folge der beſonders in neuerer Zeit flatts 
gefundenen Entdeckung mächtiger und ausgevehnter Kohlenlager bei Banjermafiing 
und an vielen anderen Stellen der gegenüberliegenden Südküſte Borneo's, wo dies 
felben bereits in Angriff genommen worden find, eine fubmarine Fortſetzung der Bas 
weantohlenflöge mit denen in Borneo hoöchſt wahrfcheinlich wird. Bei der fehr flachen 
Lagerung der Klöße fcheint die Kohle freilich nicht von befonderer Güte zu fein, doch 
fteht nichts der Annahme entgegen, daß fich in der Tiefe andere Lager von beflerer 
Büte finden werben. Leber die hiefige Auffindung wurde dem niederländiichen Co⸗ 
lonialminijter, wie von einer neuen Entdeckung, im Jahre 1851 Anzeige gemacht, aber 
man vergaß, daß Alting Siberg ſchon im Jahre 1846 mit fehr beftimmten Worten von 
dem Vorkommen geredet (S. 281), ja bemerkt Hatte, daß im. Jahre 1831 Proben 
der Kohle an vie niederländifche DBerwaltungsbehörde von Surabaja gefandt, aber 
von deifelben unbeachtet geblieben waren. ©. 

2) Derfelbe wurde im Sabre 1840 durch Diarb, einen Naturforfcher, entdeckt. 
Unterficchungen, die man zu Surabafa, wohin einige Ladungen an die Regierung 
und an Private gefahbt worden waren, damit anftellte, enwiefen, daß er den aus 
Europa bezogenen feuerfeften an Güte übertrifft. ®. 

3) Sie werden von den Einwohnern mit gutem Grfolg gebraucht, doc ift es 
wahrfcheinfich irrig, wenn Alting Siberg (282) meint, daß ıhr Mineralgehalt größ: 
tentheils aus Alaun befteht; fie fchienen ihm überdies wenig Schwefel zu enthal- 
ten. Es finden fih dergleichen Quellen fowobl an der Oſtküſte bei dem Dorf Re: 
poog, als an der Weftfüfte bei dem Dorf Gellam und endlich aud) bei den Haupt: 
ort der Infel. Die wärmfte deifelben zeigt eine Wärme von 125° F. (N. Eiberg 
282). Das Vorkommen ſcheint uͤbrigens auf eine eng der vulkaniſchen Thä= 
tigkeit von Java hinzuweiſen. Demnaͤchſt hat die Infel 8 Flüßchen, Die zuweilen 
durch den Megen fehr anfchwellen; das bedeutendfle davon ift das bei der Defla Tanı- 
baf (Nlting Siberg 302). ®. 


504 Miscellen: 


grimmiger Macht, aber dad Waſſer in der Grotte iſt vollfommen ruhig, fein 
Spiegel liegt glatt und regungelod da '). Der Gipfel des Felſens ift mit 
Seegras bedeckt, welches zahllofen Möwen zum Aufenthaltsorte dient. Im 
der Grotte werden die befannten eßbaren Bogelnefter gefunden, weldye das 
Gouvernement jährlich verpachtet. 

Außerdem ift die Iufel reich an Naturjchönheiten. Darunter verbient 
beſonders der mitten im Gebirge etwa 1000 Fuß über dem Meer gelegene 
See Tellogo» Kaftobo hervorgehoben zu werden ?). Das Waſſer dieſes Sees 
ift lichtblau und eignet ſich recht wohl zum Trinken. Die hohen Ufer fine 
überall mit mächtigen Bäumen bevedt. An mehreren Stellen beträgt die 
Tiefe mehr als 30 Klafter. 

Bawean ift in die drei Diftricte Sangfapura, Kulon⸗ negeri und Wettan⸗ 
negeri geheilt. Nach ver Zählung von 1845 beſtand die Bevölferung aus 
33 Europäern und deren Abkömmlingen, aus 50 Ehinefen, 27224 Urbewoh⸗ 
nern, 426 Malayen und 1393 Manvarefen und Buginefen *). Die wahr- 
fheinlih von den Mandarefen abflammenven eigentlichen Baweaner find größ- 
tentheils Seeleute; fie bauen jedoch auch etwas Reis, nicht? geht ihnen aber 
über das Seeleben. Diele von ihnen begeben fich bereitd in ihrem vierzehn⸗ 
ten Jahr nach Samarang, Singapura und anderen Orten, um ihr Süd zu 
verfuchen. Diefer befonveren Vorliebe für Handel und Seefahrt it es zuzu⸗ 
fihreiben, daß Bawean eine fo große Zahl von Barfen (praauwen) beñgt, 
die vornämlich zu Bentjong in ver Reſidentſchaft Nembang gebaut werden 
Manche Bameaner laſſen bereits fogenannte „Praauw-toop“ nad) euroydi- 
fhem Mufter anfertigen, obgleich das Tafelmerf nach einheimischer Weile ge- 
macht wird. Die größten tiefer Bahrzeuge haben eiferne Anker und führen 
gereöhnlich vier Dreipfünder; vie Fleineren dagegen haben hölzerne Anfer mit 
einem Arm und lange zweipfündige Kugeln ſchießende Lilla's (eine Art rom 
Geſchutz). Die Bemannung der erften beficht aus 20 bis 24 Köpien, mb 
die ter letzten aus eilf. Alle fahren für gemeinfchaftliche Aechmung, webe 
die Antheile genau beftimmt find. Kommt dad Schiff von einer Reife zu⸗ 
ud, fo empfängt ver Cigenthümer ein Drittel ded Gewinns, ber Beichkihe- 


IM. de Carnbee (a. a O. 81) bemerkt, daß es einige Flrine Jafeia am 
beiden Rändern der Infel giebt, und daß bie Annäherung an die Südoſt⸗ uns Exb- 
feite Bawean’d wegen der vorliegenden und zum Theil bebediten Klippenreiben fjeeıc: 
rig und ſelbſt fehr gefährlich ſei. Schiffe von einiger Größe mümſen deshaltb im ber 
hohen Sce anfern, da Dawean nur einige Rheden bat, von denen eine * m 
Hauptert Saugfapura liegt. 

2) Ban de —R Zeitſchrift giebt eine Ant tes Sees, ber hr zus 
nach der Beichreibung ein Kraterjee fein bürfte, eine Bermuthung, die ns Ideen 
von Alting ausgefprechen worben iR (a. a. ©. 300). 

?) Davon hatte im Jahre 1845 der Diſtrict Kulon:Regeri 11826 rl m 
2881 Häufern und 26 Deſſas, der Diſtrict Weitansnegeri 10525 Bewehnet in ZIM 
Hauſern, die in 21 Defas vertheilt waren, während ber Sanglapura : Bızit dea 
Re der Bewohner der Juſel begriff. 


— — — ⸗ ⸗ we - u. _ — 


Die hinterindiſche Inſel Vawean und ihre Bewohner. 505 


ber das andere Drittel, und in das noch übrige Drittel theilen ſich Diejeni⸗ 
gen, welche vie Fahrt mitgemacht haben. 

Eine eigenthümliche Sitte ift, daß Die Abfegelnden von allen ihren Ver⸗ 
wandten und Freunden bis zum Ufer des Meeres geleitet werben. Bei nıes 
drigem Wafler ift der Strand oft von Taufenden bebedt, welche, um ven 
Scheivenden Lebemohl zuzurufen, aus fernen Gegennen berbeifonmen. Die 
Menge zerftreut fich nicht eher, als bis die Fahrzeuge bereits eine beträcht- 
liche Strede in's Meer bineingefegelt find. 

Die Inpuftrie ift unter ven Bamweanern nicht bedeutend. Es giebt Gold⸗ 
und Silberſchmiede, welche ihr Handwerk wohl verflehen, während vie Zahl 
der Eifenfchmiede nicht Hinreicht, um die Bewohner der Infel mit ven nöthi« 
gen Geräthen zu verfehen. In mehreren Defia’d wird Kalk gebrannt, ver 
recht gut ift; Die Ziegel, die man verfertigt, find jedoch fchleht. Manche 
Baweaner haben eine befonvere Gefchidlichfeit im Schneiden des Holzes und 
des Elfenbeins. 

Die Hauptausfuhrartifel beftehen in Matten, Reiskoͤrben und Betelbüch⸗ 
fen (siriedoozen: vieredige Käftchen, worin Alles, was zum Betellauen ges 
hört, aufbewahrt wird). Zu dieſen geflochtenen Inpuftrieartifeln wird eine 
der Aloe ähnliche und überall in Menge verbreitete, von den Eingeborenen 
Pandang genannte Pflanze benugt. Diefe Arbeit beforgen jedoch außfchließ- 
lich die Weiber. Nach Java und anderen Orten wird von ſolchem Flecht⸗ 


‚werk jährlich für 60000 Gulden ausgeführt. Außerdem treiben die Bawea⸗ 


ner einen nicht unbedeutenden Handel mit Schleiffteinen, fleinernen Mörfern 
und Kleivungsftüden, welche Iete von ven Brauen, während die Männer fich 
auf dem Meer befinden, gewebt werben. (Sie find vorzüglich für den Klein- 
handel in den Lampong-Diftricten auf Sumatra beflimmt. Nach dieſen Di- 
ftricten bat der Handel der Infel überhaupt in den legten Jahren ſehr zuges 
nommen. ©.) 

Die Infel gehört zur Meflventfchaft Surabaja; die Verwaltung ift in 
den Händen eine Beamten, welcher ven Rang eines Affiftent =» Mefinenten bes 
fleivet und feinen Wohnflg in Sangfapura, dem Hauptort von Bawean, hat. 
Außer viefem Beamten und dem ihm untergeorbneten Perſonal giebt e8 noch 
einen einheimifchen, Tumenggong genannten Regenten, welchem vie eigentli« 
chen Baweaner untergeben find, während die Malayen und bie Übrigen auf 
der Infel angeflevelten Fremden einem befonderen Häuptling gehorchen. 

Sangfapura ift ein micht unanfehnlicher (an der Südküſte der Infel und 
zugleich an einer Bai gelegener G.) Ort, der 6770 Seelen zählt. Derfelbe 
wird von breiten, gut unterhaltenen und von flattlichen Bruchtbäumen be⸗ 
ſchatteten Wegen durchkreuzt. Das in Sangkapura befindliche, aber ſehr bau⸗ 


Es if dies unzweifelhaft eine der auf deu hinterindiſchen Inſeln überall in 
Fülle verbreiteten Bandanusarten, deren Blätter fo Harfe und fo zähe Faſern haben, 
daß daraus die trefflichtten und unverwüftlichiten Flechtwerke gearbeitet werben. ©. 





506 Gifumgsbericht ber Berliner geographiſchen Gefehfchaft. 


fällige Fort führt ven Namen Frederiksſtad, bat 4 Baflionen uns 24 Schich⸗ 
ſcharten, ift mit 12 eifernen Kanonen verfehen und von einem Graben um- 
geben. In dem Fort ift die Wohnung des Aſſtſtent⸗Reſiſdenten, cin Pulver⸗ 
bäuschen und eine Kaferne. Die Befagung beficht nur aus einer geringen 
Anzahl Prapjurit3 oder eingeborener Soldaten (was bei ver Wichtigkeit der Lage 
Bawean's, die oft fchon wie Augen der vie hinterinvijchen Meere in allen Ric 
tungen burchziehenden Seeränber auf fich gezogen bat, allerdings hoͤchlichſ 
auffallen muß. Ja nicht einmal ein Kriegsfahrzeng if an der Küfle ver Ja⸗ 
fel zur Dispofltion des dirigirenden Beamten flatiowirt. Diefe Fahrläßigkeit 
der niederländifchen Regierung fand in neuerer Zeit denn auch ihre Strafe, 
indem Die Seeräuber im Jahre 1844 (? &.) bie Iufel überficden, die Bevöl⸗ 
ferung. welche Widerfland zu leiften fuchte, in vie Flucht jchlugen, die 7 Kam⸗ 
pongs audplünverten, viele Ginwehner morveten und andere, barunter 80 
Frauen, wegführten. Die von Surabaya geferberte Hülfe kam zu fpät; vie 
Mäuber waren ſchon abgezogen. Leberhaupt fcheint ver Infel vom der nie 
derländijchen Regierung nicht vie Aufmerffamfeit geſchenkt zu werben, vie fie 
verdient. G.). (v. Hoevell Tijdschrift. Jahrg. XIN. 158— 165.) 

@. Zeller. 


Situng der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde 
am 6. Juni 1854. 


Herr Ritter zeigte der Verfammlung ven im Lauf des vorigen Monats 
erfolgten Tod ihred Mitgliedes, des Geh. Regierungsraths Engelhardt, an, 
worauf der vieljährige College des Letzten, Herr Dieterici, ihm eine beſondere 
Gerächtnigrede widmete. — Herr Ritter machte mehrere, tie Erpeditionen 
nach dem Innern von Afrika betreffende Mittheilungen, die namentlich die An» 
funft ded Dr. Vogel am Tſadſee melden (Das Wefentliche des Vortrags ſindet 
fi) ſchon in dieſer Zeitichrift S. 423 — 428. &.). — Darauf theilte Herr Rit⸗ 
ter einen von dem Grafen von Schlieffen an ihn gerichteten Brief wit, worin 
berjelbe ihn von dem Jtinerar eines in Korkofan von ihm Lorgefundenen 
Schefhs aus Timburtu in Kenntniß ſetzt. Der Scheikh hatte die Reife aus 
feiner Heimath Dur Bernu, Baghermi und Dar Zur jurüdgelegt, und war, 
werfwürbig genug, mit Dr. Barth in Baghermi zufammengetroffen. (Das 
Stinerar wird in dem 1. Heft des Bandes III ver Zeitfchrift erfcheinen. ©.) 
— Bulegt las Herr Ritter einen von Herrn Al. von Humboldt erhaltenen 
Brief des befannten Köwenjägers, Lieut. Juled Gerard, worin derſelbe auf 
den Wunfch des Herrn von Humboldt ihm über die Zebensweife ver algeri- 
ſchen Löwen und die nievrigen Temperaturen, welche diefe vertragen fönnen, 


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Sigungdbericht der Berliner geographifchen Geſellſchaft. 507 


Kunde giebt. Herr von Humboldt hatte hieran Betrachtungen über das Bei⸗ 
fammenfinden von Thierfnochen aus ertremen Elimatifchen Zonen für ven Geo⸗ 
logen gefügt. (Auch diefer Vortrag wird demnächft in der Zeitfchrift erfchei- 
nen.) — Herr Kiefewetter, ver feit 16 Jahren beveutende Heifen durch 
Schweden, Normegen, Yinnland, das Innere des europäischen Rußland's, die 
Krim, den Kaufafus und tief bis in die Kirgifenfteppe gemacht, und auf den» 
felben vie intereffanteften Gegenven und Perſonen in faft 300 großen Delges 
mälvden vargeftelt Hatte, legte einen Theil feiner fchönen Sanımlung nebft 
einigen Modellen von Kirgifenhütten und anderen Gegenftänden der Gefell- 
[haft zur Anficht vor und begleitete die Vorzeigung mit intereffanten und 
Ichrreihen Bemerkungen in Betreff der Geographie der durchwanderten Laͤn⸗ 
der, der Lebendweife und Natur ver befuchten Völker. 
Gumprecht. 


— — — — — 





Gedruckt bei A. W. Schade In Berlin, Grünſtraße 18. 
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Druckfehler und Berbefferungen. 


Geite 135 Seile 16 v. 


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254 = 
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12 v. 


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3 
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15 if hinten 
481 Rr. 514. lies: das unterfle nach den Kynnwaflern zu. 

1820,4 5. flatt 1825,4 $. 

482 zwiſchen Nr. 61 und 62 ift uch der folgende gemefiene Punkt einzuſchal⸗ 


Ei 


Im erften Bande: 


. lies Feldſpath ſtatt Flußſpath. 
. fallt Wladikavkas fort. 
. lies Felsart en flatt Felsknoten. 


grün ſtatt gran. 

Flußnet flatt Flößnetz 

nur ſtatt und. 

Diherbainfeln ſtatt Dſcherbainſch. 
Winkler'ſchen Tafeln ſtatt Winkler'ſche Karte. 
Oltmann'ſchen ſtatt Altmann'ſchen. 

im Stich beinah ſtatt in Reichenbach. 


die Zahl 1613,4 wegzuſtreichen. 


ten: Sattel zwiſchen dem Fakners⸗ und dem Giſen⸗ 
berge 1661,9 F. 


482 Nr. 62 lies 1741,9 ſtatt 1897,7 8. 


Seite 49 Zeile 13 v. 


2 


un “ “ nn %“ 


79 


174 
253 
318 
357 
368 
380 
399 


399 


400 
401 


nun vu 


9». 


20 v. 
20 v. 
4» 
14 v. 
20 v. 
7». 
19 v. 


8» 


16 v. 
4 v. 


Im zweiten Bande: 


u. lies Salvia Columbiensis ſtatt Artemisia Columbiensis. 


u. 


222 8 22 


8 


2 


u ä 


über dem See Angeſichts des Nieſen, der ſtatt 
über dem See, der. 

Strain fait Strange. 

192 M. fatt 192 %. 

16. Jahrhunderts flatt 15. Jahrhunderts. 

cree ſtatt crees. 

Eidon flatt Cidom. 

Thermobarometer fatt Pſychrometer. 

der Casa Morgieri al Purgatorı flatt Casa Pur- 
gatori. 

Haufes Morgieri al Purgatorı flatt Hauſes Pur- 
gatori. 


Casa Morgieri al Purgatori flait Casa Purgatori. 
Badehaus flatt Badhaus. 


2*